edition monacensia Herausgeber: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek Dr. Elisabeth Tworek
Franz Marc
Briefe aus dem Feld 1914–1916 Mit 36 Zeichnungen von Franz Marc
Einführung von Cathrin Klingsöhr-Leroy
Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter: www.allitera.de
Juni 2014 Allitera Verlag Ein Verlag der Buch&media GmbH, München © 2014 für diese Ausgabe: Landeshauptstadt München / Kulturreferat Münchner Stadtbibliothek Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek Leitung: Dr. Elisabeth Tworek und Buch&media GmbH, München Umschlaggestaltung: Dietlind Pedarnig / Alexander Strathern unter Verwendung des Gemäldes »Das arme Land Tirol« von Franz Marc (1913) Abbildung S. 6: Franz Marc im Unterstand, Fotografie 1914 / 15 Franz Marc Museum, Nachlass Etta und Otto Stangl Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany · isbn 978-3-86906-621-9
Inhalt
Cathrin Klingsöhr-Leroy »Entwurf zu einer neuen Welt«: Franz Marcs »Briefe aus dem Feld« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Briefe 1914 bis 1916 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Anhang Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Die militärische Laufbahn Franz Marcs . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Cathrin Klingsöhr-Leroy
»Entwurf zu einer neuen Welt«: Franz Marcs »Briefe aus dem Feld«
B
ei Beginn des Ersten Weltkriegs, am 1. August 1914, meldete Franz Marc sich freiwillig zum Kriegsdienst und wurde am 6. August eingezogen. Am 30. August brach er mit seinem Regiment ins Feld auf. Der erste Brief, den er an seine Frau Maria schrieb, datiert vom 1. September 1914, wurde aus dem Elsass abgesandt. Bis zu seinem Tod am 4. März 1916 an der Westfront vor Verdun sollte Franz Marc regelmäßig, manchmal fast täglich, an seine Frau im oberbayerischen Ried schreiben. Diese »Briefe aus dem Feld«1 wurden nicht nur zu einem »Klassiker« der Künstlerschriften des 20. Jahrhunderts, sondern sie prägten – seit der Erstausgabe im Jahr 1920� immer wieder neu aufgelegt – auch die Wahrnehmung Franz Marcs als einen ebenso kompromisslosen Avantgardisten wie beliebten »Tiermaler« bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Mit wachsendem historischen Abstand zu Franz Marcs Werk und Leben erscheinen seine »Briefe aus dem Feld« allerdings zunehmend fremder, wenn nicht befremdlich. Heute, aus der Perspektive einer pazifistisch geprägten Gegenwart, lässt es sich kaum verstehen, dass Franz Marc den Krieg »bejahte« während die Haltung seines Freundes Paul Klee, der erklärte, der Krieg gehe ihn »innerlich nichts an«2 oder die Wassily Kandinskys, der Marc schrieb »Ich dachte, dass für den Bau der Zukunft der Platz auf eine andere Art gesäubert wird. Der Preis dieser Art Säuberung ist entsetzlich«3 � uns nachvollziehbarer erscheinen. Dagegen schreibt Marc schon Anfang November aus dem Kampfgeschehen, mit dem er inzwischen konfrontiert ist: » […] ich fühle den Geist, der hinter den Schlachten, hinter jeder Kugel schwebt so stark, dass das realistische, materielle ganz verschwindet. Schlachten, Verwundungen, 7
Bewegungen wirken alle so mystisch, unwirklich, als ob sie etwas ganz anderes bedeuteten, als ihre Namen sagen.«4 Franz Marc versteht den Krieg als schicksalhaftes Geschehen und Naturereignis, in dem er einen verborgenen Sinn sucht. In seiner Haltung zum Krieg spiegeln sich weder Naivität noch nationalistische Kriegsbegeisterung wider, sondern sie entspricht seinen Ansichten vor dem Krieg sowohl in künstlerischer als auch in menschlicher Hinsicht. Wenn Marc an der Front eine Bedeutung hinter dem furchtbaren Geschehen sieht und die Realität der Schlacht symbolhaft verstehen will, dann erinnert das an Ideen, die er in seinen kunsttheoretischen Schriften schon vor dem Krieg formulierte: »Wir suchen heute unter dem Schleier des Scheines verborgene Dinge in der Natur, die uns wichtiger scheinen als die Entdeckungen der Impressionisten.«5 Diese Darstellung des Kerngedankens einer »neuen Malerei«, die die ephemere Erscheinung der Dinge durchdringen und ihre eigentliche Struktur anschaulich machen will, beschäftigt Marc auch im Krieg und in den »Briefen aus dem Feld« kommt er in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder darauf zurück. Nur einige Tage nach dem oben zitierten Brief beschreibt Marc seiner Frau großartige Natureindrücke bei frühmorgendlichen Ritten und fährt dann fort: »Du kennst ja die Stimmung. Eine merkwürdige Steigerung derselben liegt für mich in dem französischen Dorfbild, lauter Monets, Sisleys u. van Goghs. Das Aussehen der französischen Dörfer ist ja auch hier äußerst typisch. Nirgends Ziegelbauten, sondern alles aus einem graugelben Sandstein, meist nur schlecht getüncht. Diese französ. impressionistische Stimmung ist für mich wie eine Kindererinnerung; ein wehmütiges Gefühl beschleicht mich dabei; aber immer, wenn ich mich in solche Szenen vertiefe, ertappe ich mich dabei, daß ich statt dem Kalt u. Warm u. der Luftperspektive Zahlen sehe, rein abstrakte Klänge u. schnell ist der impressionistische, anheimelnde Traum vorbei und die Arbeit beginnt!«6 Mit »Arbeit« meint der Maler, der an der Front künstlerisch zur Untätigkeit verdammt war, seine geistige Aktivität, seine ununterbrochene gedankliche Arbeit in dem Bemühen, den Krieg zu verstehen und für die Zeit danach vorauszudenken: »Mein Hauptgedanke ist jetzt: Entwurf zu einer neuen Welt.«7, formuliert er diese selbstgestellte Aufgabe. In den »Briefen aus dem Feld« spiegelt sich – parallel zu dem privaten Austausch mit seiner Frau – Franz Marcs intensive 8
Auseinandersetzung mit der Frage, was können wir schon im Krieg tun, um die geistigen Voraussetzungen für eine bessere Welt und eine zeitgemäße Kunst nach dem Krieg zu schaffen? Die Hoffnung, die er – mit den Freunden vom »Blauen Reiter« – schon vor dem Krieg hegte, mit »Geistigen Gütern«8 eine von falschen Werten geprägte Gesellschaft zu reformieren, überträgt Marc nun auf den Krieg, der als »Fegefeuer« mit reinigender Wirkung die Basis für eine neue Welt schaffen soll: »Ja, wenn der Krieg einmal vorbei ist, – was wird dann aus Deutschland? Wird es neben dem politischen Deutschland auch ein künstlerisches geben? Wir haben in den letzten Jahren vieles in der Kunst und im Leben für morsch und abgethan erklärt und auf neue Dinge gewiesen. Niemand wollte sie. Wir wußten nicht, dass so rasend schnell der große Krieg kommen würde, der über alle Worte weg selbst das Morsche zerbricht, das Faulende ausstößt und das Kommende zur Gegenwart macht.«9 So formuliert Marc seine Gedanken in dem ersten der fünf Essays, die er im Krieg verfasst� und an Maria schickt, mit der Bitte, sich um die Veröffentlichung dieser Texte zu bemühen,10 denn er betrachtet seine Schriften als konstruktive Vorbereitung einer Zukunft nach dem Krieg: »Ich habe Angst, dass man meine Gedanken für schön u. gut aber utopisch erklärt, – es ist der Einwurf, dem ich am leidenschaftlichsten begegnen will. Die Verwirklichung meiner Zukunftsvorstellung werde ich ja nur in Bildern versuchen können, aber ich hoffe mit aller Glut, daß Männer kommen, die es in Literatur u. Philosophie und Sitte verwirklichen, wenigstens für einen kleinen Kreis von Menschen; dieser kleine Kreis würde mehr beweisen als wenn die schwerfällige Masse sich in Bewegung setzte.«11 Aber wie sollte die Kunst aussehen, die Franz Marc nach dem Krieg schaffen wollte? Auch diese Frage treibt ihn in den »Briefen aus dem Feld« um, denn, so erläutert er Maria am 20. Februar 1915, kurz bevor er ihr den letzten an der Front verfassten Text, seine »100 Aphorismen«12 schickt, »Ich schreibe ja im Grunde nur, weil die Berufenen versagen u. um sie zu reizen u. zu wecken und letzten Endes schreibe ich überhaupt nur für mich u. was ich schreibe, bedarf notwendig der Ergänzung durch meine – ungemalten! – Werke.«13�Als ihn einen knappen Monat später ein Brief von Bernhard Koehler, seinem wichtigsten Sammler und Mäzen, erreicht, kommt er auf dieses Thema wieder zurück: »Koehler schrieb mir heute auf einer Sturm-Postkarte meiner ›Tierschicksale‹�.14 Bei ihrem Anblick war ich ganz betroffen 9
und erregt. Es ist wie eine Vorahnung dieses Krieges, schauerlich und ergreifend; ich kann mir kaum vorstellen, dass ich das gemalt habe! In der verschwommenen Photographie wirkt es jedenfalls unfaßbar wahr, daß mir ganz unheimlich wurde. Es ist von einer künstlerischen Logik, solche Bilder vor dem Krieg zu malen, nicht als dumme Reminiszenz nach dem Kriege. Da muß man konstruktive, zukünftige Bilder malen, keine Erinnerungen, wie es meist Mode ist.«15 Im gleichen Brief erwähnt Marc das »Skizzenbuch aus dem Felde«,16 das 1915 entstand und als sein letztes Werk und künstlerische Hinterlassenschaft betrachtet werden kann: »An dieses Frühjahr werden noch Generationen denken; die ältesten Leute werden noch später von ihm erzählen; die Stimmung steigt immer mehr ins Unbegreifliche. Wie bist du glücklich, deinen Flügel zu haben und spielen zu können. Bei mir stapelt sich alles bis zur schmerzhaften Müdigkeit im Kopf; aber ich fang jetzt leise an, im Skizzenbuch� zu zeichnen; das erleichtert u. erholt mich.«17 �Die damals entstandenen Zeichnungen sind von abstrakten Formen geprägt, die zum Teil – und manchmal erst auf den zweiten Blick erkennbar – mit Tierkörpern verwoben sind. Franz Marc setzt damit formal fort, was vor dem Krieg entstanden war und betont deutlich die abstrakte Tendenz seines Werks. Dies entspricht der inneren Logik seiner künstlerischen Entwicklung, so wie er sie selbst in einem Brief an Maria im April 1915 erläutert: »Ich denke viel über meine eigene Kunst nach. Der Instinkt hat mich im Großen u. Ganzen nicht schlecht geleitet, wenn die Werke auch unrein waren; vor allem der Instinkt, der mich von dem Lebensgefühl für den Menschen zu dem Gefühl für das animalische, den ›reinen Tieren‹ wegleitete. Der unfromme Mensch, der mich umgab, (vor allem der männliche) erregte meine wahren Gefühle nicht, während das unberührte Lebensgefühl des Tieres alles Gute in mir erklingen ließ. Und vom Tier weg leitete mich ein Instinkt zum Abstrakten, das mich noch mehr erregte; zum Zweiten Gesicht, das ganz indisch-unzeitlich ist u. in dem das Lebensgefühl ganz rein klingt.«18 Die Befreiung von allem Materiellen, die Durchsicht auf das dahinterliegende, eigentlich Wesentliche bestimmt Marcs Weltsicht auf unterschiedlichen Ebenen: Er sieht es als Notwendigkeit für eine kommende Gesellschaft, den wahren, »immateriellen« Werten zu folgen, er hat als Künstler das Ziel, die Dinge zu »durchschauen« und ihre innere Struktur »freizulegen« und seiner Meinung nach ist dies 10
auch der Sinn der »reinen«, nicht utilitaristisch verstandenen Wissenschaft: sie enthüllt den eigentlichen Beweggrund der unterschiedlichen natürlichen Phänomene: »Ich beginne immer mehr hinter o. besser gesagt: durch die Dinge zu sehen, ein Dahinter, das die Dinge mit ihrem Schein eher verbergen, meist raffiniert verbergen, indem sie den Menschen etwas andres vortäuschen als was sie thatsächlich bergen. Physikalisch ist das ja eine alte Geschichte; wir wissen heute, was Wärme ist, Schall u. Schwere, – wenigstens haben wir eine 2. Deutung, die wissenschaftliche. Ich bin überzeugt, daß hinter dieser noch wieder eine u. viele liegen. Aber diese 2. Deutung hat den menschlichen Geist mächtig verwandelt, die größte Typusveränderung, die wir bis jetzt erlebt haben. Die Kunst geht unweigerlich denselben Gang, freilich auf ihre Art, und diese Art zu finden, das ist das Problem; unser Problem!«19 Seine »Arbeit«, die Auseinandersetzung mit den großen weltanschaulichen, künstlerischen und gesellschaftlichen Problemen seiner Zeit, empfindet Marc an der Front durchaus als Belastung, aber auch als moralische Verpflichtung: »Ich bereue auch keinen Tag, mich ins Feld gemeldet zu haben«, schreibt er, »Ich wäre in München stets unglücklich, gedrückt u. unzufrieden gewesen und hätte für mein Wesen und Denken zu Hause nichts gewonnen, sicher nicht das gewonnen, was mir heraußen der Krieg gegeben hat. Ein bißchen stiller und melancholischer wirst Du mich vielleicht finden, – Du wirst es auch sein; die Klugen und Denkenden alle werden nicht dieselben sein wie früher. Eine solche Zeit durchleben die Menschen nicht alle 100 Jahre, viel seltener sogar. – Was mir das Soldatenleben schwer macht, (- es wäre in München das Gleiche), daß ich neben dem Dienst hindurch immer andere Gedanken u. Pflichten im Kopf habe und den Dienst immer gegen meine Kopfarbeit u. diese gegen den Dienst ausspielen muß.«20 Tatsächlich war Franz Marc damals schon vom Krieg gezeichnet, wie sein Freund Paul Klee eindrucksvoll schildert. Nach Marcs letztem Besuch in München, im November 1915, notiert er in seinem Tagebuch: »Kurz darauf erhielt Marc Urlaub und kam, obwohl sehr ermüdet und sichtlich abgemagert, unausgesetzt erzählend nach München. Anhaltender Druck und Freiheitsberaubung lasteten deutlich auf ihm. Das verdammte Habit, eine mäßig sitzende Unteroffiziersuniform mit Portepeesäbel, begann ich nun richtig zu hassen. […] der Mann 11
müsste wieder malen, dann käme sein stilles Lächeln zum Vorschein, das nun einmal einfach zu ihm gehört […]. Das Soldatenspiel müßte ihm verhasster sein, oder noch besser gleichgültig.«21 Im Gegensatz zu Paul Klee, den Marc, der kurz darauf fiel, bei diesem Besuch zum letzten Mal gesehen hatte, war ihm das »Soldatenspiel« nicht gleichgültig, sondern seine »Briefe aus dem Feld« spiegeln die Bedeutung wider, die er dem Krieg für eine gesellschaftliche und eine persönliche Läuterung beimisst. Aus diesem Empfinden entspringt das große Verantwortungsgefühl, das auf ihm lastet und das ihn nur selten die Realität des Krieges direkt wahrnehmen und damit auch kaum in seinen Briefen nach Hause schildern lässt. Gerade im letzten Teil der »Briefe« schimmern jedoch immer wieder Eindrücke des Grauens und der Melancholie, von der Marc umgeben ist, auf. So schreibt er am 9. Oktober 1915 an Maria: »Liebste, ist einliegende Karte mit der alten Frau, die in das Kaminfeuer bläst, mit ihrem Hund, nicht erschütternd? Ein Schicksalsbild des armen Frankreich. Unser Leben ist umgeben von solchen Bildern. Ich kenne für mein Gemüt nichts fürchterlicheres als den seltsamen Blick dieser alten, über alle Vorstellungen vereinsamten Greise und Großmütter Frankreichs. Die Kirche von Senzey ist auch von einer namenlosen Traurigkeit. Hellmut’s Karte lege ich auch bei; vielleicht hat er doch das Glück und kommt durch, ich wußte ja, dass dieses Gemetzel im Westen kommen würde. Es hilft kein Reden und Klagen und Anklagen. Es ist ziemlich sinnlos, den paar Regierungsmännern die Verantwortung für dieses Inferno zuschieben zu wollen. Jeder Einzelne ist genau so schuldig. Was versteht der Einzelne unter »Frieden«??: Das begierige Wiederaufnehmen desselben friedenswidrigen, sündigen Lebens u. Strebens, das diesen Weltbrand erzeugt. Die Axt muß an die Wurzel gelegt werden.«22 Selbst da, wo Marc die Kriegsrealität wahrnimmt und realistisch schildert, setzt er sie sogleich wieder in einen größeren Kontext, denn der Krieg ist für ihn nicht in historisch-politischen Zusammenhängen zu sehen, sondern er ist ein »Naturereignis«, ein schicksalhafter Läuterungsprozess, der ein neues Europa schaffen wird: »Lieber Blut als ewig schwindeln; der Krieg ist ebenso sehr Sühne als selbstgewolltes Opfer, dem sich Europa unterworfen hat, um ›in’s Reine‹ zu kommen mit sich. Alles, was drum und dran ist, ist gänzlich äußerlich u. häßlich; aber die hinausziehenden u. sterbenden Krieger sind nicht häßlich. Da trügt Dich Dein Gefühl, weil du nicht weit genug 12
fühlst.«23 Nicht nur die Überzeugung, dass der Krieg Sühne für eine den falschen Werten nachjagende, dekadente Gesellschaft sei, wobei das Schicksal des Einzelnen keine Bedeutung habe, scheint Marc im Krieg zu helfen, seine Standhaftigkeit zu bewahren. Auch seine Utopie einer besseren Welt, eines besseren Europas, das er gedanklich im Krieg vorbereitet und nach Ende des Krieges als Künstler mit seinen Werken stützen will, hilft ihm – im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern – den Krieg durchzustehen. Seine Hoffnung ist auf eine neue Welt, ein neues Europa gerichtet: »Soll der Krieg uns das bringen, was wir ersehnen und das in einem Verhältnis zu unseren Opfern steht – der Atem stockt vor dieser Riesengleichung – wird sie aufgehen? -, so müssen wir Deutsche nichts leidenschaftlicher meiden als die Enge des Herzens und des nationalen Wollens. Sie verdürbe uns alles. Wer hat, dem wird gegeben werden. Nur mit dieser Devise werden wir auch geistig die Sieger bleiben und die ersten Europäer sein. Der kommende Typ des Europäers wird der deutsche Typ sein; aber zuvor muß der Deutsche ein guter Europäer werden.«24
Cathrin Klingsöhr-Leroy, 1958 im Bramsche geboren, studierte Kunstgeschichte, klassische Archäologie und deutsche Literaturwissenschaft. Nach ihrer Promotion war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen tätig. Seit 2010 obliegt Cathrin Klingsöhr-Leroy die Geschäftsführung und künstlerische Leitung des Franz Marc Museums in Kochel.
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Anmerkungen Marc, Maria (Hg.): Franz Marc. Briefe, Aufzeichnungen und Aphorismen, Berlin 1920 (Verlag Paul Cassirer). 2 Klee Tagebücher 1988, S. 366 (952). 3 Brief an Franz Marc vom 8. November 1914, in: Lankheit, Klaus (Hg.): Wassily Kandinsky – Franz Marc. Briefwechsel, München 1983, S. 64. 4 Brief vom 12. September 1914, vgl. diese Ausgabe S. 21. 5 Franz Marc, Die neue Malerei, 1912, in: Lankheit, Klaus: Franz Marc. Schriften, Köln 1978, S. 101. 6 Brief vom 18. November 1914, vgl. diese Ausgabe S. 40. 7 Brief vom 14. März 1915, vgl. diese Ausgabe S. 62. 8 Dies ist der Titel eines 1911 verfassten Textes, den Franz Marc in dem gemeinsam mit Wassily Kandinsky 1912 herausgegebenen Almanach »Der Blaue Reiter« veröffentlicht hatte. Lankheit 1978 (u. Anm. 5), S. 147ff. 9 Franz Marc, Im Fegefeuer des Krieges, Oktober 1914. Lankheit 1978 (u. Anm. 5), S. 159. 10 An der Front verfasst Franz Marc fünf Texte und die »100 Aphorismen«, die zum Teil veröffentlicht wurden: August Macke (Oktober 1914); Im Fegefeuer des Krieges (Oktober 1914); Das geheime Europa (November 1914); Der hohe Typus (1914 / 15); Bemerkungen zu: L. N. Tolstoi. Was ist Kunst? (Frühjahr 1915); die 100 Aphorismen (Anfang 1915). – Publiziert und kommentiert in: Lankheit 1978. 11 Brief vom 22. Dezember 1914, vgl. diese Ausgabe S. 50. 12 Lankheit 1978, S. 185–213. 13 Brief vom 20. Februar 1915, vgl. diese Ausgabe S. 61. 14 Franz Marc, Tierschicksale, 1913. Annegret Hoberg und Isabelle Jansen, Franz Marc. The complete works, London / München 2004, Band 1, The oil paintings, Nr. 217. 15 Brief vom 17. März 1915, vgl. diese Ausgabe S. 62. 16 Das Skizzenbuch umfasst 36 Zeichnungen, die zwischen März und Juni 1915 entstanden sind. Hoberg / Jansen (u. Anm. 11) Band 3, London / München 2011, S. 290–299. 17 Brief vom 17. März 1915, vgl. diese Ausgabe S. 64. 18 Brief vom 12. April 1915, vgl. diese Ausgabe S. 78. 19 Brief vom 24. Dezember 1914, vgl. diese Ausgabe S. 53. 20 Ebd. 21 Paul Klee Stiftung (Hg.): Paul Klee, Tagebücher 1898–1918, bearb. von Wolfgang Kersten, Stuttgart 1988, S. 370f. Vgl. C. Klingsöhr-Leroy: »Sich schneidende Kreise«. Ein Briefwechsel zwischen Franz Marc und Paul Klee im Ersten Weltkrieg, in: Klingsöhr-Leroy, Cathrin: Zwischen den Zeilen: Dokumente zu Franz Marc, Ostfildern-Ruit 2005. 22 Brief vom 9. Oktober 1915, vgl. diese Ausgabe S. 113. 1
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