Franziskus, 2. Ausgabe 2013

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franziskus Zeitschrift der Franziskaner-Minoriten in Deutschland

Unser Generalminister ist wiedergew채hlt: Alles Gute, Br. Marco Tasca! Weitere Themen: Unser Konvent in Gelsenkirchen / Nachrichten aus dem Orden / Grunds채tzliches und Konkretes zum franziskanischen Missionsverst채ndnis / Eine erste Reaktion zur Wahl von Papst Franziskus franziskus 2|2013

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Regel und Leben dieser Brüder ist dieses: nämlich zu leben in Gehorsam, in Keuschheit und ohne Eigentum und unseres Herrn Jesu Christi Lehre und Fußspuren zu folgen.

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Franz von Assisi, Nicht bullierte Regel, 1,1

franziskus Herausgeber:

Zeitschrift der Franziskaner-Minoriten in Deutschland Franziskaner-Minoriten in Deutschland, Provinz St. Elisabeth, Franziskanergasse 7, 97070 Würzburg Mit kirchlicher Druckerlaubnis. Erscheinungsweise: viermal jährlich Redaktion: Br. Josef Fischer, Br. Steffen Behr, Br. Andreas Murk, Br. Martin Koch, Br. Konrad Schlattmann Anschrift: Zeitschrift franziskus, Klosterdorf 1, 91443 Scheinfeld Bestellung: Sekretariat: Br. Andreas Murk, Elisabeth Bechmann Telefon: 09162 92889-0, Fax: 09162 448, E-Mail: zeitschrift@franziskaner-minoriten.de Bankverbindung: Zeitschrift franziskus, LIGA Würzburg, BLZ 75090300, Konto-Nr.: 10 30 16 404 IBAN: DE35750903000103016404, BIC: GENODEF1M05 Statt eines festen Abonnementpreises bitten wir alle Bezieher zur Deckung der Unkosten um eine Spende von mindestens € 10,00 pro Jahr 2 franziskus 2|2013


Liebe Leserin, lieber Leser, wie überraschend die Umbenennung unserer bisherigen Zeitschrift „Friede und Heil“ für einige Leserinnen und Leser war, haben wir an so mancher Reaktion gemerkt. Wir hoffen aber, dass der franziskus bald schon für viele so selbstverständlich ins Haus kommt wie oft jahrzehntelang „Friede und Heil“. Sehr froh sind wir über einige neue Abonnenten, die wir gewinnen konnten - herzlich willkommen als Leser unserer Zeitschrift! Für manche mehr, für manche weniger überraschend wurde Ende Januar 2013 unser Generalminister Br. Marco Tasca für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Mit seinem gewinnenden Wesen schaut er Ihnen auf der Titelseite freundlich entgegen. Br. Bernhardin M. Seither, der die deutsche Ordensprovinz beim Generalkapitel in Assisi vertrat, berichtet uns aus erster Hand wie er seine Kapitelspremiere erlebt hat. Br. Thomas Freidel, Pilgerseelsorger in Assisi, erschließt uns in der Freskenreihe nicht nur ein zweites Motiv aus der Basilika San Francesco, sondern gewährt uns in einem weiteren Artikel einen Einblick, wie er die Wahl des neuen Papstes erlebt hat: seit dem 13. März 2013 trägt der Bischof von Rom den Namen Franziskus. Wir wünschen ihm Gottes reichen Segen und versprechen unser Gebet. Zur Vorstellung eines unserer Konvente begeben wir uns dieses Mal in den Ruhrpott, genauer gesagt nach Gelsenkirchen. Dort leben zurzeit drei Brüder aus der Danziger Ordensprovinz. Einen weiteren „Danziger“ stellt ihnen Br. Konrad Schlattmann vor, so dass der Orden auch ein Gesicht bekommt... Das Heft wird inhaltlich abgerundet durch die traditionelle Meditation aus der Feder von Br. Josef Fischer, einen Missionsbericht von Br. Vicente Imhof und einige Nachrichten aus dem Orden. An der zweiten Ausgabe des franziskus wünsche ich Ihnen viel Freude und danke Ihnen im Namen der Redaktion und unserer Ordensgemeinschaft für alle Zeichen Ihrer Unterstützung. In unserem Gebet haben Sie mit Ihren Anliegen einen festen Platz. Mit Franz von Assisi, unserem Ordensgründer, grüße ich Sie herzlich: pace e bene, Frieden und alles Gute!

Br. Andreas Murk Redaktionsmitglied

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kon ven t Die Pfarrkirche St. Josef ist geistlicher Mittelpunkt für die Katholiken im Gelsenkirchener Stadtteil Ückendorf. Seit über 100 Jahren werden hier Gottesdienste gefeiert und Glaubenserfahrungen von Menschen geprägt.

Franziskaner-Minoriten im Ruhrpott Im Juli werden es 20 Jahre, dass wir Franziskaner-Minoriten als Seelsorger in Gelsenkirchen tätig sind. Derzeit gehören drei Brüder aus der Danziger Ordensprovinz zum Konvent an der Pfarrkirche St. Josef. Br. Andreas hat sie für unsere Leserinnen und Leser besucht.

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Das ehemalige Pfarrhaus hinter der Kirche dient heute als kleines Kloster für die drei Brüder.

Br. Adam ist froh, dass die Renovierungsmaßnahmen der letzten Monate gut über die Bühne gegangen sind.

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für den Konvent und Pastor für die Gemeinde. Gelsenkirchen ist für ihn kein unbekannter Ort: schon einmal hat der mittlerweile 47-jährige polnische Ordensmann hier für zehn Jahre gearbeitet. Die letzten acht Jahre hat er allerdings in Polen verbracht. Als Provinzialminister der Danziger Ordensprovinz trug er Verantwortung für etwa 200 Brüder und zahlreiche Niederlassungen, darunter einige auch in Deutschland. Nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit wurde er nun zurück nach Deutschland geschickt und folgte in Gelsenkirchen seinem langjährigen Vorgänger, Br. Leo Rawalski, der nach Duisburg versetzt wurde.

elsenkirchen hat sich verändert. Die Stadt im Ruhrgebiet, Heimat des Fußballclubs Schalke 04, hat in den letzten 50 Jahren etwa 30% ihrer Einwohner verloren. Durch die boomende Montanindustrie konnte die Stadt im Jahr 1959 mit 391.745 Einwohnern einen historischen Höchststand vermelden – ein halbes Jahrhundert und einige industrielle Krisen später hat Gelsenkirchen heute nur noch 256.652 Einwohner. Gelsenkirchen hat sich verändert – nicht nur was die Stadt als Ganze betrifft, sondern auch, was die katholische Bevölkerung angeht. Die Katholiken im Bistum Essen sind zahlenmäßig so zurückgegangen, dass in den letzten Jahren umfassende Neustrukturierungen in der Pfarrpastoral vorgenommen wurden. Das Ruhrbistum hat in den letzten Jahren 259 bislang eigenständige Pfarreien in 43 Großverbünden aufgehen lassen und viele Gotteshäuser geschlossen. Zur „Propstei St. Augustinus“ mit insgesamt etwa 25.000 Gläubigen gehören nun seit 2007 die Gemeinden „St. Josef“ (Ückendorf) und die Filialkirche St. Thomas Morus, die nach wie vor von uns Franziskaner-Minoriten betreut werden. Gelsenkirchen hat sich verändert – auch unsere dortige Niederlassung. Im September 2012 wurden zwei Brüder versetzt, zwei neue sind hinzugekommen und in den letzten Monaten wurde das Kloster von oben bis unten renoviert. Grund genug, dem Konvent einen Besuch abzustatten.

Ein Besuch in „Gelsen“ Bei meiner Ankunft heißt mich der neue Guardian, Br. Adam Kalinowski, herzlich willkommen. Seit September 2012 ist er nun Hausoberer

Vom „historischen Tag“ bis heute Bei einer Kirchen- und Klosterführung weist mich Br. Adam auf den 13. Juni 1880 hin, einem, wie er sagt, „historischen Tag“: damals wurde nämlich ein Kirchenbauverein von den katholischen Christen des Gelsenkirchener Stadtteils Ückendorf ins Leben gerufen. Das Verlangen der damals beständig zunehmenden Ückendorfer Bevölkerung nach einer eigenen Kirche war immer größer geworden. Von Seiten des Bistums wurden die Bedürfnisse der Gläubigen schließlich anerkannt und eine neue Pfarrei unter dem Patronat des heiligen Josef wurde errichtet. Dank vieler finanzieller und organisatorischer Bemühungen konnten sich deren Mitglieder am 29. August 1894 über den endlich erfolgten ersten Spatenstich zum Bau einer Pfarrkirche freuen. Nach etwas über zwei Jahren Bauzeit und einer verbrauchten Summe von 201.636,63 Mark wurde die Kirche am 6. Oktober 1896 schließlich konsekriert. Aus dem Pfarrarchiv bringt Br. Adam einen Bericht der Emscher Zeitung vom franziskus 2|2013

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Br. Krzysztofs Alltag als Kaplan in den Gemeinden St. Josef und St. Thomas Morus (Bild rechts) erstreckt sich über alle Phasen des menschlichen Lebens: von der Taufe über Erstkommunion und Firmung bis zur Beerdigung.

07. Oktober 1896, der über die Kircheneinweihung schreibt: „Gestern Nachmittag traf Herr Weihbischof Dr. Gockel von Paderborn hier ein, um die neue katholische Kirche einzuweihen und die Firmung zu spenden. Die Einweihung der Kirche fand heute morgen in der üblichen Weise statt. Es ist ein monumentaler, im gotischen Stile errichteter Bau, zwar etwas einfach, aber doch von gefälligen Formen. Mit Rücksicht auf die stete Zunahme der Bevölkerung in hiesiger Gegend ist dieselbe sehr großräumig gebaut. Sie zählt zu den größten der Umgegend.“ Im Rahmen der Kirchweihe blieb der Weihbischof übrigens drei Tage: während dieser Zeit spendete er sage und schreibe 859 Kindern das Sakrament der Firmung! In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich Kirche und Gemeinde mit Höhen und Tiefen bis der 2. Weltkrieg einen schweren Einschnitt brachte. Durch die Bombardierungen wurde das Gotteshaus schwer beschädigt und konnte erst im November 1948 wieder in Betrieb genommen werden.

Franziskanische Seelsorge Nach Jahrzehnten der Seelsorge rund um St. Josef durch Diözesangeistliche übernahmen im Jahr 1977 Franziskaner (OFM) aus der Provinz von Kattowitz, Polen, die seelsorgliche Verantwortung, die im Juli 1993 schließlich an die Danziger Ordensprovinz der Franziskaner-Minoriten (OFM Conv.) übergeben wurde. Seit dem Frühjahr 2011, kurz nach seiner Priesterweihe, ist auch Br. Krzysztof Robak einer der Brüder, die in Gelsenkirchen in den Gemeinden St. Josef und St. Thomas Morus für die Seelsorge verantwortlich sind. Br. Krzysztof kenne ich noch aus unserer gemeinsamen Studienzeit 6

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in Würzburg, wohin er 2005 von seinem damaligen Provinzialminister Br. Adam Kalinowski (jetzt sein Guardian) geschickt wurde. Als Prokurator ist er für die Finanzen des Klosters zuständig und als Kaplan für verschiedene Aufgaben in der Pfarrei. Als wir uns über unsere pastoralen Erfahrungen austauschen, staune ich nicht schlecht über die hohe Anzahl von Beerdigungen: In den vergangenen zwei Jahren hat er fast 90 Menschen das letzte Geleit gegeben. Zwischen drei und vier Beerdigungen pro Woche, das ist für ihn angesichts der alternden Bevölkerung keine Seltenheit. Froh ist der 32-Jährige, dass er dank Kommunion- und Firmvorbereitung auch mit jüngeren Menschen in Kontakt kommt und etwas von seinem Glauben weitergeben darf. Der kleine Konvent in Gelsenkirchen wird ergänzt durch Br. Robert Pawłak, der erst in diesem Jahr nach Deutschland gekommen ist und jetzt seit sechs Monaten Deutsch lernt. Soweit es seine Sprachkenntnisse zulassen, hilft er in den Gemeinden mit, steht als Beichtvater für Polnisch sprechende Gelsenkirchener zur Verfügung und bereitet sich auf ein Weiterstudium vor: seine Ordensoberen haben ihn gebeten, in Deutschland eine Doktorarbeit zu verfassen. Br. Adam, Br. Krzysztof und Br. Robert: inmitten einer sich verändernden Stadt und in Zeiten großer pastoraler Umbrüche versuchen sie in franziskanischer Tradition etwas weiterzugeben vom barmherzigen und treuen Gott. Br. Andreas Murk Kontakt: Kloster der Franziskaner-Minoriten

Virchowstraße 2, 45886 Gelsenkirchen Telefon: 0209 9571090 www.st-josef-ueckendorf.de


gemeinschaft mit gesicht Br. Grzegorz Chmielewski

Wegbegleiter auf zwei Reifen

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ußwallfahrten, Fahrradwallfahrten, Frauenwallfahrten…, um all diese kümmert sich Bruder Grzegorz Chmielewski seit seiner Priesterweihe im März 2011 am Wallfahrtsort Walldürn (Odenwald) durch Gottesdienste, Andachten, Beichtgespräche. „Ein Seelsorger sollte mit den Menschen, die ihm anvertraut sind, auf dem Weg sein“, erklärt er sein pastorales Verständnis. Kein Wunder also, dass der sportinteressierte 33-Jährige im vergangenen Jahr den Motorradführerschein gemacht hat, um nun auch diese neue Art von Wallfahrt standesgemäß und praktisch begleiten zu können. Im polnischen Elbląg aufgewachsen, überredete ihn ein im gleichen Haus wohnender Schulfreund, einmal zum Treffen der franziskanischen Jugend seiner Pfarrei mitzugehen. Auch wenn er widerwillig dieser Einladung folgte, erwuchs daraus allmählich sein Interesse am Ordensleben, so dass beide gleichzeitig nach dem Abitur bei den Franziskaner-Minoriten eintraten und 2005 zum Theologiestudium nach Würzburg geschickt wurden. „Unser Provinzial

hatte nicht gewusst, dass wir uns von Geburt an kannten“, witzelt Br. Grzegorz. „So trennten sich unsere Wege erst nach dem Studium: Während ich nach Walldürn ging, wurde Br. Krzysztof Robak in unserem Konvent in Gelsenkirchen eingesetzt.“ Die Ministranten und Jugendlichen der Seelsorgeeinheit Walldürn bekunden stets ihren guten Draht zu Br. Grzegorz, der mit ihnen nun sogar die Franziskanische Jugendwallfahrt 2013 organisiert, zu der etwa 90 Teilnehmer aus ganz Deutschland erwartet werden. Auch bei der Kirche ferner Stehenden ist Br. Grzegorz geschätzt als Spieler in der Handballmannschaft Walldürn. „Seitdem ich dabei bin, sind wir zwar nicht besser geworden, aber es passieren Wunder: Da eine Mannschaft zum Turnier nicht antrat, sind wir nicht abgestiegen.“ Vor und nach den Spielen ergeben sich vielfach Gespräche zu Kirche und Religion. „Da erreiche ich als Franziskaner beim Handball manchmal mehr Menschen als vom Ambo in der Kirche aus. Br. Konrad Schlattmann

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Fotos: Generalkurie OFM Conv.

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Br. Bernhardin M. Seither (Bildmitte) hat die deutsche Ordensprovinz beim Generalkapitel in Assisi vertreten. Im Gespräch mit unserer Zeitschrift berichtet er von seinen Erfahrungen und Eindrücken.

Generalkapitel 2013 franziskus: Br. Bernhardin, du warst vor Kurzem zum ersten Mal bei einem Generalkapitel unseres Ordens. Wie hast du dich dort zurechtgefunden? Br. Bernhardin: Es war natürlich vor allem zu Beginn nicht ganz einfach, weil ich keine der vier Ordenssprachen fließend spreche. So habe ich versucht, mich mit meinen wenigen Italienisch- und Englischkenntnissen über Wasser zu halten. Zum Glück war Br. Daniel Brocca aus unserer Kustodie Österreich-Schweiz auch beim Kapitel. Er hat mir Vieles vom Italienischen ins Deutsche übersetzt. Und natürlich habe ich davon profitiert, dass mit Br. Thomas Freidel auch ein Bruder unserer Ordensprovinz in Assisi lebt. Abgesehen von den Sprachproblemen hat es mir

aber die brüderliche Atmosphäre sehr leicht gemacht, mich ein- und zurechtzufinden. Die Kapitulare haben sich über mehrere Wochen getroffen. Was waren die Themen, die euch am meisten beschäftigt haben? Ein Hauptthema war natürlich – nach dem Hören aller Berichte über die vergangenen sechs Jahre – die Wahl des Generalministers und unserer Ordensleitung. Immer wieder spielte auch die Überarbeitung unserer Konstitutionen eine Rolle. Nicht immer ohne Emotionen waren die Beratungen über die Zukunft so mancher Ordensprovinzen. In den USA und in Italien beispielsweise wurden Provinzen zusammengelegt,

Wissenswertes zum Generalkapitel Gemäß offizieller Zählung haben die vom 19. Januar bis 17. Februar 2013 in Assisi versammelten Brüder das 200. Generalkapitel unseres Ordens gefeiert. Bei derartigen Treffen, die nach dem derzeitigen Recht alle sechs Jahre stattfinden, sind alle Kontinente vertreten: Insgesamt nahmen 88 stimmberechtige Brüder teil (Provinzialminister, Kustoden und Delegaten), elf Brüder mit Rede-, aber ohne Stimmrecht und etwa 30 Helfer (für Organisation, Übersetzungen etc.). Da die Zimmer im Sacro Convento nicht ausreichen, werden die Kapitulare in verschiedenen Unterkünften in 8

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Mexiko wurde neu als Provinz errichtet und wir mussten auch über Wege beraten für Provinzen, die finanziell oder personell schlecht aufgestellt sind. Hier wird deutlich, wie sehr uns gerade die personelle Not in Europa und Nordamerika momentan beschäftigt. Aber auch im asiatischen Raum, wo der Orden derzeit sehr stark wächst, haben unsere Brüder Sorgen: wie gelingt zum Beispiel die Integration der neuen Brüder oder wie lassen sich diese Neuaufbrüche finanziell sichern? Das sind alles Fragen, mit denen sich das Kapitel beschäftigt hat.

blemen zu leiten und die weltweit etwa 4.500 Brüder unter einen Hut zu kriegen.

Ihr musstet über solche und ähnliche Fragen sicher unzählige Male abstimmen. Was waren denn die wichtigsten Entscheidungen? Nun, sicherlich die Wahl unserer Ordensleitung, die mehr oder weniger komplett im Amt bestätigt wurde. Aber ansonsten lässt sich die Frage gar nicht so leicht beantworten. Die Leitung hat von den Kapitularen verschiedene Arbeitsaufträge bekommen, viele, die eigentlich beim Kapitel vor sechs Jahren schon gegeben wurden. Es wird immer wieder deutlich, wie schwer es ist, einen weltweiten Orden mit so unterschiedlichen Pro-

Neben den schwierigen Themen und Problemen, was waren denn für dich erfreuliche Augenblicke? Schön waren die brüderlichen Runden, in denen wir einige Themen vertiefen konnten - ganz ernsthaft im Rahmen der Kapitelsarbeit, aber auch fröhlich-ausgelassen am Abend bei der so genannten „Rekreation“. Gemäß einem mittlerweile schon Tradition gewordenen Brauch hat unsere Provinz an einem Abend für die Kapitulare ein Fass Bier gestiftet. Als sehr berührend habe ich verschiedene liturgische Feiern erlebt, die zum Teil von unserem Basilika-Chor in Assisi musikalisch gestaltet wurden. Wenn über 100 Brüder aus vielen verschiedenen Nationen dann gemeinsam die gleiche Eucharistie feiern, ist das ein tiefes spirituelles Erlebnis. Im Nachhinein gewinnt natürlich nun auch die Audienz der Kapitulare bei Papst Benedikt XVI. in Rom eine besondere Bedeutung - dass ich ihn zum letzten Mal persönlich als Papst erleben würde, wusste ich da freilich noch nicht.

der Nähe untergebracht. Die Verpflegung übernimmt die Küche unseres Konvents in Assisi. Eine der logistischen Herausforderungen des Generalkapitels ist die Vielfalt der Sprachen. Übersetzt wird in die vier offiziellen Sprachen des Ordens (Italienisch, Englisch, Polnisch, Spanisch): die simultan übersetzenden Brüder sind

während dieser Tage sehr gefordert! Die Papierflut früherer Generalkapitel hat sich verringert: mittlerweile stehen alle Dokumente auf einem gemeinsamen Server, auf den die Kapitulare mit ihrem Notebook zugreifen können. Abgestimmt wird übrigens mittlerweile auch schon per Knopfdruck und elektronischer Zählung. Neben dem Hören und Auswerten von Berichten über die vergangenen sechs Jahre, stehen Beratungen über die Zukunft und entsprechende Weichenstellungen auf der Agenda. Das Generalkapitel wählt als oberstes Entscheidungsgremium des Ordens die Generalleitung, fasst eigenständig Beschlüsse und kann der Ordensleitung Arbeitsaufträge übertragen. Nach drei Jahren folgt in der Regel eine erste Auswertung. Redaktion

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meditation

Herr, zu wem sollen wir gehen? Ein katholisches Großereignis erwartet die Stadt Köln im Juni 2013: den Eucharistischen Kongress, der nach dem Willen der Veranstalter ein großes Fest des Glaubens zur Begegnung mit Christus und untereinander werden soll. Br. Josef Fischer verknüpft in seiner Meditation den Eucharistischen Kongress mit dem Franziskanerheiligen Paschalis Baylon.

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n jeder Eucharistiefeier, wo immer sie auch gefeiert wird – auf dem Petersplatz in Rom oder in einer Justizvollzugsanstalt – bekennen wir Christus mitten unter uns als Geheimnis des Glaubens. Wir werden angehalten, uns mithineinnehmen zu lassen in das Pascha Domini, den Vorübergang des Herrn. Der Dreiklang von Tod, Auferstehung und Wiederkunft Christi will wie ein Grundakkord unsere ganze christliche Existenz durchdringen. Dem kaum bekannten, franziskanischen Ordensbruder im Spanien des 16. Jahrhunderts, Paschalis Baylon, war eine innige Nähe zum Sakrament der Liebe Gottes geschenkt. Kann er uns ein spiritueller Wegbegleiter nach Köln zum bevorstehenden Eucharistischen Kongress werden? Die Stationen seines verborgenen Lebens sind leicht überschaubar. Geboren an einem Pfingstsonntag, dem 16. Mai 1540, in Torrehermosa (Aragón), wuchs er als Hirtenjunge einer armen Familie auf. Als Autodidakt brachte er sich selbst das Lesen und Schreiben bei. Nach einer mehrjährigen Probezeit wurde er 1564 in Montfort in den Franziskanerorden aufgenommen, genauer gesagt: ein Mitglied der Diskalzeaten („Unbeschuhte“, mit einem hohen asketischen Ideal). Damit gehörte er zu einer Reformgruppe, der auch Petrus von Alcántara, der geschätzte Beichtseelsorger der Hl. Teresa von Jesus, zuzurechnen

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ist. Als Ordensbruder war Paschalis häuslich fern vom Rampenlicht der Öffentlichkeit als Pförtner, Gärtner und in der Küche tätig. Paschalis („der Österliche“) starb am 17. Mai 1592 in Villareal bei Valencia und wurde an Pfingsten beigesetzt; ein geistvoller Lebensbogen von Einfachheit und Glaubensglut schließt sich. 1897 ernannte Papst Leo XIII. Paschalis Baylon zum Patron der eucharistischen Vereinigungen. 1936 wurden seine Gebeine während des spanischen Bürgerkrieges verbrannt. Der Eucharistische Kongress vom 5.-9. Juni in der rheinischen Domstadt Köln steht unter dem Leitwort: „Herr, zu wem sollen wir gehen?“ (Joh 6,68) Antwort in Person ist „der Heilige Gottes“, der „Worte des ewigen Lebens“ hat. Inmitten von gesellschaftlichen Umbrüchen, wo mitunter Heiliges profaniert, ja verachtet und gleichzeitig Profanes auf den Sockel der „Heiligkeit“ hochstilisiert wird, werden Menschen eingeladen, sich um das geopferte Lamm Gottes zu sammeln. Die Menschwerdung des Gottessohnes verlängert sich ja hinein in das Sakrament des Altares, ins Brotbrechen und von da her nach katholischem Verständnis in die Anbetung, die IHM allein gebührt. Ein geistliches Auge im Hurrikan der Zeiten! Leider ist die ursprüngliche Sehnsucht Jesu im Abendmahlsaal nach seinen Menschen heute wie in einem Dickicht zuge-


„Mach dich los von den Dingen dieser Welt und denke, es gäbe nichts anderes in der Welt außer dir und Gott.“

wachsen durch mangelnde Achtsamkeit, geistlose Routine, Unverständnis und Spaltungen im Leib Christi. Verschwindet die Hl. Eucharistie in die Nischen für einige sonderbegabte Gläubige? Ist eine gebrochene Hostie unter dem „Himmel“ an Fronleichnam so abwegig angesichts der Brüche im Leben? Der franziskanische Heilige Paschalis Baylon ist ganz auf der Spur unseres Ordensvaters Franziskus, der uns in sein Staunen über die täglich herunterkommende Liebe des Gottessohnes mitnimmt: „Seht die Demut Gottes und schüttet vor ihm euere Herzen aus! … Behaltet darum nichts von euch für euch zurück, damit euch ganz aufnehme, der sich euch ganz hingibt!“ (Franz von Assisi) Paschalis versteht die Messfeier und die Anbetung als Ort des Dankes (ist das nicht auch eine Therapie gegen die Selbst-Verachtung?), der Bitte (ist das nicht eine Korrektur von unfruchtbarer Selbstbezogenheit?) und des Ansporns zu einfachem Leben (gegen überzogenes Anspruchsdenken?). Dieser Dreischritt lautet im Originalton des Heiligen so: „Gott dankbar sein besteht in einer inneren Haltung. Wenn einer in dieser Haltung eine himmlische Gabe empfängt und darin den unermesslichen Gott und Herrn aller Dinge erkennt, von dem alles Gute kommt, dann freut er sich über jede Verherrlichung Gottes…“ – „Gott wartet immer darauf, dass wir ihn bitten; deswegen soll dich mehr der Wille Gottes, der dich beschenken will, zum Bitten drängen als deine eigene Notlage. …. Übe dich ständig durch kraftvolles Tun.“ – „Dein Denken sei einfach und demütig; hab unverdrossen Acht auf dich selbst; die Liebe zu Gott soll dich wie ausgegossenes Öl ganz durchtränken.“ Br. Josef Fischer

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aus aktuellem anlass Br. Thomas Freidel zur Wahl von Papst Franziskus

Die Welt hat einen neuen Papst Die Seiten des franziskus waren schon alle gesetzt, da ertönte in Rom das „habemus papam“: mit Jorge Mario Bergoglio hat die Kirche den ersten Jesuitenpapst und den ersten Papst mit Namen Franziskus. Für uns Grund genug, das fertige Heft nochmals zu verändern: aus aktuellem Anlass schreibt Br. Thomas Freidel von seinem Erleben der ersten Augenblicke unseres neuen Papstes.

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ruder Mauro Gambetti, der erst vor wenigen Tagen ernannte junge Kustos der internationalen Gemeinschaft der Franziskaner-Minoriten bei der Basilika San Francesco in Assisi hatte eine treffsichere Vermutung. Die abendliche Gebetszeit wurde am Mittwoch, den 13. März, um eine Stunde vorverlegt. In der Vesper, dem Abendgebet der Kirche und der stillen Meditation vor dem ausgesetzten Allerheiligsten kreisten die Gedanken aller Brüder wohl vor allem um dasselbe Thema. Und so war es denn kein Wunder, dass sich sofort danach alle Mitbrüder vor die beiden Fernsehgeräte des Hauses verteilten. Eine gewisse Nervosität war zu verspüren, die sich bei über 60 Männern aus etwa 20 verschiedenen Nationen in unterschiedlicher Weise bemerkbar macht. Als dann die zuerst noch dunklere und allmählich heller werdende Fumata, das Rauchzeichen vom Kamin der Sixtina erschien, war es wie so oft im Leben. Ausgerechnet der älteste Mitbruder unserer Gemeinschaft, der über 80-jährige Bulgare Vladimiro Penev, hatte als erster die richtige Idee: „Schnell, schaltet die Glocken an!” Und schon kurz darauf ertönte, von unserem philippinischen Sakristan Guiseppe in Windeseile realisiert, das mächtige Geläut unserer Basilika und kündete so als erste Kirche Assisis die Wahl des neuen Pontifex an. Von der Person des neuen Papstes und seiner Namenswahl waren wir zunächst so überrascht, 12

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dass vorerst unsicheres Nachfragen und verwundertes Staunen überwogen. Doch dann wurde es allen bewusst, dass erstmals in der Geschichte der Kirche ein Papst den Namen des Poverello aus Assisi tragen und so die Ausrichtung seines Pontifikats unter ein ganz markantes Vorzeichen stellen wird. Franziskus, der reiche Kaufmannssohn, der sein Leben änderte und durch die Rückkehr zum Evangelium die Kirche erneuerte. Der die Spuren Gottes in der Schöpfung fand und in Armut und Fröhlichkeit der Kirche einen Spiegel vor Augen hielt. Der nicht mit Worten polemisierte, sondern in der Karriere nach unten ganz groß wurde. Der in den Armen das Antlitz Jesu entdeckte und Menschen aller Stände und Nationen in seiner Brudergemeinschaft zusammenführte. Was keiner der sechs Franziskanerpäpste der Kirchengeschichte wagte, blieb nun einem Jesuiten vorbehalten: Franz von Assisi zum Leitbild zu erwählen. Der heilige Ignatius von Loyola wird mit dieser Namenswahl keineswegs an den Rand gestellt, hat er doch für seinen Orden auch Elemente der franziskanischen Spiritualität übernommen und seinen Nachfolgern besonders das Gelübde der Armut anempfohlen. In seinem Buch „Gelebte Zukunft. Franz von Assisi“ hat der Schweizer Jesuit und Konzilsjournalist Mario von Galli schon vor Jahren ein Zukunftskonzept für die Kirche entworfen. Gott in allen Dingen


des Lebens zu finden, in diesem Ansatz klingen die Stimmen von Franziskus und Ignatius zusammen. Der erste Auftritt des neuen Papstes auf der Benediktionsloggia zeigt ihn denn auch ganz in diesem Geiste. Im einfachen weißen Talar, mit dem schmucklosen Brustkreuz, das er wohl auch vorher schon getragen hat. Als neuer Bischof von Rom bittet er zunächst die anwesende Gemeinde um ihr segnendes und fürbittendes Gebet, Tausende verharren dazu in einem Augenblick in Stille. In den Reihen meiner Mitbrüder hat sich nun auch die vorherige Anspannung und das überraschte Staunen gelöst in Freude und Dankbarkeit. Besonders beglückwünschen wir unsere Brüder aus dem lateinamerikanischen Kontinent; wenig später taucht ein Foto auf, das unseren Generalminister, Bruder Marco Tasca, bei einer Messe mit dem damaligen Erzbischof von Buenos Aires bei einer Konferenz unseres Ordens vor drei Jahren in Argentinien zeigt; die beiden

werden sich wohl noch öfter begegnen. Der Ökonom unseres Klosters spendiert dann auch gleich beim stark verspäteten Abendessen ein Eis und ein Glas Spumante, gehorsam unterbrechen wir die Fastenzeit für diesen Anlass! „Glauben sie, dass es einmal einen Papst geben wird, der sich nach dem heiligen Franziskus benennt?” Unzählige Male wurde mir diese Frage schon gestellt bei meiner Arbeit als Pilgerseelsorger an der Grabeskirche unseres Gründers. Meine Antwort war dabei immer etwas verlegen und ausweichend – nun ist sie überflüssig geworden. Franziskus hat seinen Brüdern aufgetragen, immer dem „Herrn Papst und seinen rechtmäßigen Nachfolgern ergeben und gehorsam zu sein“, in diesem Geiste werden wir vielleicht bald schon den Bischof von Rom begrüßen dürfen, hier am Grab seines Namenspatrons, der ihn als Fürsprecher begleiten möge in seinem Dienst im Petrusamt. Br. Thomas Freidel

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Die Botschaft der Bilder Einblicke in die Basilika San Francesco

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In dieser Reihe erschließt Br. Thomas Freidel die Fresken aus der Basilika San Franceso in Assisi. Er versucht die Botschaft der Bilder lebendig werden zu lassen. Dabei schreibt er für unsere Leserinnen und Leser gewissermaßen mit Informationen aus erster Hand: als Seelsorger für deutschsprachige Pilger und Touristen ist Br. Thomas seit einigen Jahren in Assisi und steht Gästen gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Foto: Stefan Diller, www.assisi.de

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m ältesten Freskenzyklus der Basilika sind den Szenen der Passion Christi Ereignisse aus dem Leben des Hl. Franziskus gegenüber gestellt. Der Entkleidung Christi vor seiner Kreuzigung entspricht die Entkleidung des Franziskus vor dem Bischof von Assisi. Die Wahl dieses Motivs zeigt sehr deutlich, dass es bei den Bildern nicht um die chronologische Nacherzählung der Lebensgeschichte des Heiligen geht. Die Darstellungen wollen vor allem eine theologische Aussage treffen; es geht darum, die Christusförmigkeit des Franziskus darzustellen. Nicht die Geburtsstunde des irdischen Lebens steht im Blickpunkt, sondern die Geburtsstunde des „neuen Menschen“ Franziskus, der sich ganz bewusst unter das Evangelium stellt, Gott seinen Vater nennt und seinen Weg der Umkehr beginnt. Die rechte Bildhälfte wurde hier – wie bei allen Fresken auf dieser Seite – durch den späteren Einbau von Seitenkapellen stark beschädigt. Gut erkennbar ist der bereits nackte Franziskus, den Bischof Guido in väterlicher Geste mit seinem Mantel bedeckt; eine Gruppe von Klerikern beobachtet staunend die Szene, die in die Chronik der Stadt Assisi eingegangen ist. Der erboste Vater – nur noch am Rande erkennbar – hatte den Sohn zuerst vor der Stadtobrigkeit verklagt wegen der Verschleuderung seines Besitzes zu Gunsten der Armen, er hatte eine andere Art von Umkehr im Sinn. Der auf Abwege geratene Sohn sollte sich auf seine Pflichten besinnen, als Kaufmann den Gewinn des Geschäftes zu mehren. Mit der uralten Geste des Schutzmantels zeigt der Bischof Verständnis, er erkennt die Echtheit der Absichten dieses Menschen auf der Suche nach seinem Weg; auch später wird Franziskus auf die Unterstützung des Oberhirten zählen können, wenn jener ihm etwa den Zugang zum Papst zur Bestätigung seiner neuen Lebensform

erleichtert. In der mittelalterlichen Stadt treffen zwei unterschiedliche Bevölkerungsschichten aufeinander. Adlige verlassen ihre Burgen und bauen sich Paläste in den Städten, Bauern werden hier durch Handwerk und kaufmännisches Geschick zu ihren erfolgreichen Konkurrenten; die kämpferischen Konflikte unter ihnen prägen diese Zeit und der Bischof sitzt mit dem Auftrag Frieden zu stiften zwischen den Stühlen. Franziskus zeigt mit seiner Entscheidung einen Weg der Gewaltlosigkeit auf, in seiner Bruderschaft werden später Männer aus allen gesellschaftlichen Gruppen zusammenleben. Ob Bischof Guido das wohl schon geahnt hat? Freiwillig trifft Franziskus diese Entscheidung von großer Tragweite. Er riskiert den Bruch mit seiner abgesicherten Lebenswelt und begibt sich in eine Zukunft, die in vielen Bereichen ungewiss ist. Zu rechtfertigen ist diese Tat eigentlich nur durch einen erneuten Blick auf das Bild der Entkleidung Christi gegenüber. Christus gibt in seiner Entkleidung ein Zeichen seiner Wehrlosigkeit und Ohnmacht. Der Nackte ist bloßgestellt, angreifbar, verwundbar, bereit in den Tod zu gehen. Das ist nur möglich, weil er sich, allen Ängsten und aller Verzweiflung zum Trotz, in der Hand seines himmlischen Vaters weiß. In seinem radikal vollzogenen Stellungswechsel – vom irdischen Vater zum „Vater im Himmel“ – tut Franziskus dasselbe. Der in die Basilika eintretende Pilger begibt sich gleichsam auf einen weiteren Pilgerweg. Das Ziel ist das himmlische Jerusalem, die ewige Vollendung bei Gott. Die Entkleidung des Franziskus bildet die Einleitung zu diesem Weg, gemäß dem Wort Jesu an den reichen Jüngling im Evangelium: „Verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen... dann komm und folge mir nach.“ (vgl. Mk 10,21) Br. Thomas Freidel franziskus 2|2013

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mis s ion Brüder aus den drei großen franziskanischen Orden nehmen am Missionskurs in Brüssel teil.

Weil Missionseinsätze eine gute Vorbereitung voraussetzen, ist nicht nur Praxis, sondern auch Theorie gefragt.

Ein interfranziskanisches Missionsprojekt Br. Vicente Imhof, Missionar unserer deutschen Ordensprovinz in Peru, schreibt Grundsätzliches über das franziskanische Missionsverständnis und Konkretes über ein interfranziskanisches Projekt in Brüssel zur Aktualisierung und Einübung dieses Ansatzes.

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um Wort „Mission“ gibt es verschiedene Assoziationen: Manche denken an Offenheit und evangelische Großherzigkeit bis zum Martyrium, andere an Neugier und Abenteuerlust, wieder andere an groben euro-amerikanischen Imperialismus und religiös übermalte Entfremdung und Kolonialismus. Egal wie Sie es sehen, für unseren Orden gilt jedenfalls, dass viele Verwundungen der Vergangenheit hätten vermieden werden können, wenn sich jenes Konzept duchgesetzt hätte, das Franziskus selber den ersten Brüdern auf den Weg gegeben hatte. In der Geschichte der Kirche ist unser Gründer nämlich der erste, der in seiner Regel ausdrücklich auf die „Mission“ Bezug nimmt. Und er ist dabei sehr evangelisch-originell! So erklärt Franziskus „zwei Weisen, um unter Sarrazenen und anderen Ungläubigen geistlich zu wirken“ nachdem er das beim Besuch beim Sultan 1219 selber ausprobiert hatte. Er weist die Brüder an, „um Gottes Willen allen Menschen untertan zu sein“, alle Polemik zu vermeiden und nur „wenn sie es als gottgefällig erkannt haben“, ausdrücklich das Evangelium zur Sprache zu bringen. Seine Sätze sind dabei aus der Erfahrung gewachsen, dass demütiger Respekt und unverstellte Annahme jedes Menschen tatsächlich unter dem Segen Gottes stehen. Historiker und Missionstheologen meinen, die Franziskaner sollten stolz sein auf dieses 16

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Erbe, aber sie verschweigen auch die andere Seite nicht: Franziskus´ kompromisslose Absage an jede Form von Gewalt und Manipulation, sein nachdrücklicher Verweis auf die Suche nach dem „letzten Platz“ als Startsignal jeder missionarischen Initiative, stand in den Augen seiner Zeitgenossen im Widerspruch zu allem, was sie im Umfeld der Kreuzzüge erlebt hatten, oder sich überhaupt vorstellen konnten. Als „Gegenstrom“ zum „mainstream“ erlagen die Brüder folglich dem Druck der Umgebung, und legten so das 16. Kapitel der nicht bullierten Regel bald ad acta. In dieser Regel gehört die minoritische Missionsstrategie zum Schönsten, was Franziskus dem Evangelium „abgeschrieben“ hat.

Franziskanische Mission heute Wenn Franziskaner über ihre missionarische Identität und Zukunft nachdenken, dann geht es seit 800 Jahren zurück zu diesen wenigen Sätzen, die immer wieder spannende Initiativen auf den Plan gerufen haben. Als vor zwölf Jahren die Ordensleitung der Franziskaner (OFM) ein Angebot zur Vertiefung der missionarischen Tradition ins Auge fasste, stand das 16. Kapitel der nicht bullierten Regel wieder im Mittelpunkt, und mit ihm die Frage, welche Haltungen und persönlichen Qualitäten heute unverzichtbar seien, um dieses franziskanische Missionsverständnis in unsere Welt und Kirche zu tragen. Man wählte den


großen Konvent im Süden Brüssels als Austragungsort, und startete dort mit Brüdern aus vier Kontinenten und diversen pastoralen Hintergrunderfahrungen die Fraternität „Unsere liebe Frau der Nationen“. Die neue Gemeinschaft bot so einen praktischen und gebetsvollen Lern-Lebensraum an, in dem Brüder aus allen Teilen der Welt sich franziskanischer Missionologie annähren konnten mit dem Ziel, die eigene Berufung zu klären. Ein weiterer Schritt geschah dann 2006, als das Programm dank der Teilnahme der Kapuziner und uns Minoriten wirklich „interfranziskanisch“ wurde. Als „Großfamilie“ des heiligen Franziskus mussten wir nämlich eingestehen, dass es zwar gemeinsame Initiativen der drei Zweige des „Ersten Ordens“ gibt, dass aber, wenn die kleinen oder großen „Veranstaltungen“ erst vorbei sind, sich jede „Kernfamilie“ wieder im eigenen Konvent wiederfindet. Das „BrüsselExperiment“ dagegen ist anders: hier leben wir wirklich drei Monate zusammen, beten, studieren, lernen und arbeiten als eine einzige Kommunität. Im Frühling findet der Kurs auf Französisch statt, im Herbst auf Englisch. Persönlich sehr dankbar bin ich Br. Jarosław Wysoczański, dem Generalsekretär für missionarische Animation unseres Ordens, der mir vorgeschlagen hatte, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Die letzten vier Jahre durfte ich viel lernen von den erstklassigen Dozenten ebenso wie von den jungen Mitbrüdern, die aus verschiedenen Teilen der Welt nach Brüssel kommen.

Die Inhalte... und die Hauptdarsteller Wie kann man sich denn die Inhalte eines solchen Kurses vorstellen? Nach Br. Vincenzo Marcoli, einem unserer Dozenten, geht es in Brüssel nicht um „Ideen“, sondern um „uns selber“, also um eine vom Evangelium inspirierte Brüdergemeinschaft, die sich in einer sich rasch verändernden Welt wiederfindet. Der Austausch mit Brüdern aus anderen Kontinenten gibt dabei Gelegenheit, uns in das komplizierte Zusammenspiel zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung einzuspüren und darüber systematisch nachzu-

denken, denn diese „Übung“ gehört später für uns Missionare ja zum „täglichen Brot“. Sowohl die Innendynamik, als auch die Außenkontexte unseres Ordenslebens sind heute multi-ethnisch und interkulturell, und so ist das „Fitwerden“ für versöhnte und freundschaftliche Beziehungen zu Menschen, die in anderen „Kulturen“ beheimatet sind, wegweisender als die Bewahrung traditioneller pastoraler Stile und altehrwürdiger Einrichtungen. Wie schon angedeutet, ist der franziskanische Ansatz in der zeitgenössischen Missionstheologie sehr relevant. Im Kurs buchstabieren wir dieses Erbe durch und stellen es vor den Hintergrund einer globalen Kultur und Wirtschaft, die Ausschluß, Ausbeutung von Menschen und der Erde, sowie militärische und wirtschaftliche Gewalt mehrheitlich nicht zu hinterfragen scheint. Darum gehört der Besuch der „Missionszentrale der Franziskaner“ in Bonn genauso ins Programm wie der „Dienst an den Tischen“ in sozialen Brennpunkten der Stadt Brüssel. Eine Welt, die mehr auf „Selbstverwirklichung“ setzt als auf Selbstlosigkeit und Solidarität, wird in den Brüdern des heiligen Franz allerdings keine finsteren Unheilspropheten oder selbsternannte „Bessermenschen“ erleben, denn dazu sind wir erstens zu fröhlich, und uns zweitens – hoffentlich – unserer eigenen Widersprüche zu sehr bewusst... Worauf wir dagegen schon Lust haben, ist aufzuzeigen, dass engagierte franziskanische Nachfolge und geglücktes Leben, das ansteckend und befreiend ausgreift nach evangelischer Fülle, definitiv zusammengehören. Br. Vicente Imhof

Helfen Sie mit: Wir sind dankbar für alle Spenden zur Unterstützung der Missionsprojekte unseres Ordens: Vergelt‘s Gott! Bankverbindung: Provinz d. Franziskaner-Minoriten, Ordensapostolat, Konto-Nr. 30 16 307 bei Liga Regensburg, BLZ 750 903 00. Auf Wunsch stellen wir gerne eine Spendenquittung aus (bitte Adresse angeben).

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Foto: www.kolping.net

n ac h r ic h ten MIT DEM DÄMMERSSCHOPPEN INS NEUE JAHR, diese Gelegenheit bietet sich traditionell Ende Januar im Bildungshaus Kloster Schwarzenberg. Die Brüder laden Vertreter aus Politik, Bildung und Gesellschaft in das Kloster ein. Bürgermeister, Landrat, Parlamentarischer Staatssekretär oder Schul- und Bankdirektor: durch ihre Teilnahme zeigen sie ihre Wertschätzung dem Bildungshaus gegenüber und werden auf dem Laufenden gehalten über die aktuelle Entwicklung im Haus. Br. Andreas Murk, Bildungshausleiter, zeigte sich erfreut über ein Plus von 7% bei den Übernachtungen im Jahr 2012. Festredner war am 26. Januar der Kapuziner Br. Paulus Terwitte zum Thema: „Wie laut darf/kann/muss die Kirche sein? Zwischen Allmachtsanspruch und komplettem Relevanzverlust.“

BUNDESPRÄSIDENT JOACHIM GAUCK hat zwar Anfang Februar nicht direkt die Franziskaner-Minoriten besucht, sondern das Kolpingwerk in Köln, gefreut haben sich unsere Kölner Brüder aber trotzdem über den prominenten Besuch aus Berlin. Unser Bild zeigt den ehemaligen evangelischen Pastor als er gerade die Kölner Minoritenkirche verlässt, in der er an einer Gottesdienstfeier teilgenommen hat. Die Minoritenkirche der rheinischen Domstadt beherbergt nicht nur das Grab unseres Seligen Johannes Duns Scotus, sondern auch das von Adolph Kolping.

EINE GROSSBAUSTELLE zu betreuen, ist eine der Hauptaufgaben für den neu bestimmten Guardian unseres Schweizer Konvents in Fribourg, Br. Pascal Marquard. Nach vielen Monaten und Jahren der Planung und dem offiziellen Spatenstich im April 2012 zeigte sich Br. Pascal als verantwortlicher Bauherr im Januar erleichtert, dass es nun endlich losgeht mit der Generalsanierung des renovierungsbedürftigen Klostergebäudes. Unser Bild zeigt den ersten Bauabschnitt: Unter dem bisherigen Parkplatz entsteht ein unterirdischer Kulturgüterschutzraum, in dem künftig die dann öffentlich zugängliche Klosterbibliothek untergebracht sein soll. In den nächsten Jahren soll Schritt für Schritt das komplette Kloster renoviert werden. 18

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ter min e

Wir gratulieren Br. Leo Beck im Kloster Würzburg zu 75 Lebensjahren am 06. April 2013 Br. Leopold Mader im Kloster Würzburg zu 75 Lebensjahren am 02. Mai 2013 Br. Maximilian M. Bauer im Kloster Würzburg zu 25 Priesterjahren am 07. Mai 2013

Wir empfehlen Die Monatszeitschrift Sendbote des heiligen Antonius wird in Padua herausgegeben und weltweit versandt. Die Leser erwartet ein bunter Reigen an biblischen, spirituell-religiösen, gesellschaftlichen und praktischen Themen. Zu beziehen über das Ordensapostolat.

Ordensapostolat OFM Conv.

Sorgen und Dank, Nöte und Freuden der Mitglieder des Franziskanischen Gebetsbundes tragen unsere Junioren im Stundengebet und in der Eucharistiefeier vor Gott. Werden auch Sie Mitglied, verbunden und getragen im Gebet. Mitgliedschaft und Aufnahmebestätigung sind kostenfrei. Franziskanischer Gebetsbund Franziskanergasse 7 97070 Würzburg E-Mail: gebetsbund@franziskanerminoriten.de www.franziskanischer-gebetsbund.de

Heilige Messen nach besonderer Meinung (Intention), Stipendium jeweils Euro 10,00 Wunderbare Medaille in Cellophanhülle mit zwei Gebeten, jeweils Euro 0,50 zzgl. Briefporto Sendbote des heiligen Antonius Monatszeitschrift im Jahres-Abo Euro 29,00 Ordensapostolat Franziskanergasse 7 97070 Würzburg E-Mail: ordensapostolat@ofmconv.de

Kurse im Bildungshaus Kloster Schwarzenberg 29.06.2013 Schwarzenbergtag Unter dem Motto „Wer glaubt, ist nie allein. Ein Fest des Glaubens“ laden die Brüder im Bildungshaus Kloster Schwarzenberg zum traditionellen Schwarzenbergtag ein. Auf die Besucher warten ein geistliches Spiel, Vorträge und ein Festgottesdienst. 30.06-11.07.2013 Ikonenmalkurs Anfängerkurs zum Schreiben einer Ikone (Theorie und Praxis) mit Vater Chrysostomos Pijnenburg 12.-14.07.2013 Lebens- und Glaubensschule mit Br. Leopold Mader 25.07.2013 Ein Tag der Stille Meditation, Leibspürübungen, schöpferisches Tun und ein Gottesdienst sind Elemente dieses Tages mit Martina Dittmann 25.-27.10.2013 Bibliodrama mit Bärbel Koch

Info und Anmeldung: Klosterdorf 1 91443 Scheinfeld Telefon: 09162 92889-0 E-Mail: info@kloster-schwarzenberg.de

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Klein ist der Mensch, der Vergängliches sucht, groĂ&#x; aber, wer das Ewige im Sinn hat.

k ont ak t

Antonius von Padua (1195-1231)

Franziskaner-Minoriten Provinz St. Elisabeth

Franziskanergasse 7, 97070 WĂźrzburg Telefon: 0931 30901-0 www.franziskaner-minoriten.de

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