1. Erfahrungsbericht von Alexander Müller Weltweite Initiative e.V.
Nica News
13.09.2011 Masaya, Nicaragua
Freiwilligendienst in Nicaragua
Erste Eindrücke Als wir nach 25-stündiger Reise (inklusive Flughafenaufenthalte) in Managua ankamen, klebten unsere Vorgänger schon an der Scheibe der Eingangshalle. Nach einem großen Hallo ging's auf nach Masaya – und zwar auf einer Camioneta. Das ist ein großer Pickup, bei dem die Ladefläche zum Transport von bis zu 30 Personen dient.
In der ersten Woche hatten unsere Vorgänger ein „On-Arrival Training“ für uns vorbereitet, das uns den Einstieg in Leben und Arbeit erleichtern sollte (siehe dazu meinen Kurzbericht auf meinem Blog, s.u.). In der zweiten Woche begleiteten wir unsere Vorgänger bei der Arbeit und übernahmen teile der Workshops. Wir bekamen
Wir mit unseren Vorgängern auf der Camioneta (Ich bin hier ^)
Tipps, die Gold wert sind: Wo finde ich einen guten Arzt? Welches ist das schnellste Internetcafé? Wie tanze ich Salsa? Was tun gegen wildgewordene Straßenhunde? (Einer unserer Neu-Freiwilligen wurde sogar schon angefallen – ist aber nichts passiert) „Das erste Mal Gallo Pinto war ein Genuss“ Sehr interessant war für uns natürlich das Essen – immerhin werden wir uns ein Jahr davon ernähren. Wir entdeckten die unmöglichsten Früchte auf dem Markt, z.B. „Fruta di Pan“, die angebraten wie Bratkartoffeln schmeckt. Bei uns um die Ecke gibt es eine der vielen „Fritangas“, bei dem Privathaushalte für den Straßenverkauf kochen: Frittierte Kochbananen, frittierter Käse und natürlich das Nationalgericht „Gallo Pinto“ (gescheckter Hahn), das aus Reis und Kidneybohnen besteht. Schmeckt saugut!
Eine andere Welt Man merkt, dass man nah am Äquator ist, denn es wird verdammt schnell dunkel bzw. hell. Um Sechs geht die Sonne unter, und zehn Minuten später ist es stockduster. Die läufigen
Katzen mauzen eigentlich die ganze Nacht und springen auf unserem Wellblechdach rum, als gäbe es kein Morgen. Nachts um 4 fangen dann die Hähne an zu krähen – gut dass ~1~
ich Ohrstöpsel dabei habe. Bei Sonnenaufgang haben wir etwa 25°C, zum Frühstück um 9 sind wir schon bei 30°C, zum Mittag sinds dann so um die 35°C. Unser Vorgänger Jakob meinte,
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13.09.2011 Masaya, Nicaragua
er hätte noch nie weniger als 25°C auf unserem Thermometer abgelesen. Allerdings finde ich die Hitze garnicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte (aber das kommt wahrscheinlich noch). Komischerweise gibt’s hier keine Siesta wie in Spanien, und ich hatte auch erwartet, dass die Menschen wegen der Sonne große Hüte tragen (wie die Sombreros in Mexico) – stattdessen tragen sie Basecaps (wie auch der Präsident Daniel Ortega) oder schützen sich mit einem Schirm. Außer ein paar Banken ist nichts klimatisiert (ist auch besser so, wird man nur krank davon), die Menschen hier nutzen eher Ventilatoren und trinken Frescos, das
sind kalte, quietschsüße GeAußerdem hatte ich gedacht, tränke, die in kleinen Plastiktü- dass hier Tagesklima herrscht, ten serviert werden. wie ich es im Geographieunterricht gelernt hatte: Vormittags strahlender Himmel, nachmittags strömender Regen, und zwar jeden Tag um die gleiche Uhrzeit. In Wirklichkeit hält er sich nicht an Uhrzeiten, aber heftig ist er trotzdem. Da es keine Regenwasserkanalisation gibt, verwandeln sich die Straßen innerhalb kürzester Zeit in reißende Bäche. Das Trommeln der Regentropfen auf den Wellblechdächern macht es schwer, sich zu unterhalten, oft kommt es zu Stromausfall – aber die Menschen hier sehen das alles gelassen, und auch ich lasse Ein leckerer Pithaya-Fresco im mich nicht davon beirren. Hof unserer WG in Masaya
Eine kleine Anekdote In der zweiten Woche ist mir etwas lustiges passiert. Wir verabschiedeten uns vom Artistkkurs im Dörfchen „Pilas Orientales“ und es flossen Tränen bei Freiwilligen und Kindern, denn dies war der letzte Kurs mit den Altfreiwilligen Jakob, Carolin und Maja. Auf dem Rückweg holten wir uns, wie es bei unseren Vorgängern Tradition zu sein schien, einen Fresco und einen Milchreis (eigentlich kaufte sich Jacob bei jeder Gelegenheit einen Fresco). Wir halfen den beiden Frauen noch kurz, zwei große Töpfe von ihrem Haus zum Stand zu tragen. Der Rückweg verzögerte sich noch um weitere 10 Minuten wegen einer Fahrradpanne, doch eine gute Stunde nach Kursende kamen
wir an. ich mit
in unserer WG in Masaya Kurs vergessen hatte. Dort stellte ich fest, dass Also wieder auf's Fahrrad gemeinen grünen Rucksack schwungen, diesmal mit etwas den Jongliersachen beim höherem Tempo und allein wie-
Auf meinem geliebten Drahtesel ~2~
13.09.2011 Masaya, Nicaragua
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der nach Pilas Orientales. Auf dem Hinweg kam ich wieder an dem Frescostand vorbei, die beiden Frauen grüßten freundlich, doch ich war zu schnell um etwas zu verstehen. In der Schule in Pilas Orientales waren eine Menge Leute versammelt, sie schienen auf eine Versammlung zu warten. Ich grüßte freundlich und wurde etwas verdutzt angeschaut – Weiße verirren sich selten hierher, und als neuer Freiwilliger kannte mich noch niemand. Glücklicherweise fand ich Jimmy, ein Kind aus dem Theaterkurs. Ich erklärte ihm, dass ich meinen Rucksack vergessen hatte und bat ihn, mir bei der Suche zu helfen. In den Kursen ist er gern rebellisch, doch jetzt willigte er ein. Die Nachbarn hatten nichts gesehen, die Menschen, die auf die Versammlung warteten, auch nicht, und einige andere Kinder aus dem Kurs, die dazukamen, auch nicht. Zwischendurch fragte ich Jimmy, warum in der Schule so viele Erwachsene waren – leider verstand ich die Erklärung nicht ganz, aber es schien sich um etwas Ernstes zu handeln. Mittlerweile hatten sich einige Kinder versammelt, die bei der Suche halfen; sie schlugen vor, morgen bei allen Familien vorbeizugehen. Dann fragte mich Jimmy, ob ich den Rucksack vielleicht woanders verloren habe – und da fiel es mir ein: Ich hatte den Rucksack abgelegt, als ich die Töpfe der beiden Frauen vom Frescostand getragen habe! Also wieder auf den Draht-
esel. Der Dreckweg war trocken und das Klima für nicaraguanische Verhältnisse angenehm kühl, so dass ich ordentlich in die Pedale treten konnte. „Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Bei nen“ Am Frescostand grinsten mir schon die beiden Frauen entgegen und deuteten auf den Rucksack. „Wir haben dir hinterhergerufen, aber du warst zu
schnell“ sagten sie. Ich versuchte, ihnen das deutsche Sprichwort „Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Beinen“ zu erklären, was mir einigermaßen gelang. Dann zeigte ich ihnen die Jongliersachen in meinem Rucksack: Es waren Diabolos und Bälle, die die Kinder aus Ballons und Reis selbst gebastelt hatten. Damit jonglierte ich ein bisschen, was die beiden Damen sehr entzückte, und danach ging's wieder nach Masaya – nun war wieder alles im Lot.
Carmen vom Frescostand mit meinem Rucksack ~3~
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Letzter Gruß Insgesamt fühle ich mich sehr wohl hier. Alles ist etwas lockerer als in Deutschland, nicht so durchorganisiert und DINgenormt. Unsere Vorgänger freuen sich auf Deutschland, ich freue mich erstmal auf ein erlebnisreiches und lehrreiches Jahr in Masaya, Nicaragua!
In der nächsten Ausgabe … werde ich über das wichtigste Berichten: Meine Arbeit. Für weitere Berichte sind folgende Themen geplant: Gastfamilie, Wahlen im November 2011, Umweltbewusstsein & Umweltschutz, Homosexualität. Wenn euch etwas spezielles interessiert, schreibt mir!
Abenstimmung in Masaya
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~4~
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