Deutsche Märchen pdf

Page 1

Universität Arak ‫ﺩﺍﻧﺸﮕﺎﻩ ﺍﺭﺍﮎ‬ Fakultät für Fremdsprachen

‫ﺩﺍﻧﺸﻜﺪﻩ ﺯﺑﺎﻧﻬﺎﻱ ﺧﺎﺭﺟﻲ‬ Department für Deutsche Sprache und Übersetzung

‫ﮔــﺮﻭﻩ ﺯﺑـﺎﻥ ﺁﻟـﻤــﺎﻧﻲ‬

Deutsche Märchen ‫ﺍﻓﺴـﺎﻧـﻪ ﻫﺎﯼ ﺁﻟـﻤـﺎﻧـﻲ‬ Ausgewählt und zusammengestellt von:

Dr. Ali Radjaie ‫ ﺩﻛﺘﺮ ﻋﻠـﻲ ﺭﺟـﺎﺋﻲ‬:‫ﺗﻬﻴﻪ ﻭ ﺗﻨﻈﻴﻢ‬

Arak - I. R. Iran, Sommer 2006 ١٣٨٥ ‫ ﺗﺎﺑﺴﺘﺎﻥ‬،‫ﺍﺭﺍﮎ‬


1 ‫ ﺑﻪ ﻧﺎﻡ ﺁﮔﺎﻩ ﺗﻮﺍﻧﺎ ﻭ ﺷﻨﻮﺍﻱ ﺑﻴﻨﺎ‬1

Inhaltsverzeichnis

‫ﻓﻬﺮﺳﺖ اﻓﺴﺎﻧﻪ ﻫﺎ و داﺳﺘﺎﻧﻬﺎي آﻟﻤﺎﻧﻲ‬

Seite

Märchen-Nr.: 01

Die Bremer Stadtmusikanten...

3

Märchen-Nr.: 02

Rotkäppchen ...

8

Märchen-Nr.: 03

Dornröschen...

11

Märchen-Nr.: 04

Brüderchen & Schwesterchen...

19

Märchen-Nr.: 05

Aschenputtel...

26

Märchen-Nr.: 06

Scheeweißchen & Rosenrot...

34

Märchen-Nr.: 07

Scheewittchen...

40

Glossar

Glossar zu den Märchen

# .‫ﻛﻠﻴﺔ ﺣﻘﻮﻕ ﺑﺮﺍﻱ ﻧﻮﻳﺴﻨﺪﻩ ﻭ ﺩﺍﻧﺸﮕﺎﻩ ﺍﺭﺍﻙ ﻣﺤﻔﻮﻅ ﺍﺳﺖ‬ 2

000


1. Die Bremer Stadtmusikanten Ich bin ein arm alter Esel und jeden Tag bekomme ich mehr Peitschenschläge auf mein graues Fell. Als ich nicht mehr so schnell gehen kann wie in meiner Jugend, meine Beine sind da wie steif und mein Rücken ist schwach geworden, aber trotzdem fresse ich gern Hafer, schönen Hafer. Doch mein Herr sagt: Hafer ist teuer! Ich kann dich unnützes Tier nicht länger zu füttern. Du bist für Arbeit zu alt und zu schwach. Seht ihr! Der Bauer will mich davon jagen, mich armen alten Esel! Aber ich will nicht seufzen, bin ich auch zum Säcke-Tragen zu schwach, so kann ich doch als Musikant schönen Hafer Verdienen. Ich will mich auf den Weg nach Bremen machen und dort Stadtmusikant werden. Da liegt ja ein Hund am Weg, der zum Erbarmen wimmert! - Hey Freund! Warum winselst du so erbärmlich? - Ach lieber Esel! Beim Jagen lauf ich zu langsam und beim Wachen schlafe ich ein! Da hat mich mein Herr davon gejagt. - Weißt du was? Ich gehe nach Bremen und werde dort Stadtmusikant. Willst du nicht mitkommen? - Ich habe aber eine ganz rauhe Stimme! Wau Wau! - Das macht nichts, denn schlägst du eben die Pauke. - Oh ja, das kann ich! Ich schlage die Pauke. Bom Bom! Ich ziehe mit dir. - Sieh mal, Esel! Dort auf dem Baumstumpf sitzt eine Katze. Sie macht ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter! - Miau - Nun! Warum so verdrießlich Schnurhaar, Samtpfot oder Bartputzer, wie immer du dich nennen magst! Was ist dir dann in Quäre gekommen? - Wie kann da lustig sein?! Meine Zähne sind stumpf geworden, und ich habe keine Lust mehr Mäuse zu Jagen! Viel lieber liege ich am warmen Kachelofen und träume, da hörte ich, daß mich die Bäuerin ersäufen wollte und ich mußte davonlaufen. - Ach, liebe Katze! Du hast sicher wie alle Bartputzer, Schnurhaare und Samtpfote eine ausgezeichnete Stimme, und verstehst dich auf Nachtmusik. - Oh ja, meine Stimme ist berühmt: Miau! Miau! - Also, gehe mit uns nach Bremen, da kannst du mit uns Stadtmusikant werden! Seht ihr? Nun sind wir schon drei, Iya,... Iya …

3


- Seht ihr! Dort auf dem Mist steht ein Hahn und kräht, daß einem die Ohren weh tun. - Ja, ja, ist ja gut. Sag uns warum du so schreist? Daß es uns durch Mark und Bein geht! - Ach! Die Köchin wollte mich in der Suppe kochen, weil morgen Sonntag ist und Gäste kommen. Heute abend soll mir den Kopf abgeschnieden werden und nun schreie ich aus vollem Halse, solange ich noch kann. Na ja! Weißt du, etwas besseres als den Tod findest du überall. Komm mit uns nach Bremen. Du hast deine höhe kräftige Stimme und wenn wir zusammen Musik machen, da muß es prächtig klingeln! - Ja, Wau, - Miau... - Oh, ich bin müde! Und ich friere und ich habe Hunger und Durst! - Nur jammert nicht! Dort zwischen den Stämmen leuchtet ein Licht! Vielleicht ist es dort eine Herberge, wo es auch etwas zu essen gibt! - Ein Schüsselchen Milch und ein Bißchen Wurst. - Mein schöner Knochen mit etwas Fleisch daran! - Ein sonderbares Haus, alles zugeriegelt. - Ja, ich will einmal durch Fenster gucken. Ich bin ja der größte! - Was siehst du Grauschimmel! - Einen gedenckten Tisch mit schönen Essen und Räuber sitzen daran! - Was Räuber!? - Wau - Miau- Denkt an dem schönen Essen und wie wir es machen, daß wir hinein kommen! Ich weiß ein Mittel, aufgepaßt, gleich haben wir die Räuberbande verjagt! - Ja, ich bin der Größte und Stärkste, ich setze meine Vorderbeine auf die Fensterbank, so, nun schiebe ich den Fensterladen auf, so. Und du Hund, du springst jetzt auf meinem Rücken! Halt dich schon an mein Fell fest! Dann nun mach du Katze einen Satz und spring auf seinen Rücken! - Au, böse Katze! Kratz mich nicht so mit deinen scharfen Krallen! - Still! Könnt ihr Hund und Katze euch nicht einmal vertragen?!

4


- Und ich? Ich der Hahn, was soll ich tun? - Na, du bist der leichteste und kannst fliengen! Setz dich der Katze auf dem Kopf! So, das wäre geschafft! Und nun fangen wir drei gleichzeitig an, unsere Musik zu machen, und springen mit einem Satz ins Zimmer. Ja, ich gebe das Zeichen, 1,... 2,... 3,... - Ja, Miau - Wau.... - Hilfe! Hilfe!... - Die Räuber hatten wir also vertrieben. Mal sehen, was sie uns übrig gelassen haben?! Oh, da ist schon eine schone Schinkenkaule, sie paßt gerade in meinen leeren Magen! - Und ein schöner Knochen für mich. - Und für mich ein Napf voll süße Milchbreien! - Und ich picke den Brotkrümmel! - Nun sind wir alle satt und nun gehen wir schlafen, und ich liege am liebsten auf dem Mist im Hof! - Und ich lege mich neben die Tür! - Und ich in die warme Asche! - Ich, der Hahn ins Dachgebälck! Seid ihr alle fertig? Dann lösche ich das Licht. Schlaft gut! - Sieht mal! Raübergesellen! In unserem Haus ist das Licht gelöscht! - Wir hätten uns nicht so leicht davon Jagen lassen sollen! - Es waren aber gräßliche Gespenster! - Ach was! Gespenster?! Fürchtet ihr Räuber euch vor Gespenstern?! - Na, aber jetzt ist es Mitternacht! - Da sind sie am gefährlichsten! - Ingsthase! Wer von euch geht einmal nachsehen, was in unserem Haus los ist? - Ich nicht! - Und ich auch nicht! - Feiglinge! Elende Schlappschwänze, dann gehe ich eben selber. Das ist nur eine Eule, aber ein wenig Angst habe ich doch! Ob ich ganz vorsichtig die Tür öffne?! Ist da jemand?

5


- Wau, Wau, Wau... - Hilfe, Hilfe! … … - Wie schreit er so!? Räuber! - Miau, ich werde dir meine Perlen zeigen! - Eine gräuliche Hexe. Sie kratzt mir das Gesicht! Hilfe! Hilfe! Nur fort von hier! - Räuber! - Was ist das für einen höhen spektakel, wer weckt mich da!? - Räuber! Räuber! - Oh, ich will dir einen Schlag mit meinem Huf geben, daß du nimmer wieder komnst! Da! Da! - Oh, wie? Ich, ein großes graues Ungeheuer!?... Mit dem Rücken. Nur fort von hier! Fort! - Ja, nur fort! Fort! Nun ist wieder Ruhe. Ich habe ihm einen Denkzettel gegeben, den er zeit seines Lebens nicht bekommen hat. - Und ich habe ihm mit meinen Krallen das Gesicht zerkratzt! - Und ich habe ihm in die Beine gebissen, daß er heulte! - Kikiri kiki... Was ist dann das für ein Lärm, mitten in der Nacht!? - Jetzt kommt der Huhn! Wir haben den Räuberhauptmann verjagt. - Die Räuber verjagt. - Die Räuber verjagt. - Er dachte ich bin eine Hexe! - Mich hielt er für ein Gespenst! - Und mich für ein ungeheuer, aber wir sind friedliche Haustiere! Er kommt bestimmt nie wieder! - Nie wieder?! - Jetzt haben wir ein schönes Haus und können in Frieden leben und ich bekomme keine Hiebe mehr! - Und ich keine Schläge! - Ich darf am Ofen liegen! - Und ich werde nicht in der Suppe gekocht!

6


7


Fragen zum Märchen: "Die Bremer Stadtmusikanten" 1- Warum machte sich der Essel auf dem Weg nach Bremen? Was wollte er dort werden? 2- Warum winselte der Hund erbärmlich? Was sagte er dem Essel darüber? Und was sagte der Essel zu ihm? Was ist danach geschehen? 3- Warum war die Katze traurig? Was hatte sie darüber dem Essel und dem Hund gesagt? Was sagte ihr der Essel? 4- Warum krähte der Hahn so laut, daß einem die Ohren weh tat? Was sagte er dem Essel, dem Hund und der Katze darüber? 5- Was und wen sah der Essel in dem Haus und was für einen Rat gab er den anderen, daß sie damit hinein kommen konnten? Schafften sie es? Wie war die Situation, erklären Sie es? 6- Was sahen der Essel, der Hund, die Katze und der Hahn auf dem Tisch, als sie es geschafft hatten, die Räuber zu verjagan und ins Haus zu kommen? 7- Wohin legte sich jeder nach dem Essen hin? 8- Was sagte der Räuberhauptmann zu den anderen Räubern und wie haben sie geantwortet? 9- Was für Schimpfworter sagte der Räuberhauptmann zu seinen Freunden? Und was hat er danach gemacht? 10- Für wen hielt der Räuberhauptmann jene Tiere? Was sagten und machten die Katze und der Essel mit ihm? Was hat der Essel ihm gegeben? 11- Was sagten die Tiere am ende, als der Räuberhauptmann verjagt hatten und sich wieder frei fühlten?

8


2. Rotkäppchen Es war einmal ein kleines liebes Mädchen. Das ist Rotkäppchen, denn immer wenn man es sah, trug es auf seinem blonden Haar ein Käppchen von rotem Samt. Eines Morgens rief seine Mutter es zu sich und sagte: "Rotkäppchen, nimm diesen Korb. Es ist Kuchen darin und eine Flasche Wein. Bring ihn hinaus zu deiner Großmutter. Sie ist krank und schwach und wird sich daran laben." - Ja, Mutter. Ich mache mich gleich auf den Weg. Ich gehe doch so gern zur Großmutter und dann da früh ist schön draußen im Wald. Die Vögel singen. Die Taue liegen auf dem Gras und an den Hecken sind die Rosen aufgeblüht. Davon will ich der Großmutter eine mitbringen. - Aber lauf ja nicht vom Weg ab, Rotkäppchen! Sonst fällst du und zerbricht das Glas. - Nein, Mutter. Ich verspreche dir es. Da nahm Rotkäppchen den Korb und lief hinaus. Wie es nun durch den Wald ging, da dachte es: - Dort im Gras sind die blauen Glockenblumen aufgeblüht. Die will ich der Großmutter mitbringen. Ich darf wohl ein wenig vom Weg fortspringen. Dort unter den Büschen weiter im Wald sehe ich noch viel viel mehr. Ich will einen Großen Strauß machen. Da lief Rotkäppchen vom Weg fort in den Wald hinein. Es sang und freute sich an den Blumen und gerett so immer tiefer in den Wald hinein. Da begegnete es dem Wolf und weil es nicht wußte, was für ein böses hinterlistiges Tier das war, sagte es ganz freundlich: - Guten Morgen schwarzgraue Geselle! - Vielen Dank Rotkäppchen! Wohin gehst du denn so früh? - Zu meiner Großmutter gehe ich. - Was hast du in deinem Körbchen? - Das bringe ich der Großmutter. Sie ist krank und soll sich daran freuen. - Wo wohnt denn deine Großmutter? Ist das noch weit? - Wohl noch eine halbe Stunde, den Weg am Bach entlang. Willst du mich nicht begleiten? Es ist viel lustiger zu zweit! - Ja, das wurde ich gern, aber ich muß gerade noch etwas eiliges besorgen. Aufwiedersehen Rotkäppchen!

9


Da lief der Wolf davon, den Weg am Bach entlang zu den großen Eichen. Seine Augen funkelten vor Gier und er dachte bei sich: Das habe ich listig angestellt. Nun weiß ich wo die Großmutter wohnt. Gerade lauf ich auf ihrem Häuschen, da will ich zuerst die Alte fressen und wenn dann Rotkäppchen kommt, dann gibt es noch eine zarte Nachspeise für mich. Das wird ein leckerer Happen. Der Wolf lief, wie er nur konnte, kam zu dem Häuschen unter den Eichen, klopfte an und rief mit verstellter Stimme: - Großmutter, mach mir auf! - Wer ist draußen an meiner Tür? - Ich bins Rotkäppchen, mach mir auf! - Ich kann nicht aufstehen mein Kind, ich bin so schwach schieb den Riegel über der Tür und komme herein. Da ging der Wolf hinein, sprang zum Bett der Großmutter, verschlang sie und bewegte sich das Maul. Das war nicht übler Bissen. Wie wird das zarte Kind schmeken? Damit es mich nicht erkennt, setze ich die Haube der Großmutter auf und lege mich so … mitten hinein in ihr schönes Bett, aber Ei! Was höre ich, Trip Trap! Schritte vor der Tur! Das ist Rotkäppchen! - Großmutter! Mach auf! Rotkäppchen ist gekommen. - Ja, so komme herein, liebes Kind! -Guten Morgen Großmutter! Ich habe dir etwas schönes mitgebracht. Aber!?! Um Himmelwillen!?! Wie siehst du bloß aus. Du hast ein so schwarzes Gesicht und warum hast du so große Ohren? - Das ich dich besser hören kann! - Und was hast du nur für große schreckliche Augen? - Damit ich dich besser sehen kann! - Großmutter! Ich habe Angst. Warum hast du einen so schrecklich großen Mund? - Damit ich dich besser packen und fressen kann! Da machte der Wolf auch schon einen Satz aus dem Bett heraus, er griff Rotkäppchen und fraß es auf. Dann legte er sich wieder hin und fing an zu schnarchen, daß man es bis in den Wald hinein hörte.

10


Da ging gerade der Jäger an dem Häuschen vorbei, und dachte bei sich: "Wie laut die alte Frau nur schnarcht! Das ist ja merkwürdig! Ich muß doch sehen, ob ihr etwas fehlt! Ich will hinein gehen." Ihr konnt euch denken wie der Jäger erschrack, als er in die Stube kam, und es im Bett liegen sah! Aber er faßte sich schnell und sagte dann: - Oh, du Wolfsungeheuer! Du Räuber! Du Bösewicht! Hier hast du dich eingeschlichen! Oh! Ich armer! Was du verbrochen hast, denn ich sehe deinen voll gefressenen Bauch! Du hast die Großmutter verschlungen! Ist es nicht genug, daß du den Bauern die Hühner stiehlst? Und mir die jungen Rehe tötest? Mußt du dich auch noch an den Menchen Vergreifen, du Vielfraß! Aber es soll dir schlecht bekommen! Na ja, schnarche nur! Mit der großen Scheere da schneide ich dir... eins, zwei, drei, rutsch-ratsch den Bauch auf. Wie nun der Jäger ein paar Schnitte getan hatte und in den Bauch hinein sah, wie verwundert war er da! - Oh! Wie ist es möglich! Darin leuchtet ja ein rotes Käppchen, das muß Rotkäppchen sein! Ich sah es doch heute allerfrüh schon, durch den Wald zur Großmutter laufen. Nur vorsichtig weiter geschnitten. Vielleicht das ist noch zu retten? Rotkäppchen! Hörst du mich? Lebst du noch? Da kam Rotkäppchen auch schon herausgesprungen, und sagte: "Ja, lieber Jäger! Ich lebe noch, aber schnell weiter. Die Großmutter ist noch darinen, heb sie nur raus!" - Ja, ja. Lauf nur aus Häuschen und hole Wackersteine, so schwer wie du sie nur tragen kannst! Da lief Rotkäppchen hinaus zum Brunnen, wo große steine lagen und als damit zuruck kam sagte der Jäger: - Sieh nur Rotkäppchen! Die Großmutter liegt wieder in ihrem Bett, sie ist unversehrt geblieben. So gierig hat sie der Wolf verschlungen! Und nun gib schnell die Steine! Die stecken wir dem Bösewicht in den Bauch, so! Hinein damit! Und nun nähe ich den Bauch wieder zu..., damit Steine nicht heraus fallen! - Das geschieht dem Vielfraß ganz recht! Gerade als der Jäger fertig war, wachte der Wolf auf. Als er den Jäger mit der Flinte sah, wollte er durch das Fenster hinaus springen, aber die Steine waren so schwer, daß er sich zu Tode stürzte. Da waren alle drei vergnügt! Sie aßen zusammen den Kuchen, tranken den Wein und freuten sich an den blauen

11


Glockenblumen, besonders die Großmutter, denn sie hatte ja, wie ihr weißt in jedem Sommer noch keine gesehen!

Fragen zum Märchen: "Rotkäppchen" 1- Warum hieß das kleine Mädchen Rotkäppchen? 2- Was sagte die Mutter zum Rotkäppchen eines Tages und was antwortete es ihr? 3- Was sollte Rotkäppchen seiner Großmutter mitbringen? 4- Wie dachte Rotkäppchen bei sich, als es sein Haus verließ und in den Wald kam? 5- Was wollte Rotkäppchen seiner Großmutter schenken? 6- Wem begegnete Rotkäppchen im Wald? Warum unterhielt er sich mit ihm freundlich und was haben sie zueinander gesagt? 7- Was sagte der Wolf zum Rotkäppchen, als es ihm verlangte es zu begleiten? Was fur Gedanken hatte der Wolf? Und was hat er danach gemacht? 8- Was sagte dar Wolf, als er zu dem Häuschen der Großmutter kam und an die Tür klopfte? Und Was antwortete ihm die Großmutter. Was geschah danach? 9- Was tat der Wolf, nachdem er die Großmutter verschlang? 10- Was sagte Rotkäppchen erschrocken zu ihrer falschen Großmutter, als es ankam und ihn auf dem Bett liegen sah und Was hatte der Wolf geantwortet? Was ist danach passieert? 11- Warum verwunderte sich der Jäger, als er an dem Häuschen der Großmutter vorbeiging? Und was hatte er danach getan? 12- Was sagte der Jäger zu dem Wolf, als er ins Haus ging und ihn auf dem Bett schlafen sah? 13- Als der Jäger erfuhr, daß der Wolf die Großmutter gefressen hatte, was hatte er mit ihm getan? Und warum er inzwischen verwundert? 14- Was sagte der Jäger zm Rotkäppchen als er ihn gerettet hatte und was haben sie dann zusammen gemacht? 15- Was geschah, als der Wolf aufwachte und den Jäger mit der Flinte sah?

12


3. Dornröschen Auf dem schönen Schloß Nieden Waldstein im OndenWald lebten vor Zeiten ein König und eine Königin. Die waren so glucklich und hatten einander so lieb, daß die Menschen im Königreich sagten: "Der ist so glücklich wie der König oder sie liebt ihren Mann so von Herzen wie die Königin!" Eines aber fehlte den Beiden zu ihrem Glück, und weinend gestand die Konigin eines Tages dem König: - Geliebter Mann, hätten wir doch nur ein Kind! Kein Essen will mir mehr schmecken und kein Schmük kann mein Herz erfreuen, solange mir das Mutterglück versagen bleibt! - Verzage nicht liebe Frau. Da trug es sich zu, als die Königin einmal in marmornen Teich des Schloßgartens badete, daß ein Frosch aus dem Wasser ans Land hüpfte und zu ihr sprach. - Frau Königin! Frau Königin! Quak, Quak! - Was willst du von mir Froschegeselle? - Ich bin kein gewöhnlicher Frosch. Quak, Quak!... Ich bin ein Gesandter der großen Mutternatur und dies ist meine Botschaft: Dein Wünsch wird erfüllt werden, Ehe das Jahr vergeht, wirst du eine Tochter zur Welt bringen, Quak! - Ach! Du guter Frosch, sage mir noch... Aber der Wasserplantscher war schon wieder in den Fluten des Teiches verschwunden und ließ die Frau mit ihren Fragen alleine. Was der Frosch gesagt hatte, das geschah und die Königin gebar ein Mädchen, das war so schön, daß der König vor Freude sich nicht zulassen wußte: - Ist das nicht ein Wunder!? Ein wie liebliches Kind uns als Tochter geschenkt wurde! Für wahr, lieber Mann! Sie ist so schön wie die schönste Rose, die je im Schloßgarten geblüht hat! Röschen, das soll der Name des Kindes sein. - Laß uns ein großes Fest ausrichten, um die Geburt der Prinzessin zu feiern. Fürsten, Grafen, Edelleuten und alle Freude und Verwandten sollen zugegen sein. Auch wollen wir nicht vergessen die dreizehn weisen Frauen des Reiches einzuladen, daß sie dem Kind hold und gewogen sind. - Das wollen wir tun? Aber hast du daran gedacht, daß wir gar nicht alle dreizehn bewirten können? Wir haben doch nur 12 goldene Teller!

13


- So muß eben die Fee, welche so tief im Walde wohnt zu Hause bleiben. Ich habe sie ohnehin sonderlich leiden mögen. Vielleicht werden wir sie ein anderes Mal einladen. Das Fest wurde mit aller Pracht gefeiert, und das Schloß Niederwaldstein glich einer Kaiserburg, während einer Krönung. So üppig geschmückt war es, so stolz wehten die Bunten Fahnen im Winde! So reich gekleidet waren die Gäste. Als die Feierlichkeiten zu Ende waren, traten die zwölf weisen Frauen an die Wiege des Kindes und beschenkten es mit ihren Wundergaben, die eine wünschte der Prinzessin Tugend, die andere Schönheit furs ganze Leben, eine dritte Reichtum, die vierte einen würdigen schönen Mann und die anderen was sonst noch auf der Welt zu wünschen ist. Gerade wollte die letzte Fee ihren Wünsch aussprechen, da hörte man hastige Schritte die Treppe zu fest heraufeilen. - Sieh nur, die dreizehnte der weisen Frauen! Ihre Augen funkeln. Schau sie an! - Habe ich euch gefunden. Ihr undankbares stolzes Pack und die da! Ihr Schwester seid euch auch nicht zu Schade auf dieser vor Hochmut stinkenden Burg zu erscheinen? Sage mir, König von Niederwaldstein! Warum fand man nicht auch mich einer Einladung für dieses Fest für würdig? - Gute Fee! Fällt mir schwer zu sagen, aber wir hätten dich nicht mit der notigen Ehrerbietung bewirten können. Wir besitzen für 12 von euch goldene Teller. - Ah was! Gute Fee! Goldene Teller! Ich bin kein gute Fee mehr für euch. Bitter werde ich rächen, daß man es nicht für notwendig hielt, mich einzuladen. Darum hört wohl her: In ihrem fünfzehnten Lebensjahr soll sich die Königstochter an einer Spindel stechen und tot hinfallen. Ohne noch jemand anzusehen oder zu grußen verließ die Uunglücksfee raschen Schritt den Saal. - Ah, du mein armes Kind! Sollen dann all die guten Wünsche um eines einzigen schlechten Willen vergeblich getan sein?! Nein, nein das darf nicht sein! - Laß dich trösten Königin. Erst elf von uns weise Frauen haben ihren Wünsch gesagt, der meinige ist noch offen, wisse ja! Aufheben kann ich den bösen Spruch nicht, wohl aber ihn mildern, vermildern. Stich sich die Königstochter an der Spiedel, so soll sie nicht tot sein, sondern wird nur in einen tiefen Schlaf fallen, der hundert Jahre wahren wird! Der König, der sein geliebtes Kind vor denn Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen Königreich verbrannt werden sollten! Bald war der Tag heran gekommen an dem Prinzessin Röschen 15 Jahre alt wurde. Der Koch hatte ja einen großen Kuchen gebacken, und vom Hofnarren

14


des Königs war dafür gesorgt worden, daß das Mädchen an seinem Ehrentage keine Langeweile verspürte. Freudig durcheilte sie das ganze Schloß vom Thronsaal bis zum entlegenster Winkel, besah Stüben und kammern, bis es ihr gerade in den Sinn kam und gelangte endlich auch am Ende des Gartens an einen alten Tor! - Seltsam! Noch nie ist mir der Turm aufgefallen! Wie geheimnisvoll er aussieht! Ich möchte wohl wissen was ist in diesem Turm verbergt? Hoffentlich gelingt es mir die schwere Tür zu öffenen. Oh, wie dunkel ist das hier! Ich sehe nicht einmal die einige Hand vor Augen! Oh, Fledermause! Fort mit euch, ihr garstige Tiere! So, nun bin ich oben. Oh, da ist ja eine Kleine Tür und im eigenen Schloß steckt eine einige veraltete Schlussel. Ich will ihn umderehen. Da sprang die Tür auf und die Prinzessin sah in ein kleines Stübchen hinein, in dem eine alte Frau mit einer Spindel saß und eben sich ihren Flachs spann! - Guten Tag, Mütterchen! - Guten Tag, Königstochter! - Was machst du da Mütterchen? - Ich wohne hier im Turm, seit vielen Jahren und spinne Flachs, siehst du? Daraus macht man Kleider. - Und was ist das Ding, was da so lustig herum springt? - Das ist eine Spindel, schones Kind! - Ich möchte wohl auch spinnen können. Komm Mütterchen! Laß mir einmal die Spindel. - Also gut, wenn du es so gern möchtest, bitte! - Ich danke dir! Kaum hatte die Prinzessin die Spindel angerührt, so war der Zauberspruch in Erfühlung gedangen. Sie hatte sich in den Fingern gestochen. In dem Augenblick aber wo sie den stich empfand, sank Röschen auf das Bett nieder, das da stand und fiel in einen tiefen Schlaf und dieser Schlaf verbreitete sich über das ganze Schloß. - Oh, was ist denn das!? Das Schloß ist wie ausgestorben! Was ist denn nur mit mir? Ich bin auf einmal zu müde. Auch ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. In der Küche des Schlosses endete jeh alle Betriebsamkeit.

15


Eben war noch vom Koch bemerkt worden, daß der Küchinjunge den Festbraten hatte anbrennen lassen. Zörnig wollte er den Tu-Nicht-gut an den Haaren ziehen. - Oh! Du nichts-stützige Schlafmütze! Welchen Unglück hast du schon wieder angerichtet? Das soll dir teuer zustehen kommen. - Aber ich weiß nicht, wie es kam Meister! Ich war auf einmal so müde! - Müdigkeit! Das gibt es nicht du Faulpelz! Warte, ich werde dich beuteln, daß dir hören und sehen vergeht. Na nun, was ist nur mit mir? Ich kann nicht mehr, muß mich setzen! Tödmude taumelte der Koch in der Küche herum und tappte nach einem Stühl. Das Feuer, das auf dem Herd flackerte, wurde still und schlief ein. Der Braten hörte auf zu brutzen. Ja, alles auf dem Schloß war in einen tiefen Schlaf gefallen, auch die Pferde im Stall, die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dach, die Fliegen an der Wand und der Wind legte sich und auf den Baumen im Sloßgarten regte sich kein Blättchen! Rings um das Schloß begann nun eine Dornenhecke zu wachsen, die jedes Jahr hoher wurde und endlich das ganze Schloß umgab und darüber hinaus wuchs, daß gar nichts mehr vom Niederwaldstein zu sehen war, nicht einmal die Fahne auf dem Dach. Viele viele Jahre gingen ins Land! Da geschah es, daß ein jünger Königssohn einmal durch den Odenwald ritt und unterwegs einen alten Mann von dem verwnchen Schloß und der schönen Prinzessin erzählen hätte. Wissbegierig lauschte der Prinz seinen Wörten. - Ich weiß es von meiner Großmutter. Der hat noch miterlebt wie damals die Dornenhecke um das Schloß wuchs. Seitdem haben schon viele Königssöhne versucht die schöne Prinzessin zu erlösen und durch die Hecken über Schloß zu bringen, aber die Dornen! Als hatten sie Hände, hielten darin hängen, konnten sich wieder nicht losmachen und starben eines jammervollen Todes. Sie alle haben ihr Leben vergeblich aufs Spiel gesetzt! Für das schöne Dornröschen... - Ich fürchte mich nicht guter Alter. Ist das Dornröschen wirklich so schon, wie man sich erzählt, so muß ich es sehen! - Diese Wörter sprachen auch die anderen Prinzen, jünger Königssohn! Und sie kamen nicht weder! - Lieber wurde ich sterben, als auf Dornröschen zu verzichten. Es waren aber gerade die Hundertjahre verfloßen und der Tag war gekommen, wo Dornröschen wieder erwachen sollte!

16


Als der Königosshn sich der Dornenhecke näherte, da waren es auf einmal große schöne Blumen, die sich von selbst auseinandere taten, die Kopfe vor ihm neigten und sangen: - Tritt näher du Prinz! Tritt näher! Wir stechen dich nicht. Verletzen dich nicht. Zerkratzen dir nicht das Edelgesicht! Der Fluch ist gebrochen, Dornröschen. - Danke euch ihr Blumen! Seltsam und versinkt sind die Dornhecke in sich zusammen! Nun rasch in Schloß. Ein gar merkwurdiger und lustiger Anblick! König und Königin haben sich auf dem Pflaster des Hofes bequem gemacht! Und da! Da liegen die Pferde und die scheckigen Jagthünde und rührten sich nicht. Auch die Flügel gesteckt! Ich will ins Haus gehen. Flieger an der Wand schlafen ja! Ich muß Dornröschen finden. Wo mag sie nur sein? Rasch eilte er weiter durch das Schloß, aber wo er auch suchte, fand er schlafende Gestalten aller Art, aber nicht sein Dornröschen! Auch im Thronsaal entdeckte er nur den Hofstaat, der da in Sesseln und auf dem Boden herumlag. Endlich als der Tag sich schon zu neigen begann, gelangte er auch zu jenem Turm. Ahnungsvoll sprang er die Wendeltreppen hinauf, die unter seinen Tritten fast zusammen gebrochen wäre und riß die Tür der kleinen Stube auf, in welcher Dornröschen schlief. Da lag sie und lachelte dem Prinzen im Schlaf so liebreizend an, daß dieser die Augen nicht abwenden konnte! - Wie Seide glänzen die blonden Haare. Ihr Gesicht schimmert so zart und rein wie Milch! Und ihr Mund! Ja, ihren roten Mund zu küssen, das müßte der Himmel auf Erden sein! Ich kann nicht anderes schönste Dornröschen, ich muß dich küssen! Sie schlägt die Augen auf! - Ah, w bin ich? Was ist geschehen? Und du! Wer bist du, schöner, fremder Jungling? - Ich bin ein Konigssöhn und habe dich von deinem Zauberschlaf befreit. Ich bin von deiner Schönheit so gefangen liebstes Dornröschen, daß ich ohne dich nicht mehr leben könnte! Willst du meine Frau werden? - Von Herzen gern mein Prinz! Da stiegen sie zusammen auf und der König erwachte und die Königin, ebenso der ganze Hofstaat und sahen einander mit großen Augen an! - Sieh nur liebste Fee überall im Schloß das Leben wieder beginnt! Die Pferde stehen auf und schütteln sich, die Jagdhunde springen und wedeln mit den Schwänzen, auch die Vögel singen wieder ihr Lied und dieTauben auf dem Dach ziehen den Kopf unter dem Flügel hervor und fliegen ins Feld! In der Tat, auch die Fliegen an den Wänden krochen weiter. Das Feuer in der Küche erhob sich,

17


flackerte und kochte das Essen. Die Magd tat einen Schrei, als sie beim Erwachen das Hühn auf ihrem Gesicht bemerkte! Der Koch zog den Küchenjungen kräftig an den Haaren, daß er heulte! Der König aber sprach zu dem Prinzen, als er von seinem mutigen vordringen gehört hatte voller Freude: - Komm hier zu mir mein Sohn. Du sollst meine Tochter zu Frau haben, und zum Dank, daß du Dornröschen und uns alle erlöst hast, gebe ich dann dir die Hälfte meines Reiches.

Fragen zum Märchen: "Dornröschen" 1- Was fehlte dem König und der Königin zu ihrem Glück? Wie war ihr Leben und was sagten die Menschen über sie? 2- Was sagte der Frosch zu der Königin? Und was geschah danach? 3- Warum wurde das Kind Röschen genant? 4- Was sagte die Königin, als der König ein großes Fest ausrichten wollte und alle dreizehn weisen Frauen einladen wollte? Wasfür Entschiedungen hat man getroffen? 5- Wie wurde das Fest gefeiert, wie sahen das Schloß und die Gäste während des Festes aus? 6- Wasfür Wundergaben beschenkten die 12 weisen Frauen der Prinzessin? 7- Was geschah, als die letzte Fee ihren Wunsch aussprechen wollte? Was sagte die dreizehnte der weisen Frauen zu den anderen und zu dem König? Und was sagte sie am Ende, als der König ihr antwortete, daß wir nur für 12 von euch goldene Teller besitzen? 8- Als die dreizenten der weisen Frauen den Saal verließ und die Königin für ihr Kind zu weinen begann, was sagte die letzte Fee zu ihr? 9- Wasfür einen Befehl gab der König aus, der sein Kind vor dem Unglück bewahren wollte? 10- Wie wurde der Zauberspruch in Erfühlung gedangen, als die Prinzessin 15 Jahre alt wurde? 11- Wie passierte, daß je alle Betriebsamkeit in der Küche des Schloßes endete?

18


12- Was geschah mit dem Schloß, nachdem alle in dem Schloß in einen tiefen Schlaf fielen? 13- Was erzählte der alte Mann von der schlafenden Prinzessin und dem verwunschen Schloß dem Jungen Königssohn und was antwortete er dazu dem alten Mann? Was hatte der Prinz danach getan? 14- Was taten und sagten die Blumen, als der Königssohn sich der Dornenhecke näherte? 15- Warum verwunderte sich sehr der Königssohn, als er ins Schloß kam? Was sah er dort? 16- Wo fand endlich der Prinz Dornroschen? Und wie dachte er bei sich, als er sie sah? Was hatte er gemacht? Was geschah danach? 17- Was sagte die Prinzessin, als sie die Augen auf schlug und den Prinzen sah? Was antwortete er ihr? Und was verlangte der Prinz von ihr? Was sahen sie unterwegs, als sie zusammen aufs Pferd stiegen und zu dem König ritten? 18- Was sagte der König zu dem Prinzen, als er von seinem mutigen Vordringen gehört hatte und was gab er ihm zum Dank?

19


4. Das Brüderchen und das Schwesterchen Es war einmal ein Brüderchen, das nahm sein Schwesterchen an der Hand und sprach: - Seit Mutter tot ist, haben wir keine gute Stunde mehr! Die Stiefmutter schlägt uns alle Tage und schimpft und schreit! - Ja, Brüderchen! Dem Hund unter dem Tisch geht es besser als uns! Der kriegt manche gute Bissen. Die harten Brotkrümmel müssen wir essen. Ah! Wenn das unsere gute Mutter wuβte! - Die Augen würde sie sich ausweinen. Komm Schwesterchen! Wir wollen miteinander in die Weite Welt gehen! Brüderchen nahm Schwesterchen bei der Hand und sie wanderten den ganzen Tag bis sie müde wurden und in einen groβen Wald gelangten. - Schwesterchen! Ich habe Durst. Wenn ich nur ein Brunnlein finde! Da, ich glaube, ich höre ein Rauschen. Brüderchen stand auf und nahm Schwesterchen an der Hand. Die böse Stiefmutter aber, war eine Hexe! Sie hatte wohl das Fortgehen der Beiden gemerkt und war ihnen nachgeschlichen, heimlich wie die Hexen schleichen und hatte alle Brunnen im Wald verwuscht! Als die Kinder nun an ein Bächlein kamen, das so glitzend über die Steine sprang, wollte Brüderchen daraus trinken, aber das Schwesterchen hörte im Rauschen des Wassers eine seltsame Stimme: "Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger." (2 x) - Ich bitte dich Brüderchen! Trink nicht, sonst wirst du ein wildes Tier und zerreißt mich. - Ich habe zwar einen größen Durst, aber dir zu Liebe will ich bis zur nächsten Quelle warten. Als sie zum zweiten Brunnlein kamen, hörte das Schwesterchen wieder die unheimliche Stimme: "Wer aus mir trinkt, der wird ein Wolf!" (2) - Brüderchen! Ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Wolf und friβt mich auf! - Ich werde bis zum nächsten Brunnenlein warten, aber dann muß ich trinken. Koste es, was es wolle, mein Durst ist zu groβ! Als sie zum dritten Brunnenlein kamen, horchte Schwesterchen voll Angst:

20


"Wer aus mir trinkt, wird ein Reh!" (2) - Brüderchen! Ich bitte dich vom Herzen, trink nicht, sonst wirst du ein Reh und läufst mir davon! - Ich kann nichts anders, ich muß trinken, ich bin schon fast verdürstet! Kaum hatte Brüderchen den ersten Schluck getan, verwandelte es sich in ein Rehlein! Nun weinte das Schwesterchen über das arme, verwunschte Brüderchen und das Rehlein weinte auch und saβ traurig neben ihm. - Sei nur still, Rehlein! Ich werde dich nie verlassen, sieh! Hier binde ich dir mein goldenes Strumpfband um den Hals und aus diesen Binsen hier flechte ich dir ein Seil. An diesem will ich dich weiter in den Wald führen. Als sie lange lange gegangen waren, kamen sie endlich zu einem kleinen unbewohnten Haus. - Hier können wir wohnen mein Rehlein. Das Haus ist leer. Ich will dir aus Laub und Moos ein weiches Lager machen und morgen sammle ich Beeren, Würzeln, Nüsse und weiches Gras für dich. So und jetzt schlaf schon! Jeden Morgen liefen sie zusammen hinaus in den schönen Wald. Es war ein herrliches Leben gewesen, hätte nur das Brüderchen seine menschliche Gestalt gehabt. Es trug sich aber zu, daβ der König des Landes eine groβe Jagd in dem Wald hielt! Als Rehlein nun die Hörner blasen, Gebell und das lustige Geschrei der Jäger durch die Bäume schallen hörte, wurde es ganz unruhig. - Ach Schwesterchen! Laβ mich hinaus zur Jagd, bitte! Ich halte es hier nicht mehr aus. Immer nur rum liegen, fressen und ein Biβchen mit dir in den Wald gehen! Bitte laβ mich hinaus springen! - Aber komme ja abends wieder! Vor den wilden Jägern verschlieβe ich meine Tür. Damit ich dich erkenne klopfe und sprich: "Mein Schwesterlein, laβ mich herein!" Das Rehlein sprang hinaus in den Wald und es war so wohl und lustig in freier Luft. Als der König und seine Jäger das schöne Tier sahen, da rief der König: "Setzt ihm nach, aber laβt ihm keiner was zuleide tun!" Aber sie konnten es nicht einholen, immer entkam ihnen das Reh! Als es dunkel wurde, lief es zu dem Häuschen und klopfte: "Mein Schwesterlein laβ mich herein!" Schon wurde ihm geöffnet und das Reh ruhte sich die ganz Nacht auf seinem Lager aus. Am anderen Tag ging die Jagd von Neuem an! Als das Reh das Jagdhorn horte und das Geschrei der Jäger, da hatte es keine Ruhe mehr.

21


- Schwesterchen mach mir auf, ich muß hinaus! - Aber komme am Abend wieder, klopfe an und sag dein Spruchlein, damit ich dich erkenne, vor wilden Jägern erschlieβe ich die Tur. Das Rehlein sprang glücklich hinaus. Der König und seine Jäger erkennten das schöne Tier mit seinem goldenen Halsband. -Setzt ihm nach! Aber das Rehlein war zu schnell! Erst gegen Abend konnten die Jäger es umzingeln und dabei verletzte es einer ein wenig am Fuβ, so daβ es hinkend nach Hause lief. Der Jäger schlich ihm nach bis zu dem Häuschen und horchte verwundert: "Mein Schwesterlein laß mich herein!" Er sah wie die Tür aufgemacht und sofort wieder geschloβen wurde. Da ging er gleich zum König und berichtete was er gesehen und gehört hatte. Schwesterchen aber erschrak fürchtbar, als es sah, daβ Rehlein verletzt war. Es wusch die Wunde aus und legte kühle Kräuter darauf. - So geh auf deine Lage Rehlein, damit die Wunde schnell heilt! Rehleins Wunde war in der Nacht gut verheilt und als es den Jagdtrubel drauβen hörte wurde es ganz unruhig! - Bitte! Laβ mich dabei sein, Schwesterchen! Ich kann hier nicht aushalten! - Sie werden dich töten Rehlein! Und ich bin hier allein im Wald und von aller Welt verlassen. Ich laβ dich nicht hinaus! - So sterb ich hier vor lauter Trübsal. Wenn ich das Jagdton höre, ist mir als müβte ich aus den Schuhen springen! Schweren Herzens lieβ Schwesterchen das Rehlein hinaus. Rehlein sprang gesund und fröhlich in den Wald und wieder erkannten der König und seine Jäger das schöne Tier mit dem goldenen Halsband und der König gab Befehl: - Setzt ihm nach, den ganzen Tag bis in die Nacht, aber, daβ ihm keiner zu Leide tut. Bei Sonnenuntergang klopfte es an der Tür des Häuschens: - "Mein Schwesterlein laβ mich herein!" Die Tür ging auf und der König trat ins Häuschen. Vor ihm stand ein Mädchen, das war so schön, wie er noch keines gesehen hatte. Schwesterchen aber erschrak! - Wo ist mein Rehlein? Ist das verwundet?

22


- Oh, nein! Ihm passiert kein Leid! Meine Jäger jagen doch mit ihm um die Wette! Sag, schönes Mädchen! Willst du mit mir auf mein Schloβ gehen und meine liebe Frau werden? - Ach, ja! Aber das Rehlein muβ auch mit! Das verlaβe ich nicht. -Es soll bei dir bleiben, solange du lebst und es soll ihm an nichts fehlen. Da kommt es gesprungen! Es wurde eine prächtige Hochzeit gefeiert. Schwesterchen war nun die Frau Königin und Rehlein wurde gehegt und gepflegt und sprang im Schloβgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, die alte Hexe hörte sehr bald von dem Glück der Beiden und hatte keinen anderen Gedanken mehr, als sie doch noch ins Unglück zu bringen. Ihre richtige Tochter, die häβlich wie die Nacht war und ein Auge hatte, wollte vor Neid zerplatzen! - Das Glück, eine Königin zu werden, hätte mir gebührt, Mutter! Gebrauch doch deine Hexenkünste und verhilf mir dazu! - Sei nun still mein Liebling! Wenn es Zeit ist, will ich das meinige schon tun. Als die Zeit gekommen war, gebar die junge Königin einen schönen Knaben. Die böse Stiefmutter nahm, als der König auf der Jagd war, die Gestalt der Kammerfrau an und ging ins Schlafzimmer der Frau Königin! - Das Bad ist fertig. Es wird euch wohl tun und frische Kräfte geben. Kommt, ehe es kalt wird. Sie half der schwachen Königin in die Badestube, aber hatte sie ein solches Hollenfeuer gemacht, daβ die arme schöne Königin bald ersticken müβte! Flink lief die böse Hexe zu ihrer Tochter. - So, mein Täubchen! Nun wirst du dich ins Bett der Königin legen und ich gebe dir gleich Gestalt und Ansehen deiner Stiefschwester. Zum verlorenen Auge kann ich dir nicht helfen. - Ah schade! - Deshalb dreh dich, wenn der König bei dir ist auf die eine Seite. - Auf welche Seite Mutter? - Auf welcher wohl, du dummes Ding! Aufpaβt, da kommt er schon! Ich versuche noch ihn fern zu halten. - Welcher grosser Glück, ein Thronfolger, ich muβ sofort sehen, wie es meiner lieben Konigin geht! - Um Gottes willen, Herr König! Laβt die Vorhänge des Bettes geschloβen. Die Königin darf noch nicht ins Licht sehen und muβ Ruhe haben!

23


Der König ging auf Zehenspitzen wieder hinaus und merkte nicht, daβ im Bett eine falsche Königin lag! Als es Mitternacht schlug, sah die Kinderfrau, die in der Kinderstube beim Kronprinzen wachte wie die Türe plötzlich wie von Geisterhand aufging, die richtige junge Königin trat ein und ging zum Bettchen des Kindes! - Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komme ich noch zweimal und dann nimmer mehr! Die Kinderfrau war zu Tode erschrocken und antwortete nichts, sondern lief eilig zum König und erzählte ihm alles. - Ach lieber Gott, was hat das zu bedeuten? Ich will in der nächsten Nacht bei dem Kind wachen. Wieder erschien um Mitternacht die junge Königin. - Was macht mein Kind? Was macht mein Reh? Nun komme ich noch diesmal und dann nimmer mehr. - Du kannst doch niemand anders sein als meine liebe Frau! - Ich bin deine liebe Frau! In diesem Augenblick hatte sie ihr Leben wieder erhalten, war durch Gottes Gnade frisch und gesund und dann erzählte sie dem König die ganze Geschichte von der bösen Hexe und von ihrer Tochter. Die falsche Königin wurde in den tiefen Wald gebracht und den wilden Tieren überlassen. Die böse Stiefmutter aber, die Hexe muβte Jammervoll verbrennen und so wie sie zu Asche verbrannt war, verwandelte sich das Rehkälbchen und erhielt seine Menschliche Gestalt wieder. Schwesterchen und Brüderchen aber lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende!

24


Fragen zum Märchen:

"Brüderchen und Schwesterchen" 1- Was sagten das Brüderchen und das Schwesterchen über die Stiefmutter zu einander? Wie verhielt sie sich mit ihnen? 2- Was hatte die böse Stiefmutter getan, als sie das Fortgehen der beiden gemerkt hatte? 3- Was hörte das Schwesterchen, als sie an erstes Bächlein kamen? Und was sagte es zum Brüderchen und was antwortete es? 4- Was hörte das Schwesterchen als sie zum zweiten Brunnenlein kamen? Was verlangte das Schwesterchen von seinem Bruder? Was sagte es zu ihm? Was antwortete das Brüderchen? 5- Was geschah als sie zum dritten Brunnenlein kamen? Was horchte das Schwesterchen? Was sagte es zu seinem Brüderchen und was geschah danach? 6- Was sagte das Schwesterchen zu seinem Brüderchen, als er sich in ein Rehlein verwandelte und die beiden fingen an zu weinen!? 7- Was bindete das Schwesterchen ihrem Brüderchen um den Hals und wofür? 8- Wo wohnten das Schwesterchen und das Brüderchen im Wald und woraus hatte es seinem Bruder ein weiches Lager gemacht? Und was wollte es seinem Bruder zum Essen sammeln? 9- Was geschah, daβ das Brüderchen nicht mehr zu Hause bleiben konnte? 10- Was geschah es, als das Brüderchen das Hörnblasen und Gebelle und Geschrei der Jäger hörte? Was sagte es zu seinem Schwesterchen dazu? 11- Was für ein Sprüchlein muβte das Brüderchen zu seinem Schwesterchen sagen, als es nach Hause zurück kam und an die Tür klopfte und warum? 12- Was sagte der König zu seinen Jägern, als er das Rehlein sah? 13- Was passierte dem Rehlein, als die Jäger es zum zweitenmal nachsetzten und ihn umzingelten? Und was geschah als er dann nach Hause lief? Was sah der Jäger und was tat er danach? 14- Wie half das Schwesterchen seinem Bruder, um seine Wunde zu heilen?

25


15- Was sagte das Rehlein seiner Schwester (zum drittenmal), als es den Jagdtrübel drauβen hörte? Und was hatte ihm das Schwesterchen geantwortet? 16- Wovon erkannten der König und seine Jäger das schöne Rehlein? 17- Wen sah das Schwesterchen an der Tür, als zum dritten mal an die Tür geklopft wurde? Was hatten sie zueinander gesagt? Was verlangte der König von ihm? Und was passierte zum Schluß? Was hatte das Schwesterchen den König über seinen Bruder gefragt? 18- Wasfür böse Gedanken hatte die Stiefmutter, als sie hörte, daβ der König und das Schwesterchen zusammen leben? Was sagte sie vor Neid ihrer Mutter dazu? Und was antwortete die Mutter? 19- Was tat die Stiefmutter, als die Zeit gekommen war und die Königin einen Sohn gebar? 20- Wie töte die böse Stiefmutter die arme Königin? Und was hat sie danach getan? 21- Was sagte die Stiefmutter zu dem König, als er sehen wollte, wie es der Königin geht? 22- Was sah die Kinderfrau, die in der Kinderstube beim Kronprinzen wachte, als es Mitternacht schlug? Und was hatte sie danach gemacht? 23- Was sah der König in der nächsten Nacht, als er selbst bei dem Kind wachte? Was sagte die Königin? Was hatte der König gemacht und was geschah in der folgenden Nacht? 24- Wie bestrafte der König die böse Stiefmutter und ihre Tochter, als die Königin ihm die ganze Geschichte von der bösen Hexe und ihre Tochter erzählte?

26


5. Aschenputtel Es war einmal ein reicher Mann, dessen Frau wurde sehr sehr krank und als sie fuhlte, daβ sie sterben müβte, rief sie ihr einziges Tochterchen zu sich ans Bett: - Mein liebes Kind! Bleib fromm und gut, so wird dir der liebe Gott immer helfen und ich will vom Himmel auf dich herab blicken. Ich muβ sterben... Und sie starb. Das Mädchen ging jeden Tag hinaus zu dem Grab der Mutter und weinte. [...] Der Winter kam und deckte das Grab mit weiβen Schnee zu und als der Schnee schmolz, nahm sich der Mann eine andere Frau. Diese brachte zwei Töchter mit ins Haus. Sie waren sehr schon, aber ihr Herz war häβlich und grausam. Eine schlimme Zeit brach für das arme Stiefkind an! - Soll die dumme Gans bei uns in der Stube sitzen?! - Nein, wer Brot essen will, muβ es sich dann erstmal verdienen, hinaus mit der Küchenmagd! Du hast lange genug gefaulenzt! Von nun an bleibst du in der Küche. Das ist der rechte Platzt für dich, du faules Ding! - Zieh deine schönen Kleider aus und gib sie uns. - Ich will deine Samtschuhe und deine Schmück! - Und ich deine Kleider! - Aber liebe Schwestern warum? - Du brauchst sie nicht mehr. Wir aber brauchen eine Küchenmagd. Hinaus mit dir du eitles Ding. - Du hast hier in der Küche nichts mehr zu suchen. Hier, sieh diesen alten grauen Kittel an und diese Holzpantoffeln da, die passen besser zu dir. Weinend gehorchte das arme Mädchen. Die bösen Schwestern bogen sich vor lachen und zerrten es vor dem Spiegel! - Ja, sieh dich nur an! Du stolze Prinzessin wie hübsch du geputzt bist. Nun dabei machst du dich in die Küche und an die Arbeit! - Nimm das Küchenwerk, in der Asche wirst du schlafen. - Ja und ich schütte dir Erbsen und Linsen in die Asche, damit du gleich etwas schönes zu tun hast sie wieder heraus zu nehmen. - Dashalb wirst du staubig und schmutzig aussehen, wie die Asche. - Wir taufen dich hiermit Aschenputtel! Aschenpu..., Aschen...

27


Jeden Tag muβte Aschenputtel nun die niedrigsten Schmutzarbeiten verrichten und wurde dabei verhöhnt und verspottet. Oft saβ es nachts müde am Herd und weinte. - für alle meine Arbeit bekomme ich nichts mehr als harte Wörter und Trockenbrot. Oh, meine liebe Mutter, wärst du doch noch am Leben, wie gut ging es mir bei dir. Nun trug es sich zu, daβ der Vater zu einer größen Messe fahren wollte und fragte seine beiden Stieftöchter, was er ihnen mitbringen soll! - Oh, ich möchte feine Kleider aus Spitzen und Seide und zierliche Schuhe! - Und ich Perlen und Ketten und eine Armband aus Silber. - Und du Aschenputtel! Was willst du haben? - Vater, brich mir den ersten Haselzweig ab, den du auf dem Heimweg findest und bring ihn mir! Als der Vater von der Reise zurückkam, gab er den Schwestern Kleider und Schuhe und Schmuck. Aschenputtel aber gab er einen schönen Haselnuβzweig. - Vielen Dank lieber Vater! Ich will ihn gleich auf das Grab meiner Mutter pflanzen. Und der Zweig wuchs und wuchs und wurde ein schöner Baum! Jeden Tag lief Aschenputtel zu ihm und fuhlte sich getröstet, denn jedes Mal kam ein schneeweiβes Vöglein und zwitscherte mit feiner Stimme: "Was immer du dir auch wünschest vom Bäumchen schuttelt herab!" Es begab sich aber, daβ der König ein groβes Fest veranstaltete, daβ drei Tage andauern sollte und zu dem alle schönen Mädchen des Landes eingeladen wurden, denn der Königssohn wollte sich eine Braut aussehen. Als die beiden Stiefschwestern das hörten, freuten sie sich und waren mächtig eingebildet. - Aschenputtel, kämm mir die Haare, poliere unsere Tanzschuhe! Bügle unsere Kleider, los los! Mach die Silbern in Schnalle fest, wir gehen heute zum Fest auf das Königschloβ. Aschenputtel tat alles, was ihm befohlen wurde und lief dann flink zur Stiefmutter. - Ich möchte so gern zum Tanz auf das Königsschloβ. Ich bin doch auch eingeladen. Bitte erlaub mir. - Du Aschenputtel, bist du von Sinnen, bist voll Staub und Schmutz und willst ins Schloβ!

28


- Aber ich bitte euch doch so sehr, nur ein einziges Mal. - Du, habe ich dir eine Schüssel Linsen in die Asche geschüttet, wenn du die Linsen in zwei Stunden wieder ausgelesen hast, so darfst du mitgehen. Glücklich lief Aschenputtel durch die Hintertür in den Garten: - Ihr zahmen Täubchen! Ihr Turteltäubchen! All ihr Vöglein unter dem Himmel kommt und helft mir, Linsen aus der Asche zu sammeln. Die guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Oh, da Kommen sie schon angeschwärmt Täubchen und Turteltäubchen und alle Vöglein unter dem Himmel! Viele hundert Vögel schwärmten zum Fenster herein und setzten sich um die Asche. Die Täubchen nickten mit den Köpfchen und fingen an: Pick Pick Pick und da fingen die Anderen auch an: Pick Pick Pick... und lasen alle guten Körnlein in die Schüssel. Kaum eine Stunde verging und sie waren fertig und schwirrten davon. Aschenputtel lief glücklich mit der vollen Schüssel zur Stiefmutter. Jetzt durfte es sicherlich mit auf das Fest, Aber die böse Stiefmutter sagte: - Nein Aschenputtel! Du hast keine Kleider und kannst nicht tanzen! Du wirst nur ausgelacht! - Ach Mutter, laβ mich doch gehen, ein einziges mal! Ich möchte gern das Schloβ und den Prinzen sehen! - Nun gut, wenn du mir diese zwei Schüsseln Linsen in einer halben Stunde wieder rein aus der Asche herauslesen hannst, sollst du mitgehen. - Das schafft Aschenputtel sowieso nicht! - Aber Aschenputtel lief wieder aus der Hintertür in den Garten und rief: - Ihr zahmen Täubchen! Ihr Tunteltäubchen! Alle Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir, die Linsen aus der Asche zu sammeln, die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Da kommen sie wieder! Täubchen und Turteltäubchen und alle Vöglein unter dem Himmel, und sie schwärmten und schwärmten zum Fenster herein und setzten sich um die Asche. Die Täubchen nickten wieder mit den Köpfchen und fingen an: Pick Pick Pick und die übrigen fingen nun auch an: Pick Pick Pick und lasen alle guten Körnlein in die zwei Schüsseln und ehe die halbe Stunde herum war, waren sie schon fertig und schwirrten wieder davon. Aschenputtel lief glücklich mit den Schüsseln zur Stiemutter. Jetzt durfte sie ja ganz bestimmt zum Fest. - Ach was, hilft dir alles nicht, du kommst nicht mit! Du hast keine Kleider und kannst nicht tanzen! Wir müssen uns deiner schämmen!... euch meine beiden Töchtern! Wir wollen uns beeilen. Wir dürfen nicht spät kommen ins Schloβ!

29


- Ich möchte so gern zum Fest, um den König zu sehen! Hat mir der schneeweiβe Vogel auf meinem Haselnuβbaum so oft gesungen, daβ er mir jeden Wunsch erfüllt. Heute will ich mir was wunschen und eilig lief Aschenputtel zum Grab seiner Mutter unter dem Haselbaum: - Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich! Wirf Gold und Silber über mich. Oh Wunder! Das Bäumchen rüttelt sich! Das Bäumchen schüttelt sich! Der schneeweiβe Vogel wirft ein Kleid über mich! Oh, das ist ganz aus Gold und Silber und die Schuhe aus Seide und Samt. Nun kann ich auch zum Tanz. Aschenputtel zog eilig das Kleid an, schlüpfte in die kostbaren Schuhe und lief ins Schloβ. Aschenputtel sah so schön aus in dem goldsilbernen Kleid, daβ seine Schwestern und die Stiefmutter es nicht erkannten. Sie meinten es müsse eine fremde Königstochter sein! Der Prinz kam Aschenputtel entgegen und verbeugte sich: - Schöne fremde Prinzessin willst du mit mir tanzen? - Von Herzen gern lieber Prinz! - Ich will den ganzen Abend nur mit dir tanzen! Keiner sonst soll mit dir tanzen. Die schönste Prinzessin gehört dem Prinzen ganz allein! Und Aschenputteln tanzte mit dem Prinzen bis zum Abend. - Lieber Prinz! Ich muβ jetzt nach Hause! - Ich gehe mit und begleite dich. Aber Aschenputtel entwichte ihm und sprang ins Taubenhaus! Sofort muβte man Axt und Hacken bringen und das Taubenhaus einschlagen, aber es war leer. Aschenputtel war auf der anderen Seite hinaus gesprungen und zu dem Haselnußbäumchen gelaufen. Da hatte es die schönen Kleider abgelegt und der Vogel hatte sie wieder weggenommen und als die Stiefmutter mit den Schwestern nach Hause kamen, lag Aschenputtel in seinem grauen Kittelchen in der Küche und schlief! Am nächsten Tag ging das Fest weiter und als die Schwester und Stiefmutter fort waren, lief Aschenputtel abermals zu dem Haselbäumchen: - Bäumchen, ruttel dich und schüttel dich! Wirf Gold und Silber über mich! Oh Wunder!! Das Bäumchen rüttelt sich! Das Baümchen schüttelt sich! Der scheeweiβe Vogel wirf ein Kleid über mich! Oh, es ist noch viel prächtiger als das Gestrige und die Schuhe sind ganz aus Silber. Nun bin ich fein für den Ball. So angetan erscheint Aschenputtel auf dem Ball! - Schöne fremde Prinzessin! Du bist meine Tänzerin! Ich will nur mit dir tanzen. Die schönste Prinzessin gehört dem Prinzen ganz allein!

30


Und Aschenputtel tanzte mit dem Prinzen bis zum Abend. - Lieber Prinz! Ich muβ jetzt nach Hause! - Ich gehe mit dir und begleite dich! Doch dann entwichte es ihm wieder. Behende wie ein Kätzchen kleterte es zwiechen die Äste eines Birnbaums. Sofort müβte man ein Axt bringen und den Baum umschlagen, aber Aschenputtel war längst vom Baum herabgesprungen, hatte die schönen Kleider zu dem Haselnuβbaum gebraucht und lag in seinem grauen Kittelchen in der Küche und schlief ganz fest, als die Stiefmutter mit den Schwestern nach Hause kammen! Am dritten Tag, als die drei abermals zum Fest ins Schloβ gegangen waren, lief Aschenputtel wieder zu dem Haselbäumchen. - Bäumchen! rüttel dich und schüttel dich! Wirf Gold und Silber über mich! Oh, Wunder der Wunder! Das Bäumchen rüttelt sich, das Bäumchen schüttelt sich, der schneeweiβe Vogel wirft ein Kleid über mich! Oh, das Kleid ist so schön, wie ich noch keins gehabt habe und die Pantoffeln sind aus Gold! Nun kann ich zum Ball gehen! Und wieder tanzte der Prinz mit Aschenputtel bis zum Abend! Und wieder entwichte es ihm, aber diesmal hatte der Prinz eine List gebraucht und die Treppe mit Pech bestreichen lassen und da war nun der Pantoffel des Mädchens hängen geblieben. Der Königssohn rupfte ihn auf. Er war zierlich und ganz Gold! - Keine andere soll meine Gemahlin werden, als die an deren Fuβ der goldene Schuh paβt und der Prinz ging zu allen Hofdamen und allen Edelfräuleins, aber keiner wollte der Schuh passen! Eines Morgens kam man auch damit zum Haus der Stiefmutter. Da freuten sich die beiden Schwestern, denn sie hatten schöne Füsse! Die Stiefmutter zog zuerst die älteste bei Seite. - Du hast schöne Füsse! Schönere gibt es nicht. Schnell schlüpf hinein! - Mutter! Ich komme mit dem groβen Zehe nicht hinein! - Hau denn die Zehe ab! Wenn du Königin bist brauchst du nicht mehr zu Fuβ zu gehen! Das Mädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuβ in den Schuh, verbiβ den Schmerz und ging hinaus zum Königsohn. - Komm auf mein Pferd! Endlich habe ich dich gefunden, meine geliebte Braut! Als sie aber an dem Grab vorbei ritten, da riefen zwei Täubchen auf dem Haselbäumchen... Rickidi Ruuh, Rickidi Ruuh, Blut ist im Schuh! Der Schuh ist

31


zu klein! Die rechte Braut sitzt noch daheim. Der Prinz blickte auf den goldenen Schuh und sah wie blutig der Fuβ war! Er wendete sein Pferd, brachte die falsche Braut nach Hause und sprach: - Das ist nicht die richtige Braut, Eure andere Tochter soll den Schuh anprobieren! Die war

und ging mit dem Schuh in die Kammer.

- Mutter, er ist zu klein! Ich komme mit Ferse nicht hinein! - Hau ein Stück von der Ferse ab! Wenn du Königin bist brauchst du nicht mehr zu Fuβ zu gehen. Das Mädchen hieb ein Stück von der Ferse ab, zwängte den Fuβ in den Schuh und verbiβ den Schmerz! Der Prinz nahm sie auf sein Pferd und ritt mit ihr fort. Doch auch diesmal riefen die zwei Täubchen vom Haselbäumchen. - Rickidi Ruuh, Rickidi Ruuh, Blut ist im Schuh! Der Schuh ist zu klein! Die rechte Braut sitzt noch daheim! Da wendete der Prinz sein Pferd und brachte die falsche Braut gleich wieder nach Hause. - Liebe Frau! Das ist auch nicht die richtige! Habt ihr dann keine andere Tochter? - Nein! Da ist noch ein kleines schmutziges Aschenputtel. Das kann unmöglich die Braut sein! - Ich will das Aschenputtel trotzdem sehen! - Ach Nein! Das ist viel zu schmutzig! - Aber ich befehle euch mir das Mädchen zu zeigen! Jetzt muβte die Stiefmutter den Befehl gehorchen und Aschenputtel rufen. Es wusch sich schnell Gesicht und Hände und ging dann in seinem grauen Kittelchem hinaus zum Königssohn. Er sah aber nur ihr helles liebliches Gesicht und verneigte sich. - Liebes Aschenputtel! Wie seltsam vertraut ist mir dein Gesicht, dein Lächeln! Nimm diesen goldenen Schuh und versuche, ob es dir passt! - Oh, es ist meiner. Ich habe ihn verloren! Seht, er paast mir wie angegossen! - Du bist das wunderschöne Mädchen, mit dem ich getanzt habe! Komm setz dich auf mein Pferd. Wir reiten ins Schloβ. Du bist meine liebe Braut! Als sie nun an dem Grab vom Aschenputtelsmutter vorbei kamen, da riefen die zwei Täubchen auf dem Haselbäumchen Rickidi Ruuh, Rickidi Ruuh, kein Blut

32


ist im Schuh. Der Schuh ist nicht zu klein. Die rechte Braut, die führst du Heim. Und als die Braut schon längst verschwunden war, standen die Stiefschwestern noch immer und starrten bleich vor Wut, Ärger, Schmerz und Neid. Mit ihren böse zugerichteten Füssen hatten sie sich selber hart bestraft und die Stiefmutter hatte keinen frohen Tag mehr in ihrem Leben. Aschenputtel aber, feierte mit dem schönen Prinzen noch am gleichen Tag Hochzeit im Schloβ.

Fragen zum Märchen: "Aschenputtel" 1- Was sagte die Mutter zu ihrem eigenen Töchterchen als sie fühlte, daβ sie sterben muβte? 2- Wann nahm Aschenputtels Vater eine andere Frau? Wieviele Kinder brachte die Frau mit ins Haus und wie waren sie? 3- Wie verhielten sich die Stiefschwestern dem Mädchem gegenüber? 4- Warum nannten die Stiefschwestern das Mädchen Aschenputtel? 5- Wasfür Arbeiten muβte Aschenputtel jeden Tag tun? Was machte sie nachts? 6- Was verlangten die beiden Stiefschwestern und Aschenputtel von ihrem Vater, als er zu einer groβen Messe fahren wollte? 7- Was tat Aschenputtel mit dem Haselnuβzweig? 8- Warum lief Aschenputtel jeden Tag zu dem Haselnuβbäumchen und fühlte sich getröstet? 9- Warum veranstaltete der König ein Fest? Wie lange sollte es andauern? Was machten die Stiefschwester als sie das hörten? Und was hat Aschenputtel gemacht und gesagt, als sie das hörte. Was war die Antwort darauf? 10- Was hatte die Stiefmutter Aschenputtel gesagt und getan, als Aschenputtel zu viel darum gebeten hatte, mit zum Fest zu gehen? Hat sie es geschafft? Was geschah danach? 11- Was hatte die Stiefmutter zu ihr gesagt, als Aschenputtel zum ersten Mal die Linsen aus der Asche herausgelesen hat? 12- Was sagte die Stiefmutter zu Aschenputtel, als sie zum zweiten Mal es geschafft hatte, die Linsen aus der Asche heraus zu holen und wollte mit zum Fest? 13- Wie dachte bei sich und was tat Aschenputtel, als die Stiefmutter ihr nicht erlaubte, mit zum Fest zu gehen?

33


14- Was sagte der Prinz zum Aschenputtel, als er es zum ersten Mal im Festsaal sah? 15- Was meinten die Stiefschwestern und Stiefmutter, als sie das schön gekleidete Aschenputtel im Festsaal sahen? 16- Was antwortete der Prinz zum Aschenputtel, als sie sagte, daβ sie nach Hause gehen muβte und was geschah danach? 17- Wie waren die Kleider, die Aschenputtel am nächsten Tag abermals von Haselnußbäumchen verlangte? 18- Was sagte der Prinz zum zweiten Mal als er Aschenputtel wieder im Festsaal sah und was geschah danach? 19- Was geschah als Aschenputtel zum dritten Mal dem Prinzen entwichte und was für eine Liste gebrauchte der König, um Aschenputtel zu kriegen? 20- Was sagte der Prinz den anderen, als er den goldenen Schuh, den er fand in der Hand hatte? 21- Wie hat der Prinz endlich das Aschenputtel gefunden? 22- Was geschah, als der Prinz zu dem Haus der Stiefmutter ging und die Mädchen den Schuh anprobieren lieβ? Was sagte die Stiefmutter ihren Töchtern? 23- Was sagte die älteste Tochter zu ihrer Mutter, als sie den Schuh anprobierte und was antwortete die Mutter und was geschah danach? 24- Was sagte der Prinz zu der Stiefmutter, als er ihre älteste Tochter (die falsche Braut ) nach Hause zurückbrachte und was passierte danach (mit der kleineren Tochter)? 25- Was sagten die zwei Täubchen auf dem Haselnuβbäumchen, als der Prinz an dem Grab vorbei ritt und die falsche Braut ins Schloβ bringen wollte? 26- Was sagte der Prinz zu der Stiefmutter, als er zum zweiten Mal die kleinere Tochter nach Hause zurückbrachte? Was antwortete die Stiefmutter und was geschah zum Schluß? 27- Was sagten die zwei Täubchen auf dem Haselnuβbäumchen, als der Prinz Aschenputtel mit ins Schloβ bringen wollte? 28- Was ist mit der Stiefmutter und ihren Töchtern passiert, als der Prinz Aschenputtel mit ins Schloβ brachte?

34


6. Scheeweißchen und Rosenrot Es war einmal eine arme Witwe, die lebte in einer einsamen Hütte am Waldrand. Vor der kleinen Hütte war ein Garten und in dem Garten standen zwei Rosenbäumchen. Davon trug das eine weiße Rosen und das andere rote Rosen. Die Witwe hatte auch zwei Kinder, die glichen den beiden Rosenbäumchen und so hiessen sie Schneeweißchen und Rosenrot. Die beiden Mädchen waren immer zusammen, sprangen am liebsten in Wiesen und Felder umher und hielten mit den Tieren des Waldes gute Freundschaft. Nach nie war ihnen, wenn sie im Finsteren nach Pilzen und Beeren suchten, von den wilden Tieren ein Leid geschehen. Die Kinder hatten einander sehr lieb. - Wir wollen uns nie verlassen Rosenrot! - Solange wir leben, nicht Schneeweißchen! Nicht wahr Mutter? - Das ist recht Kinder! Haltet immer schön zusammen in eurem Leben! In Freude und Leid und was das eine hat soll es mit den anderen teilen! An einem Winterabend, als die drei traulich ums gemütliche Tannenfeuer saßen, klopfte es plötzlich an die Tür der einsamen Hütte! - Geh Rosenrot, mach auf! Es wird ein Wanderer sein, der sich im schlimmen Schneetreiben verirrt hat. - Gute Mutter, oh Mutter! Da mache ich die Tür sofort wieder zu. - Was ist ja los Rosenrot!? Du bist ja ganz verschreckt! - Oh Mutter, Rosenrot! Ein brauner dicker Zottelbär steht vor die Tür! - Er tut uns bestimmt nicht zu leide Rosenrot, mach ihm auf. Sicher ist er in Not, sonst würde er nicht eine menchliche Behausung aufsuchen. - Du hast recht Schneeweißchen. Ach, ich bin nur fürchtbar erschrocken. - Laß ihn nur herein Rosenrot, hab keine Angst! - Fürchtet euch nicht; ich tue euch nichts; ich bin halb erfroren! Und will mich nur wenig aufwärmen. - Leg dich aus Feuer, lieber Zottelbär! Aber gib acht, daß dir der Pelz nicht anbrennt! - Ihr Kinder, klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelz! - Ja, das tun wir Zottelbär. Komm Schneeweißchen! Wir nehmen jeder ein Besen und machen hin und her und auf und ab, weg mit dem Schnee! Und witsch und watsch und watsch und witsch, gleich ist rein der Pelz.

35


- Vielen Dank, Schneeweißchen und Rotenrot! So ... jetzt strecke ich mich ein wenig am Feuer aus. Wie warm und gemütlich es hier ist! Als der Bär nun so gemütlich und freundlich guckte, wurden die Mädchen ganz zutraulich und trieben ihren Spaß mit dem unbeolfenen Gast. Sie zausten sein Fell mit den Händen, setzen ihre Füßchen auf seinen Rücken und schubsen ihn hin und her. Schließlich nahm jeder eine Haselrute und klopfte den dicken Pelz. - Laßt mich am Leben, ihr Kinder! - Schneeweißchen, Rosenrot, schlagt ihr ihn nicht tot! Jetzt ist aber genug Kinder! Schlafzeit! Marsch ins Bett mit euch! Meister Pelz bleibt im Gottesnamen am Feuer liegen, da seid ihr vor Kälte und dem bösen Schneetreiben geschützt, gute Nacht! Am Morgen ließen die Kinder den Bären hinaus und er trabte durch den Schnee in den Wald hinein, aber am Abend kam er wieder, legte sich vor das Feuer und hatte nichts dagegen, als die Mädchen ihren Schabernack mit ihm trieben. Von nun an kam der Bär jeden Abend und bald wurde die Tür nicht verriegelt, bevor er nicht im Hause war. Als aber der Frühling kam und alles grünn wurde, sagte der Bär eines Morgens betrübt zu Schneeweißchen: - Nun muß ich fort Schneeweißchen und kann der ganze Sommer oder Herbst nicht wieder kommen. - Wo gehst du hin, lieber Bär? - Ich muß meine Schätze vor den bösen Zwergen hüten. Im Winter, wenn die Erde gefroren ist, müßen sie unten in ihren Höhlen bleiben, aber jetzt, wenn die Sonne die Erde aufgetaut hat, kommen sie herauf und suchen und stehlen und was erstmal in ihren Händen ist, kommt so leicht nicht wieder ans Tageslicht. Danke für alles und lebt wohl! Schneeweißchen war ganz traurig über den Abschied. Als der Bär nun zur Tür hinaus ging, riß er sich an der Klinge das Fell einwenig auf. Schneeweißchen glaubte ihren Augen nicht zu trauen. - Habe ich es eben unter dem Fell nicht wie Gold durchschimmern sehen. Ach, nein, ich träumte wohl nur. Ich muß mich getäuscht haben. Der Bär aber lief eilig davon und war bald im Dunkel des Waldes verschwunden. Eines Tages schickte die Mutter Scchneeweißchen und Rosenrot in den Wald Reisig zu holen. Da kamen die beiden an einem riesigen Baum, der gefällt am Waldboden lag. - Sieh doch Rosenrot, was springt da im Gras, an dem Stamm immer auf und ab wie ein Hühnchen? Laß uns vorsichtig näher gehen!

36


- Schneeweißchen, das ist ein Zwerg! Ein Zwerg mit einem verschrümpelten Gesicht. Sein ellenlanger Bart ist in Baumstamm eingeklemmt. Ach, der Arme! Er zappelt ja hin und her und weiß sich nicht zu helfen. - Jetzt hat er uns gesehen. Wie böse er uns mit seinen roten feuerigen Augen anglötzt! - Was steht ihr da herum wie die Stockfische und gelötzt. Helft mir lieber los zu kommen. - Wie ist das nur geschehen kleines Männchen, daß du so jämmerlich eingeklemmt bist? - Dumme neugierige Gans! Wie wohl! Den Baum habe ich spalten wollen, um kleines Holz in der Küche zu haben. Ich hatte schon den Keil in den Stamm getrieben, als er plötzlich wieder heraus sprang und meine Bartspitze im Stamm einklemmte ... Lach doch nicht so dumm! - Ich lach doch nur, warum du kleiner Zwerg dir ausgerechnet der riesigste Baum für Kleinholz ausgesucht hast! - Alberne Gans! Milchgesicht! Hilf mir lieber! - Wie sollen wir dir helfen, kleines Männchen? Der Stamm ist uns viel zu schwer, um dein Bart heraus zu ziehen! - Ich will laufen und Hilfe holen. - Wahnsinning geworden!? Die Leute herbei rufen?! Ihr zwei Schafsköpfe seid mir zu viel! Fällt euch nichts Besseres ein? - Nur nicht so ungeduldig kleiner! Ich weiß schon Rat. Ich schneide hier mit meiner kleinen Scheere das Bartende einfach ab. Schnipp und Schnapp, Klipp und Klapp! Siehst du? Nun bist du frei! Als der Zwerg sich nun frei fühlte, griff er wütend nach einem Sack voll Gold, der zwischen den Würzeln war und ging schimfend und krächzend davon! - Ungehobeltes Volk! Schneidet mir einfach ein Stück von meinem stolzen Bart ab! Lohnt euch der Kuckuck! Holt euch der Kuckuck! Einige Zeit danach wollten Schneeweißchen und Rosenrot eine Mahlzeit Fische angeln. In der Nähe des Baches blieb Schneeweißchen erstaunt stehen! - Rosenrot sieh mal! Da hüpft so etwas wie eine größe Heuschrecke auf das Wasser zu, als wollte sie hinein springen. - Das ist der Zwerg! Du da, kleiner Mann! Du willst doch nicht etwa ins Wasser! Traust du dich nicht?

37


- Denkst du blöde Gans, ich sei vielleicht verrückt?! Kannst du nicht dich gucken? Der verwunschte Fisch will mich ins Wasser ziehen. Nun steht ihr doch nicht so dämlich herum ihr Ölgötzen. Hilft mir lieber! - Aber wie ist das nur passiert kleines Männchen? Dein Bart ist ja mit der Angelschurr verheddert! - Verheddert! Verheddert! Du dumme neugierige Gans! Unglücklicher Weise hat der blöde Wind meinen schönen Bart mit der Angelschnurr verflochten und nun hat ein dicker Kampf ihn angebissen. Ich kann ihn nicht herausziehen. Er ist zu schwer! Ihr seht doch, wenn ich nicht jeder seine Bewegung nachgebe, liege ich mit einem Rück im Wasser und ersaufe. - Du bist ja viel zu schwach! Der Fisch ist viel stärker als du! - Ach, als ob ich das nicht selber wußte. Schwatzen und Maulaffen feilhalten, das konnt ihr, aber helfen?! - Unmöglich für uns kleiner Zwerg! Dein Bart und die Angelschnurr sind so heillos ineinander verwirrt, daß nur noch die Schere helfen kann. Die Scheere muß wieder herbei und Schnipp und Schnapp! Siehst du? Nun bist du frei! - Ist das eine Mauier ihr! Ihr, ihr! Ach, mir das Gesicht so zu verschandeln! Nicht genug, daß ihr mir den Bart unten abgestützt habt. Jetzt schneidet ihr noch mir einfach den besten Teil davon ab! Ich kann mich vor den Meinigen ja gar nicht mehr sehen lassen. Ach, daß ihr doch die Schuhsohlen verloren hattet und auf nackten Füssen laufen müßtet! Damit holte er einen Sack Perlen, der im Schilf lag und ohne noch etwas zu sagen, oder die bestürzten Mädchen anzugucken, verschwand er damit hinter einem Stein. Bald danach schickte die Mutter Schneeweißchen und Rosenrot in die Stadt, Zwirnen, Nadeln, Schnurre und Bänder einzukaufen. Der Weg führte sie über die Heide, auf der hier und da mächtige Felsen verstreut lagen. Plötzlich sahen sie einen Adler in der Luft kreisen und auf einen der Felsen niederstossen! - Sieh doch nur Schneeweißchen! Der Adler hat unseren alten Bekannten, den Zwerg gepackt! Er will ihn forttragen. - Nichts wie hin! Wir müssen helfen und ihn festhalten. Die mitleidigen Mädchen hielten das Männchen fest und zerrten solange an dem Adler herum, bis er seine Beute fahren ließ und davon flog. Als der Zwerg sich von seinem Schrecken erholt hatte, schimpfte er wütend.

38


- Könntet ihr nicht vorsichtiger mit mir umgehen?! Gezerrt und gerissen habt ihr meinen dünnen Rockchen, daß es überall zerfetzt und zerlöchert ist! Ach, ihr unbeholfenes täppiches Gesindel! Der Teufel soll euch holen! Er griff sich einen Sack mit Edelsteinen und verschwand in einer Höhle. Die Mädchen waren seinem Undank schon gewöhnt und setzten lachend ihren Weg in die Stadt fort. Als sie auf dem Rückweg wieder auf die Heide kamen, überraschten sie den Zwerg, der auf einem reinlichen Plätzchen den Sack mit Edelsteinen ausgeschüttet hatte. Sie schimmerten und leuchteten so prächtig in der Abendsonne, daß Schneeweißchen und Rosenrot stehen blieben. - Was steht ihr da und haltet Maulaffen feil, ihr dummen Gänse! Fort mit euch! Könnt ihr nicht hören? Ich mache euch gleich die Hölle heiß. Er wollte mit seinen Scheltworten fortfahren, als sich ein lautes Brummen hören ließ und ein größer Bär aus dem Walde herbeitrabte. Erschrocken sprang der Zwerg auf, konnte aber nicht mehr zu seinem Schlüpfwinkel gelangen! - Lieber Herr Bär! Verschont mich! Habt Mitleid mit mir! Ich will euch alle meine Schätze geben. Seht, die schönen Edelsteine! Schenkt mir das Leben! Was habt ihr schon an mir kleinen schmächtigen Kerl? Ihr spürt mich nicht mal zwichen euren Zähnen. Da, pack die beiden gottlosen Mädchen! Das sind für euch zarte Bißen, fett wie junge Mastgänse! Der Bär aber kümmerte sich nicht um die Gewinsel und Gejammer und all die böshaften Wörter. Er gab dem tückischen Geschöpf einen Schlag mit der Tatze und das regte sich nicht mehr ... Die Mädchen waren davon gesprungen, aber der Bär lief ihnen nach! - Schneeweißchen! Rosenrot! Lauft nicht weg, fürchtet euch nicht; wartet; ich will mit euch gehen! - Rosenrot! Unser Zottelbär! Unser lieber Bär! Wir warten. - Guten Abend, Schneeweißchen! Guten Abend, Rosenrot! - Ja, was ist das?! Unser Bär verliert seinen Pelz!? - Oh, jetzt steht ein junger Prinz da! Ganz in Gold gekleidet! - Ich bin ein Königssohn und war von dem gottlosen Zwerg, der mir meine Schätze gestohlen hat, verzaubert, als wilder Bär durch die Wälder zu laufen, bis ich durch seinen Tod erlöst wurde. Jetzt hat er seine wohl-verdiente Strafe! - Oh, wie bin ich glücklich, daß du erlöst bist, lieber Prinz! - Willst du mit mir auf meines Vaters Schloß kommen und meine Frau werden? - Von Herzen gern.

39


Schneeweißchen wurde mit dem Königssohn vermählt und Rosenrot mit seinem Bruder. Sie teilten die großen Schätze miteinander, die der Zwerg in seiner Höhle zusammen getragen hatte. Die beiden Rosenbäumchen aber standen jetzt im Schloß vor dem Fenster ihrer Mutter und trugen jedes Jahr die schönsten Rosen: weiß und rot.

Fragen zum Märchen:

"Schneeweißchen und Rosenrot" 1- Wo wohnte die arme Witwe? Wieviele Kinder hatte sie? 2- Warum heißen die Kinder Rosenrot und Schneeweißchen? 3- Wie verhielten sich die Mädchen miteinander und mit den Tieren? 4- Was sagte die Mutter, als man plötzlich an der Tür klöpfte und Rosenrot sie aufmachen wollte? Wer war hinter der Tür? 5- Was sagte Rosenrot, als sie verschreckt die Tür wieder zumachte und was sagten die Mutter und Schneeweißchen danach? 6- Was sagte der Bär, der vor der Tür stand, als Rosenrot die Tür wieder aufmachte? Haben sie ihm erlaubt, herein zu treten? Was sagte die Mutter? 7- Was machten die beiden Schwestern, als der Bär von ihnen verlangte, ihm den Schnee aus dem Pelz zu klopfen? 8- Warum verließ der Zottelbär das Haus, als der Frühling kam? 9- Was verwunderte Schneeweißchen sehr und wie hatte sie bei sich gedacht, als der Zottelbär beim Abschied fortgehen wollte? 10- Wen hat sie gesehen, als die Schwestern in den Wald gingen, um Reisig zu holen? Was sagten sie zueinander und was taten sie zum Schluß? 11- Wie kam es, daß der Bart des kleinen Männchen eingeklemert war? Was sagte er darüber zu dem Mädchen? 12- Was sagte der Zwerg, als Schneeweißchen gehen wollte, um Hilfe zu holen? Wie hat er sich dem Mädchen dafür bedankt? 13- Was sahen die Schwestern in der Nähe des Baches, als sie eine Mahlzeit Fische angeln wollten? 14- Warum sagte der Zwerg den Kindern: Ich kann mich vor den meinigen ja gar nicht mehr sehen lassen? Was für Schimpfwörter sagte er ihnen?

40


15- Warum gingen SchneeweiĂ&#x;chen und Rosenrot in die Stadt? Was geschah, als sie unterwegs Ăźber die Heide kamen? Wie halfen sie dem Zwerg wieder?

41


7. Schneewittchen Es war einmal mitten im Winter; eine junge Königin saß an ihrem Fenster aus Ebenholz und nähte. Die Schneeflocken tanzten draußen durch die Luft und setzten sich dann auf das schöne schwarze Holz und wie die Königin so nähte, da stach sie sich mit der Nadel in den Finger und machte ihn in den Schnee. Da sagte sie bei sich: - Oh, wie schön ist das Rot in dem weißen Schnee. Lieber Gott, ich wünsche mir ein Kind so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Bald darauf gebar sie ein Töchterchen. Doch als es geboren war, starb die Königin. Aber das Kind war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und schwarzhaarig wie Ebenholz und darum wurde es Schneewittchen genannt. Über ein Jahr nahm der König eine andere Frau. Sie war sehr schön, aber hartherzig und hochmutig. Sie besaß einen wunderbaren Spiegel. Oft trat sie vor ihn hin und fragte: - Spieglein, Spieglein an der Wand! Wer ist die Schönste im ganzen Land? - Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land. - So bin ich zufrieden mein Spiegel, denn ich weiß, daß du immer die Wahrheit sagst. Oh, nie könnte ich es ertragen, daß jemand schöner ist als ich. Doch als Schneewittchen heranwuchs, betrachtete sie die Königin mit bösem Neid und sagte bei sich: - Das Kind ist erst sieben Jahre alt und jeden Tag wird es schöner und schöner. Gleich muß ich meinen Spiegel fragen, ob ich noch die Schönste bin: Spieglein! Spieglein an der Wand! Wer ist die Schönste im ganzen Land? - Frau Königin! Ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen ist noch tausend mal schöner als ihr. - Was?! Das junge eitle Ding! Das soll sie schlecht bekommen. Ist sie schöner als ich, so muß sie sterben Kammerfrau! Ruf mir den Jäger! - Meine Königin was verlangt Ihr von Eurem getreuen Jäger? - Jäger, bring Schneewittchen hinaus in den Wald. Ich kann es nicht mehr vor meinen Augen sehen, dort mußt du es töten und mir Lunge und Leber zum Wahrzeichen mitbringen! Ich will sie in Salz kochen und essen. Der Jäger gehorchte. Als er aber tief im Walde seinem Hirschhänger zog, da fing Schneewittchen an zu weinen: - Ah, lieber Jäger! Hab doch Erbarmen, laß mir mein Leben. Ich will dann in den wilden Wald hinein laufen und nimmer mehr wieder kommen.

42


- So lauf hin du armes Kind! Ich habe Mitleid mit dir, weil du so schön bist! Der bösen Königin aber werde ich Lunge und Leber von einem jungen Reh bringen. - Ich danke Euch Jäger. Nun springe ich fort, solange mich meine Füsse tragen. Gott wird mir schon helfen. Da lief es über Dornen und Steine und lief sieben Tage mutterseelenallein! Aber am Abend des siebten Tages sah es ein Häuschen! Da freute es sich und dachte: - Vielleicht bekomme ich hier ein Stückchen Brot und kann einwenig ausruhen. Ich will anklopfen. - Es rührt sich nichts! Ach! Ich darf wohl hinein gehen. Oh, da ist ja ein Tisch mit sieben Tellerchen und sieben Löffelchen und Gäbelchen und Messerchen! Ich nehme von jeden ein wenig Gemüse und ein Brücklein Brot und aus jedem Becherchen trinke ich einen Tropfen Wein und weil ich da so müde bin, lege ich mich im Bett von Herren des Häuschens. Dann kammen die sieben Zwerge. Der älteste zündete ein Lichtlein an und sagte: - Es ist jemand in unserem Stübchen gewesen! Es ist nicht alles so, wie wir es gelassen haben! - Santral! Wer hat auf mein Stühlchen gesessen?! - Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? - Wer hat von meinem Brötchen genommen? - Wer aus meinem Becherchen getrunken? - Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten? - Und wer mit meinem Gäbelchen gestochen? - Aber seht nur! In meinem Bettchen liegt ja ein Mädchenkind! - Kommt mit eurem Lichtlein, daß wir es sehen! - Oh, du mein Gott, wie schön ist es! - Oh, welche Freude! Es ist schöner als die schönsten Blumen! - Steh Bruder! Pst! Weckt es nicht auf! - Weckt es nicht auf! Es soll fortschlafen bis zum Morgen. Als die Sonne aufging, kamen die Zwerge zu seinem Bettchen. Sie weckten es auf und der Älteste fragte: - Wer bist du und wie heißt du?

43


- Ich heiße Schneewittchen. Ich bin eine Königstochter. - Eine Königstochter! - Aber wie bist du nur hierher gekommen? - Meine Stiefmutter wollte mich töten, aber der Jäger schenkte mir das Leben. So lief ich sieben Tage bis zu eurem Häuschen. - Oh, du armes schönes Kind! Willst du bei uns bleiben und für uns kochen, waschen, und alles ordentlich und reinlich halten? - Oh, ja! Von Herzen gern, ihr guten Zwerge! - So soll es dir gut gehen. - Wir sind den ganzen Tag an den Bergen und graben nach Edelsteine und Gold, und kommen erst abends zurück, deshalb laß niemand herein! - Nein! - Und hüte dich vor allem vor deiner Stiefmutter! - Schneewittchen laß niemand herein! So blieb Schneewittchen bei den Zwergen und hielt ihr Häuschen wohl in Ordnung. Die grausame Königin aber meinte Schneewittchen wäre töt. Mit böser Freude stellte sie sich vor ihren Spiegel und sagte: - Spiegellein! Spiegellein an der Wand!! Wer ist die schönste im ganzen Land? - Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen über den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ist noch tausend mal schöner als ihr. - Was!?! So hat mich der Jäger betrogen! So ist Schneewittchen noch am Leben! Aber nicht mehr lange. Ich weiß schon, wie ich das schöne Blumlein vertrete. Sogleich verkleidete sie sich als alte Krämerin und ging über die sieben Berge zu den sieben Zwergen und klopfte an die Tür. Da sah Schneewittchen zum Fenster heraus und rief: - GutenTag, Alte! Was wollt Ihr? - Schöne Ware feil! Gute Ware feil, liebes Kind! Samtene Bänder von allen Farben! - Ich darf aber nicht aufmachen. Die Zwerge haben es mir verboten. - Das ... ... ... wird dir doch wohl erlaubt sein. Sieh nur, diesen Schnürriemen aus feiner Seide geflochten! Der sollte dich schmücken liebes Kind!

44


- Ah ja! Wie schön er ist! Ich habe schon lange keinen Schnürriemen mir gekauft und mein einziger ist schon so alt und abgebraucht. So, kommt nur herein ehrliche Alte! Euch darf ich wohl einlassen. - Ei Kind! Du hast eine gar hübsche Gestalt, aber wie sieht nur dein Mieder aus! Komm! Ich will dich einmal ordentlich schnüren. Sieh nur! Es geht ganz geschwind. Die Zwerge werden ihre Freude haben, wenn sie dich nachher ansehen! - Aber er tut mir weh Alte! Nicht gar! ... ... ... - Wer schön sein will, muß leiden. - Alte! Es ist zu fest! Der Atem vergeht mir! Aber da schnürte die böse Alte nur immer geschwinder und immer fester, bis Schneewittchen wie tot zu Erde fiel. Dann lief die falche Krämerin weg. - Nun bist du die schönste gewesen. Jetzt kann ich beruhigt nach Hause gehen, denn ich bin wieder die Schönste im Land. Bald darauf kamen die Zwerge zurück. Als sie das Kind am Boden liegen sahen, da riefen sie vor Schrecken: - Unser armes Schneewittchen! Oh weh! Es regt und bewegt sich nicht! - Ah! Es ist tot! - Nein, nein Brüder! Könnt ihr nicht sehen?! Es ist nur zu Fest geschnurt! Schnell! Hebt es aufs Bett! Ich Schneide die Schnuürreimen entzwei. Da horcht mal nur! Sein Herz fängt wieder an, zu schlagen und seine Wangen werden wieder rot! - Oh! So schlägt es seine Augen wieder auf! - Ah Schneewittchen! Was ist nur geschehen? Da erzählte es den Zwergen, was sich zu getragen hatte, und der Älteste sprach. - Die alte Krämerfrau war niemand anders als die gottlose Königin! - Also laß keinen Menschen rein, wenn wir nicht da sind. - Schneewittchen laß ja niemand herein! Die Königin war indessen heimgekehrt. Da stellte sie sich gleich vor ihren Spiegel und fragte: - Spiegellein! Spiegellein an der Wand! Wer ist die Schönste im ganzen Land? - Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen über den Bergen bei den sieben Zwergen ist noch tausend mal schöner als Ihr.

45


- Was?! Dieses verhaßte Ding ist wieder lebendig geworden! Das Herz kehrt sich mir um in meinem Leib, aber ich will es zu Grunde richten. Zum dritten mal soll es mir nicht entkommen. Es muß sterben. In meiner verborgensten Kammer mache ich einen Apfel mit einer roten und einer gelben Backe. So frisch und schön, daß ihm niemand wiederstehen kann. Die gelbe Backe mache ich süß und gut, die rote aber fülle ich mit todlichem Gift. Wer auch nur einen Bissen davon ißt, muß sterben. Als der Apfel fertig war, verkleidete sie sich als alte Bäuerin und ging über die sieben Berge zu den sieben Zwergen und rief: - Gute Ware feil! Frisches Obst! Süße schöne Äpfel! Gute Ware feil, frisches Obst, schöne süße Äpfel, gute Ware feil! - Geht nur weiter Frau! Ich darf niemand hereinlassen. Die Zwerge haben mir es verboten. - Mir auch recht! Meine Äpfel werde ich schon los! Aber du bedauerst mich schönes Kind! Da nimm! Einen will ich dir schenken. - Nein, ich darf nichts annehmen. - Fürchtest du dich etwa vor Gift! Sieh hier! Ich schneide den Apfel in zwei Teile. Die rote Backe ist für dich. Die Weiße will ich selbst essen. Da konnte Schneewittchen nicht mehr länger widerstehen. Sie streckte die Hand aus und nahm die giftige Hälfte! Aber wie sie einen Bissen davon im Munde hatte, fiel sie wie tot zu Erde! Da lachte die Königin böse: - Jetzt ist es aus mit dir? Nun wärest du so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarhaarig wie Ebenholz. Diesmal können dich die Zwerge nicht wieder lebendig machen. Nun habe ich endlich Ruhe, denn nun bin ich wieder die Schönste im Land. Bald darauf kamen die Zwerge zurück. Als sie Schneewittchen am Boden liegen sahen, da riefen sie vor Schrecken: - Das hat die böse Königin getan? Schnell! Wir wollen suchen, ob wir hier twas giftiges finden. - Wir legen es auf das Bettchen. - Und ich will es auch schnüren! - Ich will ihm die Haare kämmen! - Und ich will es waschen mit Wasser und fein! Was die Zwerge aber auch versuchten, es half nichts! Schneewittchen blieb tot. Da wollten sie es begraben, aber der Älteste sagte:

46


- Wir dürfen es nicht in die schwarze Erde versenken! Es sieht noch zu frisch und schön aus! - Laß uns einen Sarg aus Glas machen, so können wir es jeden Tag anschauen und ich will eine goldene Inschrift darauf setzen. Schneewittchen lag lange Zeit in dem Sarg und es sah aus, als ob es schliefe! Nun geschah es aber, daß sich ein Königssohn in dem Wald verirrte und zu den Zwergen kam. Da zeigten sie ihm das liebliche Mädchen in dem gläsernen Sarg und erzählten ihm seine traurige Geschichte. Der Königssohn sah es voller Verwunderung an und las die goldene Inschrift. - Hier schläft unser liebes Schneewittchen! Es war ein Königskind! Mein Gott! Wie ist es so schön! Ach, wäre es nur lebendig! Noch im Tod ist es so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und schwarzhaarig wie Ebenholz! Ihr guten Zwerge! Laßt mir den Sarg! Ich will euch Gold und Edelsteine geben und alles, was ihr verlangt! - Wir werden ihn nicht verkaufen. Nicht um alle Schätze der Welt. - So schenkt ihn mir denn, Schneewittchen hat mein Herz so gerührt, daß ich nicht mehr leben kann, ohne es zu sehen. Ich will es bewahren wie mein Allerliebstes! - Nun schöner junger Königssohn! Wenn du es so sehr lieb hast, wollen wir es dir schenken. Was sagt ihr meine Brüder? - Ja, gib ihm das Königskind, es ist ja ein Königssohn! - Oh, tausend Dank, ihr guten Zwerge! Ich will den Sarg gleich auf mein Pferd legen und in das Schloß meines Vaters bringen. Er war schon eine Weile fortgeritten, da geschah es, daß das Pferd über eine Würzel stolperte, der Sarg fiel zu Boden, der Deckel sprang auf und von der Erschütterung sprang der giftige Apfelbissen aus Schneewittchens Hals heraus. Da schlug es die Augen auf und sagte: - Ach Gott! Wo bin ich nur? - Du bist bei mir, Schneewittchen! Hab keine Angst! - Aber wer bist du? - Ich bin ein Könissohn und ich habe dich mehr lieb als alles auf der Welt. - Ein Königssohn?! Was ist nur geschehen? Warum bin ich in einem Sarg und wo sind die Zwerge? - Die böse Königin hat dir einen giftigen Apfel gegeben. Du hast wie tot ausgesehen und so haben dich die Zwerge in diesen Sarg gelegt, aber nun ist

47


alles vorbei und vergessen. Wie über groß ist meine Freude, daß du wieder lebendig bist! Willst du mit auf das Schloß meines Vaters kommen und meine Gemahlin werden? - Oh, von Herzen gern! Aber werden die Zwerge nicht böse sein? - Ach, nein! Sie haben dich mir ja geschenkt! Weil ich dich so lieb habe. Nun komm meine Prinzessin. Wir reiten ins Schloß. Bald werden wir eine prachtvolle Hochzeit feiern, mit allem Glanz und Herrlichkeit und alle sieben Zwerge sollen dabei sein. Zu dem Fest wurde auch Schneewittchens gottlose Stiefmutter eingeladen. Da trat sie vor den Spiegel und sprach: - Spiegelein! Spiegelein an der Wand! Wer ist die Schönste im ganzen Land? - Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen ist noch tausend mal schöner als Ihr. - Das ertrage ich nicht! Nein, niemals! Heute muß Schneewittchen sterben. Ich will ihr Gift ins Glas tun. Als aber die Königin nun mit ihrem bösen Plan in den Festsaal trat, da wurden rotglühenden Pantoffeln herbei getragen. Sie mußte sie anziehen und solange daran tanzen, bis sie tot zu Erde fiel.

Fragen zum Märchen: "Schneewittchen" 1- Warum wurde das Kind Schneewittchen genannt und was geschah, als es geboren war? 2- Wie war die neue Königin, die statt Schneewittchensmutter ins Schloß gekommen war und wasfür ein wundersames Ding hatte sie bei sich? 3- Wie alt war Schneewittchen, als die Konigin sie zum ersten mal mit bösem Neid betrachtete und merkte, daß sie jeden Tag schöner wird? 4- Was verlangte die Königin von dem Jäger und wie war seine Reaktion? Hat er alles getan, was ihm die Königin befohlen hatte? 5- Was sagte Schneewittchen dem Jäger,als sie erfuhr, daß er sie töten wollte und was antwortete der Jäger? 6- Wohin ging Schneewitchen im Wald, als der Jäger sie frei ließ und verließ? 7- Wem gehörte das Häuschen im Wald und was haben die Hausbewohner gesehen und gesagt, als sie nach Hause zurückkamen? 8- Was fragte der älteste Zwerg Schneewittchen, als es aufwachte? Was antwortete sie und was haben sie dann entschieden?

48


9- Wo arbeiteten die Zwerge und was machten sie dort? 10- Wie erfuhr die Königin zum erstenmal, daß Schneewittchen noch am Leben war und was hatte sie danach getan? 11- Was sagte Schneewittchen zu der falschen Krämerin (Königin), als es sie zum ersten Mal hinter der Tür anklopfen hörte? Und was sagte die Königin? Was ist dann geschah? 12- Was hatten die Zwerge getan, als sie nach Hause zurückkamen und Schneewittchen auf der Erde fallen sahen? 13- Was sagte der älteste Zwerg über die Königin, als Schneewittchen den anderen erzählte, was alles dort passiert war? 14- Was hat die Königin getan, als sie ins Schloß zurückkehrte? Als was verkleidete sich die Königin zum zweiten Mal? Was sagte sie zu Schneewittchen hinter der Tür und was antwortete sie ihr. Was geschah zum Schluß? 15- Was taten und sagten die Zwerge, als sie zum zweiten Mal nach Hause kamen und Schneewittchen am Boden liegen sahen? Konnten sie es wieder lebendig machen? 16- Was sagte der älteste Zwerg dazu, als die anderen Zwerge Schneewittchen begraben wollten? 17- Was geschah, daß Schneewittchen wieder lebendig wurde? 18- Was ist passiert, als der Sarg zum Boden fiel und Schneewittchen die Augen aufschlug? Was hat man zum Schluß gemacht? 19- Wasfür bösen Gedanken hatte die Königin zum letzten Mal, als sie vor den Spiegel ging und hörte, daß Schneewittchen noch am Leben ist. Wie hat man sie bestraft?

49


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.