Ausgabe 2014 · www.sachsen-tourismus.de Titelmotiv: Rainer Weisflog
STÄDTEMAGAZIN STADTSCHÖNHEITEN SACHSEN
GÖRLITZ
GRIMMA
PLAUEN
BAUTZEN
Das prachtvolle Erbe der Tuchhändler
Wo einst die Muldenmüller lebten
Hauchzarte Versuchungen in Spitze
Die Oberlausitz für Doppelgenießer
Torgau
6
4 Kamenz
LEIPZIG
Bautzen
Meißen
5 Grimma
Radebeul
Görlitz
DRESDEN Pirna
Zittau
3
Freiberg
CHEMNITZ
Zwickau
2
AnnabergBuchholz
1 Vogtland 2 Erzgebirge
Plauen
3 Elbsandsteingebirge
1
4 Oberlausitz 5 Sächsisches Elbland 6 Sächs. Burgen- und Heideland
Kultur
Menschen
Tradition und Handwerk
4 Zeitreise mit August
24 Die Lehrmeisterin
40 Luftige Muster für die Welt
und ihr Schöpfer
Plauener Spitze hat das Vogtland
In Freiberg schuf Gottfried Silbermann
weltberühmt gemacht.
vor 300 Jahren ein Meisterwerk.
Mit August Horch durch die sächsische
Automobilgeschichte.
10 Bei Müllers auf dem Fluss Ein Mühlenspaziergang an der Mulde
30 Künstlerisch wertvoll
Die prächtigen Hallenhäuser
in Grimma.
der Tuchmacher von Görlitz.
12 Die schönste Baustelle Meißens
Im Prälatenhaus verzaubern spätgotische
Malereien die Besucher.
15 In Wagners Welt
Die Wagner-Ausstellung im Jagdschloss
Graupa mach Lust auf mehr.
Kunst und Künstler hautnah in Radebeul.
Unterwegs 34 Die Internationale
Mitten im Dreiländereck
wird es in Zittau richtig international.
50 Barbaras Erbe
Wie die Klöppelkunst ins Erzgebirge kam
und Annaberg veränderte.
Genuss
54 Kulturhöhepunkte 2014/2015
18 Ein halbes Jahrtausend Schönheit
38 Kulinarisches Doppelspiel
56 Dreizehn Stadtschönheiten
Das Sakralmuseum macht Kamenz zum
Genuss hat viele Gesichter in Bautzen –
Geheimtipp für Kunstkenner.
zwei Kostproben.
22 Der dreifache Handschlag
2
46 Verborgene Schätze
Wie Torgau zu seinem Platz in den
Geschichtsbüchern kam.
58 Impressum 59 An der richtigen Adresse
DREIZEHN MAL WILLKOMMEN!
Liebe Leserinnen und Leser, zum zweiten Mal dürfen wir Sie auf
nimmt dort der Namenspatron höchst-
eine Lesereise durch dreizehn Stadt-
persönlich – wirklich wahr!
schönheiten in Sachsen einladen. In
Tief in die Vergangenheit des Erz-
dieser Ausgabe entführt Sie das Maga-
gebirges nimmt Sie unsere DREI-
zin DREIZEHN in vergangene Zeiten
ZEHN-Expedition
nach
Annaberg-
und in die Welt der Mode. Es verführt
Buchholz mit, wo man in diesem Jahr
Sie zu kulinarischen oder kulturellen
einen 500. Geburtstag feiert und ähn-
Genüssen – wie es Ihnen beliebt.
lich alt sind auch die sakralen Kostbar-
Probieren Sie in Bautzen, wie das
keiten von Kamenz. In Grimma geht
Mittelalter schmeckt und welche Köst-
unser Magazin mit Ihnen auf Wander-
lichkeiten die sorbische Küche bereithält.
schaft am Fluss und in Torgau spielt die
In Zittau lassen sie sich überraschen, wie
Elbe die Hauptrolle in einer kaum be-
international die Stadt im Dreiländereck
kannten Geschichte.
tatsächlich tickt und wo man das sehen, hören und schmecken kann.
Wer hat mitgezählt? Fünf weitere Städte enthüllen ihre Geheimnisse im
In höchsten Tönen erleben die Lese-
aktuellen DREIZEHN-Heft: Auf geht
Reisenden die Bergstadt Freiberg, in der
es nach Plauen, Meißen, Pirna, Rade-
man den Klang aus Silbermanns Zeiten
beul und Görlitz.
bis heute erleben kann und noch weiter westlich tönen keine Pfeifen, sonder V16-Motoren im August-Horch-Mu-
Eine unterhaltsame Reise wünscht die
seum von Zwickau. Die Führung über-
DREIZEHN-Redaktion
Foto: Dom zu Freiberg, Martin Förster
3
KULTUR · ZWICKAU
Fotos: Matthias Rose
Zwickau im Erzgebirgsvorland 4
KULTUR · ZWICKAU
Zeitreise mit August
Hochglanz und Hubraum, Ingenieurkunst und Intrigen: Diese Zutaten lassen im Zwickauer August-Horch-Museum ein Jahrhundert sächsischer Automobilgeschichte lebendig werden. Vor allem, wenn der Namenspatron selbst den Rundgang führt. 5
KULTUR · ZWICKAU
• www.horch-museum.de
I
m grauen Dreiteiler mit Uhrkette marschiert August Horch strammen Schrittes durch die Aus-
stellung, vorbei an einem mächtigen
12-Zylinder-Motor und dem olivgrünen Lastwagen, bis er unvermittelt an drei Schautafeln stoppt. Hier beginnt die Geschichte, seine Geschichte. "Im Jahr 1868 wurde ich in Winningen als Sohn des Dorfschmieds geboren", beginnt der alte Mann mit dem Spitzbart, dem man seine 145 Jahre partout nicht ansieht. Und dann erzählt er von seiner Anfangszeit bei Carl Benz, von seinem Weg vom Konstrukteur zum Unternehmer – und der schmerzlichen Erfahrung, aus dem eigenen Unternehmen gedrängt zu werden. Damit schließt sich für den Besucher des August-Horch-Museums der Kreis von Geschichte und Gegenwart. Denn wo heute das Museum steht, eröffnete Horch 1909 seine neue Automobilfabrik. Die musste er ein Jahr später umbenennen und damit schlug die Geburtsstunde von Audi, dem lateinischen Wort für "Horch!".
6
Foto: Matthias Rose
KULTUR · ZWICKAU
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KULTUR · ZWICKAU
BESTSELLER UND KÜHNE CHAUFFEURE
8
Im Schlepp von August Horch wird
stark die Automobilindustrie die Ge-
Schutt und schwarzen Mauerstümp-
der ohnehin sehenswerte Rundgang
sellschaft beeinflusste und gleicherma-
fen steht ein ausgebrannter "Wander
zu einer äußerst lebendigen Lektion,
ßen auch von ihr geformt wurde. Mit
er W11"-Kübelwagen. Nur Minuten
die weit über die Automobilgeschich-
betörend schönen Wagen werden jene
vorher hatte Firmengründer Horch er-
te hinausgeht. "Die Physik ist das ein-
chromglänzenden Epochen gefeiert, in
klärt, weshalb Audi, DKW, Horch und
zig Untrügliche", doziert der alte Mann
denen Autos ein teurer Luxus der obe-
Wanderer im Jahr 1932 teilverstaatlicht
und fragt im nächsten Atemzug: "Wis-
ren Zehntausend waren und sich nur
und zur Auto Union verschmolzen wor-
sen Sie eigentlich, wie eine Konuskupp-
vermögende Draufgänger den Kick
den waren. In jener Zeit, als sich immer
lung funktioniert?" Zwei Minuten spä-
halsbrecherischer Autorennen leisten
mehr Menschen Motorräder oder gar
ter weiß man es und kurz darauf auch,
konnten. In seinem original erhalte-
Autos leisten konnten, wurde die auf-
weshalb der Horch-Lkw von 1916
nen Büro beugt sich Horch prüfend
blühende Automobilindustrie Sachsens
am Berg eine Anfahrhilfe brauchte.
über die Kassenbücher und lässt es sich
zum Spielball der größenwahnsinnigen
Genau – wegen seiner Konuskupplung.
auch nicht nehmen, in der Werkhalle
Kriegsmaschinerie Hitlers.
Zwar ist die Ausstellung chronologisch
die alten Maschinen und den Horch-
Folgerichtig war nach 1945 nicht
geordnet, aber die Themen in Horchs
8-Zylinder-Motorenprüfstand vorzu-
mehr viel übrig von der einst "kriegs-
Führung springen munter hin und her.
führen. Zurück in der Ausstellung,
wichtigen" Industrie und was die Bom-
Aufgekratzt erzählt er von seinen Tri-
freut sich Horch über die repräsentati-
benangriffe der Alliierten überstanden
umphen bei der Alpenfahrt 1911, vom
ven Pullmann-Limousinen ebenso wie
hatte, wurde bald für den Transport in
wirtschaftlichen Erfolg des Audi C "Al-
über das kleine DKW-Motorrad – "ein
die Sowjetunion verpackt.
pensieger" aus dem Jahr 1913 und über
richtiger Verkaufsschlager!" Doch ein
den Siegeszug der Luftbereifung. Auf
paar Schritte weiter ist es vorbei mit der
Schritt und Tritt wird spürbar, wie
motorisierten Herrlichkeit: Zwischen
KULTUR · ZWICKAU
Foto: Matthias Rose
NEUSTART OHNE BLECH "Weniger als zehn Prozent der funk-
Man sucht eine Alternative. Dass diese
serien, deren Glanzeffekt auf gemahle-
tionsfähigen Maschinen blieben am
Suche schließlich nach einigen Vorläu-
nen Fischschuppen beruht. Man sieht
Ende in Zwickau", sagt August Horch,
fermodellen im legendären Trabant 601
die anderen Museumsbesucher zusam-
und noch immer schmerzt die Erin-
mündete, liegt auf der Hand. Zu sehen
menzucken, wenn August Horch den
nerung den alten Mann. Doch je nä-
sind zentimeterdicke Baumwollmatten,
Sound des V16-Rennwagens der Auto
her er dem Untergeschoss kommt, de-
die zusammen mit Phenolharz gepresst
Union aufheulen lässt, und genauso be-
sto mehr hellt sich seine Miene wieder
und zu Kotflügeln oder Motorhauben
eindruckt eben die Leistung der TrabiKonstrukteure des VEB Sachsenring. Wenn die geplante Museumserweite‑ rung im Jahr 2015 abgeschlossen ist, wird das Thema Motorsport eine grö-
Der Trabant 601 • Foto: iStockphoto
ßere Rolle spielen, verspricht Museumsleiter Rudolf Vollnhals – "und
auf. Nochmals wird es spannend, wenn
wurden. Die technologische Leistung
auch für die DDR-Zeit und Sonder-
er die Anfänge der DDR-Automobil-
hinter der Entwicklung der oft belä-
ausstellung werden wir dann mehr
industrie beschreibt. "Durch das Wirt-
chelten "Rennpappe" ist August Horch
Platz haben." Museumsführer August
schaftsembargo durfte von einem Tag
wichtig und erstaunlicherweise gelingt
Horch wird das freuen. 146 Jahre wird
auf den anderen kein Karosserieblech
es der Ausstellung, hier immer den rich-
er dann alt sein, aber gewiss immer
mehr in die DDR geliefert werden.
tigen Ton zu treffen und die Fahrzeuge
noch voller Begeisterung. Gut auch,
Und was machen Sie als Autohersteller
angemessen im historischen Kontext zu
dass der Museumsführer nicht so ganz
ohne Blech?" Eine rein rhetorische Fra-
präsentieren. So staunt man über mäch-
hundertprozentig der echte August
ge, denn die Antwort folgt auf dem Fuß:
tige, metallisch schimmernde Karos-
Horch ist. Aber gewiss zu 95 Prozent ... 9
KULTUR · GRIMMA
Müllers auf demFluss
Bei
Die Schiffmühle auf der Mulde in Grimma ist eine besondere Rarität. Immer noch funktioniert das technische Denkmal – auch wenn es heute kein Mehl mehr produziert – sondern Strom.
Ü
ber Jahrhunderte waren
ner Kongress: Im Jahr 1815 ordnete
die Schiffmühlen auf Elbe,
der nicht nur die Grenzen in Europa
die bis ins alte Rom zurückreichen soll:
Rhein und Donau ein ver-
neu, sondern gleichzeitig die Regeln der
Als die Ostgoten im Jahr 536 Rom bela-
trautes Bild. Vertäut am Ufer, schwam-
Flussschifffahrt. Die schwimmenden
gerten, ließ ein pfiffiger Feldherr Kähne
men sie einzeln oder im Verbund in
Mühlen galten fortan als Hindernisse
mit wasserbetriebenen Mahlwerken auf
der Flussmitte und mahlten das Korn
für die Binnenschiffer. Von den einst
dem Tiber verankern, um die hungern-
der Bauern mit der Kraft der Strömung.
84 Mühlen in Kursachsen waren 1837
de Stadt mit Mehl zu versorgen.
Das jedoch änderte sich nach dem Wie-
nur mehr 15 in Betrieb. Damit war das
Grimma an der Mulde 10
Ende einer langen Tradition besiegelt,
KULTUR · GRIMMA
KLAPPERN FÜR STROM Lange sind diese Zeiten vorbei – und
Nachbau in der warmen Jahreszeit auf
gründlich überholt und teilweise erneu-
trotzdem klappert heute bisweilen eine
dem Fluss, 2013 wurde er komplett sa-
ert. Allerdings wird mit der Strömung
Mühle mitten auf der Mulde. Mancher
niert. Die Bauform orientiert sich an
der Mulde heute kein Korn mehr ge-
Spaziergänger wundert sich über die-
der historischen Schiffmühle, die einst
mahlen. Das gewaltige Wellrad produ-
ses seltsame Hausboot, doch ein Ge-
an gleicher Stelle schwamm und 1871
ziert inzwischen Energie zur Versor-
heimtipp ist die Schiffmühle zwischen
durch einen Brand zerstört wurde. Alle
gung der historischen Wasseranlagen
Kaditzsch und Höfgen schon lange
Baugruppen – Hausschiff, Wellschiff,
und Springbrunnen des nahegelegenen
nicht mehr. Seit 1992 schwimmt der
Verbinderstege und Wellrad – wurden
Jutta-Parks.
Dem Interesse der Technikfans und Ge-
Besucher im "Mühlenfieber" können
angetrieben durch ein "oberschläch-
schichtsinteressierten tut diese Ände-
übrigens ganz in der Nähe noch eine
tiges Wasserrad". Das und noch viel
MÜHLENVIELFALT AN DER MULDE
rung freilich keinen Abbruch. Zu faszi-
weitere Attraktion bewundern: Nur
mehr über das Zusammenspiel der
nierend sind die Mechanik im Inneren
einen kurzen Spaziergang entfernt, fin-
Zahnräder, Wellen und Riemen ist im
der Mühle und die Ausstellung über die
det sich im malerischen Dorf Höf-
Mühlenmuseum zu lernen. Zudem er-
Funktion der Schiffmühlen und das Le-
gen eine Wassermühle als technische
fahren die Besucher hier, wie die Mül-
ben auf dem Fluss.
Schauanlage. Erstmals erwähnt wur-
lers am Fluss so lebten und was es mit
de diese Mühle im Jahr 1721 und war • www.grimma.de
bis 1954 als Getreidemühle in Betrieb,
den Begriffen "Picke", "Kiepe" oder "Kleieklotzer" auf sich hat.
Foto: Sylvio Dittrich
11
KULTUR · MEISSEN
V
or etwa 25 Jahren begann das
aus wörtlich zu nehmen: Das auffäl-
latenhaus sicher eines der bedeutend-
"zweite Leben" des Prälatenhau-
lige Haus am Burgberg ist nur zu Fuß
sten Gebäude Meißens. Umso mehr, als
ses mit einer Rettungsaktion.
zu erreichen und liegt mitten auf einer
sein heutiger Zustand engagierten Men-
Inzwischen haben die Retter von da-
Treppe. Der Weg lohnt die Mühe, führt
schen im Kuratorium "Rettet Meißen
mals viel geschafft – und noch immer
er doch mitten in ein lebendiges Stück
– jetzt!" zu verdanken ist. Dessen Ge-
jede Menge Arbeit vor sich. Die Adres-
Stadtgeschichte. Denn sieht man von
schichte beginnt ganz offiziell im August
se Rote Stufen 3 in Meißen ist durch-
Dom und Albrechtsburg ab, ist das Prä-
1990 – aber eigentlich sehr viel früher.
Meißen an der Elbe 12
KULTUR · MEISSEN
Foto: Erik Braunreuther
WECHSELHAFTE HISTORIE Im Jahr 1509, ließ Nikolaus Heynemann
dem prächtig ausmalen und lebte mehr
Die letzte Besitzerfamilie übergab das
im Schatten des Burgberges zwei klei-
als drei Jahrzehnte, bis zu seinem Tod,
Haus schließlich 1978 an die kommu-
ne Predigerhäuser abreißen und an de-
in dem Haus. Das wechselte über die
nale Gebäudewirtschaft Meißens. Bau-
ren Stelle einen repräsentativeren Bau
kommenden Jahrhunderte immer wie-
fällig war es inzwischen geworden und
errichten. Drei Stockwerke hoch und
der den Besitzer: Vermögende Hand-
an eine Sanierung aus eigenen Mitteln
mit einem prächtig verklinkerten Gie-
werker, Richter, Beamte und Geistliche
war in den Zeiten sozialistischer Man-
bel, entstand ein schmuckes Domizil,
lebten im Haus an den Roten Stufen.
gelwirtschaft nicht zu denken. Selbst
das dem päpstlichen Legaten und kai-
Zu den letzten Käufern zählte Mei-
die Stadt scheiterte an der Rekonstruk-
serlichen Notar Heynemann angemes-
ßens erster Fotograf Germanus Koc-
tion in den 1980er-Jahren: zu teuer, zu
sen war. Einige Innenräume ließ er zu-
zyk, der es 1872 erwarb und erweiterte.
aufwendig.
Wäre die Geschichte dem damals übli-
auch über die bewegten Jahre um die
denschaft für Meißen überzeugte auch
chen Lauf der Dinge gefolgt, gäbe es das
politische Wende 1989 in Meißen nicht
die Stadtverwaltung, die im Jahr 2000
RETTUNG DURCH BÜRGER
Prälatenhaus wohl heute nicht mehr
vergessen. Das ist nicht zuletzt dem Ku-
mit dem Kuratorium nach weiteren
und ein halbes Jahrtausend Geschichte
ratorium "Rettet Meißen – jetzt!" zu
Sicherungsmaßnahmen einen Baube-
wäre vergessen. Dass es anders kam, ist
verdanken, das sich seit dieser Zeit für
treuungs- und Nutzungsvertrag für das
zuerst einer Handvoll Denkmalschüt-
die architektonischen Schätze der Stadt
Prälatenhaus abschloss. Seither haben
zer zu verdanken, die das Dach des ver-
engagiert. Diese Initiative von Bürgern
die rührigen Kuratoriumsmitglieder
fallenden Kleinods notdürftig sicherten.
und Freunden Meißens sammelte im
nochmals fast eine halbe Million Euro
In diesem Zuge kamen auch einige der
ersten Jahrzehnt ihres Bestehens mehr
aus verschiedenen Quellen mobilisiert –
spätgotischen Wandmalereien wieder
als eine Million Mark für den Erhalt
über Sponsoren, Förderer und zahllose
zum Vorschein und so wurde das Haus
gefährdeter Bausubstanz. Diese Lei-
Benefizveranstaltungen. 13
KULTUR · MEISSEN
Fotos: Erik Braunreuther
OPTIMISMUS GEFRAGT Wenn der Kuratoriumsvorsitzende Dr.
14
und führt in eine weitere restaurierte
wird noch Jahre dauern, doch schon
Jens Petzold heute durch das Prälaten-
historische Stube. In der Ecke steht ein
heute können Meißenbesucher die
haus führt, mahnt er immer wieder zur
Styroporblock in Form eines Kachel-
schönste Baustelle der Stadt nach Vor-
Vorsicht. "Es ist immer noch eine gro-
ofens: "Das wäre auch noch so ein Pro-
anmeldung besichtigen. Dazu gibt es
ße Baustelle", meint er inmitten von
jekt." Der Optimismus von Jens Petzold
immer wieder Konzerte, Ausstellungen
Kabeln und Baumaterialien. Dann öff-
steckt an und die fantastischen Malerei-
und besondere Führungen in den Ro-
net er eine Tür und der Unterschied
en zeigen Wirkung. Beim Weitergehen
ten Stufen 3. Und jeder Besucher kann
könnte kaum größer sein: strahlende
durch brettergesicherte Baustellene-
seinen Beitrag leisten, damit dieses
Farben an den Wänden, verschiedene
tagen entstehen im Geiste neue Bilder
spätgotische Schmuckstück ein wenig
Dekore aus fünf Jahrhunderten und fi-
aus längst vergangenen Zeiten – eines
eher komplett im alten Glanz erstrahlt.
ligrane Malereien. "So soll es hier eines
Tages wird jeder Raum des Prälatenhau-
Tages überall aussehen", sagt Petzold
ses ein Schmuckstück sein. Das freilich
• www.kuratorium-meissen.de
KULTUR · PIRNA
IN
WAGNERS WELT • Für viele Musikliebhaber ist Richard Wagner ein Titan und sein Werk gewaltig. Im Jagdschloss Graupa darf man sich dem Komponisten auf leisen Sohlen nähern – und von überraschenden Exponaten begeistern lassen. Pirna/Graupa im Elbsandsteingebirge
Porträt Richard Wagner: Gemälde Cäsar Willich (Quelle: Wiki Commons) 15
KULTUR · PIRNA
• www.wagnerstaetten.de
K
ein siegreicher Held zu sehen. Keine kampfeslustige Walküre. Nicht mal eine stolze
Burg hoch über dem Fluss. Kann das der wahre Wagner sein? Ganz ohne
Pomp und Pathos? Die Besucherzahlen im Jagdschloss Graupa sprechen dafür, dass man sich dem Komponis ten durchaus auf leise Weise nähern kann. Mehr als 25.000 Gäste machten sich im Wagnerjahr nach Graupa auf – fünfmal so viele wie sonst. Und sie durften vor allem staunen.
MIT PEP DURCH DIE NATUR Rückblende: Wir schreiben das Jahr
die Konzeption seiner Oper "Lohen-
neue Richard-Wagner-Museum. Das
1846, Richard Wagner will sich dem
grin". Die wurde bekanntlich ein gro-
stellt nicht die gewaltigen Werke des
sommerlichen Trubel Dresdens ent-
ßer Erfolg, und längst heißt das dama-
Komponisten in den Mittelpunkt, son-
ziehen. Er braucht Ruhe zum Nach-
lige Sommerdomizil "Lohengrinhaus"
der vielmehr sein Leben und seine Art
denken über ein neues Werk, weshalb
und lockt Wagnerianer aus aller Welt
zu arbeiten. Als größtes Verdienst der
er im ländlichen Graupa bei Pirna im
nach Sachsen. Das nahe Jagdschloss
Ausstellung kann gelten, dass sie den
Haus von Familie Schäfer Quartier
hat Wagner auf seinen Naturstreifzü-
Künstler Richard Wagner auch Neu-
bezieht. Drei Monate währt die Aus-
gen immer wieder vor Augen gehabt.
lingen nahebringt.
zeit, die er für lange Wanderungen
Seit seiner Renovierung bis 2013 bil-
mit seinem Hund Pep nutzt und für
det es den perfekten Rahmen für das
Fotos: Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna mbH
16
KULTUR · PIRNA
EIN WERK, SECHS PERSPEKTIVEN Das gelingt in sechs Themenräumen,
Einen weiteren Raum nimmt die Dich-
auf gemütlichen Sitzgelegenheiten mit
deren Reiz in der gelungenen Kombi-
tung Wagners ein, der den Texten sei-
drei Audiostationen: Die Einflüsse von
nation konventioneller Exponate und
ner Werke ebensoviel Aufmerksamkeit
Mozart, Weber oder Mendelssohn auf
erstaunlicher
Multimedia-Objekte
schenkte wie der Komposition und
Wagners Musik lassen sich anhand
liegt. Den Auftakt bildet Wagners Zeit
diese komplett selbst verfasste. Seine
von Hörbeispielen gut nachvollziehen.
in Sachsen. Sein Aufstieg zum König-
inhaltlichen Bezüge auf Quellen aus
Ebenso die interessanten Parallelen zwi-
lichen Hofkapellmeister und seine er-
der Mythologie und der Sagenwelt wer-
schen Wagner-Opern und den klassi-
sten Erfolge werden ebenso themati-
den dem Besucher hier deutlich und
schen Filmmusiken aus der frühen Hol-
siert wie die Flucht als steckbrieflich
machen Lust auf mehr. Nebenan er-
lywood-Ära.
gesuchter Revolutionär im Jahr 1849.
schließt sich das Thema "Komposition"
LERNEN UND STAUNEN Ein kleiner, feiner Augenschmaus war-
einzelne Instrumentengruppen. Paral-
tet im nächsten Raum: Ein sehr origi-
lel dazu lässt sich die Partitur verfolgen.
nell konstruiertes "Holografie-Theater"
Spätestens hier wird klar: Diese Präsen-
wird zur Mini-Opernbühne. Gemein-
tation hätte gewiss Gnade vor Richard
sam mit weiteren Exponaten zeigt es
Wagners Augen und Ohren gefunden.
anschaulich, welche Vorstellung der
Wahrscheinlich hätte er sich auch für
Perfektionist Wagner von seinen Auf-
den letzten Raum interessiert: Hier
führungen hatte und wie er seine Büh-
machen viele Dokumente deutlich, wie
nenbilder zu wahrhaft magischen Land-
unterschiedlich Wagners Werke in der
schaften voller Überraschungen werden
Vergangenheit wahrgenommen wur-
ließ. Ein paar Schritte weiter steht man
den: immer anders, oft spannend und
dann selbst im Orchestergraben und ist
meistens unterhaltsam – bis heute.
– rein virtuell – als Dirigent Herr über
17
KULTUR · KAMENZ
EIN HALBES
Jahrtausend SCHÖNHEIT
Klosterkirche St. Annen zu Kamenz
Foto: Dietmar Träupmann
Kamenz in der Oberlausitz 18
KULTUR · KAMENZ
Seit 1512 gehört die Klosterkirche St. Annen zum Stadtbild von Kamenz und seitdem prägen prachtvolle Altäre das Kirchenschiff. Die kunstvoll geschnitzten Holzfiguren faszinieren die Besucher des Gotteshauses bis heute.
G
emessen an der Geschichte, war den Franziskanern in Kamenz nur eine winzi-
ge Zeitspanne vergönnt. Erst musste
Böhmenkönig Vladislav II. über Jahre mit dem einflussreichen Kamenzer Stadtrat verhandeln, bis endlich 1493 der Grundstein für den Bau des Franziskanerklosters am nördlichen Stadtrand gelegt wurde. Weitere 19 Jahre dauerte es bis zur Vollendung des Kirchbaus und schon 1527 kündigte die erste protestantische Predigt den Siegeszug der Reformation an – und damit das Ende der katholischen Franziskaner. Die Reformation setzte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Kamenz endgültig durch. Die Klostergebäude fielen 1565 an die Stadt und 1842 einem großen Stadtbrand zum Opfer. Die Kirche hingegen diente bis ins 20. Jahrhundert als Gotteshaus für die evangelischen Sorben der Region.
19
KULTUR · KAMENZ Fotos Doppelseite: Dietmar Träupmann
Marienaltar
Sippenaltar
SCHMUCKSTÜCKE FÜR DAS GOTTESHAUS Dass man die Franziskaner trotz ihres
len Exponate auf mehreren Schultern
kurzen "Gastspiels" in Kamenz nicht
und den Nutzen haben beide Seiten:
vergaß, ist der Großzügigkeit ihres För-
Die Stadt ist um einen Touristenma-
derers Vladislav II. von Böhmen zu ver-
gneten reicher und die Kirche kann den
danken. Ihm lag der Mönchsorden so
außergewöhnlichen Ort mehrmals im
am Herzen, dass er nicht nur jahrelang
Jahr für besondere Gottesdienste nut-
für dessen Ansiedelung kämpfte, son-
zen. Wobei auch immer – die fünf spät-
dern auch für die Ausstattung seiner
gotischen Flügelaltäre stehen immer
Kirche keine Kosten scheute. Insgesamt
im Mittelpunkt. Vermutlich von böh-
fünf wertvolle Altäre ließ der Regent
mischen oder schlesischen Meistern
für die neue Franziskanerkirche anfer-
geschaffen, zeigen sie Szenen aus dem
tigen, jeder für sich ein unersetzliches
Leben Jesu, seiner Mutter Maria und
Meisterwerk. Sie schmücken St. Annen
deren Mutter Anna, der die Kirche ge-
bis heute und bilden zugleich das Zen-
weiht wurde. Einer der Altäre widmet
trum des Sakralmuseums. Denn die ein-
sich dem Leben und Wirken des Or-
stige Klosterkirche ist zwar noch immer
densgründers Franziskus, auch als Franz
ein Gotteshaus, doch im Rahmen einer
von Assisi bekannt. Interessanterweise
Kooperation der Evangelisch-Luthe-
wurden die sakralen Kunstwerke trotz
rischen Kirchgemeinde mit der Stadt
ihrer katholischen Motive in den Jahr-
Kamenz dient sie zugleich als Museum.
hunderten nach der Reformation auch
So lagen die Kosten für die aufwendige
von den evangelischen Kirchgemein-
Sanierung und den Erhalt der wertvol-
den immer in Ehren gehalten.
Heilandsaltar
Franziskusaltar 20
KULTUR · KAMENZ
• www.museum.lessingmuseum.de/klosterkirche
Annenaltar
GOLDGLANZ ZUM HOHEN FEIERTAG Im Gegensatz zu den Kirchgängern
flügeln erscheinen. Welche Wirkung
Gottlob Mende in höchsten Tönen.
im Spätmittelalter sehen die heutigen
diese verschwenderische Schönheit
Und wer die Klosterkirche verlässt –,
Museumsbesucher
auf die Menschen des 16. Jahrhunderts
die übrigens längst mitten im Stadt-
die
Kunstwerke
stets in ihrer vollen Pracht, mit weit
gehabt haben mag, lässt sich kaum er-
zentrum von Kamenz liegt – hat noch
geöffneten Altarflügeln. Ursprünglich
messen. Selbst heute entfalten die fünf
nicht
waren diese meist geschlossen, damit
Altäre durch die äußerst gelungene
Pracht erlebt. Nur einen Steinwurf ent-
sich die Gläubigen an den wenigen ho-
Präsentation in dem lichten Kirchen-
fernt sind in der Hauptkirche St. Ma-
hen Feiertagen des Kirchenjahrs umso
schiff eine außergewöhnliche Faszi-
rien zwei weitere geschnitzte Altäre zu
die
komplette
spätgotische
mehr an ihrer Pracht erfreuen konnten.
nation. Zur Seite stehen ihnen weite-
bewundern. Einen letzten beherbergt
Dann durften sie einen Blick erhaschen
re Exponate des Sakralmuseums, die
das Kirchlein St. Just, das nur auf An-
auf die liebevoll gestaltete Gottesmut-
den Betrachter in die weltlichen und
frage zu besichtigen ist. Wie die ande-
ter, goldverziert und in kostbarem Ge-
geistlichen Zusammenhänge des Klo-
ren beiden Kamenzer Kirchen hält St.
wand. In der Predella des Hauptaltars
sters einführen. Zu mehreren Anläs-
Just ein kleines Stück jener Zeit leben-
erblickten sie eine Abendmahlszene,
sen im Jahr wird das Fest für die Augen
dig, in der die geschnitzten Heiligen
auf der mehrere Cousins Jesu als sei-
zudem durch einen Hörgenuss er-
das Schönste waren, was viele Men-
ne Jünger dargestellt sind, die noch-
gänzt: Dann nämlich erklingt das letz-
schen je zu Gesicht bekamen.
mals im Knabenalter auf den Seiten-
te Meisterwerk des Orgelbauers Johann 21
KULTUR · TORGAU
DER DREIFACHE HANDSCHLAG Jedes Jahr Ende April feiert Torgau den Elbe-Day zur Erinnerung an das Treffen der US-amerikanischen Truppen mit der Roten Armee 1945. Doch das berühmte Foto zu dem historischen Ereignis hat eine kaum bekannte Vorgeschichte.
Torgau an der Elbe 22
Foto: Stadt Torgau
KULTUR · TORGAU
W
ir schreiben den 25. April
INSZENIERUNG AM FLUSS
1945, vormittags. Ein his
Statt Strehla machte Torgau das Ren-
Fotograf Allan Jackson vom American
torischer Moment:
nen um einen Platz in der Geschich-
News Service ließ den symbolischen
Zum ersten Mal treffen Ost- und West-
te. Die Soldaten der 69. Infanteriedi-
Moment nachstellen und machte mit
front aufeinander. Sowjetische und ame-
vision hatten fünf Tage zuvor Leipzig
seiner Inszenierung Geschichte. Statt
rikanische Soldaten schütteln sich an der
eingenommen und erreichten erst am
Kotzebue oder Robertson sind auf
Elbe die Hände. Der Krieg geht zu Ende,
Nachmittag die Elbe, wo sie die Rot-
dem Foto mit dem dritten Handschlag
endlich. Im Hintergrund liegt das sächsi-
armisten der 58. Gardeschützendivisi-
nur zufällig anwesende GIs zu sehen,
sche Städtchen Strehla.
on trafen. Hier reichten sich William
von den Sowjetsoldaten sind nicht
Strehla? Schon damals war den US-
Robertson und Alexander Silwaschko
einmal die Namen überliefert. Gleich-
Soldaten um Lieutenant Albert Kotze-
die Hände, in der Hoffnung auf ein ra-
wohl passte die Aussage des Fotos
bue klar: Ein Bild für die Geschichts-
sches Ende des Krieges. Natürlich wur-
perfekt in die Erwartungen der Zeit
bücher sieht anders aus. Zwar fand hier
den Fotos gemacht, doch auch davon
und wurde – gemeinsam mit Torgau
der historische erste Handschlag mit den
ging keines um die Welt. Das berühmte
– zum Symbol des Kriegsendes. Und
Sowjets statt, aber rundum sah man nur
Bild auf dem Pfeiler der zerstörten Elb-
seither tut man in der Stadt alles, um
die schrecklichen Folgen des Krieges.
brücke entstand erst am nächsten Tag.
dieses Gedenken am Leben zu halten.
GEMEINSAM GEGEN DAS VERGESSEN Bestes Beispiel ist der jährliche Elbe Day, der vom 24. bis 26. April 2015 an den 70. Jahrestag der historischen Begegnung an der Elbe erinnern wird. Ganz bewusst setzen die Organisatoren dabei auf eine attraktive Mischung: Lesungen und ein Gedenkgottesdienst haben darin ebenso ihren Platz wie dutzende Musikveranstaltungen von Klassik über Blues bis Jazz. Traditionell sind amerikanische Musiker dabei und auch Bands aus dem Osten Europas, sodass sich neben tausenden Torgauern jedes Jahr auch viele Gäste einfinden. Dass sie dabei nur am Ort des zweiten und dritten Handschlags zusammenkommen, spielt eigentlich keine Rolle. • www.tic-torgau.de • www.torgau.eu
23
MENSCHEN · FREIBERG
DIE
LEHRMEISTERIN
UND IHR
SCHÖPFER Gottfried Silbermann hat sich mit der Orgel im Freiberger Dom ein Denkmal gesetzt. 2014 wird das Instrument 300 Jahre alt – Zeit für einen Rückblick auf das Leben eines begnadeten Handwerkers und Geschäftsmanns.
Freiberg im Erzgebirge 24
Foto: Martin Förster
MENSCHEN · FREIBERG
25
MENSCHEN · FREIBERG
Fotos: Martin Förster
S
ehr viel hatte der junge Herr
den mächtigen Dom der Bergstadt.
Silbermann nicht vorzuweisen.
Sicher ist heute: Der Berufsanfänger
Gut – er stammte aus der Ge-
Gottfried Silbermann wusste zu über-
gend, hatte das Orgelbauerhandwerk
zeugen, obgleich er erst eine "eigene"
bei seinem Bruder im Elsass gelernt
Orgel in der Frauensteiner Stadtkirche
und er hatte die Empfehlung des Tho-
gebaut hatte. An Selbstbewusstsein
maskantors Johann Kuhnau aus Leip-
mangelte es ihm offenbar nicht: Wäh-
zig. Aber konnte das allein genug sein,
rend der Bauphase schrieb er seinen
um die Freiberger Ratsherren im Jahr
Auftraggebern über sein Werk, derglei-
1711 zu überzeugen? Schließlich ging
chen werde "in Sachsen und weit und
es um viel Geld und ein Prestigepro-
breit von Güte nicht sein."
jekt: eine neue Orgel für St. Marien,
Albrecht Koch, Domkantor und Präsident der Silbermanngesellschaft
26
MENSCHEN · FREIBERG
UNERHÖRTE KLÄNGE 1714 war es endlich soweit. Zwar war
hat. Anderswo passte man irgendwann
in Straßburg absolviert hatte, brach-
der Zeitplan überzogen und das Budget
die Stimmung an den jeweils aktuellen
te er in sein Freiberger Werk und da-
sowieso, doch schon die ersten Klänge
Musikgeschmack an, setzte Pfeifen um
mit in den sächsischen Orgelbau viele
überzeugten die Herren vom Freiber-
oder sägte sie ab, um ein moderneres
französische Besonderheiten ein. "Für
ger Rat: Sie hatten das Geld aus dem
Klangbild zu erhalten." Andere Orgeln
manche der 44 Register gab es noch gar
Stadtsäckel gut angelegt. So gut, dass
wurden zerstört, fielen Kriegen oder
keine deutschen Bezeichnungen", weiß
die Stadt auch 300 Jahre später noch
Bränden zum Opfer – nur im Freiber-
Albrecht Koch, und auch viele Klänge
vom Ruf der sagenhaften Orgel zehrt,
ger Dom blieb alles beim Alten. "Des-
aus den 2.647 Pfeifen waren im Sachsen
die von manchen Orgelkennern die
halb können wir heute viele Werke aus
des 18. Jahrhunderts im wahrsten Sin-
"Lehrmeisterin" genannt wird. Was das
der Zeit Silbermanns so hören, wie sie
ne des Wortes "unerhört". So brachte
bedeutet, versucht Albrecht Koch zu
damals gedacht waren", freut sich Koch.
die Domorgel den Freibergern damals
erklären. Er ist Domkantor und Präsi-
Alle diese Umstände führen dazu, dass
völlig neue Klangwelten nahe, wie sie es
dent der Silbermanngesellschaft: wenn
die Orgel für Wissenschaftler wie Mu-
auch heute noch tut. Besonders im Ju-
man so will, ist die Orgel seine Arbeit-
sikfans gleichermaßen eine einzigartige
biläumsjahr 2014 kommen Liebhaber
geberin. "Das Besondere ist hier die Tat-
Rarität ist.
außergewöhnlicher Orgelmusik in Frei-
sache, dass dieses Instrument die ver-
Doch eine "Lehrmeisterin" war die
berg auf ihre Kosten, denn Musiker von
gangenen Jahrhunderte unbeschadet
Orgel nicht nur in unseren Tagen. Da
allen Kontinenten werden Silbermanns
und vor allem unverändert überstanden
Gottfried Silbermann seine Ausbildung
Meisterorgel ihre Reverenz erweisen. 27
MENSCHEN · FREIBERG KEINE ORGEL FÜR DIE ZARIN
28
Für den Orgelbauer selbst war der ful-
Silbermann ein guter Geschäftsmann
bens in Sachsen, wo er 1753 in Dresden
minante Erfolg in Freiberg ein perfekter
war", sagt Domkantor Koch. "Alle sei-
als reicher Mann starb. All seine erhal-
Karrierestart. Insgesamt 50 Orgelneu-
ne Orgeln lassen sich auf ganze fünf
tenen Instrumente tragen seinen Na-
bauten Silbermanns sind bekannt, 31
Grundtypen reduzieren, die er immer
men auch in die Zukunft weiter – mit
davon sind bis heute erhalten – allein
wieder mit nur geringen Abweichungen
jedem Ton, der aus den abertausenden
vier in Freiberg. Der Einfluss Silber-
baute." So senkte Silbermann Kosten
Silbermann-Orgelpfeifen erklingt. In
manns in der sächsischen Orgelland-
und Risiko nach dem gleichen Prinzip
Freiberg tönt es übrigens seit 75 Jahren
schaft ist nicht zu übersehen, auch weil
wie bei einer modernen Serienproduk-
jeden Donnerstag zwischen Mai und
der Orgelbauer Aufträge in weiter Ferne
tion. Prestigeträchtige Aufträge an den
Oktober zu den "Freiberger Abendmu-
konsequent ablehnte. Sogar Katharina
Höfen Europas hätten da bloß gestört
siken". Und wer die Orgel bei seinem
der Großen gab Silbemann einen Korb,
und vielleicht auch die vielgelobte Qua-
Freiberg-Besuch nicht hören kann, der
der Aufwand für den Job am Zarenhof
lität der Silbermann-Orgeln geschmä-
sollte sie zumindest anschauen: Der
schien ihm zu groß. "Wir wissen, dass
lert. So arbeitete der Orgelbauer zeitle-
Dom ist 365 Tage im Jahr geöffnet.
MENSCHEN · FREIBERG
Fotos: Martin Förster 29
MENSCHEN · RADEBEUL
Für Wein und Karl May ist Radebeul weithin bekannt. Doch auch Freunde zeitgenössischer Kunst schätzen die Stadt seit Jahrzehnten, weil der Kontakt zu den Künstlern hier so nahe liegt.
Radebeul an der Elbe 30
MENSCHEN · RADEBEUL
Foto: Martin Förster 31
MENSCHEN · RADEBEUL
Foto: Archiv Stadtgalerie, Thomas Adler
S
chon der Name "Stadtgalerie
verändert. Man könnte fast sagen, Alt-
nahen Dresden und von der ländlichen
Radebeul" deutet es an: Kunst
kötzschenbroda ist seit jenen Tagen
Schönheit des Weinlandes rundherum.
wird hier als kommunale Auf-
selbst zum Kunstwerk geworden mit
Wer sich etwas Zeit nimmt, wird in
gabe verstanden. Tatsächlich wird die
seinen liebevoll bemalten Fachwerk-
Radebeul immer wieder auf die Wer-
lauschige Galerie am quirligen Dorf
häuschen und kreativen Ideen an allen
ke von Künstlern stoßen, die hier ein
anger von Altkötzschenbroda von der
Ecken. Doch eines ist geblieben: Noch
Umfeld voller Ruhe und Inspirations-
Stadt betrieben, seit ihrer Gründung
immer steht Kunst aus der Region im
quellen finden.
im Jahr 1982. Vieles hat sich seitdem
Fokus der Stadtgalerie, geprägt vom
KUNST UND WEIN
32
Im Restaurant des Weinguts Karl Fried-
Teilnehmer ihres Malkurses verabschie-
klein und hier in Radebeul sind meine
rich Aust scheint die Zeit stehengeblie-
det. Nun genießt sie einen Moment
Wurzeln einfach am tiefsten", erzählt
ben, zumindest auf den ersten Blick.
Ruhe, den Blick auf die Weinberge ihres
Friederike Curling-Aust. Sie holt ein
Von außen wirkt das markante Eckhaus
Bruders gerichtet, und zeichnet. Rund
paar Drucke aus ihrer Zeit in Ägypten
mit Türmchen unverändert, seit der
um den riesigen Maltisch findet sich
hervor und legt sie neben einen Weih-
Schweizer Künstler Adrian Zingg das
ein Sammelsurium aus Malutensilien,
nachtsengel. Welch ein Kontrast! "Mit
Gut um 1792 gezeichnet hat. Auf dem
Kunstwerken, Skizzen mit Erinnerun-
diesen Sachen habe ich vor etwa 15 Jah-
Tisch steht ein Weißburgunder von
gen an zwei Künstlerleben auf mehreren
ren angefangen." Sie geht über den Hof
2011, an den Wänden hängen Zeich-
Kontinenten. Ihr Ehemann Brian Cur-
in den Garten und zu einem Schuppen,
nungen und Grafiken, die auch nicht
ling stammt aus den USA, wo sie sich
wo ihre Drechselbank steht. "Auf dem
viel älter sind. Viele davon sind nur ein
auch kennenlernten. Ab 2006 lebte das
kleinen Weihnachtsmarkt vom Wein-
paar Schritte ums Eck entstanden und
Künstlerpaar in Kairo, wo er als Kunst-
gut sind die Figuren gut angekommen
doch in einer anderen Welt.
professor lehrte und sie die Facetten der
und mir gefällt es, auch körperlich zu ar-
Im lichten Dachgeschoss des Seiten-
arabischen Welt in farbige Holzschnitte
beiten". Die Künstlerin nimmt eines der
flügels sitzt Friederike Curling-Aust am
fasste. "Seit 2010 sind wir nun zusam-
Werkzeuge zur Hand und legt es wieder
Fenster. Gerade hat die Künstlerin die
men in Deutschland, die Kinder sind
weg. Keine Zeit zum Drechseln.
MENSCHEN · RADEBEUL
MEKKA FÜR GRAFIKFREUNDE Neben ihrer eigenen künstlerischen
ganz erstaunlich, wie Kinder ihre Krea-
seit 1979 zum jährlichen Radebeuler
Arbeit braucht die Malschule viel Zeit.
tivität ausleben und sich mit künstleri-
Grafikmarkt kommen. Denn auch der
"Ich mag es sehr, andere Menschen auf
schen Mitteln ausdrücken."
ist in Radebeul keine reine Verkaufsver-
ihrem Weg zur Kunst zu begleiten", sagt Friederike Curling-Aust.
Und wenn man aus dem Atelierfens
anstaltung, sondern eine Herzensange-
ter schaut, kann man sich kaum einen
legenheit der heimischen Künstler und
Seidenmalerei, Druckgrafik oder
schöneren Ort als Radebeul vorstellen,
vieler Kunstenthusiasten aus Radebeul
Hinterglasmalerei sind einige der Kurs
um sich der Kunst zu nähern. So wie
und Umgebung.
angebote. Besonders die Arbeit mit
es am 1. und 2. November 2014 wieder
Kindern liegt ihr am Herzen: "Es ist oft
tausende Kunstfreunde tun werden, die
• www.weingut-aust.de
Foto: Martin Förster
33
UNTERWEGS · ZITTAU
DIE INTERNATIONALE Als die Zittauer Tuchhändler ihre Stadt zur zweitreichsten in Sachsen machten, profitierten sie von ihren weltweiten Kontakten. Heute sorgen unter anderem drei "Zugezogene" aus Argentinien, der Schweiz und Ungarn für eine internationale Perspektive im Dreiländereck. Drei Hausbesuche. •
Zittau in der Oberlausitz 34
UNTERWEGS · ZITTAU
D
ie prächtigen Fassaden am
te. Bis nach Übersee reichten die Han-
dern auch an Menschen aus vieler
Zittauer Marktplatz zeugen
delsbeziehungen in jener Glanzzeit der
Herren Länder, die in der Ober-
noch immer vom Stolz der
Stadt, die erst mit der Industrialisierung
lausitz eine Heimat gefunden
Tuchhändler. Im frühen 18. Jahrhun-
und ihrer textilen Massenware ein Ende
haben – in Kunst, Kultur
dert hatten die weltläufigen Herren Ver-
fand. Doch auch wenn jene stolzen Zei-
und Kulinarik.
mögen mit dem Verkauf edler Stoffe
ten vorbei sein mögen – international
und Damast gemacht, was ihrer Stadt
ist Zittau noch immer. Das liegt nicht
den Beinamen "die Reiche" einbrach-
nur an der Lage im Dreiländereck, son-
PASTA ARGENTINA Gleich vis à vis der größten Zittauer
überwinden: "Das funktioniert nie in
Touristenattraktion hat Marina Nemi-
Zittau, haben alle gesagt." Doch Marina
rovsky alle Hände voll zu tun. Sie schaut
Nemirovsky hat sich nicht beirren las-
kurz aus dem Fenster auf den Eingang
sen: Zuerst waren es Bestellungen von
zum "Großen Fastentuch", doch die Zeit
Nachbarn und Freunden, die sie noch
drängt bis zum Mittagsgeschäft. Heute
in ihrer Küche abarbeitete. Mit der
sind im "Pasta Fantastica" in der Frau-
Zeit kamen immer mehr Zittauer
enstraße Ravioli mit Walnuss-Orangen-
auf den Geschmack. Eine grö-
Füllung im Angebot und zwei Hand-
ßere Nudelmaschine fand
voll weiterer Pasta-Sorten. Alles frisch
sie bei Ebay, dann die ei-
und handgemacht, wie sie es aus ihrer
gene Küchenecke in
Heimat Argentinien kennt. Argentini-
einer Fleischerei,
en? Pasta? "Natürlich – Argentinien ist
später das erste
Pasta-Land", sagt Marina Nemirovsky
kleine Geschäft
fröhlich und erklärt: "Rund 40 Prozent
in der Stadt und
der Einwanderer in Argentinien sind
schließlich:
Italiener und das merkt man auch in
das "Pasta Fantastica"
der Küchen, überall gibt es Pasta." Doch
mit ein paar Sitzplätzen
es war ein weiter Weg, bis Marinas Lei-
und immer neuen Kreatio-
denschaft für frische Teigwaren schließ-
nen im Angebot. Längst hat
lich in Zittau ankam. In mehrfacher
sich deren Ruf in Sachsen weit ver-
Hinsicht: Geografisch führte ihr Weg
breitet: Dresdner Hotels bestellen bei
von Patagonien im Süden Argentiniens
Nemirovsky, Restaurants in der Region
über Buenos Aires nach Madrid und
und einige Geschäfte bieten die Nudeln
schließlich über Berlin in die Oberlau-
an. Eine Filiale in Görlitz gibt es inzwi-
sitz. Dort hatte sie manche Widerstän-
schen und wer weiß – "vielleicht wird ja
de und auch gut gemeinte Ratschläge zu
noch ein bisschen mehr draus ..."
• www.pasta-fantastica.de Fotos: Martin Förster, Pawel Sosnowski
35
UNTERWEGS · ZITTAU
• www.zittau.de Fotos: Martin Förster
Lenin-Statue neben ge-
VERLIEBT
schnitzten Heiligenfiguren.
IN DIE OBERLAUSITZ Marius Winzeler lädt zu einem
"Es ist eben ein Depot und kei-
Spaziergang durch die Zittau-
ne Ausstellung, aber die Mischung
er Stadtgeschichte ein. Der promo-
macht für viele Besucher auch den
vierte Kunsthistoriker stammt aus der
Reiz dieser Räume aus." Ebenfalls bunt
Schweiz, seit 2008 leitet er die Städti-
gemischt: die Exponate im Barocksaal
schen Museen Zittau und damit auch
eine Etage höher. Ein alter Fürstenschä-
das Stadtmuseum im einstigen Kloster
del ist zu sehen, daneben Mitbringsel
der Stadt. Kenntnisreich erläutert er die
aus den Türkenkriegen, ausgestopfte
Details des "Kleinen Fastentuchs", das
36
Tiere, alte Waffen oder ein mechani-
zu den bemerkenswertesten Exponaten
war dann nicht mehr weit", lächelt der
sches Planetenmodell. Für Winzeler
des Hauses zählt. Seine Begeisterung für
Museumschef und führt weiter durch
ist dieser Raum ein wunderbarer
die Geschichte Zittaus und der Ober-
seine Sammlung. Die ist bunter als
Blick in "die erste Zeit der Städ-
lausitz scheint ungebrochen, seit es ihn
manches andere Stadtmuseum, und das
tischen Sammlungen" Zit-
nach seinem Studium in Zürich nach
aus gutem Grund: "Wir wollen eben
taus. Oder anders ausge-
Sachsen verschlug. "Nachdem ich 1986
nicht nur klassische Stadtgeschich-
drückt: ein Museum in
erstmals in Dresden war, habe ich 1990
te zeigen, sondern die Lebenswelt der
den Kinderschuhen.
mein denkmalpflegerisches Praktikum
Menschen in Zittau in verschiedenen
in der Stadt absolviert", erzählt Win-
Facetten", erklärt Winzeler. Deshalb
zeler von seinen Anfängen in Sachsen.
sind in den wunderschön restaurierten
1998 verantwortete er als Kunsthistori-
Klosterräumen viele Exponate aus dem
scher Leiter die außerordentlich erfolg-
alltäglichen Leben in den vergangenen
reiche Sächsische Landesausstellung im
Jahrhunderten zu sehen. Doch daneben
Kloster St. Marienstern und fing drei
ist eben auch Raum für Ausstellungen
Jahre später im Kulturhistorischen Mu-
zeitgenössischer Künstler aus der Regi-
seum Görlitz an. "Der Weg nach Zittau
on und im "Schaudepot" steht eine
UNTERWEGS · ZITTAU
• www.g-h-t.de VORHANG AUF IM DREILÄNDERECK Szenenwechsel, im wahrsten Sinne des
Dorotty Szalma und liebäugelt für das
Auf ihre Weise tut sie damit das Glei-
Wortes: nur einen Steinwurf entfernt
nächste Jahr mit einem Stück aus Ge-
che wie Marina Nemirovsky mit
macht Dorotty Szalma seit 2013 Thea-
orgien. Sie hat viele solche Pläne: "Uto-
ihrer Pasta und Marius Winze-
ter. 1974 in Ungarn geboren, studierte
pien sind das A und O." Dass bei allen
ler im Stadtmuseum: Sie alle
sie in Wien und Frankfurt, bevor sie als
Ideen die Balance zwischen Neuem und
sorgen für eine spannen-
freie Theaterregisseurin arbeitete und
Bewährtem wichtig ist, hat sie im Blick:
de Stadt voller Über-
schließlich Intendantin am traditi-
Im Sommer dürfen sich die Zittauer
raschungen.
onsreichen Gerhart-Hauptmann-
auf Szalmas Inszenierung der Karasek-
Theater wurde.
Geschichte für die Waldbühne Jonsdorf
Mit den zusammengehöri-
freuen. Die Lausitzer "Räuberpistole"
gen Bühnen von Görlitz
findet in Zittau ihre Bühne, ebenso wie
und Zittau hat sie viel
ambitionierte internationale Projekte,
vor – und oft wird’s dabei
die ja "in einem Dreiländereck auch ir-
international. So zum Jahres-
gendwie 'regional' sind", wie die Inten-
beginn beim "3Länderspiel", ei-
dantin findet. Sie sieht Zittau als Stadt
nem gemeinsamen Theaterfestival mit Bühnen aus dem tschechischen
mitten in Europa und trägt mit ihrer Arbeit dazu bei, dass die Perspek-
Liberec und Jelenia Gora in Polen. "Als
tive der weitgereisten Tuch-
zusätzliches Gastland hatten wir in die-
händler von damals erhalten
sem Jahr Ungarn dabei, die einen fanta-
bleibt.
stischen 'König Lear' mitbrachten", sagt Fotos: Martin Förster, Pawel Sosnowski
37
GENUSS · BAUTZEN
B
rot und Salz – natürlich. Das
sorbische Küche? "Entscheidend sind
auf den Tisch." Unter den vielen Gän-
ist im "Wjelbik" Brauch und
für uns frische, regionale Produkte und
gen eines sorbischen Hochzeitsmahls
Monika Mahling serviert es in
damit probieren wir auch gerne mal et-
mag dann durchaus auch die geräucher-
sorbischer Tracht zur Begrüßung: "Wi-
was Neues aus", sagt Monika Mahling.
te Entenbrust gewesen sein oder geba
taje k nam", herzlich willkommen. Er-
Davon abgesehen, stammen die meis
ckener Ziegenkäse. Beides wird heute
wartungsgemäß stehen Spezialitäten
ten typischen Sorben-Rezepte aus der
im "Wjelbik" mit luftigem Mus aus fri-
wie die Sorbische Hochzeitssuppe mit
Festtagsküche: "Die Sorben in der Re-
schem Lausitzer Karpfen, Fleischsülz-
Eierstich und das traditionelle gekoch-
gion waren ja keine reichen Leute", er-
chen und Maishähnchenbratwurst zu
te Ochsenfilet mit Meerrettichsoße auf
innert ihr Vater Stefan Mahling, der
einer kulinarischen Überraschung kom-
der Karte. Doch daneben finden sich
das "Wjelbik" 1991 gründete. "Deshalb
biniert. Ziemlich sorbisch und absolut
auch Gräupchenrisotto und Erdbeer-
kamen die meisten 'typischen' Gerichte
köstlich.
Rhabarber-Essenz als Aperitiv. Ist das
nur zu großen Festen oder Hochzeiten
Bautzen in der Oberlausitz 38
Fotos: Angela Liebig
• www.wjelbik.de
GENUSS · BAUTZEN
Bautzen kann man von zwei Seiten betrachten: als 1.000-jährige sächsische Stadt oder als Zentrum der sorbischen Kultur. Beide Facetten halten typische kulinarische Freuden bereit.
D
eftig im besten Sinne speist
stübchen, bei gutem Wetter auch im
mit etwas Honig gesüßt, frischer Hir-
man seit fast 20 Jahren
Klostergarten. Und immer mit Lust
sebrei steht als Dessert auf der Karte
im "Mönchshof ". Hier hul-
auf längst vergangene Zeiten. "Wir
und die Kalbshaxe mit Schwarzwurzel-
digt das Team um Betreiber Gerald
wollen unseren Gästen ein möglichst
gemüse schmort in Tannenhonig. Ein
Friese mit viel Liebe zum Detail der
authentisches Mittelaltererlebnis ver-
besonderer Genuss ist das hauseigene
1.000-jährigen Stadtgeschichte. Ein
mitteln", sagt Betreiber Friese und weiß
Bier namens "Rother Abt": Unfiltriert
"scharffes Süpplin von Vischen" kommt
natürlich, dass das heutzutage nur mit
und leicht süß im Geschmack, macht
hier ebenso auf den rustikalen Holz-
Einschränkungen möglich ist. Viel
es Appetit auf noch mehr Köstlichkei-
tisch wie der gewaltige "Praten Spiess
Mühe um möglichst originalgetreue
ten aus längst vergangenen Zeiten.
für Zweye mit allerley Fleysch unnt
Rezepte gibt man sich trotzdem im
Zugemuoas". Getafelt wird in der Klos
"Mönchshof ": Das hausgemachte Sau-
terküche, der Klausur oder im Studier-
erkraut wird nach altem Spezialrezept
• www.moenchshof.de
Fotos: Anett Scholz
39
TRADITION TRADITIONUND & HANDWERK HANDWERK· ·PLAUEN PLAUEN
MASCHINENGESTICKTE SPITZE MACHTE PLAUEN IM VOGTLAND EINST REICH UND FINDET BIS HEUTE ABNEHMER IN ALLER WELT. EINE WECHSELHAFTE GESCHICHTE MIT HAPPY END – TROTZ COCO CHANEL. Plauen im Vogtland 40
Foto: Holger Urbanek
TRADITION UND HANDWERK · PLAUEN
N
ur eine einzige Maschine arbeitet, doch ihre Vibrationen sind noch im Nach-
barhaus zu spüren. Wieder und wieder
schiebt sie ihre Hundertschaft Nadeln durch zartes Tüllgewebe und lässt ein hauchfeines Muster zurück, das Plauen ab dem späten 18. Jahrhundert zur Boom-Stadt machte: Spitze. Bis 1997 wurde sie auch am Obstgartenweg produziert und heute erinnert der Verein Vogtländische Textilgeschichte Plauen e. V. dort in der Schaustickerei an ein gutes Jahrhundert Plauener Spitze. Warum Chefin Beate Schad auch "Spaß für Männer" verspricht, wird im Maschinenraum klar: Hier arbeitet seit 1902 eine sechs Meter lange Stickmaschine, die gerade silbrige Fäden zu einem eleganten Muster formt. "Wir versuchen, jedes Jahr ein altes Muster neu aufzulegen", erklärt die Museumsleiterin – "dieses hier stammt aus den 1930er-Jahren und wir verkaufen es in unserem Museumsshop als Schal oder Krawatte."
Foto: Helen Sobiralski
41
TRADITION UND HANDWERK · PLAUEN
WELTERFOLG IM SCHNELLDURCHGANG Tatsächlich fasziniert in dem niedri-
42
lebten damals mehr Millionäre im Ver-
2.000 Stickerinnen beschäftigt, doch
gen Raum die Technik mehr als die
hältnis zur Einwohnerzahl.
selbst die konnten mit ihrer Handar-
zarte Spitze. Drei von einst zehn dieser
Wie es im 18. Jahrhundert zum Spit-
beit die enorme Nachfrage nicht be-
riesigen Maschinen stehen noch hier,
zen-Boom in Plauen kam, erklärt Jür-
friedigen", weiß Museumsleiter Fritzlar.
und stellt man sich deren Geräusch-
gen Fritzlar im Spitzen-Museum im
"In den 1830er-Jahren kamen die ersten
kulisse vor, bekommt man eine erste
Alten Rathaus. Lange Zeit war die
Maschinen für die Handstickerei auf,
Vorstellung vom Klang des Vogtlands
teure Spitze dem Hochadel und den
die sich in den nächsten Jahrzehnten
um die Jahrhundertwende. Weit mehr
Königshäusern vorbehalten – zu kost-
rasant fortentwickelten." 30 Jahre spä-
als 2.000 Unternehmen produzier-
bar waren die handgestickten Prezio-
ter hatte sich die Maschinenstickerei
ten damals Spitze und lieferten in alle
sen. Doch ab 1810 engagierte sich die
etabliert und in den Folgejahren ka-
Kontinente. Zwischen 1894 und 1904
Plauener Fabrikantengattin Caroline
men immer bessere Maschinen auf den
verdoppelte sich die Plauener Bevölke-
Marie Wilhelmina Krause dafür, dass
Markt: Bald ließen sich dutzende, spä-
rungszahl auf 100.000, acht Jahre spä-
sich Frauen in der armen Region mit
ter hunderte Spitzenmuster gleichzei-
ter war der Höchststand von 128.000
Plattstickereien Geld verdienen konn-
tig auf den gewaltigen Maschinen sti
Einwohnern erreicht. Plauen war zur
ten. Damit traf Krause genau den
cken. Die einzelnen Spitzenelemente
viertgrößten Stadt Sachsens geworden,
Trend der Zeit, denn inspiriert von der
mussten zwar immer noch aufwendig
die USA unterhielten für die rasche Ex-
Pariser Mode verlangte zunehmend
per Hand zusammengenäht werden,
portabwicklung ein eigenes Konsulat in
auch das Bürgertum nach gestickten
dennoch war die Produktionssteige-
der Stadt und nirgends in Deutschland
Accessoires. "Bald waren im Vogtland
rung enorm.
TRADITION UND HANDWERK · PLAUEN
Fritzlar stellt sich an die historische
Parallel zur Maschinenentwicklung ge-
Stickmaschine und zeigt auf die ver-
lang es in Plauen, moderne Verfahren
größerte Zeichnung eines Spitzenmus
für die "Veredlung" der Spitze zu ent-
ters: "Hier ist jeder Stich aufgezeichnet
wickeln, denn erst durch die Entfer-
und der Stickmeister arbeitete einen
nung des Trägermaterials wird aus einer
Stich nach dem anderen ab." Während
Stickerei Spitze. Mehrere chemische
der Museumsleiter mit einem Stahlstift
und thermische Verfahren setzten sich
die Zeichnung "abfährt", überträgt eine
durch und brachten den weltweiten
Metallkonstruktion jede Bewegung mit
Durchbruch für Spitze aus Plauen. Auf
höchster Präzision auf 100 Nadeln in
der Weltausstellung in Paris wurde sie
zwei Reihen. "25 bis 30 Stiche schaffte
mit dem Grand Prix für das "Wunder
ein guter Stickmeister pro Minute – je
der Plauener Musterung" ausgezeichnet
mehr, desto höher war sein Lohn." We-
und "manche Hersteller hatten so viele
nige Jahre später wurde diese Arbeit
Auszeichnungen auf ihrem Briefbogen,
von sog. Lochkartenautomaten über-
dass man ihn nur auf der Rückseite be-
nommen, wie sie auch in der Schausti
schreiben konnte", sagt Museumsleiter
ckerei bei Beate Schad zu sehen sind.
Fritzlar augenzwinkernd.
Fotos Doppelseite: Martin Förster
43
TRADITION UND HANDWERK · PLAUEN
STRAHLEND SCHÖN BIS HEUTE 1912 gilt im Rückblick als das Jahr, in dem der Erfolg der Plauener Spitze seinen Zenit erreichte. Zwar brachte der Erste Weltkrieg nur geringe Verluste für die exportorientierten Spitzensticker, wesentlich härter setzte ihnen jedoch Coco Chanel in den 1920er-Jahren zu: Die betont schlichten Kreationen der Modeschöpferin ließen den weltweiten Bedarf an Spitze rapide sinken. Die folgende Weltwirtschaftskrise traf Plauen besonders hart. Nachdem die Stadt im Zweiten Weltkrieg zu 75 Prozent zerstört worden war, rechnete kaum jemand mit einem Comeback. Doch schon 1949 brachte man die erste Exportkollektion auf den Markt und eine Erfolgsgeschichte "made in GDR" begann. Die Spitze wurde zum wichtigen Devisenbringer für die sozialistische Planwirtschaft, wenngleich auf Maschinen aus Großvaters Zeiten. "Nach der Wende war es für die Firmen ein großer Kraftakt, einerseits neue Maschinen zu kaufen und zweitens wirtschaftliche Preise für ihre Ware zu erzielen", erinnert sich Jürgen Fritzlar, der damals selbst mit dabei war. Der Übergang in die Marktwirtschaft glückte dennoch und heute produzieren rund 35 Firmen mit etwa 600 Mitarbeitern Spitze für edle Dessous, Heimtextilien – und natürlich gehobene Mode. Und die ist längst wieder auf den Laufstegen der Haute Couture angekommen. Foto: Andreas Tischler 44
TRADITION & HANDWERK · PLAUEN
• www.schaustickerei.de • www.lochkarte36.de • www.spitzenmuseum.de • www.frieda-elly.com
Fotos: Modespitze.de
Foto: Jörg Carstensen
Wenn in Berlin auf der "Mercedes Benz
filigraner Guipure-Spitze. Hergestellt
gante Heimtextilien und edle Klei-
Fashion Week" zwischen Brandenbur-
werden sie in der Modespitze Plauen
dungsstücke. "Spitze kommt einfach
ger Tor und Siegessäule die Kreationen
GmbH und Geschäftsführer Andreas
nicht aus der Mode", sagt Geschäfts-
von Hugo Boss, Michalsky oder Rena
Reinhardt tut viel dafür, die Plauener
führerin Kathrin Floß und der jüngste
Lange vorgeführt werden, ist auch die
Spitze von ihrem "Oma-Image" zu be-
Erfolg des Plauener Exportschlagers
Münchner Designerin Irene Luft mit
freien.
gibt ihr Recht: Auf dem mondänen
dabei – und Plauener Spitze. Denn
Wie gut das gelingt, sieht man im
Wiener Opernball 2013 wurde eine
das Label setzt auf üppige Spitzen und
Showroom von "Lochkarte 36", nur ei-
Spitzenkreation von Irene Luft zum
Stickereien aus Merino-Wollmischun-
nen Spaziergang vom Spitzenmuseum
schönsten Kleid des Balls gekürt.
gen auf hauchdünner Seide und trans-
entfernt. Moderne Accessoires sind
parentem Tüll oder Applikationen aus
hier zu sehen und zu kaufen, extrava-
45
TRADITION UND HANDWERK · GÖRLITZ
Sie liegen an den bekanntesten Plätzen der Stadt, doch die historischen Hallenhäuser von Görlitz enthüllen ihre Schönheit erst im Inneren. Denn dort wird das goldene 16. Jahrhundert wieder lebendig.
Görlitz in der Oberlausitz 46
Foto: Ulrich Schwarz
TRADITION UND HANDWERK · GÖRLITZ
W
ie so oft, stand eine Ka-
an der Via Regia beste Geschäfte mach-
tastrophe vor dem Neu-
ten, nicht. Vor allem der profitable
beginn: Als eine Feuers-
Handel mit dem kostbaren Färberwaid
brunst im Jahr 1525 große Teile von
aus Thüringen spielte dabei eine Rolle,
Görlitz zerstörte, hatten die wohlha-
denn über Görlitz wurde der gesam-
benderen Bürger der Stadt genug von
te Handel gen Ost- und Südosteuropa
brandgefährlichen Holzhäusern und
abgewickelt. Zudem hatte die Stadt das
bauten fortan in Stein. Das war zwar
Stapelrecht, was alle Waidhändler ver-
wesentlich teurer, aber an Geld mangel-
pflichtete, ihre Ware für eine Zeit in der
te es den aufstrebenden Händlern, die
Stadt feilzubieten.
47
TRADITION UND HANDWERK · GÖRLITZ ALLTAG IM TREPPENHAUS In diese Zeit prächtiger Geschäfte fiel
riker öffnen sich in Görlitz viele sonst
auf der Galerie stand der Hausherr
die Notwendigkeit, rasch solide und
verschlossene Türen. Etliche der his
und hatte alles im Blick. In den offe-
repräsentative Häuser zu errichten,
torischen Hallenhäuser sind heute in
nen Nebenbereichen, auf den Trep-
die zudem den praktischen Anforde-
Privatbesitz und viele der Eigentümer
pen, waren Angestellte, Kunden oder
rungen der Händler genügten. "Kauf-
leisten Großes, um die inzwischen "re-
Familienmitglieder im Gespräch oder
mannsburgen" nannte Goethe diese
lativ unpraktischen und wenig wirt-
anderweitig beschäftigt", erklärt der
Häuser recht passend: Oft verraten die
schaftlichen" Gebäude zu erhalten,
Fachmann. Gelegentlich wurden die
unscheinbaren Eingangsportale nichts
wie Bednarek weiß. Was das bedeutet,
Portale geöffnet und ein Fuhrwerk mit
von der architektonischen Pracht im
wird in den großzügigen Eingangshal-
neuen Waren ratterte ins Haus und
Inneren. "Dort kann man sich das Le-
len klar, angesichts der eleganten Trep-
fuhr bis in den Innenhof durch. "Die
ben und den Trubel vor 500 Jahren so
penhäuser mit Brüstungen, Emporen
Häuser dienten vielfach auch als Kon-
richtig vorstellen", sagt Andreas Bed-
und Galerien auf vielen Etagen. Wo
tore und Lager, manche haben Keller
narek. Bei den Stadtrundgängen mit
heute stille Schönheit regiert, spiel-
von zwei oder drei Etagen Tiefe."
dem promovierten Architekturhisto-
te sich damals der Alltag ab: "Oben
Foto: Neuburger, EGZ
EINZIGARTIGE ARCHITEKTUR
48
Einer der größten architektonischen
ren Hallenhaus: Es ist für alle Görlitzer
2013 einem ganz besonderen Publi-
Schätze der Görlitzer Altstadt ist der
Gäste zugänglich, denn hier hat heute
kum zeigen durfte: einer Fachkom-
"Schönhof " am Untermarkt, der lange
das Schlesische Museum sein Domizil.
mission der UNESCO. Die nämlich
als Fürstenherberge diente. Der auffäl-
Es lohnt durchaus, den Blick von den
prüft gerade, ob man die einzigartigen
lige rote Prachtbau entstand 1526 unter
Exponaten zu erheben um die prächti-
Bauten ins "Weltkulturerbe" aufnimmt.
der Leitung von Wendel Rosskopf. Der
gen Deckenausmalungen und die archi-
"Das wäre ein großer Erfolg für Görlitz",
Baumeister hatte bei Benedikt Ried auf
tektonische Raffinesse der Räume zu
sagt Bednarek und wagt vorsichtigen
dem Prager Hradschin sein Handwerk
bewundern.
Optimismus: "Unsere Chancen stehen
gelernt und brachte erstmals die neuen
Besonders froh war Andreas Bed-
Formen der Renaissance in die Neiße-
narek, als er den Schönhof und dut-
stadt. Das Schöne an diesem besonde-
zende andere Hallenhäuser im Herbst
nicht ganz schlecht." • www.goerlitz-tourismus.de
TRADITION & HANDWERK · GÖRLITZ
Foto: Ulrich Schwarz 49
TRADITION UND HANDWERK · ANNABERG-BUCHHOLZ
Barbaras
ERBE
Die Geschichte der Unternehmerin Barbara Uthmann kennt in Annaberg-Buchholz jedes Kind. In diesem Jahr feiert die Stadt den 500. Geburtstag dieser außergewöhnlichen Frau.
Annaberg-Buchholz im Erzgebirge 50
Fotos: Anni Bräuer
TRADITION UND HANDWERK · ANNABERG-BUCHHOLZ
A
ls die kleine Barbara 1514 zur Welt kam, war das ganze Erzgebirge in Bewegung
und ihre Geburtsstadt Annaberg mit-
tendrin. Seit dem "Großen Berggeschrey" im Jahr 1496 strömte alles in die Region, um hier nach Silber oder Kupfer zu graben. 1521 lebten in Annaberg über 8.000 Menschen, mehr als in Dresden oder Leipzig. Barbaras Vater Heinrich von Elterlein war ein hoher Beamter und außerdem erfolgreicher Erzgrubenbesitzer, die Mutter stammte aus einer vornehmen Chemnitzer Familie. Vor dem Mädchen Barbara lag also eine angenehme Zukunft in Wohlstand – als Hausfrau und Mutter. Doch wäre ihr Leben tatsächlich in den vorhersehbaren Bahnen verlaufen, stünde heute kein Standbild von Barbara Uthmann auf dem Marktplatz von Annaberg-Buchholz.
Der Bergaltar in der St. Annenkirche
51
TRADITION UND HANDWERK · ANNABERG-BUCHHOLZ VON DER WITWE ZUR UNTERNEHMERIN Zunächst lief alles planmäßig: Das Mädchen wuchs behütet auf und Adam Ries als engagierter Hauslehrer war regelmäßig Gast des Hauses von Elterlein. Mit knapp 16 Jahren heiratete sie den schlesischen Grubenbesitzer Christoph Uthmann, dem sie mindestens zwölf Kinder gebar. Doch der frühe Tod ihres Ehemanns änderte alles. Mit 39 Jahren wurde Barbara Uthmann Witwe und erbte das Bergwerk und die Handelsprivilegien ihres Mannes. Die meisten Frauen in ihrer Situation hätten das Unternehmen verkauft, doch Barbara Uthmann wählte einen reichlich unkonventionellen Weg für die damalige Zeit: Sie übernahm das Unternehmen selbst und führte es mit ihren Söhnen weiter. So erfolgreich, dass sie weitere Gruben dazukaufen konnte und dass man in Annaberg bald respektvoll von der "Uthmännin" sprach. Neben unternehmerischem Geschick bewies die Montanunternehmerin zugleich Weitblick. Sie erkannte rechtzeitig, dass die besten Tage in den Erzgruben zu Ende gingen und dass neue, härtere Zeiten auf Annaberg zukamen. Also investierte Barbara Uthmann verstärkt in ihr zweites wirtschaftliches Standbein, einen florierenden Textilhandel. Besonders begehrt waren damals Borten und Spitzen in der Modewelt. Denn damit konnte man jede Saison neue modische Akzente setzen, ohne sich für viel Geld neu einzukleiden. Und diese Mode war der Grundstein für Barbara Uthmanns Platz in der Geschichte Annabergs.
Fotos: Anni Bräuer 52
TRADITION & HANDWERK · ANNABERG-BUCHHOLZ
KUNSTHANDWERK ALS RETTUNG Der Legende nach war es eine Frau
nen die Klöppelspitzen zu Festpreisen
10.000 Klöpplerinnen gegeben haben,
aus Brabant, die 1560 im Hause Uth-
ab. In den besten Zeiten standen bei
85 Jahre später sogar 15.000. Diese Zei-
mann Unterkunft fand und die noch
ihr bis zu 900 Klöpplerinnen in Lohn
ten sind längst vorbei, aber bis heute
neue Technik des Spitzenklöppelns ins
und Brot. Als in den folgenden Jahren
wird in den Stuben rund um Annaberg
Erzgebirge brachte. Die Uthmännin
die Erzgruben weniger wurden und vie-
geklöppelt. Manche Klöpplerinnen ver-
fand offenbar Gefallen an den filigra-
le Bergleute ihre Arbeit verloren, wurde
dienen auch heute noch ihr Brot damit,
nen Garn-Kunstwerken und gründete
die Spitzenklöppelei in vielen Anna-
doch für die allermeisten ist es ein schö-
bald darauf die erste Klöppelschule für
berger Familien zur einzigen Verdienst-
nes Stück Gemeinschaft in guter alter
Mädchen, aus der rasch ein florierender
möglichkeit. Sehr einträglich war das
Erzgebirgstradition – dank Barbara
Handwerksbetrieb wurde. Als Verlege-
Geschäft allerdings nur wenige Jahre,
Uthmann.
rin versorgte Barbara Uthmann bald
aber dennoch breitete sich die Kunst
Alle Veranstaltungen im
hunderte Frauen in der Region mit Ma-
des Klöppelns im Erzgebirge immer
Barbara-Uthmann-Jahr unter
terial für die Heimarbeit und kaufte ih-
weiter aus. Um 1700 soll es hier rund
www.annaberg-buchholz.de 53
KULTURHÖHEPUNKTE IN SACHSEN
Was ist los in Sachsen? Meißen
Pirna
Zittau
17. – 18. Mai 2014
13. – 15. Juni 2014
28. Mai 2014
Meißner Töpfermarkt
Stadtfest Pirna
"Spectaculum Citaviae"
12. Juli 2014
2. August 2014
28. Juni 2014
Lange Nacht der Kunst und Kultur
Pirnaer Hofnacht
Sächsischer Familientag
26. – 28. September 2014
5. – 6. September 2014
15. – 17. August 2014
Meißner Weinfest
Einkaufsnacht, Weinfest und Open-
ITU Cross-Triathlon World
Air-Schauspiel "Retter von Pirna"
Championships, Olbersdorfer See
Radebeul
Zwickau
Plauen 20. – 22. Juni 2014
30. Mai – 1. Juni 2014
6. – 7. Juni 2014
55. Plauener Spitzenfest
Karl-May-Festtage Radebeul
"Summer Swing" bei Schumann
28. Juni – 6. Juli 2014
26. – 28. September 2014
21. – 23. August 2014
"Sugar –Manche mögen’s heiß"
Herbst- und Weinfest
Sachsen Classic 2014
Open-Air-Spektakel im Parktheater 4. – 5. Oktober 2014
6. – 7. September 2014
25. November – 21. Dezember 2014
Historisches Weinfest und Sächsischer
Historisches Markttreiben
Plauener Weihnachtsmarkt
Winzerzug im Weingut Hoflößnitz
Torgau 29. Juni – 6. Juli 2014 32. Festwoche der Kirchenmusik 4. – 6. Juli 2014 Katharina-Tag (Katharina von Bora) 17. Mai – 31. Oktober 2014 Ausstellung "Das Wort im Bild" Kunstgegenstände zur Reformationszeit
54
Annaberger KÄT, Foto: Dieter Knoblauch
KULTURHÖHEPUNKTE IN SACHSEN
Summerswing am Zwickauer Hauptmarkt, Foto: Matthias Rose
Grimma
Freiberg
Annaberg-Buchholz
18. Mai 2014
26. – 29. Juni 2014
31. Mai 2014
Museumsfest im Göschengarten
Bergstadtfest
Annaberger Modenacht
Juni – Dezember
20. – 29. Juni 2014
und im Göschenhaus 12. – 14. September 2014
Hochklassig – hochklassisch
8. Internationales Musikantentreffen
494. "Annaberger KÄT" Das größte Volksfest des Erzgebirges
28. September – 4. Oktober 2014 8. – 9. November 2014
300 Jahre Silbermann-Orgel im Dom
22. – 24. August 2014
25. November – 22. Dezember 2014
Barbara-Uthmann-Jahr
Martinimarkt in der Klosterkirche
Festwochenende im Christmarkt mit Bergparade
Bautzen
Görlitz
Kamenz
3. Juli – 10. August 2014
19. – 20. Juli 2014
21. Juni 2014
19. Bautzener Theatersommer
Schlesischer Tipplmarkt
"Fête de la Musique"
"Gullivers Reisen" nach Jonathan Swift
(traditioneller Töpfermarkt)
(Straßenmusikfest)
18. Juli – 3. August 2014
7. – 9. August 2014
22. – 28. August 2014
Lausitzer Musiksommer
"Via Thea"
Forstfest Kamenz
"Vier Elemente"
Internationales Straßentheaterfestival
(Umzüge, Fahrgeschäfte)
28. November – 21. Dezember 2014
29. – 31. August 2014
13. – 14. Dezember 2014
630. Bautzener Wenzelsmarkt
Görlitzer Altstadtfest
Märchenhaftes Advents-Spectaculum
Die Kontaktdaten der Städte finden Sie auf Seite 59 » 55
DREIZEHN STADTSCHÖNHEITEN SACHSEN
13 STADTSCHÖNHEITEN AUF EINEN BLICK TORGAU
BAUTZEN
Viele Türme. Gute Aussicht.
Die Stadt der Renaissance und Reformation
• Romantische Altstadt mit Alter Wasserkunst, Ortenburg und Dom
Berühmt: Schloss Hartenfels mit Großem Wendelstein
• Mehr als 1.000 Baudenkmale aus acht Jahrhunderten
Bedeutend: von Luther geweihte Schlosskirche, 1. ev. Kirchenbau
• Lebendige Kultur-, Kunst- und Kneipenszene
Bezaubernd: historische Renaissance-Altstadt, tägl. Führungen
• Farbenfrohe Osterbräuche und Traditionen der Sorben
Beachtlich: 16 Museen und Ausstellungen
MEISSEN
RADEBEUL
Die 1.000 Jahre alte Stadt hält viele Überraschungen bereit • Glanzvolles Meissener
Porzellan®
• Historische Weingüter und gemütliche Straußwirtschaften
• Entspannte Radtouren und gemütliche Weinproben beim Winzer
• Dorfanger Altkötzschenbroda und Karl-May-Museum
• Romantische Bummel durch versteckte Gassen der Altstadt
• Dampfbetr. Schmalspurbahn und nostalgische Schaufelraddampfer
• Albrechtsburg als ältestes dt. Schloss und Meißner Dom
• Hervorragende Anbindung zur Landeshauptstadt Dresden
ZITTAU
56
Genuss und Aktivität im Zentrum der Sächsischen Weinstraße
GÖRLITZ
Die "Stadt der Fastentücher" im Dreiländereck
Ein urbanes Gesamtkunstwerk von europäischem Format
• Zeigt als einzige deutsche Stadt zwei mittelalterliche Textil-
• Von Gotik bis Jugendstil – steinerne Chronik aus 5 Jahrhunderden
kunstwerke von 1472 und 1573 in einer dauerhaften Präsentation
• Europäische Kunst und Kultur im Zeichen der Via Regia
• Bezaubert mit historischem Stadtkern inmitten des "Grünen Rings"
• Impressionen zwischen Sonnenorgel und Heiligem Grab
• Lockt mit Zittauer, Iser- und Riesengebirge vor der Haustür
• Görlitz/Zgorzelec: Laboratorium der europäischen Integration
DREIZEHN STADTSCHÖNHEITEN SACHSEN
GRIMMA
ANNABERG-BUCHHOLZ
Gleich hinter Leipzig – die schönste Altstadt Mitteldeutschlands
ERLEBEN: Weihnachtszauber in der Hauptstadt des Erzgebirges
• Literaturhistorie: von Goethe-Verleger Göschen bis Seume u. Schiller
SEHEN: Bergbautradition der Silberstraße in traumhafter Natur
• Martin Luther, seine Frau Katharina von Bora und die Reformation
MACHEN: von Spitzenklöppeln über Schnitzkunst bis Stollenbacken
• Per Muldenschiff zu Schiff- und Wassermühle und Seilfährenfahrt
TRÄUMEN: Erlebnismuseum "Manufaktur der Träume"
• Die ehem. Fürstenschule St. Augustin und ihre berühmten Schüler
STAUNEN: lebendige Marktpyramide, Bergmännische Krippe u.v.m.
PLAUEN
PIRNA
PLAUEN – echt spitze, nicht nur bei Spitze:
MALERISCH: Canalettos "Marktplatz Pirna" noch original erlebbar
Attraktion Bierelektrische: im rollenden Gasthaus durch die Stadt
EINMALIG: lebendiges Canalettobild
Umgarnt vom Charme und der Schönheit der Plauener Spitze
INSPIRIEREND: zu den Richard-Wagner-Stätten in Graupa
E.o.plauen: Vater und Sohn - Bilder sagen mehr als 1.000 Worte
ROMANTISCH: Startpunkt für Malerweg und Sächsische Weinstraße
Natur pur: aktiv zu Fuß oder per Rad durchs schöne Vogtland
WERTVOLL: Kameliensammlung in Schloss Zuschendorf
FREIBERG
Die Silberstadt Sachsens
ZWICKAU
Oldtimerträume und Klassik
• Hist. Altstadtkern mit Bürgerhäusern aus dem Spätmittelalter
• Horch, Audi, Wanderer & Trabant – spannende Automobilgeschichte
• Terra Mineralia – eine der weltgrößten Mineralienausstellungen
• Robert und Clara Schumann – Geburtshaus, Museum, Konzertsaal
• Dom St. Marien – Silbermann-Orgeln und Goldene Pforte
• Reformationsgeschichte am Lutherweg und in den Priesterhäusern
• Erzgebirg. Weihnachtsglanz – Christmarkt und Bergbautradition
• Jugendstil und Gründerzeit – Johannisbad und Ballhaus "Neue Welt" Torgau
KAMENZ
Kamenz
LEIPZIG
Meißen
Grimma
Radebeul
Freiberg Zwickau
Die "Lessingstadt" weckt Emotionen:
Plauen
Bautzen Görlitz
DRESDEN Pirna
Zittau
CHEMNITZ
AnnabergBuchholz
• Von Geburtsort bis Museum: Gotthold Ephraim Lessing fasziniert • "Sakrale Schätze" wie spätgotische Schnitzaltäre begeistern • Viele botanische Kostbarkeiten in der "grünen" Stadt entzücken • Verschiedene Veranstaltungen und Feste beleben die Sinne
DIE KONTAKTDATEN DER STÄDTE FINDEN SIE AUF SEITE 59 » 57
IMPESSUM
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WEITERE FOTOGRAFEN Trabant, Seite 9: Prill Mediendesign & Fotografie (iStockphoto)
STADTSCHÖNHEITEN SACHSEN Liebe Freunde schöner Städte! 13 säch-
Freiberg, Grimma, Torgau, Meißen, Ra-
sische Stadtschönheiten voll lebendiger
debeul, Pirna, Kamenz, Bautzen, Gör-
Geschichte machen Ihnen in diesem
litz und Zittau willkommen. Wenn Sie
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Buchholzer Straße 2
Markt 23 · 04668 Grimma
Meißner Straße 152 · 01445 Radebeul
09456 Annaberg-Buchholz
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Telefon +49 (0) 351 - 89 54 120
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Hauptmarkt 1 · 02625 Bautzen
Pulsnitzer Straße 11 · 01917 Kamenz
Markt 1 · 04860 Torgau
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Telefon +49 (0) 3578 - 379 205
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Telefax +49 (0) 3578 - 379 291
Telefax +49 (0) 3421 - 70 14 15
touristinfo@bautzen.de
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www.bautzen.de
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FREIBERG
MEISSEN
ZITTAU
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Burgstraße 1 · 09599 Freiberg
Markt 3 · 01662 Meißen
Markt 1 · 02763 Zittau
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tourist-info@freiberg-service.de
service@touristinfo-meissen.de
tourist-info@zittau.de
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www.touristinfo-meissen.de
www.zittau.eu
GÖRLITZ
PLAUEN
ZWICKAU
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Obermarkt 32 · 02826 Görlitz
Unterer Graben 1 · 08523 Plauen
Hauptstraße 6 · 08056 Zwickau
Telefon +49 (0) 3581 - 47 57 0
Telefon +49 (0) 3741 - 29 110 27
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Telefax +49 (0) 3581 - 47 57 47
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PIRNA TOURIST–INFORMATION Am Markt 7 · 01796 Pirna Telefon +49 (0) 3501 - 556 446 Telefax +49 (0) 3501 - 556 449 touristservice@pirna.de www.pirna.de
59
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