Roland Schön – Hintergrund

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Hintergrund

SCHĂ–N



Roland Schön

Im Kunstverein Coburg · 14.9.2002 - 13.10.2002 Der Katalog wurde mit Mitteln des Programms der Bayerischen Staatsregierung für Künstler und Publizisten vom 24.6.1980 erstellt. Weiterhin wurden Mittel der Kulturförderung der LfA Förderbank Bayern verwendet.

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INHALT

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Malerei · Öl/Lwd · Format 190 x 170 cm · Abbildungsgröße 1:10 Mexiko Rot (1998) S.4 ·  Hinterland (2000) S.5 · Rotes Moor (1996) S.7 · Sattes Rot (2001) S.10 · Blutströp­f­chen (2001) S.11 · Volleres Rot (2001) S.13 · Preiselbeer (2000) S.16 · Durchweicht (1997) S.18 · Zu­erst Gelb (2000) S.20 · Nochmehr Gelbes Licht (2001) S.21 · Hautnah (1999) S.23 · Blauschimmel (2001) S.26 · Leicht bewölkt (2000) S.27 · Verregnetes Rot (1998) S.29 · Rittersporn (1999) S.31 · Ins Dunkle (1998) S.33 · Espen (2000) S.35

(2) Kleine Ausschnitte · Malerei · Öl/Lwd · Format 14 x 8 cm · Abbildungsgröße 1:1 S.38 · S.39 · S.41 · S.44 sowie Titelseite und Rückseite (diese auch als C-Print) 324 x 190 cm · Abbildungsgröße 1:24 (3) „Zuerst Gelb“ S. Prinz · S.46-50 (4) Dazwischen Fotografien­

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Roter Main

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mit ohne

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und aber

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unregelmäßig

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weit weg

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nach drauĂ&#x;en

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nochmal

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Hรถhle

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dazwischen

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zentral

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in Bedr채ngnis

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weitl채ufig

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nah dran

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atmosph채risch

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ZUERST GELB Obwohl wir es schon lange besser wissen, scheint noch immer nichts so selbstverständlich wie der untrennbare Zusammenhang von Dingen und Farbe: die See ist blau oder vielleicht manchmal grau, das Gras ist grün und die Tomate rot. Wie könnte es auch sein, das die Formen wirkliche Eigenschaften der Dinge in dieser Welt sind wäh­rend die Farbe eine Konstruktion unserer Wahrnehmung ist. Dass in Wirklichkeit unterschiedlichste Kulturdetermi­nan­ten für Farben entscheidend und gerade Farbtemperaturen ausschließlich kulturell bestimmt sind, belegt die Betrachtung einer Gasflamme. Hier zeigt sich, dass gefühlte Temperaturen den realen genau entgegengesetzt sind. Die Gasflamme ist nämlich in der Mitte blau und zu den Rändern hin, wo sie kühler ist, rot-orange - die Farbeigen­ schaft warm oder kalt also mithin eindeutig metaphorisch. Im Zusammenhang mit zeitgenössischer Farbmalerei folgt aus dieser Beobachtung, dass man sich fragen muss, welche Faktoren im weiteren Sinne die Konstruktion von Farbempfindungen beeinflussen. Nehmen wir beispielsweise das Licht der durch die Zweige eines dichten Nadel­ waldes brechenden Sonne, das Leuchten einer Gletscherwand oder das Flirren der Sonne auf einem gemähten Feld als lokale Farbeindrücke oder Farbkonstruktionen wahr? Wieso sind diese Lichtsensationen ganz ohne wiedererkennbare Gegenstände, allein durch Farben auf der Leinwand wieder abrufbar? Welche Kulturdeterminanten entscheiden letztlich über diese Farbeindrücke? Roland Schön geht diesen Fragen nach, indem er sie mit solchen nach Identität und Erinnerung verknüpft. Prägen­der Faktor ist die Kontinuität, materieller oder immaterieller Art. Das Vertrauen in die Kontinuität unserer Erinner­un­gen (das zeigen die in einem sich manchmal über Jahre hinziehenden Prozess des Malens, Wartens und Auslöschens zahlreicher Farbschichten entstehenden Bilder) ist selbst dann richtig, wenn die Zeit alle Eckpunkte unserer Erin­ner­ ung – Bilder, Texte, Riten und bestimmte Orte – längst verändert oder ausgetauscht hat. Diese Überzeugung lässt sich auch den ausgewählten Fotos und Texten entnehmen. Gerade die seinen Bildern zur Seite gestellten Land­ schaftsaufnahmen argumentieren, dass Erinnerung, so fehlbar sie auch sein mag, das Rückgrat unserer Iden­ titätsbildung ist. Ist die sich reproduzierende Natur doch prototypischer Garant der Kontinuität. Gleichzeitig Spei­ cher­ungsform der Dauer und der Wiederholung übersetzt sie den Schein physikalischen Überlebens von Materie, wichtige Voraussetzung jeglicher Identifizierung, in einen Prozess des Verschwindens und Wiedererscheinens. Wohl aus diesem Grund beschrieb der englische Romantiker William Wordsworth seine Erinnerungen beim Anblick der Natur als gleichzeitig traurig, weil sich auf etwas Vergangenes beziehend, und optimistisch, weil sie einen aktiven und kreativen, oder besser re-kreativen Vorgang darstellten. BLAUSCHIMMEL In der Serie der großformatigen, in unzähligen Schichten in Öl ausgeführten Bildern, denen sich dieser Katalog hauptsächlich widmet, ist die zentrale Rolle der Landschaft offensichtlich, während die daraus entwickelten Mini­ aturen, im Grunde Nahaufnahmen der großen Leinwände, den Blick auf das autarke Referenzsystem der Malerei lenken. Diese sind nicht eigentlich Studien und Vorversuche und dienen nicht dem Formulieren bildnerischer Pro­ zesse. Noch bereiten sie im Kleinen vor, was erst dann im Großen gewagt wird. Vielmehr sind sie, die im unmittelbaren Sinne Ausschnitte sind, entschieden Bilder und verweigern die Möglichkeit eines jenseits der Oberfläche angelegten Erkenntnisgewinns. Mit anderen Worten: Sie sind reine malerischen Geste. Die kleinen Formate, in ganz anderem Abstand als die großen Leinwände zu betrachten, lassen die unwahrscheinlichen Kombinationen aus dem Spektrum des chromatisch Denkbaren erkennen, die Schön innerhalb desselben Bildes unterbringt. Sie sind es, die die lebhaften, grellen und lauten Töne unter den feinen, matten und eleganten zeigen indem sie die Tiefen­illusion der großen Leinwände gänzlich auflösen, bei denen die Temperaturunterschiede der Farben, die aus dem Untergrund durchscheinen, optisch hinter den klärenden letzten Farbschichten zurücktreten. Es sind ihre für das Auge nicht mehr vermengbaren Farbquantitäten, die es dem Betrachter gestatten, die Konstruktion des Einzelbildes und den

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zeitintensiven Entstehungsprozess mit seinen zahlreichen, immer wieder abgezogenen Farb­aufträgen, wahrzunehmen. Gerade in den kleinen Bildern tritt dieser Prozess in den Mittelpunkt und ersetzt das Streben nach sichtbarer Vollendung im transzendenten Meisterwerk. Variationen und Metamorphosen treten an seine Stelle, allerdings ohne dass die Wahl der Sequenz im Verrat am Werkideal endet - wohl aber im Verzicht auf die Kunstikone. Weit davon entfernt ein müder Ausdruck subjektiver Empfindungen zu sein, entziehen sich Schöns Bilder mangels persönlicher Pinselspuren dem konventionell idealistischen Verständnis von Malerei als Ausdruck bürgerlicher Hochkultur, das vor allem auf der Position des Malers als authentischer, originaler Schöpfer beruht. Dieser äußert sich – so die Erwartung – im Gemälde indem er sich ins Gemälde entäußert. Bei Schön hingegen keine Spur von seismographischer Entladung künstlerischer Befindlichkeit. Statt dessen Farben, die aus der Destruktion zahlreicher Malschichten resultieren und eine Oberfläche, die auch für den Künstler in ihrer finalen Gestalt nicht planbar ist. Nach dem Sujet als Bedeutungsträger und der Bildfläche als Ordnungsebene vertreibt Schön damit auch noch die Handschrift als subjektiven malerischen Ausdruck. Übrig bleibt die Idealität des Farbraums, der aber als Effekt eines weitestgehend technischen Vorgangs auch nur noch bedingt wesentliche Wahrheiten vermitteln kann. Im Gegensatz zu dem, was sich hier andeutet, endet Roland Schöns Befragung der Malerei allerdings nicht an der Oberfläche, um sie wie Frank Stella beruhigt als die eigentliche Wirkung eines Bildes zu akzeptieren. Es scheint vielmehr, als triebe ihn die Suche nach dem, was sich hinter der Illusionsfläche verbirgt. Das Resultat sind Erscheinungen, die mit der Wirklichkeit vergleichbar sind, mit ihr mehr oder weniger korrespondieren. Da erstaunlicherweise jede der unterschiedlich heftig bearbeiteten Bildflächen weiterhin transzendierende Wirkun­gen im Visuellen erzeugt, muss wohl auch der Betrachter einsehen, dass Malerei eine Möglichkeit sein könnte, anderes zu erkennen. Diesen Effekt der Differenz in der Wirkung von Bildoberfläche und visuellem Eindruck, den unausrottbaren ‚Illusionismus’ jeden Bildes, der nicht beseitigt werden kann ohne die Malerei zu beseitigen, spricht auch Gerhard Richter an, als er sagt: : „Wenn ich die negativen Vorstellungen vergesse, die sich mit dem Begriff verbinden, dann bleibt für mich ein Illusionismus übrig, der untrennbar mit Malerei verbunden ist bzw. gar mit Malerei gleichzusetzen ist. Malerei als Schein – das hat nichts mit Scheinwelt zu tun und dergleichen. Ich will sagen, dass ich keine Malerei kenne, die nicht illusionistisch ist.“ 1 HINTERLAND Wenn es schon unmöglich ist, bei Schöns Leinwänden das Verhältnis von Realität und Bild genau zu beschreiben, so lässt sich doch mit Bestimmtheit sagen, dass seiner malerischen Arbeit innerhalb eines von Brüchen und Sprün­gen geprägten Werks, das sich keinerlei verbindlichen Arbeitsprinzipien geschweige denn einer übergeordneten Idee unterzuordnen scheint, eine Schlüsselposition zukommt. Es ist der Maler Roland Schön, der es uns - ungeachtet aller Medienwechsel - gestattet, Anknüpfungspunkte zu erkennen und Modelle der Tradition, verworfene oder akzeptierte, zu erahnen und damit einen gewissen Einblick in seine künstlerischen Intentionen zu gewinnen. Dies gilt in besonderen Maße für Schöns Bilder, die in ihrer Materialität so gegenwärtig scheinen und hinter deren porösen Farbschichten die Geschichte der Malerei in einer Art Spannung auf der Lauer liegt. Man könnte sich damit zufrieden geben, die Bilder mittels kennzeichnender Titel einer bestimmten Atmosphäre zuzuordnen, und die abge­ zogenen Flächen als negativen Hinweis auf die expressionistische Spur des Künstlers zu verstehen. Da aber offensichtlich weitergehende Verweise im Bild angelegt sind, Assoziationen vorgeschlagen und Bedeutungen verhandelt werden, sollte man diesen Hinweisen folgen. Wie fast immer bei Schön führen sie einerseits ins Biografische und andererseits ins Allgemeingültige, Kunsthis­ torische. Richtet man sich nach dem Augenschein und kombiniert dazu die fotografischen Hinweise lässt sich die

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Landschaft Oberfrankens, der Heimat des Künstlers, rekonstruieren. Eine Zone, wo die Welt lange Zeit zu Ende war. Die ihren Reiz aus der eigentümlichen Mischung aus historischer Kulturlandschaft und einer offensichtlichen Unberührtheit gewinnt, die eine Folge dessen ist, dass die Region seit dem 19. Jahrhundert immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung verloren hat. Wie weiten Teilen Mitteldeutschlands mangelt es auch dem lange jeder Perspektive entbehrenden Gebiet an der Grenze zur ehemaligen DDR jeder Dramatik und die Menschen, die in dieser Landschaft leben, scheinen noch immer durch den Wechsel der Jahreszeiten bestimmt - durch die langen kalten Winter, die dann durch überraschend heitere Monate mit üppigen Blumenwiesen und reicher Obsternte abgelöst werden. LEICHT BEWÖLKT Wie alle zeitgenössischen Landschaftsbilder bedienen sich natürlich auch Schöns Leinwände des Naturmythos in erster Linie als Erzählung, da seine magischen und religiösen Qualitäten höchstens noch als Erinnerung (Zeichen) ihrer selbst, aber nicht mehr als die Lebensordnung bestimmende Elemente existieren. Dabei schwingt immer ein Sehnsuchtsmotiv mit, das man als Sentimentalität oder eben Erinnerung bezeichnen kann. Entscheidend für die jeweils entstehende neue Erzählung sind allerdings noch immer die vor allem im 19.Jahrhundert geprägten Muster. Gerade die deutsche Kunst stattete damals, am Beginn der industriellen Revolution, die Landschaftsmalerei mit einer nie vorher gesehenen spirituellen Intensität aus 2, die weit über einen romantischen Symbolismus hinausging und entscheidend aus dem Atmosphärischen lebte. Seitdem steht den Malern eine Bildsprache zur Verfügung, die bis dahin sich der Abbildbarkeit entziehende physikalische und metaphysische Kategorien in die Malerei einführte. Claude Monet, dem wir die erstaunlichsten Bildserien verdanken, die sich der Stimmung eines einzigen Ortes zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten widmen, entwickelte für sich den Begriff des ‚enveloppe’, mit dem er die eine vorherrschende Farbe meinte, die trotz der immer zahlreichen anderen, die Atmosphäre eines Ortes bestimmt, indem sie diese anderen mit einschließt und dominiert. Eine kleine Anekdote beschreibt, wie 1889 eine ungeplante Reise seine Arbeit an einigen Bildern des Tals der Creuse unterbrach. Bei seiner Rückkehr hatte eine Eiche, die abseits eines kleinen Wäldchens am Ufer des Flusses wuchs, bereits ausgeschlagen. Durch einen erhaltenen Brief­ wechsel ist überliefert, dass sich Monet solange mit seinem dortigen Vermieter auseinander setzte, bis dieser schließlich einwilligte, alle Blätter entfernen zu lassen.3 Um Missverständnissen vorzubeugen: Monet lag an der Rekonstruktion des Status ante quem nicht etwa, weil ihn die motivische Veränderung gestört hätte, sondern weil sich tatsächlich das Licht und die Farbigkeit des Ortes vollkommen verändert hatten. Deren malerische Umset­zung, obwohl als chromatische Vision von Monet schon begonnen, wäre durch die reale Veränderung des Ortes beinahe verhindert worden, weil seine Farbidee vor der Abreise nicht mehr mit der nach seiner Rückkehr in Einklang zu bringen war. Im Zusammenhang mit Roland Schöns Bildern ist diese Geschichte deshalb von Bedeu­tung, weil sie auf einen entscheidenden Wandel in der Bildauffassung hinweist. Monet steht am Anfang der Ent­wicklung des Bildraums zum chromatischem Ereignis, das in erster Linie durch Licht und Farbe bestimmt wird. Plötzlich sind es nicht mehr die Gegenstände, die den Charakter eines Ortes bestimmen. An ihre Stelle tritt die Gleichung von Ort und Farbe, die sich aus atmosphärisch ‚gefühlten’ Farbtemperaturen und optisch wahrgenommenen chromatischen Veränderungen im Verlauf eines Tages oder Jahres zusammensetzt. Geographischer und malerischer Ort sind dabei nicht identisch sondern höchstens verwandt.

Von Anfang an polemisierten nicht wenige Intellektuelle gegen die Überfrachtung des Atmosphärebegriffs im Zu­sammenhang mit der Naturbetrachtung, unter ihnen Charles Baudelaire, der anlässlich des Salons von 1859 schreib: „Die meisten Irrtümer hinsichtlich des Schönen entspringen der falschen Vorstellung des achtzehnten

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Jahrhun­derts hinsichtlich der Moral. Die Natur galt damals als Grundlage, Quelle und Urbild alles Möglichen Guten und Schönen. (...) Entschließen wir uns jedoch, schlechthin den Augenschein gelten zu lassen (...), dass die Natur nichts lehrt oder fast nichts, d.h. sie nötigt den Menschen, zu schlafen, zu trinken, zu essen, und sich, so gut es geht, vor den Unbilden der Witterung zu schützen.“ Stattdessen, schreibt er, ist „alles Schöne und Edle ... ein Ergebnis der Ver­nunft und der Überlegung.“ Er formulierte hier die bis heute vorherrschende Vorstellung, dass Kunst ein abstraktes und autonomes Produkt der reinen Vorstellungskraft ist (und sein soll), das im diametralen Gegensatz zur Natur als bloß Existierendes steht. Es wird deutlich, dass der moderne Standpunkt Natur wenn nicht als Ressource, dann als ein chaotisches Anderes begriff, das in erster Linie durch die Differenz zum Menschen gekennzeichnet ist. Die Kunst der Moderne bestätigte – zumindest in ihren Haupttendenzen – die Haltung Baudelaires. So sieht sie, parallel zur Ausbeutung durch die fortschreitende Technisierung und Industrialisierung, in der Natur oft ausschließlich eine Vorratskammer von Bil­dern und Zeichen für die autonome Einbildungskraft. „Die meisten unserer Landschaftsmaler (sind) Lügner“ urteilt Baudelaire an anderer Stelle über die zeitgenössische Landschaftsmalerei und preist die synthetischen Produkte der Industrie und die Szenen einer Großstadt als einzig authentische ästhetische Anreize. Diese Form der Natur­ent­ fremdung führte einerseits dazu, dass sich die Malerei völlig neue Motive erschloss, hatte aber andererseits auch zur Folge, dass die mit fortschreitender Moderne zunehmend selbstreferenziell arbeitende Kunst in immer schnellerer Folge Zeichenwelten erzeugte, die nur innerhalb des Kultursystems entzifferbar sind. Die Kategorie der Bedeutung von Kunst allerdings tendiert in solchen immer atemloser werdenden Neuarrangements der ästhetischen Zeichen eher zur Auflösung. Es stellt sich die Frage, wie ästhetische Praxis unter diesen Voraussetzungen konstituieren kann. Zumal es weder Roland Schöns Sache ist, in ironischer Beliebigkeit aus dem Repertoire der Kunstgeschichte zu schöpfen, noch sich als später Apologet bestimmter abstrakter Bildmodelle zu stilisieren. Welche Informationen hinsichtlich der Landschaft sind also in seine Bilder eingeschrieben? Ganz entschieden nicht gemeint ist mit Sicherheit die weit verbreitete Vorstellung einer falschen Idylle, die den Menschen von der Last des Denkens befreit. Schon Friedrich Schiller äußert sich kritisch zu diesem offensichtlich schon vor mehr als zwei Jahr­ hunderten verbreiteten Naturverständnis. „... Die losgespannte Natur darf sich im seligen Genuss des Nichts auf dem weichen Polster der Plattitüde pflegen ...“4 schreibt er wohl nicht zuletzt in Reaktion auf die maßlose Natur­ schwärmerei seiner Epoche, die – obwohl begeisterter Gärtner – sein Zeitgenosse Johann Wolfgang von Goethe als einer der wenigen in intellektueller Distanz reflektierte: „Natur! Wir sind von dir umgeben und verschlungen – un­vermögend aus ihr herauszutreten, und unvermögend tiefer in sie hinein zu kommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihrs Tanzes auf und treibt sich mit uns fort, biß wir ermüdet sind und ihrem Arme entfallen. Sie schafft ewig neue Gestalten; was da ist war noch nie, was war kommt nicht wieder – Alles ist neu und doch immer das Alte. Wir leben mitten in ihr und sind ihr fremde. Sie spricht unaufhörlich mit uns und verräth uns ihr Geheimnis nicht. Wir wirken beständig auf Sie und haben doch keine Gewalt über sie. Sie scheint alles auf Individualität angelegt zu haben und macht sich nichts aus den Individuen. Sie baut immer und zerstört immer und ihre Werkstätte ist unzugänglich...“ 5 Was beide noch völlig unbeachtet lassen, ist sowohl das Potential der Landschaft als ein Ort, in dem verschiedenste Erfahrungen gemacht und dargestellt werden können wie auch als ideologisches Werkzeug, mittels dessen wir unsere Umwelt formen und definieren können. Auch ihre entscheidende Rolle bei der Identitätsbildung und Machtausübung im Rahmen der Kunst wird nicht thematisiert.6 Es bedurfte wohl erst der Mentalitätsgeschichte der Neuzeit, um

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einzusehen, dass die Sprache, mit der Natur abgehandelt wird, wie auch die Sprache der Natur selbst, niemals vorgegeben sind, sondern durch ästhetische Vorlieben, gesellschaftliche Regeln und Vorstellungen für einen bestimmten Zweck formuliert werden. Das Wissen um diesen prägenden Rahmen, der die Kunst- wie die Naturauffassung ganz grundsätzlich bestimmt und das Bild entscheidend beeinflusst, bestimmt auch die Arbeiten Roland Schöns. Ohnehin ohne motivische Verbindung zur Landschaft muss der Farbraum bei Schön daher in erster Linie als Malerei betrachtet werden und erst dann als atmosphärisches Pendant bestimmter Landschaftstypen. Susanne Prinz

1 Gerhard Richter: Text. Schriften und Interviews; Frankfurt a.M./Leipzig 1993, S.86 2 1808 wurde erstmals ein Landschaftsbild, Caspar David Friedrichs Kreuz in den Bergen, als Altarbild verwendet. 3 die englische Malerein Bridget Riley kolportiert diese Geschichte in ihrem Aufsatz ‚ Colour for Painters, in: Trevor Lamb und Janine Bourriau, Colour: Art & Science, Cambridge 1995, S. 31-64, S.35 4 Schiller, Friedrich, Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, zit. nach Glaser, Hermann, Hinterm Zaun das Paradies, S.104 5 aus dem Tiefurter Journal mit Gesprächen von Johann Wolfgang von Goethe und Johann Georg Christoph Tobler, erstmals veröffentlicht 1783 6 Landschaft funktioniert bereits in den Einzelporträts der italienischen Frührenaissance wie auch den nordalpinen Stifterbildern eines Jan van Eyck oder den Stundenbüchern der Brüder Limburg als visuelle Repräsentation mate riellen Besitzes und Klassenbewusstseins.

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Roland Schön (*1964) Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart (1987-92) Neider Äfer Ön Bayreuth (1991) · Kunstverein Bayreuth (1992) · Hardware Kunstverein Brauhaus Bayreuth (1993) · Kunstraum Oberfranken Münchberg (1994) · Czelley-Mühle (Eisenstadt, Österreich), Karlsruhe Orgelfabrik (1996) · Darmstädter Sezession (1997) · Kulmbacher Kunstsymposium, Bratislava/ Baye­ri­sche Kunst dieser Tage , Villa Dessauer Bamberg BBK (1998), Privaträume Wunsiedel (1999) · Expo 2000 Deutscher Pavillon Kulturprogramm (2000) ·  Föttinger/Siebenhaar/Schön Bayreuth (2001) Kulturpreis der oberfränkischen Wirtschaft (1992) · KaB Kapelle Pegnitz 1.Preis (1994) · KaB Vermessungsamt Wunsiedel 1.Preis (1996) · Schule für Wein und Gartenbau Würzburg 2. und 3.Preis (1998) · Atelierstipendium des Bayerischen Kultusministeriums (1998) · KaB Krankenhaus Hohe Warte Bayreuth 1.Preis (2000)

Die Fotografien auf den Seiten 36/37/40/42/45 entstammen mit freundlicher Genehmigung aus folgenden Büchern: Friedrich Nietzsche „Über Wahrheit und Lüge“, Inselbücherei 1207, Insel Verlag Frankfurt a.M. 2002, S.37 o.r., S.40 m.l. · Jean Bau­drillard „Transparenz des Bösen“, Merve-Verlag Berlin 1992, S.37 o.l., m.l., u.l., m.r., S.42 l.o., l.m., l.u. · Diaz del Castillo „Die Eroberung von Mexiko“ (um 1580), Insel Taschenbuch 1067, erste Auflage 1988, Insel Verlag Frankfurt a.M. 1998, S.36, S.40 u.r., S.45 m.r., · Elias Canetti „Masse und Macht“, Sonderausgabe 1984, Claasen Verlag GmbH Hamburg 1960, S.42 o.r., S.45 o.l., m.l., u.l. · Peter Handke „Der Bild­verlust“, erste Auflage 2002, Suhrkamp Verlag Frankfurt a.M. (2002) S.40 o.l., u.l., m.r., S.45 o.r. · Jeff Wall „Szenarien im Bildraum der Wirk­lich­keit“, Verlag der Kunst 1997, Fundus Bücher 142, S.37 u.r., S.40 o.r., S.42 m.r., u.r. · Karl Philipp Moritz „Götterlehre“ um 1795, Insel Verlag Leipzig 1972 S.45 u.r.

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