6 minute read

ZU KALT FÜRS SURFEN?

Next Article
Kurz geschnackt...

Kurz geschnackt...

NÖ, NIE!

Ein Interview mit Christopher Bünger, Chef von Südkap Surfing

Advertisement

Klischees zu Surf- und Skilehrern gibt’s ähnlich viele wie für Künstler, DJs und Rettungsschwimmer. In der Optik entspricht Christopher Bünger auf den ersten Blick 1:1 dem, was man landläufig vom Berufsstand erwarten würde. Wenn er den Mund aufmacht, sprengt der smarte Wahl-Sylter aus Brandenburg den Surfer-Boy-Rahmen dann aber schon nach wenigen Worten. Nebenbei bemerkt: Er hat in den letzten acht Jahren ein respektables Business auf Sylt aufgebaut – mit an die 30 Mitarbeiter im Sommer, zwei Schulungsspots in Wenningstedt und in Hörnum, WassersportRundum-Angebote, inklusive Segeln als Disziplin, Retreats, einem Shop in Hörnum mit eigener Textil-Kollektion sowie einem unerschöpflichen Pool an neuen Ideen. Mit „Mensch, Sylt!“ sprach er über seine Quarantäne-Zeit, den Zauber von kaltem Wasser, großen Wellen und warmem Kakao…

Du warst als Jugendlicher in Brandenburg Leistungsschwimmer und hast Dich beruflich für die soziale Schiene entschieden, bist Kinder- und Familienpfleger geworden. Wie hast Du denn die Surferei für Dich entdeckt?

Christopher Bünger: Ich habe mich immer sehr fürs Rettungsschwimmen auf Wettkampfebene begeistert und für den Wassersport sowieso. Segeln, Wellenreiten und Windsurfen – habe ich alles gelernt und später auch einen Ausbilderschein bekommen. Na ja, und um ordentlich Wellenreiten zu können, muss man natürlich auch zu den entsprechenden Surfspots reisen.

Und schon war es um Dich als anständiger Sozialarbeiter geschehen?

CB: Die Freude am Umgang mit Menschen kommt meinen Schülern heute natürlich auch noch zugute. Aber klar: Ich habe dann viele Jahre lang dort gelebt und gearbeitet, wo man super surfen und überhaupt Wasser sporten kann. In der Surfschule in Westerland habe ich Erfahrungen gesammelt, im Robinson Club auf Fuerteventura auch. Eine besonders tolle Zeit war es, im Club auf Naxos das Sportteam zu leiten. Bei Robinson habe ich sehr viel lernen dürfen über Qualitätssicherung, Strategie und Management von Wassersportschulen.

Du bist ein guter Planer. Alles, was Du für die Saison 2020 vorbereitet hattest, musstest Du dann aber erst einmal knicken, ohne zu wissen, wie es weitergeht. Wie waren für Dich die zwei Monate ohne Gäste im Sylter Lockdown?

CB: Na ja, am Anfang kamen Corona und der Lockdown natürlich schon etwas bedrohlich daher. Es gab wahnsinnig viel zu organisieren – gerade auch wegen meiner drei festen Mitarbeiter, die dann Kurzarbeit antraten, aber auch die Saisonkräfte mussten natürlich erst einmal in den Stand by-Modus gehen. Die waren überall auf der Welt verstreut im Frühjahr. Wir haben dann regelmäßig geskypt und uns auf dem Laufenden gehalten. Mit meiner Freundin Lena habe ich diese unglaubliche Stille und die mächtige Natur hier auf Sylt aber auch zutiefst genossen. Ich war viel auf dem Wasser – die Bedingungen waren oft exzellent. Eine spannende Zeit, in der klar wurde, dass man im Leben längst nicht alles planen kann. Man konnte seine Krisenfähigkeit erproben. Ich glaube, ich kann das ganz gut.

Du hattest alternative Pläne gefasst für den Fall der Fälle, dass hier über längere Zeit gar nichts mehr geht?

Ich hab ja mal „was Ordentliches“ gelernt – und ich habe mich im Frühjahr tatsächlich auch in meinem Beruf beworben – bei der „Lebenshilfe“ und bei den Johannitern. Die brauchten mich aber nicht. Und ein Konzept habe ich auch entwickelt für Wassersport mit gehandicapten Menschen. Das liegt jetzt in der Schublade, aber ganz bestimmt findet es später irgendwann seine Umsetzung. Bis zum Oktober war dann so viel, dass wir froh waren, das Tagesgeschäft zu bewältigen. Und, ach ja, einen Onlineshop für die Textilien haben wir natürlich auch entwickelt.

Und ein Konzept habe ich auch entwickelt für Wassersport mit gehandicapten Menschen. Das liegt jetzt in der Schublade, aber ganz bestimmt findet es später irgendwann seine Umsetzung.

Draußenaktivitäten, speziell Sport in der weiten Natur, sind natürlich in Coronatimes genau das, was funktioniert. Ging es denn gleich von 0 auf 100 los Mitte Mai in der Surfschule, als Sylt die Pforten öffnete?

CB: Ja, aber wie. Das Telefon stand nicht still. Die Leute waren gleich Mitte Mai in Hörnum und in Wenningstedt vor Ort und wollten aufs Wasser. Meine Mitarbeiterin im Office hat sich um alle Online-Umbuchungen gekümmert, denn die Hälfte unserer Plätze werden inzwischen im Voraus gebucht. Wir haben dann viel mehr Material angeschafft – Bretter, um der steigenden Nachfrage gewachsen zu sein und auch viele Neos, um den Corona-Hygienestandards Rechnung tragen zu können. Wir haben uns immer bemüht, auch die Bedürfnisse und Schulungswünsche von spontanen Gästen zu berücksichtigen. Das Feedback war superpositiv und irgendwie ging es auch alles locker von der Hand. Eine echt besondere Zeit, aber in der Herausforderung steckt ja auch etwas sehr Spannendes.

Deine Mitarbeiter kommen von überall her. Wie gewährleistest Du einen Roten Faden, also einen Qualitätsstandard der Schulungen, der Deinen Ansprüchen genügt?

CB: Ich habe da echt einen Super-Coach für mein Team. Wahrscheinlich den Besten. Otto Oldenburg aus Flensburg ist Surfaktivist und Dozent für Surfschulungen an der Uni Flensburg.

Hätte mich jetzt auch gewundert, Du hättest das nicht geregelt. Wo Du keinen Einfluss drauf hast, sind die Bedingungen, die Mutter Natur für den Wassersport so stellt. Wie war das denn diese Saison?

CB: (strahlt) Sagenhaft. Da war für alle Bedürfnisse, Talente und alle Wassersport-Disziplinen viel Schönes im Angebot. Abgesehen davon hatten wir hier in Wenningstedt direkt am Strandübergang unter der Surfschule eine wunderbare Sandbank und die allerbesten Wellen, um zu schulen und als Könner ins Wasser zu gehen. [In der Zeit unseres Interviews, springen immer wieder Surfer*innen auf die Balustrade des Holzpodests hinter der Düne und überzeugen sich von den aktuellen Bedingungen.] Als Service poste ich auch täglich den Swell, also die Dünung der Wellen in Ufernähe, mit einem Rundum-Panorama-Filmchen, damit Interessierte wissen, ob die Bedingungen für sie passen und sie sich auf den Weg machen sollen!

Eigentlich sind die Sylter Surfer ab dem Herbst, sobald es Schule oder Job zulassen, auf dem Weg dorthin, wo das Wasser warm und die Wellen hoch sind. Das ist diesen Winter kaum möglich. Wie geht es Dir damit?

Ich glaube, Sonne habe ich für dieses Leben schon reichlich an meine Haut gelassen. Ich mag das Surfen und Kiten in kaltem Wasser sowieso. Außer auf Sylt surfe ich auch gerne in Dänemark, vor allem die Bedingungen in Klitmøller, oben in Nordjütland, sind grandios – das gilt dort als das „Cold Hawaii“. Die Neopren-Ausrüstungen sind echt so gut, dass man die Kälte nicht so richtig als Ausrede nehmen kann, um nicht auch im Winter zu surfen. Ein wenig sehr rustikal ist eigentlich nur der Januar und Februar hier bei uns.

Heißt also, rein ins Wasser! Die Bretter und das ganze Zeugs können Sylter ja sogar hier bei Dir in der Surfschule parken – für einen kleinen Betrag, dafür hat sich ja damals der Tourismus-Service als Verpächter des Standorts, stark gemacht. Was kostet denn jetzt so eine total neue „Ich-friere-auch-bei-0-Grad-nicht-Ausrüstung?“

CB: Für 300 bis 400 Euro ist man allerbestens versorgt – vom Kopf, über die Hände, bis einschließlich zu den Füßen.

Und was empfiehlst Du, wie man am besten an den Strand kommt im Winter, das An- und Ausstrüpppen bei kleinen Temperaturen, stelle ich mir ziemlich ätzend vor?

Einfach direkt schon im Neo von zuhause losfahren… viele schwingen sich auch aufs Rad – mit Gepäckträger fürs Brett. Warme Duschen am Strand wären für uns natürlich ein Luxus-Traum – und für Surfen und Baden extrem saisonverlängernd. Sonst zuhause warm duschen und unbedingt heißen Kakao trinken, das hilft immer.

Deine Saison ging bis tief in den Herbst hinein, jetzt im November die zweite Pause. Was machst Du jetzt so?

CB: Es gibt noch jede Menge Nacharbeit, Feedbackgespräche mit den Mitarbeitern und neue Konzepte zu entwickeln fürs nächste Jahr. Es muss auch handwerklich über den Winter einiges passieren – und es gibt viel Zeit zum Surfen.

Die Sylter kommen auch jetzt immer ran an ihre Ausrüstung?

CB: Aber klar.

Alles über Christophers Business: www.suedkap-surfing.de

This article is from: