Allitera Verlag
Steffi Geihs, 1980 in Garmisch-Partenkirchen geboren, studierte Soziale Arbeit. Seit 2004 ist sie in einer Heilpädagogischen Tagesstätte in München beschäftigt. Daneben arbeitet sie als freie Journalistin mit den Spezialgebieten »Soziales« und »Pädagogik«. Von Steffi Geihs sind im Allitera Verlag bereits die Bände „Tina ist verliebt“ (2012), „Tina hat einen Freund“ (2013) und „Tina hat Liebeskummer“ (2014) erschienen.
Steffi Geihs
Tina in Gefahr Erz채hlung f체r Jugendliche und junge Erwachsene mit einer geistigen Behinderung
Mit Illustrationen von Friedrich Wall
Allitera Verlag
Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter: www.allitera.de
Das Buch entstand mit freundlicher Unterstützung der Aktion Sonnenschein, München www.aktionsonnenschein.com
Hinweis für Lehrer Zu diesem Buch exisitiert Unterrichtsmaterial, das auf der Website des Verlags kostenlos zur Verfügung gestellt wird: http://bit.ly/1LZRENo
Dezember 2015 Allitera Verlag Ein Verlag der Buch&media GmbH, München © 2015 Buch&media GmbH, München Redaktion: Heidi Keller, München Umschlaggestaltung: Friedrich Wall, Freienbrink Printed in Germany · ISBN 978-3-86906-809-1
Inhalt Das ist Tina · 7 Tina wird selbständig · 11 Der fremde Mann · 15 Verboten! · 18 Tina in Gefahr · 22 Tina ist verzweifelt · 26 So viele Möglichkeiten! · 32 Tina übt · 38 Tina sagt Nein · 51 Mama, Papa und Onkel Hans auch? · 54 Superman · 58 Tina ist selbstbewusst · 62 Tina macht alles richtig · 65 Tina ist stolz · 68 Die Aktion Sonnenschein stellt sich vor · 72
Das ist Tina Tina ist eine fröhliche junge Frau. Sie lacht oft. Sie lacht, wenn ihr Vater Grimassen schneidet. Sie lacht, wenn ihre Mutter sie kitzelt. Sie lacht, wenn ihre Schwester Lena durch die Wohnung tanzt. Und sie lacht über die Witze ihrer Freundin Klara. Aber am glücklichsten ist Tina, wenn sie etwas Neues gelernt hat. Denn Tina will selbständig werden. Tina mag ihr Leben. Wenn sie morgens aufsteht, macht sie Müsli und hilft Mama beim Teekochen. Nach dem Frühstück fährt sie in die Schule. Bis vor Kurzem wurde sie vom Schulbus zu Hause abgeholt. Aber nun hat Tina gelernt, allein mit dem öffentlichen Bus zur Schule zu fahren. In der Schule übt Tina lesen, schreiben und rechnen. Und sie lernt, wie sie sich ein Essen kocht. Und wie man eine Waschmaschine bedient. Und wie man im Supermarkt einkauft. Tina mag die Schule. Sie lernt gern neue Dinge. Die Pausen verbringt Tina mit ihrer Freundin Klara. Sie haben sich viel zu erzählen. Manchmal spricht Tina auch mit Paul. Die beiden waren einmal verliebt. Ein halbes Jahr 7
lang waren sie ein Paar. Aber sie haben sich getrennt und sind nur noch normale Freunde – ohne Küssen und Liebe. Doch nett finden sie sich immer noch. Mittags geht Tina in die Tagesstätte. Die ist neben der Schule. Hier hat sie viele Freunde und die Erzieherin Inga. Inga kann sie von ihren Sorgen erzählen. Aber Tina hat gerade keine Sorgen. Tina geht es gut. Um fünf Uhr ist die Tagesstätte aus. Dann fährt Tina selbständig nach Hause. Dort ist sie allein, denn Mama und Papa arbeiten noch. Aber das macht nichts, denn Tina hat viele Hobbys. Sie telefoniert mit ihren Freunden, sie malt, bastelt oder hört Musik. Wenn Mama und Papa nach Hause kommen, gibt es Essen. Immer öfter darf Tina mitkochen und zeigen, was sie in der Schule gelernt hat. Nudeln mit Tomaten-Soße kocht Tina ohne Hilfe. Darauf ist sie stolz. Nach dem Essen bleibt Tina noch ein bisschen auf. Mama schickt sie nicht mehr ins Bett, denn Tina ist schon 18 Jahre alt. Aber Tina möchte am nächsten Tag ausgeschlafen sein und geht deswegen freiwillig früh ins Bett. Tina ist 18 Jahre alt, sie ist also erwachsen. Ganz selbständig ist sie aber noch nicht. Durch ihre geistige Behinderung braucht sie in manchen Dingen Unterstützung. Beim Rechnen zum Beispiel. Oder beim Bezahlen an der Supermarkt-Kasse. Und beim Lesen einer Uhr. Manchmal wünscht sich Tina, so zu sein wie die meisten 8
Menschen. Sie findet es ungerecht, dass sie keinen F체hrerschein machen kann. Sie w체rde gern die Dinge erleben, die ihre Schwester Lena macht: Autofahren, studieren, allein ins Schwimmbad gehen. Aber das geht leider nicht. Trotzdem mag Tina ihr Leben. Besonders, weil sie viel lernt. Trotz Schwierigkeiten wird sie immer selbst채ndiger.
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Tina wird selbständig Tina hat einen Wunsch: Sie möchte selbständig werden. Das heißt, sie möchte möglichst viel ohne fremde Hilfe schaffen. Das ist nicht einfach. Aber Tina ist ehrgeizig. Sie passt in der Schule gut auf, denn sie will besser lesen und rechnen lernen. Außerdem übt sie, allein einzukaufen. Sie übt auch, wie man kocht, putzt und Wäsche wäscht. Je mehr sie weiß, desto selbständiger kann Tina leben. Bis vor Kurzem wurde Tina vom Schulbus-Fahrer direkt vor ihrer Haustür abgeholt und zur Schule gebracht. Nach der Tagesstätte holte er sie wieder ab und fuhr sie nach Hause. Das war zwar bequem, aber Tina konnte nicht selbständig sein. Deswegen hat die Erzieherin Inga ein Fahrtraining mit ihr gemacht. Inga hat Tina beigebracht, wie sie selbständig zur Schule fährt und abends zurück nach Hause. Es war nicht einfach, Tina musste viel lernen. Erst musste Tina lernen, wo die Bushaltestelle ist und wie sie den Zebrastreifen vor der Haltestelle überquert. Dann musste Tina lernen, welche Busnummer der Bus hat, in den 11
sie einsteigen muss. Dann musste sie lernen, an welcher Station sie aussteigen muss. Und zum Schluss musste sie lernen, wie man von der Bushaltestelle zur Schule kommt. Es reichte aber nicht, die Strecke zu kennen. Tina musste mehr lernen. Zum Beispiel, wie sie sich im Bus verhalten muss. Sie soll nämlich nicht laut singen – auch wenn sie Lust dazu hat. Und sie soll ihren Rucksack nicht auf den Nebenplatz stellen, weil sich sonst niemand dorthin setzen kann. Und wenn ein Kontrolleur kommt, muss sie ihm ihren Behinderten-Ausweis zeigen. Das ist ihr Fahrschein, den muss sie immer dabei haben. Inga hat noch mehr Dinge gesagt, die Tina nicht tun soll. Aber Tina weiß sowieso, dass sie ruhig und höflich sein soll. Und in der Nase bohrt sie schon lang nicht mehr. Inga hat mit Tina auch geübt, was sie macht, wenn der Bus nicht kommt oder Verspätung hat. Dann ruft Tina ihre Mama an. Oder ihren Papa. Oder ihre Schwester Lena. Alle Nummern sind in ihrem Handy gespeichert. Eigentlich wollte Inga Tina beibringen, wie man telefoniert und welche Tasten man drücken muss. Aber Tina wusste das längst. Sie telefoniert gern und kennt sich mit dem Handy aus. Das ist wichtig, denn so kann sie Hilfe holen. Nachdem Tina alles wusste, ist sie zusammen mit Inga von der Schule mit dem öffentlichen Bus nach Hause gefahren. Beim ersten Mal hat ihr Inga den Weg gezeigt und alles erklärt. Beim zweiten Mal war Inga leise und hat zugeschaut, 13
ob Tina alles richtig macht. Tina hat es gut gemacht. Deswegen durfte sie beim dritten Mal allein nach Hause fahren. Vor dieser Fahrt war Tina nervös. Sie hatte Bauchschmerzen und musste drei Mal auf die Toilette, so aufgeregt war sie! Aber es ging gut. Tina ist selbständig von der Schule nach Hause gefahren. Tina war stolz auf sich! Nun ist Tina nicht mehr aufgeregt, wenn sie allein Bus fährt. Sie kennt den Weg und hat keine Angst mehr, in den falschen Bus zu steigen. Sie fährt sicher und genießt ihre Freiheit.
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Der fremde Mann Tina hatte einen schönen Tag in der Tagesstätte. Jetzt ist es kurz nach fünf Uhr, die Tagesstätte ist zu Ende. Tina sitzt im Bus und fährt nach Hause. Fröhlich sieht sie aus dem Fenster. Sie kennt die Strecke. Hier ist die Bäckerei, dort der Kindergarten, gleich dahinter der Supermarkt. Tina sieht gern aus dem Fenster und beobachtet, was die Menschen machen. Eine Frau schiebt einen Kinderwagen, ein Junge fährt Rad und ein alter Mann schleppt Einkaufstüten. Tina beobachtet alles. Sie ist in Gedanken und merkt nicht, wie sich ein fremder Mann neben sie setzt. Erst als sie etwas am Oberschenkel berührt, schreckt sie hoch und bemerkt den fremden Mann. Wahrscheinlich hat er mich aus Versehen berührt, denkt Tina und schaut wieder aus dem Fenster. Da berührt sie schon wieder etwas an ihrem Oberschenkel. Tina zieht ihr Bein weg. Sie mag nicht von fremden Menschen berührt werden. Muss der sich so breit machen?, denkt Tina verärgert und 15
schaut wieder aus dem Fenster. Aber sie konzentriert sich nicht mehr auf die Straße. Aus dem Augenwinkel beobachtet sie den fremden Mann. Sie sieht, wie er sich im Bus umschaut. Und dann, ganz langsam, kommt seine Hand auf sie zu. Immer näher und näher. Tina stockt der Atem. Immer näher kommt die Hand. Jetzt greift sie auf ihren Oberschenkel. Ihhh!!! Tina ist entsetzt. Was macht der da? Aufhören! Aufhören! Tina will das nicht! Die Hand gehört nicht auf ihren Oberschenkel. Aber was soll sie tun? Tina ist verstört. Ganz fest starrt sie aus dem Fenster. Ihr gefällt das nicht. Der Mann soll damit aufhören! Er hört aber nicht auf. Seine Hand streichelt Tinas Oberschenkel und fährt sogar zwischen Tinas Beine. Vor Schreck japst Tina auf und presst die Oberschenkel aneinander. Da soll die Hand nicht hin! Da will Tina nicht angefasst werden! Hilfe! Hilfe! Hilfe!, denkt Tina. Aber sie sagt nichts. Sie ist so schockiert, dass sie nur dasitzt und nichts tut. Steif sieht sie aus dem Fenster und ekelt sich vor der Hand, die über ihren Oberschenkel streicht. Erst als ihre Haltestelle angesagt wird, erwacht Tina aus ihrer Starre. Sie drückt den Türknopf und als der Bus hält, springt sie auf und drängt sich an dem Mann vorbei nach draußen. So schnell sie kann rennt sie nach Hause.
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