(Kt. Bern) – Die «Asylmillionen», Abstimmung vom 25.11.2018

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Kampf um die Asylmillionen Andrea Gschwend (SVP) ist dagegen, dass der Kanton Bern Geld für unbegleitete minderjährige Asylsuchende ausgibt, Christoph Grimm (GLP) unterstützt den 38-Millionen-Kredit. Interview: Philippe Müller

Zweite Abstimmung innert 18 Monaten

Christoph Grimm (GLP, Burgdorf) ist für den Kredit, Andrea Gschwend (SVP, Heimiswil) kämpft dagegen. Bilder: Beat Mathys

Frau Gschwend, gibt die SVP die Abstimmung über den Kredit für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) vom 25. November schon verloren? Andrea Gschwend: Nein, warum? Man hat den Eindruck, dass Ihre Partei dieses Jahr mit weniger Engagement kämpft als bei der ersten UMA-Abstimmung im Mai 2017. Regierung und Befürworter luden zuletzt je zu einer Medienkonferenz, die SVP verschickte bloss noch ein dürres Communiqué. Gschwend: Wir plakatieren wie eh und je, das ist unsere Stärke. Wir veranstalten Podiumsgespräche zum Thema, die Argumente liegen auf dem Tisch. Es sind mehr oder weniger die gleichen Argumente wie vor eineinhalb Jahren, die wir vertreten. Wir kämpfen weiterhin dafür, dass der Volkswille endlich umgesetzt wird, den das Stimmvolk am 21. Mai 2017 geäussert hat: viel weniger Geld auszugeben für die Unterbringung und Betreuung von UMA.

Im Mai 2017 lehnte das Berner Stimmvolk einen 105-Millionen-Kredit für die Asylsozialhilfe ab, nachdem die SVP das Referendum ergriffen hatte. Danach hat die Regierung Modelle ausarbeiten lassen für die Form der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA). Das Resultat: Ab sofort wollen Regierung und Parlament anstelle der 171 Franken pro UMA und Tag nur noch 140 Franken auszahlen. Zudem sollen 17-jährige UMA günstiger untergebracht werden. Dieses Modell kostet den Kanton von November 2018 bis Ende 2020 maximal 38 Millionen Franken. Gerechnet wurde auf der Basis von 370 UMA, zurzeit leben jedoch nur noch 193 im Kanton. Deswegen geht der Kanton Bern davon aus, dass Stand heute von den 38 Millionen lediglich rund 21 Millionen Franken benötigt werden. (phm)

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Die Ausgangslage ist für die SVP aber deutlich schlechter: Es hat heute deutlich weniger Flüchtlinge als 2017, der Bund verdoppelt seine Pauschalen an die Kantone von 36.50 auf 72.50 Franken pro Asylbewerber und Tag. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist kleiner. Gschwend: Ich sehe es nicht so, dass unsere Ausgangslage schlechter ist. Im Gegenteil: Wenn der Bund seine Pauschalen erhöht und die Kantone entlastet, braucht es erst recht keine weiteren Kantonsgelder mehr für UMA. Das spricht dafür, den vorliegenden Kredit abzulehnen. Herr Grimm, warum braucht es 38 Millionen Franken für UMA, wenn nur noch knapp 200 von ihnen im Kanton Bern sind und der Bund mehr Geld gibt? Christoph Grimm: Weil der Kanton eine Verpflichtung hat, sich um minderjährige Flüchtlinge zu kümmern. Das ist aufwendiger als die Betreuung von Erwachsenen. Minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern in die Schweiz kommen, sind zum Teil traumatisiert. Und der Kanton braucht ja nicht mehr 105 Millionen, die das Stimmvolk im Mai 2017 abgelehnt hat, sondern als Folge dieser Abstimmung nur noch 38 Millionen. Höchstens 38 Millionen, denn im Moment sieht es so aus, dass davon lediglich 21 Millionen ausgegeben werden müssen. Bei der Berechnung der Kreditvorlage ging der Regierungsrat von 370 UMA aus, aktuell leben noch 193 im Kanton. Gschwend: Die Behauptung, der Kanton brauche nicht mehr 105, sondern nur noch 38 Millionen Franken, ist nicht ganz richtig. Fakt ist, dass sich mit dem neuen Unterbringungsmodell für UMA im Vergleich zum heutigen Modell bis Ende 2020 nur 5,4 Millionen Franken einsparen lassen. Das entspricht sicher nicht dem Willen des Stimmvolks, das den 105-Millionen-Kredit abgelehnt hat. Und dass ein grosser Teil der 105 Millionen schon ausgegeben war, als wir darüber abstimmen konnten, ist eine Frechheit, das gehört sich nicht in einer Demokratie. Grimm: Das Volk hat am 21. Mai 2017 nicht gesagt, es wolle 105 Millionen einsparen. Es hat nur gesagt: Das ist zu viel. Gschwend: Solche Relativierungen lasse ich nicht gelten. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Stimmenden nur Ja oder Nein sagen und nicht noch Anträge mit anderen Beträgen stellen können. Fakt ist: Eine Mehrheit hat den Kredit abgelehnt, und die jetzt vorliegende Lösung geht zu wenig weit. Viele Leute haben wahrscheinlich Nein gesagt, weil sie wegen der damals vielen Flüchtlinge generell unzufrieden waren mit der Asylpolitik. Dieser Leidensdruck existiert nicht mehr. Gschwend: Im Asylwesen gibt es immer Wellenbewegungen, es können schon nächste Woche wieder mehr Flüchtlinge kommen. Ich denke, die Unzufriedenheit mit der Asylpolitik ist im Volk unverändert riesengross. Christoph Grimm stört sich daran, dass Sie nach wie vor von 100 Millionen sprechen, obwohl der aktuelle Kredit nur 38 Millionen beträgt. Gibt es auch etwas, das Sie an seiner Argumentation nervt? Gschwend: Mich stört an seiner Haltung und jener der Befürworter die Behauptung, das Stimmvolk habe zwar Nein gesagt zum 105-Millionen-Kredit, habe es aber nicht so gemeint. In einer Demokratie gibt es kein Wenn und Aber. Nein heisst nein. Grimm: Ihr habt ja auch nie gesagt, wie viel genau ihr einsparen wollt. Ihr habt einfach für ein Nein zum Kredit geweibelt. Das ist etwas gar einfach. Der Kanton hat den Volkswillen umgesetzt, indem er künftig nicht mehr 171 Franken, sondern noch 140 pro UMA und Tag ausgibt. 17jährige UMA bekommen gar nur noch 80 Franken. Diese Tarife liegen etwa unter jenen des Kantons Zürich. Welchen Betrag wäre die SVP denn bereit, für UMA aufzuwenden? Gschwend: Ich lege mich nicht auf eine konkrete Zahl fest.

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Sie machen es sich einfach. Gschwend: Ein Beispiel: Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK) gibt Leitplanken vor, wie viel die Betreuung und Unterbringung von UMA etwa kosten darf. Sie rechnet mit 119 Franken pro Person und Tag. Die SODK ist politisch nicht gerade bürgerlich ausgerichtet, und sogar sie empfiehlt Tarife, die tiefer sind als jene im Kanton Bern. Die SVP wird am 25. November so oder so verlieren. Gschwend: Wie kommen Sie darauf? Entweder sagt das Volk Ja zum Kredit und damit Nein zum SVPReferendum. Oder es lehnt den Kredit ab. Dann aber würden die Verträge mit den externen Partnern weiterlaufen, es würde bei 171 Franken pro Tag und UMA bleiben. Eingespart würde kein Rappen. Gschwend: Es ist billig, zu behaupten, dass bei einem weiteren Nein zum Kredit einfach die laufenden, teureren Verträge gelten. Grimm: Das ist schlicht die Wahrheit. Gschwend: In unserem Land ist das Volk der Chef. Es hat das geltende Konzept abgelehnt. Grimm: Genau deshalb stimmen wir jetzt über ein angepasstes, kostengünstigeres Modell ab. Gschwend: Ein Modell, welches statt der bisherigen 5000 immer noch 4200 Franken pro Person und Monat kostet. Was erwarten Sie vom Regierungsrat, wenn das Volk den Kredit ablehnt? Gschwend: Dann muss endlich der zuständige Regierungsrat das Gespräch mit unserem Referendumskomitee suchen und uns für das Ausarbeiten einer Lösung, die den Volkswillen abbildet, ins Boot holen. Der damalige Polizeidirektor Hans-Jürg Käser hat sich uns stets verweigert, weil er sich schwertat, das Volks-Nein zu akzeptieren. Sie, Herr Grimm, müssen sich mit den Befürwortern den Vorwurf gefallen lassen, den UMA viel zu bieten für relativ wenig Gegenleistung. Die Rede ist hie und da gar von einer «Willkommenskultur». Grimm: Das stimmt nicht. Also von einer Willkommenskultur sind wir doch meilenweit entfernt. Wenn man sich in den Asylzentren umsieht, merkt man, dass es wohl nicht so lustig ist, dort zu wohnen. Ich bin überzeugt, dass alle so schnell wie möglich von dort wegwollen. Der Kanton muss einfach Minderjährige anders behandeln als Erwachsene. Ein Kind ist verletzlicher und kommt ja nicht ohne Not allein von zu Hause in die Schweiz. Gschwend: Es kommt, weil es von den Eltern geschickt wird. Ausserdem sind das grösstenteils keine Kinder, sondern junge Erwachsene. Grimm: Das ist doch Quatsch. Gschwend: Wir haben beide das Referat in der Sicherheitskommission des Grossen Rates gehört von einem Schweizer, der mit einer Eritreerin verheiratet ist. Er hat gesagt, dass fast jede eritreische Familie jemanden in der Schweiz stationiert hat, der Geld nach Hause schickt. Grimm: Gut, das sagt er. Das ist nur eine Stimme, von der man nicht auf die Allgemeinheit schliessen kann. Vor eineinhalb Jahren wurden Sie, Herr Grimm, vom Abstimmungsresultat auf dem linken Fuss erwischt. Die Befürworter haben die Stimmung in der Bevölkerung völlig falsch eingeschätzt. Was machen Sie diesmal anders? Grimm: Wir haben in der Medienarbeit dazugelernt, haben einen wirkungsvollen Flyer mit den Kostendiagrammen. Ich bin zuversichtlich, dass diesmal unsere zwei Botschaften ankommen. Erstens: Es braucht dieses Geld für die unbegleiteten


minderjährigen Asylsuchenden. Zweitens: Bei einem Nein zum Kredit bleibt es so teuer wie heute, nur bei einem Ja wird Geld gespart. Zum Schluss würde ich von Ihnen gerne eine Prognose hören, wie die Abstimmung diesmal ausgeht. Gschwend: Die Abstimmung kommt in etwa gleich heraus wie letztes Mal, 54 Prozent sagen Nein zum Kredit. Grimm: Das Verhältnis bleibt gleich, aber in die andere Richtung. 54 Prozent werden den Kredit annehmen. (Berner Zeitung) Erstellt: 12.11.2018, 08:52 Uhr Ist dieser Artikel lesenswert? Ja Nein


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