(Broschüre) Migration, Eritrea, Asylverfahren, Menschenhandel

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Migration Eritrea Senegal Syrien Balkan Asylverfahren in der Schweiz Menschenhandel



Inhalt

Vorwort 3 Fluchtland Eritrea

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Fluchtland Senegal

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Fluchtland Syrien

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Innereuropäische Migration

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Das Asylverfahren in der Schweiz

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Menschenhandel – Ein Milliardengeschäft

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Glossar 26 Literatur 27

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Vorwort Die sogenannte Flüchtlingskrise ist in aller Munde. Weltweit befinden sich über 50 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Verfolgung und Repression, Hungersnöten und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit. Wir haben uns während der letzten Monate intensiv mit einzelnen Staaten befasst, aus denen die Menschen zu Tausenden fliehen. Wir haben versucht, die Fluchtgründe sowie die typischen Routen der Geflüchteten aufzuzeigen, wobei sich die Routen in Folge politischer Massnahmen innerhalb von Tagen grundlegend ändern können. So wurde während unserer Recherchen beispielsweise das EU-Abkommen mit der Türkei beschlossen, das die illegale Migration in der Ägäis quasi verunmöglicht und Geflüchtete sowie deren Schlepper_innen zwingt, neue Lösungen zu finden (siehe Seite 13). Egal aus welcher Himmelsrichtung sie kommen, Geflüchtete sind auf ihrem Weg Richtung Europa fast immer auf Schlepper_innen angewiesen. Auf Seite 23 versuchen wir, einen Einblick in dieses äusserst lukrative und brutale Geschäft zu gewähren. Es bleibt jedoch zu bedenken, dass die meisten Geflüchteten in umliegenden Staaten oder sogar innerhalb der eigenen Landesgrenzen Asyl suchen, um dort ein neues, besseres Leben zu beginnen. Natürlich wissen aber in einer globalisierten Welt auch die Menschen in Entwicklungsländern um den wirtschaftlichen Reichtum Europas, der unter anderem auf der Ausbeutung ebendieser Länder und deren Ressourcen basiert. Das senegalesische Fischereiabkommen mit der EU (siehe Seite 9) ist nur ein Beispiel für die Erpressbarkeit afrikanischer Regierungen durch europäische Konzerne. So verwundert es nicht, dass sich Geflüchtete auf den Weg nach Norden machen, in der Hoffnung auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen, das ihnen in ihrer Heimat verwehrt blieb.

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Fluchtland Eritrea Eritrea ist offiziell eine Demokratie, faktisch jedoch eine Militärdiktatur. Präsident Isayas Afewerki regiert das Land seit 1993 mit eiserner Hand. Seit dem 18. Juni 2000 befindet sich der Staat in einem Waffenstillstand mit Äthiopien. Weder Krieg noch Frieden, Ausnahmezustand. Jungen und Mädchen gleichermassen haben nach dem Schulabschluss 18 Monate Militärdienst zu leisten, der ohne Begründung unbefristet verlängert werden kann und teilweise Jahrzehnte dauert. In der Armee erwarten die Teenager Zwangsarbeit, Unterernährung, Hygiene- und Schlafmangel sowie Malaria und andere Krankheiten. Vom Sold, monatlich 50 Nakfa (= 3 Franken), lässt sich keine Familie ernähren. Diejenigen, die den Dienst quittieren dürfen, haben keine Chance, ihre Ausbildung selber zu wählen. Die Repression in Eritrea ist überwältigend. Regimekritiker, religiöse Minderheiten und Deserteure werden verschleppt, gefoltert, ohne Prozess weggesperrt und nicht selten getötet. Im Jahr 2001 liess Staatschef Afewerki alle privaten Medien verbieten. Das Land belegte auch 2015 den letzten Platz in der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen. Fluchtrouten Sudan – Libyen – Lampedusa – Italien – ... Täglich fliehen hunderte Menschen, vor allem männliche Teenager, aus Eritrea. Mittlerweile leben eine Million Eritreer_innen im Exil – jede_r sechste. Die Menschen laufen auf ihrer Flucht dutzende bis hunderte Kilometer durch die Wüste und versuchen, den Sudan zu erreichen. Wer beim Versuch das Land zu verlassen erwischt wird, wird erschossen. 200 Kilometer westlich liegt Khartum. Hier sammeln sich Geflüchtete aus allen Himmelsrichtungen. Die Stadt liegt im unmittelbaren Einzugsgebiet von Sudan und Südsudan, Eritrea, Somalia, der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik. In dieser Region sind laut der UN aktuell rund vier Millionen Menschen auf der Flucht. Wer genügend Geld hat, begibt sich in Khartum in die Hand eines Schlep5


pers, der die siebentägige Fahrt durch die Sahara nach Libyen organisiert. Der Transfer vom Herzen Afrikas ans Meer ist keine Kaffeefahrt. Wasser und Nahrung sind knapp, Fahrzeugpannen häufig und unter diesen Umständen fatal. Viele Flüchtende werden von ihren Schleppern in der Wüste ihrem Schicksal überlassen. Inzwischen säumen hunderttausende Leichen den Weg durch die Sahara – weit mehr als im Mittelmeer ertrunken sind. Doch dieser humanitären Katastrophe wird im Rest der Welt kaum Rechnung getragen, ereignet sie sich doch in Afrika und somit jenseits des Tellerrands. Die Überlebenden dieser Odyssee werden in Libyen sich selbst überlassen oder eingesperrt. Entweder von den Schleppern oder nachdem sie von der Polizei aufgeschnappt wurden. In der Gefangenschaft werden die Menschen geschlagen, gefoltert und missbraucht. Schwarzafrikaner_innen, besonders Christ_innen, sind im aktuellen Libyen Freiwild. Die Flüchtlinge wollen auf schnellstem Weg nach Europa. Die Zustände auf den Flüchtlingsbooten sind durch die hiesigen Medien gut dokumentiert. Die Boote sind überbeladen, Nahrung und Wasser sind knapp und sie geraten oftmals in Seenot. Tausende Menschenleben haben die Überfahrten bis anhin gekostet. Das Ziel ist Lampedusa. Die kleine italienische Insel ist knapp 300 Kilometer von Tripolis entfernt. Von hier aus können die Geflüchteten aufs Festland weiterreisen. Die Hauptziele für Flüchtlinge aus Eritrea sind Schweden, Deutschland und die Schweiz. Chancen auf Bleiberecht in der Schweiz 29% aller Personen, die 2014 in der Schweiz Asyl beantragt haben, waren eritreische Staatsbürger_innen. Eritrea war zu dieser Zeit das Hauptherkunftsland von Flüchtlingen in der Schweiz. 52% dieser Personen wurde Asyl gewährt und 31% wurden vorläufig angenommen. Regimetreue Exileritreer_innen In der eritreischen Diaspora kommt es zuweilen zu Konflikten zwischen regimetreuen Exil-Eritreer_innen und Regimekritiker_innen. Während des Kriegs mit Äthiopien waren viele Sympathisanten der Unabhängigkeitsbewegung ins Ausland geflohen. Aus dem Befreiungskampf ging 6


jedoch der heutige Machthaber Isayas Afewerki siegreich hervor, der nun die zweite Generation in die Flucht treibt. Der Staat Eritrea erhebt für im Ausland lebende Staatsbürger eine Diaspora-Steuer. Wer die 2% Einkommenssteuer nicht bezahlt, muss damit rechnen, dass Angehörige in der Heimat bedroht werden. Regimekritik wird allgemein nur sehr zurückhaltend geäussert aus Angst vor Spitzeln, die die Kritiker_innen bei der Regierung denunzieren, was wiederum Folgen für deren Familien in Eritrea haben kann. Europas Pakt mit dem Teufel Im November 2015 trafen sich europäische und afrikanische Abgeordnete zum Migrationsgipfel in Valletta auf Malta. Auch Staatschefs und Minister aus Eritrea, Sudan, Südsudan, Libyen und Somalia waren anwesend. Dabei wurde folgender 5-Punkte-Plan verabschiedet: • Bekämpfung der Ursachen für irreguläre Migration und Vertreibung • Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich der legalen Migration und Mobilität • Mehr Schutz für Migranten und Asylbewerber • Verhinderung und Bekämpfung der irregulären Migration, der Schleusung von Migranten und des Menschenhandels • Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Rückführung und Rückübernahme Die EU – auch die Schweiz, für die Justizministerin Simonetta Sommaruga teilnahm – wollen zusammen mit Diktaturen und anderen von Krieg und Korruption zerfressenen Staaten die Ursachen der Migration bekämpfen. Bei dem Treffen wurde ein Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika beschlossen. 1,8 Milliarden Euro werden unter anderem dazu verwendet, den Grenzschutz in den Fluchtländern zu verbessern und Polizist_innen auszubilden. Europa kauft sich frei und überlässt die operative Verantwortung den Fluchtstaaten und Transitländern. Die Leidtragenden bleiben die unterdrückten Völker Afrikas.

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Fluchtland Senegal Fluchtursachen Der Senegal ist in erster Linie ein Zielland für Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Staaten, da er als politisch stabil gilt. In den letzten Jahren waren es um die 23‘000 Geflüchtete, die der Senegal aufgenommen hat. Die Zuwanderung zu verwalten ist für den Senegal eine der grossen politischen Herausforderungen. Gleichzeitig fliehen aus dem Senegal tausende von Einheimischen. Dadurch kämpft der Staat mit einem hohen Druck europäischer Staaten, die Migration einzudämmen. Die Migration aus dem Senegal ist hauptsächlich auf eine wirtschaftliche Umwälzung zurückzuführen. Seit den 1970er Jahren steckt das Land in einer Wirtschaftskrise, die sich in den 90er Jahren noch zuspitzte. Die Wirtschaftskrise hat mehrere Gründe. So hat der Senegal eine schwache Privatwirtschaft. Dadurch gibt es kaum offene Stellen, was wiederum zu einer Abwanderung vieler Akademiker_innen führt (der Senegal hat eine hohe universitäre Bildungsrate). Zudem hat der Senegal eine enorm junge Bevölkerung – zwei Drittel sind unter 18-jährig. Die Kombination dieser beiden Faktoren führt unter anderem zu einer Perspektivlosigkeit für viele junge Menschen. 8


Doch nicht nur die Perspek­tiv­­losigkeit ist eine Ursache für die Migration aus dem Senegal, sondern vor allem die fehlende Ernährungssouveränität. Die politische Ausrichtung der Landwirtschaft auf den Export dient der Regierung dazu, möglichst viel Gewinn zu erzielen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Fischereiabkommen mit der Europäischen Union, das seit 2014 in Kraft ist und europäische Konzerne berechtigt, 14‘000 Tonnen Thunfisch in den senegalesischen Gewässern zu fischen. Dafür bezahlt die EU dem Senegal lediglich 15 Millionen Euro in fünf Jahren, was enorm unter dem Marktwert für Thunfisch liegt. Ausserdem hat die Fischerei mit 600‘000 Arbeiter_innen eine zentrale Bedeutung für die Ernährungssicherheit sowie die Wirtschaft im Senegal. Diese Arbeiter_innen können jedoch nur noch bedingt fischen, da ansonsten die 14‘000 Tonnen Thunfisch für die EU nicht mehr gesichert sind. Somit wird den einheimischen Fischer_innen die Existenzgrundlage entzogen. Zusätzlich leidet der Senegal unter enormem Landgrabbing. Das bedeutet, dass ausländische Investoren im grossen Stil Landwirtschaftsflächen kaufen. Darauf werden dann Reis, Erdnüsse und andere Lebensmittel für den Direktexport nach China oder Saudi-Arabien angebaut. Von dort aus werden sie in die ganze Welt exportiert. Das bedeutet, dass die senegalesische Bevölkerung wichtiges Land verliert, um für die eigene Ernährungssicherheit zu sorgen. Fluchtrouten Senegal – Mauretanien – Marokko – Europa Die Haupt-Fluchtroute der senegalesischen Migrant_innen ist die Route vom Senegal nach Mauretanien oder durch die Westsahara nach Marokko. In Marokko angekommen gibt es die Möglichkeit nach Ceuta oder Melilla, die spanischen Enklaven, zu gelangen. Eine weitere Möglichkeit ist die Fahrt über das Mittelmeer nach Spanien oder Italien. Auch die kanarischen Inseln sind ein beliebtes Ziel, was allerdings eine ca. 120 Kilometer lange Fahrt über den rauen Atlantik voraussetzt. Allein schon die Route nach Marokko ist gefährlich und bringt viele Hindernisse mit sich. So zum Beispiel in Mauretanien und der Westsahara. Mauretanien besteht zum grössten Teil aus Wüste. Viele Menschen verirren sich in der Wüste Mauretaniens oder der Westsahara, wo sie häu9


fig verdursten. Diejenigen, die es bis an die Küste Mauretaniens schaffen, laufen dort Gefahr in die Hände von Menschenhändler_innen oder Grenzschutzpolizist_innen zu gelangen. Wem es gelingt einen Schlepper zu organisieren, bezahlt Unmengen von Geld, in der Hoffnung die versprochene, sichere Überfahrt zu erhalten, jedoch meistens vergebens. Wer es schlussendlich doch auf eines der kleinen Boote geschafft hat, muss anschliessend die rund 20 Kilometer nach Gibraltar überstehen. Auf dem offenen Meer kommt dann die europäische Grenzschutzagentur Frontex zum Einsatz. In erster Linie koordiniert die Organisation die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten. Dies tut sie indem sie Datenbanken über Ausrüstungsgegenstände und Grenzschutzbeamte führt. Frontex arbeitet aber auch an grösseren Operationen, welche die Eindämmung «illegaler» Einwanderung zum Ziel hat, indem sie die Einreise stoppen. In offiziellen Berichten von Frontex aus dem Jahr 2006 steht, dass bereits an den afrikanischen Küsten Boote abgefangen und umgelenkt wurden. Wie diese so genannten Push-Backs vonstatten gehen, wird in einem Interview mit dem italienischen Haupteinsatzleiter der Militärpolizei, Saverio Manozzi, klar: „Wir wurden bei offiziellen Treffen mit Einsatzplänen und schriftlichen Befehlen konfrontiert, nach denen die Abwehr der illegalen Einwanderern darin besteht, an Bord der Schiffe zu gehen und Lebensmittel und Treibstoff von Bord zu nehmen, sodass die Immigranten dann entweder unter diesen Bedingungen weiterfahren können oder aber lieber umkehren.“ Da so nicht geprüft wird, ob sich an Bord Menschen befinden, die schutzbedürftig sind, verurteilte der europäische Gerichtshof 2012 Push-Back-Aktionen als Verstoss gegen die Menschenrechte. Um den Menschenrechtsverstoss zu umgehen arbeitet Frontex jetzt enger mit den Küstenwachen der nordafrikanischen Staaten zusammen. Das Rückführen von Booten gilt erst in europäischen Gewässern als illegal, da die 10


Flüchtenden hier bereits einen Antrag auf Asyl stellen könnten. Deshalb versucht Frontex jetzt mit den zuständigen Küstenwachen, die Boote so früh wie möglich zum Umdrehen zu zwingen. Wenn die Flüchtenden zurückgeschickt werden, droht ihnen meist das Gefängnis. Denn das Land, in das die Flüchtenden zurückgeführt werden, ist meist nicht ihr Herkunftsstaat, und somit halten sie sich illegal im jeweiligen Land auf. Viele Boote sinken jedoch bereits nach wenigen Kilometern, so kommen tausende der Geflüchteten niemals in Europa an. Wenn sich Flüchtlinge für den Landweg nach Ceuta oder Melilla entscheiden, warten dort sechs Meter hohe Drahtzäune in drei Reihen angeordnet, ausgestattet mit Infrarotkameras, Geräusch- und Bewegungsmeldern. Zusätzlich werden die Grenzen von scharf schiessenden marokkanischen und spanischen Militärs bewacht. Das Leben in der Illegalität Da der Senegal als sogenannter Staat mit geringer Anerkennungsquote eingestuft wird, erhalten die wenigsten Asyl. Der Grossteil der Geflüchteten aus dem Senegal wird also ausgeschafft oder muss abtauchen und lebt dann als sogenannte Sans-Papiers. Das bedeutet, die Menschen halten sich ohne gültige Aufenthaltsbewilligung im Land auf. Für die „Illegalen“ heisst das, dass sie keinerlei Rechte haben. Wenn sie krank werden, können sie keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, da es eine Meldepflicht für öffentliche Stellen gibt, die besagt, dass die Behörden einen Sans-Papiers melden müssen. Dazu kommt die ständige Angst in eine Polizeikontrolle zu geraten und dann in Ausschaffungshaft zu kommen. Viele von ihnen arbeiten schwarz in Bereichen wie der Hauswirtschaftsund Versorgungsarbeit, der Gastronomie oder der Landwirtschaft. Alles Branchen, die von Einheimischen nicht abgedeckt werden. Auf Grund der fehlenden Rechte werden Sans-Papiers oft ausgebeutet und können sich nicht dagegen wehren. Es bedeutet also ein Leben als Unsichtbare_r.

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Fluchtland Syrien Seit der Eskalation des Arabischen Frühlings zu einem militärischen Konflikt herrscht in Syrien Chaos. Das Regime von Baschar Al-Assad kämpft gegen zahlreiche Rebellengruppen und natürlich den Islamischen Staat. Der Krieg hat dabei bereits mehr als 250'000 Menschenleben gefordert. Damaskus, Aleppo und andere Grossstädte liegen in Trümmern. Im Oktober 2015 veröffentlichte die Organisation Adopt a revolution die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Umfrage unter knapp 900 syrischen Flüchtlingen, die die Fluchtgründe der Asylsuchenden beleuchten soll. 92% der Teilnehmenden nannten bewaffnete Auseinandersetzungen als Fluchtursache, wobei 70% vor den Assad-Truppen fliehen und „nur“ 32% vor dem Daesh (IS). Ein Grund dafür ist bei 73% der Befragten der Abwurf von Fassbomben durch das Regime, die immer wieder zahlreiche zivile Opfer fordern. 77% haben Angst, vom Regime festgenommen zu werden, 42% vor Verschleppungen durch den Daesh. Von den Umfrageteilnehmer_innen möchten 90% nach Syrien zurückkehren, allerdings 52% davon nur unter der Bedingung, dass Assad nicht mehr Machthaber ist. Nur 8% wollen dauerhaft in Europa bleiben. Mehr als 4'000'000 Menschen sind seit 2011 aus Syrien geflohen, die 12


Hälfte der Bevölkerung ist intern vertrieben worden. Jene, die ins Ausland flüchten, kommen zu 95% in der Türkei, dem Libanon, Jordanien und Ägypten unter, wo sie unter prekären Bedingungen leben. Im Libanon entspricht der Anteil Syrischer Flüchtlinge ca. 20% der Gesamtbevölkerung. Nur ein kleiner Rest wagt den langen und beschwerlichen Weg nach Europa. Fluchtrouten Es gibt mehrere Möglichkeiten aus Syrien zu entkommen. Von Damaskus nach Beirut im Libanon zu gelangen ist per Bus relativ einfach und günstig. Andere Wege hingegen erfordern lange Fussmärsche und Unmengen an Schmiergeldern, wobei keine Garantie besteht, das Land wirklich unversehrt verlassen zu können. Am 10. Mai 2016 veröffentlichte Human Rights Watch ein knapp zweiminütiges Video, das zeigt, wie syrische Flüchtlinge beim Versuch die Grenze zu überqueren von türkischen Sicherheitskräften erschossen oder zu Tode geprügelt wurden. Bereits einen Monat zuvor publizierte Amnesty International einen Bericht, wonach seit Anfang des Jahres tausende Flüchtlinge, darunter unbegleitete Kinder und hochschwangere Frauen, zurück nach Syrien deportiert wurden. Weiter werden Geflüchtete systematisch an der Registration gehindert, die ihnen Zugang zu grundlegender Versorgung, z. B. Medizin, ermöglicht. Diese Praktiken verstossen natürlich sowohl gegen türkische als auch europäische und internationale Gesetze. Jedoch geniesst die Türkei in der internationalen Gemeinschaft eine bedenkliche Narrenfreiheit, dämmt sie doch den Flüchtlingsstrom nach Westeuropa ein. Nach der Schliessung der Balkanroute wurde am 18. März 2016 das umstrittene Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei unterzeichnet. Die Türkei verpflichtet sich damit, alle irregulären Migrant_ innen, die auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommen, zurückzunehmen. Wer kein Asylgesuch stellt, wird sofort zurückgeschafft. Wer Asyl beantragt, erhält ein Schnellverfahren, doch in der Regel wird das Gesuch als unzulässig abgelehnt. Denn für Geflüchtete, die bereits in der Türkei vorläufigen Schutz erhalten haben, gilt das Land neu als „erstes Asylland“. Sie werden also zurückgeschickt. Für Flüchtlinge, die in der Türkei noch nicht registriert worden sind, gilt das Land neu als sicherer Drittstaat: Sie 13


hätten in der Türkei Schutz beantragen können und werden in der Regel auch zurückgeschickt. Die einzige Möglichkeit für Syrerinnen und Syrer, Asyl in der EU zu erhalten, besteht darin, im Rahmen von legalen Einreiseprogrammen aufgenommen zu werden. In den Genuss dieses Rechts kommen jährlich nur bis zu 72‘000 in die Türkei geflüchtete Personen. So soll für jeden zwangsrückgeführten Flüchtenden ein anderer legal einreisen können. Bevorzugt werden Personen, die nicht zuvor versucht hatten, illegal einzureisen und die als besonders verletzlich gelten. Weiter investiert die EU bis 2018 sechs Milliarden Euro in türkische Flüchtlingsprojekte. Das Abkommen veranlasst Geflüchtete und Schlepper, neue Routen nach Europa zu finden. So bieten die Menschenhändler_innen unterdessen Bootsfahrten von der Türkei direkt nach Italien an. Natürlich steigen auch die Preise. Eine Überfahrt auf die griechischen Inseln kostete vor dem Abkommen mindestens 700 Euro, die längere und gefährlichere Reise nach Italien ist nun ab ca. 4500 Euro zu haben. Alternativ kann auch eine Fahrt mit dem Auto nach Bulgarien gebucht werden. Auch die zentrale Mittelmeerroute rückt wieder vermehrt in den Fokus. Per Flugzeug werden die Schutzsuchenden in den Sudan geflogen, eines der wenigen Länder, in denen syrische Staatsangehörige noch ohne Visum einreisen dürfen. Von hier aus folgt der Transfer nach Libyen, um dann per Boot nach Italien zu gelangen. Solange Baschar Al-Assad von Russland und dem Iran gestützt und von den Vereinten Nationen geduldet wird, ist nicht an einen Stopp des Exo-dus aus Syrien zu denken. Nur dank den Wirren des Bürgerkriegs und Staatsterrors konnte sich das Geschwür Daesh in Syrien ausbreiten, das sich zu einem grossen Teil durch Ölhandel, auch mit der Türkei, finanziert. Der syrische Albtraum muss mit einem Sturz Al-Assads beendet werden, damit freie Wahlen stattfinden und die Menschen in ihre Häuser zurückkehren können. Dabei ist die ganze Region auf internationale Hilfe angewiesen.

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Innereuropäische Migration am Beispiel der Drittstaaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien und Serbien Fluchtursachen Staaten wie Albanien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien gehören nicht zur EU/EFTA und sind sogenannte Drittstaaten. Sie haben teilweise Abkommen und Bilaterale Verträge mit europäischen Organisationen, so ist beispielsweise Albanien Mitglied der NATO. Mit Serbien und Montenegro laufen EU-Beitrittsverhandlungen. Albanien und Mazedonien sind ebenfalls Kandidaten, im Moment aber ohne laufende Verhandlungen. Zudem gelten diese Länder als politisch stabil und ihre Bevölkerung ist, zumindest auf dem Papier, vor Verfolgung geschützt. Trotzdem verlassen immer mehr Menschen aus diesen Ländern ihre Heimat. Das hat meist wirtschaftliche Gründe. Die Staaten schaffen es nicht, ihrer Bevölkerung genügend Arbeitsplätze zu bieten oder ihr Löhne zu bezahlen, von denen die Menschen auch leben können. Die schlechte Wirtschaftslage dieser Balkanstaaten hat verschiedene Gründe. All diese Länder haben eine sozialistische Vergangenheit und mussten Ende der 90er Jahre eine wirtschaftliche Transformation durchmachen: von der Plan- zur Landwirtschaft. Dies führte zu schweren wirtschaftlichen Krisen zu Beginn der Systemumstellung. Heute ist die Transformation abgeschlossen und die grössten Krisen überwunden, trotzdem gibt es bis heute immer wieder Streitigkeiten wegen Eigentumsverhältnissen. Zudem kämpft die Bevölkerung bis heute mit einer starken Korruption auf allen politischen und wirtschaftlichen Ebenen, die eine funktionierende Wirtschaft erschwert. Hinzu kommt, dass diese Länder in den 90er Jahren einen oder mehrere Kriege durchgemacht haben und sich bis heute nicht wirklich davon erholt haben. Diese und weitere Gründe machen die Balkanländer extrem unattraktiv für die dringend benötigten ausländischen Investoren. Die andauernde Krise der Wirtschaft führt zu einer hohen Zahl von Arbeitslosen und gerade die junge Bevölkerung verlässt zunehmend die Region. 15


Fluchtrouten Die Balkanländer gehören nicht nur nicht zur EU, sondern sind auch keine Schengen-Staaten. Wer also mit dem Ziel ein Asylgesuch zu stellen in den Schengenraum will, muss das entweder an der serbisch-ungarischen Grenze tun oder illegal in den gewünschten Staat einreisen. Da Ungarn für die meisten nicht das Ziel ist, entscheidet sich der Grossteil der Personen für eine illegale Einreise. Der Sammelpunkt für diese Menschen ist die serbische Hauptstadt Belgrad. Um dorthin zu fahren, nehmen die meisten den Bus aus ihren Heimatländern. In Belgrad begeben sie sich in die Hände von Schleppern, die sie gegen Bezahlung in das Zielland bringen sollen. Wer ein Visum oder eine Arbeitserlaubnis hat, kann problemlos mit dem Flugzeug oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln in ein Schengen-Land fliegen und auf diesem Weg ein Asylgesuch stellen. Migration in die Schweiz Lange Zeit galt die Schweiz als beliebtes Ziel für Migrant_innen aus den Balkanstaaten, nicht zuletzt weil während der Kriege viele Menschen aus diesem Raum in der Schweiz als Flüchtlinge aufgenommen wurden und in der Schweiz geblieben sind. In der Schweiz bilden die Albaner_innen die drittgrösste Gruppe Ausländer_innen. Viele haben bereits Familie und Freunde, die hier leben und möchten deshalb auch in die Schweiz ziehen. Jedoch sind diese Menschen nicht an Leib und Leben bedroht und werden somit meistens nicht als Flüchtlinge anerkannt. Die wenigsten Asylgesuche aus diesen Ländern werden positiv beantwortet, da diese doch von Menschen aus als sicher eingestuften Herkunftsstaaten eingereicht werden. Bei den wenigen Ausnahmen handelt es sich meist um Angehörige der Roma, die in den Balkanstaaten bis heute Verfolgungen ausgesetzt sind. 48-Stunden-Verfahren Auch wenn sie nicht an Leib und Leben bedroht waren, stellten zu Beginn des Jahrhunderts viele Menschen aus den genannten Balkanländern ein Asylgesuch in der Schweiz. Die Bearbeitung dieser Gesuche kostet viel Geld und Zeit. Deshalb störten sich die Behörden an der verhältnismässig 16


hohen Zahl von Asylgesuchen, welche mit grösster Wahrscheinlichkeit sowieso abgelehnt werden. Deshalb führte die Schweiz im August das sogenannte 48-Stunden-Verfahren für die visumsbefreiten Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien ein. Ein Jahr später kamen Kosovo (bis heute nicht visabefreit) und Georgien dazu. In diesen neuen Verfahren werden die Asylgesuche innerhalb von 48 Stunden bearbeitet und entschieden. Dies findet noch direkt in den Empfangs- und Verfahrenszentren statt. Die Schweiz versucht so möglichst unattraktiv für Personen aus diesen Staaten zu sein. Mit Erfolg – die Zahl der Asylsuchenden aus diesen Herkunftsstaaten ist massiv gesunken. Letztes Jahr stellten nur 451 Menschen aus Albanien ein Asylgesuch, insgesamt wurden im Jahr 2015 39‘523 Gesuche gestellt. Arbeitsmigration Die Zahlen des SEM belegen, dass nur sehr wenige Menschen aus dem Balkan Asyl als Flüchtlinge erhalten. Wer trotzdem in die Schweiz kommen und allenfalls auch blieben will, muss dies über den Arbeitsmarkt tun. Allerdings gibt es für Arbeitssuchende aus Drittstaaten einige Hindernisse: Seit 1998 hat die Schweiz ein bilaterales Abkommen mit der EU, das Menschen aus EU/EFTA-Staaten Vorrang bei Stellenbesetzungen gewährt. Zudem gibt es Kontingente für ausländische Arbeiter_innen. Ausserdem interessiert sich die Schweiz vor allem für Führungskräfte und Spezialist_innen aus dem Ausland, sprich für Menschen mit einem Hochschulabschluss oder einer spezifischen Qualifikation. Nur wer all diese Kriterien erfüllt, hat eine Chance auf eine Arbeitsstelle in der Schweiz und somit auch auf eine Aufenthaltsbewilligung. Mit dem 48-Stunden-Verfahren und den hohen Anforderungen an Arbeitssuchende ist es für Menschen aus europäischen Drittstaaten sehr schwierig geworden, in die Schweiz zu kommen und auch bleiben zu dürfen. Mit diesem Verhalten zeigt die Schweiz einmal mehr, dass sie kein Interesse daran hat, Menschen aus anderen Ländern eine Zukunft zu bieten.

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Das Asylverfahren in der Schweiz Mit der Abschaffung des Botschaftsasyls im Zusammenhang mit der letzten Asylgesetzrevision kann ein Asylgesuch nur noch an der Grenze oder in der Schweiz selber gestellt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gesuch mündlich oder schriftlich gestellt wird. Es ist auch nicht relevant, ob die Person legal oder illegal eingereist ist. Kommt die Person mit dem Flugzeug aus einem Nicht-Schengen-Land in die Schweiz, muss sie das Asylgesuch direkt am Flughafen stellen. Sie wird dann in einen Transitbereich gebracht, wo sie auf die erste Prüfung des Gesuchs warten muss. Im letzen Jahr wurden nur 271 Gesuche direkt am Flughafen gestellt, 204 Gesuche wurden bewilligt und die Personen zur genauen Prüfung in Zentren überstellt. Die meisten Menschen kommen über den Landweg in die Schweiz. Sie müssen ihr Gesuch in einem der fünf Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) stellen. Dies taten im Jahr 2015 33‘267 Menschen von total 39‘523 Asylsuchenden. EVZ gibt es aktuell in Basel, Chiasso, Kreuzlingen, Vallorbe und Altstätten. Dort werden die Menschen mit ihren Fingerabdrücken registriert und erste Abklärungen finden statt. Es wird festgehalten woher die Person kommt, was ihre Fluchtgründe sind, welche Sprache sie spricht, ob sie direkt in die Schweiz gekommen ist oder bereits in einem anderen Dublin-Land einen Asylantrag gestellt hat. Auch nach dem Alter wird gefragt, ein Punkt der gerade für junge Flüchtlinge im Verfahren entscheidend ist. Ein UMA hat andere Bedingungen im Asylverfahren als eine volljährige Person. Wenn im EVZ an den Angaben der Person gezweifelt wird, kommt es zu genaueren Abklärungen. Nach dieser ersten Befragung entscheidet das SEM, ob das Asylgesuch inhaltlich zu prüfen ist oder ob ein „Nichteintreten-Entscheid“ gefällt wird. Nichteintreten Das ist der Fall, wenn die Person im Dublin-Verfahren ist oder wenn die Person rein wirtschaftliche oder medizinische Fluchtgründe angibt. In den letzten Jahren ist der Anteil an Menschen, die bereits in einem anderen Dublin-Staat ein Gesuch gestellt haben und dann illegal in die Schweiz 18


gereist sind, markant gestiegen. Wenn das SEM entscheidet, nicht auf ein Asylgesuch einzutreten, muss die betreffende Person die Schweiz in der Regel schnellstmöglich wieder verlassen. Ist das aus verschieden Gründen nicht möglich, bekommen die Menschen Nothilfe und leben solange in der Schweiz bis die Wegweisung vollzogen werden kann. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Menschen untertauchen und dann illegal in der Schweiz leben. Eintreten Falls die Schweizer Behörden sich entscheiden, das Asylgesuch genauer zu prüfen, wird die asylsuchende Person einem Kanton zugeteilt. In diesem Fall erhält die Person den N-Ausweis. Er gilt als Identitätskarte bis zum definitiven Asylentscheid. Nach einer dreimonatigen Frist kann mit einem N-Ausweis ein Gesuch um Arbeitsbewilligung gestellt werden. Bei einer Bewilligung kann die Person in spezifischen Berufen arbeiten. Die Kantone teilen die Flüchtlinge dann verschiedenen Zentren zu. Dies geschieht durch einen Verteilungsschlüssel des Bundes. Wer in welchem Kanton untergebracht wird, ist zufällig. Manchmal wünscht sich eine Person in einen bestimmten Kanton zu kommen, etwa weil dort bereits Familienmitglieder leben. Dafür muss ein Gesuch beim SEM gestellt werden. Verfahren und Aufenthalt im Zentrum Jeder Kanton hat ein oder mehrere Durchgangszentren, die von verschiedenen Organisationen betrieben werden. In Zeiten, in denen besonders viele Asylsuchende in die Schweiz kommen, reicht der Platz in den Durchgangszentren oft nicht für die Unterbringung aller Flüchtlinge aus. In diesem Fall haben die Kantone die Möglichkeit befristete Notunterkünfte zu schaffen. Dafür greifen die Kantone oftmals auf Zivilschutz- und Militäranlagen zurück, die sich grösstenteils unter der Erde befinden. Die genaue Prüfung eines Asylgesuchs kann mehrere Monate dauern, was für die Menschen, die in einer unterirdischen Anlage untergebracht sind, eine enorme psychische Belastung darstellt. Auf Druck von mehreren Seiten wurde zumindest erreicht, dass keine Kinder mehr im „Bunker“ leben müssen. Da immer mehr UMAs in der Schweiz ein Asylgesuch stellen, 19


gibt es inzwischen separate Unterkünfte für minderjährige Flüchtlinge. Mehrere Fachstellen setzen sich zudem dafür ein, dass diese Unterkünfte noch stärker den Bedürfnissen der UMAs angepasst werden. Menschen, deren Asylgesuch genauer geprüft wird, erhalten das gesetzliche Minimum an Sozialhilfe. Für die Prüfung des Gesuchs kann die Person genauere Angaben zu ihren Fluchtgründen machen und diese mit Fotos, ärztlichen Gutachten, Polizeivorladungen oder Gerichtsentscheiden belegen. Danach entscheidet das SEM, ob der Person Asyl gewährt wird oder ob sie abgewiesen wird. Positiver Entscheid Wenn der Entscheid positiv ausfällt, erhält die Person Asyl und einen B-Ausweis. Sie ist damit berechtigt, sich legal in der Schweiz aufzuhalten. Ehegatten und minderjährige Kinder können dann auch in die Schweiz einreisen und erhalten ebenfalls Asyl (Familiennachzug). Nach einem positiven Entscheid kann die betroffene Person das Durchgangszentrum verlassen. In der Regel haben die Gemeinden ein Kontingent an Wohnungen, die sie den aufgenommen Asylsuchenden zur Verfügung stellen, bis diese die Möglichkeit haben, selbst eine Wohnung zu finden. Sobald die aufgenommenen Personen eine Arbeitsbewilligung haben, können sie in allen Brachen arbeiten. Negativer Entscheid mit möglicher Wegweisung Wird jedoch ein Asylgesuch genauer geprüft und dann abgelehnt, muss die Person die Schweiz innerhalb einer festgelegten Frist verlassen. Es kommt zu einer Ausschaffung, die in der Schweiz in vier Levels unterteilt wird: • Level I: Die Person kehrt freiwillig zurück und kann ohne Polizeibegleitung reisen. • Level II: Die Rückkehr erfolgt mit Polizeibegleitung und einer möglichen Fesslung mit Handschellen. • Level III: Die Person ist vollgefesselt in einem normalen Linienflug, hinter einem Vorhang. • Level IV: Die Person ist vollgefesselt und in einem extra für Ausschaffungen gechartetem Sonderflug. 20


Die Ausschaffung mit Vollfesslung forderte in der Schweiz immer wieder Todesopfer und wurde von anderen europäischen Staaten scharf kritisiert. Level III-Ausschaffungen werden seit längerem nicht mehr durchgeführt, da sich das Flugzeugpersonal weigerte, mit vollgefesselten Personen zu fliegen. Kürzlich wurde beschlossen, dass Ausschaffungen in Vollfesselung nicht mehr gemacht werden sollen. Vorläufig aufgenommen Es kann aber auch sein, dass eine Person zwar abgewiesen wurde, jedoch nicht weggewiesen werden kann. Diese Person hat dann den Status vorläufig aufgenommen und erhält den F-Ausweis. Gründe für eine vorläufige Aufnahme: • Die Wegweisung widerspricht den völkerrechtlichen Pflichten der Schweiz. • Unzumutbare Wegweisung aus humanitären Gründen wie Krieg, Bürgerkrieg oder medizinische Gründe. Als medizinischer Grund gilt zum Beispiel ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. • Unmögliche Wegweisung weil es aus administrativen Gründen nicht geht. Dann wenn die Schweiz kein Rückkehrabkommen mit dem betreffenden Staat hat. Diese Menschen leben dann solange in der Schweiz, bis sich die Bedingungen im Herkunftsland selbst oder auf diplomatischer Ebene ändern. Sie leben meist in Kollektivunterkünften, die sich oftmals sehr abgelegen befinden. Während dieser Zeit bekommen sie Nothilfe. Für Erwachsene bedeutet das durchschnittlich Fr. 8.50 pro Tag und für Kinder in der Regel Fr. 5.– am Tag. Dieses Geld muss reichen für Essen, Kleidung und Hygieneartikel. Im Jahr 2015 lebten in der Schweiz ca. 25‘000 Menschen mit einem F-Ausweis. Eine neue Ära bricht an – Die Bundeszentren 2014 haben sich Bund und Kantone auf eine strukturelle Reform im Asylwesen in der Schweiz geeinigt. Um die Kantone zu entlasten, sollen Bundeszentren in verschiedenen Regionen der Schweiz entstehen. Neu wird die Schweiz in sechs Asylregionen aufgeteilt, in denen die jeweiligen Zen21


tren entstehen. In welcher Region wie viele Zentren sind, kommt auf die Bevölkerungszahl der jeweiligen Region an. Unterschieden wird dann in Verfahrens- und Ausreisezentren. Zunächst sollte auch ein Renitenzzentrum entstehen, dieser Plan wurde aber nicht weiter verfolgt. Das Hauptziel dieser Neustrukturierung ist das beschleunigte Verfahren. Das heisst konkret, dass mehr als die Hälfte der Verfahren (ca. 60%) innerhalb von 140 Tagen behandelt, entschieden und eine allfällige Wegweisung vollzogen wird. Um die Befürchtung zu zerstreuen, dass die beschleunigten Verfahren zu Fehlentscheiden führen, wird der Rechtsschutz der Asylsuchenden ausgebaut. Sie haben die Möglichkeit einen kostenlosen Anwalt zurate zu ziehen. Diese Massnahme wirkt zwar wie eine nette Geste, es darf aber nicht vergessen werden, dass diese Anwälte vom Bund angestellt und bezahlt werden. Dass ein beschleunigtes Verfahren auch seine positiven Seiten hat, ist kaum zu bestreiten, denn die Wartezeit auf einen Asylentscheid ist sehr kräftezehrend, besonders dann, wenn er sich über Monate hinzieht. Jedoch bedeuten die Bundeszentren auch, dass Asylsuchende noch stärker an ein Leben in einem Zentrum gebunden werden und sie noch weniger Möglichkeiten haben sich in der Schweiz einzuleben. Der Kontakt im Alltag zwischen den Menschen, die bereits hier leben und den Asylsuchenden wird gerade in Städten ohne Bundeszentren verloren gehen.

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Menschenhandel – Ein Milliardengeschäft Menschen werden durch Krieg und Armut gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Nicht alle haben die Möglichkeiten und die Mittel, eine solche Reise selbst zu organisieren. Da sie teilweise in mehrere Länder illegal einreisen bzw. diese ohne gültige Reisedokumente durchqueren müssen, sind sie auf Hilfe von Drittpersonen angewiesen. Diesen Umstand machen sich Menschenschmuggler und Schleuser zu nutzen. Hierbei geht es um das rentabelste Geschäft der Welt nach dem Drogenhandel. Wobei sich Routen, Akteur_innen und daran beteiligte Strukturen teilweise überschneiden. Wir sprechen hier von einem weltumspannenden Netzwerk, das sich aus verschiedenen Einzelstrukturen zusammensetzt. Dieses Netzwerk ist hochflexibel und reagiert auf jede repressive Massnahme mit einer ihnen dienlichen Gegenmassnahme. Sie haben die Möglichkeit, jede Staatsgrenze der Welt zu überwinden, beziehungsweise für ihre Kunden_innen überwindbar zu machen, vorausgesetzt man bietet ihnen genug Anreiz dafür, beispielsweise ca. 25‘000 Euro, um von Afghanistan nach England zu gelangen. Diese Netzwerke haben gute Kontakte zu einzelnen Polizei- und Grenzbeamten, die sie bestechen, um ihr Geschäft möglichst reibungslos abzuwickeln. Ausserdem verfügen sie über viel Infrastruktur, wie Häuser, in denen sie die Geflüchteten „zwischenlagern“, sowie verschiedene Fahrzeuge, um grössere Menschengruppen an Land, wie auch im Wasser fortzubewegen. Sie haben zudem die Möglichkeit, beinahe jeden Reisepass und alle erforderlichen Reisedokumente zu fälschen oder sie auf dem Schwarzmarkt zu besorgen. Grundsätzlich gilt, je mehr Geld einer Person zur Verfügung steht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie die gewünschte Zieldestination erreicht. Je weniger Geld, desto beschwerlicher und unsicherer wird der Weg. Menschenschmuggel ist ein gnadenloses und brutales Geschäft, mit ebensolchen Akteur_innen. Geht einem Kund_in unterwegs das Geld für die nächste Etappe aus, wird er zurückgelassen oder die Menschenschmuggler erpressen die Familie der Person, teilweise unter Androhung und Anwendung von Folter. Menschenschmuggel besteht meist aus drei Teilen: dem Anwerben, 23


dem Transport und dem Einschleusen in das Zielland. Das Anwerben geschieht mit Hilfe von Agent_innen, die im Herkunftsland beispielsweise Flyer verteilen, Anzeigen im Internet und in lokalen Zeitungen aufgeben oder aber ganz direkt mit potenziellen Kunden in Kontakt treten. Auch die verschiedenen sozialen Medien spielen eine zentrale Rolle. Die wichtigste Rolle beim Anwerben übernimmt jedoch die Mund-zu-Mund-Propaganda. Jeder kennt jemanden, der irgendwen mit Kontakten kennt. Teilweise dienen Restaurants oder andere Geschäfte als Anlaufstelle. Über diese wird der Geldtransfer abgewickelt und das Geld gewaschen. Die Transport- oder Reisephase kann sehr lange dauern und kompliziert sein. Insbesondere wenn dabei mehrere Grenzen geografischer und/ oder natürlicher Art überwunden werden müssen. Einzelne Reiseetappen können dabei durchaus legal zurückgelegt werden. So kann ein Marokkaner oder eine Marokkanerin legal in die Türkei einreisen, von da aber nicht weiter. Eine zentrale Rolle spielen dabei sogenannte Sammelländer, von wo aus die nächste Etappe einer Flucht geplant wird. Meist sind das politisch instabile Länder, was das Risiko von Strafverfolgung für die Schmuggler_innen minimiert. Gleichzeitig sind diese Länder durch ihre geografische Lage für die Schmuggler_innen von zentraler Bedeutung. Ein gutes Beispiel hierfür ist Libyen. Der wichtigste Moment jeder Flucht ist der finale Grenzübertritt ins Zielland. Dieser kann sowohl illegal als auch legal geschehen, zum Beispiel mit Hilfe eines Touristen- oder Studentenvisa, oder aber durch Beantragung von politischem Asyl an der jeweiligen Grenze. Ist die geschmuggelte Person an ihrem Zielort angekommen, wird sie dort sich selbst überlassen, vorausgesetzt die Reisekosten sind beglichen, andernfalls wird sie zu Zwangsarbeit wie Prostitution oder Drogendeal gezwungen. Menschenhandel und -schmuggel hat tausend Facetten und ebenso viele Wege und Möglichkeiten. Als Schlepper_innen werden in diesem Text nur Menschen bezeichnet, die sich aus der Not der Geflüchteten finanzielle Vorteile verschaffen. Nicht betroffen sind diejenigen, die sich aus altruistischen Gründen für Menschen auf der Flucht einsetzen. Solange Menschen auf der Flucht vor Krieg und Armut sind, wird er weiterexistieren. Durch den verstärkten Kampf gegen das Schlepperwesen wird die Flüchtlingssituation in Europa nicht entspannt werden können. Dafür müssen die Ursachen der verschiedenen Fluchtbewegungen langfristig bekämpft werden. 24


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Glossar Drittstaat Drittstaat oder Drittland ist aus Sicht eines völkerrechtlichen Vertrags jeder Staat, der nicht Vertragspartei ist. So ist zum Beispiel Albanien ein Drittstaat der EU. Frontex Frontex aus dem französischen für «frontières extéurieures» (=Aussengrenzen) und steht für die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Sans-Papiers Migrant_innen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. SEM Staatsekretariat für Migration. Ehemals BfM (Bundesamt für Migration) genannt. UMA Unbegleitete minderjährige Asylsuchende. Als unbegleitet gelten minderjährige Asylsuchende, wenn sie nicht von ihren Eltern oder von einer anderen erwachsenen Person begleitet werden, unter deren Obhut sie stehen.

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Literatur Eritrea http://www.nzz.ch/in-eritrea-bleiben-heisst-bei-lebendigem-leibe-sterben-1.18195126 [24.05.2016] http://www.gemeinsam-fuer-afrika.de/2016/03/schleuserhochburg-khartum/ [24.05.2016] http://www.taz.de/!5057383/ [24.05.2016] http://www.hintergrund.de/201602093844/kurzmeldungen/aktuell1/mehr-tote-fluechtlinge-in-der-sahara-als-im-mittelmeer.html [24.05.2016] http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Anzeige-gegen-eritreisches-Konsulat-in-Genf/story/14163810 [24.05.2016] http://www.consilium.europa.eu/de/meetings/international-summit/2015/11/11-12/ [24.05.2016] Senegal http://www.fair-fish.ch/blog/archive/2014/05/01/senegal.html http://ec.europa.eu/fisheries/cfp/international/agreements/senegal/ index_en.htm https://www.youtube.com/watch?v=zKJE9DZhCXU https://www.freitag.de/autoren/julius-wolf/weshalb-fliehen-menschen http://www.dw.com/de/kein-krieg-kein-hunger-im-senegal-dennochfliehen-tausende/a-18417820 http://focus-migration.hwwi.de/typo3_upload/groups/3/focus_Migration_Publikationen/Laenderprofile/LP_10_Senegal.pdf http://www.boell.de/de/2015/04/07/wir-sind-hier-weil-ihr-unserelaender-zerstoert http://www.spiegel.de/politik/ausland/ceuta-und-melilla-europas-hightech-festung-in-afrika-a-778304.html http://www.spiegel.de/politik/ausland/flucht-nach-europa-der-hafen-der-menschenschmuggler-a-411042.html 27


https://heimatkunde.boell.de/sites/default/files/dossier_leben_in_illegalitaet.pdf http://www.leseuronautes.eu/frontex-schutz-eu-aussengrenzen/ https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2013/11/Summary_Faelle_Deutsch_Pushed_Back.pdf http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/pdf/MoT/HW_ Frontex_2015.pdf https://www.amnesty.ch/de/ueber-amnesty/publikationen/magazin-amnesty/2009-4/frontex-abwehr http://www.sans-papiers-be.ch/ Syrien https://www.adoptrevolution.org/fluchtursachen-und-handlungsoptionen/ https://www.amnesty.ch/de/laender/naher-osten-nordafrika/syrien/ dok/2015/zahlen-und-fakten-zur-fluechtlingskrise https://www.hrw.org/video-photos/video/2016/05/10/turkey-syrians-shot-beaten-and-killed-border https://www.amnesty.org/en/press-releases/2016/04/turkey-illegal-mass-returns-of-syrian-refugees-expose-fatal-flaws-in-eu-turkey-deal/ http://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2016/03/ 18-eu-turkey-statement/ http://www.nzz.ch/international/das-neue-fluechtlings-regime-in-deraegaeis-1.18715450 http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-schmuggler-werben-mit-neuen-angeboten-a-1085476.html http://www.spiegel.de/politik/ausland/is-islamischer-staat-millionen-einnahmen-durch-schmuggel-von-oel-a-993670.html http://www.tagesspiegel.de/politik/oelhandel-des-is-was-ist-dran-anrusslands-vorwuerfen-gegen-die-tuerkei/12685944.html 28




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