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Sachbuch, Fachbuch

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Christoph Bezemek

ist Philosoph und Jurist in einer Person, was ihm eine universelle Sicht auf die Dinge erlaubt.

Recht anders denken

Christoph Bezemek ist Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Graz. Sein Spezialgebiet ist öffentliches Recht mit breitem Horizont.

Derzeit schaltet Christoph Bezemek morgens gerne YouTube ein. Denn wenn er am Home-Trainer sitzt, lauscht er den Geschichtsvorlesungen des Historikers Timothy Snyder an der Yale Universität. Ein Semester lang „The Making of Modern Ukraine“: so der Titel der Lehrveranstaltung, die wöchentlich online gestellt wird. Vor 13 Jahren hat Bezemek selbst dort studiert. Lange her. Derzeit ist er aus Graz auf Kurzbesuch in Wien. „Ich hab‘ mir neue Hemden abgeholt“, sagt er mit Schalk in den Augen. Wer Christoph Bezemek kennt, weiß auch um seine Lust, andere im Gespräch zu überraschen. Er mag ein wendiges Hickhack und schätzt es, wenn jemand ihm dabei Paroli bietet. Schlimmer als alles andere sei, wenn ihm fad ist, gibt er zu und hat dabei bereits viel von sich verraten.

VOM EXISTENZIALISMUS ZUM STUDIUM DER PHILOSOPHIE

Geboren am 20. Mai 1980 in Wien wuchs er als Einzelkind im dritten Bezirk auf. Sein Vater ist Historiker, seine Mutter Mittelschullehrerin. Die Familie verbrachte viel Zeit im Wochenendhaus im Weinviertel. „Wo man hinschaut, nix als Gegend“, zitiert er den österreichischen Kabarettisten Josef Hader. Wenn es um Bezemeks Schulzeit geht, dann ist er stolz darauf, „absichtsvoll faul“ gewesen zu sein und es in der siebten Klasse auf acht Entscheidungsprüfungen gebracht zu haben. Dabei betont er, dass er intensiv mit anderen Dingen beschäftigt war, mit dem Existenzialismus zum Beispiel. „Ich habe unter gesicherten Umständen meine Freiheit praktiziert“, fasst er diese Lebensphase zusammen. Seine Funktion als Schulsprecher habe er entsprechend „rotzfrech“ angelegt. 1999 maturierte er – ohne je eine Klasse wiederholt zu haben. „Und dann war ich ein Jahr im Gefängnis“, sagt er wieder mit Schalk in den Augen. Tatsächlich absolvierte er seinen Zivildienst in der Justizanstalt Favoriten, wo er als Unterstützung des Sozialdienstes Insassen auf Ausgängen begleitete. „Als Teenager aus bürgerlichen Verhältnissen hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit Mafi a-Schlägern, denen die Selbstverständlichkeit eines guten Lebens fehlte“, fasst er diese Erfahrungen zusammen. Parallel begann er ein Studium der Philosophie an der Universität Wien, das er auch abschließen würde.

GRENZEN AUSLOTEN ALS LEBENSMOTTO

Es war dann aber seine Lust am Argumentieren, die ihn zum Studium der Rechtswissenschaften brachte. „Jus ist der normative Spiegel der faktischen Gegebenheiten des Lebens“, sagt er, „aber abstrakt bietet die Ordnung einer Gesellschaft nur vordergründig Klarheit; vielmehr ist Recht ein normatives System, das sich nur als argumentative Praxis bewähren kann.“ Nach diesem Prinzip widmete er sich zunächst dem Zivilrecht und promovierte bei Attila Fenyves an der Universität

»… vielmehr ist Recht ein normatives System, das sich nur als argumentative Praxis bewähren kann.«

CHRISTOPH BEZEMEK

Lesen Sie das Autorenporträt auch online. Einfach QR-Code scannen. Wien. Aufgrund mehrerer Unwägbarkeiten – Bezemek nennt sie Glücksfälle – landete er schließlich bei seinem akademischen Lehrer Michael Holoubek an der Wirtschaftsuniversität Wien. In dieser Phase begann auch seine Zusammenarbeit mit dem Verlag MANZ: Zunächst mit dem Kommentar der Grundrechtecharta der Europäischen Union und später in der Zusammenarbeit mit Harald Stolzlechner beim Lehrbuch „Öffentliches Recht“. Auch ein Sachbuch der anderen Art ist bei MANZ entstanden: „Vor dem Gesetz“ ist eine rechtswissenschaftliche Aufarbeitung von Franz Kafkas Türhüterparabel, eine Sammlung von 30 Essays aus allen juristischen Disziplinen, in denen die Grenzen des Faches ausgelotet werden. Genau das entspricht seinem Anspruch, der in einem Werk zur Rechtsdogmatik seine Fortsetzung fi ndet, das demnächst bei MANZ erscheinen wird. Grenzen überschreitet Bezemek nicht nur fachlich, seinen Lebenslauf prägen Lehr- und Forschungsaufenthalte in sämtlichen Kontinenten. Wichtig für ihn war sein Masterstudium an der Yale University, das ihn „Recht anders denken“ gelehrt hat. Seine Habilitation über „Freie Meinungsäußerung“ schrieb er in Florenz, seinem Sehnsuchtsort. Als er 2016 Universitätsprofessor für öffentliches Recht an der Karl-Franzens-Universität und 2019 Dekan an der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Graz wurde, machte er Internationalisierung zu einem Schwerpunkt und brachte zahlreiche Partnerschaften rund um den Globus auf den Weg. Das macht er mit Enthusiasmus, Energie und Begeisterung. „Es gibt Menschen, die mich auch privat aushalten“, sagt er mit einer sympathischen Portion Selbstironie. Christoph Bezemek ist mit einer Juristin verheiratet, die beiden verbindet das öffentliche Recht als gemeinsames Spezialgebiet, der Mops Balduin und die Liebe zu gutem Wein und Italien. Was er unbedingt noch einmal machen will? „Ein Buch schreiben, das kein Fachbuch ist“, sagt er und denkt dabei an einen Roman oder ein Theaterstück. Darin will er das vermitteln, was ihn selbst so begeistert: Recht, Philosophie und Geschichte in Verbindung denken, denn das ist der Stoff, aus dem Weltgeschehen gemacht ist.

Karin Pollack

[Publikationen von Christoph Bezemek]

Siehe auch Seite 45.

GRC Kommentar

Bezemek: Kommentierung der Art 10, 11, 15, 54

Herausgeber: Holoubek/Lienbacher ISBN: 978-3-214-00882-6 Leinen, XXII, 1000 Seiten, 2. Aufl age 2019 EUR 238,– inkl. MwSt.

Rechtsdogmatik

Stand und Perspektiven

Herausgeber: Bezemek ISBN 978-3-214-02642-4 gebunden, ca. 500 Seiten, erscheint im Frühjahr 2023 ca. EUR 98,– inkl. MwSt.

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