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Gepflegtes Wasser
Ein Hallenbad braucht eine ganze Armada von technischen Anlagen, damit der Badespass ungetrübt bleibt. Martin Filliger, Betriebsleiter des Aquacenters in Kerns, gibt uns einen Einblick.
Wie viele Kilometer Rohre und Leitungen schlängeln sich durch den Untergrund des Aquacenters in Kerns? Bei dieser Frage muss Martin Filliger passen. Nicht deshalb, weil er erst seit Dezember Betriebsleiter ist, sondern weil das wohl niemand so genau weiss Die Gesamtlänge muss jedenfalls enorm sein, wie ein Rundgang durch das Labyrinth mit all den technischen Anlagen beweist.
Martin Filliger gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen eines Hallenbads Oder besser: unter die Kulissen Denn der grösste Teil der technischen Anlagen befindet sich im Untergeschoss des Aquacenters Der Kontrast zwischen oben und unten könnte kaum grösser sein: Während die Schwimmbecken am frühen Morgen spiegelglatt, frisch geputzt und in weiträumiger Stille auf die ersten Gäste warten, wähnt man sich im Untergrund in einer Bunkeranlage In den Gängen hört man das Wasser durch die Röhren rauschen Regelmässig schaltet sich ein Kompressor ein, der die Ventile
Eine riesige Tafel im Untergeschoss dient als Orientierungshilfe. Hier sind alle Anlagen abgebildet, die für das Sportbecken (oben links) nötig sind Unten links ist das Ausgleichsbecken zu sehen Beim blauen Zylinder handelt es sich um einen riesigen Sandfilter Rechts sind unter anderem die Chlorierungsanlagen abgebildet öffnet und schliesst, welche wiederum die Pumpen und technischen Anlagen steuern. «Manchmal merkt man schon, dass ein Teil der Infrastruktur 50 Jahre alt ist», sagt Martin Filliger lachend
Dass man ein öffentliches Schwimmbecken nicht einfach mit Leitungswasser auffüllen und sich dann tagelang zurücklehnen kann, liegt auf der Hand Und trotzdem staunt man über all die Anlagen, die nötig sind, um ein Hallenbad zu betreiben
Reinigen und heizen
Badegäste haben grundsätzlich zwei Anforderungen an das Wasser: Es muss sauber sein und es muss eine angenehme Temperatur haben Und genau darum kümmert sich ein Grossteil der technischen Anlagen im Untergrund: um die mehrstufige Reinigung und die Aufwärmung «Aufwärmung» tönt zunächst simpel – wären da nicht verschiedene Becken und Ansprüche «Wer etliche Längen im Sportbecken krault, mag das Wasser lieber ein paar Grad kühler als jemand, der sich im Wellnessbecken ent- spannt», erklärt Martin Filliger Entsprechend haben die verschiedenen Becken eigene Wasserkreisläufe Geschlossene Wasserkreisläufe sind aus einem weiteren Grund nötig: Wenn beispielsweise zehn Personen in ein sauberes Schwimmbecken springen, schwappt gleich eine grosse Menge Wasser über die Ränder und fliesst in die sogenannten Überlaufrinnen rund ums Becken Allein schon aus ökologischen Gründen wäre es unsinnig, wenn dieses saubere und aufgeheizte Wasser gleich in der Kanalisation verschwindet Deshalb haben grössere Schwimmbäder im Untergrund ein Ausgleichsbecken, das Schwankungen ausgleicht und mit einem Rücklauf dafür sorgt, dass der Pegel des Schwimmbads konstant bleibt Das Sportbecken in Kerns hat ein Volumen von 195 Kubikmetern, das dazugehörige Ausgleichsbecken im Untergrund fasst 25 Kubikmeter Wasser.
Natürlich kann das Wasser trotz verschiedenen Reinigungsschritten nicht fortwährend im geschlossenen Kreislauf bleiben Deshalb wird kontinuierlich auch Frisch- wasser in den Kreislauf gespeist und «altes» Wasser entfernt Für die verschiedenen Becken im Kernser Aquacenter werden pro Badegast täglich insgesamt rund 30 bis 50 Liter Frischwasser benötigt Rechnet man die Duschen und andere sanitäre Einrichtungen hinzu, kommt das Aquacenter auf einen täglichen Wasserverbrauch von 20 000 bis 25 000 Litern Ein grosser Teil dieses Wassers wird allerdings nach verschiedenen Reinigungsschritten wieder in den natürlichen Wasserkreislauf abgegeben
Die Reinigung des Badewassers ist dann wieder eine Wissenschaft für sich Grundsätzlich lässt sich zwischen mechanischer und chemischer Reinigung unterscheiden Um die mechanische Reinigung kümmern sich im Aquacenter zwei Sandfilteranlagen, die mehrere Meter hoch sind, sowie ein Aktivkohle-Filter Bei einem Sandfilter rinnt das Wasser von oben nach unten durch einen speziellen Sand – dadurch werden Fremd- stoffe (z B Haare) und Schmutzpartikel zurückgehalten Jeder Filter wird einmal pro Woche automatisch gereinigt, und zwar mittels einer sogenannten Rückspülung mit grossem Druck von unten nach oben
Klare gesetzliche Vorgaben
Die Sauberkeit des Wassers in den einzelnen Becken wird rund um die Uhr gemessen «Je nach Verschmutzungsgrad ‹fordern› die Becken die Zugabe von Chlor an», erklärt Martin Filliger Auch Ozon und UV-Licht werden zur Desinfektion eingesetzt Die Zugabe von Chlor – in konzentrierter Form ein giftiges Element – ist klar geregelt Deshalb kann die Betriebsleitung nicht einfach auf Nummer sicher gehen und möglichst viel Chlor ins Badewasser schütten.
Die Reinigung und Verschmutzung – also die Einhaltung der Wasserhygiene – wird auch von den kantonalen Behörden geprüft
In Obwalden ist hierfür das Laboratorium der Urkantone zuständig Geregelt ist die Qualität von Badewasser in der eidgenössischen «Verordnung über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen» Der Einsatz von Desinfektionsmitteln dagegen ist in der 80-seitigen «Verordnung über das Inverkehrbringen von und den Umgang mit Biozidprodukten» festgeschrieben
Nebenbei: Beim typischen Chlorgeruch, den man ab und zu in Schwimmbädern wahrnimmt, handelt es sich gar nicht um reines Chlor, sondern um die chemische Verbindung Trichloramin Diese entsteht, wenn Chlor mit Harnstoff reagiert Liegt also ein starker Chlorgeruch in der Luft, ist dies eher ein Zeichen starker Verschmutzung. Harnstoff gelangt übrigens nicht nur ins Badewasser, wenn jemand auf die Idee kommt, seine Blase im Becken zu entleeren Auch über die Haut wird Harnstoff ausgeschieden Deshalb müssen Badmeister ihre Gäste immer wieder darauf aufmerksam machen, dass das Duschen vor dem Sprung ins Schwimmbecken nicht einfach eine Zwängerei ist, sondern tatsächlich grossen Einfluss auf die Wasserhygiene hat Auch Kleinstpartikel wie Hautschuppen und Dreck können so besser von den Becken ferngehalten werden.
Betriebsleiter Martin Filliger wird sich in seinem neuen Job definitiv nicht so schnell langweilen «Der ganze Prozess mit all den technischen Anlagen ist ziemlich komplex Ich lerne immer noch jeden Tag Neues hinzu, dies vor allem dank meinem Stellvertreter Guido Marbach, der sich im Bereich der Technik sehr gut auskennt » Besonders spannend ist für Martin Filliger zudem, dass er direkt mitverfolgen kann, wie ein neues Schwimmbad entsteht Derzeit laufen nämlich die Bauarbeiten für das neue Kursbecken mit Rutschbahn (Bild linke Seite) Eröffnung des neuen Anbaus ist im August (ve)
Physik im Schwimmbecken: Masse, Volumen, Auftrieb
Eine Denksportaufgabe lautet folgendermassen: Angenommen, Sie sitzen in einem Boot in einem Schwimmbecken Mit an Bord haben Sie einen massiven Ziegelstein Das Boot, der Ziegelstein und Ihr eigenes Gewicht verdrängen natürlich eine gewisse Menge Wasser Was aber passiert, wenn Sie den Ziegelstein ins Wasser werfen? Steigt der Pegel des Schwimmbeckens leicht an oder sinkt er ein bisschen?
Oder ändert sich gar nichts? Die überraschende Antwort: Der Pegel sinkt ganz leicht
Warum ist das so? Die zentralen physikalischen Begriffe hierzu lauten Volumen und Masse –und ihr Verhältnis zueinander (Dichte) Solange ein Gegenstand im Boot ist, bestimmt allein seine Masse (sein Gewicht), wie viel Wasser durch ihn verdrängt wird. Sobald der Gegenstand aber ins Wasser fällt und sinkt, bestimmt allein sein Volumen, wie viel Wasser verdrängt wird.
Beispiel: Marmor hat eine Dichte (Verhältnis Masse/Volumen) von 2,8 g/cm3 Blei ist mit einer Dichte von 11,3 g/cm3 etwa vier Mal schwerer Trotzdem verdrängen zwei gleich grosse Kugeln aus Marmor und Blei gleich viel Wasser, wenn man sie ins Becken wirft Anders im Boot: Da macht es bezüglich Wasserverdrängung einen Unterschied, ob eine Marmorkugel oder eine Bleikugel mit an Bord ist
Angenommen, der Ziegelstein misst 25x10x6 Zentimeter (Volumen: 1500 cm3) und wiegt
3 Kilogramm Die Dichte des Wassers beträgt
1g/cm3 bzw 1kg/l Im Boot, wo der Ziegelstein quasi zum Mitschwimmen «gezwungen» wird, verdrängt er mit seinem Gewicht 3 Liter Wasser Versunken dagegen verdrängt er mit seinem Volumen nur 1,5 Liter (1500 cm3) Also sinkt der Pegel der Schwimmbeckens ein wenig, wenn man den Ziegelstein über Bord wirft
Die Dichte eines Gegenstands schliesslich entscheidet darüber, ob er sinkt oder schwimmt
Sie beträgt bei unserem Ziegelstein 3000
Gramm auf ein Volumen von 1500 cm3 , also 2 g/cm3 Er sinkt, weil er eine doppelt so grosse Dichte hat wie Wasser (1 g/cm3) Ein
Gegenstand mit geringer Dichte (z B Styropor) schwimmt. So kann man die Ziegelstein-Frage auch «umgekehrt» und intuitiver illustrieren: Ein grosser Styroporwürfel im Boot verdrängt praktisch kein Wasser, festgebunden am Grund eines Beckens aber sehr viel
Die Frage, ob ein Gegenstand schwimmt oder nicht, wird durch das archimedische Prinzip bestimmt Es lautet: «Der statische Auftrieb eines Körpers in einem Medium ist genauso gross wie die Gewichtskraft des vom Körper verdrängten Mediums » Nebenbei: Die durchschnittliche Dichte eines menschlichen Körpers schwankt um 1 g/cm3 (je nach Luft in der Lunge) Sie ist also ähnlich gross wie die Dichte von Wasser. Deshalb fällt es Menschen leicht, zu schwimmen und zu tauchen. Das Tote Meer hat durch seinen hohen Salzgehalt eine Dichte von über 1,2 g/cm3 Deshalb schwimmt dort ein Mensch von allein Benzin dagegen hat eine Dichte von 0,7 g/cm3 Folglich hätte ein Mensch grösste Mühe, in einem Becken voller Benzin zu schwimmen Von Selbstversuchen wird abgeraten (ve)