Blickwechsel No.4 / Zeit

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...und was treibt Dich an?

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Ausgabe 04 | April 2009 | www.blickwechsel-hamburg.de | Zeitung und CD: 4 â‚Ź

[ Jugendzeitung Hamburger Waldorfschulen ]


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David Kurth

Hรถr wechsel.


editorial Hamburg, 15. April 2009

Werkbericht

Die Arbeit an dieser Ausgabe glich einem Hindernislauf, der durch schwieriges Gelände führte und einige Zeit in Anspruch nahm. Mit Kim-Fabian, für den es nach der letzten Ausgabe in eine andere Richtung ging, hatten wir einen entscheidenden Navigator weniger – es sei ihm an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für die verrichtete Arbeit an Blickwechsel gedankt! Anscheinend kann er ohne Projekte nicht leben, im Januar hat er den laufenden Abiturjahrgang verlassen, um ein selbstverantwortetes Abiturjahr zu realisieren. Mehr dazu auf Seite 42 unter dem Motto: „Aufruf zur Alternative“. Das Thema dieser Ausgabe stand schnell fest, doch war die Umsetzung eine Herausforderung. Manche Texte wurden schnell geschrieben, andere tauchten erst etwas später auf. Als dann aber der Drucktermin in greifbare Nähe rückte und wir zudem die Auszeichnung als eine der besten Schülerzeitungen Hamburgs erhielten, gab uns das mehr als die nötige Motivation für den Endspurt. Zum Geschriebenen und den Bildern ist jetzt noch Musik hinzugekommen. Zusammen mit Krimoun aus Berlin haben wir eine silberne Scheibe erstellt, auf der sich junge und hörenswerte Künstler verewigt haben. Deswegen: solltet Ihr während des Lesens ein bisschen Abwechslung gebrauchen, lasst Euch die Ohren vom „Hörwechsel“ massieren.

Zum Titel

Darüber herrscht beim Thema Zeit Eingkeit: Wir haben meistens anscheinend zu wenig davon. Es lag also nahe, sich genauer mit dem Element zu befassen, das in unserer Überflussgesellschaft zunehmend zur Mangelware wird. Wir leben mit ihr, durch sie und haben sie irgendwann in messbare Einheiten eingeteilt, um uns in diesem endlos dahinfließenden Strom zu orientieren. Mithilfe von Daten und Uhrzeiten hoffen wir in diesem Strom nicht unterzugehen und koordinieren damit alles, was wir tun: wann wir Kaffee trinken, schlafen, arbeiten gehen. Dabei bleibt des öfteren mal der Moment auf der Strecke. Viele Gedanken also, etwas Verwirrung und einige Fragen: Was haben wir für ein Verhältnis zur Zeit, was treibt uns an, und was fordert die heutige Zeit von uns?

Zum Schluss

Während der Arbeit an dieser Ausgabe haben wir gemerkt, dass das Projekt Blickwechsel in seiner bestehenden Form an einen Endpunkt gelangt ist. Ihr haltet deswegen gerade die vorerst letzte Ausgabe in den Händen. Mit dem Projekt endet jedoch nicht der Impuls, aus dem heraus Blickwechsel enstanden ist: Nicht nur zuschauen, sondern handeln. Die Erfahrungen, die wir dabei gesammelt haben, bleiben erhalten – und werden uns dabei helfen, neuen Ideen nachzugehen. Mehr dazu am Heftende. Und nicht vergessen: Ende und Anfang sind das gleiche aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Entscheidende dabei ist immer der Blickwechsel!

In diesem Sinne, ein anregendes Lesen und Hören wünschen Euch im Namen der Redaktion Lukas Stolz & Anna Petersen

www.blickwechsel-hamburg.de | 03


fakten 6

gesellschaft

steiner & cognac

Bedingungsloses Grundeinkommen 12 Die Straße als Zuhause 14 Palästina: Zeit reißt Wunden16

19 Fragen an Rudolf Steiner 7

grenzgänger

Gregor Hackmack - Social Entrepreneur 8

leichtelektüre

Von wegen Hauptbahnhof 48 Summertime 49 Liberté toujours 50

21

17

weg weiser

28


perspektive

blickkultur

Zum Mitmachen 70 Zeitung machen | Dank 71

Der Reisende in Israel 54 Portrait: Michael Ende 56 Rezension: Twilight 58 Hörwechsel – Künstlerportraits 60 Hubi Probt – 24h Toilette 66

impressum

72

60

25

Hörwechsel

56 titelthema 18 Worum es geht 20 Mach mal langsam 22 Momente 24 Zeitempfinden – Alltag | Kunst 26 Interview Zeitforscher 29

Fragen | Antworten – Drei Menschen | Drei Standpunkte 36 Alles ist vergänglich 38 Vortrag M. Doosry – Zeitnotwendigkeiten 40 Aufruf zur Alternative 44


fakten +++ In dem mittlerweile zum Kult avancierten Film, Lammbock werden insgesamt 22 Joints geraucht. Nummer 23 befindet sich noch im Bau als der Film endet. +++ Der Name Wendy wurde von Peter Pans Schöpfer erfunden. +++ Um in Kanada als Stripperin einreisen und leben zu können, muss man für ein Visum Nacktfotos vorlegen. +++ Im Amerikanischen „Code of Federal Regulations” verbietet Paragraph 14 Abs. 1211 US-Amerikanern, mit Außerirdischen oder deren Fahrzeugen in Kontakt zu treten. +++ Ein Neffe des Aztekenherrschers Montezuma wurde unter dem Namen Ciutlahac überliefert, dies bedeutet soviel wie “großer Haufen Scheiße”.

+++ Laut Gesetz dürfen in Memphis Frauen zwar KFZs fahren, jedoch nur, wenn ein Mann rote Fahnen zur Warnung schwenkend davor herläuft. +++ Laut einer Studie ist jedes dritte amerikanische Opfer eines Schlangenbisses betrunken, jedes fünfte tätowiert. +++ Männer werden prozentual wesentlich häufiger vom Blitz getroffen als Frauen, es sind 83% der Betroffenen. +++ Der Erfinder der Schere in Euro-pa war Leonardo da Vinci. +++ Deutschlands erster Blitzableiter wurde auf der Kirche St. Jacobi in Hamburg installiert. +++ Das Frauenwahlrecht wurde in Europa zuletzt in Liechtenstein (1984) und der Schweiz (1971) eingeführt. +++ Die Erwerbskosten für Coca-Cola in nur einem Jahr reichen aus, um jeder Familie auf der Welt eine Flasche zu schenken. +++ Der einzige Planet unseres Sonnensystems, der nicht nach einem Gott benannt ist, heißt Erde. +++ Alles ist Euter. +++ Der USPräsident William Harrison wurde 1841 gewählt und hielt seine Antrittsrede ohne Mantel und Hut in einem Eissturm, er starb einen Monat später an Lungenentzündung. +++ Die amerikanische Synchronstimme von Bugs Bunny, Mel Blanc, war allergisch gegen Karotten. +++ Ehemännern ist es in Arkansas verboten, ihre Frauen mehr als einmal im Monat zu schlagen. +++ Im Handbuch für Mitarbeiter der US-Steuerbehörde gibt es Richtlinien zur Steuererhebung nach einem Atomkrieg. +++ Weltweit wird im Jahr mehr Monopoly-Geld gedruckt als echtes. +++ Laut einer Verhaltensstudie hat im Durchschnitt einer von 300 Amerikanern Angst vor rosa Flamingos. +++ Auch fiktive Stars wie z.B. Bugs Bunny, Micky Mouse oder Schneewittchen haben auf dem Hollywood Walk of Fame einen Stern. +++ Ein Team von Wissenschaftlern hat über einen Zeitraum von acht Jahren 200.000 Strauße beobachtet und studiert, während dieser 06 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

Zeit steckte kein einziger seinen Kopf in den Sand. +++ Der pazifische Ozean ist nicht so salzig wie der atlantische. +++ In den USA gibt es weniger Briefträger als Psychoanalytiker. +++ Ihren Geschmackssinn haben Schmetterlinge in den Füßen. +++ Jede Freundschaft braucht eine gewisse Erotik. +++ Über die Hälfte aller Menschen haben noch nie telefoniert. +++ Jeder Kontinent besitzt eine Stadt mit dem Namen Rom. +++ Der berühmte Sündenfall in der Bibel kommt gänzlich ohne Apfel aus. +++ Auf der Haut eines jeden Menschen leben mehr Wesen als Menschen auf der Erde. +++ BarbiePuppen gibt es in über 200 Varianten. +++ Ursprünglich galt Kölnisch Wasser als Mittel gegen die Pest. +++ Die 9 ist auch die einmilliardste Nachkommastelle von Pi. +++ Elche verursachen 20 Prozent der Autounfälle in Schweden. +++ Die zehn Gebote beinhalten 279 Wörter, die Unabhängigkeitserklärung Amerikas 300, Europas Verordnung für den Import von Karamellbonbons 25 911! +++ Der Film „Psycho“ war der erste, in dem eine Toilettenspülung betätigt wurde. +++ Das Plastikende an Schnürsenkeln heißt Benadelung. +++ Das Gesetz der Diffusion besagt, dass jeder menschliche Atemzug zwei Moleküle des letzten Atemzuges Julius Cäsars enthält. +++ Mehr Samoaner leben in Los Angeles als in Samoa selbst. +++ Parasiten machen etwa 0,01 Prozent des Körpergewichtes eines Menschen aus. +++ Im antiken Rom gab es bei den berühmten Spielen nur eine einzige Regel: man durfte seinem Gegner kein Auge ausstechen. +++ In der florentinischen Renaissance war es modisch, sich die Augenbrauen abzurasieren, auch Mona Lisa hat keine. +++ Harrison Ford war am Set von „Star Wars“ erst als Tischler angestellt, bevor er für die Rolle des Han Solo ausgesucht wurde. +++ Die Gattin von James Brown plädierte 1987 bei einem Verkehrsvergehen auf diplomatische Immunität, immerhin sei sie mit einem „Botschafter des Soul” verheiratet. +++ Die fiktive Zigarettenmarke Red Apple ist eine Erfindung Quentin Tarantinos und kommt in einigen seiner Filme als running gag vor. +++ Jede Uhr, die im Film “Pulp Fiction” von Quentin Tarantino zu sehen ist, steht auf 4.20 Uhr. +++ Skorpione können etwa 200mal soviel radioaktive Bestrahlung ertragen, wie beim Menschen zum Tod führen würde +++ In Amerika ist der häufigste Ton von Autohupen ein F. +++ Jakob May kann eine Zigarette in 11 Sekunden drehen +++ Ein 75-jähriges Leben besteht aus 2.365.200.000 Sekunden +++


Steiner und Cognac Nur wenigen ist von Rudolf Steiner mehr bekannt als sein (in Holz gefasstes) Bildnis. Ein Relikt seiner Studentenzeit, der sogenannte Proust-Fragebogen* lässt eine etwas andere Seite erahnen. Was man über Rudolf wissen sollte: Deine Lieblingseigenschaften am Manne? Energie. Deine Lieblingseigenschaften am Weibe? Schönheit. Deine Lieblingsbeschäftigung? Sinnen und Minnen. Deine Idee von Glück? Sinnen und Minnen. Welcher Beruf scheint dir der Beste? Jeder bei dem man vor Energie

zu Grunde gehen kann.

Wer möchtest du sein, wenn nicht du? Friedrich Nietzsche vor dem

Wahnsinn.

Wo möchtest du leben? Das ist mir gleichgültig. Wann möchtest du gelebt haben? In Zeiten, wo was zu tun ist. Deine Idee von Unglück? Nichts zu tun zu wissen. Dein Hauptcharakterzug? Den weiss ich nicht. Deine Lieblingsschriftsteller? Nietzsche,, Hegel. Deine Lieblingskomponisten? Beethoven. Deine Lieblingsfarbe und -Blume? Violett, Herbst-Zeitlose. Deine Lieblingsnamen? Radegunde.. Das mögen die Frauen. Welche Geschichtlichen Charaktere kannst du nicht leiden? Die Schwachen. Welche Fehler würdest du am ersten entschuldigen? Alle, wenn ich sie be-

griffen habe..

Wovor fürchtest du dich? Vor Pünktlichkeit. Lieblingsspeise und Trank? Frankfurter Würste und Cognac, Kaffe Dein Temperament? Wandelbarkeit. *Die Antworten stammen tatsächlich von Rudolf Steiner. Ein Dank an das Rudolf-Steiner Archiv in Dornach für das Bereitstellen des Dokuments. 07


gesellschaft

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grenzgänger

Grenzgänger Gregor Hackmack „In der Demokratie bin ja eigentlich Ich der Boss!“

Der Gründer und Betreiber der Internetplattform [abgeordnetenwatch.de] erklärt die Idee des sozialen Unternehmers, erzählt von seiner persönlichen Motivation und hat Vorschläge für eine bessere Schule.

Du wurdest letztes Jahr als Social Entrepreneur ausgezeichnet. Was ist das, ein sozialer Unternehmer? Es gibt bei Social Entrepreneurs immer ein soziales Problem, und das wird zu lösen versucht. Bei uns ist das soziale Problem: Mehr und mehr Leute wenden sich von der Demokratie ab, wir haben eine Politikverdrossenheit, die Leute haben ein Ohnmachtsgefühl, und das gefährdet die Demokratie. Die Lösung: Mitmachmöglichkeiten. Die Auszeichnung als Social Entrepreneur wird einmal im Jahr von dem Ashoka-Netzwerk verliehen. Die gehen davon aus, dass es unternehmerische Persönlichkeiten gibt, die eine Organisation aufbauen, die einen positiven sozialen Wandel fordert und herbeiführt. Und das eben nicht aus reiner Profitabsicht. Das Tolle an der Auszeichnung ist nicht nur, das Ashoka für drei Jahre meine Gehaltskosten übernimmt und damit unsere Organisation entlastet, sondern auch pro-bono-Beratungsleistungen anbietet wie beispielsweise McKinsey, die heute da waren. Auch eine Rechtsanwaltskanzlei steht uns zur Verfügung. Insgesamt haben wir so Zugang zu einem Netzwerk, das es uns ermöglicht, abgeordnetenwatch.de noch stärker auszubauen und auch finanziell hilft. Du hast von unternehmerischen Persönlichkeiten gesprochen. Was zeichnet solche Personen aus, was sind unternehmerische Fähigkeiten? Unternehmerische Persönlichkeiten sind Menschen, die sagen „ich bin nicht nur Aktivist“, sondern darüber hinaus überlegen, wie man eine Idee so absichern kann – durch Einnahmemodelle etc. –, dass sie sich langfristig trägt. Ziel von abgeordnetenwatch.de ist ja nicht nur, eine Kampagne für eine Wahl zu sein, sondern eine Organisation aufzubauen, die lange existieren kann. Das muss natürlich finanziert werden, und dazu muss man unternehmerisch denken. Wir sind da ganz gut am Ball, verkaufen Profilerweiterungen an Kandidaten und Lizenzen an andere Projekte. Im Grunde muss man überlegen, wo man noch mehr Geld reinholt. Nicht, weil man selber Geld verdienen will, sondern weil man weiß, dass dadurch die Organisation nachhaltig finanziert werden kann. Gleichzeitig muss man überlegen, wie

[abgeordnetenwatch.de]

[abgeordnetenwatch.de] ist ein Internetportal, wo Bürgerinnen und Bürger „ihre“ Abgeordneten online befragen können um öffentlich Antworten zu bekommen. Somit soll eine neue Möglichkeit zum Mitmachen in unserer Demokrtaie geboten werden. Gleichzeitig werden auch das Abstimmungsverhalten und die Nebeneinkünfte der Abgeordneten dokumentiert. Parallel zu [abgeordnetenwatch.de] gibt es [kandidatenwatch.de.] Das funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Bürger fragen, aber in diesem Fall antworten Kandidaten, also Bewerber um einen Platz im Land- oder Bundestag. Gedanke dabei ist, sich im Vorfeld der Wahlen einen Überblick über die Kandidaten zu verschaffen. Im Februar 2009 waren ungefähr 245.000 User auf der Plattform. Den größten Zuwachs gibt es in der Gruppe 60+. Gut ein Drittel sind Erst- oder Jungwähler .


INFO | WIE SICH DAS PROJEKT ENTWICKELT HAT

>>Nachdem leider nur ein Journalist zur Auftaktpressekonferenz gekommen war, wurden trotzdem online Fragen gestellt, und es wurde geantwortet. Wir wurden dann zwei Monate später für den Grimme Online Preis nominiert, zusammen mit Spiegel Online und Wikipedia, und waren davon total überrascht. Wir haben uns gefreut, dass die Idee sofort so eine Rückkopplung hatte und auf soviel Anerkennung gestoßen ist, dass wir das Ganze auch zur Bundestagswahl machen wollten. Das hat auch super geklappt, obwohl die Wahl vorgezogen wurde. Seitdem haben wir sämtliche Landtagswahlen mit kandidatenwatch. de begleitet, weil wir die Wahlen wichtig fanden und inzwischen auch ein Erlösmodell gefunden haben, mit dem wir das Portal vor den Wahlen finanzieren können. Zwei Jahre nach dem Start haben wir eine GmbH gegründe, sechs Monate später auch noch einen gemeinnützigen Verein. Insgesamt ist das ein Non-Profit Modell: die GmbH, sollte sie mal Gewinne machen, muss diese an den Verein spenden. Es stehen an: der Wahltag am 30. August mit drei Landtagswahlen und natürlich die Bundestagswahl am 27. September. Das war vor allem am Anfang die große Herausforderung, den Mut zu haben, zu sagen: „Das ist so eine gute Idee – wir wissen zwar nicht genau, wie wir das machen, aber wir machen das“.<< 10 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

man die bestehenden Ressourcen möglichst gut und effizient einsetzt. Auch das ist unternehmerisches Denken. Hast du noch andere Beispiele für Social Entrepreneurs? Ja , ich bin auch immer total begeistert, wenn ich diese Projekte sehe. In Hamburg gibt es zum Beispiel die Organisation Wellcome. Ein Netzwerk, das zwischen jungen Müttern und Ehrenamtlichen vermittelt, die sagen: Hey, ich hab Zeit und Bock, mich um Kinder zu kümmern. Früher haben das die Tanten gemacht, die Omas, die Onkels, die Nachbarschaft. Das ist alles heute so nicht mehr der Fall, vor allen Dingen nicht mehr in der Großstadt. Mittlerweile gibt es Wellcome 85mal in Deutschland, das ist zu einer richtigen Bewegung geworden, die auch unter der Schirmherrschaft der Kanzlerin steht. Oder noch eine super Sache aus Hamburg: www.väter.de. Die setzen sich dafür ein, dass sich auch Väter in die Kindererziehung mit einbringen können. Gerade bei Führungspersönlichkeiten schaffen sie Verständnis, warum es gut ist, wenn man Väter für ein halbes Jahr für die Erziehungszeit freistellt. Diese ganze Idee, dass man eine Vaterschaft annimmt und auch vereinbaren kann mit dem Beruf, das treibt väter.de. Du bist jetzt 31. Hattest du von Kindesbeinen an den Traum, ein sozialer Unternehmer zu werden, oder wie hat sich das entwickelt? Was war nach der Schule dran? Ich bin erst später auf das Berufsbild Social Entrepreneur gestoßen und hatte anfangs kein konkretes Berufsbild.

Ich habe eigentlich immer das gemacht, was mich interessiert. Und was hat Dich interessiert? Ich war früher an der Schule politisch sehr engagiert, ich hab eine Schülerzeitung gegründet, ich war aktiv bei den Castor-Protesten. Das war sehr politisiert, auch der Umgang mit der Staatsgewalt (lacht). Bei mir war das immer sehr sprunghaft, für den Zivildienst war ich in einer Camphill-Einrichtung in Schottland. Danach bin ich nach Lateinamerika gereist, wie man nach dem Zivildienst eben noch ein bisschen rumreist, bevor man studiert. Cool, dachte ich, da ist ja auch noch etwas außerhalb, ich muss internationale Beziehungen studieren. Das habe ich dann auch gemacht, erst einen Bachelor in internationale Beziehungen und dann einen Master in politischer Soziologie. Würdest du ein Studium empfehlen? Auf jeden Fall. Einfach, weil das Studium sehr cool ist, du triffst super Leute. Weil du dich in einem geschützten Raum nochmal sehr frei entfalten, deinen eigenen Interessen und Ideen nachgehen kannst. Natürlich nur, wenn du etwas studierst, wofür du dich interessierst – sonst kann das echt eine Qual werden. Und weil der Umgang mit Informationen und Wissen heute wirklich eine Schlüsselkompetenz ist. Genau diesen Umgang lernt man im Studium. Was hast du zu der Zeit gemacht, als abgeordnetenwatch.de entstanden ist? Ich bin im Oktober 2003 fertig geworden mit meinem Studium und von London nach Hamburg gekommen. Schon während des Studiums und vor allen Dingen danach habe ich in der Marktforschung gearbeitet. Der Job war glücklicherweise so gut bezahlt, dass ich von fünf Tagen Arbeit den ganzen


Monat leben konnte. Dadurch konnte ich mir mein Engagement leisten und hatte keine Zwang, auch nicht von der Familie, das zu machen, was andere Kommilitonen machten: Unternehmensberatung oder Auswärtiger Dienst – Internationale Beziehungen ist ja eigentlich die Vorbereitung darauf. Aber ich habe mich noch nie irgendwo beworben. Das ist irgendwie nicht so mein Ding. Ich dachte: Moment mal, jetzt ist echt eine Phase, da kannst du experimentieren und erstmal gucken, was eigentlich spannend ist. Worauf hast du Bock, finanziert bist du ja durch die fünf Tage Marktforschung. Ich hatte echt das Glück, dass ich machen konnte, worauf ich Lust hatte. In diesem Freiraum ist das Projekt dann entstanden? Genau. Ich hab das aber nicht mit der Absicht gegründet, dass ich mich damit irgendwann finanzieren würde, das war die ersten zwei Jahre überhaupt nicht klar und gar nicht so angedacht. Ich dachte, das ist einfach politisch wichtig. Erst als es dann größer wurde, habe ich gemerkt, dass ich mir selbst die fünf Tage im Monat gar nicht leisten konnte, weil es so viele wichtigeren Sachen gibt, die ich machen wollte. Den Gedanken kenne ich, wenn ich manchmal in der Schule sitze.

Die wertvollste Ressource die du hast im Leben ist Zeit, und die musst du halt wirklich gut einsetzen. Seit deiner Schulzeit hast du viele soziale Sachen gemacht. Was ist die Motivation hinter diesen Aktivitäten? Was ist der Kern, aus dem heraus die Kraft entsteht, das alles zu machen? Für mich ist die treibende Kraft Freiheit und Selbstbestimmung. Ich bin jemand, der es nicht erträgt, selber beherrscht zu werden, ein Ohnmachtsgefühl zu haben – da wehre ich mich gegen. Aber auch in anderen Bereichen finde ich das unerträglich, wenn Leute einfach nur das machen, was ihnen gesagt wird. Und ich finde nichts so gut, als wenn man wirkliche Freiheit hat und selbstbestimmt handeln kann. abgeordnetenwatch.de ist ja auch eigentlich ein Instrument für mehr Selbstbestimmung. Aus der Passivität zum Akteur werden. Ausbrechen aus dem nur Ertragen, was die da oben entscheiden, hin zu „Hey Moment mal, in einer Demokratie bin ich ja selber ein Entscheider. Eigentlich bin ich ja hier der Boss.“ Im besten Falle, wenn du keinen hast, den du wählen willst, dann stell dich selber da hin. Davon lebt eine Demokratie. Meinst du, Schulen müssten noch mehr auf das vorbereiten, was man als Unternehmer braucht? Ich denke schon. Das könnte dadurch funktionieren, dass man Schülern einfach mehr zutraut. Ich selber war engagiert, habe da aber nicht so viel Support von den Lehrern bekommen. Man sollte Initiativen von Schülern erkennen, auch in einem frühen Stadium. Und dann begleiten, aber ohne zu bestimmen

oder abzuwürgen. Dass man sagt, hier habt ihr einen Schlüssel, hier habt ihr einen Raum – für Anschubfinanzierung gibt es ne Schulkasse. So etwas unkompliziert abzuwickeln – ich glaube, da könnten Schulen noch viel mehr machen, dieses vom Kommerziellen unabhängige unternehmerische Handeln fördern.

Unternehmer unternehmen ja was, und das unterscheidet sie von Rednern, die nur reden. Letztendlich bestimmt sich alles dadurch, ob man etwas macht oder nicht. Es ist noch nicht so in der Gesellschaft angekommen, welche Freiräume man schaffen kann, damit sich Kinder und Schüler noch stärker entfalten können. Hast du als gewiefter Ideenumsetzer vielleicht ein paar persönliche Tipps, wie man vom Reden ins Handeln kommen kann? Ich glaube, sehr wichtig ist, dass man sich mit Gleichgesinnten austauscht. Zusammen ist man immer stärker als alleine. Das erste ist immer, andere Leute zu finden und sich dann gemeinsam für eine Sache zu begeistern. Ich glaube, dass man aus einer gewissen Gemeinschaft heraus viel leichter handeln kann, und dass es dann erfüllender ist. Leute suchen, die ähnlich denken, Leute, die du motivieren kannst. Und dann kann man sich gegenseitig motivieren und sich zusammen an Erfolgen freuen. Zum Schluss: Wie können junge Menschen heute ihre Zukunft gestalten? Das Allerwichtigste ist, dass man lernt, wirklich in sich reinzuhören. Welche Interessen habe ich, wofür brenne ich, woran habe ich Spaß? Danach sollte man sich z. B. das Studienfach auswählen, ohne Rücksichtnahme auf irgendwelche berufliche Qualifikationen. Das, was man aus dem Studium herausbekommt, ist nicht das inhaltliche Fachwissen, sondern es geht darum, wie man mit dem Wissen umgeht, es verarbeitet und einschätzt. Wie man in der Informationsgesellschaft den Durchblick behält. Das geht am besten mit dem, wofür man sich begeistert. Indem man gerne ein Buch liest, eine Internetrecherche macht, ein Interview oder sonstwas. Einfach den eigenen Interessen folgen und sich auf keinen Fall von Angst leiten lassen. Angst ist immer der allerschlechteste Ratgeber im Leben, aber das ist natürlich leichter gesagt als getan. Viele Menschen sind angstbestimmt, und jetzt in der Wirtschaftskrise haben einige Angst, ob sie überhaupt nochmal Geld verdienen oder ob es morgen noch was in den Geschäften zu kaufen gibt. Da ist absolut schlecht. Wenn ich mir was wünschen könnte in der Welt, dann das, dass es keine Angst mehr gibt. Ich glaube, dann wären viele Blockaden aufgehoben, dann würden wir eine lebenswertere Gesellschaft haben. Alle hätten den Mut, das zu tun, was sie wirklich wollen, und könnten sich selbst verwirklichen. Das Interview wurde geführt von Lukas Stolz

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gesellschaft

Wofür ackern Geld=Arbeit? Das bedingungslose Grundeinkommen

Es gab schon immer Spinner. Früher sagten sie, die Welt sei rund und wurden deswegen verfolgt – bis man feststellte, dass wir uns tatsächlich auf einer Kugel befinden. Dann behaupteten sie, der Mensch könne fliegen, was niemand glauben wollte – heute ist eine Welt ohne Flugzeuge undenkbar.

1989 sagte Erich Honecker noch: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“ – ein paar Monate später fiel die Mauer. Das Unvorstellbare scheint also ganz gut zu funktionieren.Und die Spinner sind nicht ausgestorben. Ihr nächster Streich: Das bedingungslose Grundeinkommen. Jeder Bürger soll eine vom Staat festgelegte Summe bekommen – ohne Gegenleistung. Der entscheidende Unterschied zur bestehenden Sozialhilfe: Das Grundeinkommen ist nicht an Bedürftigkeit, heute oft Arbeitslosigkeit, gekoppelt. Jeder bekommt es, ohne Wenn und Aber, und es soll genug sein, um nicht nur die Grundbedürfnisse wie Wohnen und Essen, sondern sogar Kulturaktivitäten wie Theaterbesuche zu finanzieren.

Finanzierung Wo denn das ganze Geld herkommen soll, fragt man sich da. Denn: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Tatsache ist aber, dass bereits heute nur etwa 4 von 10 Menschen in Deutschland ihr Einkommen durch Erwerbsarbeit beziehen. Die Mehrheit – Kinder, Rentner und Arbeitslose – is(s)t also, ohne direkt etwas dafür zu tun und lebt damit von einer Grundversorgung. Für alle vorhandenen Sozialausgaben wie Kindergeld, Arbeitslosengeld, Rente und Pension oder Bafög wird eine beträchtliche Summe aufgewendet, etwa 700 Milliarden Euro pro Jahr. Das Grundeinkommen würde all diese Aufwendungen ersetzen – und mit dem frei werdenden Geld könnte man bereits den Großteil davon finanzieren. Damit einhergehen würde ein Bürokratieabbau, der weitere Einsparungen mit sich brächte. 12 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

Steuersystem Grundeinkommen ist nicht gleich Grundeinkommen. Unter den vielen unterschiedlichen Modellen hat in den letzten Jahren vor allem der von dem Unternehmer Götz Werner unterstützte Ansatz an Popularität gewonnen. Dieses Modell sieht eine radikale Vereinfachung des Steuersystems vor. Alle Steuern, in Deutschland sind es momentan um die 40 verschiedene, sollen durch eine „Konsumsteuer“ ersetzt werden. Es werden also nur noch Produkte und Dienstleistungen, nicht aber das Einkommen besteuert. Der Effekt: Wer viel konsumiert, bezahlt auch viel an die Gemeinschaft. Auf die Endpreise der Produkte hätte die Konsumsteuer, die eigentlich nur eine erhöhte Mehrwertsteuer ist, gar nicht so große Auswirkungen, wie man spontan annimmt. Die Steuern sind heute lediglich versteckter; jeder Unternehmer wird aber bestätigen, dass er die Einkommenssteuer für seine Mitarbeiter in die Preise der hergestellten Produkte mit einrechnet.

Arbeit und Menschenbild Ein Grundeinkommen wirke sich negativ auf die Arbeitsmoral aus – so die Bedenken vieler Menschen. Da könnten die anderen sich doch einen faulen Lenz machen und in der Hängematte chillen, bis der Arzt kommt, wer ginge denn noch zur Arbeit? Doch die Überlegung, was die anderen machen würden, ist irreführend. Viel hilfreicher bei einem konstruktiven Vorstellungsversuch ist es, sich selber die Frage zu stellen, was man denn mit einem sicheren Einkommen machen würde. Über 70 Prozent der Befragten einer


Umfrage in der Schweiz gaben dabei an, auch mit einem Grundeinkommen weiterhin arbeiten zu wollen. Von ihren Mitmenschen dachten sie hingegen anders – nur 30 Prozent der anderen wurde zugetraut, dass sie ebenfalls weiterarbeiten. Es gibt also einen fundamentalen Unterschied zwischen dem Selbstbild und dem Bild von anderen, das tief in unserem Denken verwurzelt ist. Deswegen: Was würdest DU tun, wenn für DEIN Einkommen gesorgt wäre?

lichen Interessen. Unter diesem Druck nehmen Menschen Arbeit unter Bedingungen an, die ihrer nicht würdig sind. Unter diesem Druck scheint es immer zuwenig Zeit zu geben für soziale Kontakte. Die Folgen: innere Leere, die sich in Depression, Resignation und Angst äußert. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen hätte jeder Einzelne mehr Freiheit, das zu tun, was ihm wirklich wichtig ist.

Arbeitslosigkeit und Maschinen

Noch ist es eine Vision, ein „Kulturimpuls“, wie Daniel Hänni und Enno Schmidt von der Schweizer Initiative Grundeinkommen es bezeichnen. Ein Kulturimpuls, der

Man könnte die Arbeitslosigkeit doch auch mal positiv sehen. Seit Beginn der Industrialisierung wurde uns die schwere Arbeit zunehmend von Maschinen abgenommen. Während vor der Industrialisierung noch jeder fünfte Deutsche in der Landwirtschaft tätig war, versorgt heute ein Landwirt durchschnittlich über 120 Menschen. So ist das in allen Bereichen der Wirtschaft, von der Autoherstellung bis zur Bierbrauerei – durch Rationalisierung und Automatisierung von Produktionsabläufen wurde uns ein Großteil der Arbeit abgenommen. Anstatt uns jedoch über die neue Freiheit zu freuen und die geschenkte Zeit mit Dingen zu füllen, von deren Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit wir überzeugt sind, jammern wir über die verlorenen Arbeitsplätze, weil wir immer noch so denken wie vor 200 Jahren. Es ist an der Zeit umzudenken! Es ist an der Zeit, den Arbeitsbegriff neu zu definieren, denn Arbeit ist mehr als nur eine Gegenleistung fürs Einkommen.

Freiheit Das Grundeinkommen ist eine Möglichkeit, den immer stärker werdenden Druck zu mindern, der von der Gesellschaft auf den Einzelnen ausgeübt wird. Das Gefühl des immer härter werdenden Konkurrenzkampfes ist ein gesellschaftliches Phänomen, nicht ohne Grund: Die reale Arbeitslosenzahl steigt konstant, die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter, und es werden enorme Schulden aufgenommen, um das wackelnde Finanzsystem zu stabilisieren. Studiengebühren sind die Regel und in den meisten Bundesländern wurde die Schulzeit auf 12 Jahre verkürzt, ohne den Lehrplan zu entschlacken. Unter diesem Druck trauen sich nur wenige zu fragen, was sie wirklich arbeiten wollen, vielmehr sind viele auf einen guten Abschluss und einen „sicheren Job“ bedacht, ungeachtet ihrer eigent-

Zukunft

auf seinem Weg durch die Gesellschaft immer mehr Unterstützer findet und jetzt auch über den Weg des Volkes Einzug in die politische Realität der Bundesrepublik gehalten hat. Über 50.000 Bürger haben online eine Petition unterzeichnet, die es der Antragstellerin ermöglichte, die Idee vor dem Bundestag vorzustellen. Nachdem wir wissen, dass die Erde rund ist, der Mensch dank der Technik fliegen kann und die Mauer schon lange nicht mehr steht, ist es Zeit für die nächste Unmöglichkeit.

Lukas Stolz

*1991

12. Klasse der Waldorfschule Hamburg-Farmsen. Im Rahmen der Jahresarbeit und darüber hinaus Beschäftigung mit dem Thema Geld und damit verbundenen Möglichkeiten nach einer gerechteren Gestaltung der Gesellschaft. www.blickwechsel-hamburg.de | 13


gesellschaft

Das Zuhause ist die Straße Obdachlose als Stadtführer in Hamburg

Deutschland, ein außerordentlich wohlhabendes Land. Darin gelegen: Hamburg, eine reiche Stadt. In Hamburg: Juwelierläden, Kaufhäuser, Einkaufsstraßen ... und am Rande dieser Einkaufsstraßen: Armut. Wen stört das? Hinz und Kunzt! Seit 15 Jahren bemüht sich das Magazin für ein würdiges Leben „auf Platte“. Hauptanliegen dabei: Zeigen, wie Obdachlose die Stadt wahrnehmen. Wir waren dabei.

Unbeteiligt und in die eigenen Gedanken versunken sitzen wir stumm in der Bahn und plötzlich steigt einer ein und bittet um Geld. Wird er es für Bier oder Drogen ausgeben,

oder fehlen ihm wirklich die drei Euro für seinen Schlafplatz? Wir wissen es nicht, und als er seinen Plastikbecher vor uns hält, schauen wir weg. Wir wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen, schämen uns irgendwie für den igno14 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

ranten, kaltherzigen Charakter, den wir plötzlich an uns entdecken und wissen gleichzeitig, dass überschwängliches Mitleid ebenso unangebracht ist und wir uns mit einem Euro die Welt auch nicht gerecht spenden können.vAlso sind wir erleichtert, als der Obdachlose wieder aussteigt und uns der Spiegel der Realität nicht mehr vorgehalten wird. Hinz&Kunzt will Verständnis für die Welt der Obdachlosen schaffen und mit dem „etwas anderen Stadtrundgang“ dazu beitragen, dass in verschiedenen Welten Lebende sich wieder in die Augen schauen können. Der Rundgang, bei dem statt Alsterpavillon und Rathausmarkt Anlaufstellen wie die Tagesaufenthaltsstätte „Herz As“ oder das Drogenhaus [eine umstrittene Einrichtung, die Abhängigen steriles Spritzen ermöglicht] auf dem Programm stehen, wird von zwei Hinz&Kunztlern geführt, die nicht nur über die tägliche Realität und allgemeine Bedingungen sprechen, sondern auch viel von eigenen Erlebnissen erzählen und bereitwillig jede Frage beantworten.


gesellschaft

Nachdem wir viel gesehen, viel gehört und die halbe Innenstadt durchquert haben, steuern wir mit mittlerweile eiskalten Füßen zwischen Werbeplakaten und Passanten in den Eingang eines großen Kaufhauses. In der Einkaufszone haben einige Läden im Schatten der Probleme und Negativ-Schlagzeilen begonnen, Stromanschlüsse nach draußen zu legen, an denen in den Eingangsbereichen Übernachtende nachts Taschenradios, Lampen oder Ähnliches anschließen können. Im Gegensatz dazu werden Obdachlose hier, im Eingang des Kaufhauses, durch eine Sprinkleranlage begrüßt. Die Anlage dient natürlich ausschließlich dem Putzen des Eingangs, aber vielleicht erfüllt sie ja auch ihren Soll, wenn sie unwissende Schläfer mitten in der Nacht mit einer eiskalten Dusche überrascht und aus der geschützten Ecke vertreibt. In der Führung durch Hamburgs Nebenschauplätze geht es weder darum, Sensationslust zu befriedigen, noch Mitleid oder uneingeschränkte Nächstenliebe hervorzurufen, es geht einzig und allein darum, sich menschlich und mit

Respekt zu begegnen. Hinz&Kunzt wurde 1993 als zweite Straßenzeitung Deutschlands gegründet und wird mit einer monatlichen Auflage von 68.000 Stück von fast 420 festen Verkäufern angeboten. Statt um Almosen betteln zu müssen, erwerben die Obdachlosen für 0.80€ pro Stück die Zeitungen und verkaufen sie für 1.70€ weiter. An Schicksalsschlägen, psychischen Problemen oder Arbeitslosigkeit Gescheiterte, die vor den Blicken von Nachbarn oder Bekannten, vielleicht aber auch vor sich selbst in die Anonymität der Großstadt geflüchtet sind, haben die Möglichkeit, aus dem Teufelskreis der Rückschläge auszubrechen und wieder zu einem selbstständigen, nicht nur von Sucht und Einsamkeit geprägten Leben zu finden. Hinz&Kunzt ist eine der Organisationen, die eine Chance bietet, wieder auf eigenen Beinen zu stehen, finanziell unabhängig zu werden und durch Kontakte und Gespräche aus dem Rand der Gesellschaft wieder in die Mitte treten zu können.

TEXT: Anna Petersen * 1991 www.blickwechsel-hamburg.de | 15


gesellschaft

Die Zeit reißt Wunden

In Nahost kann selbst die Zeit nichts mehr heilen

Die Welt schaut an diesem Tag auf Oslo. Drei Männer stehen im Scheinwerferlicht. Alle drei halten eine Urkunde und eine Medaille in den Händen. Sie schauen etwas verunsichert, aber auch stolz und glücklich. Gerade haben sie eine der höchsten Auszeichnungen der internationalen Politik erhalten: Den Friedensnobelpreis. Vor allem aber schreiben sie an diesem Tag Geschichte. Noch bis vor kurzem waren sie erbitterte Feinde. Jetzt stehen sie für die Hoffnung auf Frieden zwischen Israelis und Palästinensern.

Die drei Männer, die am 10. Dezember 1994 in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden, sind die beiden Israelis Jitzchak Rabin und Shimon Peres, sowie der Palästinenser Jassir Arafat. Sie bekammen die Ehrung für ihren Einsatz im Friedensprozess. Das vereinbarte Ziel waren zwei gleichberechtigte Staaten Israel und Palästina, friedlich nebeneinander. Etwas mehr als 14 Jahre später schaut die Welt auf Israel und Palästina. Israelische Bomber donnern über Gaza und werfen ihre todbringende Fracht auf palästinensische Städte. Aus Straßenschluchten zischen Raketen in die Luft und krachen in israelische Häuser. Die letzte Hoffnung auf einen Frieden explodiert. Zurück bleiben Tod, Zerstörung, Hass. Die Vorstellung von der Zwei-Staaten-Lösung ist Anfang 2009 in so weite Ferne gerückt, dass sie kaum noch zu realisieren ist. 23 Tage lang bombardierte Israel den Gazastreifen und drang mit Panzern bis nach Gaza-Stadt vor. Die radikal-islamische Hamas, die politische Führung im 16 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

Gazastreifen, schoss mit Raketen auf israelische Städte im Umkreis und kämpfte verbissen gegen die feindliche Armee. Insgesamt starben über 1300 Menschen, darunter auch hunderte Kinder. Die Zeit hat in Israel und Palästina Träume zerstört. Den Traum vom Frieden, den Traum von einem Ende des seit über 60 Jahren schwelenden Konfliktes zwischen Israelis und Palästinensern. Die Zeit hat Wunden gerissen. Selbstmordattentate auf der einen Seite, Bombenangriffe und Verhaftungen auf der anderen Seite. Der Graben zwischen den beiden Lagern scheint unüberwindbar, die Wunde nicht zu verbinden. Von den drei Männern, die im Dezember 1994 in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden, lebt nur noch einer: Shimon Peres ist heute israelischer Staatspräsident. Seine beiden Mitstreiter und die Aussicht auf Frieden in IsraelPalästina fielen dem Hass und der Gewalt des Krieges zum


Opfer. Jitzchack Rabin wurde 1995 von einem jüdischen Fundamentalisten ermordet. Jassir Arafat starb 2004 nach langer Krankheit. Bis zu seinem Tod stand er unter Hausarrest durch die israelische Regierung. Die Zeit hat auch Shimon Peres verändert. 1994 bei der Verleihung des Friedensnobelpreises war er noch voller Hoffnung und Entschlossenheit gewesen. In seiner Dankesrede in Olso sprach er von einem Nahen Osten, der nicht länger ein Schlachtfeld, sondern der Ursprung von Kreativität und Wachstum sei. Jeder Mann und jede Frau, egal ob israelisch oder palästinensisch, sollte das Recht haben, sich frei zu bewegen. Er beendete seine Rede mit den Worten: „Wir haben eine Zeit erreicht, in der der Dialog die einzige Option für unser Welt ist.“ Den Shimon Peres von damals gibt es heute nicht mehr. Das wurde vor allem am 6. Januar 2009 deutlich. Die steigende Zahl der getöteten palästinensischen Kinder sorgte für heftige Kritik an der israelischen Strategie im Gazastreifen. Peres wurde nach der Verhältnismäßigkeit der israelischen Militäroperation gefragt, und warum viel mehr palästinensische als israelische Kinder sterben. Peres erwiderte: „Israel beschützt und verteidigt seine Kinder“, während die Hamas „Kinder als Schutzschilder benutzt“. Wahrscheinlich wollte Peres auf die grausame Taktik der Hamas verweisen, sich mitten unter unschuldigen Frauen und Kindern zu verschanzen. Dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack. So

zynisch, so eiskalt klang die Rechtfertigung für die vielen toten Kinder im Gazastreifen. Keine Entschuldigung, kein Wort des Bedauerns, nur eine verbissene Schuldzuweisung an die Hamas. Außerdem ist es nicht nur dieses eine Zitat. In den letzten Jahren verfiel Peres immer häufiger in martialische Kriegsrhetorik und Drohungen. Shimon Peres, der einstige Hoffnungsträger für einen Frieden, ist mit der Zeit selbst ein Teil des Krieges geworden. Die Jahrzehnte des Hasses und der Gewalt haben seine Ideale, seine Überzeugungen zerstört. Dabei sind es nur diese Überzeugungen von einem friedlichen Dialog, die die tiefe Wunde heilen können. Erst dann kann die Welt wieder mit Freude nach Israel und Palästina schauen.

Tobias Borck

*1989

2008 Abitur an der Rudolf-Steiner-Schule Hamburg-Harburg. Nach der Schule sechsmonatiges journalistisches Praktikum. Momentan in den Vorbereitungen für das Studium „Arabic and Middle Eastern Studies“, das im Herbst in England beginnen soll. www.blickwechsel-hamburg.de | 17


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„Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die Zeit. Michael Ende, Momo

Sebastian Müller-Tiburtius

Gregor Steinle


worum es geht ... 15. April 2009, 7:05 Uhr. Der Wecker klingelt. Während des Aufstehens in Gedanken schon beim Anziehen, während des Anziehens schon beim Frühstück, während des Frühstücks schon beim Nachmittag. Dann auf dem Weg zur Schule: versteinerte Gesichter rauschen an mir vorüber, wie an unsichtbaren Fäden gezogen eilt jeder in seine Richtung. Hastig wird die rote Ampel überquert, nur nicht zu spät kommen. Nicht unnötig Zeit verlieren. Die Zeit ist knapp, der Druck ist groß. Um mitzuhalten, muss ich mich an die allgemeine Beschleunigung anpassen. Der Tag wird in Einheiten unterteilt, nur wer plant, wird mithalten können. Die Zeit ist eine bedrohliche Flut, die mich zu überrollen droht. Deswegen bin ich mit dem Bewusstsein immer schon in der Zukunft. Einen guten Abschluss machen, um dann einen guten Beruf zu kriegen, um dann vielleicht Sicherheit zu haben, um dann ... und jetzt? Jetzt einmal für einen Moment im allgemeinen Taumel innehalten und mich fragen, was um mich herum eigentlich los ist. Der Versuch, hinter Phrasen zu schauen: „Ich hab leider keine Zeit“, „Ich spare gerade Zeit“, „Ich habe Zeit verschwendet.“ Ich habe keine Zeit? Ich spare Zeit? Ich verschwende Zeit? Bin nicht eigentlich ich selber derjenige, der den ganzen Druck erzeugt? Was aber treibt mich an? Und was ist eigentlich mein eigenes Tempo inmitten dieser rasenden Umgebung? Dann ein ganz anderer Gedanke: Was sind die Phänomene unserer Zeit, was fordert unsere Zeit von uns? Nach diesem Moment des Innehaltens sich nicht mehr als Spielball der Zeit betrachten. Einfach mal „jetzt“ sagen. Beim Aufstehen, beim Frühstücken, auf dem Weg zur Schule. Achtung: nicht gleich rennen, es könnte ja sein, dass ich anders ticke als die Uhr.


Zeit

...und was treibt Dich an ?

Lukas Stolz


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Mach‘ mal langsam Wozu der ganze Stress? Warum sich zum Sklaven der Zeit machen lassen, wenn man doch ebensogut ein ganz anderes Leben führen könnte – ein Leben im eigenen Rhythmus?

Haben wir noch ein eigenes Tempo, oder sind wir nur noch zu schnell oder zu langsam? Das Temperament und die Persönlichkeit scheinen von den Ansprüchen der industrialisierten Gesellschaft überrollt zu werden. Von allen Seiten blinkt und piept es, die Luft tickt im Sekundentakt. Unsere technisierte Umgebung, die uns durch Zeitersparnis vieles vereinfachen soll, beginnt unseren Alltag rasant zu beschleunigen. Ständig können wir zum Handy greifen, mehrere Dinge gleichzeitig erledigen, statt in Büchern nachzuschlagen, googlen wir Begriffe, und statt eines persönlichen Gespräches dienen Chats zur Kommunikation. Niemand möchte auf diese scheinbaren Erleichterungen verzichten, man geht ja mit der Zeit. Doch wird aus diesem Gehen nicht bald ein Laufen und dann ein Rennen, bis wir der Zeit nur noch hinterher rasen? Zeit sparen hat nicht den Effekt, dass wir mehr Zeit für Dinge haben, die wir gerne tun. Zeit sparen bedeutet lediglich, dass uns weniger Zeit für Dinge zur Verfügung steht, die wir tun müssen. Durch die heute übliche Hektik kommt vieles zu kurz. Vollzeitberufstätigkeit bei alleinerziehenden Elternteilen ist inzwischen beinahe normal, die Familie steht dabei immer öfter hintan, für Freunde bleibt fast gar keine Zeit. Auch in meinem Bekanntenkreis beginnt sich ein gewisser Zeitmangel breit zu machen. Um nach 12 Jahren das Abitur zu machen, sind neun Stunden Unterricht täglich, mehrmals pro Woche, keine Seltenheit mehr. Für inspirierende Dinge wie Ruhe, Freunde oder Langeweile bleibt immer weniger Zeit. „Der Weg ist das Ziel“ – ein Leitsatz, der einem heute lächerlich erscheint. Inzwischen ist ein möglichst kurzer Weg das Ziel, bestenfalls gar keiner, doch: kein Weg heißt kein Ziel. In einem Gespräch zum Thema Abi kritisierte ein Freund den Appell der Lehrer, die letzten Schritte bis zum Abschluss nach dem Motto „Augen zu und durch“ zu meistern, er setzte dem entgegen, dass wir uns in einem Alter befinden, in dem er keinesfalls die Augen schließen möchte. Ein Gedanke, der meine Gehirnwindungen magnetisierte. Was läuft da falsch, wenn wir unsere Jugend nur noch „mit offenen Augen“ verbringen können, wenn wir allerlei Abstriche, wie schlechte Noten, radikal 22 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

gekürzte Freizeit oder individuell auftretende Stresssymptome in Kauf nehmen? Unsere Zeit mit Dingen zu verbringen, die wir gerne tun, scheint oft unmöglich, Langsamkeit wird oft als Faulheit, Trägheit oder Schlafmangel ausgelegt. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass ein bescheidenes Tempo sogar zu Stress bei Mitmenschen führt. Da reicht es, wenn meine Beine für 14 Sekunden von einer Starre befallen sind, die daher rührt, dass ich meine Zigarette gern drehe, bevor ich mich in den Regen begebe. Und schon werden die anderen von einer seltsamen Unruhe befallen. Aber was passiert wirklich, wenn wir uns gebremst mit Dingen befassen? Raubt uns das tatsächlich unsere Zeit und schaffen wir dadurch weniger? Quantitativ muss man zwar auf einiges verzichten, doch können wir durch Langsamkeit Dinge genauer betrachten. Um mit den Worten von Sten Nadolny zu sprechen: „Der Langsame sieht mehr“. Wir müssen zwar auf einige oberflächliche Eindrücke verzichten, doch ist es dann möglich, Schwerpunkte zu setzen und Details zu erfassen. Statt in Zerstreutheit tausend Dinge gleichzeitig zu verrichten, können wir uns auf einen Teil konzentrieren. Doch aus Angst, den härter werdenen Anforderungen der Gesellschaft nicht zu genügen, vielleicht aus Angst vor einem schlechten Abschluss, verrichten wir unsere Aufgaben im Wettlauf gegen die Zeit, wie eine Maus in ihrem Laufrad, ohne dass ein Ende abzusehen ist. Es wäre durchaus eine Überlegung wert, die persönliche Beschleunigung unseres Lebens noch einmal zu überdenken – Zeit ist dafür da, sie zu nutzen, nicht sie möglichst restlos auszufüllen. Läuft man zu schnell, gerät man leicht ins Stolpern. Auf der Suche nach unserem eigenen Tempo schmeißen wir die technischen Geschwindigkeiten und vorgegebenen Zeiträume einfach mal über Bord und richten uns nach unseren Möglichkeiten. Nehmen wir uns selber als Maßstab, ist es kaum möglich, zu schnell oder zu langsam zu sein.

Text: Carlotta Strauß *1988


www.blickwechsel-hamburg.deGregor | 23 Steinle


Gedanken zum Stück „Die Befristeten“ von Elias Tanette

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02.15.2008

Nr.: 44

Der Mensch entsteht in einem Moment. Der Mensch lebt durch Momente. Der Mensch stirbt in einem Moment.

Text: David Kurth *1990 Anna Kurth *1988

Nr.: 44 02.15.2008

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titelthema Der Moment des Entstehens – geplant, im Vorhinein ersichtlich. Der Moment des Endens – ohne Gewissheit des „Wann“. Gibt es ein bestimmtes Schicksal, oder leben wir bis zu einem unbekannten Zeitpunkt ? Stell dir vor, ein Kind kommt zur Welt und erhält einen Namen, der sein ganzes Leben formen wird. Sein Name ist mehr als nur ein Rufname, dieser Name legt die Dauer seines Lebens fest, in Zahlen. In einer Kapsel um den Hals gehängt wird niemand diesen Namen anzweifeln, obgleich jeglicher Beweis fehlt, ob wirklich sein Todeszeitpunkt – sein „Moment“ – in der Kapsel enthalten ist. Fortan besteht das Leben des Menschens aus seiner in der Kapsel enthaltenen Lebenszeit und seiner Entscheidung, ob er anderen seinen Namen verrät oder nicht. Seine Freunde entscheiden sich, ob sie mit jemandem zusammen sein wollen, der unumgänglich nur so alt werden kann, wie es sein Name verrät. Möchte man mit jemandem leben, von dem man weiß, dass er sehr jung sterben wird? Möchte man sich auf eine feste Beziehung zu jemanden einlassen, wenn man weiß, dass dieser zehn Jahre früher sterben wird? Das Leben nur auf den Moment des Todes hin hat Vor- und Nachteile.Man könnte sich von einem riskanten Abenteuer ins nächste stürzen, denn sterben würde man nur, wenn

Doch gibt es die Kehrseite dieser Sicherheit. Wäre man nicht ewig einsam – immer im Innersten allein? Wer könnte dem anderen mit Sicherheit trauen, dass er den richtigen Namen sagt? Würde man nicht selbst, wenn man „17“ hieße, zu seinen Freunden sagen, man heiße „30“ oder gar „68“? Einzig und allein aus dem Grund, dass man durch seine längere Lebenszeit einen höheren Stellenwert bekommt? Was wäre mit der Möglichkeit zu träumen? Wie sollte man von Zielen schwärmen, von Träumen, die vielleicht nie erreicht werden können, deren Vorstellung aber großes Glück verbreitet, wenn man weiß, dass man sowieso mit 17 sterben würde? Würde uns nicht das vielleicht Menschlichste genommen – das Leben im Ungewissen, das Leben ohne genau ein Ende voraussehen zu können? Wenn man mit dem Denken der vorbestimmten Lebenszeit leben würde, es von Anfang an nicht anders kennen würde, könnte man die Stärke besitzen, sich diesem Bann zu entziehen? Seine Wirklichkeit anzweifeln oder gar den Mut haben, die Kapsel öffnen zu wollen? Nicht an seinen Todesmoment glauben zu wollen und sich zu fragen, ob es nicht auch ein Leben ohne Kapsel, ohne ein festes Sterbedatum, geben könnte? Hätte man den Mut, in ein ungeplantes und somit „zeitloses“ Leben zu geraten, ohne jegliche Kontrolle über seinen Todeszeitpunkt? Stellen wir uns also vor, einer hätte die Kraft und den Mut, diesen Bann zu brechen, die Kapsel mit allen ihren Folgen anzuzweifeln und den Menschen um ihn herum zu beweisen, dass die Kapsel leer und das ganze System nur erfunden sei, um den Menschen besser kontrollieren und beeinflussen zu können. Die Menschen würden merken, dass dieses Gefühl von Unsicherheit sie mehr leben lässt, dass es sie mehr fühlen lässt, dass es sie mehr Mensch sein lässt. Ein neues, menschliches Leben würde beginnen.

Zeit=Leben Moment-Tod der vorbestimmte „Moment“ erreicht ist. Man wäre durch das Gefühl von Sicherheit frei. Man könnte sein Leben bis zu seinem „Moment“ – dem Tod – genau planen, es würde nie so etwas wie Schicksal geben, das unsere Pläne aus der Bahn wirft.

Erst die Ungewissheit in unserem Leben gibt uns immer wieder den Mut, uns auf neue Dinge zu freuen – den neuen Tag, die neue Stunde, die neuen Minuten und Sekunden , in der Frage, was geschehen wird. Die Ungewissheit der Zeit ist es, die uns leben lässt. www.blickwechsel-hamburg.de | 25


gesellschaft

Musik Die Uhr tropft, tropft nicht mehr. Die Zeit fließt, fließt befreit. Sie quellt, plätschert, strömt... Die Uhr tropft, tropft Jakob M. von Verschuer

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Wo die Zeit am fließen ist Alltägliches und künstlerisches Zeitbewusstsein

Vor mir liegt ein Bleistift. Ich will schreiben. Ich will den Bleistift greifen. Ich habe ihn gegriffen. Ich halte den Bleistift in der Hand. Ich will schreiben. Ich will den Bleistift ansetzen. Ich habe ihn angesetzt. Ich will das Wort „Zeit“ schreiben. Ich habe es geschrieben.

Beobachtet man sich bei alltäglichen Handlungen, so kann man feststellen, dass unser Bewusstsein in der Regel immer zwischen zwei Momenten springt: Dem Moment, wo innerlich ein Handlungsimpuls entstanden ist und dem Moment, wo wir die Handlung ausgeführt haben. Den Prozess der Handlung begleiten wir normalerweise nicht. Erst die Rückwirkung der vollbrachten Handlung wird wieder bewusst registriert. Den eingangs beschriebenen Vorgang mit dem Bleistift kann man gut nachspielen, um dies zu überprüfen, wobei natürlich das Nachspielen eines Vorgangs unser Bewusstsein schon etwas verfälscht.

sich, die prozessorientiert ist. Denn wenn Bewegung nicht mehr im Prozess ist, existiert sie nicht mehr. So lässt sich Zeit gerade im Ausführen oder Anschauen von Bewegungskunst am ehesten als das erleben, was es wirklich ist: ein stetig voranfließender Prozess. Dieses Phänomen lässt sich auch an der Musik beobachten. Die Musik richtet unser Ohr und unsere Empfindung auf den Prozess akustischer Signale. Musik steht nie, sie ist immer in Bewegung. Musik ist nicht der Ton selbst, sondern der Übergang vom einen Ton zum nächsten. Und selbst der einzelne Ton klingt beständig, ist immer im Prozess. Wenn er verklungen ist, tritt eine ganz besondere Stille ein. Für einen Moment ist unser Bewusstsein noch auf das Prozesshafte gerichtet, bevor es sich wieder ganz auf die punktuelle Wahrnehmung einstellt. Würden wir Musik mit einer punktuellen Zeitwahrnehmung hören, so würden wir nur einzelne akustische Signale wahrnehmen, denn Musik entsteht erst im Prozess, im Fließen vom einen zum anderen. Musik und Bewegungskunst wecken in uns unser prozessorientiertes Zeitbewusstsein und geben uns damit die Chance, mit der Dimension Zeit anders umzugehen.

Solche Handlungsvorgänge führen wir im Alltag ständig aus. Dabei findet das Springen des Bewusstseins von Handlungsimpuls und Handlungsrückwirkung natürlich in einem unteren Bewusstsein statt, sonst würde uns jedes Handeln zuviel Konzentration abverlangen. Das Interessante daran ist, dass wir im Alltäglichen eigentlich kein echtes bzw. lediglich ein punktuelles Zeitbewusstsein haben, denn der Bewegungsprozess, das Element, das sich in der Dimension Zeit abspielt, liegt außerhalb unseres Bewusstseins. Selbst wenn wir versuchen, unseren Bewegungsprozess zu beobachten, neigen wir oft dazu, ihn als Mosaik vieler kleiner Momente Jakob M. von und nicht als Ganzes wahrzunehmen.

Verschuer

In der Kunst allerdings, die losgelöst ist von unserer alltäglichen Zweckorientierung, kann sich die Zeit in unserer Wahrnehmung ganz anders entfalten. Am auffälligsten ist dabei die Bewegungskunst, denn hier geht es gerade nicht um zweckorientierte Bewegung, sondern um künstlerische Bewegung, um Bewegung an

*1987

Geboren in Nordhessen, aufgewachsen bei Itzehoe und in Hamburg. Ehemaliger Schüler der RSS Wandsbek. Derzeit Eurythmiestudium in Berlin und Kompositionsunterricht bei M. Denhoff in Bonn. www.verschuer-musik.de

Während wir mit unserem punktuellen Zeitbewusstsein mit der Zeit mitgehen, vermögen wir mit unserem prozesshaften Zeitbewusstsein die Zeit zu vergessen und im Moment zu verweilen. Diese zwei Arten von Zeitwahrnehmung waren bereits im antiken Griechenland bekannt, wo es zwei „Götter der Zeit“ gab: Chronos, den Gott der messbaren, voranschreitenden Zeit, und Kairos, den Gott der lebendigen, fließenden Zeit und des erfüllten Augenblicks. www.blickwechsel-hamburg.de | 27


„Das Ende der vertakteten Uhrzeit ist erreicht.“


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Zeitforscher Karlheinz Geißler „Wer Zeit haben will, muss verzichten“

Der Zeitforscher Kalrheinz Geißler spricht über neue Zeitmodelle, erklärt wie man nicht in Stress gerät und behauptet, dass es ohne Menschen keine Zeit gäbe.

Herr Geißler, tragen Sie eine Armbanduhr? Nein. Warum nicht? Ich mach’ mich doch nicht freiwillig zum Sklaven einer Zeit, die nicht die meinige ist! Die Uhrzeit ist das Produkt einer toten Mechanik. Ich aber lebe und genieße es zu leben. Das lässt sich nicht mit der Unterwerfung unter die Uhrzeit und die Zeigermoral vereinbaren. Die Uhr ist vertaktet, der Mensch aber ist ein rhythmisches Wesen – der Mensch ist von Natur aus taktlos. Ich zumindest will das auch bleiben und nutzen, zumal ich dabei gesünder und zufriedener lebe. Sie haben in einem Ihrer Bücher geschrieben, dass für die gesamte Gesellschaft jetzt das Ende der vertakteten Uhrzeit erreicht sei... Das Ende insofern, als die Uhr sogar für die Wirtschaft nicht mehr das wichtigste Orientierungsmittel ist. Heutzutage muss man nicht mehr pünktlich sein, sondern immerzu am Punkt. Der Schnäppchenjäger braucht, wie der Manager, keine Uhr mehr, sondern ein Mobiltelefon, damit er Verabredungen nicht einhalten, sondern permanent korrigieren kann.

Karriere machen nicht mehr die pünktlichen Uhrzeitmenschen, sondern die hochfelxiblen Telefonierer Wie meinen Sie das? Die Uhrzeit hat den Menschen immer Probleme gemacht. Der Mensch wird ja nicht pünktlich geboren, sondern er wird pünktlich gemacht. Und unter anderem ist deshalb die Schulpflicht eingeführt worden. Noch heute, obgleich die Wirtschaft längst „Gleitzeit“ eingeführt hat, bereitet die Schule mit ihrem starren Festhalten am Uhrzeitkonzept auf ein (Berufs-) Leben vor, das es so gar nicht mehr gibt! Die Uhr war nötig zum Aufbau der Industriegesellschaft. Die aber verliert bekanntermaßen an Boden.

VITA | INFO Karlheinz Geißler, 1944 in Deuerlingen in der Oberpfalz geboren, studierte in München Philosophie, Ökonomie und Pädagogik. Ab 1975 war er Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr in München. 2006 wurde er emeritiert. Des weiteren war er Gastprofessor an diversen Universitäten im In- und Ausland. Er ist Mitinitiator und Leiter des Projektes “Ökologie der Zeit”. Karlheinz Geißler hat zwei Söhne und lebt in München. Er ist Autor von mehreren Büchern, darunter: >> “Zeit - verweile doch: Lebensformen gegen die Hast” >> “Wart´mal schnell: Wie wir der Zeit ein Schnippchen jagen” >> “Alles. Gleichzeitig. Und zwar sofort” Alle Bücher sind im Herder Verlag erschienen. Weitere Infos und Texte auf der Webiste: www.timesandmore.com


Dann ist die Uhrzeit nicht nur aus menschlicher, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht kontraproduktiv ? So ist es. Dienstleistungen profitieren erheblich mehr von Flexibilität als von Standardisierung. Deshalb werden Ladenöffnungszeiten flexibilisiert, ebenso Arbeitszeitgesetze, Tarifverträge – nur nicht die Schule, die daher auch immer älter aussieht. Es ist einfach produktiver, wenn Menschen dann arbeiten, wenn sie dazu in der Lage sind und ihre Leistungsfähigkeit optimal einbringen können. Anders ausgedrückt: der menschliche Zeitrhythmus wird heute nicht mehr unterdrückt, sondern (leider noch nicht überall) für die Steigerung der Arbeitsproduktivität genutzt. Man muss nicht mehr pünktlich um 8 Uhr zur Arbeit kommen, sondern dann, wenn man am besten arbeiten kann – so die Tendenz, die Realität hinkt da noch etwas nach, kommt ihr aber Tag für Tag näher. Ich finde es als Schüler auch nicht immer angenehm, morgens um 8 in der Schule erscheinen zu müssen... Schule ist eben noch nach dem alten Modell organisiert. Sie orientiert sich an der Uhrzeit. Ich kann nur hoffen, dass in der Schule auch bald Gleitzeit eingeführt wird. Dass wir die Lehrer und Lehrerinnen zum Umlernen zwingen, aber dafür gehen Sie ja zur Schule.

INFO | GLEITZEIT

Unter Gleitzeit oder Gleitender Arbeitszeit (GLAZ) wird eine in gewissem Rahmen frei geregelte Arbeitszeit verstanden. Eine Gleitzeitregelung legt im Regelfall eine sogenannte Kernzeit fest (etwa 09:00–15:00 Uhr), in der alle Dienstnehmer anwesend sind (Klassische Gleitzeit). Die Arbeitszeiten vor und nach der Kernzeit sind jedoch dem Einzelnen überlassen, er muss er sich allerdings an die vereinbarte Wochen-Arbeitszeit halten. Soweit bestimmte Zeitguthaben im Rahmen gleitender Arbeitszeit „angespart“ wurden, können diese in der Regel nur „abgefeiert“, nicht aber vergütet werden. Manchmal wird Gleitzeit auch nur in einzelnen Abteilungen eines Großbetriebes oder einer Institution vereinbart – woran dann die Abteilungsleitung und die Belegschaft bis zu einem allfälligen, mehrheitlichen oder „von oben“ geäußerten Änderungswunsch gebunden sind. In den meisten Fällen werden der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende technisch erfasst, zum Beispiel mit einer Stempeluhr oder anderen Vorrichtungen zur Zeiterfassung.

Gibt es bereits Schulen, die dieses neue Modell anwenden? Ja, in Dänemark, aber auch in Deutschland gibt es Grundschulen, die zumindest die Einschulung flexibilisiert haben, also Schüler nicht nach dem Geburtsdatum, sondern nach ihrer Schulreife einschulen. Voraussetzung ist ein Schulkonzept, das sich an der Lernfähigkeit und der Lernbereitschaft der Schüler und Schülerinnen ausrichtet und nicht an der Vorstellung einer perfekt funktionierenden Organisation. Werden sich diese neuen Ideen denn durchsetzen? Mit dem Abitur in 12 Jahren ist dieser Richtungswechsel ja noch gar nicht zu erkennen, ganz im Gegenteil. So ist es, weil die Organisation ja nach bürokratischen Normen arbeitet. Und Bürokratie ist an der Uhrzeit orientiert, sie ist darauf ausgerichtet, alle gleich zu behandeln, so wie jede Minute bei der Uhr gleich lang ist. Die Bürokratie braucht Menschen, die sich wie Uhrzeiger verhalten. Mit dem Leben hat sie Schwierigkeiten und mit lebendigen Kindern und Jugendlichen auch. Schade! Eine ganz andere Frage: Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, sich so intensiv mit dem Thema „Zeit“ zu beschäftigen? Da gibt es viele Geschichten und so manches Ereignis, das mich auf das Thema gebracht hat. Aber ich frage mich immer, warum diese Frage überhaupt gestellt wird, denn nichts liegt dem Menschen näher als die Zeit. Er wird täglich, ja stündlich darauf gestoßen. Für mich lautet die interessantere Frage:

Wie kommt es eigentlich, dass sich so wenige Menschen mit dem, was ihr Leben ausmacht – also mit Zeit – beschäftigen? Sie beklagen sich nur, keine zu haben und haben keine, weil sie sich keine Gedanken darüber machen! Möchten Sie solch ein Erlebnis schildern? Konkret bin ich auf das Thema gestoßen, als ich als Lehrer an einer kaufmännischen Berufsschule arbeitete und dort erlebt habe, dass Berufsschülerinnen einen anderen Lernrhythmus hatten als ich das von Gymnasiasten kannte. Berufsschüler, die nur einmal die Woche zur Schule gehen, sind etwas später als Gymnasiasten lernfähig. Sie brauchen nämlich eine Zeit der Umstellung vom Arbeitstakt auf den Lernrhythmus, da sie ja vier Tage in der Woche arbeiten und nur einen Tag lernen. Der Mensch braucht, wenn er das Zeitmuster wechselt, einen Übergang. Man kann ihn nicht wie einen Fernseher ein- und ausschalten. Er braucht erst einen Abschluss, um wieder anfangen zu können. Solche Übergangszeiten brauchen alle Schüler nach den Ferien.


Da kann man nicht am ersten Tag mit dem Lernen loslegen, als sei vorher nichts gewesen. Ich brauche jeden Morgen eine relativ lange Übergangszeit... Ja, die braucht man als Mensch, besonders dann, wenn man noch kein Automat ist, das ist doch klar. Das meine ich ja mit der Notwendigkeit eines gleitenden Tagesanfangs, der auch in der Schule eingeführt werden sollte. Wie muss ich mir den Arbeitstag eines Zeitforschers vorstellen? Überlegen Sie sich, wie die Zeitbedingungen optimiert werden können oder sitzen Sie mit anderen Kollegen zusammen und philosophieren über die Zeit? Ich forsche, untersuche, beobachte, denke, lese, was andere geforscht und gedacht haben. Zeitforscher verhalten sich wie Astronauten: Sie lassen sich in eine Umlaufbahn um die irdischen Zeiten schießen, um dann von außen auf die Zeit und das, was die Menschen mit ihr machen, zu schauen. Aber – auch das haben sie mit Astronauten gemeinsam – das halten sie nicht lange aus. Sie müssen die Zeit auch leben und nicht nur betrachten. Und so streiten sie darüber, was Zeit überhaupt ist, regen sich auf, über Kollegen und das, was diese schreiben, finden manches gut und anderes weniger gut. Was sie aber von anderen Menschen unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie bezahlt werden, um der Zeit dabei zuzuschauen, wie sie vergeht. Zuweilen halten Zeitforscher auch Vorträge über Zeit, schreiben darüber und geben Interviews, die dann so aussehen, wie das, was Sie hier gerade lesen. Manche getrauen sich, ihr Wissen an Praktiker weiterzugeben, beraten Politiker, Stadtplaner, Manager und andere, die über Zeit und deren Ordnung entscheiden. Sie haben gerade von Medien und Zeit gesprochen. Ich habe manchmal das Gefühl, vor dem Computer oder Fernseher die Zeit zu vergessen. Woher kommt das? Das ist insofern kein Problem, da die Zeit uns nicht verlässt, wenn wir sie vergessen. Schlimmer ist der Fall, wenn nicht wir die Zeit, sondern die Zeit uns vergisst. Was vergisst der Mensch, wenn er die Zeit vergisst? Die Uhrzeit. Das aber gönne ich den Menschen, sie sollten es öfters tun. Denn es gibt Freuden, die nur diejenigen entdecken, die die Uhrzeit vergessen. Was man aber nicht vergessen sollte,

ist das Gefühl für die eigene innere Zeit, denn sonst verhungert und verdurstet man und vergisst auch, dass es liebe Menschen gibt, für die es sich lohnt, die Uhrzeit zu vergessen. Ist es nicht paradox: Wir haben immer weniger Zeit, obwohl uns vieles von „zeitsparenden“ Geräten abgenommen wird? Je mehr Möglichkeiten, desto weniger Zeit! Legt man sich ein Gerät zu, das doppelt so viele Möglichkeiten besitzt wie das vorherige, dann müssen Sie auch mehr damit tun, oder sich häufiger entscheiden, auf Funktionen, die das Gerät besitzt, zu verzichten. Ein Mobiltelefon mit „Power-Off-Taste“ macht mehr Arbeit, kostet also mehr Zeit, als kein Mobiltelefon.

Wer Zeit haben will, muss verzichten. Das müsste in der Schule heute gelernt werden.

In einem Ihrer Bücher schreiben Sie, dass erst ab dem 17. Jahrhundert bewusst mit der Zeit umgegangen wurde. Wie sind denn die Menschen vorher mit Zeit umgegangen? Der Mensch lebte in der Gewissheit, dass Gott die Zeit und damit die Zukunft entschieden hatte. Und wenn man selbst über Zukunft entschied, dann pfuschte man Gott ins Handwerk. Deshalb hatte die katholische Kirche auch ein Zinsverbot erlassen, das Verbot, mit Gottes Eigentum, der Zeit, Handel auf die Zukunft hin zu betreiben. Im Mittelalter wurde in die Kirche gegangen, um zu beten, dass Gott ein gütiges Schicksal bereite. Der Mensch lebte eher in der Gegenwart. Was auf einen zukam, war nicht die Sache eigener Entscheidung. Das änderte sich mit der Renaissance, in Italien früher als in Deutschland. Gott wurde seines Zeitmonopols beraubt. Die Menschen nahmen die Zeit in die eigene Hand und machten sich die Zeit untertan. Vermeintlich aber nur, denn sonst hätten sie als erstes www.blickwechsel-hamburg.de | 31


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Alle haben Uhren. Niemand hat Zeit.

Grafik: Jacob M端ller

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den Tod abgeschafft – zumindest für sich selbst. Wer die Zeit in die Hand nimmt, erobert die Zukunft. Über die entschieden jetzt die Menschen. Und weil sie das taten, führten sie die Schulpflicht ein, damit die nachwachsenden Generationen dort das lernen, was die Zukunft sichert und besser macht. Und dort, wo die Zukunft besser wird, sprechen wir seit 300 Jahren von „Fortschritt“. Der Kapitalismus ist das Wirtschaftssystem, das auf Zukunft und Forschritt ausgerichtet und angewiesen ist. Er ist ein Produkt dieses neuen Zeitdenkens. Der Kapitalismus braucht Wachstum, mehr Geld, mehr Güter – und nur das nennen wir Fortschritt. Diese Kategorie des Fortschrittsdenkens ist mit der neuen Sicht auf die Zeit entstanden. Gibt es denn noch Kulturen, die gegenwartsorientiert sind? Selbstverständlich gibt es die! Wir nennen die Völker, die den Zeitwohlstand dem Güterwohlstand vorziehen, etwas vorschnell und nicht selten überheblich „unterentwickelt“. Diese Kulturen ziehen, im Gegensatz zu uns Europäern, soziale Zeiten wie Gespräche dem Geldverdienen und der Verplanung der Zukunft vor. Sie leben mehr in der Gegenwart als für die Zukunft. Die überarbeiteten Mitteleuropäer genießen das im Urlaub, sind aber sauer, wenn das Flugzeug dorthin nicht pünktlich abhebt. Und die allermeisten haben bereits den Rückflug gebucht, wohlwissend, dass sie es nicht lange bei diesen „Fremden und ihren komischen Zeiten“ aushalten. Wie ist es im Buddhismus, wo das Leben und die Zeit als Kreislauf empfunden werden? Die Buddhisten versuchen, die Kategorie der Zeit wegzudenken, besser: wegzumeditieren, sie bemühen sich, „zeitlos“ zu werden. Das bedeutet, dass sie in der Gegenwart leben. Zeit ist eine vom Menschen gemachte Vorstellung, und der Buddhismus versucht, sich von dieser Vorstellung zu befreien. Aber auch Buddhisten stellen sich nur vor, dass das ginge, denn auch der größte Meister der Meditation bleibt vergänglich. Das heißt, es gäbe keine Zeit ohne Menschen? Nein, ohne Menschen gibt es keine Zeit. Die Zeit wird die Menschheit überleben. Die Zeit der Uhr aber nicht. Angenommen, alle Menschen wären von der Erde verschwunden, dann würde sich trotzdem etwas in der Natur verändern. Ist dieses Element der Veränderung nicht die Zeit? Das ist Entwicklung, sozusagen Evolution. Zeit ist jedoch nicht Veränderung, Zeit ist eine, von Menschen erfundene Kategorie für Veränderung. Tiere sind auch zeitlich, haben aber keine Zeit, da sie keine Vorstellung von Zeit haben. Welche Veränderungen haben sich für Sie aus der Beschäftigung mit der Zeit für Ihren Alltag ergeben? Achten sie bewusster auf das,was sie machen, um nicht in „Zeitdruck“ zu geraten? Meine Zeitpraxis erreicht leider nie das Niveau meiner

Zeiterkenntnisse. Ich bin jedoch beispielsweise gegen Zeitdruck sensibler geworden und versuche, ihn daher bereits im Vorhinein zu vermeiden. Das gelingt mir nicht immer, aber es gelingt mir immer besser. Und verzichten kann ich inzwischen auch ganz gut. Derzeit arbeite ich daran, mich entbehrlicher zu machen. Gibt es da bestimmte Methoden, die man als gestresster Schüler übernehmen könnte? Da jeder in anderen Situationen Zeitdruck empfindet, gibt es keine verallgemeinerbaren Methoden, das muss jeder für sich selber rausfinden. Wenn ich unter Zeitdruck komme, ist das für andere möglicherweise überhaupt kein Zeitdruck, was selbstverständlich auch umgekehrt gilt. Trotzdem gibt es eine generelle Regel: Je kleinteiliger man plant, desto wahrscheinlicher treten Situationen auf, die Zeitdruck verursachen. Mir geht es manchmal so, dass ich, wenn ich gar nicht plane, auch unter Zeitdruck stehe. Dann haben Sie keinen Zeitdruck, sondern ein schlechtes Gewissen!! Ich brauche schon eine gewisse Struktur für den Tag, das weiß ich aus Erfahrung. Es gibt Dinge, die ich machen will, wie die Schule, und die sind an bestimmte Zeiten gekoppelt...

Wer Ziele hat, und die erreichen will, muss planen. Und wenn er plant, entscheidet er sich dafür, anderes nicht zu tun, zumindest nicht in der Zeit, in der er das Ziel erreichen will. Der Zeitdruck entsteht in erster Linie dann, wenn man dabei nicht verzichten will, also anderes auch noch erreichen möchte. Wenn man darunter leidet, heißt das Rezept nicht, „wie kann ich auch noch Anderes in der gleichen Zeit tun?“, sondern: „Wie kann ich das Verzichten lernen?“ Die grundsätzliche Frage ist, wie weit ich mich von diesen vielen Möglichkeiten, die von der Gesellschaft, meist aus Gründen der Geschäftemacherei, angeboten werden, abhängig mache. Aber vielleicht geht’s ja auch ohne Arrangement, ohne Geldausgeben, mal so ganz aus sich heraus. Okay – das Risiko, dass es einem dabei erstmal langweilig wird, ist groß. Aber da muss man durch, ohne den Fernseher einzuschalten, denn hinter der langen Weile wartet die Zeit darauf, die sie Besuchenden zu küssen. Und dabei verpasst man ganz viel, aber ohne Angst, dabei etwas zu verpassen. Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit! das Interview wurde geführt von Lukas Stolz und Anna Petersen www.blickwechsel-hamburg.de | 33


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34 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

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www.blickwechsel-hamburg.de | David 35 Kurth Maja G


titelthema

Fragen Antworten 3 Minuten 3 Menschen 3 Standpunkte 36 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

1 steht am Anfang

Constantin, 15 Schüler

Was verstehst du unter dem Begriff „Zeit“? Ich denke, es ist schwierig, eine Definition für den Begriff „Zeit“ zu finden. Zum einen würde ich „Zeit“ als Leben oder Lebensgeschichte bezeichnen. Ich habe einmal eine Theorie gehört, die an dieser Stelle gut passt: Zeit ist wie eine Autobahn. Das, was man hinter sich gelassen hat, ist vorbei, aber nicht vergessen. Das, was einem bevorsteht, ist die Zukunft, doch auch sie ist bekannt. Man sieht die Straße auf sich zu kommen. Zum anderen würde ich „Zeit“ als Druck bezeichnen: die „Zeit“ und ich, wir befinden uns in einer Art Wettlauf, sie verfolgt mich. Bald wird sie mich einholen. Die „Zeit“ ist eine Macht, die über mein Leben bestimmt. Sie kontrolliert meine Abläufe und meine Handlungen. Ich befinde mich unter einem ständigen Druck und muss mich nach ihr richten.

Hast Du manchmal das Gefühl, die Zeit würde Dir davon rennen oder umgekehrt? Ja, sehr häufig. Die Zeit vergeht viel zu schnell. Oft habe ich das Gefühl, bevor ich die Zeit überhaupt richtig genutzt habe, ist sie schon vorbei. Das ist sehr schade. In vielen Dingen sollte man einfach mehr Zeit haben. Dass die Zeit zu langsam vergeht, denke ich ebenfalls oft. Kennt das nicht jeder, wenn er in der Schule sitzt und die Zeit Stunden braucht, bis sie vorbei ist? Ich denke schon.

Hast Du jetzt schon bestimmte Vorstellungen Deiner Zeiteinteilung im späteren Leben? Ja, ich denke schon. In vielen Situationen möchte ich meine Zeit besser einteilen, sie mehr nutzen und genießen. Dass heißt, ich werde die Zeit wohl besser aufteilen müssen, für Pflichten und für Vergnügen. Im Moment fällt es mir des Öfteren noch schwer, ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Punkten herzustellen.


titelthema 2 aus der Bahn geworfen

3 blickt zurück

Was verstehen Sie unter Zeit?

Haben Sie heute ein anderes Verhältnis zur Zeit als früher ?

Susanne Borl, 46 an Gebärmutterkrebs erkrankt

Das kommt darauf an. Wenn ich zum Beispiel arbeite, habe ich sehr wenig Zeit, weil ich sehr viel zu tun habe. Dann gehen die neun Stunden Arbeit ganz schnell herum. Und manchmal habe ich das Gefühl, ich habe unendlich viel Zeit.

Hat sich Ihre Einstellung zur Zeit verändert, als Sie von Ihrer Krankheit erfahren haben? Ich finde schon, dass man dann eine andere Einstellung zur Zeit bekommt. Man macht sich andere Gedanken, man sagt sich, dass man sich für viele Dinge mehr Zeit nehmen sollte. Denn wenn man eine ernste Krankheit hat, ist es so, dass man eine Art Gefühl dafür bekommt, dass nur eine begrenzte Zeit vorhanden ist und sich für viele Sachen gar nicht genug Zeit nimmt, auch für alltägliche Kleinigkeiten. Und wenn einem gesagt wird, dass die Krankheit ernst ist, sodass man sich dann damit auseinander setzen muss, merkt man, dass diese Kleinigkeiten, zum Beispiel innerhalb der Familie, wichtiger sind, als wenn man alles aufschiebt, was man besser nicht tun sollte. Man sollte jetzt und heute leben und sich für alles die Zeit nehmen.

Welche Ratschläge können Sie aus Ihren Erfahrungen an junge Menschen weitergeben? Man sollte sich für die Dinge, die man erlebt, auch wirklich die Zeit nehmen und diese genießen. Man sollte nicht, während man das eine macht, schon daran denken, das andere gleich machen zu müssen. Wenn ich jetzt etwas Schönes mache, will ich mir die Zeit dafür nehmen. Das finde ich sehr wichtig.

Als Sie von der Krankheit erfuhren, haben Sie sich dann gefragt, ob Sie es geschafft haben, Ihre Ziele im Leben zu erreichen? Ja, schon. Man denkt darüber nach, was man sich vorgenommen hat. Was man davon geschafft und erreicht hat und was man auch noch erreichen möchte. Das nimmt man als Hoffnung mit in so eine Operation hinein.

Frau Weber, 87 Seniorin

Ja, natürlich. Vor allem eine vollkommen andere Sicht von der heutigen Zeit, die hat sich so verändert, dass man sie nicht mehr mit früher vergleichen kann, wo alles ruhiger war, geordneter lief. „Zeit“ ist heute der Begriff von dieser Wahnsinns-Welt-Zeit.

Haben Sie im Laufe Ihres Lebens eine Art Gespür für „Zeit“ entwickelt? Es ist von ganz alleine gekommen, sodass meine Zeit jetzt vollkommen eingeteilt ist, wie eine Funkuhr. Danach lebe ich und finde das auch für mein Alter sehr gut und sehr angemessen.

Hatten Sie oft das Gefühl, die Zeit würde Ihnen davonlaufen, oder umgekehrt? Nein, früher hatte man das Gefühl nicht, denn die Zeit lief ihren normalen Weg, ohne große Eingriffe oder Schwierigkeiten, während das heute vollkommen anders ist. Heute wird es von Tag zu Tag vollkommen anders, alleine schon über die Nachrichten die wir jeden Tag erfahren. Die Zeit kann man nicht anhalten. Sie ist rasend schnell.

Ihr Rat für junge Menschen? Ich würde sagen: Kinder, Jugend, Ihr habt das Leben noch vor euch! Seht das bitte auch, wenn wir jetzt in einer finanziell und allgemein schwierigen Situation sind. Seid zuversichtlich, nutzt Eure Jugend dafür, vorangehen zu wollen! Dann werdet Ihr merken, dass Ihr auch Kraft bekommt, diese Zukunft, wie sie auch ist, zu meistern.

Haben Sie etwas aus ihrer Lebenszeit gelernt? Ich habe alle möglichen Erfahrungen gemacht und festgestellt, dass der Mensch sich führen lassen muss. Er wird von einer Macht geführt und sollte ihr folgen.

Alle Interviews: Felicitas Jarchow www.blickwechsel-hamburg.de | 37


titelthema

Alles ist Vergänglich „In der Zukunft wird die Gegenwart Vergangenheit geworden sein werden“

Warum es Raum ohne Zeit nicht gibt, und warum die Zeit langsamer vergeht, wenn man sich schnell bewegt.

Vorgestern rief ich einen alten Freund an, von dem ich bereits seit einigen Jahren nichts mehr gehört hatte. Ans Telefon ging seine Schwester. Diese unspektakuläre alltägliche Situation gab mir sehr zu denken, denn ich kannte dieses Mädchen nur von früher, als sie noch ein Baby war und noch nicht sprechen konnte. Dass die Folgen der Zeit aus ihr ein heranwachsendes Mädchen gemacht hatten, hätte ich eigentlich wissen müssen. Wie sehr ein paar Jahre unsere Welt verändern können – damit werden wir fast täglich konfrontiert. Diese Tatsache fasziniert mich unbeschreiblich, doch hinterlässt sie gleichzeitig auch ein seltsam bedrohliches Gefühl. Denn ALLES ist vergänglich. Nie mehr wird es so sein, wie es einmal war. Was ist das für eine seltsame Kraft, die unsere Welt unaufhaltbar verändert? Was ist Zeit? Das sagt die Wissenschaft dazu: Es gibt mindestens drei Zeitpfeile, die unsere Vergangenheit von der Zukunft unterscheiden - den thermodynamischen Pfeil, das ist die Zeitrichtung, in der die Unordnung zunimmt (Gesetz der Entropie) - den psychologischen Pfeil, das ist die Zeitrichtung, in der wir die Vergangenheit und nicht die Zukunft erinnern - den kosmologischen Zeitpfeil, das ist die Richtung, in der das Universum sich ausdehnt und nicht zusammenzieht. „Leerer Raum ist mit Paaren aus virtuellen Teilchen und Antiteilchen gefüllt, die zusammen entstehen, sich trennen und wieder zusammenkommen, um sich gegenseitig zu eliminieren. Daher kann man das Teilchenpaar auch als ein einzelnes Teilchen ansehen, das in einer geschlossenen Schleife durch die Raumzeit reist. Bewegt sich das Paar in 38 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

der Zeit vorwärts, heißt es Teilchen, bewegt es sich rückwärts in der Zeit, bezeichnet man es als Antiteilchen, das sich in der Zeit vorwärts bewegt.“ Nichts verstanden? Macht nichts! Denn genau darin liegt das Problem: Wir „verstehen“ nur das, was wir uns irgendwie vorstellen können, und das sind in erster Linie die Dinge, die in irgendeiner Weise auf unsere Sinne zurückzuführen sind. Zeit können wir weder riechen, fühlen, noch sehen. Aber wenn wir uns damit beschäftigen, kommen wir unaufhaltsam zu dem Entschluss, dass sie existent sein muss. Es hat den Anschein, als verginge die Zeit überall und für jedes Wesen gleich schnell. Das ist so jedoch nicht ganz richtig. Vielmehr hat jeder Mensch seine „eigene Uhr“. Wie schnell sie für ihn vergeht, hängt ab von der Gravitation und der Geschwindigkeit, mit der er sich bewegt. Je mehr sich jemand der Lichtgeschwindigkeit (ca. 300 000 Kilometer pro Sekunde) nähert, desto langsamer vergeht für ihn die Zeit aus der Sicht eines sich nicht bewegenden Betrachters. Oder andersherum: Für den Reisenden in einem solchen Flugobjekt ändert sich zunächst überhaupt nichts, doch könnte ein unbewegter Beobachter von der Erde die Ereignisse im Flugobjekt betrachten, käme es ihm wohl so vor, als würde man einen Film mit zu langsamer Geschwindigkeit abspielen. Man nennt diese Tatsache auch „das Zwillingsparadoxon“: Einer von zwei Zwillingen unternimmt eine Flugreise mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. Als er zurückkehrt, ist sein Zwillingsbruder bereits einige Jahre älter als er. Interessant ist dabei, dass es zunächst für beide so aussieht, als würde die Zeit beim jeweils anderen langsamer vergehen. Be-


gesellschaft gegnen sich beide am Ende der Reise wieder, hat keiner der beiden einen „Zeitvorteil“, der auf die hohe Geschwindigkeit zurückzuführen wäre. Lediglich die Beschleunigungsvorgänge (Starten, Anhalten, Wenden) haben den verreisten Zwilling langsamer altern lassen. Die Annahme, dass die Situation für beide Zwillinge symmetrisch sei, da sie sich ja BEIDE relativ voneinander entfernten, stimmt also nicht, da der auf der Erde verbleibende ja nichts von der Bewegungsumkehr mitbekommt. Man spricht bei Bewegungsumkehr auch von einem „Wechsel des Inertialsystems“. Jeder Raum besteht aus mindestens drei Dimensionen: Länge, Breite, Höhe. Doch ohne die Zeit, auch als vierte Dimension bezeichnet, wäre keine der anderen drei Dimensionen möglich (darum ist bei Wissenschaftlern von der „Raumzeit“ die Rede). Ich möchte das auf verschiedene Weise erläutern. Zunächst sollten wir uns einiger grundsätzlicher Dinge bewusst sein oder werden. Den (mindestens dreidimensionalen) Raum betrachten wir als existent. Doch wann sprechen wir von „Existenz“? Existent ist etwas, von dessen Vorhandensein wir überzeugt sind. Daran glauben wir vor allem, wenn wir etwas selbst erleben oder sehen können. In Bezug auf die Raumzeit stellt sich damit automatisch die Frage: Könnten wir den Raum sehen, wenn eine Zeit nicht existieren würde? Wir könnten uns nicht durch den Raum bewegen, um ihn uns anzusehen, noch nicht einmal unsere Augen bewegen, da jede Bewegung das Vorhandensein der Zeit erfordert. Gäbe es also keine Zeit, wäre ein Raum FÜR UNS nicht real, da wir ihn nicht wahrnehmen könnten – auf welche Weise auch immer. Da die Existenz einer universellen, für das gesamte Universum gültigen Realität (dabei stellt sich die Frage: Was ist Realität?) nicht bewiesen werden kann, könnte man auch sagen: Etwas, das für den Menschen nicht existiert, kann man als „nicht existent“ bezeichnen. Alles, was also über diesen Rahmen des FÜR UNS Existenten hinausgeht, gibt es nicht – zumindest nicht für uns – oder nicht in unserer „Realität“. Fazit: Ohne Zeit gäbe es keinen Raum. Andersherum verhält es sich ebenso: Ohne den Raum gäbe es keine Zeit. Auf unser Beispiel bezogen könnten wir die Zeit nicht definieren, wenn wir uns nicht durch den Raum bewegen könnten. Ohne eine Bewegung durch den Raum hätten wir keinen Maßstab für die Zeit, womit wir sie wiederum als „nicht existent“ bezeichnen können. Hier ein Beispiel für die Erklärung der Zusammenhänge zwischen Raum und Zeit: „Wer annimmt, ein Stück Papier bezeichne ein zweidimensionales Objekt, hat sicher nur im veranschaulichten Sinne recht. Wäre da nicht die Papierstärke von einigen Mikrometern, welche die dritte Dimension darstellt, würde unser Papierstück nicht einmal existieren. Es würde aber auch nicht existieren, hätte man es nie hergestellt. Für die Herstellung wurde wiederum eine gewisse

Zeit benötigt, was wohl einleuchtend klingt. Gäbe es also keine Zeit, so gäbe es dieses Stück Papier genausowenig wie alles andere für uns existent, da alles Existente als Folge irgendeiner oder mehrerer Ursachen zu sehen ist. Ohne die Zeit gäbe es weder Ursache noch Wirkung (Kausalität), da jeder Wirkung eine Ursache vorausgeht, und der Begriff „vorausgehen“ ohne die Zeit seine Bedeutung verlöre.“

Manu *0000 Manu ist Querdenker, Spinner, Realist, Gedankenakrobat, das bleibt dem Leser selbst überlassen und wer weiß, vielleicht findet mancher ihn ja gar nicht so “anders”. Was wir aber ganz sicher wissen ist, dass er eine Website hat, auf der er Aufschlussreiches und Kurioses über die Frage der Zeit schreibt. Freundlicher Weise dürfen wir diesen Text von ihm hier abdrucken. Wer also noch ein bisschen Zeit hat und sich für dafür interessiert, schaut doch einfach mal vorbei: www.wasistzeit.de www.blickwechsel-hamburg.de | 39


gesellschaft

40 | Blickwechsel No. 4 | April 2009


titelthema

Routine,Phrase

Konvention

„Es braucht ein neues soziales Denken!“ Der folgende Text ist ein gekürzter Auszug aus dem Vortrag von Mona Doosry auf der Tagung der Bundesschülervertretung in Berlin, November 2008. Thema der Tagung und damt des Votrages war: Ergebnis Schule: Abschluss? Mona Doosry spricht über Zeitnotwendigkeiten, erläutert den Gründungsimpuls der Waldorfschule und kommt zu dem Schluss, dass das „Ergebnis Schule“ niemals Abschluss, sondern ZUKUNFT GESTALTEN sein müsse.

„[ ...] Ich war heute – und das empfehle ich allen, die noch Zeit brüderlich miteinander umgehen können. Er ist in Kneipen haben – in der Ausstellung im „Hamburger Bahnhof“ über den gegangen, ist in Fabriken gegangen, hat mit Arbeitern geredet, Künstler Joseph Beuys. Da ist super dokumentiert, wofür er hat sich mit ganzer Kraft engagiert. Irgendwann hat er geäualles eingetreten ist: Beuys war zum Beispiel Professor für Kunst ßert, dass er den Eindruck habe, die Umwälzungen, auch diean der Kunstakademie in Düsseldorf und hat gesagt: Numerus jenigen durch den 1. Weltkrieg, seien so groß gewesen, dass die Clausus, einen bestimmten Durchschnitt, damit meine Stu- Menschen mit ihrem Denken gar nicht mitkämen. Er formudenten zu mir kommen können, Abitur oder liert das ungefähr so: „Wir brauchen ein neues sonstige Zugangsberechtigungen gibt’s nicht! soziales Denken.“ Wir brauchen Menschen, Zu mir können alle kommen, die Kunst studie in anderer Weise sozial denken und dazu dieren wollen – und hunderte waren in seinen beitragen, dass es zum Beispiel so einen Krieg Kunstklassen. Das ging soweit, dass die Polizei nie wieder gibt. seine Unterrichtsräume per polizeilicher Gewalt geräumt hat, da das Kultusministerium Eine dieser Reden hält Steiner im April das natürlich nicht zugelassen hat. Beuys ist 1919 vor den Arbeitern der Waldorf-Astoriaalso schon 1972 für eine ganz andere Form der Zigarettenfabrik [in Stuttgart] und spricht daAusbildung und des Studiums eingetreten, die von, dass es Bildung für alle geben müsse und nichts mit Abschlüssen zu tun hat! Als ich das Moona Doosry *1960 auch die Arbeiterkinder ein Recht darauf hätvorhin gesehen habe, habe ich gedacht, das ist ten und nicht ausgeschlossen werden dürften. Besuch der Waldorfschule total modern, das ist eigentlich eine Frage, die Hamburg-Wandsbek. Nach Hinterher äußern die Arbeiter: So eine Schule, man heute wieder aufgreifen müsste – [...] dem Abitur Studium der Ger- wie Dr. Steiner sie vorgestellt hat, möchten wir manistik und Philosophie. Seit gerne für unsere Kinder haben. Und so ist die 1986 Oberstufenlehrerin für Vielleicht wissen einige von Euch, dass Deutsch, Kunstgeschichte und erste Waldorfschule entstanden. Der Direktor Rudolf Steiner die erste Waldorfschule 1919 Schauspiel an der Waldorf- dieser Fabrik, Emil Molt, bat Rudolf Steiner, in Stuttgart gegründet hat und dass er sich schule Hamburg-Wandsbek. solch eine Schule zu gründen. Damit war eine nach dem ersten Weltkrieg in einer Reihe von Einrichtung geschaffen, die die Möglichkeit Reden, Ansprachen und Schriften für eine Reform der Gesell- bot, ein neues soziales Denken zu veranlagen. schaft eingesetzt hat. Etwas vereinfacht ausgedrückt: Auf der Grundlage der Ideale der französischen Revolution – Freiheit, Drei Jahre später hält Rudolf Steiner mehrere Vorträge vor JuGleichheit, Brüderlichkeit – hat er sich dafür eingesetzt, dass gendlichen, vor 18-, 19-jährigen, teilweise auch Studenten. Er die Gesellschaft so strukturiert wird, dass die Menschen frei versucht diesen Jugendlichen in seinen Vorträgen deutlich zu sein können, dass sie gleich behandelt werden und dass sie auch machen, was seiner Meinung nach in der Zeit, also 1922, lebt. www.blickwechsel-hamburg.de | 41


gesellschaft Er sagt: Ihr lebt in einer Zeit, in der vor allem drei Dinge ganz besonders markant sind. Das eine, ist die Phrase, wie er es nennt, das heißt, dass die Menschen sich nur noch phrasenhaft begegnen und dass die Worte keine Wahrhaftigkeit mehr haben. Das Zweite nennt er Konvention und meint damit, dass die echte Herzenswärme in der Begegnung fehlt. Es sei nur noch ein erstarrter, ein alltäglicher Umgang der Menschen miteinander geworden. Das Dritte nennt er Routine: Die Menschen leben in ihrem Alltagsleben einfach so vor sich hin und tun bestimmte Dinge gewohnheitsmäßig, haben aber keine neuen Gedanken, neuen Ideen, die ihr Handeln wirklich impulsieren. Phrase, Konvention und Routine, so beschreibt er die Phänomene seiner Zeit und sagt zu den Jugendlichen, die dort versammelt sind: Ihr aber habt eigentlich die Sehnsucht danach, anderen Menschen wirklich begegnen zu wollen, auch der älteren Generation. Ihr wollt eigentlich ein neues soziales Verständnis entwickeln: „Ihr habt Sehnsucht nach dem Geiste“. Er meint damit: Ihr habt Sehnsucht danach, lebendige Gedanken zu fassen, Ideale zu fassen und aus diesen heraus das Leben wieder neu zu verändern und zu gestalten. Das soll, sagt er weiter, eine wesentliche Aufgabe der Waldorfpädagogik sein. Die Waldorfschule ist so eingerichtet, dass die Kinder und die Jugendlichen zum Geiste erwachen können.

Worauf ich eigentlich aufmerksam machen möchte, ist, dass die Waldorfschule von Anfang an gegründet worden ist als eine Antwort auf die Zeitnotwendigkeit. Das ist ein politischer Aspekt! Es ist nicht irgendeine Idee gewesen, in dem Sinne: Das finde ich chic, ich gründe die Waldorfschule, da lernt man seinen Namen tanzen, und und und ..., sondern: Ich schaue in die Zeit, in der Zeit gibt es bestimmte Probleme, und die Waldorfschule soll eine Antwort sein auf diese Probleme. Das ist ein politischer Aspekt, der mit der Waldorfschule zusammenhängt, und der heute vielleicht zu sehr aus dem Bewusstsein entschwunden ist. Wenn wir das aber so nehmen, dann können wir in die heutige Zeit schauen und uns fragen, was wir heute erleben, was Waldorfschule heute heißt. Ich möchte versuchen, Euch das auf zweifache Weise zu verdeutlichen. Einmal mehr aus meiner Sicht, was heute wichtige Tendenzen sind, und dann tatsächlich aus der Sicht, die ich in vielen Gesprächen mit Jugendlichen, mit Schülerinnen und Schülern aus unserer Schule kennengelernt habe, die sehr genau beschreiben können, was heute in der Luft liegt. Phrase war das erste, was Rudolf Steiner genannt hat. Das können wir heute genauso entdecken, das kennt jeder von uns, man schaut Nachrichten im Fernsehen, man hört Nachrichten im Radio, man hört die Politiker sprechen und hat das Gefühl, das sind alles Sprechblasen, das könnte genausogut auch jemand anderes sagen – das ist ein bisschen so wie dieser Werbesketch von Loriot: Er bekommt eine Perücke auf und 42 | Blickwechsel No. 4 | April 2009


hält ein Parteischild in der Hand, auf dem steht SPD, dann wird die Perücke ein wenig verrutscht und auf dem Parteischild steht CDU, und als letztes hält er ein Schild hoch, auf dem ist zu lesen: „Das ist Wurst“. Und jedes Mal ist es dieselbe Person – so ähnlich ist es ja auch in den Medien ... Doch zurück zum Thema. Wir würden heute vielleicht nicht nur von Phrase sprechen, sondern wir würden davon sprechen, dass wir uns immer häufiger in künstlichen Welten befinden; dass wir manipuliert werden, dass von jedem Plakat möglichst makellose Schönheit herabstrahlen soll, dass bestimmte Normbilder entworfen werden, wie wir in unserer äußeren Erscheinung sein sollen, dass unsere seelischen Bedürfnisse und Wünsche durch Werbung manipuliert werden. „Lifestyle“ – Bio ist in – also kauf’ ich mir ein Holzfahrrad, weil Bio ist Lifestyle. Natürlich kaufe ich dann, wenn ich der höheren Charge angehöre, es in den besonders exklusiven Geschäften, weil es zum Lifestyle dazu gehört. Ich baue mir – ich übertreibe jetzt natürlich, um es deutlicher zu machen – also ich baue mir ein Leben zusammen aus lauter künstlichen Imagebildern. Und das nenne ich dann Lifestyle. Das ist die Erweiterung und Verschärfung der Phrasenhaftigkeit, die Rudolf Steiner angemerkt hat. Konvention, der Umgang miteinander ohne Herzenswärme. Heute würde man sagen, das geht hin bis zur Seelenkälte. Das erleben wir in einer Großstadt extrem. Ich weiß nicht, ob jemand von Euch den Bericht mitbekommen hat anlässlich des Unglücks, als ein Bus mit Rentnern kurz vor Hannover brannte: Zwei Leute sind ausgestiegen, ein Vater und sein Sohn; sie retteten noch Menschen aus dem brennenden Bus, während andere langsam daran vorbeigefahren sind und einer das ganze auf seinem Handy gefilmt und dann den Film verkauft und gesagt hat, es käme ihm nicht so sehr auf das Geld an, aber heute habe ja jeder das Recht auf Information. Das ist ein Extrembeispiel für absolute Seelenkälte. Wir alle wissen, dass das noch weitergeht, dass wir von Vereinsamung von Verängstigung sprechen müssen, dass wir inzwischen wissen, die deutsche Volks-

krankheit ist die Depression, dass wir die Verrohung kennen im Umgang miteinander, bis hin zu Gewalt und Zerstörung. Auch hier erkennen wir eine Verschärfung dessen, was Steiner Konvention genannt hat. Und das Dritte, die Routine. Auch hier kann man eine Verschärfung sehen, sodass man den Eindruck hat, wir bewegen uns heute in erstarrten gesellschaftlichen Systemen. Die Schule ist ein wunderbares Beispiel dafür: Alle, die auf die Demonstration gegen Schulreformen [Bundesweiter Schulstreik, Nov. ‘08] gegangen sind, haben die Schule als System ja nicht in Frage gestellt! Wir denken in Systemen, wir sagen zwar immer, „wir müssen ma‘ umdenken“, aber es wird nichts getan, und wenn es zu so etwas wie der Finanzkrise kommt, dann sagt man, wir müssen hier etwas ändern und dort ein bisschen mehr kontrollieren, aber keiner stellt das System Kapitalismus in Frage – in der öffentlichen Diskussion zumindest. Das heißt, diese Erstarrung der gesellschaftlichen Formen geht eben heute noch viel weiter. Wir müssen uns aber über eines im Klaren sein: Das ist eigentlich nicht Eure Welt. Es ist nicht die Welt von Euch Jugendlichen, sondern es ist eine von Erwachsenen gemachte Welt, in die Ihr hineinkommt. Natürlich habe ich das jetzt extrem negativ geschildert, aber das ist vielleicht auch die Herausforderung, dass man angesichts so einer Situation entweder sagen kann: Ich passe mich an oder resigniere, denn es hat alles ja doch keinen Sinn. Oder dass man sich aufgerufen fühlt in seiner Aktivität und das Gefühl hat, dagegen will ich etwas tun und das möchte ich verändern. Ich habe aus Gesprächen mit Euch erfahren, dass Ihr die Welt ganz anders einrichten würdet, weil Ihr noch nach Wahrhaftigkeit und Toleranz in der Begegnung sucht; weil Ihr noch das Ideal habt, aus der Individualität heraus zu handeln und Lebensorte zu gestalten, die jedem ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Das gibt mir die Zuversicht, dass Ihr nicht resignieren, sondern den Willen zur Veränderung aufrecht erhalten werdet . [...]“

Von der Vortragenden an einigen Stellen inhaltlich und stilistisch leicht verändert. Aufgezeichnet und abgeschrieben von Kim-Fabian von Dall‘Armi.


titelthema

Aufruf zur Alternative Freies 13. Schuljahr | Mehr als nur Abi ...

Unsere Welt brennt. Sie fordert Veränderung, fordert Menschen, die sich der Fülle von Problemen annehmen – heute und in Zukunft. Um das angehen zu können, braucht es mehr als Mathe, Englisch, Deutsch. Es braucht Menschen, die die Zeitnotwendigkeiten erkennen und daraus ihren Impuls zum Handeln schöpfen – und in der Lage sind zu Handeln.

Text: Kim-Fabian von Dall‘Armi *1989

Dafür gibt es Grund genug. Schaut man einmal auf die Titelseite der Morgenzeitung, so kann man die aktuelle Entwicklung schwer verkennen: Vor unseren Augen bricht gerade das zusammen, was noch vor kurzem als sicher und zukunftsweisend galt: das globale Finanzsystem. Gleichzeitig steht unser Planet auf der Kippe, die Klimaerwärmung ist ein unumstößliches Faktum. Und wenn das unserem Lebensstil nicht ein Ende macht, dann der immer deutlicher werdende Engpass in der fossilen Energieversorgung ­– vorausgesetzt, die Trinkwasserressourcen sind bis dahin nicht verbraucht ... [die rein menschlichen Probleme sind hier noch gar nicht beachtet: fehlende Kommunikationskultur, Angst und Hass als Triebfeder des Handelns, Depression und Psychose als Volkskrankheit...]. Wir jungen Menschen sitzen 13 Jahre lang in der Schule und lernen für eine Welt, die zwar noch existent, aber unverkennbar marode ist. Wir lernen nicht, um die Welt zu verstehen und zu verändern, wir lernen für eine abstrakte Leistungsbezifferung, wir lernen für einen guten Job mit einem hohen Einstiegsgehalt. Natürlich – dieses Bild ist eine Karikatur und es ist überzeichnet – doch zumindest der Kern dessen ist wahr. Denn wofür wird gebildet? In EU-Papieren zur Ausbildungsfrage lässt sich lesen, dass die Relevanz eines hohen Bildungsabschlusses vor allem durch die Aussicht auf ein festes Gehalt definiert wird. Ich junger Mensch stehe nun vor diesen uns so mitgeteilten Werten und frage mich: Ist das wirklich das, was mich motiviert zu lernen? Und weiter: Ist das Geld (Lohn, Gehalt, Honorar) das Einzige, was mich motiviert zu arbeiten? Diese Fragen muss ich mit Nein beantworten, wenn ich mich als Mensch und nicht als reine Arbeitsmaschine begreife. Ich will lernen, die Welt zu verstehen, ich will lernen, an und mit der Welt zu arbeiten. Ich will in der Lage sein Zeitnotwendig44 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

keiten erkennen zu können, aus dem Erkennen neue Wege zu finden und diese auch zu gehen. Kurz: Ich will vom Denken zum Handeln gelangen. Dies bedeutet: eine andere Lern- und Lebenskultur. Kaum ist jedoch dieses Nein zur alten und das Ja zu einer anderen Lernkultur gedacht und gesagt, steht eine Frage ganz groß im Raum: Und jetzt?!? – Daraus folgen verschiedene Möglichkeiten: – Möglichkeit A: Ich verlasse die Schule, mache das angebotene Abitur nicht und suche mir einen Ort sowie Menschen, die an einer ebensolchen Lern- und Lebenskultur arbeiten. – Möglichkeit B: Ich mache trotzdem die Schule, das Abitur, wie es heute angeboten wird, „spiele das Spiel mit“, arbeite mich an dem ab, was von mir verlangt wird und versuche, mich dabei nicht verbiegen zu lassen, innerlich frei zu bleiben. Dasselbe während des Studiums oder der Ausbildung. Dann, mit 20, 25 oder 30, fang’ ich mit dem an, „was ich wirklich, wirklich will“ und verantworten kann. – Möglichkeit C: Ich versuche, das Abitur anders zu füllen und in eine neue Form zu bringen. Kein „um dann zu“, „irgendwann“ und „eigentlich will ich ja mehr.“ Ich stelle die Frage andersherum: Kein: „Was soll ich lernen?“, sondern: „Was will ich lernen?“ Kurz: Nicht länger warten, sondern hier und jetzt aktiv gestalten. Mitte der 12. Klasse hatte ich Plan A in Betracht gezogen, mich dann ab Sommer um Plan B bemüht und mich schließlich doch zum neuen Jahr für Plan C entschieden. Kaum hatte ich das getan, fanden sich Mitstreiter. Inzwischen sind wir zu fünft. Fünf Menschen, die versuchen wollen, Möglichkeit C auszugestalten, um so mehr als nur Abi zu machen. Konkret heißt das: Wir werden unsere Schulen zum Sommer verlassen


gesellschaft

Baustelle Zukunft: Gregor, David, Amadea, Lukas und Kim-Fabian (v.l.n.r)

Bereits im Boot.

und unsere Abiturvorbereitung in die ei- sondern aktiv gestaltend im gesellschaftgenen Hände nehmen. Dabei werden wir lichen Leben stehen können und in der David Voigt | Gregor Steinle | all das machen, was sonst die Schule über- Lage sind, wirklich an dieser Welt arbeiten Amadea Strauß | Lukas Stolz | nimmt: Raummiete, Lehrer suchen und zu können. Kim-Fabian von Dall‘Armi einstellen, Geld eintreiben (wir brauchen „Es ist niemandem mehr erlaubt zu gevermutlich für alles zusammen am Ende Lernbegleiter & Dozenten: ca. 45 000 €), einen Zeit- und einen Lehr- horchen“ schreibt Hannah Arendt 1961. Sonja von Pilsach | Annette Bopp | plan aufstellen etc. Ein Grund, diese Mehr- Dieser Satz ist heute unvermindert gültig, Mona Doosry | Kai Ehlers | arbeit zu investieren, ist, zu wissen, wofür ebenso wie der Ausspruch von Joseph Franka Henn | Benjamin Kolass wir lernen. Und nicht beim Wissen ste- Beuys: „Wer nicht denken will, fliegt raus“. Lars Grünewald | Nicola Ittgen | Gottfried Stockmar | Eva Schram | henbleiben, sondern es auch formulieren Dr. Katharina Ahrens Für unser Vorhaben sind diese beiden Zikönnen und gemeinsam daran arbeiten. Gemeinsam heißt: Schüler, Lehrer, Spon- tate von entscheidender Bedeutung, drüsoren, Eltern... für alle Beteiligten ergibt sich eine „Baustelle Zukunft“, wo Aufruf zur Alternative: Wir laden alle interessierten Menschen ein, sich an dem Projekt gemeinsam an der zu beteiligen. Ob als LehrerIn, MitschülerIn, SponsorIn oder „bloß“ als Mensch – jedes Ve r w i rk l i c h u n g Engagement ist willkommen. Was wir besonders brauchen: Hilfe bei Finanzen und Rechtseiner Vision gear- beratung, einen Raum, Mitschüler und Lehrende. beitet wird – allein dafür lohnt es sich. Wichtig zum Verständnis der Initiative cken sie doch das aus, woran wir arbeiten ist, dass wir uns neben den geforderten wollen: an dem mündigen Menschen, der Abiturthemen mit Themen und Dingen sich denkend, wollend und innovativ hanbeschäftigen wollen, die bei einem norma- delnd, also kreativ in die Welt stellt und len Abitur unter den Tisch fallen müssen. das tut, was er selber Deswegen und aufgrund der selbstorga- verantworten kann. nisierten Rahmenbedingungen steht der Insofern verstehen Slogan „Mehr als nur Abi“ über dem Pro- wir unser Vorhaben www.freies-abi@blickwechsel-hamburg.de jekt. Wir hoffen, uns nach Beendigung des als eine Antwort auf www.freies-abi.blogspot.com Projektes so viele Kompetenzen erworben die Notwendigkeiten telefon: 0151 1942 70 53 (Kim-Fabian) zu haben, dass wir nicht nur teilnehmend, unserer Zeit. Punkt.

Mitstreiter gesucht.

Kontakt gefunden.

www.blickwechsel-hamburg.de | 45


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leichte lekt端re | Blickwechsel No. 4 | April 2009


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leichtelektüre

von wegen...

...Hauptbahnhof

W

ieder rumstehen, warten. Es ist kalt. Die Füße frieren, den Wollsocken zum Trotz, auch in dicken Winterstiefeln. Geniesel fegt in den Kragen, auch das Zurechtrücken des Schals kann nicht verhindern, dass sich ein eisiger, feuchter Film auf die Haut legt. Eiligen Schrittes, ohne aufzublicken, stapft sie in Richtung Halle. Drüben am anderen Gleis steht ein Mädchen. Sie kaut Kaugummi, während sie mit leerem Blick auf den heranfahrenden Zug sieht, die Hände in den Taschen einer weißen Steppjacke vergraben. Woran sie denkt? Hamburg, Hauptbahnhof. Einer der Orte, die mittendrin liegen. Mitten in was? Einfach mittendrin. Mitten im Gewühl, mitten im Geschehen. Und trotzdem scheint er einem alten, vergilbten Buch zu entstammen. Eiserne Streben, die sich zur Decke wölben, Tauben dazwischen. Irgendwie fehl am Platz mit ihren hell erleuchteten Fenstern und Schriftzügen stehen Läden im Reisestaub. Der Hamburger Hauptbahnhof ist besonders in seiner Art. Nicht zu vergleichen mit Berlin: dort bohren sich dicke Betonpfeiler in die Decke, darüber Läden, Treppen, Gleise. Wie ein Mobile scheint er, wenn man von unten heraufsieht, die kreisenden Stangen eines neuen Kinderspielzeugs, das nach drei Wochen in der Ecke liegt. Der Bahnhof, mit all den Menschen, die umherlaufen, mit oder ohne Ziel, mit oder ohne Zug, ist wie ein Fenster: überall wartende Leute. Auf was auch immer – Menschen, Züge, Weihnachten. Zeit sickert zwischen den Gleisen hindurch, voller Gedan-

ken und Träume. Wo kann man so gut nachdenken wie irgendwo am Hauptbahnhof, zwischen all den Leuten? Keiner kennt einen, keiner schaut einen an. Man wartet eh. Auf seinen Zug, auf sein Ziel, auf das Ankommen, auf das Abfahren. Und während man wartet, kreisen Gedanken im Kopf, worum auch immer. Man hat ja sonst nichts zu tun. Der Mann, der gerade da hinten aus dem ICE steigt. Er hat seine Reisetasche in der einen Hand, in der anderen die Tageszeitung von gestern. Warum liest er sie denn erst heute? Jetzt ist er an der Rolltreppe angekommen. Während er nach oben fährt, sieht er sich nicht um. Er blickt stur geradeaus auf den Rücken des Kerls direkt vor ihm. Bei allem, was er hier gerade macht, ist er nie wirklich da. Seine Gedanken sind weit weg, vielleicht bei seiner Geliebten, vielleicht bei dem Loch in seinem linken Hausschuh, das er vergessen hat zu stopfen und durch das es kühl hereinzieht. Der Mann verschwindet hinter dem Schild von „Le Crobag“. Eine Frau sieht ihm unauffällig nach. Ganz kurz nur. Warum? Kannte sie ihn? Hat sie nur irgendwohin geschaut, und ihr Blick ist an der Überschrift seiner Zeitung hängengeblieben? Wer weiß. Es ist egal. Wo ist die Begegnung? Der Bahnhof besteht aus Passanten, eingehüllt in ihr eigenes Gedankenkostüm, in dem sie sich durch die Menge schlängeln. Dazwischen? Ein Metronom kommt an. Aus Uelzen. Eine Frau steigt aus, drängelt sich zwischen den anderen Leuten hindurch, schubst hier, schiebt da. Aus der Tasche in ihrer Hand quillt ein pinkfarbiger Schal. Ein Gegenstand, den man so gar nicht an ihr erwartet. Vielleicht ist es auch gar nicht ihrer. Der gelangweilte Blick schweift weiter über die Menge, die Menschen, ohne zu suchen. Einfach nur so. Zwischen 5 vor 4 und 3 nach... dann fährt der Zug. TEXT: Isabella Bopp

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Summertime...

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in idyllischer Sommertag. Es ist warm, die Sonne brennt, in der Mittagshitze sind wir dankbar für die seichte Brise, die vom Meer her Abkühlung verspricht. Wir hören die Wellen sacht ans Ufer schlagen, vielleicht liegt der Duft von frischem Fisch in der Luft. Blauer Himmel, grünes Meer, und vor der sich unmerklich dazwischen schiebenden Horizontlinie schaukeln sanft Fischerboote in der geschützten Bucht. Das Nichts wird übertönt vom Geplätscher der Wellen, leises Rauschen in den Bäumen, sacht schaukeln Schilfspitzen. Ein Sommertag, an dem Heinrich Bölls Erzählung „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ stattgefunden haben könnte. Es könnte dieser Sommertag gewesen sein, als ein Tourist einen ärmlich gekleideten Fischer beim Dösen aufschreckt und ihn mit Fragen aus der Welt der Tagträume in ein Gespräch verwickelt. Vielleicht hat der nicht mehr ganz junge, aber auch noch nicht alte Fischer seinen Hut ins Gesicht gezogen, seine zusammengerollte Jacke unter den Kopf geschoben und seine Beine unter der fast morschen Schiffsbank in der Mitte des Bootes ausgestreckt. Vielleicht träumt er von seiner Liebsten, vielleicht von seiner Kindheit oder der Zukunft, vielleicht träumt er gar nicht, wir wissen es nicht. Er blinzelt, als der Fremde ihn anspricht und antwortet nur mit einem Nicken oder Kopfschütteln auf die Fragen, denen das diebisch erscheinende Klicken von Fotoapparat und Feuerzeug vorausgegangen war. Warum er nicht fische, ob er schon draußen war oder noch rausfahren wolle und wie der Fang heute sei, will der Tourist wissen. Das Wetter sei günstig, habe er gehört. Der aus dem Schlaf gerissene Fischer reckt sich, lässt sich eine Zigarette anbieten (beim Anzünden wieder das fremd klingende Klicken), gähnt herzhaft und lässt

vernehmen, dass er schon ausgefahren war und einen ungewöhnlich guten Fang gemacht habe. Einen Fang, der nicht nur für den heutigen Tag, sondern sogar für die beiden folgenden ausreiche. Der Fremde, der mittlerweile neben dem nun wachen Fischer auf der Bootskante Platz genommen hat, wundert sich, warum er nicht noch einmal ausfährt, wo der Fang doch so gut war. Er könne doch noch mehr Fische fangen, jeden Tag könne er doch zwei- oder gar dreimal ausfahren, er könne die Fische verkaufen und viel Geld machen, er könne reich werden! Begeistert malt er weiter aus, wie der Fischer sich dann einen Motor, ein zweites Boot, sodann einen Kutter und ein Kühlhaus kaufen könnte, vielleicht sogar eine Marinadefabrik und eine Räucherei, sogar ein eigenes Restaurant würde er sich leisten können. Per Funk könne er seinen Kuttern Anweisungen geben, mit dem Hubschrauber die Fischschwärme ausmachen und ohne Zwischenhändler nach Paris exportieren! Überwältigt von dieser Vorstellung lehnt er sich zurück, blickt sich um und holt tief Luft: „Und dann“, sagt er mit tiefer, feierlicher Stimme, „dann können Sie hier beruhigt im Hafen sitzen, in der Sonne dösen und auf das herrliche Meer blicken.“ – „Aber das tu ich ja jetzt schon“, antwortet der Fischer und schließt die Augen. Er räkelt sich, schiebt die Jacke wieder unter den Kopf, während der Tourist, der einmal gedacht hatte, er arbeite, um eines Tages nicht mehr arbeiten zu müssen, nachdenklich von dannen zieht. Die Mütze nun selber im Gesicht.

TEXT: Anna Petersen www.blickwechsel-hamburg.de | 49


Liberté

leichtelektüre

toujours

Moment mal! Zigaretten und Freiheit? Da stimmt doch was nicht ... Wir haben versucht, diesen scheinbaren Widerspruch zu überwinden, der jedem Raucher beim genaueren Betrachten einer Packung Gauloises begegnet. Warum also passt der Spruch „Freiheit jeden Tag“ auf Zigarettenschachteln ?

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s GIBT ihn, den tieferen Sinn dahinter. Mit diesem markigen Spruch wird symbolisch die Freiheit vermittelt, die man durch das Rauchen einer Gauloises erlangt. Denn anstatt gezwungen zu sein, andere, unfreie Marken zu benutzen, steht es einem frei, zur befreienden Gauloises greifen zu können! Und es gibt auch noch drei Sorten, zwischen den man (wiederum frei) wählen kann! Denn Rauchen ist eine freiwillige Bejahung eines freien Lebensstils, den man täglich (toujours) mit jedem Zug zelebriert! Das Rauchen von Gauloises befreit den Menschen auf ganzer Linie: innerlich wie äußerlich. Denn der Konsum von einer Zigarette (und besonders einer Gauloises) glättet die emotionalen Wogen und befreit so den Kopf. Er befreit auch die Seele, die sich ja nach eben diesem Gefühl des in Papier gerollten Tabaks zwischen den Fingern als zusätzlichen Selbstbewusstseinsfaktor sehnt, nach der Erlösung durch den ersten Zug. Denn diese „Liebe“ zur Zigarette entspringt in Herz, Seele und Geist. Sie 50 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

drückt sich in allen Sinnen aus. Gebe also deinen Sinnen die Möglichkeit, frei zu sein! Ganz nach dem alten Motto der französischen Revolution: Freiheit, die Seele mit einer frei gewählten Gauloises baumeln zu lassen. Gleichheit in dem gemeinsamen Wollen dieser Freiheit und dem Genuss derselben und Brüderlichkeit in dem geselligen Miteinander vor den Kneipentüren oder in den gelben Vierecken auf Bahnhöfen, die die zwischenmenschliche Kommunikation fördern und so den Menschen untereinander ein Stück Wärme schenken. Gebe dir selbst die Freiheit, eine Auszeit zu nehmen! Anders zu sein. Wie der Mann in der Reklame. Lebe täglich deine Freiheit. Schenke Wärme und Kommunikation! Mit Gauloises. Liberté. Toujours. Text: Nina Kühn

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a, das Leben ist scheiße! Du lebst in einer Welt, die kalt und unmenschlich ist, in der Technik und Wohlstand wichtiger sind als menschliche Wärme, in der n i c h t s zählt außer Karriere. Diese Welt lohnt sich nicht zu retten, über diese Welt lohnt sich auch nicht


gesellschaft

mehr, Tränen zu vergießen, in unserer Industriegesellschfat ist kein Platz für Gefühle. Den Himmel sehen wir nur noch durch Fensterscheiben, das Gras ist in eingezäunte Grünflächen verbannt. Wir verbarrikadieren uns in unserem von materiellen Gedanken geprägtem Alltag und haben keinen Sinn mehr für die Schönheit der Natur. Das neueste Parfum von Armani bedeutet uns mehr als der Geruch von frischem Regen oder Frühling, anstatt ein Picknick im Grünen zu machen, gucken wir Südsee-Schnulzen im Fernsehen. Ja, das Leben ist scheiße, aber was soll‘s – es gibt einen Ausweg! Es gibt ein Mittel gegen gegen diese gefühlskalte Entfremdung von der Natur, und es kostet nur 3,90 Euro. Tu was, entscheide selbst: In was für einer Welt möchtest du leben? Werde Raucher! Kauf dir die kleine 8,8 cm lange Packung der Freiheit und entkomme für einige Minuten den Hochburgen der Technik. Folge deinem Drang zur Freiheit, wiedersetze dich nicht dem „Rauchen verboten“ –Schild, lass den Zwang und die Lügen deines Alltags hinter dir, lass dich von der Natur befreien und spüre die unbegrenzte Freiheit des Universums. Jede Zigarette, die du rauchst, führt dich nach draußen, gibt dir ein Stückchen Verbundenheit mit der Natur, ein Stückchen Menschlichkeit und damit Freiheit zurück. Ziehe einen Schlussstrich, werde Raucher, werde frei, gib dem Wahlspruch auf der Schachtel ein Gesicht. Liberté toujours, Freiheit immer. Text: Anna Petersen

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in Satz, der jedem Raucher seine Freiheit immer wieder vor Augen führt und das am besten so oft wie möglich... Was wäre es für ein kummervolles Leben, nicht jeden Moment die Freiheit zu besitzen, sich eine Zigarette anzustecken. Keinen Lungenkrebs, Gefäßverstopfungen, Impotenz, Unfruchtbarkeit, Herzinfarkte, statt dessen einfach eine maßlose Beschneidung der eigenen Freiheit und wie grauenvoll die Vorstellung, das Bestehen dieser Möglichkeit zu vergessen. Sinnvoll dagegen, dass einige Schachteln eine kleine Gedankenstütze enthalten. Der Konsument als „kleiner Mann“ muss schließlich wissen, wofür er 3,90 Euro ausgibt. Die Option, durch eine kleine Schachtel, zu grenzenloser Freiheit zu kommen, würde einem ja mir nichts dir nichts vorenthalten werden. Oder pubertierende Jugendliche, die ohne vielversprechende Aufschriften, auf einen tiefen Zug beißenden Rauchs, der auf Dauer gelbe Zähne hinterlässt und allerhand Krankheiten inklusive ekelerregenden Gestanks beschert, verzichten würden. Eine Schande für bestimmte Zigarettenmarken, Ärzte, Krankenhäuser und die Pharmaindustrie. Und welch ein Segen, dass uns diese Katastrophe dank Gauloises erspart bleibt! Text: Carlotta Strauß www.blickwechsel-hamburg.de | 51


gedankenkreis

Wir haben alle einen Anspruch an Materialien, Geld und Absicherung. An diese Dinge binden wir uns, weil wir meinen, so sei es am einfachsten. Dadurch wird unser Leben zu einem Plan, einem Zeitplan. Denn alles, was wir tun, wird mit der Zeit verrechnet und nach ihr geplant, ohne Rücksicht auf die innere Uhr zu nehmen... Stellt euch vor, die Zeit würde weder berechnet noch mit der Arbeit in Verbindung gebracht werden. Wenn man arbeiten dürfte, wann und wie lange man möchte. Wenn man selbst entscheiden könnte, wie lange und wie intensiv man sich mit was auch immer beschäftigen möchte. Denn über die ganze Zeit, die verloren geht, während man sich über nichts als Zahlen und Gegenstände Gedanken macht, vergessen wir das Wesentliche, nämlich uns und unsere Mitmenschen. Wir vergessen ihre Werte, ihre Stärken und das Wichtigste, was wir an ihnen lieben. Die Menschen denken nur noch darüber nach, wieviel Geld sie haben oder noch bekommen, „wann und wie lange, wieviel Zeit bleibt mir noch, lohnt sich das für mich?“ Bei all dem, dem jetzigen Stand der Gesellschaft, in dem fast ausschließlich die Zukunft berechnet wird und sich jeder anzupassen hat, vergessen die Menschen, den Augenblick zu genießen und einfach zu leben. Würde also jeder einmal über die Mauern der Gesellschaft, über die des „Unmöglichen“ schauen, so würde er vielleicht einmal die anderen Menschen und seine fast zerstörte Umgebung erblicken. Er würde sehen, dass das, was er ist und tut, nur eine leblose Hülle ist, in dem ein schöpferischer, kreativer und natürlicher Mensch nicht überleben kann, denn das, was das „Wesentliche“ bedeutet, ist dort, im Land der Menschen, unbekannt.

TEXT: Lila-Zoe Krauß

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gesellschaft

blickkult ckkultur www.blickwechsel-hamburg.de | 53

Jacob M端ller


blickkultur

Juden – Araber? Uns wurde ausdrücklich untersagt, bei der Befragung bei der Einreise zu erwähnen, dass wir Araber besuchen würden, das hätte unsere Befragung vermutlich um einige Stunden verlängert, denn Araber sind in Israel nicht nur subtiler Diskriminierung unterworfen, sondern ganz offensichtlicher: Einmal waren wir in einem Park und haben einige jüdische Jugendliche gefragt, ob wir mit ihnen Fußball spielen können, was sie bejahten. Als wir aber erzählten, dass wir aus Jaffa kämen (dem arabischen Teil TelAvivs) verabschiedeten sie sich geschlossen. Diskriminierung findet auch ihren Weg in die Politik: Denn obwohl 20 Prozent der israelischen Bevölkerung Araber sind, werden nur knapp 1-2 Prozent der administrativen Positio-nen wie Bürgermeister oder Richter von Arabern besetzt. Dies hängt auch damit zusammen, dass es unter Arabern Usus ist, den Wehrdienst von zwei Jahren (für Mädchen) bzw. 3 Jahren (für Jungs) zu verweigern, weil sie entweder den israelischen Staat nicht unterstützen, oder im Ernstfall nicht auf ihre arabischen Brüder schießen wollen. Absolviert man den Wehrdienst in Israel nicht, bleiben einem viele Positionen verwehrt, da den Arbeitgebern eben dieser Dienst wichtig ist.

Der Reisende in Israel TEXT: David Voigt

Israel – ein erster Eindruck Es gibt ein sehr kleines Land, über das man sehr viel hört. Mit rund 7 Mio. Einwohnern auf einem Raum, kleiner als Hessen, hat Israel religiös und politisch vielleicht die höchste Wichtigkeit pro qm². Ich hatte das Glück 2 Wochen mit einigen Freunden dort verbringen zu dürfen. „It is forbidden to wear weapons inside of the airport“ begrüßen uns die Lautsprecher im Ben-Gurion Flughafen in Tel-Aviv. Aha. Ich sollte bald verstehen, warum diese Begrüßung notwendig ist, denn schwer bewaffnete Soldaten sieht man dort an jeder Ecke. Als ich in Jerusalem einen Soldaten mit einer M16 lässig um die Schulter geschwungen, den Verkehr regeln sah, dachte ich schmunzelnd, was die Israelis dächten, wenn sie wüssten, dass bei uns diskutiert wird, ob die Armee im Inneren eingesetzt werden kann.

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Jerusalem – heilige Stätte Das Verhältnis zwischen Arabern und Juden zeigt sich auch in Jerusalem. Dort, in der Altstadt, findet man die beeindruckende Klagemauer (der Rest des Tempels Salomos) vor dem Zionsberg, auf dem nach jüdischen Glauben Gott sein Zuhause hat. Unglücklicherweise steht aber auf eben diesem Berg die Al-Aqsa Moschee, nach Mekka und Medina die drittheiligste Stätte im Islam. Natürlich ist das ein Grund für Konflikte. Und rund um diese Plätze findet man so viele Soldaten, dass sie eher bedrohlich wirken als Sicherheit stiftend. Dass wir Deutsche waren, wurde meist freundlich, manchmal auch abschätzig zur Kenntnis genommen. Einmal wurden wir überschwänglich freundlich begrüßt, weil „wir“ die „fucking jews“ getötet hätten, und mehr als einmal sahen wir, wie der rechte Arm in einem ganz bestimmten Winkel gehoben wurde, als wir vorbeigingen. Es wird ja oft gesagt, dass die Situation in Israel komplex und vielschichtig sei. Wenn man zwei Wochen durch dieses Land reist, gefüllt mit unheimlich netten Menschen und unheimlich vielen, subtilen Ressentiments, merkt man: es stimmt!

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Porträt ... Michael Ende, einer der bekanntesten Autoren unserer Zeit, dürfte den

meisten bekannt sein. Die Bezeichnung „Kinderbuchautor“ lehnte er immer entschieden ab. Seine Bücher beschreiben fantastische Geschichten: Drachen, Zauberer und magische Geschehnisse. Und als was, wenn nicht als Kinderbuch, hat man sie in Erinnerung? Doch dahinter steckt so viel mehr. Nimmt man „Die unendliche Geschichte“ oder „Momo“ in die Hand und überfliegt ein paar Seiten, so passiert es leicht, dass man einfach beginnt, weiterzulesen. Denn hinter der kindertauglichen Handlung verbergen sich tiefe philosophische Fragen und Ideen. Das Thema in „Momo“ beispielsweise ist die Zeit. Die Handlung ist folgende: Ein kleines Mädchen, Momo, wohnt in der Ruine eines alten Amphitheaters am Rande einer Stadt. Niemand weiß, woher sie kommt oder wie alt sie ist, irgendwann ist sie einfach da. Eine Weile später tauchen in der Stadt, in der die Menschen friedlich und zufrieden leben, die „grauen Herren“ auf. Sie erzählen den Leuten, sie kämen von der Zeitsparkasse und reden ihnen ein, sie müssten Zeit sparen, damit sie später mehr davon hätten. Also beginnen die Menschen, ihre Zeit zu sparen, ohne zu merken, dass sie in Wahrheit um ihre Zeit komplett betrogen werden. Da geht Momo, geführt von einer Schildkröte mit Namen Kassiopeia, zu Meister Hora, dem geheimnisvollen Meister der Zeit. Er gibt ihr eine Stundenblume, eine Stunde Zeit, um den Menschen ihre gestohlene Zeit zurück zu holen. Das gelingt ihr, und all die Zeit ist befreit und kehrt zu den Menschen zurück. Ganz offensichtlich steht also die Frage nach der Zeit im Mittelpunkt des ganzen Buches. Ende, der schon früh seine Begeisterung für Theater und Schriftstellerei entdeckte, setzte sich zeitlebens mit vielen philosophischen Fragen auseinander. Oftmals verbindet er einzelne Texte mit Bildern seines Vaters, dem surrealistischen Maler Edgar Ende. In seinem „Zettelkasten“, mit Ansätzen und Kurztexten aller Art zu verschiedenen Fragen und Themen, findet sich unter anderem folgender Gedanke: 56 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

...Michael Ende „Wenn wir ganz und gar aufgehört haben, Kinder zu sein, dann sind wir schon tot.“

„Die Tatsache, dass Zeit messbar ist, also unterteilt werden kann in Tage, Stunden, Minuten, beweist eigentlich – mathematisch –, dass sie nicht unendlich ist, denn eine halbe Unendlichkeit ist ja selbst wieder unendlich und so jeder ihrer Teile. Wäre Zeit unendlich, so müsste es auch jede Sekunde sein. Ist sie aber endlich, so ist sie im Grunde nur Schein in einer zeitlosen Wirklichkeit.“ In Momo nun leuchtet Ende die Zeit von einer gänzlich anderen Seite aus. Das Mystische und trotzdem Gegenständliche kommt zum Ausdruck, beispielsweise in den von ihm beschriebenen Stundenblumen. Plötzlich bekommt die Zeit, irgendwo, an einem geheimnisvollen Ort, den wir nicht kennen, eine Form. Man kann sie vor sich sehen, die Stundenblumen, wie sie erblühen, vergehen, unaufhaltsam. Und jeder hat dafür ein eigenes Bild. Michael Ende hat lange gebraucht, um „Momo“ zu schreiben – sechs Jahre. Doch genau das ist eine seiner besonderen Eigenheiten. Endes Geschichten haben ihren Ursprung oft in flüchtigen Impressionen, die eine Gedankenkette auslösen. Inspiriert von dem, was er erlebt, schreibt er die Gedanken als Rohfassung auf, und als erster Anstoß zu einem vielleicht größeren Projekt. In dieser Weise arbeitet er häufig an vielen Ideen


blickkultur „Wenn unsere Vorstellung von der Wirklichkeit sich ändert ändert sich dann auch die Wirklichkeit?“

Michael Ende

gleichzeitig, holt sie zeitweilig hervor, fügt hier einen Satz und da einen Einfall hinzu, und so reifen die Geschichten über einen langen Zeitraum hinweg zu der schlüssigen Geschichte, die sie am Ende sind. Er selbst stellt das in einem Interview folgendermaßen dar: „Wissen Sie, wie man Kandiszucker herstellt? In eine warme übersättigte Zuckerlösung hängt man Fäden; beim Abkühlen kristallisiert der Zucker an diesen Fäden aus. Genauso geht es mir beim Schreiben.“

Außer „Momo“ sind noch mehrere Zeit-Ansätze Endes entstanden, Kurzgeschichten meist. Doch „Momo“ ist bei weitem das erfolgreichste von allen. Warum? Es ist eine Geschichte, vielleicht sogar ein Märchen; aber ganz sicher und vor allem eine brillante Erzählung. TEXT: Isabella Bopp

Die Geschichte um Momo entstand vor allem wegen einer Uhr, die Ende von einer Bekannten geschenkt bekam. Es war eine Taschenuhr, und sie hatte keine Zeiger mehr. Mitten in einem Arbeitsprozess, der nicht gelingen wollte, betrachtete Ende die Uhr, und in seinem Kopf entstanden die ersten Ideen für „Momo“. Ende schickte das Manuskript einem Verlag, der jedoch zuviel an der Geschichte ändern wollte. Darauf ließ sich Ende nicht ein und verlangte sein Manuskript zurück. Ein junger Verleger nahm Kontakt zu Ende auf und zeigte sich bereitwillig, das Buch zu verlegen. Ein letztes Problem war allerdings noch zu beheben: die Illustrationen. Der Zeichner, den Ende ursprünglich vorgesehen hatte, wurde vom Verlag nicht akzeptiert. Endes zweiter Vorschlag ist, dass er selbst die Illustration übernimmt. Das stößt zwar auch nicht sofort auf Begeisterung, wird aber als Alternative vorerst akzeptiert. Die endgültige Entscheidung für seine eigenen Bilder fällt zusammen mit dem Entschluss, das Buch und den Umschlag vollständig in Sepia zu drucken. Die Zuckerlösung war Kandis geworden. www.blickwechsel-hamburg.de | 57


gesellschaft

Zum Gruseln?! Hubi, unser Versuchskaninchen, hat es ins Kino verschlagen. Dort führte er sich zu Gemüte, was vor und nach ihm Tausende von Vampirfans zu sehen bekamen. Sein Urteil ist vielschichtig. >>Nun gut, zwecks Befriedigung meiner Neugier und zur Bekehrung Irrgläubiger begab ich mich ja an eben jenem vergangenen Wochenende in eines der hiesigen Kinos, um mir dort „Twilight“ anzusehen. Um nicht sogleich meine doch letztendlich sehr eindeutige Meinung zum Ausdruck zu bringen und damit jegliche Diskussion zunichte zu machen werde ich mit dem beginnen, was meiner bescheidenen Meinung nach gut war an diesem Film. Zum einen gefiel mir der rudimentäre Auftritt von Victoria, auch Carlisle fand ich trotz seiner Androgynität nicht so schlecht, wie ich ihn laut Aussage aus dem Bekanntenkreis hätte finden sollen, nur dass der deutsche Sprecher von Orlando Bloom ihn unbedingt synchronisieren musste, halte ich für absolut unangebracht. Aus demselben Grund, wie ich auch den Darsteller von Edward für eine wahnsinnige Fehlbesetzung halte, insofern, als dass gerade für so überschöne Wesen wie die Vamps aus dem Buch nur unverbrauchte, also unbekannte Schauspieler infrage kommen. Man kann von mir nicht erwarten, dass ich Sympathie für Cedric Diggorie aufbringe. Das Haus der Cullens war auch interessant, zwar nicht annähernd so schön, wie ich es mir erträumte, so doch nicht minder innovativ. Die wunderschöne Landschaft und der Pickup von Bella sprechen für sich. Überwogen zu meinem Leidwesen schon die negativen Aspekte des Films, so waren alle Vampire verdammte Fehlbesetzungen! Sie degradierten die tollen Charaktere auf einen Haufen präpubertäre Teenies und asthmatische Seniorenbetreuer mit einem Hang zur Grenzdebilität. Ihre schlechte | Blickwechsel No. 4 | April 2009


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Synchronisation wurde nur von ihrem noch schlechteren Klamottenstyle überschattet, der alles schlägt, was mir in meinen nun schon beinahe 19 Jahren untergekommen ist, und das sage ich im vollen Bewusstsein der Bundeskanzlerin, Dieter Bohlens und meiner Waldorfschulvergangenheit! Jasper, wenn man ihn den im Film mal zu Gesicht bekam, schaute mit einem Blick in die imaginäre Runde, der noch den Dackel meines Urenkels zum Jaulen bringen wird. Sofern ich nach diesem cinematischen Frontalschock überhaupt noch zeugungsfähig sein sollte. Emmetts wunderbare sadistisch sarkastischen Sprüche blieben vollkommen auf der Strecke, da sie praktisch keine Erwähnung fanden. Es kann hierbei allerdings sein, dass ich sie durch den Schleier des Entsetzens nicht mehr wahrnehmen konnte, weil mich sein Jogger-Outfit bis ins Mark erschütterte, wenn er geruhte, sich zu zeigen. Rosalie war hingegen ein äußerst präsenter Auftritt zuzuschreiben, was allerdings zum Löwenanteil daran lag, dass sie einfach beim besten Willen nicht zu übersehen war (und glaubt mir, ich hab‘ es versucht). Sie war dermaßen pummelig, dass ich mir ernsthaft Mühe geben muss, nicht das Wort „fett“ in den Mund zu nehmen. Die gewohnt zickige Wesensart tat da ihr Übriges. Esme wurde meinen Informationen zufolge von einer Desperate Housewifes-Darstellerin gemimt, und zwar einer, die einen Gesichtsunfall erlitt, muss ich noch mehr sagen? Carlisle fand oben schon Erwähnung, dennoch ist ein Wort zu seinem Auftritt angebracht, er war langweilig und schwul, wenn ich mir eine Klischee-Schwuchtel vorstellen sollte, sähe sie so und nicht anderes aus. Edward wurde durch den Lotter-T-Shirt tragenden Cedric dargestellt, glänzte durch eine miserable Schauspielleistung, einen nahezu negativen Sexappeal, rhetorische Stilblüten und seinen lächerlichen Volvo. Man darf von einem Stillooser sprechen, wie er im Buche steht. Alice schliefllich, mein Lieblings-Charakter, trug zwar in ihrer Rolle einen gewissen Charme mit und am Leibe, den noch interessantesten Kleidungsgeschmack, war aber ansonsten praktisch nicht im Film

vorhanden.Charlie hatte noch mit den besten Auftritt, der allerdings nur auf seinem Sarkasmus beruhte und somit nicht voll bewertet werden darf, hinzu kommt, dass er einen Bart trägt, ich finde diesen wahnsinnig spießig. Bella spielte ihre Rolle als Mauerblümchen gut, nur sollte sie dies ja gar nicht, die Bella, wie ich sie zu kennen glaubte, wirkte nicht wie ein spastisches Inzuchtprodukt eines Swanschen Adelsgeschlechts, hätte sie nur mal ab und zu den Mund zugemacht und aufgehört, damit zu zittern wie ein übersensibles Kaninchen auf einem polnischen Drogencocktail im Angesicht russischen Roulettes mit vollgeladener Waffe, um zu allem Überfluss die andere Hälfte des Filmes mit vollkommener Teilnahmslosigkeit zu füllen. Ihr schauspielerisches Talent beschränkt sich aufs Ausrutschen bei Glatteis und der Fähigkeit, gut zu bluten. Die Story schließlich wurde durch einige im Buch so nicht vorhandene Elemente, wie den Mord an einem Freund von Charlie, vergewaltigt, durch die Tenniemovie-Atmosphäre zu einem Film für Mitte/Anfang 13-Jährige, die sich noch nicht von der „ihhhhh – ein Junge!“-Phase erholt haben. Und mich so posthum zu einem der ältesten im Saal machten, ein Umstand, auf den ich gern zu verzichten bereit bin. Auch Edwards großer Lichtblick in der Sonnenlichtungsszene wurde auf ein letztes Aufleuchten eines altersschwaches Glühwürmchens reduziert, ja, er wirkte einfach nur schweißüberzogen. Auch die von mir so mit Spannung erwartete Tanzszene ward im Endeffekt ein Rentnerschunkeln und nicht im Entferntesten das, was ich mir in meinen ohnehin schon gedämpften Träumen auszumalen bereit war. Letztendlich war mit das Beste am Film der innovativ gestaltete Abspann und der victorianische Ausblick auf die Rache selbiger. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Film eine Farce und ein Sakrileg an Stefanie Meyers Buch war, mir aber dennoch einen recht kontroversen Abend bescherte.<< Text: Hubertus Schwarz www.blickwechsel-hamburg.de | 59


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Hörwechsel

Mix Vol. I

Ohren auf! Zum ersten Mal in Blickwechsel: Musik. Gemacht von jungen Künstlern für den Rest der Welt. Eine nicht genau definierbare, dafür umso interessantere Mischung, die sich ihren Weg ohne Zweifel in die verwinkelsten, für gute Laune zuständigen Gehirnwindungen bahnen wird.

Hamburg in den Wintermonaten. Draußen ist es grau und kalt, drinnen wird an der nächsten Blickwechsel-Ausgabe getüftelt. Da kommt eine Nachricht aus Berlin reingeflattert: Krimoun, ein Mensch, der sich die Zeit am liebsten mit Musikmachen vertreibt, hat eine Idee: Blickwechsel und gute Musik, das passt zusammen! Genauer gesagt, eine CD mit guter Musik, die das Heft um ein paar Töne ergänzen soll. Mit dieser Idee im Kopf werden fortan Musiker aus dem Hamburger und Berliner Umfeld gesucht – gefragt und auch gefunden. Das einzige Kriterium dabei: Sei jung und habe Spaß an deiner Musik! Viele E-mails und einige Wochen später beginnt sich langsam eine bunte Mischung heraus zu kristallisieren. So bunt, wie es sich anfangs schon andeutete, ist nun auch das Endprodukt: Angefangen bei gewitztem Hip-Hop, über gitarrenbegleiteten Gesang bis hin zu treibenden Electrobeats haben sich auf der Platte Songs aus unterschiedlichsten Genres vereint. Dabei ist es nie das Ziel gewesen, eine möglichst glatte Zusammenstellung zu finden. Anspruch war es, junge Musik, so wie sie ist, zu präsentieren. Daraus ist entstanden...ein wahrer Hörwechsel!

Hörwechsel

Neben den Musikern haben noch ein paar weitere Leute zum Zustandekommen der CD beigetragen.Zu erwähnen wäre da vor allem Wanja Hüffel, der mithilfe seines Computers, seinen exzellenten Boxen und seines noch exzellenteren Gehörs das Mastering übernommen hat, sowie Philip Wilson, der dank seines beträchtlichen grafischen Vermögens in kürzester Zeit den CD-Aufdruck herbeigezaubert hat. Danke! Inzwischen fängt der Sommer wieder an, draußen ist es nicht mehr grau. Möge der Hörwechsel Eure Trommelfelle zum Schwingen bringen – sei es zum Aufstehen, während des Bus- , Auto- oder Fahrraddahrens, im Unterricht, alleine, zu zweit oder mit vielen!

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Krimoun

www.myspace.com/krimoun

Don‘t Fuss Don‘t Fuss entstand 2006 aus fünf Zehntklässlern der RSS Wandsbek: Toggo (Gesang, Gitarre), Benni (Gesang, Gitarre), Hannes (Gitarre), Peppel (Bass) und Jonas (Drums). Mit selbstgeschriebenen Songs und das gelegentliche Cover im Gepäck, traten sie bei verschiedenen Veranstaltungen auf und fingen irgendwann an, Straßenmusik zu machen. The Ocean, ihr Beitrag zur CD, entstand noch in der Anfangsperiode und wurde erst zu diesem Anlass wieder aufgegriffen, mit neuen Ideen abgestrichen und im Studio eines ehemaligen Schülers während der Frühjahrsferien aufgenommen. Es ist von Benni komponiert und wird von der Band als Melodic Rock mit Spuren von Funk bezeichnet. Die Straßenmucke-Crew – Toggo, Benni und Jonas – hat sich vor kurzem mit Niko (Gesang, Guitarre) und Lilli (Keyboard) zusammengeschlossen und spielt jetzt wieder EGitarrenmusik mit Elementen aus Blues und Raggae.

Als Sohn eines marokkanischen Vaters und einer französisch-deutschen Mutter wuchs Krimoun in Berlin auf und ging dort nach zwei katastrophalen Jahren auf der Staatsschule in verschiedene Waldorfschulen. Hier erlernte er einige Instrumente, womit er das Musikmachen noch einmal anders begreifen konnte. Schon im frühen Alter sang Krimoun alles, was er hörte, auswendig. Mit 13 entdeckte er Hip Hop und versuchte sich das erste Mal bewusst im Texteschreiben. Der Umgang mit der Sprache und die starke Rhythmik faszinierten ihn. Das änderte sich bald, nach einem kleine Abweichen in den Punk zu Reggae und Dancehall. Hier konnte er seine afrikanischen Wurzeln in der Musik wiederfinden und verschwand in der Berliner Reggae-Szene, was zu kleinen Auftritten im So 36, Yaam und Geburtstagsclub führte. Gleichzeitig lernte Krimoun auch das Auflegen von CDs und arbeitete in unregelmäßigen Abständen in verschiedenen Clubs in Berlin, vor allem aber in Marokko. Die Bindung zu Afrika war für Krimoun von jeher prägend. Krimoun kann man als wahrhaft multikulti bezeichnen, da seine Ahnen aus Marokko, Deutschland, Frankreich, Mali und Spanien kommen. Dieser Mix forderte natürlich die Frage nach dem: „Wer bin ich und wo gehöre ich hin“? Diese Fragen spiegeln sich immer wieder in Liedern wie „Goin‘ to know“. Im Laufe der Zeit erlernte Krimoun auch das Musizieren mit dem Computer und das Produzieren. Über myspace knüpfte sich der Kontakt zu Mäx Träx, der die nun bald erscheinende Ep „Schritte ohne Wut“ teils produzierte, komplett aufnahm und mixte. Ein weiteres Projekt mit Jbluba und Mshe Naan wird noch in den nächsten Monaten veröffentlicht. Man darf also gespannt sein. Alle kreativen Menschen – Musiker, Designer, Veranstalter – sind eingeladen, in Kontakt zu treten und Projekte zu starten. Krimoun freut sich!!


blickkultur

Chiefchiller

www.chiefchiller.com

Als Partygag machten Raimund Höfer und Martin Keim 2005 zum ersten Mal zusammen Musik. Der für die Abschiedsparty einer WG geschriebene Song machte nicht nur den beiden Laune, sondern auch den Partygästen, und so gründeten die beiden kurzerhand die ChiefChiller. Noch am Bodensee entstand das nächste Lied: „Viva la Waldorf“, denn Martin und Raimund, beide ehemalige Waldorfschüler, hatten selbst erlebt, was es heißt, als Waldorftrottel abgestempelt zu werden. Der Song mauserte sich schnell zu einer Art Hymne, und inzwischen kennt wohl jeder Waldorfschüler diesen Track. Bis heute haben die beiden süddeutschen Hamburger Jungs ihr Repertoire an „Tip-Top Hip-Hop Reggae Pop“ deutlich ausgeweitet. Das Album fast fertig tourten die ChiefChiller im letzten Jahr durch Deutschland und rockten ein paar Waldorfschulen – so long „rock on“.

Indeed Flo aus Berlin macht seit bald zwei Jahren elektronische Musik. Begeistert von großen DJs und Produzenten wie Ferry Corsten, van Dyk und Deadmau5 und von Duos wie Cosmic Gate, Blank and Jones und Daft Punk gehen seine Tracks in Richtung Techno mit einer Vorliebe für Trance. www.myspace.com/beatindeed

Luke Janson Luke Janson ist das, was entsteht, wenn eine Reggae-band auseinanderfällt und sich ihr Keyboarder auf Technofeten herumtreibt. www.myspace.com/lukejanson

62 | Blickwechsel No. 4 | April 2009


Jamila Al-Yousef begann mit 14 Jahren Songs zu schreiben und beschäftigt sich mit Liebe, Leben und derm Sinn hinter alledem. Neben Gitarre und ein wenig Schlagzeug haut sie leidenschaftlich gern in die schwarzweißen Tasten und singt sich aktuell damit durch Berlin, wo sie eine Studienvorbereitung für Jazzgesang macht. 2008 war sie an der HfMT Hamburg beim Popkurs und sang im Sommer davor im Landesjugendjazzorchester Mecklenburg-Vorpommern. Einige ihrer Songs findet man auf www.myspace.com/jamilaterne

Hannah de Freitas geboren und aufgewachsen in Kapstadt, Südafrika, hatte das Glück, in einem musik- und kunstliebenden Elternhaus erzogen zu werden. Der Track ist einer der ersten Records, aufgenommen, als sie 15 war. Mit 13 Jahren hat sie begonnen, Lieder zu schreiben, gleichzeitig bekam sie ihre erste EGuitarre . „Ich habe schon immer Freude am Musikmachen und Musikhören gehabt, aber natürlich macht mir das Musikmachen am meisten Spaß! Und zwar, weil es die beste Möglichkeit für mich ist, mir und dem, was mich bewegt, Ausdruck zu verleihen. Liederschreiben erlaubt mir, das zu sagen, was ich wirklich sagen will.Ohne Musik wäre ich eine traurige Person auf einem sehr stillen und einsamen Planeten!“

The Addicts „Nachdem wir anfingen, knarzende Basslines der akustischen Musik vorzuziehen, merkten wir schnell, dass es uns nicht mehr reichte, unsere Droge intraohrös zu konsumieren.So machten wir uns mit der elektronischen Zusammensetzung sowie den Destillationsverfahren vertraut und begaben uns auf die Suche nach individuellem Sound. Nach den ersten Versuchen merkten wir, dass wir weder vom Destillieren noch der Zusammensetzung eine Ahnung hatten. Durch Verfeinerung der Rezeptur gelang es uns jedoch, immer mehr einen unseren Vorstellungen entsprechenden Klang zu entwickeln.“ www.myspace.com/theaddicts911 www.blickwechsel-hamburg.de | 63


blickkultur

La Combo Dynamo La Combo Dynamo waren eine neunköpfige Reggaetruppe, die bis Mitte 2008 zwischen Kiel und Hamburg gute Laune verbreitete. Zu Anfang noch sehr Ska-betont, entwickelte sich die Musik zu drückendem Reggae mit DubElementen und starken Hip Hop-Einflüssen. Wegen der Abwanderung einzelner Mitglieder verflüchtigte sich die Band dann im Sommer 2008 und gab den Platz für neue Projekte frei. www.myspace.com/combodynamo

AgitPop Nach dem Zerbröseln von La Combo Dynamo stellte sich die altbekannte Frage: „Was nun?“ Da wir Hip Hop und Reggae unseren Heimathafen nennen dürfen, begannen wir genau damit. Auf neuerdings synthetischen Beats von Lukas Buse hört man Jonas Parr die Moralkeule schwingen. www.myspace.com/agitpopmusic

Manja Es sind Themen wie „Soldaten“ und „deine Kinder“ die MANJA in ihren Liedern anspricht, aber auch, wie es wohl wäre, Prinzessin zu sein, die Welt zu retten oder einfach frei sein zu können... Gefühle und Ansichten, die viele nicht mal annähernd erläutern könnten, schreibt und singt sie auf vorwiegend Reggaeorientierte Instrumentale und macht diese der Öffentlichkeit zugänglich. 2007 trat sie für Sachsen bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest mit ihrem Song „Es ist die Liebe“ an. Danach hieß es, ohne Label neue Wege finden, die Skizzen stapeln sich, der Hörerkreis wächst täglich mit. Im Dezember 2008 erschien ihr Album: „Wenn du die Zeit hast?“ das in Zusammenarbeit mit PhilHarmony produziert wurde. www.myspace.com/originalsingjayphilharmony www.myspace.com/firegyal520 64 | Blickwechsel No. 4 | April 2009


Izza und Sick

www.myspace.com/izzaundsick

„Wir sind ´n Haufen Jungs, die alle dieselbe Leidenschaft haben: Musik. So kam es, dass wir uns nach einiger Zeit zusammengefunden haben. Noel, der sich schon länger die Zeit mit „Basteln“ vertreibt, hatte mit Izza bald einen Veredler seiner Beats gefunden. Durch diesen kam dann auch der Kontakt zu Wanja, der sich in seinem Zuhause ein kleines, aber feines Homestudio aufgebaut hat. In diesem Kabuff, das er gleichzeitig sein Zimmer nennt, ist Wanja hauptsächlich am Schrauben von Elektrobrettern. Dies geschieht unter dem Namen „Kellerklangwerk“. So kam es dann, dass sich alle drei zusammenfanden und die ersten Zeilen in Richtung Mic geschossen wurden. Nicht viel später kam dann Sick dazu, der auch schon vorher einmal Bekanntschaft mit dem Mikro im Keller machte. Die Beats von Noel sind kreativ gestaltet und überraschen immer wieder. Die Inhalte der Texte reichen von ironischer Selbstverherrlichung bis hin zu Tracks über das Leben an sich, sowohl melancholisch als auch ironisch. Die Texte sind sehr reim- und flowfixiert, weswegen unser Sound wohl auch oft als Oldschool bezeichnet wird. Das einzige, was zurzeit noch fehlt, ist ein Name, der alle vier Köpfe der Crew umfasst, und nicht nur zwei. Bis dahin haben aber scheinbar erstmal alle ihren richtigen Platz gefunden, sind heiß und gucken mit Böcken und Elan in eine reim- und beaterfüllte Zukunft.“

JBlubba JBlubba wurde durch die große Bongwasser-Tsunami von 1979 an den Strand einer kleinen Insel am Rande der Milkshake-Straße gespült und hatte sich dort wie einstmals Rappinson Cruise-Yo gerade gemütlich in ein paar Baumhäusern am Waldesrand mit Blick aufs Meer eingerichtet, als völlig unerwartet ein großes Schiff mit vielen Bauarbeitern auf der Insel landete, um dort ein modernes Ferienparadies für Soldaten auf Fronturlaub einzurichten. In seiner fröhlichen Ruhe durch solch unfriedliches Volk gestört, beschloss JBlubba, dass es an der Zeit war, zu den Menschen zu sprechen und trat an den SwimmingPool des Hotelkomplexes, um seine Botschaft kundzutun, die da lautete: „Soldaten, höret auf zu kämpfen, leget auf allen Schlachtfeldern dieser Erde die Waffen nieder und traget stattdessen die Nachricht von Frieden, Verständnis und Liebe in die Welt.“ Die Soldaten waren so beeindruckt von JBlubbas Vortrag, dass nicht nur sie selbst der Gewalt für immer abschworen, sondern auch alle anderen Soldaten zum fröhlichen Desertieren bewegten. Seitdem gibt es keinen Krieg mehr, die ganze Erde ist nur noch ein großes Land ohne Grenzen und alle Menschen leben glücklich und in Frieden. Und wenn er nicht gestorben ist, dann rappt er noch heute.

www.myspace.com/jblubba www.blickwechsel-hamburg.de | 65


gesellschaft

Mission 4 24 h Toilette Zeit fühlen! Das wollte Hubi, unser Versuchskaninchen, und ist dabei auf die mehr wahnsinnige als geniale Idee gekommen, so lange in einem Raum auszuharren, bis der kleine Zeiger einmal seinen Kreis gemacht hat. Was bedeutet das konkret? Er verbrachte einen Tag und eine Nacht in einer Toilette...

Ich bin hier und mir ist schlecht… Wer hat das noch mal gesagt? Egal, klingt gut und passt, wobei letzteres wahrscheinlich nur auf meinen momentanen Gemütszustand zurückzuführen ist. Die Uhr teilt lautlos mit dem Zeige(Finge)r mit, das es kurz nach Mitternacht ist. Begebe mich murrend mit Sack und Pack in bisher unbekannte Gefilde meiner Heimathöhle. Zeit ist Verharren, und Verharren heißt ausharren, und per Definition ist die Zeitspanne, die man ausharrt, auch diejenige, wie lange man etwas aushält. Beitrag zum Thema von Hubi, also aushalten, tue das erstmal mit Weiterschlafen, Exkurs hub probt Ende! Aufwachen, eigentlich aufdösen, da man geschlafen haben muss, um aufzuwachen. Handyuhr kräht mir ein stumm hämisches 7.25 Uhr entgegen. Zeit zum Umdrehen und Weiterdösen, geht aber nicht, Lärm und Enge tun ihr Übriges. Welcher intelligenzresistente Denklegastheniker hat sich diese beeindruckend sadistische Idee einfallen lassen?! Mist, Suche nach dem Täter führt auf relativ geradem Wege zum Opfer zurück, also doch Masochismus. Auch gut, einen allzu großen Unterschied macht es ja wirklich nicht, nur: sich selber zu lynchen stell ich mir gar nicht leicht vor. Möchte, nein, will nicht! Es ist 8.30 Uhr, ich sollte in meiner Lehranstalt sitzen und versuchen, zumindest den Anschein von Interesse zu heucheln, gelingt eh schon viel zu selten. Stattdessen Sitzen, Frieren im viel zu kalten Gästeklo ... 66 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

ja, Klo! nicht Toilette oder Häusel, denn es beschreibt den Lokus einfach mal am treffendsten, kompakt, mit einem „o” und wunderschön asymmetrischer Lautsprache. Mein persönliches Häusel ist etwa 1,50 x 1,50 m² groß, beinhaltet Toilette, Waschbecken, Thermometer (es ist zu kalt, 20°), und seit nun etwa 45 Minuten, meinen Labtop, ein Kissen plus Decke alias Scheißteil-du-bist-zu-kurz!, amerikanische XXL Peanutsbutter (crunchy) und mich, Wesen (schlechtgelaunt, übermüdet, fahl bis gelblicher Teint, Mumie). Wesen im Spiegel wirkt wie etwas, was sich hier zum Sterben zurückgezogen hat… Korrektur, Wesen sieht aus wie etwas, was sich vor langer Zeit hier zum Sterben zurückgezogen hat, sich umentschied, die Tür nicht mehr fand und dann an einer KohlenmonoxidVergiftung krepierte. Was im übrigen gar nicht so abwegig ist, man erstickt nicht etwa in Räumen mit zuwenig Luft, sondern würde vorher an einer Kohlenmonoxid Vergiftung sterben, verreckt im eigenen Sud, sagt die Glotze. Vermiss Sie. Mich abschalten, sie anschalten, nicht denken nur füllen lassen, am liebsten mit Werbung, und am allerliebsten mit Werbung von Crunchy Peanutsbutter, süßes Mädchen, heiße Figur. Bin ihr mal in der Hauptstadt begegnet, im Fahrstuhl. Grüßen, sie erwidert es nicht. Sah auch scheiße aus, wobei, sie auch, dann war sie es wohl doch nicht. Möchte sie wiedersehen, nicht im Fahrstuhl, in deWerbung, dort lächelt sie, lächelt mich an, nur mich.


Es ist 9.15 Uhr, hab die letzte Stunde damit verbracht, zu versuchen die Decke parallel gleichmäßig über mich zu verteilen, wie auch die eisigen Kacheln unter mir, was nicht geklappt hat. Zuviel Ich und zuwenig Decke. Denke, es heißt Fließen und nicht Kacheln, Kacheln sind Fließen mit aufstrebenden Ambitionen. Bin immer noch wütend auf Scheißteil-du-bist-zu-kurz! Immerhin brauche ich Schlaf, möglichst viel, möglichst störungsfrei und möglichst jetzt. Letztendlich riefen meine Bemühungen, Erzeuger 1 auf den Plan, lenkte mich insofern von meinem Tun ab, als dass er sich vor Lachen nicht mehr einbekam. Depp, nicht mal „guten Morgen“ gesagt, nur gelacht, jetzt sag ich auch nichts mehr, bin präpubertär und wühle weiter schweigend in Scheißteil-du-bist-zu-kurz! Erzeuger 2 rückt an, wahrscheinlich angelockt durch Erzeuger 1. Danke auch. Jetzt wird es demütigend, soll mich rechtfertigen, soll sprechen, artikulieren, nach Möglichkeit dabei auch kommunizieren. Was ich hier suche, warum ich nicht in der Schule sei? Da suchen? Nein, schon viel zu oft in der Schule nicht das gefunden, was ich dort suchte. Fiel mir alles andere als leicht zu begründen. Kopfschütteln, flehender Blick… abwarten… klappt, super und tschüss, ich wieder meine Ruhe. Weshalb eigentlich „Kopfschütteln” fürs Verneinen, und nur „Nicken” für eine Bejahung, warum nicht nur Schütteln und Nicken? Spart Mühe und Tippfehler. Werde das bei Gelegenheit anregen, das Schütteln und Nicken, am besten gleichzeitig, macht die Sache spannender. Blick auf die Uhr, nochmal, 11.32 Uhr, hab geschlafen, glaub ich. Schmerzen im Rücken durch Verrückung der Wirbelsäule, Ausstrecken wäre schön, aber im Liegen, nicht im Stehen, dazu fehlen Kraft undMotivation. Versuch gescheitert, sich auf 1,50 m² vollkommen zu entfalten, fällt schwer, zumindest mir. Hab von einem Mann gelesen, der sich versteckt hat vor der größten Gang der Welt, auf nem Dachboden, 40 Jahre lang. Nichts mehr mitbekommen, damals wie heute, nun ja, wenn ihm keiner sagt, dass die Nazis weg sind… könnte mir auch passieren. Vor lauter Ekel die Luft anhalten und daran ersticken, totes Röcheln, Pling! Erkenntnis, die Nazis haben ja auch schon ausgeröchelt, cool ade, ihr Flöten. Mal sehen wie lange ich mich hier verstecken kann, zumindest hab ich eine etwas höhere Zelle als der Kerl. Fenster auf, Fenster klemmt, Fenster schlagen, Fenster spurt, Frischluft… Frische, stinkende Großstadtluft, geschwängert von Fett, Schweiß und dem Dunst der Menschen, widerlich, aber auch natürlich, geradezu widerlich natürlich. Ich kann sie riechen, trotz geschwollener gebrochener Nase, den Geruch der Morologie, sie wird dort draußen gelehrt, andauernd und ohn Unterlass, aber niemals laut, die Lehre der Dummheit. Morologie, und ich kann dich riechen, kann spüren, wie du in die Köpfe der Menschen kriechst und sie zwingst, Werbung mit sexy drogenverzehrten Frauenkörpern anzusehen, vollgeschmiert mit Erdnussbutter. Zwingst mich das zu tun, ich hasse dich. www.blickwechsel-hamburg.de | 67


hubiprobt Es ist 13.00 Uhr, bin erstaunt, soweit man in meinem Zustand noch von Erstaunen sprechen kann. Wo ist die Zeit geblieben, wahrscheinlich tot, erstickt an monologisch schlechter Atemluft der Menschen. Habe Hunger, präziser: mein Magen sagt, er hat Hunger, oder sage ich nur meinem Magen, er soll meinem Hirn mitteilen, dass ich Nahrung brauche? Weiß nicht, auch egal, Exkurs ende, Hunger!

Anrufbetörer springt mich an, oder vielmehr meine Hirnwindungen. Träume von wärmeren Zeiten und heißeren Nächten, von vergangenen Sommern in höheren Schichten der Gesellschaft, wie der Atmosphäre. Julie wär schön, Sommerregen und die Ruhe vor dem Gewitter. Anruf in Abwesenheit, Verwunderung steigert sich ins Unermessliche, war doch da, oder nicht?

Handy ein, Handy aus, ewig falsch Stakkato immer selber Tastentöne.Immer noch Hunger, 14.30 Uhr, die Zeit lebt doch noch, ist im genau falschen Moment wieder zurückgekommen und breitet sich nun hier in meiner Zelle aus, riesig groß und unüberwindbar. Was willst du bei mir? Keine Antwort, vielleicht weil hier der einzige Ort ist der nicht morologisch toxisch ist, Letzter Hort universeller Weißheit, Damenklo.

Anonymer Anrufer, was, wenn ich nun den einen Anruf verpasst habe? Den einen von der anderen Seite, der kurz die Verbindung herstellen konnte? Scheiße, das schreit nach Ablenkung. Julie aus und Shantel an, besser. Kenne die Decke besser als mich selbst, weit besser, lustige Feststellung, muss lachen, mein Echo lacht mit. Wir lachen zusammen. Könnte was zu essen vertragen, was Fettiges, möglichst ungesund und möglichst widerlich, ob der hyperventilierende Smiley-Mensch auch auf meine Damentoilette kommt? Handy tot, Akku leer. Spontane Schweigeminute zum Gedenken, die in der mittlerweile 19. Schweigestunde untergeht und sich nahtlos einreiht. Darben, Gären in eigenem Sud.

Dame oder Herr? Ist mein Gästehäusel weiblich oder maskulin? Finde feminin, mir gefällt dir Vorstellung, in einem weiß gekachelten Uterus zu hocken und auf mein Essen zu hoffen. Höre Musik und dann Schritte, höre Affen mit Fieber und dann meinen Bruder. Rufen, hoffen, horchen. Er hört mich, ist pissig, inhaltsleerer Lehrertwist, vermieste ihm den Tag und nun mir die Aussicht auf Nahrung. (Soll ich betteln? Nein, bin immer noch doppelt so alt, verlange Respekt… falscher Weg.) Erbarmen und Einsicht gehen Hand in Hand und verhelfen so zu köstlich kalten Pizzabrötchen von scheinheilig grinsendem Smiley, sehr rot, der Smiley, wahrscheinlich zu hoher Blutdruck, lautet fachmännisch spontane Prognose. 15.06 Uhr, befriedigt, vorerst, schreibe wieder, hacke die Tasten des Labtops in Grund und Boden, Krieg, Krieg der Tastaturen mit mir, Allianz größtmöglicher Ignoranz. Verlangen wieder da, diesmal nach blau, himmelblau. Aber das Fenster ist zu schmal und der Himmel zu grau. Labtop muss herhalten, sehe mir die Fotovorlagen an, und wünsche meine Zelle an einen Ort mit doppelt so viel Strand und Palmen. Computer mault, schiebt Hunger, möchte Strom, bekommt aber keinen, mangels Steckdosen, schade. Sparmodus… Kafka wäre gut, möchte auch ein Käfer sein, Kakerlaken essen doppelt so schnell, wenn sie Heavy Metal hören, probier dasselbe mit mir und tippen, funktioniert nicht, Krampf im linken Zeigefinger. Akku sagt 30% Spiel- und Spaß-Einheiten frei, Handy sagt 18.17 Uhr. Spiele Snake, gewinne gegen mich, besser gegen meine Highscore. Rekordhalter, und zwar einsamer, hätte wirklich gern jemanden zum Reden. Also zweckendfremde ich mein Handy und rufe an, erst mich selbst, bin mir grad als Gesprächspartner am liebsten, versteh mich auch öfter als andere, wobei, in letzter Zeit eigentlich gar nicht. Vielleicht weiß ja ein anderer Rat und bescheid, aber wer? Zu viele Kontakte zu wenig Freunde. Freundin anrufen, abwesend, 68 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

22.56 Uhr. Sollte langsam mal mit meinem Fazit beginnen, Laptop steht kurz vorm Exitus, und ich stehe kurz davor ,mich selber so zu fühlen. Im Hintergrund, Rammstein, keine Lust, Textverständnis deckt sich nahtlos mit dem Empfinden der momentanen Situation und Gefühllage, und mir ist schlecht. Stunde noch, dann hat die Qual ein Ende, fiebern, daraufhin fiebern, eigentlich beides, zumindest gefühlt. Falls doch noch mein Ableben eintritt hier der Appell an die Nachwelt: 1. Ohne mich ist alles plöt! 2. Mir ist schlecht und das ist gut so. 3. Wenn jemand es schafft, diesen Gonzo Text zu Geld zu machen, so hat er meinen Respekt! 4. Ich seh euch trotzdem noch! 5. Verschanzt euch nie in verlockenden PseudoDamentoiletten! Appell Ende. Kommt nur mir das so asymmetrisch vor? Zieht sich hier auf jeden Fall alles, könnte paar Rechtschreibfehler einbauen, damit die Rektoren auch was tun für ihr Geld. Wobei, Legastheniker, denke ich habe vorgesorgt. 23.38 Uhr = keinen Nerv mehr, aber die paar Minuten halt ich jetzt noch aus….Erzählt was, hätt‘ ich jetzt gesagt, aber keiner außer mir da, und ich hab keine Lust, ich bin nur hier und mir ist schlecht… ...herzlich und zum letzten Mal, euer


perspekt erspektive

Lukas Stolz


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Sumsan ea feuisci tate facipis alit ulpute tat ea autpat illa facip etummy nibh enim quamet, sit la commy nullutpatum in henibh exer sim ent am, sed eugue dit ut dolenit luptao eu facil endiat. Duis dunt luptat.Giam in hent veliquipsum zzriliquam, velesenis augait ex ex esse tiscipsum erostis sequissi.Andipit la aliqui ncill amcortisi.Venim ipsuscin henim dolummy nosto dolor incinim quam, volenit erit lore facinisim vent nibh et augue ea conulput praestrud olor inisim atetue tie dipismo lortin heniam, vel ip endre dit ad te er alit utat. 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Zeitung machen Nach vier Ausgaben haben wir gemerkt: Es ist Zeit. Zeit, den Blickwechsel zu beenden, um Namen und Anspruch treu zu bleiben und einen neuen Blickwechsel zu ermöglichen. Jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem die bestehende Form nicht mehr getragen werden kann. Das haben wir während der Arbeit an dieser Ausgabe gemerkt. Manche Redaktionsmitglieder nehmen neue Aufgaben in Angriff, andere entdeckten bisher ungekannte Interessen, sodass es jetzt angebracht ist, einen Schnitt zu machen. An alle, die daran interessiert sind, ein neues Medium zu schaffen, um wichtige Themen in den Mittelpunkt zu rücken: Zeigt Euch, damit etwas Neues entstehen kann: sei es eine Zeitung, Internetseite oder etwas ganz anderes. Das Know-How der Blickwechsel Redaktion besteht weiterhin und warten darauf, dass es eingesetzt wird. Deswegen: Meldet Euch, damit zusammen mit Leuten der bestehenden Redaktion überlegt werden kann, wie man dem Impuls, etwas zu tun, in Zukunft Ausdruck geben könnte. Kontakt: info@blickwechsel-hamburg.de Wie genau ein neues Projekt aussehen könnte, hängt von den Ideen und Vorstellungen derjenigen ab, die zusammenkommen.

Danke! Unsere Arbeit wurde erst ermöglicht durch die unzähligen Menschen, die uns unterstützt haben. Das sind erstmal natürlich alle Leser, die mit ihrem Interesse der Grund der Zeitung waren und sind. Aber um Gedanken zu Papier zu bringen, also die Druckkosten und andere Dinge, die anfallen, zu bezahlen, braucht man Geld. Für jede Ausgabe wurden uns deshalb von der Gemeinnützigen Treuhandstelle Hamburg (GTS) 400 € zur Verfügung gestellt und damit die notwendige finanzielle Grundlage bereitet. Dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken! Ein großer Dank gebührt auch dem Rudolf Steiner Haus, in dem so manches Treffen abgehalten wurde, sowie den Menschen, die an ihren Schulen den Verkauf organisiert haben, und denen, die uns beraten, kritisiert und damit bei der Weiterentwicklung geholfen haben.


Mitarbeit an dieser Ausgabe: Tobias Borck Jacob M. von Verschuer Jacob Müller Maja G. Manu Mona Doosry David Voigt Kim-Fabian von Dall‘ Armi Gregor Steinle ...und alle Künstler der Hörwechsel CD

David Kurth *1990

Hannah Zewu-Xose *1992

Ex Schule: Bergedorf Job: Master of Design kurthie@hotmail.com

Schule: Wandsbek Job: Blickkultur Hannah.zx@gmail.com

Hubertus Schwarz *1990 Schule: Bergstedt Job: Hubi probt! hubertus.schwarz@gmx.de

Ein großer Dank geht an:

Gemeinnützige Treuhandstelle Hamburg (GTS) e.V., Landes-Arbeits-Gemeinschaft der Hamburger Waldorfschulen, Rudolf-Steiner-Haus Hamburg, Annette Bopp und Kim-Fabian von Dall‘ Armi (Unterstützung bei der Schlussredaktion) Sowie an alle Menschen, die mit Ihrem Zutun dazu beigetragen haben, dieses Projekt zu ermöglichen.

Jakob May

Schule: Bergstedt Job: Bänker jakob@diemays.net

*1991

Inga Schulz *1991

Schule: Altona Job: Schreiber inga.schulz@online.de

Isabella Bopp *1991

Schule: Wandsbek Job: Leichte Lektüre isabella@annettebopp.de

Impressum Wer ist Wer

Lukas Stolz *1991

Schule: Wandsbek Job: Chef lukas.vancouver@gmail.com

BLICKWECHSEL persönlich.

Lila-Zoe Krauß *1994 www.blickwechsel-hamburg.de info@blickwechsel-hamburg.de c/o Mellande 36, 22393 Hamburg Druck Drucktechnik Altona www.drucktechnik-altona.de

Schule: Wandsbek Job: Schreiber yarilila@hotmail.com

72 | Blickwechsel No. 4 | April 2009

Schule: Bergedorf Job: Schreiber fee.j@hotmail.de

Schule: Nienstedten Job: Schreiber nina_5765@yahoo.de

Kontodaten BLZ: 43060967 - GLS Bank Kto. Nr. 2019496500 Kontoinhaber: Jakob May Blickwechsel ist eine nichtkommerzielle, unabhängige Jugendzeitung. Die Zeitung finanziert sich nicht durch Werbung, sondern über Fördergelder und Spenden sowie den Verkauf. Blickwechsel erscheint bis zu 4mal im Jahr bei einer Auflagenstärke von 1000 Stück.

Felicitas Jarchow *1993

Nina-Marie Kühn *1991

Carlotta Strauß *1989 Schule: Bergstedt Job: Lyrik carlotta@huettche.de

Katharina Gerszewski *1991 Schule: Altona Job: Schreiber globalnormal@arcor.de

Anna Petersen *1991

Schule: Wandsbek Job: Chefin anna.marit.petersen@gmail.com


Kim-Fabian von Dall窶連rmi >



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