Vor aller Zeit
Allitera Verlag
LUDWIG STEINHERR
VOR ALLER ZEIT Einundzwanzig Gedichte zur Ankunft eines Kindes
Allitera Verlag
Allitera Verlag Ein Verlag der Buch&media GmbH © 2019 Buch&media GmbH Umschlag und Satz: Franziska Gumpp Umschlaggestaltung unter Verwendung des Gemäldes »mehr Meer« (2018) von Josef A. Henselmann, Öl auf Leinwand, 100 x 100 cm Gesetzt aus der Georgia und der Frutiger LT ISBN print: 978-3-96233-145-0 ISBN epub: 978-3-96233-146-7 ISBN PDF: 978-3-96233-147-4 Printed in Europe
Allitera Verlag Merianstraße 24 . 80637 München Telefon 089 13929046 Mail info@allitera.de . www. allitera.de
FĂźr Ludwig und Rafaela mit aller Liebe
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NOCH Noch ist deine Existenz unfassbar eine kühne Prophezeiung eine wahnwitzige Hoffnung – Wir müssen an dich glauben wie an Gott (nicht den der Philosophen!) – Noch verwechseln wir dich mit den Zeichen die du uns gibst verlieben uns in deine Ungewissheit das Vielleicht die Erwartung – Noch stürzt du im Nachtflug (ein winziger eingekrümmter Pilot) durch mögliche Welten –
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Wir sehnen dich herbei lotsen dich herab: Lande, lande in der besten aller mÜglichen – nein, lande (verzeih uns!) in unserer Welt –!
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OHNE TÜR Ohne Tür trittst du ein in unser Leben Wie eine Gestalt langsam hervordämmert aus dem dunklen Hintergrund des Gemäldes wie im Wartesaal ein Schläfer sich regt unter seinem Mantel schälst du dich aus dem Nichts Jetzt schlägt dein Herz doppelt so schnell wie das unsere Jetzt greifen deine Finger umher trinkst du Fruchtwasser in kleinen Schlucken – Als wärst du schon immer da gewesen und wir hätten dich 9
– welches Versäumnis! – nur nicht bemerkt
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WACHSEN Was wir Wachsen nennen: Deine rasenden Raubzüge durch die Evolution – Wie du zusammenraffst verschlingst in jedem Augenblick die genetische Beute von Jahrmillionen – Kiemen entstehen verschwinden Flossen, nein, Finger die einmal über Klaviertasten gleiten Pinzetten führen können – Und was da keimt im tiefsten Dunkel dieser vage Klumpen dein Gehirn – So unscheinbar und doch: was für ein Labyrinth –!
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Verwinkelt genug dass Gott sich darin verlaufen kann
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ENGE Diese unfassbare Enge in die du hineinwächst in die du dich drängst und die für dich doch keine Enge ist – (Nie wieder wirst du solche Nähe ertragen nie wieder solche Abhängigkeit –) Sinnlos das Wort Freiheit vor dir: du Gefangener im herzwarmen Kerker festgekettet mit einer Nabelschnur
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