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MAX EMANUEL CENCIC
VERDIENTE RENAISSANCE
Der österreichische Countertenor Max Emanuel Cencic setzt sich unter anderem für die Wiederentdeckung der Musik des 18. Jahrhunderts ein. Als künstlerischer Leiter des Labels Parnassus Arts Productions bringt er seit 2008 in Vergessenheit geratene Werke des italienischen Barocks auf CD heraus, wie jetzt Leonardo Vincis 1727 am römischen Teatro delle Dame uraufgeführte Opera seria ‚Gismondo Re di Polonia‘.
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OPER Anders als heute war im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts weder Georg Friedrich Händel noch Antonio Vivaldi der bekannteste und meistgespielte Opernkomponist, sondern vielmehr Leonardo Vinci (ca. 1696-1730). Ausgebildet in Neapel, reüssierte er dort ab 1719 zunächst mit mehreren Opern, ehe er sich 1722 mit unmittelbarem Erfolg der angeseheneren Opera seria zuwandte. Hier prägte er als einer der bedeutendsten Vertreter der Neapolitanischen Schule die italienische und bald auch die europäische Opernszene. Seine 1727 am römischen Teatro delle Dame uraufgeführte Opera seria ‚Gismondo Re di Polonia‘, die lange in Vergessenheit geraten war, wird von Parnassus Arts Productions wieder den Barockopernfans ebenso wie den Liebhabern von Countertenorstimmen nahegebracht. Vincis Oper feierte bereits 2018 konzertant in Wien, Moskau und Warschau sensationelle Triumphe vor einem geradezu hingerissenen Publikum. Kein Wunder, begeistert auch in der CD-Einspielung eine handverlesene Sängertruppe um den Star-Countertenor Max Emanuel Cencic. Begleitet wird die Aufnahme vom polnischen Orkiestra Historyczna unter der Leitung von Martina Pastuszka. In Vincis brillantem Stück, das mit hoch virtuosen Glanznummern aufwartet, dargeboten von vier Countertenören und drei Sängerinnen, stehen der kluge Herrscher Gismondo und der litauische Hitzkopf Primislao im Zentrum des Geschehens. Die Kinder des polnischen Königs, Ottone und Giuditta, mischen ebenfalls mit. Giuditta bekommt am Schluss Primislao und Ottone dessen Tochter Cunegonda. Der üble Intrigant Ermanno von Mähren begeht pflichtschuldig Selbstmord hinter der Bühne. Für große Gefühle und hofstaatliches Gepränge ist bestens gesorgt. Vom federnden Schwung des Orkiestra Historyczna angefeuert, übernimmt Cencic mit samtener Stimme die Rolle des Gismondi, während Yuriy Mynenko seinen Bühnensohn Ottone gibt. Alle Partien sind vorzüglich besetzt, wie Jake Arditti in der Rolle des Ernesto und Dilyara Idrisova, die mit ihrem funkelnden koloraturaffinen Sopran die Gismondo-Tochter Giuditta singt. Die belgische Sängerin Sophie Junker sorgt in der Rolle der Cunegonda mit ihrer leicht dunklen Sopranstimme für die düsteren Stimmungsmomente, während Martyna Pastuszka als fulminante Konzertmeisterin für tranceartige Momente sorgt, denen man sich als Hörer nicht entziehen kann. Max Emanuel Cencic, der weltweit an den großen Opern- und Konzerthäusern singt und regelmäßig mit Dirigenten wie William Christie, Emmanuelle Haïm oder Riccardo Muti arbeitet, gebührt das Verdienst, seltene und unbekannte historische Opernwerke wieder zur Aufführung zu bringen.