Friede und Heil, Dezember 2008

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Zeitschrift der Franziskaner-Minoriten 74. Jahrgang – Nr. 5 – 2008

FRANZ ISKAN ISCHE JUGEN DWALL FAHRT NACH BLIESKAS TEL 10.– 12. OKTOBER 2008


Dieser Wunsch, der mit unserem Ordensvater Franziskus in Verbindung gebracht wird, passt theologisch sehr gut in die weihnachtliche Festzeit, da wir das Mysterium der Menschwerdung des eingeborenen Sohnes des Vaters anbetend feiern. Es gibt einen einfachen Test, um herauszufinden, welchen Rang Weihnachten in unserer persönlichen Frömmigkeit einnimmt: Was ersehne ich? Was erwarte ich? Welchen Wunsch habe ich an das Christkind? Genau auf diese Frage lenkt P. Josef Fischer unser Nachdenken in seiner Krippen-Meditation. Welche Wünsche an den Retter und Erlöser steigen mir aus dem Herzen auf, kommen über meine Lippen, im Blick auf andere, im Blick auf mich selbst? Eine weihnachtliche Bitte an das Christkind entdeckt Pater Josef dann in der Anrufung der Messliturgie: „Kind von Bethlehem, ordne unsere Tage in deinem Frieden!“ Eine vorgezogene Weihnachtspredigt habe ich am 8. November gehört, kann sie Ihnen aber nicht in voller Länge anbieten, da ich die Beiträge dieses Heftes (ausgenommen mein Wort hier an die Leser) tags zuvor bereits in der Druckerei der Abtei Münsterschwarzach abgeliefert hatte. Wir begingen den 700. Todestag des seligen Johannes Duns Skotus, begraben in der Kölner Minoritenkirche. Bischof emeritus Paul-Werner Scheele zeigte uns in der Würzburger Franziskanerkirche auf, welch scharfsinniger Philosoph, welch exzellenter Theologe und welch guter Hirte unser Mitbruder aus dem Mittelalter gewesen ist; und wie im Licht seines Lebens und seiner Lehre das Leben vieler Menschen heller werden ließ, weil es angestrahlt wurde vom Licht Jesu Christi und seiner Mutter Maria. Auf die Frage „Warum ist Gott Mensch geworden?“ geben viele Theologen zu schnell die Antwort: Wegen unserer Sünden. Da ist Duns Skotus entschieden anderer Überzeugung. Für ihn steht fest, dass es zur ewigen Liebe

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Gottes gehört, dass Gottes Sohn Mensch wird. Weihnachten wäre dann das Fest aller Feste. Gott will allen anderen Wesen seine Glückseligkeit mitteilen. Dies geschieht durch Gottes Sohn, der nach ewigem Ratschluss die Mitte und der Mittler aller Geschöpfe sein und deshalb eins von ihnen werden soll. So wird aus der Mitte der Schöpfung heraus der ewige Vater so geliebt, wie es seiner Liebe gebührt. Darin einbezogen werden sollen alle Menschen: Deus vult condiligentes – Gott will Mitliebende. Am intensivsten ist das in der Mutter des Herrn verwirklicht. Das Zeichen ihrer Erwählung, ihre Bewahrung vor der Erbschuld, feiern wir am Immaculata-Fest, dem 8. Dezember. Sie müssen nicht Theologie studiert haben, um darauf zu kommen, dass Johannes Duns Skotus einen Satz aus der Krippenbetrachtung von Pater Josef nur mit Einschränkung gelten ließe: „Ostern bleibt das höchste aller christlichen Feste, ohne das es kein Weihnachten gibt.“ Condiligentes, Mitliebende, ergehen sich nicht nur in hitzigen theologischen Spekulationen, sondern haben einen Blick für konkrete Nöte auf dieser Erde. Platz war in diesem Heft nur für zwei Brennpunkte aus den Missionen unseres Ordens: Insterburg und Sri Lanka. Ihnen ein herzliches Vergelt’s Gott für jede Hilfe, die Sie uns zukommen lassen, oft unter persönlichen Opfern. Zwei Namen aus diesem Heft sind Ihnen durch Beiträge vertraut. Verabschiedet hat sich Pater Kamil durch seinen Heimgang. Fest rechnen dürfen wir jetzt mit Bruder Andreas als Zugang unserer Ordensprovinz. „Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter sende in seine Ernte!“ Helfen Sie auch durch Ihr Gebet, damit junge und reife Menschen den Weg zum Ordens- und Priesterberuf finden. So grüßt Sie in dankbarer Verbundenheit Ihr


Am Ziel:

Pater Kamil Wenzel †

Am 30. Oktober 2008 verstarb im Franziskanerkloster Würzburg P. Kamil Wenzel. Nach 27 Jahren als Afrika-Missionar in Sambia war er Ende Juli wegen undefinierbarer Schmerzen und starker Gewichtsabnahme zur medizinischen Klärung nach Deutschland geflogen, wo ein Pankreas-Karzinom diagnostiziert wurde. Ihm und den Mitbrüdern blieb eine dreimonatige Frist zum Abschiednehmen. Um Pater Kamil trauern seine drei Geschwister, Zwillingsbruder Theo, Pater Gerhard und Christa Aulbach mit ihren Kindern Markus, Alexandra und Clemens. In Trauer sind die Minoriten in Deutschland und Sambia. In Erinnerung bleibt P. Kamil vielen Ordensschwestern und Christenmenschen als kompetenter Ratgeber in geistlichen Dingen. Seine Wiege stand in Heigenbrücken im Spessart. Die Eltern Gotthard und Rosalie tauften den am 26. Februar 1940 Geborenen auf den Namen des Völkerapostels Paul. Am 10. Oktober 1959 wurde P. Kamil als Franziskaner-Minorit eingekleidet, nachdem er vom Seminar St. Valentin aus das Alte Gymnasium in Würzburg bis zum Abitur besucht hatte. Die Feierliche Ordensprofess legte er am 11. Oktober 1963 ab und am 29. Juni 1966 erhielt er von Weihbischof Alfons Kempf die Priesterweihe. Es folgten seelsorgerliche Einsätze als Stationar und Berufsschullehrer in Adelsberg und Gemünden/Main, als Kaplan in Ratingen, als Klerikermagister in Würzburg, als Bildungsreferent und Prokurator im Kloster Schwarzenberg. Im Alter von 40 Jahren folgte P. Kamil zusammen mit seinem Bruder P. Gerhard dem Ruf des Generalministers P. Antonio Vitale Bommarco in den Dienst der Mission von Sambia. Er, der am humanistischen Gymnasium nur die Sprachen Latein, Griechisch und Französisch gelernt hatte, verbrachte ein Jahr in London, um sich Englisch anzueignen. Danach ging es zum missionarischen Einsatz in Kitwe, dem „Kupfergürtel“ Sambias. Seine Lieblingsmission wurde „der Busch“ in der Niederlas-

sung St. Kalemba im armen Nordwesten Sambias, ohne Telefonanschluss, ohne elektrischen Strom (der Diesel-Generator läuft nur einige Stunden am Tag). Hier predigte er den Einheimischen in den Dialekten Luvale und Lunda das Evangelium, half der armen und aids-geplagten Bevölkerung mit Decken und warmer Kleidung, die ihm seine Geschwister Christa und Theo containerweise zuschickten – und blieb in lebendigem Kontakt zu den Mitbrüdern in Deutschland. Er konnte ihnen präzise und ins Herz treffende Fragen stellen, die Besinnung, Versöhnung, Bekehrung auslösen sollten und auslösten. Ein lauterer Mensch war P. Kamil. Die Rufe der Bergpredigt „Selig die Sanftmütigen! Selig, die reinen Herzens sind! Selig die Friedfertigen!“ – im Blick auf ihn erscheinen sie lebbar. Er ist einer der wenigen, so meine ich, die jeder von uns gerne wieder treffen möchte, „drüben“, so wir es denn schaffen, dorthin zu gelangen, wo er angekommen ist – wohlvorbereitet durch ein tiefes Leben, in dem er nie nach rechts oder links schaute. Ein Wunsch ging nicht in Erfüllung: Wie ein Afrikaner in eine einfache Decke gerollt in der Erde Sambias begraben zu werden. „Wer wohl wird ihm ‚drüben’ entgegengekommen sein?“, so überlegte ein Mitbruder am Telefon. „Auf jeden Fall Franziskus und Maximilian Kolbe, deren Spiritualität er übernommen hatte. Sicher auch Kamillus, dessen Namen er bewusst gewählt hatte. Und natürlich die Gottesmutter Maria, die er innig verehrte.“ „Der Tod ist nicht das Fallen in ein dunkles tiefes Loch, sondern das Tor zum Licht und zum Leben“, so sagte vor kurzem Bischof Wanke von Erfurt. Bitten wir Pater Kamil, dass er uns helfe im Leben und im Sterben. P.P.

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Im Gebiet um Königsberg sind unsere Mitbrüder aus der russischen Generalkustodie seelsorgerlich tätig in der Stadt Insterburg, das heute russisch Tschernjachowsk heißt, sowie in Darkehmen, das von den Nationalsozialisten in den Jahren 1938 – 1946 in Angerapp umbenannt wurde und heute den russisschen Namen Osjorsk trägt. Die 1900-1902 erbaute katholische Pfarrkirche St. Bruno von Insterburg sollte ab Juli 1990 von der Kulturabteilung der Stadt renoviert und zu einer Konzerthalle umgestaltet werden. Die Arbeiten verzögerten sich, und im Juli 1993 kam die Stadtverwaltung den Bitten der Katholiken nach und gab ihnen ihre Pfarrkirche zurück. Im gleichen Jahr lud Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz (Apostolischer Administrator für die Katholiken im europäischen Teil Russlands, mit Sitz in Moskau) die Patres aus dem Minoritenorden ein, hier in Insterburg wieder Gottesdienste zu feiern. Das Kirchengebäude ist jetzt vollständig renoviert.

Pfarrzentrum und Kloster Im September 2003 überließ die Stadtverwaltung Insterburg uns Franziskaner-Minoriten zu einem symbolischen Kaufpreis das nicht

genutzte dreistöckige Gebäude der ehemaligen städtischen Poliklinik mit einer Grundfläche von 800 Quadratmetern. Für die ersten Jahre in Insterburg hatten wir uns ein ehemals deutsches Wohnhaus am Stadtrand als Kloster eingerichtet, samt Hauskapelle. Dieses Haus verkauften wir, um eine finanzielle Basis zu haben für die bauliche Instandsetzung der ehemaligen Poliklinik Im Kellergeschoss ist die Heizung installiert. Hier in Insterburg feuern wir noch mit Holz und Kohle. Auch ein Bastelzimmer, von den Frauen, Kindern und Jugendlichen gerne aufgesucht, richteten wir im Keller ein. Im Erdgeschoss betreut eine soziale Stiftung, in enger Zusammenarbeit mit den städtischen Behörden, Kinder aus sozial schwachen und gefährdeten Familien. Das Programm sieht vor, dass die Kinder an jedem Nachmittag hier im Haus eine ungestörte, ruhige und betreute Zeit verbringen. Sie können spielen, Musik hören, malen, Sport und Gymnastik treiben oder sich einfach erholen. Beteiligt werden Sozialpädagogen, Psychologen und Pädagogen. Beliebt sind die Lehrer für künstlerische Gestaltung und die Computerexperten.

Die ehemals städtische Poliklinik von Insterburg, jetzt Kloster und Pfarrzentrum, vor und nach der Renovierung.

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Die Hauskapelle im renovierten Gebäude.

Im ersten Stock sind der Flur, drei Büroräume und die Toiletten noch in Arbeit, gedacht für die Verwaltung der Pfarrei St. Bruno. Abgeschlossen sind die Reparaturarbeiten für unser Refektorium (Speisesaal) mit Küche, die Hauskapelle und das sogenannte „Polnische Kabinett“ (für polnischen Sprachunterricht). Im „Kabinett“ treffen sich die Mitglieder der Pfarrgemeinde zu ihren Sitzungen, die Franziskanische Gemeinschaft (hier noch Dritter Orden genannt) hält ihre Versammlungen ab, wir erteilen Katechismusunterricht und treffen uns zu kulturellen Anlässen. Unsere Wohnräume liegen im zweiten Stock. Sie sind für Außenstehende nicht zugänglich, sondern bilden die Klausur des Klosters, das unter dem Patronat unseres heiligen Mitbruders P. Maximilian M. Kolbe steht.

und Weißrussland das komplette Dach. Bei einer Besichtigung unseres Pfarrzentrums und Klosters – Sie alle sind herzlich eingeladen! – wird Fachleuten auffallen, dass wir nicht überall professionell vorgegangen sind. Doch wir sind stolz auf unsere Leistung. Die Gesamtkosten wurden auf 165.000 Euro heruntergedrückt. Und nun rechne ich mit Ihrer Hilfe, liebe Wohltäter. Ein Vergelt’s Gott für jede Spende, und die Zusicherung unseres Gebets! Seit 2006 ist Insterburg Ausbildungskonvent der Postulanten, im Vorbereitungsjahr für den Eintritt ins Noviziat. Die Brüder unserer Gemeinschaft kommen aus Russland, Weißrussland und Polen. Bunter zusammengesetzt sind die Gläubigen der Pfarreien Insterburg und Darkehmen. Nach der politischen Wende zogen die ehemals Deportierten aus den Weiten der Sowjetunion in die Region um Königsberg, vor allem aus Kasachstan: Weißrussen, Litauer, Polen, Deutsche und Russen. Jetzt beten sie gemeinsam in der Kirche.

Stolz auf Eigenleistung Übernommen haben wir das Gebäude in einem miserablen Zustand, ohne Fenster, mit Resten von einem Dach und herausgerissenen Fußböden. Die Baufirmen machten uns für die Grundrenovierung einen Kostenvoranschlag von mindestens 400.000 Euro – das war nicht aufzubringen. So wählten wir eine Kombination: Spezialarbeiten erledigten Firmen, den Rest in Eigenleistung. Am 13. April 2003 legten wir los und schufteten sechs Monate lang mit dreißig freiwilligen Helfern aus der Pfarrei und dem Dritten Orden. 38 Lastwagen voller Bauschutt fuhren wir weg. Dann war das Gebäude in Ordnung gebracht – wirklich ein Wunder. Im Juni 2003 fertigten Bauhandwerker aus Polen

So gut es geht, erteilen wir ihnen Katechismusunterricht, bereiten sie vor auf Taufe, Beichte und Erstkommunion, in je eigenen Gruppen für Erwachsene und für Kinder. Natürlich freuen wir uns über diesen religiösen Eifer. Die vielen kranken und alten Leute in unserem Pfarrgebiet besuchen wir gerne zu Beichtgelegenheit und Kommunionspendung. Diesen Menschen ist anzusehen, welche Freude und Hoffnung sie daraus schöpfen. Und wir Priester und Franziskaner erleben es als Geschenk. P. Piotr Karnialiuk

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Die Vision einer geheilten Welt Die heile Welt, so lehren es die ersten Seiten der Bibel, ist mit dem Sündenfall unserer Stammeltern im Paradies verloren gegangen. Was uns der Retter, Erlöser und Heiland, eben das Kind in der Krippe, neu ermöglicht hat, ist eine geheilte Welt. An ihr mitzubauen, dazu lädt der Mensch gewordene Gottessohn, der Mittler, jeden ein, der sich ihm anschließt in Glaube und Taufe. Der geheilte Mensch trägt sogar den Namen seines Heilandes, er nennt sich Christ. Es gab eine Zeit, da haben manche von uns dem Christkind einen Wunschzettel geschrieben. Der eine oder andere unserer Wünsche wurde dann auch erfüllt, durch die „Handlanger“ des Christkinds. Dann kam die Zeit, da sind wir aus den Kinderschuhen herausgewachsen. Und mittlerweile richten wir unsere guten Wünsche nur an Menschen. Warum nur noch an sie? Auch als Erwachsener bin ich, ehrlich gesagt, in der Heiligen Nacht nicht wunschlos glücklich, sondern tief bewegt gegenüber dem Kind von Bethlehem. Denn ich frage mich, was die Botschaft der Engel auf dem Hirtenfeld, die den „Retter“ besingen, für mich und uns heute bedeutet. Was darf ich erwarten von Christus? Der bekannte gläubige Kabarettist Hanns Dieter Hüsch schreibt ihm zu: Er ist „mitten unter uns uralt und urjung, Freiheit und Erlösung als Geschenk“. Meine Hoffnung bringe ich auf den Punkt mit den Worten der Liturgie, aus dem Ersten Hochgebet der heiligen Messe, dem sogenannten Römischen Kanon: „Ordne unsere Tage in deinem Frieden!“

treffen wir so oft die gleiche Anordnung der Figuren, Landschaften und Kulissen an? Woher rührt diese Konstanz? Sind uns die kreativen Ideen zur Neugestaltung abhanden gekommen? Vielleicht brauchen wir als Gegengewicht zu einer schnell lebigen, ja sich entordnenden kleinen und großen Welt dieses gleichbleibende Gegenüber! Was ist seit der letzten Weihnacht 2007 nicht weiter aus den Fugen geraten in der Finanzwelt, auf dem Arbeitsmarkt, durch die Umbrüche pfarrgemeindlicher Strukturen und die Erschütterungen der Glaubwürdigkeit der Kirche, ganz zu schweigen vom Klimawandel. Die unheilen Stellen in unserem Beziehungsgefüge schmerzen an Heiligabend in besonderer Weise. Die durch Tod und Entfremdung gerissenen Lücken kosten mehr sichtbare und unsichtbare Tränen wie sonst. Die Weihnachtskrippen entwerfen ein heilsames Bild, in dem nicht nur Gegensätze überwunden werden zwischen Jung und Alt, zwischen Arm und Reich, zwischen Mensch und Mitgeschöpfe, zwischen Licht und Dunkel, zwischen Fremden und Freunden. Im Bannkreis des Kindes, das wie ein Magnet Klarheit und Kraft bewirkt, tritt uns eine geheilte Welt vor Augen. Das allparteiliche Kind, der Mediator (um einen Beruf unserer Tage zu verwenden, bei dem es um Frieden stiftende, versöhnende Vermittlung geht), „heilt die Wunden der Schöpfung, richtet auf, was darniederliegt, und ruft den verlorenen Menschen ins Reich des Friedens“. So bekennt es die Kirche in dem feierlichen Ton der Weihnachtsliturgie.

Eine Wildnis, die nach Maß und Ordnung ruft

Eine geheimnisvolle Ordnung Diese Bitte kommt mir in den Sinn, wenn ich auf die geheimnisvolle Ordnung unserer Krippen in den Häusern und Kirchen schaue. Warum

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Vordergründig gesehen sind Krippenbilder Tradition, hintergründig halten sie eine Vision wach. Weihnachtsdarstellungen haben eine lange Geschichte auf dem Buckel, angefangen



bei den Kirchenvätern: Ochs und Esel, die ihren Herrn erkennen, werden erstmals bei ihnen zum Geschehen der Menschwerdung gesellt. Lukas dagegen erwähnt sie im vertrautesten Evangelium nicht. Doch ohne Franziskus und seine Weihnachtsfeier in der Grotte von Greccio im Jahr 1223, neun Monate vor seiner Stigmatisierung, hätte die Krippenfrömmigkeit wohl nicht dieses Gewicht und die uns bekannte Verbreitung gefunden - bis hin zu merkwürdigsten Formen. So erinnere ich mich an eine schöne Lebende Krippe im Zentrum von Prag vor zehn Jahren. Sie wurde allerdings in der Frühe des Heiligabends abgebaut und musste nur als Adventsdekoration herhalten. Krippenbilder scheinen auch hierzulande zur Nostalgie oder einer christentümlichen Folkloreveranstaltung zu verkommen, wollen sie doch die Vision des Jesaja wach halten: „Die Steppe soll jubeln und blühen.“ Ist nicht unsere Seele eine göttliche Wildnis, die sich gerade im Advent nach Maß und Ordnung, nach Einkehr und Stille sehnt? „Der Wolf wohnt beim Lamm, Kuh und Bärin freunden sich an.“ Auch wenn die „Chemie“ zwischen einander nicht immer so recht stimmt, grüßen kann ich dennoch, beten für den anderen Menschen ebenso – Ansatzpunkte für diese prophetische Utopie, die mit Jesus anbricht.

In Hülle und Fülle Es gibt Krippen, da berühren sich Himmel und Erde hautnah, unmittelbar in dem Kind von Bethlehem – es liegt nackt auf dem Boden. Auch das ist ein heilsames Bild! Jesus stellt sich den Realitäten, angefangen vom Stallgeruch am Rande menschlicher Existenz bis hin zur bitteren Auseinandersetzung mit menschlicher Bosheit und Verfolgung, die für ihn am Kreuz endet. Das ist die Konsequenz für seine Botschaft vom Reich Gottes! In manchen spanischen Krippen ist deshalb ein Glas Rotwein zu sehen als Hinweis auf den Preis des Erlösungsweges Christi, der in Bethlehem begonnen hat. In seiner Auferweckung durch den Vater wird Jesu Vision vom Reich Gottes bestätigt als tragfähig und unzerstörbar. Mö-

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gen unsere Empfindungen auch anders sein, Ostern bleibt das höchste aller christlichen Feste, ohne das es kein Weihnachten gibt. Und noch etwas Konkretes, scheinbar Nebensächliches sei angefügt. Am Anfang stehen Windeln, am Ende Leintücher. Jesu Weg ist ein Weg der Verhüllungen, wie uns der Herr damals und zu allen Zeiten begegnet. Wenn wir den Christstollen verkosten, dann sehen wir an diesem typischen Gebäck der Festtage etwas von der Art des Gottessohnes: in Hülle und Fülle kommt er auf uns zu.

Bibel als göttliches Kind Der schwäbische Künstlerpfarrer Sieger Köder hat eine aufgeschlagene Bibel anstelle des göttlichen Kindes in eines seiner Krippenbilder hineingemalt. Genauer gesagt, sieht man ein paar Verse aus dem Johannesevangelium, Kapitel 1, Prolog genannt. Diese Worte werden am Ersten Weihnachtsfeiertag als Frohbotschaft überall in christlichen Gemeinden verkündet – im feierlichen Pontifikalamt bis hinein in die Messfeier im Knast. Vielleicht war dieses eigenartige Bild „Bibel statt Kind“ auch auf der Bischofssynode in Rom im vergangenen Oktober im Umlauf, wer weiß?! Franziskus hätte sich wohl sehr darüber gefreut, hat er doch sowohl dem Leib und Blut Christi, als auch dem Wort Gottes die gleiche Verehrung erwiesen. Er fordert von seinen Brüdern einen gleichermaßen ehrfürchtigen Umgang mit dem, was wir auf Erden sinnenhaft von Christus schmecken in der Eucharistie und als Wort des Lebens hören. Bei der Feier in Greccio hat er das Evangelium von der Menschwerdung des Ewigen Wortes selbst verkündet und sich dabei beim Namen Jesus die Lippen geschleckt. Ein Beispiel, wie eine Krippenfeier selbst den Geschmackssinn neu ordnet! Wunschlos glücklich an Weihnachten? Nein, voller Erwartung vor unseren althergebrachten und doch so zukunftsträchtigen Krippen: „Kind von Bethlehem, ordne unsere Tage in deinem Frieden!“ P. Josef Fischer



Am 3. Oktober 2008, dem Vortag des Hochfestes unseres Ordensvaters Franziskus, legte in der Franziskanerkirche zu Würzburg Bruder Andreas Murk in die Hände von Provinzialminister P. Leo Beck seine Feierliche Profess ab. Mit diesen Gelübden ist er lebenslang dem Orden der Franziskaner-Minoriten verbunden. „Auf Gottes Eingebung hin will ich dem Evangelium und den Fußspuren unseres Herrn Jesus Christus aufmerksam und mit großer Bereitschaft folgen. Darum gelobe ich, Bruder Andreas Murk, für die ganze Zeit meines Lebens in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit zu leben. Aus ganzem Herzen vertraue ich mich dieser Bruderschaft an, damit ich zur Vollkommenheit der Liebe gelange im Dienst vor Gott, in der Kirche und an den Menschen.“ In diesen Sätzen aus der Professformel schimmert die Tragweite der

Entscheidung durch, die Bruder Andreas im Alter von 25 Jahren getroffen hat. Eine wohldurchdachte, reife Entscheidung.

Ich sage mein Ja Statt eines kleinen Professbildchens schenkte Bruder Andreas den Mitfeiernden einen Blick in die Beweggründe seines Herzens, die er in Worte gebracht hatte: „Darauf lege ich mich fest und will ich mich festlegen und erinnern lassen: Ich sage mein Ja als Versuch eines alltäglichen Ja. Ich lasse mich ein auf das, was ist. Dahinter und darin versuche ich die Spuren Gottes zu entdecken immer wieder neu und hoffentlich immer wieder neu mit der Leidenschaft des ersten Anfangs, auch dann, wenn der Zauber verflogen ist. Und ich vertraue darauf, dass ich diesen Weg nicht allein gehen muss, sondern dass da Menschen an meiner Seite gehen und mich an der Hand nehmen. Menschen. Ich lasse mich ein auf das, was sein soll, auf das, was werden soll: auf Träume und Visionen. Ich sage mein Ja zu allem, was noch offen ist und unfertig, zu allem, was ergänzungsbedürftig ist – ich sage mein Ja zur Sehnsucht. Manchmal wird diese Seite des Ja die wohl schwerere sein. Aber ich will vertrauen und gehen, fest daran glauben, dass es Menschen gab und gibt, die einen ähnlichen Traum träumen.“

Lust auf Leben Für die Ablegung der Feierlichen Profess gilt, Originalton Bruder Andreas: „Leben bricht noch einmal neu auf, Leben wird entschieden, Leben wird zum Fest. Die Lebenswende! Leben immer und immer wieder neu ausrichten auf das Ziel. Eine Grundvoraussetzung dafür ist

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Bruder Andreas Murk

für mich zusammengefasst in dem Sätzchen „Lust auf Leben“. Franziskus war ein Lebenskünstler. Einer, der etwas verstanden hat. Einer, der gelebt hat! Wenn er etwas verstanden hat und was er verstanden hat, das hat er angepackt mit Leidenschaft. Dann hat er sich für den Traum eingesetzt und ihn und sich ausgesetzt der Enttäuschung. Da hat er den Traum brechen lassen müssen, an dem, was wir nennen ‚die Realität’. Und – o Wunder – er ist nicht verzweifelt am Zerbrochenen. Die Bruchstücke wurden vielmehr zu Mosaiksteinchen für das Reich Gottes. Und dann ist Leben neu aufgeblüht. Franziskus – ein Lebenskünstler! Einer, der nicht abgeschlossen hat mit dem Leben – nicht einer, der fertig war mit sich und der Welt, sondern einer, der sich immer neu eingelassen hat: Lust auf Leben!“ P.P.

wurde am 16. Juli 1983 in Dettelbach/ Main geboren. Mit seinen Eltern Gertrud und Heinrich und seiner Schwester Barbara wuchs er in Kitzingen-Hoheim und Oberscheinfeld auf. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Scheinfeld (in Sichtweite des Klosters Schwarzenberg!) leistete er von Sommer 2002 bis Sommer 2003 seinen Zivildienst im Pflegezentrum der deutschsprachigen Pfarreien St. Raphael und St. Christophorus in Sydney/Australien. Nach den Postulats- und Noviziatsjahren in Maria Eck (2003–2005) legte er am 3. Oktober 2005 die zeitliche Profess ab. Während des Theologiestudiums an der Universität Würzburg ab dem Wintersemester 2005/06 verbrachte er auch ein Gastsemester an der Washington Theological Union in den USA. Beim Kapitel im Januar 2008 wurde er zusammen mit Br. Steffen Behr zum Verantwortlichen der Provinz für die Pastoral der Berufe ernannt. Ein Angebot für Interessenten sind „Tage zum Mitleben“ im „Kloster auf Zeit“ vom 20.–23. Dezember 2008 in Würzburg. Br. Andreas ist ein kommunikativer Mensch. Er betreut die Internetseite der Franziskaner-Minoriten in Deutschland (www.franziskaner-minoriten.de), lädt ein zu Kinderfreizeiten in den Sommermonaten und entfaltet – neben seiner musischen Begabung als Orgelspieler – seine journalistischen Fähigkeiten mit regelmäßigen Beiträgen für den „Sendboten des heiligen Antonius“.

Aus der Homilie von Provinzialminister P. Leo Beck Ihr seid das Licht der Welt. Lasst euer Licht vor den Menschen leuchten (vgl. Mt 5,14.16), sagt uns verheißungsvoll Jesus Christus selbst. So manches Licht hast du schon angezündet, Bruder Andreas: Deine Arbeit im Internet, in der Pastoral der Berufe, im Studium, im Gemeinschaftsleben. Das zeigt deine grundsätzliche Offenheit uns Brüdern und anderen Menschen gegenüber, ohne jemanden auszuschließen. Für all dies gilt die Zusage des Herrn: Ich bin mit dir!

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Wir gratulieren unseren Mitbrüdern Zu 75 Lebensjahren am 3. Dezember

Zum 100 Geburtstag am 4. Januar

P. Damian Mai

Ex-Generalminister P. Dr. Basil Heiser

im Franziskanerkloster Würzburg.

im Konvent Santi XII Apostoli in Rom.

Jetzt spenden? „In unsicheren Zeiten halten die Leute ihr Geld zusammen“, so ist jetzt allenthalben zu hören. Doch bleibt Jesu Rat gültig: „Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es mit euch zu Ende geht!“ (Lk 16,9). So empfehlen wir Ihrem Wohlwollen die in diesem Heft vorgestellten Anliegen in Insterburg und auf Sri Lanka, dazu in Indien das Adivasi-Hostel von Dondapudi und das Aids-Zentrum von Snehalaya, in Russland den Ausbildungskonvent von St. Petersburg, sowie Peru. Das markierte Stichwort genügt für den Verwendungszweck auf dem Überweisungsträger. Ein herzliches Vergelt’s Gott!

Zur Aufnahme in den

Seraphischen Meßbund genügt eine formlose Anmeldung. Beitrag für die Aufnahme Lebender (mit voller Anschrift) je 25,– € Beitrag für die Aufnahme Verstorbener (Name und Vorname) je 10,– € Bestellung von heiligen Messen nach besonderer Meinung (Intention) Stipendium jeweils 10,– € Bestellung der Wunderbaren Medaille in Cellophanhülle, mit zwei Gebeten. Stückpreis 50 Cent, zuzüglich Briefporto. Bestellungen an: Ordensapostolat Postfach 11 05 62 97032 Würzburg

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Gebetsmeinungen der M.I. Dezember – Januar Damit wir in anbetender Erwartung, vereint mit der Immaculata, der Mutter des Herrn, den Advent als eine Zeit der Vorbereitung auf die Geburt des Sohnes Gottes leben, um dann seine Ankunft unter uns in tiefer und demütiger Freude zu feiern. Damit du, Mutter Gottes, in unseren Herzen Empfindungen des Friedens und der Vergebung weckst.


M. I. Gefährliche Ehrungen Papst Innozenz III. bestätigte dem Franziskus im Jahr 1209 oder 1210 in mündlicher Form seine Ordensregel. Zuvor war ihm in einem Traumgesicht ein schmächtiger Bettler gezeigt worden, wie er mit seinen schmalen Schultern den Einsturz der Lateranbasilika aufhielt. Aus den zwölf Gefährten des Anfangs war Jahre später eine große Schar geworden, die nach einer Leitungsstruktur verlangte. Zudem wollte die Kirche diesen Minderen Brüdern bald schon einflussreiche Positionen in der kirchlichen Hierarchie übertragen. Wie reagierte Franziskus darauf? Inzwischen wuchs die Brüderschaft in viele Hunderte und Tausende. Es machte sich jeder seine Gedanken, was Gott eigentlich von ihnen allen wollte. Man hielt bei der riesig wachsenden Zahl allmählich eine Ordensverfassung, so etwas wie ein Grundgesetz für das Leben der Brüder, für notwendig. Auf dem Kapitel l2l7 ging es um die Frage, den Orden in Provinzen aufzuteilen und an die Spitze jeweils Obere zu stellen, also eine systematische Organisation, eine Art Regierungssystem zu schaffen. Herrschen oder dienen? Gerade das war es, was Franz so sehr fürchtete: dass der Geist des Herrseins in die Amtsinhaber fahre und den Geist des Minderseins und des Dienens im Orden schwäche. Man legte ihm nahe, doch die Regel des heiligen Benedikt, des heiligen Bernhard oder des heiligen Augustinus zur Grundlage zu machen. Franz berief sich mit aller Kraft auf seine eigene Berufung, die mit den bisherigen Orden nichts zu tun habe. Er geht wieder nach Rom zum Papst und findet in Kardinal Hugolin erneut den Mann, der ihm nach der Ordnung des Melchisedek hilft, seine Berufung in den Dienst der Kirche zu koordinieren. Der Kampf um die rechte Regel brachte für Franz leidvolle Erfahrungen mit seinen eigenen Mitbrüdern. Man wollte Mitbrüder für die Bischofsstühle vorschlagen. Die Entgegnung von Franz lautete: Meine Brüder werden Mindere geheißen. Ich bitte

euch, Vater, lasst sie nie zu Amt und Würden gelangen, dass sie nicht, je ärmer um so hochmütiger werden und sich sündhaft über andere erheben.“ Vollkommene Freude. Franz lebt sich mit vielen Mitbrüdern auseinander, besonders mit jenen, die unter der Führung des Bruders Elias von der Organisation allzu viel erwarteten. Es waren für Franz sehr bittere Stunden. Man ließ ihn merken, dass er von der Führung des Ordens eigentlich nichts verstehe. Er fühlte sich hinausgeworfen. Aus jener Zeit stammt seine Parabel von der „vollkommenen Freude“: Wenn man ihn aus den Häusern hinauswirft, aus dem Orden weist, ihn unbarmherzig verprügelt und auf ihn losschlägt, ihn Lumpen und Spitzbuben nennt – „und wenn wir all das geduldig und freudig ertragen mit dem Gedanken an die Leiden Christi, die auch wir um seinetwillen auf uns nehmen: Bruder Leo, schreibe: Hierin besteht die vollkommene Freude“ (Fioretti 8). So macht Franz dem Bruder Leo klar, was „nach der Ordnung des Melchisedek“ ein Minderbruder alles in Kauf nehmen müsse. Aus dem Nachlass von P. Dr. Agathon Kandler FRIEDE UND HEIL, Zeitschrift der deutschen Franziskaner-Minoriten Herausgeber: Deutsche Franziskaner-MinoritenProvinz St. Elisabeth, Franziskanergasse 7, Würzburg, Tel. 09 31/3 09 01-0, Fax 09 31/3 09 01-21, e-mail: friede.und.heil@ofmconv.de. Kurzadresse: Ordensapostolat Postfach 11 05 62 97032 Würzburg Redaktion: P. Dr. Polykarp Götz OFM Conv. Mit kirchlicher Druckerlaubnis. Druck: Benedict Press, 97359 Münsterschwarzach. Erscheinungsweise: fünfmal jährlich. Die Zeitschrift FRIEDE UND HEIL vermittelt den Mitgliedern der Franziskanischen Gemeinschaft (FG), der Marianischen Initiative – P. Kolbe (M.I.) und des Seraphischen Meßbundes sowie Freunden und Wohltätern unseres Ordens und seiner Missionen Anregungen für ein christliches Leben im Geist Mariens und des heiligen Franziskus. Statt eines Abonnements bitten wir alle Bezieher, einen Unkostenbeitrag von mindestens 10,– € pro Jahr an uns direkt (oder an unsere Förderer zwecks Sammelüberweisung) zu entrichten. Unser Konto: Ordensapostolat, LIGA Würzburg (BLZ 750 903 00) Kto. 3016307 IBAN: DE88 7509 0300 0003 0163 07 BIC (SWIFT-Code): GENODEF1M05.

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