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Maria Teresa Rivera — Leider kein Einzelfall
Leider kein Einzelfall
Wegen der Abtreibungsgesetzgebung sind viele Frauen in El Salvador zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. María Teresa Rivera, die eine Fehlgeburt erlitten hatte, saß vier Jahre lang in Haft. Heute kämpft sie für sexuelle und reproduktive Rechte. Von Luciana Ferrando
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Ich wünsche mir, dass nie wieder eine Frau ertragen muss, was ich ertragen musste«, sagt María Teresa Rivera am Telefon. Sie ist 38 Jahre alt und wohnt in Schweden. Bis vor fünf Jahren lebte sie noch in ihrem Heimatland El Salvador. Dort war sie im Jahr 2011 zu 40 Jahren Haft verurteilt worden, nachdem sie eine Fehlgeburt erlitten hatte.
Das Urteil ist kein Einzelfall. In El Salvador sind nach Angaben von Amnesty International derzeit mindestens zehn Frauen inhaftiert, die wegen Kindesmordes verurteilt wurden. Sie hatten in einem fortgeschrittenem Stadium der Schwangerschaft und in häuslicher Umgebung eine Fehl- oder Totgeburt erlitten; die Anklage beschuldigte sie, den Tod des Kindes herbeigeführt zu haben. Seit 1998 ist in dem Land ein Schwangerschafts abbruch grundsätzlich verboten, selbst wenn die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung oder Inzest resultiert oder das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Betroffen sind vor allem Frauen aus armen Verhältnissen.
María Teresa Rivera wurde am 24. November 2011 von ihrer Schwiegermutter ohnmächtig und blutend im Badezimmer gefunden. »Als ich wieder aufwachte, war ich im Krankenhaus, umgeben von Polizisten. Sie beschuldigten mich, mein Kind getötet zu haben«, erinnert sie sich. Eine Angehörige des Krankenhauspersonals meldete sie bei der Polizei, weil Rivera »offenbar eine Abtreibung vorgenommen hatte«. Danach wurde sie in ein Frauengefängnis überstellt.
Dort wurde sie von anderen Inhaftierten als »Kindesmörderin« beschimpft und angegriffen. Doch aufgegeben habe sie nie, erzählt Rivera, denn sie habe ihren damals siebenjährigen Sohn wiedersehen wollen. Später lernte sie andere Frauen kennen, die ebenfalls in der Schwangerschaft Komplikationen erlitten hatten, einer Abtreibung bezichtigt und wegen Mordes verurteilt worden waren. Sie gründeten die Gruppe »Las 17«, um auf ihre Fälle und die unfairen Verfahren aufmerksam zu machen.
Maria Teresa Rivera war die erste der »Las 17«, die freigelassen wurde. »Im Mai 2016 verkündete der Richter, es gebe keinen Beweis dafür, dass ich mein Kind töten wollte«, erzählt sie. Neben zivilgesellschaftlichen und feministischen Gruppen in El Salvador hatte auch Amnesty International ihre Freilassung gefordert. »Der internationale Druck war wesentlich für meine Freilassung«, sagt Rivera. »Wir dürfen nicht aufhören, damit alle freikommen und sich endlich etwas ändert.«
Nach ihrer Freilassung sei ihr schnell klar geworden, dass sie nicht länger in El Salvador bleiben könne. Frauen mit einer derartigen Vorgeschichte hätten dort keine Chance. »Viele werden von ihren Familien abgelehnt. Sie werden stigmatisiert, finden keine Arbeit und keine Wohnung«, erzählt sie. Als bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihre Freilassung Berufung einlegen wollte, floh Rivera mit ihrem Sohn nach Schweden, wo sie Asyl erhielten. Heute fühlt sie sich frei. Sie hat Schwedisch gelernt und macht eine Ausbildung zur Krankenpflegerin. Außerdem engagiert sie sich für sexuelle und reproduktive Rechte und für Frauen in El Salvador, die zu Unrecht inhaftiert sind. ◆
Amnesty hat sich im Jahr 2013 für Beatriz eingesetzt, der ein Schwangerschaftsabbruch verweigert wurde, obwohl eine Erkrankung in der Schwangerschaft ihr Leben gefährdete. Im Januar 2022 überwies die Interamerikanische Menschenrechtskommission ihren Fall an den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mehr Informationen:
www.ai-el-salvador.de/ abtreibungsverbot.html
Zeichnung: André Gottschalk