Allitera Verlag
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Die Fürsten Überlieferung E: Simplicissimus, Jg. 8 (1903/04). Nr. 32 (03.11.1903). Spezial-Nr. Aus hohen Kreisen. S. 250. – V: Peter Schlemihl Lemp: E: L 706 Textwiedergabe nach E
Metrische und sprachliche Besonderheiten Das Gedicht ist reimlos, d.h. in freien Rhythmen gedichtet.
Erläuterungen Einzelstellenkommentar 30 Musen: (s. Einzelstellenkommentar zu Frohe Hoffnung (L 545) Z. 10: Muse:) 37 Genius: (von lat. ތgenius )ތim römischen Altertum: Schutzgeist, göttliche Verkörperung des Wesens eines Menschen, einer Gemeinschaft, eines Ortes; später im übertragenen Sinn: schöpferische Kraft eines Menschen; schöpferisch begabter Mensch, Genie. (vgl. Brockhaus 2006 X, S. 464.). 41 Nero: Nero (37-68), römischer Kaiser (54-68), ursprünglich Lucius Domitius Ahenobarbus, nach Adoption Claudius ތThronfolger als Claudius Drusus Germanicus Nero. „Der römische Kaiser Claudius nahm 50 n.Chr. Claudius Drusus Germanicus Nero an Kindes Statt an. Nero folgte 54 seinem Stiefvater auf den Thron des Römischen Reiches und entwickelte bald Charakterzüge, die vermuten ließen, daß er nicht ganz zurechnungsfähig war. Anfangs wirkte noch der Einfluß seines Lehrers, des Philosophen Seneca, mäßigend. Doch dann ließ Nero im Jahr 59 seine Mutter ermorden, 62 ließ er sich von Octavia, einer Tochter des Claudius, scheiden, um Poppäa Sabina heiraten zu können. Auch Octavia wurde ermordet.“ (Pleticha, Geschichtslexikon, S. 256.). „Seneca zog sich vom Hof zurück, und der exzentrische Despot, der öffentlich als Sänger, Schauspieler und Wagenlenker auftrat, umgab sich mit Günstlingen. Als 64 mehrere Bezirke Roms niederbrannten, lenkte Nero den wohl unbegründet gegen ihn gerichteten Verdacht der Brandstiftung auf die Christen, die er grausam verfolgte. 65 schlug er die ›Pisonische Verschwörung‹ nieder; Seneca, der Teilnahme beschuldigt, musste sich das Leben nehmen.“ (Brockhaus-Online). Unterdessen hatte sich der Widerstand gegen Nero immer mehr verstärkt und gipfelte 68 in Aufständen in Gallien und Spanien und im Abfall der Prätorianergarde. Schließlich wurde Nero vom Senat geächtet, flüchtete und beging Selbstmord. Mit Neros Tod endete gleichzeitig die julisch-claudische Dynastie. Nach dem Willen des Senats sollte jede Erinnerung an den Kaiser, der sich der Nachwelt zumeist als grausamer, vom ތCäsarenwahn ތbesessener Herrscher einprägte, getilgt werden. (vgl. ebd.; vgl. Pleticha, Geschichtslexikon, S. 256.).
Aus Fürstenharfen Überlieferung E: Simplicissimus-Kalender für 1903, S. 24. – V: <o.V.> – I (sw): Th. Th. Heine D: Simplicissimus, Jg. 7 (1902/03). Nr. 32 (04.11.1902). S. 252. – <o. Einleitung> – Untertitel: Gedichte der Prinzessin Jasomira von Gerolstein – V: Peter Schlemihl (im Simplicissimus-Kalender 1903) – I: <o.I.> Lemp: E: L 1219; D: L 645 Textwiedergabe sowie Illustration nach E Zuschreibung: Da bei D als Verfassername „Peter Schlemihl“ aufgeführt wird, ist bewiesen, dass der Urheber bzw. Verfasser des bei E anonym abgedruckten Gedichts LT ist. Durch die Verfasserangabe bei D ist die Verfasserbzw. Urheberschaft geklärt und (absichtlich) gelüftet.
Entstehungsgeschichte Bericht Das Gedicht dürfte spätestens bis Mitte des Jahres 1902 entstanden sein. Der Redaktionsschluss der „Simplicissimus“-Kalender war immer ungefähr in der Mitte des Jahres, damit der Kalender pünktlich im Herbst erscheinen konnte. Da die Kalender immer kleine gebundene ca. 100-seitige Bücher waren, dauerte der Druck eines Exemplars natürlich viel länger als bei einer Zeitschriftenheftnummer – daher auch der relativ frühe Redaktionsschluss. Außerdem sollte der Kalender ab Herbst verkauft werden und somit der Käufer ihn
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rechtzeitig vor Jahresende bzw. Jahresbeginn in Händen halten. Die Kalender waren sowohl Prestige- als auch Werbeobjekte des „Simplicissimus“ – somit für den „Simplicissimus“ nicht unbedeutend. Andererseits war der Kalender arbeitstechnisch gesehen von den „Simplicissimus“-Mitarbeitern immer ތteuer erkauftތ, denn die Arbeiten dafür mussten neben dem normalen Redaktions- und Arbeitsalltag bewältigt werden. Es wurde daher auch innerhalb der „Simplicissimus“-Belegschaft manchmal rege darüber diskutiert, ob und inwieweit sich das Projekt lohne und mit den anderen, normalen Arbeiten zu vereinbaren sei.
Metrische und sprachliche Besonderheiten Das Gedicht hat einen romantischen Anklang und spielt auch – zum Zwecke der Ironie – mit den für die romantische Dichtung typischen Eigenheiten. Die einzelnen Gedichtabschnitte bzw. Episoden sind in (Sprach-)Stil, Metrum und Reimschema z.T. sehr unterschiedlich – der Zusammenhalt wird durch die Überschriften gewährleistet, die in jeder Hinsicht den roten Faden des Gedichts bilden. Die Gedichtabschnitte selbst weisen durchgehend ein einfaches Reimschema, stellenweise auch direkte und/oder indirekte Reden und/oder onomatopetische Elemente (Z. 5, 11, 17, 52, 54) auf. Überdies können die letzten zwei Verse jeder Strophe des ersten Gedichtabschnitts als flüssiger Kehrreim angesehen werden; in dem flüssigen Kehrreim selbst ist wiederum jeweils ein onomatopoetisches Element („Summ! Summ!“) enthalten, das für sich betrachtet einen identischen Kehrreim innerhalb des ersten Gedichtabschnitts bildet.
Erläuterungen Vorbericht Nicht ermittelbar (in MNN, AA und Die Woche).
Einzelstellenkommentar 0 Aus Fürstenharfen: Möglicherweise spielt LT in dem Gedicht auf die deutsche Prinzessin Elisabeth Pauline Ottilie Luise zu Wied (1843-1916) an, die den deutschen Offizier Prinz Eitel Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen heiratete, mit diesem nach dessen Krönung zu Karl I. von Rumänien nach Rumänien ging und somit selbst Königin von Rumänien wurde und die nebenher seit frühester Jugend unter dem Pseudonym „Carmen Sylva“ dichtete und so später als „dichtende Königin“ bekannt wurde; für die Literaturkritik waren Carmen Sylvas literarische Erzeugnisse allerdings bedeutungslos und wurden, wenn überhaupt, sehr zurückhaltend bis negativ kommentiert; einen stärkeren Eindruck als aufgrund ihrer Dichtung hinterließ sie zweifellos aufgrund ihres sozialen und gesellschaftlichen Wirkens. (vgl. www.google.de 28.06.2011). 0 Jasomira: Vorname nicht bekannt und nicht ermittelbar. 0 Gerolstein: fiktives Fürstenhaus, das scherzhaft und parodistisch gezeichnet ist und allgemein den Typus des sich selbst entlarvenden und lächerlich machenden Aristokratentums verkörpert. Namentlich wie inhaltlich geht der ironische Namenszusatz bzw. die ironische Ortsbezeichnung sehr wahrscheinlich auf die bekannte und beliebte Operette „La Grande Duchesse de Gerolstein“ (1867) (frz.: „Die Großherzogin von Gerolstein“) des französischen Komponisten Jacques Offenbach (1819-80) zurück. Offenbach ließ sein dreiaktiges Musikstück im fiktiven Herzogtum Gerolstein spielen und nannte es eine „parodistische Oper“. Die Bezeichnung ist Programm und das Musikstück eine unverhohlene Satire auf Adel und Militär und deren Vorstellungen aus Standesdünkel und menschlicher Beschränktheit. Das Stück war ein großer, anhaltender Erfolg – selbst bei den Fürsten, die in ihm ihre eigenen Schwächen belachten. – Gerolstein, genau genommen „Emilsburg, Hauptstadt des Herzogtums Gerolstein“, ist auch der Ort der Handlung von LTs Komödie „Moral“. 1 Altane: Altan(e): (von gleichbed. ital. ތaltana )ތvom Erdboden aus gestützter balkonartiger Anbau. 7 Leutnant: (von frz. ތlieutenantތ: Leutnant) unterster Offiziersdienstgrad. 37 effektive: effektiv: (von lat. ތeffectivusތ: (be-)wirkend) wirksam, wirkungsvoll; lohnend, nutzbringend; wirklich. 55 Hammeldieb: Hammel: hier: verschnittener Schafbock. 56 schwarzen Berge: schwarze Berge: Gemeint ist Montenegro, das nach seinen typischen ތschwarzenތ Bergen benannte unabhängige kleine slawische Fürstentum (1878-1910) bzw. Königreich (1910-18) auf der Balkanhalbinsel am Adriatischen Meer. (vgl. Brockhaus-Online; vgl. Meyer 1908 XIV, S. 96ff.). – LT brachte die Balkanländer bzw. -völker oft und gerne mit mangelnder Sauberkeit und mangelndem Rechts- und Ordnungsbewusstsein in Verbindung.
Ehrfurchtsvollst unterbreitet Überlieferung
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E: Simplicissimus, Jg. 9 (1904/05). Nr. 25 (13.09.1904). Beiblatt. S. 250. – V: Peter Schlemihl Lemp: E: L 737 Textwiedergabe nach E
Entstehungsgeschichte Bericht (vgl. Vorbericht (Erläuterungen).)
Metrische und sprachliche Besonderheiten Das Gedicht weist durchgehend Schweifreim auf.
Erläuterungen Vorbericht Von 21. bis 25.8.1904 fand in Regensburg der 51. Deutsche Katholikentag statt. Zu diesem – wie auch in den Vorjahren einem ތZentrumstag ތgleichenden und so auch im Volksmund mitunter allgemein bezeichneten – Katholikentag kamen bis zu 30.000 Menschen, darunter nicht nur Geistliche und Zentrumsmitglieder und -politiker, sondern auch viele Gläubige und zahlreiche Abordnungen von katholischen Vereinen aus ganz Deutschland; auch mehrere prominente Besucher, d.h. hohe Geistliche, führende Zentrumspolitiker und andere bekennend katholische bekannte Persönlichkeiten, konnte der Katholikentag in Regensburg für sich verbuchen. Von den prominenten Besuchern erregte dabei besonderes Aufsehen die Gattin des bayerischen Prinzen Ludwig Ferdinand und gebürtige spanische Infantin Maria de la Paz. Während ihr Besuch bei den Zentrumsanhängern mit großem Jubel begrüßt wurde, stieß er bei den anderen Parteien und in der liberalen Presse auf starkes Befremden. Denn das Erscheinen der bayerischen Prinzessin bei dem Katholikentag bedeutete letztlich ein öffentliches Bekenntnis eines Mitglieds des bayerischen Königshauses zum Katholizismus und zur Zentrumspartei und somit eine Verletzung der Parteilosigkeit bzw. Überparteilichkeit und der überkonfessionellen landesväterlichen Fürsorgepflicht des bayerischen Königshauses. Der Besuch der Prinzessin wirkte umso befremdlicher, als hinlänglich allgemein bekannt war, dass der Katholikentag mit den Jahren zu einer Art Parteitag des Zentrums geworden war und innerhalb dieser Veranstaltung mit Kritik an jeglichem Einfluss des Staates und des Königshauses in kirchliche Angelegenheiten nicht gespart wurde. Wie sich in den Tagen nach dieser innenpolitischen Ungeschicklichkeit herauskristallisierte, war der Besuch der Prinzessin mit dem bayerischen Königshaus nicht abgestimmt und wurde von diesem im Nachhinein hinter verschlossenen Türen deutlich gerügt. (vgl. Hehl/Kronenberg, Zeitzeichen, S. 242.; vgl. MNN. Jg. 57. Nr. 390-406 (22.08.190431.08.1904).).
Einzelstellenkommentar 1 Prinzessin GH OD 3D]H: Prinzessin Ludwig Ferdinand von Bayern, geborene spanische Infantin Maria de la Paz de Bourbon, (1862-1946), Tochter von Königin Isabella II. von Spanien. Die in Spanien geborene Prinzessin Maria de la Paz verbrachte den zweiten Teil ihrer Kindheit und ihre Jugend in Paris, nachdem ihre Mutter, die Königin von Spanien, als Monarchin gestürzt worden war. Erst als Maria de la Paz ތBruder Alfons als Alfons XII. den Thron anstelle seiner Mutter Isabella besteigen durfte, konnte die Familie wieder nach Spanien zurückkehren. 1883 heiratete Maria de la Paz den bayerischen Prinzen Ludwig Ferdinand, mit dem sie im Laufe ihres Lebens drei Kinder hatte. In ihrer neuen Heimat Bayern widmete sie sich neben der Erziehung ihrer Kinder intensiv ihrem streng katholischen Glauben sowie dem Engagement in Wohltätigkeitsvereinen und in der Fürsorge von Armen und Bedürftigen. Außerdem ging sie ihrem Hobby, der Schriftstellerei nach, innerhalb der sie vorzugsweise lyrische und biografische Eindrücke verfasste, von denen einige sogar veröffentlicht wurden. 1946 starb Prinzessin Ludwig Ferdinand mit 84 Jahren in dem Wohnsitz der Familie, dem Schloss Nymphenburg in München. (vgl. Prinzessin Ludwig Ferdinand von Bayern (Infantin von Spanien): Aus meinem Leben. Eindrücke. Mit mehreren Bildbeigaben. 2. Aufl. München: Georg Müller 1917.; vgl. Adalbert von Bayern (Hrsg.): Vier Revolutionen und einiges dazwischen. 70 Jahre aus dem Leben der Prinzessin Ludwig Ferdinand von Bayern, Infantin von Spanien. Nach Tagebuchblättern der Prinzessin zusammengestellt von ihrem Sohne Prinz Adalbert von Bayern. 2. Aufl. Eichstätt, Willibaldsburg: Franz-Sales-Verlag 1935.; vgl. Adalbert von Bayern (Hrsg.): An Europas Fürstenhöfen. Lebenserinnerungen der Infantin Eulalia von Spanien. 1864-1931. Autorisierte deutsche Bearbeitung von Prinz Adalbert von Bayern. Stuttgart: Robert Lutz Nachfolger Otto Schramm 1936.). 2-18 Hat aus ihrem … was geschenkt.: Prinzessin Ludwig Ferdinands schriftstellerische Erzeugnisse handelten von persönlichen Erlebnissen und Eindrücken, Lebensstationen und -abschnitten, Familienangehörigen und historischen Ereignissen. Über all diese Themen schrieb sie sporadisch seit den 1880er Jahren in Form von Gedichten, Erzählungen, Aufzeichnungen oder Tagebucheinträgen. Während in Spanien des Öfteren in einer Zeitung oder einer Zeitschrift ein Gedicht oder eine Aufzeichnung von der ausschließlich auf Spanisch schreibenden Prinzessin erschien, gab es in Deutschland eher wenige Veröffentlichungen ihrer schriftstellerischen Erzeugnisse. Dies lag v.a. daran, dass ihre Erzeugnisse immer erst ins Deutsche übersetzt werden mussten. Auch waren ihre literarischen Ergüsse eher privater Natur und wurden in Spanien nur auf Anregung von Familienmitgliedern – aber auch dort nicht en masse – veröffentlicht. In der Regel gab die Prinzessin Werke von ihr auch nur zur Veröffentlichung frei, um damit soziale Projekte oder Wohltätig-
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keitsvereine zu unterstützen. So auch bei einer ihrer mitunter ersten, wenn nicht ihrer ersten überhaupt, ins Deutsche übersetzten Publikation. Diese 1903 erschienene Publikation trug den Titel „In der Ewigen Stadt. Reiseerzählung“ und war eine von der Prinzessin verfasste Schilderung ihrer Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke während ihres jüngsten Besuchs in der Stadt Rom und beim Heiligen Vater. (s. u. vgl. Prinzessin Ludwig Ferdinand von Bayern: In der Ewigen Stadt. Reiseerzählung. München: Kommissionsverlag von Herder & Co. 1903.). Auf diese Publikation folgten im Laufe der Jahre in Deutschland einige weitere; etwas bekannter – v.a. auch heute noch bekannter – ist in diesem Zusammenhang aber nur ihr 1917 veröffentlichtes Werk „Aus meinem Leben. Eindrücke“. Im Allgemeinen zeichneten sich ihre schriftstellerischen, literarischen Erzeugnisse durch eine einfache, schlichte Sprache aus und nur inhaltlich durch ein gewisses Pathos. Von der Öffentlichkeit wurden ihre Werke ganz unterschiedlich aufgenommen, innerhalb literarischer Kreise wurden sie eher müde belächelt. (vgl. Adalbert von Bayern (Hrsg.): Vier Revolutionen und einiges dazwischen. 70 Jahre aus dem Leben der Prinzessin Ludwig Ferdinand von Bayern, Infantin von Spanien. Nach Tagebuchblättern der Prinzessin zusammengestellt von ihrem Sohne Prinz Adalbert von Bayern. 2. Aufl. Eichstätt, Willibaldsburg: Franz-Sales-Verlag 1935.).
Nach der Conférence der Mme. Jeanne Granier Überlieferung E: Simplicissimus, Jg. 14 (1909/10). Nr. 39 (27.12.1909). S. 690. – V: Peter Schlemihl – I (f): O. Gulbransson Lemp: E: L 951 Textwiedergabe sowie Illustration nach E
Entstehungsgeschichte Bericht (vgl. Vorbericht (Erläuterungen).)
Erläuterungen Vorbericht Nicht ermittelbar (in Die Woche, Berliner Illustrirte Zeitung und MNN).
Einzelstellenkommentar 0 Conférence: conférence: frz.: hier: Vortrag. 0 Conférence der Mme. Jeanne Granier: Am Abend des 24.11.1909 gab die bekannte Pariser Schauspielerin Jeanne Granier zusammen mit ihrer Schauspielertruppe eine private Vorführung vor Kaiser Wilhelm II. und dem Fürsten Henckel von Donnersmarck auf Schloss Neudeck in Schlesien. Dort war Wilhelm II. Gast des Fürsten, der die schauspielerische Aufführung eigens als Gastgeschenk organisiert hatte. Wie verlautete, trug Granier anlässlich der Privataufführung den Monolog „Conférence sur lތamour“ von André Beaunier vor, den sie früher auch schon vor dem König und der Königin von England zum Besten gegeben hatte. Darin geht es um Liebe im Allgemeinen und Speziellen, über Sehnsucht, Macht und Erotik und über den Wunsch von Männern nach Frauen im Allgemeinen und Französinnen im Besonderen. Über diese Inhalte des Vortrags vor dem Kaiser machte sich in Frankreich in einigen Medien ein Sturm der Entrüstung breit; zu frivol und erotisch und damit zu unangebracht nehme sich, so einige französische Presseerzeugnisse, ein derartiges Vortragsstück – noch dazu vor einem Monarchen – aus. (vgl. Die Woche 11 (1909). Nr. 49 (04.12.1909). S. 2078 u. 2083.; vgl. Die Woche 12 (1910). Nr. 1 (01.01.1910). S. 4-6.; vgl. MNN. Jg. 62. Nr. 557 (28.22.1909). S. 2.; vgl. MNN. Jg. 62. Nr. 560 (30.11.1909). S. 1.; vgl. MNN. Jg. 62. Nr. 566 (03.12.1909). S. 1.; vgl. MNN. Jg. 62. Nr. 571 (07.12.1909). S. 3.; vgl. MNN. Jg. 62. Nr. 577 (10.12.1909). S. 2.). Illustration: vorne in der Mitte: Wilhelm II. 1f. Von den strafenden Thusnelden, Von den zürnenden Arminen,: Arminius: (vgl. Einzelstellenkommentar zu Wuotansenkel (L 531) Z. 6: Hermannsenkel:) 5 Lakaien: Lakai: (von gleichbed. frz. ތlaquais )ތherrschaftlicher oder fürstlicher Diener in Livree; im übertragenen Sinn: (abwertend) Mensch, der sich willfährig für die Interessen anderer gebrauchen lässt. 11 Backsteinkäse: andere, v.a. süddeutsche Bezeichnung für den Limburger Käse. Der Limburger Käse stammt ursprünglich aus Belgien und wird traditionell aus Kuhmilch gewonnen. Typisch für den Limburger sind seine Form, die einem Backstein ähnelt, sowie seine feste gelblich-bräunliche Oberfläche und sein würzig-aromatischer Geschmack. Der Geruch des Limburgers ist durchdringend, weshalb er oft auch den Ruf eines ތStinkekäses ތhat. (vgl. Lebensmittel-Lexikon, S. 34.).
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Ludwig I. Eine Märzerinnerung Überlieferung E: Simplicissimus, Jg. 12 (1907/08). Nr. 53 (30.03.1908). S. 884. – V: Peter Schlemihl – I (f): Wilhelm Schulz D: Kirchweih, S. 19. – u.d.T.: Ludwig I – Untertitel: Eine Märzerinnerung – I: <o.I.> Spätere, nicht autorisierte Drucke: GW7 1922 I, S. 527. (Zusatz: 1908; I: <o.I.>); GW4 21924-51928 I, S. 527. (Zusatz: 1908; I: <o.I.>); GW7 6 1932-8o.J. II, S. 187. (Zusatz: 1908: I: <o.I.>); GW8 1956 VIII, S. 174. (I: <o.I.>); GW6 1968-21974 VI, S. 681. (I: <o.I.>); Unbekanntes, S. 124. (I (sw-Kopie): W. Schulz); Ausgewählte Gedichte, S. 190. (I: <o.I.>) Lemp: E: L 881; D: L 372 Textwiedergabe sowie Illustration nach E
Entstehungsgeschichte Bericht (vgl. Vorbericht (Erläuterungen).)
Metrische und sprachliche Besonderheiten Das Gedicht ist der Person, die in der Überschrift genannt wird, in den Mund gelegt – somit ist es ein Rollengedicht. Zudem ist das Gedicht komplett im Stil (Versmaß, Reimschema, Strophenform und Sprache) von Heinrich Heines vierzeiligem Gedicht „König Ludwig an den König der Preußen“, das ein Spottgedicht auf König Ludwig I. von Bayern sowie dessen Liebes- und Dichtkunst war, gedichtet; insofern ist auch LTs Gedicht eine Verspottung von Ludwig I.
Erläuterungen Vorbericht Im März 1908 jährten sich zum 60. Mal die durch die berühmte Lola-Montez-Affäre bedingten sog. ތMärzereignisseތ, auf deren Höhepunkt Bayerns König Ludwig I. von seinem Thron zurückgetreten war: Lola Montez, die seit 1846 die Geliebte des Königs war und durch ihr exotisches und aufregendes Demimonde-Vorleben bereits des Öfteren in den Schlagzeilen auftaucht war, war in München bzw. Bayern höchst unbeliebt gewesen. V.a. wegen ihrer Überheblichkeit, ihrer Verachtung der biedermeierlichen Sitten, ihrer der katholischen Kirche gegenüber kritischen Einstellung und ihres dementsprechend sich ausnehmenden Einflusses auf den König war sie bei der bayerischen Bevölkerung schnell verhasst geworden. Besonders das konservativ-katholische Kabinett unter Carl August Abel hatte Lola Montez bzw. die Beziehung Lola Montez ތzu dem Anfang der 60er Jahre stehenden König als moralische Provokation empfunden, v.a. aber hatte es den durch Lola Montez bedingten Verlust seines Einflusses und das ebenfalls durch Lola Montez bedingte Einschwenken des Königs auf den Kurs einer vorsichtigen Liberalisierung mit Entsetzen wahrgenommen. Als der König Anfang des Jahres 1847 Lola Montez die bayerische Staatsbürgerschaft hatte erteilen wollen und aus Protest dagegen das Kabinett Abel zurückgetreten war, war die Lola-Montez-Affäre endgültig zum Politikum geworden. Auch unter den beiden vom König neu gebildeten liberaleren und loyaleren Nachfolgeministerien hatte sich die angespannte Lage nicht verbessert, zumal der König auf der Erhebung Montez ތzur Gräfin von Landsfeld bestanden hatte. Hinzu war gekommen, dass die neue Gräfin wachsendes Interesse an ihren jungen Begleitern, besonders an der Studentengruppe der Alemannen, die als verrufen galten, gezeigt hatte. Als Ludwig I. wegen der zunehmend feindseligen, aggressiven Haltung anderer Studenten gegenüber den Studenten der Alemannia die Universität in München hatte schließen lassen, hatten sich Unruhen der gesamten Bürgerschaft in der Stadt entzündet. Am 11.2.1848 war Montez vor der aufgebrachten Menge aus München geflohen, war allerdings wenig später wieder heimlich zurückgekehrt, was die Lage nochmals verschärft hatte. Noch hatte sich Ludwig I. von dem Geschehen in der Hauptstadt nicht beirren lassen und sich und seine Geliebte im Recht und unantastbar gesehen. Erst als die Französische Revolution Anfang März nach Deutschland und damit auch nach Bayern herübergeschwappt war und sich die Unruhen infolgedessen nochmals verschärft hatten, hatte sich der König zu Kompromissen bereit erklärt. Neben der dem Volk Zugeständnisse einräumenden sog. ތMärzproklamation ތvom 6.3. hatte er eine Erklärung vom 16.3. veröffentlicht, wonach Lola Montez nicht mehr bayerische Staatsangehörige sei. Doch der von allen Seiten auf Ludwig I. ausgeübte Druck war bereits zu groß geworden, so dass er am 19.3. seinen Thronverzicht schriftlich aufgesetzt und am 20.3. offiziell unterschrieben und einreicht hatte. Nachfolger war sein Sohn Maximilian II. Joseph (1811-1864) geworden, unter dem sich die Wogen Ende März allmählich wieder geglättet hatten, währenddessen die Beziehung zwischen Ludwig I. und Montez am Anfang vom
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Ende angelangt gewesen war und sich wohl nur aus Trotzhaltung gegenüber allen Angriffen überhaupt so lange halten konnte. (vgl. DBE 1998 VII, S. 200f.; vgl. Nöhbauer, Chronik Bayerns, S. 328-330.; vgl. Götschmann, Dirk: Der Pyrrhussieg der Ultramontanen. Der Fall Lola Montez und seine Folgen für die Monarchie in Bayern. In: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 42 (1993). Nr. 8. S. 57f.; vgl. Domarus, Max: März 1848. In München ging es nicht nur um Lola Montez. In: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 22 (1973). Nr. 2. S. 9-12.; s. auch Hojer, Gerhard: Die Schönheitsgalerie König Ludwigs I. 6. Aufl. Regensburg: Schnell & Steiner 2006. S. 20-23.).
Einzelstellenkommentar 0 Ludwig I.: Ludwig I. (1786-1868), König von Bayern (1825-1848), Sohn König Maximilians I. Joseph, Vater von König Maximilian II. Joseph, von Prinzregent Luitpold und von König Otto von Griechenland. „Als L.[udwig I.] 1825 den Thron bestieg, bewies er Einsicht in die einem Mittelstaat gezogenen Grenzen und die politische Zweitrangigkeit Bayerns im Deutschen Bund. […]. Im Bund trat er mit Wort und Tat für alle gesamtdeutschen Angelegenheiten ein. Staats- und kulturpolitisch öffnete er sich als erstes Oberhaupt seines Hauses dem mehr und mehr dominierenden Nationalgedanken. Die ihn von Jugend an beseelende Begeisterung für Freiheitskämpfe unterdrückter Völker ließ ihn den Philhellenismus begünstigen. Seine Zustimmung zu einem wittelsbachischen Königtum in Griechenland bereitete ihm jedoch zahlreiche Enttäuschungen. Innenpolitisch bewirkte die Französische Revolution von 1830 eine tiefe Zäsur seines Kurses. Bis dahin nahm er aus ‚volksrechtlicher‘ Gesinnung nicht wenige Reformvorhaben in Angriff. Furcht vor Bedrohung seiner Herrschaft veranlaßte ihn aber seitdem zu einer streng restriktiven und defensiven Regierungsweise, die, außer im Eisenbahnbau, zu mancher Stagnation im Staatsleben führte. Zum Stillstand mehrerer Staatsgeschäfte trug zudem eine übertriebene Sparpolitik bei, so verdienstvoll und zweckmäßig andererseits L.[udwig]s Bemühung um Sanierung des Staatshaushalts und der gesamten Finanzgebarung gewesen ist. Überwölbt werden die Widersprüche des ludovicischen Systems durch zwei unverbrüchlich verfolgte Tendenzen. Zum einen hoffte er, durch religiöse Restauration dem Katholizismus unmittelbar und mittelbar auch Staat und Gesellschaft zu dienen. […]. Zum anderen verteidigte er in jeder Phase seiner Regierung die Kronrechte auf das entschiedenste und mit ihnen, wie es seinem autokratischen Naturell entsprach, das ‚Monarchische Prinzip‘.“ (DBE 1997 VI, S. 500f.). Die wachsende Opposition gegen sein Regierungsverständnis und gegen seine Politik, verstärkt durch sein Verhältnis mit der bekannten, exotischen Tänzerin Lola Montez und durch damit zusammenhängende politische Missgriffe, zwang ihn schließlich innerhalb der Märzrevolution am 20.3.1848 zugunsten seines Sohnes Maximilian II. Joseph zum Rücktritt. Zu diesem Schritt entschloss er sich hauptsächlich, weil er glaubte, aufgrund nunmehr unvermeidlicher großer Zugeständnisse seiner Auffassung des Königtums nicht mehr entsprechen zu können. Trotz alledem hat Ludwig I. im Großen und Ganzen für Bayern Großes geleistet – v.a. auf dem Gebiet der Kunst und Architektur. (vgl. ebd. S. 500f.; vgl. Brockhaus 2006 XVII, S. 218f.). „Bis heute ist die kulturelle Physiognomie Bayerns durch L.[udwig I.] als leidenschaftlichen Bauherrn und Mäzen, als Sammler, Förderer und Anreger auf mehreren Gebieten der Kunst mitgeprägt. […]. Und gleich den Staatsmännern seufzten nicht wenige Künstler über die willkürlichen Eingriffe ihres Auftraggebers. Auf jeden Fall gebührt diesem jedoch der Ruhm großartiger Initiativen und der Beharrlichkeit, die er in vielen seiner Pläne bewahrte. Namentlich in der Architektur und bei der Errichtung von Denkmälern verband er mit den künstlerischen Absichten weitreichende nationalpädagogische Vorstellungen. Mehr noch als seine Politik bestimmten seine Tendenz einer ‚Monumentalisierung des Königtums‘ […] und die vielseitig realisierte Vorstellung kultureller Leistung als Herrscheraufgabe seinen geschichtlichen Rang.“ (DBE 1997 VI, S. 500f.). 1 Lola: Lola Montez : Lola Montez (1821-61), eigentlich Eliza Rosanna Gilbert, auch Maria Dolores de Porris y Montez, Tänzerin. Die Tochter eines britischen Offiziers und eines unehelich geborenen irischen Mädchens wurde in Limerick in Irland geboren und verbrachte ihre Kindheit in Indien, Schottland und England. Im Alter von 16 Jahren brannte sie mit einem britischen Offizier durch und führte ab diesem Zeitpunkt ein abenteuerliches Leben: Nach Hochzeit und anschließender Trennung verbrachte sie einige Monate in Spanien, wo sie die Sprache und die spanischen Tänze lernte, und trat danach als Tänzerin Lola Montez auf diversen europäischen Bühnen auf. Zuletzt in Paris lebend, kam die mittlerweile durch ihre Schönheit und Skandale bekannt gewordene Lola Montez 1846 nach München, wo sie die Gunst König Ludwigs I. gewann und diesen zunehmend beeinflusste. Dieser Sachverhalt löste in Bayern eine Staats- und Regierungskrise aus und zog Anfang 1848 die Verbannung der ތbayerischen Pompadour ތnach sich. Das Gerücht ihrer bevorstehenden Rückkehr zwang in Verbindung mit den Unruhen am Vorabend der Märzrevolution Ludwig I. im März 1848 zum Thronverzicht. Die Beziehung der beiden konnte den Thronverzicht nur kurze Zeit überdauern und endete, als Lola Montez einen jungen englischen Offizier heiratete. Von diesem ebenfalls kurze Zeit später getrennt, lebte sie danach in Amerika, wo sie als Tänzerin, Schauspielerin und später Rednerin bis zu ihrem Tod einige Erfolge feierte. (vgl. Brockhaus 2006 XVIII, S. 770f.; vgl. DBE 1998 VII, S. 200f.; vgl. Hojer, Gerhard: Die Schönheitsgalerie König Ludwigs I. 6. Aufl. Regensburg: Schnell & Steiner 2006. S. 20-23 u. 114-116.; s. auch Kristl, Wilhelm-Lukas: Eine fahrende Dame und etwas mehr. Lola Montez – seit 125 Jahren im Licht und Zwielicht der Literatur. In: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 22 (1973). Nr. 2. S. 12-14.). 4 Andalusierin: Nachdem sich Lola Montez Anfang der 1840er Jahre Spanien, spanischen Tänzen und der spanischen Sprache zugewandt hatte, behauptete sie von sich, als Andalusierin in Sevilla geboren zu sein und einem dort ansässigen alten spanischen Adelsgeschlecht mütterlicherseits zu entstammen. Ihren Namen
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wandelte sie dementsprechend um und nannte sich fortan Maria Dolores de Porris y Montez, später kurz Lola Montez. Ihr rassiges, südländisches, spanisches Aussehen – dunkler Teint und volle schwarze Haare, in auffallendem Kontrast zu den blauen Augen – passte fabelhaft zu ihrer neuen Identität. Zwar war ihre wahre Identität allseits bekannt, doch tat dies ihrer erfolgreich nach außen getragenen spanischen Ausstrahlung keinen Abbruch. Auch Ludwig I. fiel dieser Ausstrahlung und Schönheit der Montez ތzum Opfer ތund verliebte sich in die aufregende, exotische, temperamentvolle wie emanzipierte und mutige Frau. (vgl. DBE 1998 VII, S. 200f.; vgl. Hojer, Gerhard: Die Schönheitsgalerie König Ludwigs I. 6. Aufl. Regensburg: Schnell & Steiner 2006. S. 20-23 u. 114-116.; vgl. Kristl, Wilhelm-Lukas: Eine fahrende Dame und etwas mehr. Lola Montez – seit 125 Jahren im Licht und Zwielicht der Literatur. In: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 22 (1973). Nr. 2. S. 12-14.; vgl. Götschmann, Dirk: Der Pyrrhussieg der Ultramontanen. Der Fall Lola Montez und seine Folgen für die Monarchie in Bayern. In: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 42 (1993). Nr. 8. S. 57f. S. 57.). 5 Teutsche: teutsche: teutsch: (kulturell veraltet) (an die althochdeutsche Form ތthiutisk( ތum 1000) angelehnte, im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert erneuerte und von dem bayerischen König Ludwig I. geförderte Lautung für:) deutsch.
'ތRXWUH WRPEH Überlieferung H: In: Gedichte für den Simplizissimus. <zweites von zwei Blankonotizbüchern für Gedichte für den „Simplicissimus“; dieses zweite Buch trägt den von LT selbst handschriftlich geschriebenen Titel „Gedichte für den Simplizissimus“ u. umfasst den Eintragungszeitraum 10.04.1913-09.07.1914> (L 2393). S. [16]f. – u.d.T.: 'HU ROOH HKUOLFKH ) : ,9 – Datumsangabe: Mittwoch 18.6.[1913] – V: Peter S – <Arbeitshandschrift, in diesem Fall mit mehreren Sofortkorrekturen u. mehreren Nicht-Sofortkorrekturen> – <4 Str. u. im Anschluss an die mit dem Verfassernamen unterzeichneten 4 Str. nochmals 1 Str.: 1.-4. Str. von H weitgehend identisch mit Str. 1-3 u. 5 von E, weitere 1 Str., sozusagen 5. Str., von H nahezu identisch mit 4. Str. von E> – <Das Gedicht war zunächst mit 4 Str. verfasst worden; unmittelbar nach Fertigstellung dieser 4 Str. kam LT aber noch eine 5. Str. in den Sinn, die in E die 4. Str. ist.> E: Simplicissimus, Jg. 18 (1913/14). Nr. 14 (30.06.1913). S. 218. – V: Peter Schlemihl Lemp: H: 131; E: L 1071 Textwiedergabe nach E
Entstehungsgeschichte Bericht (s. Handschriftenverzeichnis (Überlieferung) u. vgl. Vorbericht (Erläuterungen).)
Metrische und sprachliche Besonderheiten Das Gedicht hat einen – in Semantik, Satzbau und Grammatik merklichen – deutlichen berlinerischen Einschlag.
Erläuterungen Vorbericht Bei einem anlässlich der Jahrhundertfeiern der Befreiungskriege (s. 1813 (L 1061) u. Studenten 1813 u. auch Der neue Kurs (L 1078) u. auch Das Volk steht auf (L 131) u. auch Michels Ostern (L 1064).) abgehaltenen Festakt an der Berliner Universität im Frühsommer 1913 trug sich eine in den Augen vieler Außenstehenden komisch-lustig zu bewertende Begebenheit zu. Demnach hatte der Festredner des Festaktes, der an Berliner Universität lehrende Historiker Professor Otto Hintze, in seinem Vortrag eine wahrheitsgetreue historische Anekdote als neueste Entdeckung präsentiert, obwohl sie in Wirklichkeit bereits seit zehn Jahren bekannt war. Dieser Anekdote zufolge hatte Friedrich Wilhelm IV., der Großonkel Wilhelms II., ein Testament hinterlassen, in dem er seinen Nachfolgern empfahl, noch vor ihrer Beeidigung die (preußische) Verfassung umzustoßen. Friedrich Wilhelm IV. war bekanntlich kein Freund der Verfassung wie überhaupt einer Verfassung. Wilhelm II. hätte dieses Dokument leider verbrannt, wie er selbst gesagt haben soll, aus Sorge, dass ein späterer Herrscher, der jung und unerfahren zur Regierung käme, den Rat des Ahnen befolgen könnte. Während die monarchische Presse die historisch verbürgte Anekdote, wie neu oder alt sie auch immer war, freudig aufnahm und weiterkolportierte, mokierte sich die nicht-monarchische Presse über das mangelnde Vertrauen Wilhelms II. in die künftigen Generationen. Alles in allem sorgte die Anekdote aber für wenig Sensation, war sie doch hinlänglich bekannt und für das absolutistische Denken der Hohenzollern typisch. (vgl. Münchener Post. Jg. 27. Nr. 130 (18.06.1913). S. 2f.).
Einzelstellenkommentar
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KOMMENTAR
0 'ތRXWUH WRPEH: frz.: Aus dem Grab heraus. 1 Noch eenen Brief: Es war bekannt, dass Friedrich Wilhelm IV. zeitlebens viele Briefe schrieb und in regem Briefwechsel mit verschiedenen Personen stand. 3 Friedrich Willem: Friedrich Wilhelm: Friedrich Wilhelm IV.: (s. Einzelstellenkommentar zu Rußland und Preußen (L 772) Z. 1: Friedrich Willem:) 9 Hautgout: (von frz. ތhaut goûtތ: starker Geschmack) eigentümlich scharfer und starker Geschmack und Geruch von nicht mehr ganz frischem Fleisch, besonders beim Wild; im übertragenen Sinn: Anrüchigkeit. 14 Herr Hintze: Otto Hintze: Otto Hintze (1861-1940), deutscher Historiker. „Hintze studierte Philologie, Geschichte und Philosophie in Greifswald (1878-80), dann in Berlin, das er nicht mehr verließ. Von seinen Lehrern Dilthey, Droysen, Müllenhoff, Scherer, Mommsen, Treitschke, Waitz und Weizsäcker beeinflußte ihn am meisten J. G. Droysen, in dessen Historischer Gesellschaft er der letzte Bibliothekar war. Ihm hat er 1914 ein bedeutendes Lebensbild gewidmet. Von ihm lernte er den modernen Weg der Quellenbenutzung zur Lösung des methodischen Problems, ‚wie aus den Geschäften Geschichte wird‘. Die Dissertation fertigte Hintze bei Julius Weizsäcker an. Er bestimmte Hintzes Interesse für die Verfassungsgeschichte, während Waitz ihn zum anschließenden Studium der Rechtswissenschaft anregte. Hintze begegnete als vierter prägender Kraft G. Schmoller, der ihn 1887 für die Acta Borussica gewann. Zunächst veröffentlichte Hintze gemeinsam mit Schmoller in 2 Bänden die Akten zur preußischen Seidenindustrie des 18. Jahrhunderts (1892) und schrieb selbst die Geschichte dieser Industrie (1892). Sodann edierte er im Dienste der Acta Borussica 6 Aktenbände der Abteilung Behördenorganisation 1740-56 und gab als Einleitung die umfassende, noch heute mustergültige Darstellung des Zustandes der preußischen Verfassung und Verwaltung im Jahre 1740. In diesem Werk machte Hintze die berühmte Unterscheidung von Geist und System des ständischen Territorialstaates und des monarchisch-absolutistischen Großstaates und beschrieb die mentale und administrative Entwicklung zur größeren Staatsbildung. 1895 habilitierte er sich bei Treitschke und Schmoller, wurde 1899 außerordentlicher Professor und erhielt 1902 eine neugeschaffene Professur für Verfassungs-, Verwaltungs-, Wirtschaftsgeschichte und Politik.“ (NDB 9 1972, S. 194.). Viele weitere Buchveröffentlichungen folgten innerhalb dieser Zeit und Tätigkeit. (vgl. ebd. S. 194-196.). „1920 zwang ihn ein Augenleiden, seine Lehrtätigkeit aufzugeben. […]. Seit 1933 hat Hintze nichts mehr veröffentlicht; sein Nachlaß wurde auf testamentarische Anordnung vernichtet.“ (ebd. S. 196.). 16 Santimang: Sentiment: (bildungsspr.) (von gleichbed. frz. ތsentiment )ތGefühl, Empfindung. 19 pressante: pressant: (von gleichbed. frz. ތpressant( )ތlandsch.) eilig, dringend.
Die Prinzessin Luise von Koburg oder
Ihre schrecklichen Erlebnisse und Flucht aus dem Irrenhause Überlieferung E: Simplicissimus, Flugblatt des Simplicissimus (16.09.1904). – u.d.T.: Die Prinzessin Luise von Koburg oder ihre schrecklichen Erlebnisse und Flucht aus dem Irrenhause – Zusatz: Wahrheitsgetreu berichtet von Ludwig Thoma und Th. Th. Heine – V: Ludwig Thoma – I (sw): Th. Th. Heine D: Moritaten, S. 39-53. – Zusatz: <o. Zusatz> – I: <o.I.> Lemp: E: L 1189; D: L 364 Textwiedergabe sowie Illustration nach E
Entstehungsgeschichte Bericht Das Gedicht entstand vor – vermutlich weit vor – dem 15.9.1904. Dies jedenfalls lässt sich aus einem Brief LTs an seinen Freund Conrad Haußmann vom 15.9.1904 erschließen, in dem er zu Entstehung und den Umständen der Entstehung des Gedichts Stellung bezieht. Außerdem erklärt er in dem Brief Conrad Haußmann, dass er das Gedicht an nur einem Tag – vermutlich in Bezug auf das Layout – zusammengestellt habe. Dokumente „Nebenbei habe ich ein Flugblatt in einem Tage zusammengestellt, das [7KRPDV 7KHRGRU] +HLQH illustrirte. Sie werden es wohl morgen sehen; die lächerliche Affäre der Prinzessin v. .REXUJ. Diese schöne prähistorische Sache zeigt wieder einmal die Kraft oder Unkraft des öffentlichen Geistes in Deutschland. Die Franzosen wurden DQQR 1789 mit den OHWWUHV GH DFKHW fertig, wir haben sie noch heute, bloß daß hochmögende Herren mißliebige Personen nicht in die Bastille, sondern ins Irrenhaus schicken. Der Zweifel von 59 Millionen Deutschen an die Geisteskrankheit bedeutet nichts gegen den Willen eines verhurten österr.[eichischen] Prinzen, & die Gefälligkeit eines sächsischen Arztes. Können Sie im ‚Beobachter‘ nicht auf die feine That-
KOMMENTAR
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sache hinweisen, daß laut amtlicher Kundgebung des Irrenarztes 3LHUVRQ die Prinzessin 70000 Mk pro Jahr erhielt & verbrauchte? Jene entmündigte, angeblich geisteskranke Person braucht in der Irrenanstalt zu &RV ZLJ 70000 Mark. Wofür? Sie hat keinerlei Hofhalt, keinerlei Gelegenheit zum Geldausgeben, & doch 70000 Mk Jahresverbrauch. Der edle Irrenarzt wollte mit dieser Constatierung die Verschwendungssucht der Prinzessin brandmarken; ich glaube aber, daß er mehr seine Anstalt & sich damit blamiert hat. Denn von den 70000 ist wol das meiste in seinen Händen geblieben. –“ (LT an Conrad Haußmann. Finsterwald, 15.09.1904. Briefe: Mon. LT B 259)
Metrische und sprachliche Besonderheiten Das Gedicht ist eine Ballade und hat stellenweise einen – in Semantik, Satzbau und Grammatik merklichen – leichten umgangssprachlichen Einschlag und eine nach Art und Weise (Herkunft, Bildung, Befindlichkeit, Umfeld) der auftretenden Personen unterschiedliche Sprachform (Hochsprache: Z. 44; (sächsischer) umgangssprachlicher Einschlag: Z. 121-124, 192).
Erläuterungen Vorbericht Im Herbst 1904 sorgte die spektakuläre Befreiung der in der Psychiatrie internierten Prinzessin Louise von Sachsen-Coburg und Gotha durch ihren früheren Liebhaber, den kroatisch-österreichischen Offizier Géza von Mattachich, weltweit für Schlagzeilen. Géza und Louise hatten bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit ihrer völlig ungehemmt und offen gelebten Liebesbeziehung und ihrer heillosen Verschwendungssucht für Schlagzeilen gesorgt, ehe Louise deswegen von ihrer Familie entmündigt und in die Psychiatrie eingeliefert und ihr Liebhaber von einem österreichischen Militärgericht wegen Fälschung von Wechseln im Zuge der Verschwendungssucht zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Nun, knapp sechs Jahre und eine vorzeitige Entlassung von Mattchichs später, sollte das Paar abermals für Schlagzeilen sorgen: Zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin Maria Stöger, dem Helfer Joseph Weitzer und einigen weiteren wichtigen Mitwissern und Helfern befreite von Mattachich in einer Nacht- und Nebelaktion Louise, die im Zuge ihres Psychiatrie-Aufenthalts zu dieser Zeit ausnahmsweise außerhalb der Coswiger Psychiatrie zur Kur in Bad Elster zusammen mit dem Großteil des Psychiatrie-Personals weilte. Zwar war Louise in ihrer Unterkunft in Bad Elster, dem Hotel „Wettiner-Hof“, immer von Wächtern der Coswiger Psychiatrie sowie von einer eigens für Kuraufenthalte zur Bewachung der Prinzessin zusätzlich abbestellten Schar von Polizisten und Detektiven umgeben, doch war der „Wettiner-Hof“ bei Weitem nicht so hermetisch abgeriegelt und unzugänglich wie die Irrenanstalt des Sanitätsrats Dr. Pierson in Coswig. Auf diese Weise konnte Louise in der Nacht von 31.8. auf 1.9. mit Hilfe ihrer Befreier unbemerkt aus dem Hotel fliehen und auf eine nahe gelegene Landstraße gelangen, wo bereits eine Kutsche wartete. Mit der Kutsche ging die gemeinsame Flucht zum Bahnhof nach Hof, wo die Fliehenden in den Zug umstiegen und nach Berlin fuhren; von Berlin ging die Flucht am 3.9. mit dem Automobil weiter nach Hildesheim und von dort mit dem Express nach Paris, dem endgültigen Ziel der Reise. Obwohl am Morgen des 1.9. das Verschwinden Louises bemerkt und daraufhin mit Hochdruck überall nach ihr und ihren Befreiern gesucht worden war, kamen die Fliehenden ohne Hindernisse in Paris an, wo das einstige Liebespaar vor einer Auslieferung sicher war, sich wenige Tage später triumphierend der Öffentlichkeit zeigte und fortan um Rehabilitierung bemüht war (s. Luise von Koburg (L 770).). (vgl. Holler, Louise von Sachsen-Coburg, S. 260ff.).
Einzelstellenkommentar 0 Prinzessin Luise von Koburg: Louise von Sachsen-Coburg und Gotha, geborene Prinzessin von Belgien, (1858-1924), Tochter von König Leopold II. von Belgien. 1875 heiratete Louise den 14 Jahre älteren Prinzen Philipp von Sachsen-Coburg und Gotha. Die Ehe, aus der zwei Kinder hervorgingen, war von Anfang an unglücklich, so dass Louise nach einiger Zeit ihrer misslichen Situation zu entfliehen suchte. Skandalträchtig war in diesem Zusammenhang ihre Liebesbeziehung mit dem kroatisch-österreichischen Offizier Géza von Mattachich, mit dem sie jahrelang völlig ungehemmt und offen zusammenlebte. Von ihrem Mann und dessen Familie deswegen und wegen ihrer heillosen Verschwendungssucht 1898 entmündigt und in die Psychiatrie eingewiesen, blieb sie dort bis zu ihrer spektakulären Befreiung durch von Mattachich 1904. Spätere unabhängige medizinisch-psychiatrische Gutachten bestätigten, dass Luise völlig gesund sei und ihre Laster keine Geisteskrankheiten wären. Zu diesem Zeitpunkt war aber Louise schon längst von dem Haus SachsenCoburg-Gotha, von dem mit diesem zusammenhängenden österreichischen Kaiserhaus und auch vom belgischen Königshaus verstoßen und zur persona non grata erklärt worden – und nach wie vor geblieben. Nach ihrer Flucht 1904, der Aufhebung der Entmündigung 1905 und der Scheidung von ihrem Mann 1906 lebte sie die meiste Zeit – zeitweise auch mit Mattachich – in Frankreich und Ungarn, später auch wieder in Österreich. 1924, wenige Monate nach Mattchichs Tod, starb auch Louise – völlig verarmt in einem Hotel in Wiesbaden. (vgl. Holler, Louise von Sachsen-Coburg.; vgl. Prinzessin Louise von Coburg, geb. Prinzessin von Belgien: Throne, die ich stürzen sah. Mit 16 Bildtafeln. 2. Aufl. Zürich, Leipzig, Wien: Amalthea 1927.). 2 Leopolds: Leopold: Leopold II.: Leopold II. (1835-1909), König von Belgien (seit 1865), Sohn und
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Nachfolger von König Leopold I. Als König des kleinen Landes Belgien hatte er einigermaßen überschaubare Regierungsaufgaben; ohnehin wahrte sein Land nach außen Neutralität, zu der er sicherheitshalber aber ab Ende der 1880er Jahre angesichts der wachsenden Stärke von Frankreich und Deutschland und deren Rivalität die Befestigungen von Lüttich und Namur errichten ließ. Aufsehen während seiner Zeit als König erregte dagegen seine private koloniale Expansion. (vgl. Brockhaus 2006 XVI, S. 619f.; vgl. Chronik Personen der Weltgeschichte, S. 361.; vgl. Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte, S. 721.). Um seinen Herrschaftseinfluss, v.a. aber um sein eigenes Vermögen zu vergrößern, eignete er sich „[…] das von H.[enry] M. Stanley in seinem Auftrag erkundete Kongogebiet privat als ›Kongofreistaat‹ an, als dessen Souverän er auf der Berliner Kongokonferenz (1884/85) anerkannt wurde. Für die Kautschukgewinnung ließ L.[eopold] das Land systematisch ausplündern. Die Gewinne dienten u.a. der Finanzierung eines umfangreichen Bauprogramms in der Hauptstadt Brüssel. Das leopoldinische Kolonialregime forderte mehrere Mio. kongolesische Opfer (›Kongogräuel‹).“ (Brockhaus 2006 XVI, S. 619f.). Wegen der ތKongogräuel ތmusste Leopold II. 1908 den Kongo nach internationalem Druck dem belgischen Staat übertragen, der die extremsten Ausbeutungs- und Ausrottungsmethoden abschaffte. Im Großen und Ganzen blieben das kleine Land Belgien und ihr König ansonsten aber von den anderen Mächten weitgehend unbeachtet und frei von Einmischungen von außen. Ende 1909 starb Leopold II. 74-jährig in seiner Residenz in Belgien; sein Nachfolger wurde sein Neffe Albert I., nachdem sein einziger Sohn im Kindesalter verstorben war. (vgl. ebd. S. 619f.; vgl. Chronik Personen der Weltgeschichte, S. 361.; vgl. Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte, S. 721.). 5 Doch er kann … anderwärts im Spiel.: Leopold II. hatte zahlreiche außereheliche Affären. Es war bekannt, dass Leopold II. junge schöne Frauen liebte und für sexuelle und amouröse Liebschaften und Abenteuer oft extra inkognito in Paris, der Stadt der Liebe, weilte. Immer wieder wurde ihm auch eine Affäre mit der damals weltbekannten jungen exotischen Pariser Sängerin und Tänzerin Cléo de Merode nachgesagt. Am spektakulärsten, weil am längsten andauernd und sich am leidenschaftlichsten ausnehmend war aber seine Liebesbeziehung mit Blanche Zélia Josèphe Delacroix, genannt Caroline, Baronin von Vaughan, die mit 16 Jahren offiziell zu seiner Mätresse wurde und mit der er nach dem Tod der Königin im Jahre 1902 zwei uneheliche Kinder bekam. Eine am Sterbebett Leopolds II. auf Schloss Laeken bei Brüssel im Dezember 1909 spontan abgehaltene Vermählung zwischen ihm und Caroline Delacroix erwies sich im Nachhinein als ungültig, so dass aus der Legitimierung der Liebesbeziehung letztlich nichts mehr wurde. Dennoch erbte Caroline Dealcroix nach dem Willen Leopolds II. so viel, dass sie sich nach dem Tod Leopolds II. um ihre Zukunft keine Sorgen zu machen brauchte und vielmehr sogar weiter ein Leben im Luxus führen konnte. (vgl. Dumont, Georges-Henri: Léopold II. Paris: Fayard 1990. S. 425-440.; vgl. Longue, Matthieu: Léopold II. Une vie à pas de géant. Bruxelles: Éditions Racine 2007. S. 47-69.). 13-15 Also wurde … bräutlich Hemd,: „Im Jahre 1873 trat am Hof von Brüssel der erste Brautwerber für Louise, sie war jetzt 15 Jahre alt, auf. Es war Prinz Friedrich von Hohenzollern, den der König aber ablehnte. Er wünschte keine Verbindung mit dem preußischen Fürstenhaus. Kurz darauf erschien der zweite: Prinz Philipp von Sachsen-Coburg und Gotha, der zugleich Cousin Louises und 14 Jahre älter war als sie. Ursprünglich hatte sich der Prinz in ihre Mutter verliebt und drängte sie, einer Trennung von Leopold II. zuzustimmen. Um einen großen Skandal zu vermeiden, lenkte die Mutter geschickt das Interesse des Prinzen auf ihre älteste Tochter Louise. […]. Die Verlobung wurde am 25. März 1874 gefeiert. […]. Die Ziviltrauung fand am 4. Februar 1875 vor dem Bürgermeister von Brüssel, Monsieur Anspach, statt. Am 18. Februar folgte die kirchliche Eheschließung. Die ›Rose von Brüssel‹, wie Louise wegen ihrer Schönheit genannt wurde, war tatsächlich eine 17 Jahre zählende, blendende Erscheinung: groß, herrlich weiße Haut, hellbraune Augen und langes blondes Haar. Sie sah in ihrem Brautkleid aus Brüsseler Spitze bezaubernd aus, und auch Philipp, in der Paradeuniform der ungarischen Generalität, machte eine stattliche Figur.“ (Holler, Louise von Sachsen-Coburg, S. 29ff.). 16-20 Doch die Liebe … war sein Namތ.: Von Anfang an kristallisierte sich die Ehe zwischen Louise und Philipp als äußerst unglücklich und unglückselig heraus. Philipp war kein liebevoller, liebender, zärtlicher und einfühlsamer Ehemann, wie es sich Louise erhofft bzw. erträumt hatte. Vermutlich war auch der Altersunterschied zwischen den beiden für eine gut funktionierende, harmonische Ehe und von gegenseitigem Verständnis getragene Beziehung zu groß, zumal der Lebemann Philipp in seinem Leben bereits viel gesehen und erfahren hatte und die als Königstochter beschützt und abgeschirmt hinter Schlossmauern aufgewachsene unerfahrene und unaufgeklärte Louise fast noch ein Kind war. So endete die Hochzeitsnacht der beiden in Schloss Laeken bei Brüssel in einem Fiasko, das den Anfang der glück- und liebelosen Ehe markierte und somit auch der Anfang vom Ende der insgesamt auf dem Papier immerhin 31 Jahre bestehenden Ehe war. In der Hochzeitsnacht wurde Louise nach eigenen Angaben von ihrem frisch angetrauten Mann regelrecht vergewaltigt, zumindest behandelte er Louise nicht ihrem nicht vorhandenen sexuellen Wissensund Erfahrungsstand gemäß. Jedenfalls wurde sie am nächsten Morgen von einem Schlossangestellten weinend und zitternd und völlig verstört und verängstigt in einem Glashaus des Schlossparks sitzend und nur mit einem Negligé bekleidet gefunden. Nur mit einigem Zureden ihrer schleunigst herbeigeholten Mutter konnte Louise dazu bewegt werden, in der Ehe zu bleiben und mehr oder minder gerne ihren ehelichen Pflichten nachzukommen. So arrangierten sich die beiden Eheleute gezwungenermaßen miteinander und wahrten zumindest nach außen hin den Schein einer einigermaßen gut funktionierenden Ehe, auch wenn
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