01/2008
How to throw stones WE HATE : Art Culture Sex Politics Music Fashion Life
HATE MAGAZINE 01/2008 INHALT
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Little Miss Bullshit
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Just like on TV
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Drittklassige Preisboxer
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D端stere Genugtuung
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Der Mann im braunen Anzug
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Heiligendamm
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Langwierige Prozesse
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Kill your Idols
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Mister Chichester
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En Vogue
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Fragen ohne Antwort
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Drittklassige Preisboxer
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D端stere Genugtuung
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Der Mann im braunen Anzug
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Just like on TV
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Drittklassige Preisboxer
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Kill your Idols
Sch旦nheitswahlen f端r Kleinkinder in den Usa WannabeNigger: Wenn nur Noch Schuhcreme hilft Vom Hamburger Kiez bis nach Mexico city Blutdiamanten und eine tote Schriftstellerin Vom Hamburger Kiez bis nach Mexico city Krawall und Halligalli: Politik mal etwas anders Denken sollen Andere, oder das schicksal dummer Menschen Die praktische umsetzung Jeder Erfolg hat seine eigene, besondere Geschichte. Drei Beispiele alle modedesigner sind stockschwul. punkt. Dieses Symbol zeigt an, das sie dazu mehr im internet finden. Vom Hamburger Kiez bis nach Mexico city Krawall und Halligalli: Politik mal etwas anders Denken sollen Andere, oder das schicksal dummer Menschen Vom Hamburger Kiez bis nach Mexico city Krawall und Halligalli: Politik mal etwas anders WannabeNigger: Wenn nur Noch Schuhcreme hilft
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HATE PICTURES
DER DORN IM AUGE von Carl Zeiss // Illustration: Frank Bär
Die Gossip-Welt diskutiert mal wieder nur über eine: Britney Spears. Nachdem ihre Freundin Paris Hilton unser aller Lieblings-Popprinzessin geflüstert hat, sie solle sich mal »unten ohne« zeigen muss, um wieder so richtig ins Gespräch zu kommen, diskutieren nun auch die letzten Mauerblümchen über die zweifache Mutti Britney. 4
PARIS HILTON
Wie, verdammtnochmal, sieht denn die Pop-Pussy nun aus? Ăœberall sind die Bilder zensiert zu sehen. Aber: Ist Britneys Vagina unzensiert denn nun eher schlecht rasiert oder gut gewachst? Fragen Ăźber Fragen... 5
HATE PICTURES
Jetzt hat Sarkozy Cécilia durch Carla Bruni ersetzt, die ebenso gut ins Schema passt. Doch die hat hohe Ansprüche: »Ich mag – nein, brauche – Intelligenz. Das ist wichtiger als das Aussehen eines Mannes. Und ich brauche Humor, weil ich selbst nicht so viel davon habe, aber gern lache. Ich schätze auch Potenz, Stärke und Männlichkeit, obwohl ich auch die feminine Seite an Männern sehr mag. Ich liebe sensible Männer«. Im Durchschnitt etwa 8 Monate.
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SARKOZY & BRUNI // BOTTLE IN A BOTTOM / ALTHERRENHOCHZEIT
Die Geschichten von im Anus festgesaugten Flaschen sind lediglich moderne Legenden. So verwundert es nicht, dass man in der medizinischen Fachliteratur keinen Bericht dazu finden kann. Wichtig ist, die Flasche nicht einzufetten.
Nach Schätzungen von UNICEF wird rund die Hälfte aller afghanischen Frauen noch vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Heirat wird in Afghanistan wie in weiten Teilen Südasiens und im südlichen Afrika oft als wirtschaftliche Transaktion angesehen, die nichts mit persönlichen Wünschen zu tun hat.
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HATE PICTURES
Kardinal Meisner bei der Einweihung des neuen Kunstmuseums Kolumba im Kölner Dom: »Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet.« 8
KARDINAL MEISNER // PRIVATPANZER
Sohnemann möchte sein Taschengeld aufbessern und hat mir seinen Spielzeugpanzer zu Verkaufen gegeben. Der obere Teil lässt sich drehen. Drückt man auf die rote Stange, dreht sich vorn das Sägeblatt. Das Rohr und auch das Sägeblatt lässt sich abnehmen. Macht man vorn die braune Luke und die braunen Klappen auf, kann man ein Alien mit Maschinengewehr zu Vorschein bringen. Die Panzerkette ist fest befestigt und dreht sich nicht. 9
HATE INTERVIEW
INTERVIEW MIT HERRN Das Interview führte Josef Ratzinger // Illustration: Frank Bär / Jakob Weiß
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MOHAMMED FAZAZI
Mohammed Fazazi ist ein Freund martialischer Worte und erklärter Gegner des Christentums, der Buddhisten, Juden und eigentlich aller Religionen und Weltanschauungen auSSer seiner eigenen – dem Islam. Den Koran akzeptiert er als einzig gültiges Gesetzbuch auf Erden. Warum ein Hassprediger aus Köln den Namen Mohammed tragen darf, nicht aber ein zum Schulklassenmaskottchen ernannter Teddybär, hat er uns bei Tee und Gebäck in seiner gemütlichen Wohnung erzählt.
Neil Boorman, ich habe lange überlegt, was ich zu diesem Treffen anziehen soll. Schließlich beschreiben Sie in Ihrem Buch, wie Sie Leute früher primär anhand von Kleidermarken beurteilt haben. Und wer etwa Puma trug statt Adidas, hatte keine Chance. Ich versuche, das nicht mehr zu tun. Aber ich kann gar nicht anders - ich schaue hin, was die Leute tragen, sobald ich sie treffe. Was sagen Sie also? Ich weiß nicht, ich konnte an Ihnen keine Logos finden. Ich schaute mir Ihre Tasche an und Ihr Diktafon - ich habe noch nie von dieser Marke gehört. Es fällt mir wirklich schwer, herauszufinden, was für eine Person Sie sind, weil Sie keine Marken zur Schau tragen. Machen Marken Leute? Ich glaube, Leute lassen sich durch Marken machen. Alles, was wir konsumieren, ist eine Art Stenografie von dem, was wir sind. Meiner Generation wurde von Kindheit an beigebracht, dass dies die einfachste und schnellste Art sei, Identität zu bilden: Man kauft ein Paket Identitäten, mischt es auf - und hat eine Person. In Großbritannien ist Klassenbewusstsein nach wie vor stark verankert - hat die Obsession mit Brands jene mit der Herkunft ersetzt?
Es ist eine politisch sehr korrekte Art, sich einer Schicht zuzuordnen. Statt zu sagen, ich komme aus der Arbeiterklasse, trägt man heute Trainingshosen und Reebok-Turnschuhe. Interessanterweise kaufen die Leute immer Marken über ihrer Schicht, wohl in der Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg - was natürlich ein absoluter Mythos ist. Versprechen teure Labels also die Möglichkeit sozialer Mobilität? Klar kann sich auch eine alleinstehende Mutter aus der Sozialsiedlung irgendwann genug Geld für die Louis-Vuitton-Handtasche zusammensparen. Sie kann damit auf der Straße herumspazieren und vornehm ausschauen, aber am Abend muss sie zurück in ihren elenden Wohnblock gehen. Die Tasche hat sie nicht wohlhabender gemacht, sondern ärmer, weil sie ihr Geld dafür losgeworden ist. Sie haben vor unserem Treffen zu mir gesagt, Sie seien eine Art hässlicher Typ - fühlen Sie sich so? Meine Besessenheit von Marken wurzelt sicher in einem geringen Selbstbewusstsein. Diese Dinge gaben mir ein gutes Gefühl. Keine meiner Freunde, Verwandten oder Liebhaberinnen bestätigte mir regelmäßig, ich sei gutaussehend, dynamisch, erfolgreich. Die Kleider aber sagten mir das ständig. Sie sagen, Sie waren markensüchtig - ein Brandaholic. Wie äußerte sich das? >>
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HATE INTERVIEW
In zwanghaftem Shopping und einer Obsession mit dem Status der Marken. Ich liebte es einzukaufen. Wenn ich es gerade nicht tat, dachte ich darüber nach, ich fand sogar Gründe, dafür aus dem Büro zu schleichen. Ich schaute ständig, was die Leute trugen, verglich mich mit ihnen und dachte darüber nach, was sie wohl über meine Sachen dachten. Welches Ausmaß nahm diese Sucht schließlich an? Ich hatte über 20 000 Pfund Schulden, und ich versteckte Sachen. Ich kaufte etwas, trug es nach Hause und öffnete nicht einmal die Tüte, sondern versteckte sie im Schrank, damit es meine Partnerin nicht sah. Und was hat Sie dazu bewegt, das zu ändern? Wir waren in Indien an einem einsamen Strand. Eines Tages erwachte meine Partnerin und sah mich im Meer mit meinem Blackberry winken, um Empfang zu bekommen, weil ich auf Ebay gerade für ein Sweatshirt bot. Da sagte sie mir: Das muss jetzt aufhören. Sie beschlossen also, Ihre Sachen auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, was ihnen viel Kritik eingebracht hat. Das waren immerhin Kleider und Elektronikgeräte im Wert von über 21 000 Pfund. Warum haben Sie es nicht einer Wohltätigkeitsorganisation geschenkt?
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Ich war sehr wütend und wollte ein lautes Zeichen setzen. Keiner hätte sich für meine Geschichte interessiert, wenn ich einfach alles in den Wohltätigkeits-Laden getragen hätte. Haben Sie seither wirklich markenfrei gelebt? Hin und wieder brauchte ich dringend Toilettenpapier und konnte nicht wählen. Jetzt, da über ein Jahr vorbei ist, gehe ich entspannter damit um. Aber alle meine Kleider sind ohne Logo. Wie steht es mit Lebensmitteln? Das ist mein neuer Lifestyle, ich mag das: auf den Markt zu gehen und frische Produkte einzukaufen. Da finden Sie sich in London unter all den Yuppies wieder, die auf den schicken Märkten für den doppelten Preis einkaufen, den sie im Laden zahlen würden. Ja, jegliche Art von Lifestyle wird hier sofort zur Marke. Das ist auch das Verrückte am grünen Konsum: Es bietet einfach einen Grund mehr, um einzukaufen. Wirklich grün konsumieren würde eigentlich bedeuten, möglichst wenig zu konsumieren. Welchen Einfluss hat das markenlose Dasein auf Ihr Leben? Es ist viel langsamer geworden. Ich brauche Zeit, um auf den Markt oder zum Metzger zu gehen. Aber
MOHAMMED FAZAZI
das macht auch Spaß, ich habe die Händler kennengelernt - das gibt mir ein Gefühl von Gemeinschaft. Ich bin entspannter und kann mich selbst besser akzeptieren.
man sich etwas leisten kann, sondern kauft es ohnehin mit Kreditkarte. Die Privatverschuldung beläuft sich in Großbritannien nicht umsonst auf über 1,3 Billionen Pfund.
Wie haben sich Ihre Beziehungen verändert?
Kann man denn mit Marken nicht auch friedlich zusammenleben - so wie viele Leute regelmäßig Wein trinken, ohne gleich Alkoholiker zu werden?
Für meine Partnerin war es sehr schwierig, sie musste ein Jahr ohne Fernseher leben, ohne DVD und CDs, aber wir sind immer noch zusammen und haben nun ein Kind. Es wurde nach dem Feuer empfangen. Wir mussten unsere Beziehung völlig neu aufbauen - und da hatten wir auch mehr Zeit für Sex. In Ihrem Buch reden Sie von diesen verrückten Samstagen, an denen ganz London zum Shopping geht, und bezeichnen das als typisch britisch. Was ist daran so typisch? Das Klassensystem ist in unserer Kultur stark verankert, aber seit Margaret Thatcher sind wir neureich geworden. Wir hatten in den letzten 20 Jahren einen unglaublichen Zuwachs an Wohlstand. Die meisten Leute sind doch gar nicht wohlhabend. Alles ist hier so wahnsinnig teuer, viele verdienen wenig und kommen fast nicht über die Runde.
Ich selbst habe offenbar ein großes Suchtpotenzial. Viele Leute sagen mir, sie würden sich nicht von der Werbung beeinflussen lassen. Trotzdem fahren sie einen BMW oder einen Mercedes. Man vertraut einfach der Marke. Wir unterscheiden nicht zwischen dem, was wir brauchen, und dem, was wir glauben zu brauchen. Wenn man Ende des Monats seine Bankabrechnung durchgeht und sich ehrlich fragt, was man davon wirklich, wirklich brauchte, kommt man vielleicht auf 30 bis 40 Prozent. Was soll man dagegen tun? Wir sind der Werbung gegenüber zu nachlässig. Man wird so mitgetragen, muss sich nichts überlegen und auch nicht viel tun. Trotzdem würde ich niemandem raten, seine Sachen zu verbrennen. Ich bin auch heute noch nicht sicher, ob ich wirklich das Richtige getan habe.
Das stimmt, die Sachen sind sehr teuer, aber der Preis spielt keine Rolle mehr, weil man so einfach zu Krediten kommt. Man überlegt sich nicht mehr, ob
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HATE STATEMENT
»Die Ungläubigen haben uns die Armut gebracht und uns gezwungen, nach Europa auszuwandern. Und hier geben sie uns nichts als Krümel und Almosen. Wir machen die Arbeit, die die Deutschen nicht tun wollen, waschen Tel14
MOHAMMED FAZAZI
ler, putzen Toiletten. […] wir arbeiten für sie wie Sklaven. […] Du hast die Aufgabe, die Herrschaft der Ungläubigen zu beseitigen, ihre Kinder zu töten, ihre Frauen zu erbeuten und ihre Häuser zu zerstören. 15
HATE STATEMENT
Sei in dieser Welt wie ein Fremder. Sei kein Gefangener Deines Geldes. Dschihad ist die einzige Lösung, diese Welt zu verändern. […] Die Demokratie ist die Religion der Ungläubigen und wird 16
MOHAMMED FAZAZI
der ganzen Welt aufgezwungen. Das Volk wählt eine Partei von selbst ernannten Götzen. Wenn europäische Parlamente Feindseligkeiten gegen Muslime anzetteln, ist die Bevölkerung mitverantwortlich, denn sie beteiligt 17
HATE STATEMENT
sich durch Wahlen, Steuern, Presse. Die Presse ist ja die vierte Macht im Staate. Deshalb sind diese Ungläubigen Krieger. Und da sie Krieger sind, sind ihre VermÜgen, ihre Ehre, ihre Seelen und alles, was sie besit18
MOHAMMED FAZAZI
zen, f端r die Muslime antastbar.<
Mohammed Fazazi, Januar 2000 Al-Quds-Moschee, Hamburg. 19
Hate: November
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TOY SOLDIERS
das; a) <o. Pl.>: * Kriegs|spiel|zeug, Als Kriegsspielzeug können alle Gegenstände bezeichnet werden, die Waffen und militärische Ausrüstung darstellen, waffenähnliche Gegenstände, Nachbildungen von Tötungsgeräten aller Art, elektronische Kriegs- oder Jagdspiele und Strategiespiele, die die Zerstörung oder Vernichtung des Gegners zum Ziel haben und die dazu geeignet sind, beim Kind oder Jugendlichen Phantasien über gewalttätige Auseinandersetzungen auszulösen.
hend vom subjektiven Verwendungszusammenhang wäre dann »jedes Spielzeug und jeder Gegenstand, mit dem Kinder und Jugendliche Krieg spielen«, als Kriegsspielzeug zu bezeichnen. Auf dem Hintergrund einer objektiven Definition ist Kriegsspielzeug ein Spielmittel, das den Wert »Krieg« thematisiert. Als Synthese dieser beiden Ansätze ließe sich Kriegsspielzeug dann als »dasjenige Spielzeug, das Krieg abbildet und mit dem Krieg gespielt wird«, bezeichnen. Da Kriegsspielzeug kein Fachausdruck der Spielwarenbranche ist, gibt es auch keine einheitliche Definition. Dies hat vor allem Konsequenzen, wenn man Aussagen über die Verbreitung von Kriegsspielzeug machen möchte.Bernhard Krohner trennt Kriegs-
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Text: G.I. Joe // Foto & Illustration: Jakob Weiß
Trotz öffentlicher Kritik hält der Trend zu Spielzeugwaffen für Kinder an. Laut Statistisches Bundesamt Wiesbaden wurden im Jahr 2000 Spielzeugwaffen für 14,5 Millionen Euro (28,3 Millionen Mark) nach Deutschland eingeführt. Dies bedeutete zwar gegenüber 1999 einen Rückgang um 4,8 Prozent, lag aber deutlich über dem Importvolumen vorangegangener Jahre. Von 1995 bis 1997 hatte der Wert der Spielzeugwaffen-Einfuhr weniger als zehn Millionen Euro pro Jahr betragen. Der bedeutendste Lieferant ist China, das 2000 für 11,3 Millionen Euro Spielzeugwaffen nach Deutschland lieferte. Das sind vier Fünftel aller im portierten Spielzeugwaffen. Bernhard Krohner trennt Kriegsspielzeugzunächst in eine subjektive und objektive Kategorie, um deutlich zu machen, was unter Kriegsspielzeug verstanden werrden kann. Ausge-
spielzeugzunächst in eine subjektive und objektive Kategorie, um deutlich zu machen, was unter Kriegsspielzeug verstanden werrden kann. Ausgehend vom subjektiven Verwendungszusammenhang wäre dann »jedes Spielzeug und jeder Gegenstand, mit dem Kinder und Jugendliche Krieg spielen«, als Kriegsspielzeug zu bezeichnen. Auf dem Hintergrund einer objektiven Definition ist Kriegsspielzeug ein Spielmittel, das den Wert »Krieg« thematisiert. Als Synthese dieser beiden Ansätze ließe sich Kriegsspielzeug dann als »dasjenige Spielzeug, das Krieg abbildet und mit dem Krieg gespielt wird«, bezeichnen. Worin liegt der große Spaß, sich gegenseitig zu »erschießen«? Viele Eltern, die sich weigern einen Spielzeugrevolver anzuschaffen, sind bestürzt, denn auch wenn keine Waffe zur Hand ist, nehmen die Kleinen eben den Finger oder ein Stöckchen als Ersatz!
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HATE STORY
Trotz öffentlicher Kritik hält der Trend zu Spielzeugwaffen für Kinder an. Laut Statistisches Bundesamt Wiesbaden wurden im Jahr 2000 Spielzeugwaffen für 14,5 Millionen Euro (28,3 Millionen Mark) nach Deutschland eingeführt. Dies bedeutete zwar gegenüber 1999 einen Rückgang um 4,8 Prozent, lag aber deutlich über dem Importvolumen vorangegangener Jahre. Von 1995 bis 1997 hatte der Wert der Spielzeugwaffen-Einfuhr weniger als zehn Millionen Euro pro Jahr betragen. Der bedeutendste Lieferant ist China, das 2000 für 11,3 Millionen Euro Spielzeugwaffen nach Deutschland lieferte. Das sind vier Fünftel aller hier ins Land importierten Spielzeugwaffen.
Entscheidung über Leben und Tod: Bernhard Krohner trennt Kriegsspielzeugzunächst in eine subjektive und objektive Kategorie, um deutlich zu machen, was unter Kriegsspielzeug verstanden machen möchte.Bernhard Krohner trennt Kriegsspielzeugzunächst in eine subjektive und objektive Kategorie, um deutlich zu machen, was unter Kriegsspielzeug verstanden werrden kann. Ausgehend vom subjektiven Verwendungszusammenhang wäre dann »jedes Spielzeug und jeder Gegenstand, mit dem Kinder und Jugendliche Krieg spielen«, als Kriegsspielzeug zu bezeichnen. Auf dem Hintergrund einer objektiven Definition ist Kriegsspielzeug ein Spielmittel, das den Wert »Krieg« thematisiert. Als Synthese dieser beiden Ansätze ließe sich Kriegsspielzeug dann als »dasjenige Spielzeug, das Krieg abbildet und mit dem Krieg gespielt wird«, bezeichnen. Worin liegt der große Spaß, sich gegenseitig zu »erschießen«? Viele Eltern, die sich weigern einen Spielzeugrevolver anzuschaffen, sind bestürzt, denn auch wenn keine Waffe zur Hand ist, nehmen die Kleinen eben den Finger oder ein Stöckchen als Ersatz!Bei Spielzeugwaffen denken wir Erwachsene ausschließlich an Gewalt und finden es erschreckend, dass unsere Kinder Gefallen daran finden. Doch Psychologen gehen davon aus, dass Kinder nicht Gewalt, sondern das Machtgefühl, dass ihnen eine Spielzeugwaffe verleiht, genießen. Der Wunsch nach einer Spielzeugpis-
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tole wäre demnach auch Teil der Entwicklung. Und auch wenn das Spiel der Kinder zuweilen sehr gewalttätig anmutet, werden bei Cowboy und Indianer Aggressionen nach Außen gekehrt, Angst und Probleme bewältigt. Nicht die Waffe macht aggressiv. Das Spiel mit der Waffe führt lediglich dazu, dass die vorhandenen Aggressionen gezeigt werden. Außerdem ist die Verletzungsgefahr bei Cowboyspielen recht gering, denn die Entscheidung über »Leben und Tod« wird über eine Distanz und nicht Auge in Auge entschieden. Doch was ist mit dem Überangebot an Laserwaffen, Mega-Wasserpistolen und Kampfrobotern? Ist es wirklich verantwortungsvoll das Kinderzimmer damit zu pflastern? Zu dieser Frage gibt es sicherlich keine endgültige Antwort. Trotz öffentlicher Kritik hält der Trend zu Spielzeugwaffen für Kinder an. Dies bedeutete zwar gegenüber 1999 einen Rückgang um 4,8 Prozent, lag aber deutlich über dem Importvolumen vorangegangener Jahre. Von 1995 bis 1997 hatte der Wert der Spielzeugwaffen-Einfuhr weniger als zehn Millionen Euro pro Jahr betragen. Der bedeutendste Lieferant ist China, das 2000 für 11,3 Millionen Euro Spielzeugwaffen nach Deutschland lieferte. Das sind vier Fünftel aller im portierten Spielzeugwaffen. Bernhard Krohner trennt Kriegsspielzeugzunächst in eine subjektive und objektive Kategorie.
Die Rolle der Waffenindustrie: Bernhard Krohner trennt Kriegsspielzeugzunächst in eine subjektive und objektive Kategorie, um deutlich zu machen, was unter Kriegsspielzeug verstanden werrden kann. Ausgehend vom subjektiven Verwendungszusammenhang wäre dann »jedes Spielzeug und jeder Gegenstand, mit dem Kinder und Jugendliche Krieg spielen«, als Kriegsspielzeug zu bezeichnen. Auf dem Hintergrund einer objektiven Definition ist Kriegsspielzeug ein Spielmittel, das den Wert »Krieg« thematisiert. Als Synthese dieser beiden Ansätze ließe sich Kriegsspielzeug dann als »dasjenige Spielzeug, das Krieg abbildet und mit dem Krieg gespielt wird«, bezeichnen. Worin liegt der große Spaß, sich gegenseitig zu »erschießen«? Viele Eltern, die sich weigern einen Spielzeugrevolver anzuschaf-
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fen, sind bestürzt, denn auch wenn keine Waffe zur Hand ist, nehmen die Kleinen eben den Finger oder ein Stöckchen als Ersatz! Bei Spielzeugwaffen denken wir Erwachsene ausschließlich an Gewalt und finden es erschreckend, dass die Kinder Gefallen dran finden.
Und die Kinder? Spielen weiter. Doch Psychologen gehen davon aus, dass Kinder nicht Gewalt, sondern das Machtgefühl, dass ihnen eine Spielzeugwaffe verleiht, genießen. Der Wunsch nach einer Spielzeugpistole wäre demnach auch Teil der Entwicklung. Und auch wenn das Spiel der Kinder zuweilen sehr gewalttätig anmutet, werden bei Cowboy und Indianer Aggressionen nach Außen gekehrt, Angst und Probleme bewältigt. Nicht die Waffe macht aggressiv. Das Spiel mit der Waffe führt lediglich dazu, dass die vorhandenen Aggressionen gezeigt werden. Außerdem ist die Verletzungsgefahr bei Cowboyspielen recht gering, denn die Entscheidung über »Leben und Tod« wird über eine Distanz und nicht Auge in Auge entschieden. Doch was ist mit dem Überangebot an Laserwaffen, Mega-Wasserpistolen und Kampfrobotern? Ist es wirklich verantwortungsvoll das Kinderzimmer damit zu pflastern? Zu dieser Frage gibt es sicherlich keine endgültige Antwort.Trotz öffentlicher Kritik hält der Trend zu Spielzeugwaffen für Kinder an. Laut Statistisches Bundesamt Wiesbaden wurden im Jahr 2000 Spielzeugwaffen für 14,5 Millionen Euro (28,3 Millionen Mark) nach Deutschland eingeführt. Dies bedeutete zwar gegenüber 1999 einen Rückgang um 4,8 Prozent, lag aber deutlich über dem Importvolumen vorangegangener Jahre. Von 1995 bis 1997 hatte der Wert der Spielzeugwaffen-Einfuhr .
Jeder Soldat auf dieser Seite symbolisiert zehn Millionen Euro. Zusammengerechnet ergibt das den Reingewinn, den die Spielwarenindustrie weltweit mit Kriegsspielzeug jährlich erzielt: Unglaubliche 2,2 Milliarden Euro.
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BLANKE NERVEN
von Blindtextgenerator// Fotografie: Jakob Weiss, Design: Frank Bär / Jakob Weiß
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HATE FASHION
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BUFFALO BOOTS
R.I.P. B uffa lo von Carl Lewis // Illustration: Jakob Weiß
Gestern im Schuhgeschäft: »Zwei Kilo Schuhe, bitte!« Es ist nicht zu fassen, wie viele Füße dieser Betonklotz von Schuh schon verschandelt hat, und wie viele Dorfschlampen sich auch heute nichts sehnlicher wünschen. Ob er selbst viele Schuhe hat? Sehr viele, das sieht man schon bei mir im Hausflur. Er selbst hätte nie gedacht, dass Frauen so besessen von Schuhen sein könnten. Das ist wie eine Droge. Aber schöne Schuhe sind nun einmal sexy. Wenn eine Frau schöne Kleider trägt, aber schlechte Schuhe, funktioniert es nicht.
C
iarrie Bradshaw aus der Serie »Sex and the City« iihres Zeichens weltbekannte Schuh-Fetischistin - könnte garantiert nicht an diesem Schaufenster vorbeigehen. Und so wie ihr geht es auch vielen Berlinerinnen, die das Geschäft von Riccardo Cartillone am Savignyplatz 5 erspähen. Hinter dem Namen, den manche wegen seines Wohlklangs bloß für eine geschickt erdachte Marke halten, verbirgt sich ein 47jähriger Italiener, dessen ganze Leidenschaft schönen Frauenschuhen gehört. »In den 80er-Jahren gab es nichts in Berlin. Mamma mia!« sagt Cartillone und schüttelt bei der Erinnerung auch ein Vierteljahrhundert später noch den Kopf. Seit 1978 in Berlin, eröffnete er 1982 sein erstes eigenes Geschäft an der Nürnberger Straße in Schöneberg, sieben Jahre später folgte die Filiale am Savignyplatz. Heute sind es insgesamt neun Läden, allein fünf befinden sich rund um den Hackeschen Markt. »Die Stadt ging immer mehr nach Osten, und ich ging mit. Der 38-Jährige vertraut auf die Stärke des eigenen Sortiments, das er und seine Kollegen in der Oranienburger Straße 89 anbieten: Marken aus Italien und Spanien für Kinder, Frauen und Männer. »Wir waren nie der typische hippe Mitte-Laden, unser Angebot ist relativ breit gefächert. Und damit auch das Alter der Kunden, die bei uns kaufen.« Auch Cartillone verkaufte von Anfang an Schuhe aus seiner Heimat, um dem deutschen Geschmack auf die Sprünge zu helfen. 60 bis 70 verschiedene Labels sind es heute.
Längst entwirft er jedoch auch selbst. Seine eigenen Kreationen beschreibt er als eher dezent: »Ich mag keinen Kitsch. Meine Schuhe sind weder besonders hoch noch besonders spitz.« Er selbst muss schmunzeln, als er das Modell eines gewissen »Toru Takeda« hochhebt: »Das ist auch von mir. Unter diesem ausgedachten japanischen Namen laufen Modelle, die man so auch in Asien sehen könnte.« Eher runde Formen also, ein wenig verspielter. Seine Schuhe lässt Cartillone alle in der Region Marche, dem Zentrum der italienischen Schuhindustrie, fertigen, seine Inspiration holt er sich jedoch vor allem in Metropolen wie London und Paris. Ob er selbst viele Schuhe hat? »Sehr viele, das sieht man schon bei mir im Hausflur.« Er selbst hätte nie gedacht, dass Frauen so besessen von Schuhen sein könnten. »Das ist wie eine Droge. Aber schöne Schuhe sind nun einmal sexy. Wenn es eine Frau ein schönes Kleid trägt, aber schlechte Schuhe, dann funktioniert es nicht.« Ein Problem seien die Männer - und wieder muss er nunden Kopf schütteln – gerade die jüngeren, die vor allem Turnschuhe tragen. Die kommen doch fast alle aus Asien, das Meiste ist Schrott. Wichtiger als das Image ist doch auf jeden Fall immer noch das Produkt selbst. Wer Wert auf besonders ausgefallene »Produkte« legt, der ist bei Rosemarie Mohamed richtig, die sich mit ihrem Geschäft »Calypso« seit zwölf Jahren in Mitte behauptet. Sie verkauft nicht nur getragene und ungetragene Schuhe von heute, sondern auch. 31
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AUTONOME vs. POLIZEI
ZWEI SEITEN DER SELBEN MEDAILLE von Joschka Fischer // Illustration: Jakob Weiß
die einen haben steinchen, die anderen haben stöckchen. und sonst? autonome und polizei. Ihre Grossbuchstaben zeigen die g8 Formen von alten römischen Versalschriften, deren schönste, die gute neue alte. andererseits aber macht es oft einfach spass, polizisten zu verhauen.
In florentinischen Manuskripten zu Beginn des 15. Jahrhunderts findet sich mit der Scriptura humanistica eine Schrift, die sich in ihrer Klarheit und Lesbarkeit vorteilhaft von anderen spätmittelalterlichen Handschriften unterscheidet. Ihre Grossbuchstaben zeigen die Formen römischer Versalschriften, deren schönste, die Capitalis monumentalis, die Inschriftenkapitale der frühen Kaiserzeit, bis heute Vorbild geblieben ist. Die Kleinbuchstaben haben sich in jahrhundertelangem Wandel aus römischen Versalien entwickelt; mit der Humanistica sind sie formal grundsätzlich festgelegt. Erst wenn man sich durch ein als «schlecht» empfundenes Schriftbild irritiert fühlt, mag man auf die Faktoren aufmerksam werden, die bei der gelungenen typographischen Gestaltung eine Rolle spielen. Gewisse Grundgesetze haben sich dabei seit Jahrhunderten gehalten. In florentinischen Manuskripten zu Beginn des 15. Jahrhunderts findet sich mit der Scriptura humanistica eine Schrift, die sich in ihrer Klarheit und Lesbarkeit vorteilhaft von anderen spätmittelalterlichen Handschriften unterscheidet. Ihre Grossbuchstaben zeigen die Formen römischer Versalschriften, deren schönste, die Capitalis monumentalis, die Inschriftenkapitale der frühen Kaiserzeit, bis heute Vorbild geblieben ist. Die Kleinbuchstaben haben sich in jahrhundertelangem Wandel aus römischen Versalien entwickelt; mit der Humanistica sind sie formal grund-
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Erst wenn man sich durch ein als «schlecht» empfundenes Schriftbild irritiert fühlt, mag man auf die Faktoren aufmerksam werden, die bei der gelungenen typographischen Gestaltung eine Rolle spielen. Gewisse Grundgesetze haben sich dabei seit Jahrhunderten gehalten. In florentinischen Manuskripten zu Beginn des 15. Jahrhunderts findet sich mit der Scriptura humanistica eine Schrift, die sich in ihrer Klarheit und Lesbarkeit vorteilhaft von anderen spätmittelalterlichen Handschriften unterscheidet. Ihre Grossbuchstaben zeigen die Formen römischer Versalschriften, deren schönste, die Capitalis monumentalis, die Inschriftenkapitale der frühen Kaiserzeit, bis heute Vorbild geblieben ist. Die Kleinbuchstaben haben sich in jahrhundertelangem Wandel aus römischen Versalien entwickelt; mit der Humanistica sind sie formal grundsätzlich festgelegt. Die lateinische Schrift wird daher in zwei Alphabeten von unterschiedlicher Herkunft und Struktur verwendet, in Grossbuchstaben (Majuskeln, Versalien) und in Kleinbuchstaben (Minuskeln, Gemeine). In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, nach der Erfindung des Buchdrucks, wurden die Formen der Scriptura humanistica von der Typografie übernommen;
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die Techniken von Schriftschnitt und Schriftguss bedingten allerdings Änderungen, nicht in den Proportionen, aber in den Details. Nur wenige Jahre nach der Humanistica, um 1420 und ebenfalls in Florenz, entstand eine Verkehrsschrift, die schneller geschrieben werden konnte als die humanistische Minuskel. Im Gegensatz zu dieser hat sie bei steilerer Federlage weniger einzelne Züge, und diese tendieren zur Verbindung untereinander. Bei den meisten Schreibern, aber durchaus nicht immer, kommt es dabei zu einer mehr oder weniger deutlichen Rechtsneigung. Anfang des 16. Jahrhunderts fanden auch die Formen dieser Cancellaresca corsiva Eingang in die Typografie, wo ihre Rolle als Kursive heute die dienende einer Auszeichnungsschrift ist.Sowohl die «aufrechten», in der typografischen Fachsprache mit dem englischen Wort «Roman» bezeichneten. Antiquaschriften als auch die Kursiven (englisch «Italic») haben also ihren Ursprung im geschriebenen Vorbild. Die frühen Antiqua-Drucktypen um 1500, etwa die Schriften des Aldus Manutius in Venedig, die sich an diese Vorbilder hielten, sind dann ihrerseits Massstab geworden. Die Lettern der Druckschrift Bembo etwa - auch heute, in digitalisierter
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Form, eine der beliebtesten Buchschriften - sind Reproduktionen von Typen einer Aldine aus dem Jahre 1495. Der Begriff Massstab ist aber allgemeiner zu verstehen: Mögen sich die Einzelheiten im Laufe der Typographiegeschichte noch so sehr verändert haben man denke an die klassizistischen Schriften der Didot, Bodoni, Walbaum -, die Proportionen und Strichstärken der Drucktypen, die sich für längeres Lesen eignen (sogenannte Mengensatzschriften), sind grundsätzlich die gleichen geblieben.
PUNK ODER POLIZIST? Wir empfinden sie als normal. Wenn sich die Buchstabenformen zu weit davon entfernen, wenn sie zu eng, zu breit, zu fein oder zu fett werden, nimmt die Lesebereitschaft ab, leidet die Lesbarkeit. Erst recht werden jene Schriften nicht akzeptiert, die nicht nur in Proportion und Stärke, sondern auch in den Details zu stark vom Gewohnten abweichen. Sie mögen sich vielleicht während einiger Zeit für die Werbung eignen, längere Texte lesen wird man mit ihnen weder wollen noch können. Nähe von Proportionen und Strichstärken zum geschriebenen Vorbild humanistischer Schriften, bzw. zu Antiqua-Druckschriften
vom aldinischen Typ, ist ein wesentlicher Teil des Geheimnisses der «guten Schrift». Innerhalb eines Druckschriften-Alphabets müssen die Typen so gezeichnet sein, dass sie sich einerseits klar voneinander unterscheiden, andererseits aber ins ganze Alphabet einfügen. Wir lesen Wortbilder, nicht einzelne Buchstaben. Also ist der Umriss des gedruckten Wortes entscheidend für die Lesbarkeit. Reiner Versalsatz ist nur mühsam lesbar, weil die Wörter keine wortspezifisch charakteristischen Umrisse aufweisen, sondern nur mehr oder weniger lange Rechtecke ergeben. Charakteristische Wortumrisse entstehen, weil die Kleinbuchstaben Mittellängen (a, e, c usw.), Oberlängen (b, d, f usw.) und Unterlängen (g, j, p usw.) haben und weil dazu die Punkte von i und j und den Umlauten sowie die Versalien kommen. Von besonderer Bedeutung für den deutschsprachigen Satz mit seinen (zu) vielen Grossbuchstaben ist das richtige Grössen- und Gewichtsverhältnis derselben zu den Kleinbuchstaben. Die Strichstärken aller Zeichen, die Stärkenverläufe sowie die Kurvenqualitäten müssen übereinstimmen, die Gestaltung der Details, etwa der Serifen (der «Füsschen»), muss formal die >> gleiche Sprache sprechen. Wie schon in handschrift-
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Erst wenn man sich durch ein als »schlecht« empfundenes Schriftbild irritiert fühlt, mag man auf die Faktoren aufmerksam werden, die bei der gelungenen typographischen Gestaltung eine Rolle spielen. Gewisse Grundgesetze haben sich dabei seit Jahrhunderten gehalten. In florentinischen Manuskripten zu Beginn des 15. Jahrhunderts findet sich mit der Scriptura humanistica eine Schrift, die sich in ihrer Klarheit und Lesbarkeit vorteilhaft von anderen spätmittelalterlichen Handschriften unterscheidet.
HAUPTSACHE SPASS! Ihre Grossbuchstaben zeigen die Formen römischer Versalschriften, deren schönste, die Capitalis monumentalis, die Inschriftenkapitale der frühen Kaiserzeit, bis heute Vorbild geblieben ist. Die Kleinbuchstaben haben sich in jahrhundertelangem Wandel aus römischen Versalien entwickelt; mit der Humanistica sind sie formal grundsätzlich festgelegt. Die lateinische Schrift wird daher in zwei Alphabeten von unterschiedlicher Herkunft und Struktur verwendet, in Grossbuchstaben (Majuskeln, Versalien) und in Kleinbuchstaben (Minuskeln, Gemeine). In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, nach der Erfin-
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dung des Buchdrucks, wurden die Formen der Scriptura humanistica von der Typografie übernommen; die Techniken von Schriftschnitt und Schriftguss bedingten allerdings Änderungen, nicht in den Proportionen, aber in den Details. Nur wenige Jahre nach der Humanistica, um 1420 und ebenfalls in Florenz, entstand eine Verkehrsschrift, die schneller geschrieben werden konnte als die humanistische Minuskel. Im Gegensatz zu dieser hat sie bei steilerer Federlage weniger einzelne Züge, und diese tendieren zur Verbindung untereinander. Ihre Grossbuchstaben zeigen die Formen römischer Versalschriften, deren schönste, die Capitalis monumentalis, die Inschriftenkapitale der frühen Kaiserzeit, bis heute Vorbild geblieben ist. Bei den meisten Schreibern, aber durchaus nicht immer, kommt es dabei zu einer mehr oder weniger deutlichen Rechtsneigung. Anfang des 16. Jahrhunderts fanden auch die Formen dieser Cancellaresca corsiva Eingang in die Typografie, wo ihre Rolle als Kursive heute die dienende einer Auszeichnungsschrift ist. Sowohl die »aufrechten«, in der typografischen Fachsprache mit dem englischen Wort »Roman« bezeichneten, als auch Absatzende ist jetzt hier. >>
AUTONOME vs. POLIZEI
WAFFENWAHL
STÖCkchen vs. steinchen
ANARCHIE vs. ADLER
Ihre Grossbuchstaben zeigen die Formen römischer Versalschriften, deren schönste, die Capitalis monumentalis, die Inschriftenkapitale der frühen. In florentinischen Manuskripten zu Beginn des 15. Jahrhunderts findet sich mit der Scriptura humanistica eine Schrift, die sich in ihrer Klarheit und Lesbarkeit vorteilhaft von anderen spätmittelalterlichen Handschriften.
In florentinischen Manuskripten zu Beginn des 15. Jahrhunderts findet sich mit der Scriptura humanistica eine Schrift, die sich in ihrer Klarheit und Lesbarkeit vorteilhaft von anderen spätmittelalterlichen Handschriften unterscheidet. Ihre Grossbuchstaben zeigen die Formen römischer Versalschriften, deren schönste, die Capitalis monumentalis, die Inschriftenkapitale der frühen.
Knapper Vorsprung für den Pflasterstein.
Wenn der Adler ausstirbt, herrscht Anarchie!
DOCS vs. HI-TECs
SCHUTZHELM vs. SKIMASKE
Erst wenn man sich durch ein als schlecht empfundenes Schriftbild irritiert fühlt, mag man auf die Faktoren aufmerksam werden, die bei der gelungenen typographischen Gestaltung eine Rolle spielen. Gewisse Grundgesetze haben sich dabei seit Jahrhunderten gehalten. In florentinischen Manuskripten zu Beginn des 15. Jahrhunderts findet sich mit der Scriptura humanistica eine.
Erst wenn man sich durch ein als schlecht empfundenes Schriftbild irritiert fühlt, mag man auf die Faktoren aufmerksam werden, die bei der gelungenen typographischen Gestaltung eine Rolle spielen. Gewisse Grundgesetze haben sich dabei seit Jahrhunderten gehalten. Ihre Grossbuchstaben zeigen die Formen römischer Versalschriften, deren schönste, die Capitalis monumentalis.
Fazit: Hauptsache schwarz. Unentschieden.
Wer knüppeln will, muss schwitzen: Sieg für den Helm.
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HATE SPORT
»Eigentlich kann man das auch mit völkerball im schulsport früher vergleichen... nur dass eben steine fliegen statt softbälle. EIN minimaler UNTERSCHIED.«
der Typografie übernommen; die Techniken von Schriftschnitt und Schriftguss bedingten allerdings Änderungen, nicht in den Proportionen, aber in den Details.Nur wenige Jahre nach der Humanistica, um 1420 und ebenfalls in Florenz, entstand eine Verkehrsschrift, die schneller geschrieben werden konnte als die humanistische Minuskel. Im Gegensatz zu dieser hat sie bei steilerer Federlage weniger einzelne Züge, und diese tendieren zur Verbindung untereinander. Bei den meisten Schreibern, aber durchaus nicht immer, kommt es dabei zu einer mehr oder weniger deutlichen Rechtsneigung. Anfang des 16. Jahrhunderts fanden auch die Formen dieser Cancellaresca corsiva Eingang in die Typografie, wo ihre Rolle als Kursive heute die dienende einer Auszeichnungsschrift ist. Sowohl die aufrechten, in der typografischen Fachsprache mit dem englischen Wort Roman bezeichneten Antiquaschriften als auch die Kursiven (englisch Italic) haben also ihren Ursprung im geschriebenen Vorbild. Die frühen Antiqua-Drucktypen um 1500, etwa die Schriften des Aldus Manutius in Venedig, die sich an diese Vorbilder hielten, sind dann ihrerseits Massstab geworden. Die Lettern der Druckschrift
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AUTONOME vs. POLIZEI
Bembo etwa - auch heute, in digitalisierter Form, eine der beliebtesten Buchschriften - sind Reproduktionen von Typen einer Aldine aus dem Jahre 1495 Massstab Typen einer geworden.
Ja, wohin laufen sie denn? Wenn sich die Buchstabenformen zu weit davon entfernen, wenn sie zu eng, zu breit, zu fein oder zu fett werden, nimmt die Lesebereitschaft ab, leidet die Lesbarkeit. Der Begriff Massstab ist aber allgemeiner zu verstehen: Mögen sich die Einzelheiten im Laufe der Typographiegeschichte noch so sehr verändert haben - man denke an die klassizistischen Schriften der Didot, Bodoni, Walbaum, die Proportionen und Strichstärken der Drucktypen, die sich für längeres Lesen eignen (sogenannte Mengensatzschriften), sind grundsätzlich die gleichen geblieben. Wir empfinden sie als normal. Erst recht werden jene Schriften nicht akzeptiert, die nicht nur in Proportion und Stärke, sondern auch in den Details zu stark vom Gewohnten abweichen. Sie mögen sich vielleicht während einiger Zeit für die Werbung eignen, längere Texte lesen wird man mit ihnen weder wollen noch können. Nähe von Proportionen und Strichstärken zum geschriebenen
Vorbild humanistischer Schriften, bzw. zu AntiquaDruckschriften vom aldinischen Typ, ist ein wesentlicher Teil des Geheimnisses der guten Schrift. Innerhalb eines Druckschriften-Alphabets müssen die Typen so gezeichnet sein, dass sie sich einerseits klar voneinander unterscheiden, andererseits aber ins ganze Alphabet einfügen. Also ist der Umriss des gedruckten Wortes entscheidend für die Lesbarkeit. Reiner Versalsatz ist nur mühsam lesbar, weil die Wörter keine wortspezifisch charakteristischen Umrisse aufweisen, sondern nur mehr oder weniger lange Rechtecke Absatzende nicht zu kurz ergeben. Wir empfinden sie als normal. Erst recht werden jene Schriften nicht akzeptiert, die nicht nur in Proportion und Stärke, sondern auch in den Details zu stark vom Gewohnten abweichen. Sie mögen sich vielleicht während einiger Zeit für die Werbung eignen, längere Texte lesen wird man mit ihnen weder wollen noch können. Nähe von Proportionen und Strichstärken zum geschriebenen Vorbild humanistischer Schriften, bzw. zu Antiqua-Druckschriften vom aldinischen Typ, ist ein wesentlicher Teil des Geheimnisses der guten Schrift, wie es sich heute gehört.
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Hate: November
HATE PEOPLE
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WIGGER
weiSS, westlich, wannabes:
WIGGER (
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Wenn wir die Begriffe Rap oder Hip-Hop hören, denken einige Mitbürger von uns an die unrhytmische Propagierung von Kriminalität und den fehlenden Respekt gegenüber Frauen, der stetig zu Tage tritt. Sei es die Darstellung von Waffen oder Gewaltszenen oder die Herabwürdigung des weiblichen Wesens als fleischliche Auslegeware. Was viele nicht wissen, ist die Tatsache, dass Rap seit nunmehr 30 Jahren existiert und anfänglich auf soziale Mißstände aufmerksam machte und die Kriminalität und Frauenfeindlichkeit kritisierte, die heutzutage propagiert.
Text: Marshall Mathers // Illustration: Frank Bär 41
HATE PEOPLE
Wenn wir den Begriff Rap oder Hip-Hop hören, denken viele von uns an die unrhytmische Propagierung von Kriminalität und den fehlenden Respekt gegenüber Frauen, der stetig zu Tage tritt. Sei es durch die Darstellung von Waffen oder Gewaltszenen oder durch die Herabwürdigung des weiblichen Wesens als fleischliche Auslegeware. Was viele nicht wissen, ist die Tatsache, dass Rap seit nunmehr 30 Jahren existiert und anfänglish auf soziale Mißstände aufmerksam machte und die Kriminalität und Frauenfeindlichkeit kritisierte, die es heutzutage propagiert. Als Rap Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre soziale Mißstände anprangerte, verweigerten die Medien dieser Musik vollends und taten es teilweise sogar als Negermusik ab. Auf diese Menschen hatte Rap jedoch einen enormen Einfluß, und so sank die Kriminalitätsrate dieser Bevölkerungsschicht. Als Rap jedoch began Gewalt und Frauenfeindlichkeit zu ver-
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herrlichen waren viele Jahre ins Land gegangen und die Medien in den USA nutzen nicht mehr Worte wie “Neger”. Stattdessen propagierten die Medien diese Art der Ausdrucksform. Die Kriminalitätsrate unter Schwarzen stieg wieder an, ebenso wie die Anzahl der unehelichen Schwangerschaften. Rap kam von einem Mittel des sozialen Protests zu einem Ausdruck von Rassismus zu Gewaltverherrlichung, die sich später mit Frauenfeindlichkeit paarte. Je dekadenter Rap wurde, desto stärker propagierten die Medien ihn als Jugendkultur. Trugen die sogenannten Rapper im Zenit ihres sozialen Protests zu große Kleidung um darzustellen, dass die jüngeren Geschwister in vielen schwarzen Familien die aufgetragenen Kleider der älteren und größeren Geschwister tragen mußten, weil die Eltern einfach kein Geld für neue Kleidung hatten, ist diese Bedeutung indes gänzlich verloren gegangen .
WIGGER
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HATE PEOPLE
Passantensmalltalk: Von Fr체hrentnern und Cracknutten, Fashion Victims und Altnazis, von syrischen Pizzaboten und dreifachen M체ttern. von Blindtextgenerator// Illustration: Frank B채r
B
rhamaputra (Fashion Victim, 24): There isnt much more of a DO than looking like a freshly reincarnated David Wojnarowicz (but this time around without the AIDS). Peaking on acid at the same time the opium suppositories kick in is one thing, but piloting an octocycle in Dubai at the same time?
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RANDOM STATEMENTS
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HATE PEOPLE
K
halid (Ladenbesitzer, 34): Talking about Skull and Spi derweb tattoos? Check. Karate Bandana over greasy hear? Check. All the though-guy accoutrements of a gangmember in a movie from the 70s? Check, check, check. The ability to actually fight even a tiny, little bit? Woopsth.
Y
psilanti (Fischer, 43): OK, enough with the rare t-shirts by some fucking guy with photoshop. The whole planet is turning into one giant limited-edition store. Go die alone!
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RANDOM STATEMENTS
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HATE PEOPLE
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RANDOM STATEMENTS
T
homas (Student, 25): I don't know if it's male male or female and i don't care. I just want to rub my asshole up and down its face until it starts yodeling for mercy. What if she is some sort of reclusive art nun who deicated her life to writing about 18th-century neoclassicism and she's never been touched by another man before but for some reason you're the one she chooses? What if that happened? Thank god he's wearing adequate headgear or this guy could end up seriously damaged.
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HATE PEOPLE
M
artin, (Kfz-Lehrling, 17): In Stockholm hes a legendary performance ar tist from the 60's who all the punk kids call ÂťGrandfather Martin.ÂŤ In New York he's a scary bum who's about to take a shit in the middle of the train and then stab you with his four-inch fingernails. Beam me up a 40 Dollar blowjob, Scotty! The swedish rent boys have landed and they're draining gallery owners' balls like Rooter on crank. You scare women to death.
I
t took Danny Motherfucker and Rikki Shitsville a whole 20 pictures and five minutes of silent primping and pouting to get this pose just right. All you could hear was their jackets creaking and shifting and them start to pant gasp the exertion and their little feet tapping around on the sidewalk. Some eager beavers are just cursed with faces that lool perpetually horny.
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RANDOM STATEMENTS
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HATE END
The release date for the next issue is still to be announced. Good bye!