Landschaft aufdecken // Lisa Brunnert

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Landschaft aufdecken – von der (subjektiven) Wahrnehmung zur (Frei)Raum-Strategie

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Urban Design Masterthesis HafenCity Universit채t Hamburg Sommersemester 2013 Prof. Dipl.-Ing. Bernd Kniess Prof. Dr. Kathrin Wildner Lisa Brunnert

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Inhalt Einleitung

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Ein Stück Stadt Lage und Struktur Stadtentwicklung - Landschaft als einwirkende Kraft

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Landschaft Eine Verhandlung Eine Positionierung

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Forschung Forschungsinteresse Forschungsfrage Zielformulierung Forschungsprozess

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Landschaft aufdecken Bewegung und Wahrnehmung Spuren folgen – das Zeitliche der Landschaft Es gab... eine Beschreibung Es wird geben... ein Eindruck Eine implizite Karte Materialauswertung – implizites transformieren Eine Offene Codierung Codierungsprozess/Codes Eine Versammlung – Mikrolandschaften Mikrolandschaften – eine nähere Betrachtung Mikrolandschaften – was liegt dazwischen? Codieren – versammeln – Mikrolandschaften: eine Reflexion

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Eine Strategie Vorhandenes ergänzen Szenario „Wasser-Landschaft ergänzen“

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Literaturverzeichnis

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Einleitung Landschaft? Ein nur schwerlich greifbares Gebilde. „Wir haben es bei ‚Landschaft‘ ja weder mit einem eindeutig definierbaren Begriff noch mit einem homogenen Sachverhalt zu tun, sondern mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher, auch konkurrierender Inhalte, Bedeutungen und Verwendungen, die innerhalb der verschiedenen Fach- und Sachgebiete jeweils ihre eigenen Begründungszusammenhang haben“ (Wormbs 2010: 52).

Was macht die Landschaft für die vorliegende Arbeit bedeutsam? Landschaft steht am Anfang. Die bevorstehende Veränderung eines Hamburger Stadtgebietes (Hammerbrook/Hamm Süd) bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Bei näherer Betrachtung der Projekte erscheint Landschaft als treibende Kraft. Durch die bevorstehenden Stadtentwicklungsprozesse kommt sie ins Spiel.

Landschaft als Mittel zur Stadtproduktion? Von welcher Landschaft sprechen wir? Welche Inhalte werden verhandelt und verorten sich im urbanen Raum? Die „klassische“ Landschaftsarchitektur bedient sich eines normierten Repertoires: „Landschaftsachse“ - „Grüne Verbindung“ – „Parkanlage“ – „Naherholung“. Doch was bilden die so konstruierten Räume ab und welche Vorstellung von Landschaft enthalten sie? Die Planungen lassen vermuten, dass der tatsächlichen Beschaffenheit des Stadtgebietes keine Bedeutung zugestanden wird. Vielmehr erscheint Landschaft hinzugefügt.

„Die Stadt-Natur-Beziehung manifestiert sich in vielfacher Weise in den öffentlichen Räumen, nicht zuletzt als Folge des Transfers von Landschaftsbildern in den urbanen Kontext“ (Batlle i Durany 2010: 234). Handelt es sich bei der bevorstehenden Planung demnach um einen Transfer? Und woher stammen unsere Landschaftsbilder? Die aufgeworfenen Fragen machen die Verhandlung über Landschaft notwendig. Über diese Verhandlung gelangt die Arbeit zu einer Position, welche als Grundlage der Landschaft die Wahrnehmung definiert. „Ohne Wahrnehmung keine Landschaft. Sie ist ein individuelles Konstrukt, ein kulturelles Identifikationssystem, ein Wahrnehmungsmodell“ (Schneider 1997). Die Wahrnehmung ermöglicht eine Loslösung vom „Objekt“ der Landschaft. Die Betrachtung der Beschaffenheit wird somit in den Mittelpunkt gerückt und von festen (normierten) Zuweisungen befreit. Diese Auffassung von Landschaft kann der „hinzugefügten Landschaft“ entgegengestellt werden.

Über die Punkte „Landschaft als einwirkende Kraft“, die „Verhandlung der Landschaft“ und die „Positionierung“ ergibt sich ein Forschungsinteresse. Wie ist die Landschaft beschaffen? Welche Raum- und Sinnzusammenhänge weist sie auf? Das Verfolgen von Spuren führt zu weiteren Erkenntnissen – Landschaft ist ein zeitliches Konstrukt. Die Ausrichtung der Forschung kann in diesem Kontext zur Erarbeitung einer Alternative zu der vorab definierten „hinzugefügten Landschaft“ verstanden werden. Über die Person der Forscherin wird die Landschaft aufgedeckt. Die Wahrnehmung wird über die Bewegung zur Synthese. Dabei liegt ein Fokus auf der Darstellung der Landschaft und der Antwort auf die Fragen, wie kann die subjektive Wahrnehmung in Bildern transportiert wer-


den, wie ist die Beschaffenheit zu beschreiben und wie lässt sich die implizite Information (welche der Landschaft inne wohnt) zu einer expliziten Aussage transformieren.

Weiterführend geht es um die Frage, ob die beschriebene Beschaffenheit der Landschaft Impulse für eine zukünftige Entwicklung liefern kann. Abschließend wird der Versuch unternommen, das generierte und zugänglich gemachte Material in eine (Frei)Raum-Strategie für das Gebiet zu überführen. Insofern kann die vorliegende Arbeit als ein experimenteller Versuch einer alternativen Entwicklung von städtischen Freiräumen begriffen werden.

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Abb. 01 Gebiet

Abb. 01.1 Gebiet


Ein Stück Stadt Das Gebiet, das sogenannte „Stadttor Ost“ (siehe Abb. 01/01.1), rückte erstmals im Jahr 2011 in den Fokus eines Forschungs-Interesses. In unserem damaligen Urban Design Project 2 („Auf der Suche nach der Landschaft“) beschäftigten wir uns im Kontext des Otto Linne Preises 2011 (ein Wettbewerb für Studierende der Landschaftsarchitektur) mit den wahrnehmbaren Strukturen vor Ort. Die Auslobung und die Ausrichtung des Wettbewerbs ließen die wachsende Bedeutung des Gebiets für die Hamburger Stadtentwicklung bereits erahnen. Gleichzeitig verortete der Wettbewerb die Frage nach der Landschaft oder einer landschaftlichen Gestaltung im urbanen Kontext in einem vordergründig industriell geprägten Bereich der Stadt.

Heute, im Jahr 2013, wirkt eine Vielzahl unterschiedlicher Entwicklungen auf die bestehenden Strukturen ein. Als übergeordnetes Instrument fungiert der „Masterplan Elbbrücken“ aus dem Jahr 2007. Im Zuge des Masterplans entstanden weitere Planungsdetaillierungen wie das „Städtebauliche Konzept Billebecken“, der „Freiraumplanerische Wettbewerb Grünzug am Hochwasserbassin“ sowie der „Bebauungsplan Rothenburgsort 17“ (siehe Abb. 2). Die Kräfte, die auf das Gebiet einwirken, wecken das Interesse und lenken dieses auf die Mittel, mit deren Hilfe eine Entwicklung oder Veränderung herbeigeführt werden soll.

Lage und Struktur Die zentrumsnahen Hamburger Stadtteile Hammerbrook und Hamm Süd (Hamm) (siehe Abb. 03) wurden während des zweiten Weltkrieges durch die Luftangriffe der Briten und Amerikaner im Juli des Jahres 1943 fast vollständig zerstört. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges entschied man sich dafür, die vorherige Bausubstanz nicht wieder herzustellen. Während Hamm Süd schon im Jahr 1948 überwiegend als Industriegebiet ausgewiesen wurde, lag Hammerbrook über Jahrzehnte brach. Erst in den 1980-er Jahren entstand im Rahmen des „Unternehmen Hamburg“ der Bürostandort „City Süd“ (siehe Abb.04). Heute ist das Gebiet vordergründig geprägt durch große Transit-Achsen. Über die Elbbrücken (Veddeler und Billhorner Brückenstraße) fließt der Verkehr durch die Amsinckstraße und den Heidenkampsweg in das Hamburger Stadtgebiet. Die Bebauung der „City Süd“ (Hammerbrook) wird dominiert von Bürogebäuden. Belebt ist der Stadtteil deshalb zumeist nur an Werktagen. Auch der südliche Bereich des Stadtteils Hamm (Hamm Süd) wird gewerblich genutzt. Anders als in Hammerbrook finden sich hier aber meist Nutzungen mit industrieller Prägung. Einzig das Wohnquartier Osterbrookviertel in Hamm Süd (Hamm) bildet eine Ausnahme. Zudem wird das Gebiet von einer zusammenhängenden Wasserstruktur durchzogen (Mittel-, Süd-, Bille- und Billhornerkanal sowie das Billebecken und die Bille), südwestlich der Amsinckstraße mündet die Bille über den Billhafen in die Norderelbe (Rasmußen/Wulf 2006: 12-21).

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Grünzug am Hochwasserbassin

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Städtebauliches Konzept Billebecken

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Bebauungsplan-Entwurf Rothenburgsort 17

Abb. 02 Verortung Projekte


Hammerbrook Hamm Süd

Abb. 03 Lage in der Stadt

Gemischte Baufläche

Flächen für den Gemeinbedarf

Gewerbliche Baufläche

Flächen für Bahnanlagen

Gemischte Bauflächen (deren Charakter als Dienstleistungszentren durch besondere Festsetzungen gesichert werden soll)

Grünflächen

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Abb. 04 Übersicht Flächennutzungsplan 15


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„Grüne Fenster“

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Abb. 05 Detail Planung „Masterplan Elbbrücken“


Stadtentwicklung - Landschaft als Einwirkende Kraft Während das „Städtebauliche Konzept Billebecken“ und der „Bebauungsplan Rothenburgsort 17“ als Teil des „Masterplans Elbbrücken“ einen baulichen Eingriff in das Gebiet vorsehen, arbeitet der Masterplan auch mit freiraumplanerischen Elementen. Hierzu gehört der „Freiraumplanerische Wettbewerb Grünzug am Hochwasserbassin“. Dieser sieht (wie der Name bereits erkennen lässt) eine punktuelle und bereits detailliert ausformulierte Freiraumgestaltung vor. Folgend sollen die übergeordneten Eingriffe des Masterplans sowie das planerisch bereits ausformuliertes Beispiel des Grünzugs am Hochwasserbassin näher betrachtet werden, und zwar in Bezug auf die Handhabung der Freiraumentwicklung und die damit einhergehenden Annahmen über das Gebiet, auf die innerhalb der Planung verwendeten Begrifflichkeiten und die zugewiesenen Attribute sowie auf die tatsächliche Gestaltung von Orten.

Folgt man den Ausführungen des Masterplans Elbbrücken, sind der Entwicklung im Gebiet selbst weitere Stadtentwicklungs-Maßnahmen im Umfeld vorangestellt: Westlich angrenzend der Bau der HafenCity sowie der nach Süden gerichtete „Sprung über die Elbe“. Die Bedeutung des Gebietes für die Gesamtheit der städtischen Struktur verändert sich demnach maßgeblich. Es wird zu einem „Entree der Inneren Stadt“ (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt 2007: 4). „Mit dem Prozess der urbanen Kultivierung dieses Areals wird die Strukturierung und Gestaltung des öffentlichen Raumes notwendig. Es bedarf einer Einbindung und Vernahtung des ‚unbeachteten Ortes‘ mit der Stadt und mit dem Landschaftsraum entlang der Elbe“ (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt 2007: 4)

Der Masterplan verfügt über ein „Landschaftliches Konzept“. Darin wird der Begriff der Landschaft erstmalig eingeführt. Als Ziel des Konzeptes wird der Ausbau des Freiraumverbundes benannt. Hierbei sollen die übergeordneten räumlichen Bezüge der Hamburger Landschaftsachsen weiterentwickelt werden. Als „Grüner Baustein“ dient dabei die Verbindung zwischen Alster und Elbe. Diese soll sowohl „landschaftlich“ ausgebaut als auch in den Städtebau integriert werden. Die Gestaltung soll „landschaftlich“ ausgerichtet sein. Als ein Bestandteil der geplanten Verbindung fungiert der „Grünzug am Hochwasserbassin.“ Für die Ufer der Bille formuliert der Masterplan die Zielsetzung „grüne Fenster zum Wasser“. Die Erschließung der Ufer soll schrittweise durch die öffentliche Zugänglichkeit einzelner Parzellen erfolgen. Innerhalb des „Bebauungsplans Rothenburgsort 17“ findet die „landschaftliche“ Verbindung von Alster und Elbe eine Fortsetzung. Diese wird hier als vierreihige baumbestandene Allee ausformuliert (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt 2009) (siehe Abb. 05). Der im Rahmen des Masterplans bereits thematisierte „Grünzug am Hochwasserbassin“ erlaubt einen detaillierteren Blick auf die bevorstehende Planung. Die im Zuge des 2009 ausgelobten Wettbewerbs eingereichten Beiträge kon-

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Rothenburgsort

Abb. 06 Detail Planung „Grünzug am Hochwasserbassin“


kretisieren die innerhalb des Masterplanes noch eher konzeptionelle Idee der „Landschaftsachse“ zwischen Alster und Elbe. In der Auslobung des Wettbewerbes (durch die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt) wird das Gebiet als „identitätslos“ beschrieben und im Besonderen die defizitäre Nutzung hervorgehoben. Als Ziel wird eine innenstadtnahe Verbindung zwischen Horner Geest und der Bille formuliert. Sie soll nach Möglichkeit eine Bedeutung für die Naherholung erlangen (unter Berücksichtigung ökologischer und stadtklimatischer Aspekte) und einen attraktiven Lebens- und Aufenthaltsraum generieren (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt 2009).

Innerhalb des Erläuterungstextes des Sieger-Entwurfes wird die Planung als Entwicklungsimpuls für die umliegenden Stadtteile beschrieben. Als Potenzial des Ortes wird hierbei die Lage am Wasser (Hochwasserbassin) definiert. Mit Hilfe von „Interventionen“ soll aus dem heterogenen Gebiet eine zusammenhängende Parkanlage herausgearbeitet werden. Die offenen Parkräume stellen (laut Erläuterung) eine allgemein nutzbare Erweiterung sowie eine Vernetzung von Biotopräumen dar. Den Park durchzieht ein Boulevard „Licht und Schatten. Das Glitzern des Wassers und das grüne Dach sind natürliche Gestaltungselemente eines angenehm minimalistisch möblierten Flanierraums“ (Lohrer/Hochrein 2009). Weiterhin soll die Anlage über einen Rundweg verfügen, von dem vor allem Jogger und Spaziergänger profitieren sollen. Als weitere Gestaltungselemente dienen „frei aneignenbare Bereiche in Form von Rasenflächen“, diese sollen Raum für sportliche Aktivitäten, Sonnenbaden, Picknicken etc. bieten. Bereits vorhandene Biotopbereiche (am Bullerdeich) sollen erweitert werden. Im Lauf der Zeit soll sich hier ortstypische Vegetation ansiedeln (Lohrer/Hochrein 2009) (siehe Abb. 6). Der „Masterplan Elbbrücken“ sieht in den bevorstehenden Prozessen der „urbanen Kultivierung“ des Areals die Notwendigkeit für die Gestaltung der öffentlichen Räume. In diesem Zusammenhang wäre die Planung also Überbringer und Garant für urbane Kultur. Gleichzeitig beinhaltet dies auch eine Gestaltung. Somit wäre das Gebiet derzeit urban nicht kultiviert (was auch immer dies bedeuten kann) und verfügt weder über nennenswerte Qualitäten noch über eine Form von gestaltetem öffentlichen Raum.

Gleichzeitig wird die nicht vorhandene Einbindung des Gebiets thematisiert. Wie aber kann ein innerstädtischer Bereich unbeachtet und nicht mit der umgebenden Struktur verbunden sein? Über die Zuweisung von „negativen“ Eigenschaften wird innerhalb des Masterplan-Konzeptes eine Tabula rasa-Situation kreiert. Eine Planung ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände wird somit möglich. Als Teil des Masterplans greift die Wettbewerbs-Auslobung „Grünzug am Hochwasserbassin“ die negative Konnotation auf. Auch hier besitzt der Ort keine eigene Qualität - er ist identitätslos. Hinzu kommt eine defizitäre Nutzung des Wettbewerbs-Gebietes. Worin sich diese Annahmen begründen und was in diesem Kontext eine defizitäre Nutzung ausmacht, wird nicht ersichtlich. In der Formulierung allerdings wird deutlich, dass der bisherigen Nutzung keine Wertigkeit zugesprochen wird. Festzustellen ist, dass bei der bevorstehenden 19


„Nicht in der Natur der Dinge, sondern in unserem Kopf ist die ‚Landschaft‘ zu suchen; sie ist ein Konstrukt, das einer Gesellschaft zur Wahrnehmung dient, die nicht mehr direkt vom Boden lebt. Diese Wahrnehmung kann gestaltend oder entstellend auf die Außenwelt zurückwirken, wenn die Gesellschaft beginnt, ihr so gewonnenes Bild als Planung zu verwirklichen.“


Entwicklung des Gebietes seiner tatsächlichen Beschaffenheit keine gesonderte Bedeutung zugestanden wird. Vielmehr ist die Beschaffenheit negativ konnotiert und rechtfertigt somit die „Über-Planung“ des öffentlichen Raumes.

In der Planung der öffentlichen Räume/Freiräume innerhalb des Gebiets steht die Gestaltung mit Hilfe von Landschaft im Vordergrund. Dies verdeutlichen die Begrifflichkeiten, mit denen der Masterplan, die Wettbewerbs-Auslobung und der Erläuterungstext des Sieger-Entwurfs operieren. Eine Verbindung wird hergestellt über eine „Landschaftsachse“ und „landschaftliche Gestaltung“. Die Verbindung wird zum „Grünen Baustein“ und die Zugänglichkeit der Bille wird durch „grüne Fenster“ generiert. Das „Grüne“ (die Landschaft) setzt sich in dem konkreten Entwurf für den „Grünzug am Hochwasserbassin“ fort. Hier nimmt die Landschaft die Form offener Parkräume an.

Gleichzeitig wird ein weiteres Thema in die Landschaft eingespielt: Die Natur. Schon die Wettbewerbs-Auslobung operiert mit ökologischen und stadtklimatischen Aspekten. Diese erfahren im Erläuterungstext eine Verknüpfung mit dem Wasser und findet ihre Verortung in Biotopbereichen. Ein weiterer Baustein der Landschaft ist die Naherholung mit den damit verbundenen Aktivitäten: Sport (Joggen), Sonnenbaden, Spazieren gehen (Flanieren) und Picknicken. Rasenflächen, Alleen und „grüne Dächer“ runden das Bild der Landschaft gestalterisch ab.

In diesem Kontext stellt sich Fragen, zum Beispiel: Auf welcher Vorstellung von Landschaft basieren die vorab verhandelten Planungen und Eingriffe? „Nicht in der Natur der Dinge, sondern in unserem Kopf ist die ‚Landschaft‘ zu suchen; sie ist ein Konstrukt, das einer Gesellschaft zur Wahrnehmung dient, die nicht mehr direkt vom Boden lebt. Diese Wahrnehmung kann gestaltend oder entstellend auf die Außenwelt zurückwirken, wenn die Gesellschaft beginnt, ihr so gewonnenes Bild als Planung zu verwirklichen“ (Burckhardt 2006: 19). Wenn Landschaft ein geistiges Konstrukt ist, ist zu fragen, woher es stammt und was es für die Planung im betrachteten Gebiet bedeutet? Sind es die passenden Bilder, die hier als Planung verwirklicht werden? „Städtische Grünanlagen, in der Regel Parks, verkörpern die gängige Vorstellung einer idealen Landschaft im öffentlichen Raum“ (Batlle i Durany 2010: 234). Setzt man dies in Bezug zur vorab verhandelten negativ Konnotation der Beschaffenheit und der Nichtbeachtung der tatsächlichen Struktur, dann scheint die geplante „Landschaft“ nicht der Natur der Dinge (um es mit Burckhardts Worten zu beschreiben) zu entstammen. Abschließend lässt sich feststellen: Landschaft oder genauer: die Vorstellung von Landschaft spielt (im betrachteten Gebiet) im Rahmen der Stadtentwicklung eine Rolle. Sie ist also beteiligt an der Produktion von Stadt und somit als einwirkende Kraft zu benennen. Im folgenden Kapitel soll das „Konstrukt Landschaft“ näher betrachtet werden.

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Landschaft

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Landschaft Der Ursprung des „Landschafts-Konstruktes“ und die Vorstellung von Landschaft soll folgend mit Hilfe theoretischer Ansätze näher betrachtet werden. Denn der Begriff der „Landschaft“ ist vielschichtig. Zu fragen ist, wo die Wurzeln des Begriffes „Landschaft“ liegen und unter welchen Voraussetzungen wir mit dem Begriff operieren. Wie aufgezeigt, dienen die normierte Auffassung von Landschaft und die damit einhergehende „landschaftlichen Gestaltung“ als Mittel zur Produktion von Stadt. Doch woher stammen die darin enthaltenen Annahmen über die Beschaffenheit von Landschaft? Wie gelangen natürliche Attribute und Naherholung in ein Industriegebiet? Und könnte oder müsste Landschaft in diesem Zusammenhang nicht neu verhandelt werden?

Eine Verhandlung Am 26. April 1336 bricht Petrarca (ein italienischer Dichter und Geschichtsschreiber) auf, um den Mont Ventoux zu besteigen. Mit dieser Besteigung gehört er zu den Italienern, die als früheste unter den Modernen der Natur in einem besonderen Sinne nahe traten. Dieser besondere Sinn unterschied sich vom Forschen und Wissen und erlaubte es, die Natur als Landschaft, als etwas mehr oder weniger Schönes, wahrzunehmen und zu genießen. Die Natur als Landschaft tritt neben die in der Philosophie und Wissenschaft begriffene Natur. „Landschaft ist Natur, die im Anblick für einen fühlenden und empfindenden Betrachter ästhetisch gegenwärtig ist. Nicht die Felder vor der Stadt, der Strom als ‚Grenze‘, ‚Handelsweg‘ und ‚Problem für Brückenbau‘, nicht die Gebirge und die Steppe der Hirten und Karawanen […] sind als solche schon ‚Landschaft‘. Sie werden dies erst, wenn sich der Mensch ihnen ohne praktischen Zweck in ‚freier‘ genießender Anschauung zuwendet, um als er selbst in der Natur zu sein. Mit seinem Hinausgehen verändert die Natur ihr Gesicht“ (Ritter 1990: 35).

Das „Hinausgehen“, die Möglichkeit in die Landschaft hinauszutreten, basierte auf der Unterscheidung zwischen Stadt und Land, einem definierten „Innen und Außen“. „Immer erscheint Landschaft als das Gegenüber der Stadt, das das Andere zu sein verspricht […]“ (Fischer 2010: 42). In der Unterscheidung wurde Landschaft existent. Der Landschaftsbegriff entstand also historisch gesehen in den Städten. „Der Aufgang der geschauten Landschaft geht zurück auf den Aufstieg der Stadt in Europa. Denn erst der durch die städtische Zivilisation entlastete Mensch konnte sich dem Land als ein schönes Gegenüber zuwenden“ (Fischer 2010: 46). Gleichermaßen kam es zur Unterscheidung zwischen dem Städter, der die Landschaft visuell als etwas Ästhetisches wahrnahm, und dem Volk der Gefilde, für das die Landschaft (Natur) die Lebensgrundlage darstellte (Burckhardt 2006: 307-308). „Der genannte oder gedachte Betrachter ist bekanntlich niemals der Landmann, der ein tätiges, meist mühseliges Verhältnis zum Land hat“ (Fischer 2010: 46). Hierzu sei angemerkt, dass diese Thematik auch die Unterscheidung zwischen Natur und Landschaft beinhaltet. An dieser Stelle kommt der Begriff der „Kulturlandschaft“ ins Spiel. Denn worauf der Städter schaute, war durch menschliche Arbeit an der „Natur“ geprägt.


Das Verhältnis zwischen Natur und Landschaft sowie der Begriff der Kulturlandschaft sollen an dieser Stelle allerdings nicht näher betrachtet werden.

Neben der Unterscheidung von „Drinnen und Draußen“ war die Landschaft (laut Ritter) ebenfalls Ergebnis einer neuen Form der Betrachtung - „Natur als Landschaft ist Frucht und Erzeugnis des theoretischen Geistes“ (Ritter 1990: 32). Die Landschaft, die sich dem Städter erschloss (wenn er die Tore der Stadt durchschritt), basierte auf der ästhetischen Wahrnehmung selbiger. „Der Städter nimmt die Landschaft sogleich auf einer ästhetischen Ebene wahr. Er findet sie schön, wenn sich der Weg dem Hügel entlang schlängelt [...]“ Burckhardt 2006: 308). Die Bedeutung der Wahrnehmung schlägt sich dann auch im Wörterbuch von Daniel Sanders aus dem Jahr 1876 nieder: „Landschaft eine Gegend nach dem Eindruck, den die (leblose) Natur dort auf den Beschauer macht: eine öde, düstere, reizende, fruchtbare, malerische Landschaft“ (Sanders 1876: 21). Und eben diesem Eindruck widmete sich das Genre der Landschaftsmalerei. Giorgiones Gemälde „Das Gewitter“ (entstanden um 1508) stellt die Anfangsphase einer Malerei dar, welche die Landschaft von sakralen Themen loslöst und diese zum Zentrum, zum Hauptgegenstand machte. Hier war die Landschaft mehr als nur Kulisse. Die Zentralperspektive schuf dabei einen neuen Blick und eine neue Art der ästhetischen Wahrnehmung. Der von Venedig ausgehende Impuls nahm in ganz Europa Einfluss auf die Wahrnehmung und Darstellung von Landschaft (Wormbs 2010: 52). Die Kraft dieses Impulses reicht bis in das „Jetzt“ der Landschaft hinein. „Spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts bemächtigt sich die Landschaft aus Strich und Farbe des Bildgedächtnisses und schiebt sich als virtuelle Landschaft vor die Wahrnehmung der realen Landschaft“ (Fischer 2010: 42). Für die vorab verhandelte Auffassung von Landschaft ist ihr Abbild elementar. „Die geradezu definitorische Bedeutung des Bildhaften im klassischen Landschaftskonzept lässt sich zurückverfolgen auf die Entstehung der zentralperspektivischen Abbildungskonvention“ (Fischer 2013: 42).

Kulturgeschichtlich betrachtet ist demnach die Freisetzung des Subjekts von Arbeit an der Natur verantwortlich für die Distanz gegenüber selbiger. Und eben diese Distanz macht die auf der visuellen Wahrnehmung basierende Konstituierung von Landschaft erst möglich. „Gemäß der klassischen Auffassung ist Landschaft betrachtete Umgebung, also primär mit den Augen erfasst, und zwar aus gewisser Distanz, weil erst ein Abstand jene ‚Zusammenschau‘ ermöglicht, mit der die Umgebungselemente zu Landschaft synthetisiert werden“ (Fischer 2013: 41-42). Gleichzeitig geht die „klassische Auffassung“ von Landschaft einher mit einer veränderten Geisteshaltung und einer neuen Art der Abbildung (in der Malerei und Gartengestaltung). Dass diese Auffassung der Landschaft bis heute eine Bedeutung für unsere Vorstellung von Landschaft hat, wird an folgendem Zitat von Burckhardt deutlich: „Landschaft wahrzunehmen muss gelernt sein. Das gilt sowohl historisch wie individuell. Unser Kulturkreis wurde befähigt Landschaft wahrzunehmen […], weil die Maler der Spätrenaissance, weil die englischen Landschaftsgärtner Landschaft darzustellen verstanden. Landschaft ist also ein kollektives Bildungsgut“ (Burckhardt 1988: 3).

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Über eine Unterscheidung von „Drinnen und Draußen“ (Stadt und Landschaft) lässt sich Landschaft heute meist nicht mehr klar definieren „Heute gibt es nicht mehr die eindeutige Polarisierung in Stadt oder Land. Heute finden wir in allen Schattierungen nur noch eines, die Metropole“ (Burckhardt 2006: 318). Über diesen Umstand wird bereits ein vielfältiger Diskurs geführt. Dabei sind „Zwischenstadt“, „Landschaft 3“, „Stadt-Landschaft“, „Totale Landschaft“ oder „hybride Landschaft“ nur einige Beispiele, um die heutige Realität (per Begriffsdefinition und anhand theoretischer Auseinandersetzung) zu fassen. Alle Begriffe und Ansätze eint, dass sie die Wandlung des Raumes als ein „Ineinandergreifen“ von Stadt und Landschaft deuten. Auffällig ist, dass die Landschaft in diesem Zusammenhang meist nicht abhanden kommt. In manchen Ansätzen dient sie weiterhin als Begrifflichkeit zur Beschreibung neuer Gegebenheiten (wenn auch in einer transformierten Bedeutung). So verwendet John Brinckerhoff Jackson in seinem Ansatz der „Landschaft 3“ weiterhin den Begriff Landschaft, deutet sie aber grundlegend neu. „Landschaft ist nicht Szenerie, sie ist nicht eine politische Einheit; sie ist nicht mehr als eine Sammlung, ein System menschgemachter Räume auf der Erdoberfläche“ (Brinckerhoff Jackson, zit. nach Prominski 2004: 59). In anderen theoretischen Ansätzen wiederum hat der Begriff Landschaft nicht seine Bedeutung gewandelt. Die Landschaft erlangt als Element des Systems vielmehr eine neue Rolle, so beispielsweise in Thomas Sieverts Konzept der Zwischenstadt. „Die Zwischenstadt als Landschaft zu lesen und zu gestalten, bedeutet zuerst einmal die Umkehrung des planerischen Vorgehens: Als Hauptstruktur werden nicht die Gebäude, sondern die topografischen Strukturen und deren Freiräume, insbesondere die Gewässersysteme herausgelesen - sie sollen das dominante und identitätsstiftende Grundgerüst bilden […] die Landschaftsgerüste sind die ‚Kultur‘ der Stadt, im ursprünglichen Sinn des Begriffs der cultura, als Landbau aber auch Pflege des Bestehenden“ (Sieverts 2010: 68 ff).

Während Brinckerhoff-Jackson die Frage nach der Landschaft über die Definition des menschgemachten Raumes ins „Überall“ transportiert und somit die Frage nach der Beschaffenheit der Landschaft im Zwischenraum (Stadt und Landschaft) auflöst, weist Sieverts der Landschaft eine klare Rolle zu. Sie existiert hier auch im „Ineinandergreifen“. Wie vorab bereits thematisiert, verwischen „Innen und Außen“. Beide Konzepte greifen dies auf und deuten die Transformation auf unterschiedliche Weise. Für den vorab geschilderten Kontext (die Vorstellung von Landschaft als einwirkende Kraft) scheinen beide Ansätze allerdings nicht den Kern der hier bedeutsamen Thematik zu verhandeln. Es ist sicher nicht mehr der Städter, der (losgelöst von der Arbeit an der Natur) in die Landschaft hinaus schaut und sie somit existent macht. Dennoch spielt die Wahrnehmung der Umwelt eine wesentliche Rolle. Als Menschen sind wir immer auch Betrachter. An dieser Stelle kehre ich zurück zu Burckhardts Annahme der Landschaft als Bildungsgut. Wie schauen wir also auf die (theoretisch) neu definierte Landschaft? Haben wir gelernt, diese neue und (wie auch immer) transformierte Landschaft zu lesen? Oder ist die „Brille“, die wir tragen, nach wie vor geprägt von unseren erlernten Vorstellungen? Diese Annahme könnte durch die vorab beschriebene Vorstellung von Landschaft, die als Kraft auf das Gebiet Hammerbrook/Hamm Süd einwirkt, untermauert werden. Daran anschließend ließe sich ebenfalls die


Vermutung aufstellen, dass wir eine Vorstellung von Landschaft reproduzieren - die heute nur noch bedingt mit unserer Realität übereinstimmt. In diesem Kontext ist es wohl wieder die Wahrnehmung (der tatsächlichen Beschaffenheit) und das damit verbundene „Hinaustreten“ (an diesem Punkt nicht aus der Stadt - sondern vielmehr aus der eigenen Haustür), welches uns einen Blick auf das ermöglicht, was vielleicht Landschaft ist.

Eine Positionierung

An dieser Stelle scheint es die Wahrnehmung zu sein, die eine mögliche Antwort (auf die Frage nach der Landschaft) bereithält. Was wäre, wenn Landschaft keine festgelegte Zuweisung besäße und ihre Beschaffenheit verhandelbar wäre? Die Wahrnehmung müsste sich dafür soweit verselbstständigen, dass sie sich vom „Objekt“ (der Landschaft als erlernter Vorstellung) unabhängig macht. „Ist ‚Landschaft‘ geographisch beschrieben als ein bestimmter Bereich mit einem besonderen Erscheinungsbild, das ihn vom Umfeld abhebt - als Gegend in der Unterscheidung vom Rest - so gehört zum Erkennen dieser Differenz ein diese Eigenschaften wahrnehmendes Subjekt substantiell dazu. Also: ohne Wahrnehmung keine Landschaft. Sie ist ein individuelles Konstrukt, ein kulturelles Identifikationssystem, ein Wahrnehmungsmodell“ (Schneider 1997). Indem sich das Subjekt auf interpretierende, ungebundene Weise bewegt, wird die Betrachtung (Wahrnehmung) zur Landschaft - im Sinne einer Synthese. Diese Form (und dies sei hier in aller Deutlichkeit vermerkt - es gibt diverse weitere Formen) der Landschaft entsteht aus der Bewegung heraus und ist ohne diese nicht existent. Denn ohne Bewegung keine Synthese. Die Landschaft hat also etwas Bildhaftes, löst sich aber von der Bildhaftigkeit im Sinne des Ausschnitts, wie er in der Landschaftsmalerei zu finden ist. Einen Beitrag zum Diskurs „der Landschaft durch Bewegung“ leistet Lucius Burckhardts Promenadologie (Spaziergangswissenschaft). „Aufgabe der Spaziergangswissenschaften ist es […], Eindrücke zu sammeln und zu eindrücklichen Bilderketten aufzureihen […], ohne den Eindruck hervorzurufen, mit der Schilderung einer Einheit sei das Funktionieren dieser Einheit erschöpfend beschrieben und verstanden“ (Burckhardt 2006: 265). Die über Bewegung produzierte Wahrnehmung wird hier zu einer bildhaften Schilderung einer Einheit. Die Einheit wiederum ist etwas Subjektives. Denn was wir verknüpfen, obliegt der individuellen Wahrnehmung. Vollständigkeit oder allgemeiner Konsens scheiden (über das Subjektive) an dieser Stelle aus.

Für Burckhardt steht die Determination unserer Wahrnehmung im Vordergrund. Die Spaziergangswissenschaft dient dazu, gewohnte und erlernte Vorstellungen von Landschaft zu hinterfragen (Burckhardt 2006: 259).

Neben der von Burckhardt eingeführten und praktizierten Spaziergangswissenschaft finden sich derzeit auch weitere Strömungen im aktuellen Diskurs zur Wahrnehmung und der darüber synthetisierten Landschaft. Als Impuls dient 27


hierbei (bis heute) die Methode des Dérive, definiert von der Situationistischen Internationalen (S.I.). Die 1957 gegründete Gruppe europäischer Künstler und Intellektueller rund um Guy Debord und Raoul Vaneigem verstand darunter das Erkunden einer Stadt durch zielloses Umherschweifen.

Während des Dérive stand das direkte Erlebnis vor Ort im Vordergrund. Die Stadt wurde zur Unbekannten. Es galt, sich auf das Abenteuer einzulassen. Im Prozess des Gehens begann dabei die Auseinandersetzung mit der Struktur und den vorhandenen sozialen Räumen. Das Umherschweifen, das sich Einlassen auf spontane Situationen, Begegnungen und Ereignisse. Durch die in der Methode enthaltene Offenheit (Bewegung ohne bestimmtes Ziel) gelang und gelingt ein neuer Blick auf die Materie Stadt und die Befreiung von Entfremdung und Schein (Voggenreiter 2010: 12). „‚Dérive‘, also das Umherschweifen, Gehen, Flanieren, Spazieren, Stadtwandeln sind auch Formen des Anverwandelns, der Teilnahme, der Identifikation, der Interaktion, des Bearbeitens, des Be-Wohnens, der Gestaltung und der Veränderung von Raum. All diese ‚Spielformen des Gehens‘ bedeuten Auseinandersetzung mit dem Organismus der Stadt […]“ (Voggenreiter 2010: 12).

Der Dérive der Situationisten findet sein Vorbild in dem von Charles Baudelaires beschriebenen Flaneur, welcher im 19. Jahrhundert Streifzüge durch Paris unternimmt (Voggenreiter 2010: 13). Das Flanieren ist danach eine langsame, den umgebenden Dingen sowie dem Detail zugewandte Form der Fortbewegung, für die sich in der schnelllebigen Gegenwart fast keine Möglichkeit mehr findet. Das heutige Durchschreiten der Stadt ist für uns vor allem mit Tempo verbunden. „Während es um 1840 zum guten Ton gehörte beziehungsweise elegant war, beim Flanieren Schildkröten mit sich zu führen und der Flaneur sich vom ihrem Gang sein Tempo vorgeben ließ, berichtet fast hundert Jahre später Franz Hessel, dass auch schon ein Hund dem Spaziergänger die Berechtigung gäbe, langsam zu gehen und auch mal stehen zu bleiben und zu schauen […] alle eilen und hasten und derjenige, der stehen bleibt und schaut, wird sogleich verdächtigt, etwas auszukundschaften, ein kriminelles Vorhaben zu planen. Eilen ist die moderne Normalversion der Fortbewegung“ (Stöbe 1998).

Als letzte Position zur Wahrnehmung im Kontext der Landschaft soll an dieser Stelle die „erfinderische Analyse“ von Bernard Lassus eingeführt werden. Hier wird ein bis dato nicht verhandeltes Thema aufgegriffen: Die Koppelung der Wahrnehmung an das Planerische Vorgehen. Lassus als Landschaftsarchitekt stellt seinen Eingriffen die „erfinderische Analyse“ voraus und beschreibt sie wie folgt: „Dieses Vorgehen besteht darin, die erste Unwissenheit zu überwinden, indem man sich dem Ort mit seiner Einzigartigkeit, seiner Geschichte und seinen Potenzialen nähert. Zunächst eine ‚flatternde Aufmerksamkeit‘ annehmen, um im Laufe von Tageszeiten und bei allen Wettern in die Atmosphäre des Ortes einzutauchen und sich fast bis zum Überdruss vom Boden bis zum Himmel damit ‚vollzusaugen‘. Als nächstes nach und nach bevorzugte Blickpunkte suchen, Mikrolandschaften aufdecken und Perspektiven erkennen, die diese verbinden, die visuell und fühlbaren Maßstäbe testen und vor allem auch in den Archiven


suchen, besagte Orte, Erzählungen und Geschichten aufspüren. Danach den Bestand analysieren und dabei vielleicht Dinge entdecken, die durch die alltägliche Benutzung im Verborgenen liegen und ganz zu verschwinden drohen und prüfen, ob es sich lohnen würde, sich erneut an sie zu erinnern“ (Lassus 2001: 83). Die Wahrnehmung der Landschaft lässt sich also nicht ausschließlich auf das Jetzt beschränken. Vielmehr ist Landschaft auch immer ein zeitliches Konstrukt, eine Überlagerung. Das Aufdecken dieser Schichten kann zum Verständnis des tatsächlich Vorgefundenen dienen sowie zukünftige Planungen beeinflussen oder generieren.

Die verhandelten Ansätze der Bewegung und Wahrnehmung eröffnen Möglichkeiten, Landschaft zu begreifen und zu erfassen, für welche die vorliegende Arbeit Position bezieht (von einer Definition wird an dieser Stelle abgesehen). Die Bewegung erzeugt durch die Aneinanderreihung von Eindrücken eine Einheit (Landschaft). Landschaft ist also eine (subjektive) Syntheseleistung. Das langsame, dem Detail zugewandte, genaue und andauernde Betrachten scheint diesbezüglich elementar. Das Subjekt wird zum Rezipienten. Gleichzeitig ermöglicht diese Position eine permanente Transformation und Erweiterung der Landschaft. Durch die Offenheit gegenüber der Situation gehen Bewegung und Wahrnehmung über das bloße Bild hinaus. Vielmehr arbeitet die Wahrnehmung mit der vorgefundenen Realität, dem jetzigen Zustand der Landschaft, und erlaubt es, ihn neu zu deuten. Gleichzeitig ermöglicht die detaillierte Auseinandersetzung mit dem temporären Konstrukt der Gegenwart, die Spuren der Vergangenheit und die Kräfte der Zukunft zu entdecken und diese in die Bewegung und Wahrnehmung mit einzubeziehen. Ein weiterer wichtiger Bezugspunkt ist die Möglichkeit, die gewohnten Wahrnehmungs-Determinationen aufzubrechen. Die Landschaft erlaubt in diesem Kontext also einen neuen Blick auf die tatsächliche Struktur.

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Forschung

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Gebiet wird zum Forschungsfeld

*

Stadtentwicklung

Ein Stück Stadt

*

Landschaft als „einwirkende Kraft“ Landschaft? Positionierung Abb. 07 Forschungsinteresse


Forschung Das vorgestellte „Stück Stadt“ wird zum Forschungsfeld. Basis sind die verhandelten planerischen Eingriffe und die einwirkende Vorstellung von Landschaft. Die bevorstehende Veränderung und die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen zur Herkunft der hier erkennbaren Vorstellungen sowie die vorgenommene Positionierung sind Grundlage des folgenden Forschungsinteresses (siehe Abb. 07).

Forschungsinteresse Das Forschungsinteresse findet seinen Ausgangspunkt in der bestehenden Situation oder vielmehr in der bevorstehenden Veränderung. Das Gefüge der Stadt befindet sich in einem permanenten Prozess der Veränderung, neues wird hinzugefügt und bestehendes dadurch überschrieben. Stadt wird produziert. Neue Räume entstehen. Neben der tatsächlichen haptischen Veränderung wandeln sich dadurch auch die Bedeutung und Lesbarkeit des Raumes. Die auf das Gebiet einwirkenden Kräfte sind eng verknüpft mit einer bestimmten Vorstellung von Landschaft. Diese Vorstellung basiert auf einem normierten Verständnis von selbiger. Eine Verortung dieser Vorstellung findet in der Gestaltung von Freiräumen statt - Landschaft wird hier in Form von Grünanlagen etc. hinzugefügt.

An dieser Stelle komme ich zurück auf das Industriegebiet, das mit einer anderen Auffassung von Landschaft neu betrachtet werden kann. Die durch Bewegung produzierte Wahrnehmung (Landschaft) dient als Zutritt. Gleichzeitig ermöglicht der Zutritt eine Beschreibung der tatsächlichen (momentanen) Beschaffenheit des Gebietes ohne die vorherige Zuweisung von Eigenschaften. Die Forschung greift hierbei die durch den Entwicklungsdruck erzeugte Kontroverse „Industriegebiet und Landschaft“ auf. Die durch die Planungen implizierte Veränderung in Form von landschaftlichen Elementen, Landschafts-Achsen, Grünräumen, Naherholungsgebieten und Biotopbereichen scheint sich anhand der altbekannten Bilder (im Sinne von Ideal) auszurichten. Was aber haben diese Bilder mit dem Gebiet zu tun? Und könnte die Planung nicht genauso auch an jedem anderen Ort stattfinden?

Der Entwicklungsdruck wird unter den gegeben Umständen als gesetzt angesehen. Die Prozesse der Entwicklung und Fortschreibung der städtischen Nutzungen werden als Ausgangspunkt der Forschung genutzt. Die Frage nach der Beschaffenheit des öffentlichen Raumes innerhalb eines Industriegebietes wird demnach nicht von der Arbeit selbst aufgeworfen, sondern bedingt sich durch die bevorstehenden Planungen. Eine Planung, die sich der tatsächlichen Beschaffenheit des Gebiets nicht zuwendet. Vielmehr erscheint die Veränderung (in Form von Landschaft) von außen hinzugefügt. Das Forschungsinteresse richtet sich demnach auf die tatsächliche Beschaffenheit des Gebietes. Wie lässt sich diese Beschaffenheit erfassen und darstellen? Hier wird die vorab verhandelte Positionierung eingespielt. Zu welcher Synthese kommt es? Wie sieht die Landschaft aus? Das Subjektive, das der Wahrnehmung innewohnt, fließt über die Person der Forscherin in die Landschaft ein. 33


Spuren folgen

Forschungsfrage Zielformulierung

Bewegung und Wahrnehmung Forschungsfeld Synthese

Landschaft Phase I

Phase II Material auswerten/ implizites transformieren Codieren

explizite Information

Strategie Abb. 08 Forschungsprozess


Ein weiterer Schwerpunkt des Interesses ist es, die Wandlung der impliziten Wahrnehmung in eine zugängliche explizite Information. Diesem Interesse ist die These vorausgestellt, dass eine Planung nur auf differenziertem Wissen über den zu planenden Ort basieren kann. Vielleicht wohnt die Veränderung dem Ort längst inne? Welcher Darstellung ist richtig? Mit welchen Methoden mache ich meine subjektiven Informationen zugänglich? Und wie wird die Information zu einer Quelle, die es ermöglicht, Entwicklungsstrategien und/oder Planungen für das Gebiet abzuleiten? Und wie sähen diese Entwicklungsstrategien und/oder Planungen aus? Und kann abschließend über die Wahrnehmung eine Alternative zur bevorstehenden Planung geschaffen werden? Aus dem Forschungsinteresse leiten sich demnach Forschungsfrage und eine Zielsetzung ab.

Forschungsfrage Wie ist die über Bewegung wahrgenommene Landschaft beschaffen? Welche Raum- und/oder Sinnzusammenhänge entstehen? Und wie greifen Vergangenheit und Zukunft in diese Zusammenhänge ein?

Zielformulierung Entwicklung einer (alternativen) (Frei)Raum-Strategie für das Forschungsgebiet. Abgeleitet aus der (über die Forschungsfrage) erlangten Erkenntnis.

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Landschaft aufdecken

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Landschaft aufdecken Es folgt eine Auseinandersetzung mit dem Gebiet, die sich, ausgerichtet an der Forschungsfrage, der Beschaffenheit der Landschaft sowie den in der Landschaft enthaltenen Spuren widmet. Das Vorgehen basiert auf der von Lassus entwickelten „erfinderischen Analyse“. Die direkte Wahrnehmung vor Ort steht in der ersten Phase der Forschung im Vordergrund. Auf diesem Weg treten im Laufe der Zeit auch Berichte und Geschichten zu Tage. Diese Spuren werden verfolgt und ergründet. In einem anschließenden Kapitel wird die Transformation des generierten impliziten Materials zu einer expliziten Aussage über das Gebiet verhandelt. Gleichzeitig wird der Versuch unternommen, das erlangte Wissen in eine explizite Darstellungsform zu übertragen.

39


Bewegung und Wahrnehmung

„Das Grundstüc Araber, der hat gekauft.“ (Autoh

„Das ist hier alles seit zwanzig Jahren so... auch das mit den Autos. Wir haben schon Schiss, dass wir irgendwann hier raus müssen und was neues gebaut wird aber was sollte hier auch hin? Der Boden ist doch komplett konterminiert... mit Spielplätzen ist hier nix.“

„Wir verkaufen die Leute komm die meisten aus die Wagen ab.“ (

„das ist ein Aneignungsvakuum [...].“

Berliner Bogen

Dienstag 12:50 Uhr: es ist total voll, überall sind Menschen, Mittagessen, sitzen auf der Promenade... wir schauen auf das Wasser!

Die Lkw donnern vorbe können uns nicht meh terhalten...

7 Floating Homes am Victoriakai-Ufer

Treppe

Bauschild

2 Bagger

Car Wash Büros

Vereinsheim/ Gaststätte

Lärm

Trucker-Aufenth Tennisplätze Trampelpfad Ponton

Parkplatz Büros S-Bahn

Treppe

Tankstelle Shell Restaurant EuroImbiss

Bunker Treppe

Büros

Zäune

Parkplatz Büros Terrasse Anleger

Lärm Baustelle

S-Bahn/Hammerbrook Transit-Achse Eine Schlucht, Schatten, das Wasser schwarz, Fenster: mieten Sie ein Büro mit Wasserblick...

Campingplatz Wohnbebauung Fastfood

Baucontainer Bagger

Stärke-Fabrik

Hausboote

Restaurant

schwimmender Garten

PRIVATGRUNDSTÜCK Betreten verboten

S-Bahn

das Auto Lärm

Zeltstange allein Ein Schild: „Betreten verboten - Privatgrundstück“. Durchs Gebüsch - eine Feuerstelle (am Wasser) - die Trasse der S-Bahn (gigantische Pfeiler). Die Böschung hinauf - in den Boden getretene Pfade - völlig allein - das Silber der Pappeln.

Böschung Feuerstelle Trampelpfade

Brücke

Wasser Wo ist das

Parkplatz Huckepackbahnhof

Transit-Achse

PRIVATGRUNDSTÜCK Betreten verboten

Ich sitze auf der Treppe... der Blick reicht weit. Der Verkehr vollführt eine Choreografie.

Gleise

Mauer


ck gehört einem t halb Hamburg händler)

„Hier wird nichts verkauft. Die Autos werden nach Kamerun oder Ghana verschifft, pro Überfahrt und Auto kostet das 500 $, die schicken meistens 1000 Autos auf einmal... das sind Libanesen und Schwarzafrikaner, solche Leute... und die machen einen guten Gewinn [...].“

n übers Internet, men dann zu uns... s Polen und holen (Autohändler)

eine andere Welt... ich fühl mich fremd. Zäune Stacheldraht, Blicke...

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„Ich hab keine Ahnung was die da machen... ist mir auch egal. Die Autofriedhöfe, die sollen weg. Da könnte man doch bauen.“

„Hier gab es mal Pläne, die wollten unser Grundstück kaufen... das ist viel Wert. Wir wären dann umgezogen in einen Neubau. Ich weiß nicht warum das nicht geklappt hat.“ (Ruderclubmitglied) ZU VERMIETEN Büros mit Wasserblick

Imbiss COLA

haltsraum

Lusthaus Zäune COLA

Imbiss

Trucker-Treff

Ruderclub

Aussicht Ruderclub Bunker Feuerwehr Schlafplatz? Treppe

Bunker

Brücke Eine Treppe hinunter... ich steige hinab... ich blicke aufs Wasser - dann nach rechts (unter die Brücke) ein Mann, er schaut mich an... in der Hand hält er einen Schlafsack.

Was für ein schöner Ausblick... das Wasser glitzert in der Sonne

Abb. 09 Bewegung und Wahrnehmung - Mind Map 41



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Spuren folgen - das Zeitliche der Landschaft Das Jetzt - dieser eine Moment, in dem sich meine Aufmerksamkeit auf etwas richtet - ist im Vorübergehen bereits vergangen. Betrachtet man die Landschaft auf diese Weise, liegt alles bereits in der Vergangenheit. Es ist unklar, wie viele Teile der Landschaft seit meiner letzten Erkundung hinzugefügt oder entnommen wurden? Dennoch verweisen mich Dinge im Jetzt auf das, was war. Die Vergangenheit hat sich in die Landschaft eingeschrieben. Vieles ist verdeckt oder nur zu einer Zeit an einem bestimmten Ort zu erahnen. Anderes wird das Jetzt überdauern (oder war es doch das Gestern?). Und einiges steht kurz vor seinem Ende. Landschaft ist ein zeitliches Konstrukt, eine Überlagerung - ein Palimpsest.

Mein Weg führt mich (über ein privates Grundstück) an das Wasser. Ich steige einen kleinen Abhang hinab und stehe unvermittelt neben einem Anleger. Ein paar Jungs steigen in ein Ruderboot und erhalten derweil Anweisungen von einem Mann, der am Ufer steht. „Hallo“, sage ich. Der Mann dreht sich herum, sein Blick verrät mir, dass auf dem Anleger nicht all zu häufig jemand unvermittelt auftaucht. Ich rattere (wie so häufig) meinen Text herunter. Er schaut immer noch skeptisch. Nach einer Weile kann ich ihn dann doch überzeugen: Ich bin keine Einbrecherin. Ich frage allerhand und erfahre: Die Bille sowie die zugehörigen Kanäle sind ein kaum befahrene Gewässer, (was ihn zu freuen scheint). Ich frage, mich welchen Grund es dafür gibt? Wir gehen in das Vereinsheim eines Ruderclubs. Er erzählt etwas über sinkende Mitgliederzahlen. Dann entdecke ich ein Foto in einem roten Rahmen an der Wand des Versammlungsraumes. Ich trete näher. Es handelt sich um eine Schwarz-Weiß-Aufnahme. Zu sehen sind eine Menge Menschen auf einem Boots-Anleger (vom Wasser aus fotografiert). Darunter steht: Ruder Club Triumph von 1904. „Wo ist das?“, frage ich. „Hier“, sagt er. Ich erfahre, dass das Foto aus einem Archiv stammt. Da sollte ich dringend hin... denke ich.

Ich gehe durch ein Tor, über einen Parkplatz. Dabei komme mir (wie so häufig) vor wie ein Eindringling. Zu meiner Linken steht ein rotes Backsteingebäude - zur Rechten das Hochwasserbassin. Auf meinem Weg hierher habe ich Bagger gesehen und ein Bauschild, das sieben „Floating Homes“ am Victoriakai ankündigt. Ich laufe weiter und stehe dann unvermittelt davor: Ich war schon mal hier, oder? Ich laufe weiter und wundere mich. Geradeaus ein weiteres Gebäude, zwei Männer sitzen davor. Sie beachten mich nicht. „Hallo“, sage ich. Und direkt anschließend: „Was ist das hier?“ (ich deute mit meiner Hand auf die Fläche, die vor uns liegt). „Nicht schlecht, oder?“ sagt der eine und grinst mich an. Und wieder spreche ich vor. Die beiden bieten mir einen Stuhl an und ich erfahre: Wir schauen auf den ersten umgesetzten Teil des „Grünzugs am Hochwasserbassin“. Über die Spur des Fotos komme ich zur Archivarbeit. Tausende von Fotografien, geordnet nach Straßennamen bilden sie die Vergangenheit ab. Sie dokumentieren Orte, Praktiken und Zufälle von den Anfängen der Fotografie bis zur Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg. Es ist eine eindrückliche Geschichte, verbunden mit Veränderung und Wandel, mit persönlichen Schicksalen und der Vernichtung einer städtischen Struktur. Ich bewege mich zwischen den Bildern:


Eine Beschreibung (siehe Kapitel „Es gab... eine Beschreibung“ und Abb. 1114). Als Daten-Korpus dienten alle Fotografien, die den Straßen innerhalb des Forschungsfeldes zugeordnet waren. Hinzu kommen Informationen aus einem Interview mit Michael Braun, Mitarbeiter des Archivs und Experte für die Geschichte des Gebietes.

Durch meine Begegnung mit „Jan“ erfahre ich etwas über die Zukunft. Er erscheint in diesem Kontext als geeigneter Experte. Denn er lebt und arbeitet seit vielen Jahren in direkter Nachbarschaft der Fläche. Er erzählt von dem, was war, und von dem, was ist. Und kreiert dabei eine Vision von dem, was sein wird (siehe Abb. 15).

„Was ist das hier?“ (ich deute mit meiner Hand auf die Fläche, die vor uns liegt). „Nicht schlecht, oder?“ sagt der eine und grinst mich an. Die beiden bieten mir einen Stuhl an und ich erfahre: Wir schauen auf den ersten umgesetzten Teil des „Grünzugs am Hochwasserbassin“.

Dann entdecke ich ein Foto in einem roten Rahmen an der Wand des Versammlungsraumes. Ich trete näher. Es handelt sich um eine Schwarz-Weiß-Aufnahme. Zu sehen sind eine Menge Menschen auf einem Boots-Anleger (vom Wasser aus fotografiert). Darunter steht: Ruder Club Triumph von 1904. „Wo ist das?“, frage ich. „Hier“, sagt er.

? Vereinsheim Ruderclub

Die Bille sowie die zugehörigen Kanäle sind ein kaum befahrene Gewässer. Ich frage, mich welchen Grund es dafür gibt? umgesetzte Planung „Grünzug am Hochwasserbassin“ Bunker

Zweiter Weltkrieg?

Abb. 10 Spuren im Feld 51


Wetterungen Enwässerungsgräben Bille

Deich

Wasserstruktur 1750

„Eine sehr feuchtes, sehr niedriges Land, wirklich ne urwüchsige Landschaft. Eigentlich sehr schön.“ (Michael Braun)

Abb. 11 Landwirtschaftliche Nutzung


Es gab... eine Beschreibung Die Badeanstalt ragt weit in das Wasser hinein. Sie besteht aus drei eingefassten eckigen Bereichen. Im vorderen Bereich hat die Einfassung drei kleine Türme. Ein Boot fährt vorbei. Im Inneren ist ein weiteres Boot zu sehen. Das Ufer ist gesäumt von Bäumen. Zwei kleine mit Schindeln gedeckte Häuser, ein Vorgarten mit einer Tanne, davor eine schmale Straße. Zwei Männer und eine Kutsche, gründerzeitliche Blockrandbebauung, Schmuckfassade, Balkone mit ausgeklappten Markisen. Ein eingezäuntes Grundstück direkt am Wasser, aufgeschütteter Kies, eine Halle mit Kränen. Ein Lastkahn. Bebauung direkt am Ufer, fünf Schornsteine. Drei Ruderboote (am Heck kleinen Fahnen, mit einem Stern), ein Steg voller Menschen, Männer in Anzügen mit weiße Einstecktüchern und Hüten, eine Frau in einem hellen Kleid. Ein flacher Bau mit dem Schriftzug „TRIUMPH“ (Bootshaus). Weiter links steht ein Holzschuppen, davor ein Jägerzaun. Dahinter sechs Gebäude unterschiedlicher Bauart und Höhe (drei- bis fünfgeschossig). Es sind Menschen in den geöffneten Fenstern zu sehen. Ein Holzzaun, ein Gebäude (zweigeschossig/mit Dachgeschoss), auf der seitlichen Fassade das Abbild eines Mönches in Kutte, auf der Front des Gebäudes zwischen Erdgeschoss und erstem Geschoss der „Etablissement Mönchshof“, vor dem Gebäude fünf Personen (drei Männer und zwei Frauen in Kleidern). Eine Laterne, eine Straße mit Kopfsteinpflaster, zwei flache Schuppen, ein Schild „MANN & Co“. Baustoffe, auf dem Bürgersteig stehen (kleine) Bäume. Ein Boot, zwei Männer mit (Schieber)-Mützen, Krawatten, weißen Hemdkragen und Pullovern. Der eine Mann (rechts) hält das Ruder, vorne im Boot steht ein kleines Mädchen im Kleid, darüber eine Jacke, eine große, helle Schleife im langen Haar. Sie lächelt. Ein hölzernes Gebäude, ein Schild: „Holz-Handlung L. Friedrich Bull“. Ein zum Wasser offener Schuppen mit Kammern, darin sind Holz-Latten und Bretter aufgestellt. Davor ein Zaun und eine Mauer mit Pfählen, die ins Wasser ragen. Auf der Straße Pferdekutschen, mit denen Fässer transportiert werden. Das Eingangstor, darüber der Schriftzug „BILL BRAUEREI“. Dahinter ein Innenhof umgeben von Gebäuden, links erst ein flaches Gebäude, dahinter ein höheres Bauwerk mit vier Schornsteinen, aus denen Rauch quillt. Mittig vier unterschiedlich hohe Gebäude mit je zwei Schornsteinen, aus denen ebenfalls Rauch dringt. Rechts ein weiteres Gebäude (dreigeschossig), auf dem Hof weitere Personen und Pferdekutschen. Eine Stufe, zwei Personen dicht nebeneinander, links eine Frau in heller Bluse und langem Rock. Die Knöchel sind nackt, sie trägt Halbschuhe mit Absatz, die Arme hinter dem Rücken, kurze Haare, sie lächelt. Rechts ein Mann in Uniform, weißer Kragen, Kapitänsmütze. Er schaut die Frau an und lächelt ebenfalls. Die Wasseroberfläche, in der sich die dahinter liegenden Gebäude spiegeln, auf dem Wasser eine Schute mit Ladung. Im Hintergrund zwei Gebäude, links ein helleres (fünfgeschossig/ Dachgeschoss), rechts ein höheres, dunkleres Gebäude (achtgeschossig/Dachgeschoss). Gestapelte Fässer, eine Mauer, ein sandiges Ufer, eine mit Leinen an einem Pflock befestigte Schute, beladen mit Fässern. Eine Wasseroberfläche mit Spiegelungen, ein Ufer, begrenzt durch eine Mauer, eine Apparatur (bestehend aus Pfählen). Dahinter ein kleines Gebäude (dreigeschossig) mit einem spitzen Dach (Giebel), davor liegt wieder eine Schute im Wasser, ein weiteres kleines Gebäude (zweigeschossig) mit spitzen Dach (Giebel), dahinter ein etwas höheres Gebäude ebenfalls mit spitzem Dach, davor im Wasser liegt ein (größere) Schute. Noch ein Gebäude mit zwei Schornsteinen, an der seitlichen Fassade keine Fenster, oben ein Schriftzug (nicht genau lesbar). Am Ende der Wasserfläche eine Brücke und dahinter weitere Gebäude. Fassade mit Fenstern, vier in der

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Bille

Wasserstruktur 1814

„Die Leute kamen aus der Altstadt und Neustadt (was damals Hamburg war). Die Bille lag im Grünen mit Freibädern und Badeanstalten.“ (Michael Braun)

Abb. 12 Ausflugsziel


zweiten und je drei in der dritten Etage und vierten Etage sind geöffnet. Das Fundament des Gebäudes endet direkt im Wasser, dahinter zwei Gebäude (dreigeschossig), deren Fundamente ebenfalls im Wasser enden, davor auf dem Wasser eine Schute, dahinter ein kleines Gebäude mit spitzem Dach und einer Apparatur (bestehend aus Pfählen), davor auf dem Wasser ebenfalls ein kleines Boot. Ein Innenhof, eingefasst von Fassaden, rechts im Vordergrund eine Laterne, eine Frau im Kleid, kurze Haare. Im Hof vor den Gebäuden schmale Bürgersteige mit Kleinsteinpflaster und eine Straße mit Kopfsteinpflaster, ein Hauseingang, davor ein Fahrradständer mit einem Fahrrad, ein am Fenster befestigter Wäscheständer, helle Wäsche. Gegenüber ein Gebäude (dreigeschossig), ebenfalls mit Hauseingang. Der Hof schließt mit einer Mauer ab, dahinter drei weitere Gebäude in unterschiedlichen Höhen. Eine Wasserfläche, rechts und links gesäumt von Fassaden. Links liegen die Fassaden im Dunklen. Man erkennt an einer der hinteren Fassaden eine Vorrichtung. Vor den Gebäuden liegen drei Schuten im Wasser (beladen), in der Mitte eine weitere Schute (beladen mit Kies). Ein Gebäude, das Fundament endet direkt im Wasser, die drei oberen Geschosse haben Balkone, daneben ein Gebäude (sechsgeschossig), anschließend drei kleinere Gebäude mit spitzen Dächern (Giebeln), dahinter höhere Gebäude und die Spitze eines Kirchturms. Eine Wasserfläche mit Booten, eines mit Segeln (eingeholt). Das Wasser mündet endet an einem leicht ansteigenden Ufer. Ein Pferd (frisst Gras), daneben eine Person mit Hut und Stock, weiter hinten (am Ufer) Apparaturen auf dem Boden, ein Pferd mit angespanntem Wagen im Wasser, zwei Pferde ziehen einen weiteren Wagen über die Böschung des Ufers, im Hintergrund ein einzeln stehendes Gebäude, das Grundstück eingefasst von einem Zaun, auf dem Grundstück ein großer Baum, an der linken Seite eine Rampe in den ersten Stock, eine Brücke mit dreigliedrigem Geländer und Laternen. Am rechten Ufer ein hohes Gebäude (fünfgeschossig/Dachgeschoss), an der seitlichen Fassade (ohne Fenster) ein Schriftzug (nur halb im Bild): RIK (vermutlich Fabrik). Im Hintergrund Dächer und ein Schornstein, aus dem Rauch quillt. Eine Straße, in der Mitte Gleise, links gesäumt von Gebäuden (ein- bis zweigeschossig), davor ein Bürgersteig, zwischen Bürgersteig und Straße Laternen in regelmäßigen Abständen, dahinter wieder eine Wasserfläche. An den Rückseiten der Gebäude stehen Apparaturen und Kräne, weiter hinten eine Brücke, dahinter eine zweite, im Hintergrund zwei Schornsteine. Am linken Ufer des Wassers unterschiedlich niedrige und hohe Gebäude, sowie nochmal drei Schornsteine. Eine Wasserfläche, flache Gebäude (zweigeschossig), zwei mit spitzen Dächern, davor liegen Schuten im Wasser, im Hintergrund ein hohes Gebäude, seitliche Fassade ohne Fenster mit Schriftzug: Gebr. Fabke..., das Gebäude hat einen Schornstein, vor dem Gebäude (im Wasser) liegen ebenfalls Schuten, links ein Gebäude (viergeschossig) mit Balkonen, das Fundament des Gebäudes endet direkt im Wasser, am Fundament ein Schriftzug: DARM LAGER..., daneben ein weiteres Gebäude (dreigeschossig), mit Schornstein, ebenfalls mit Schriftzügen (nicht leserlich), dahinter ein höheres Bauwerk, vor dem weitere Schuten liegen, anschließend flache Gebäude (ein- bis zweigeschossig) und wieder ein höheres Gebäude. Im Hintergrund eine Brücke. Eine breite Promenade, eine Wasserfläche, am linken Ufer drei Schuten, das Ufer läuft flach in das Wasser hinein, ein Baum, ein Auto, angrenzend Gebäude (fünfgeschossig), mit Balkonen, im Hintergrund eine Brücke, darüber Bahngleise, über die eine Bahn fährt. Im Hintergrund sind weitere hohe Gebäude zu sehen, eines mit einem Schornstein, aus dem Rauch quillt.

55


1

2

Bille

Aufschüttung Wasserstruktur 1909

„Der Wandel kam in der Gründerzeit so um 1880 bis 1914 als Arbeiter aus ländlichen deutschen Gebieten und Polen nach Hamburg strömten und für die muss te [...] Wohnraum geschaffen werden [...] da hat sich der Charakter doch sehr verändert. Um überhaupt Häuser zu bauen, musste es erst mal aufgehöht werden, um das Gebiet trocken zu legen. Die Gebäude waren Mietskasernen, recht einfach, billig aber keine guten Wohnungen, kein Badezimmer, mit Ofenheizung, deshalb wurden die Fassaden grau bis schwarz. [...]. Da s Gebiet war sehr dicht bebaut um den Grund und Boden zu nutzen. Die Entwässerungsgräben wurden dann weiter ausgebaut zu Kanälen, um hier Gewerbebetrieben die Möglichkeit zu geben ihre Güter per Schute zu transportieren.“ (Michael Braun) 1

2

Abb. 13 Strukturwandel


Blick in den Hammer Deich - 1943

„Beim W iederaufbau hat sich die Hamburger Handelskammer durchgesetzt. Das Gebiet sei so zentral (City nah und Hafen nah), das muss man unbedingt gewerblich nutzen.“ (Michael Braun)

Abb. 14 ZerstĂśrung/Wiederaufbau 57


in

ass

erb

ass chw Ho Lage

umgesetzte Planung „Grünzug am Hochwasserbassin“ (2013)


Es wird geben... ein Eindruck

„In dem kleinen Wäldchen (da vorne) waren die Nutten aus der Süderstraße, wir hatten hier eine Mädel die hat regelmäßig Raves veranstaltet, wir h atten Leute denen wir erlaubt haben ihre Wohnwagen abzustellen. Jetzt ist hier nix - man könnte sagen: hier ist ein Aneignungs-Vakuum enstanden.“

Fotografie der Fläche aus dem Jahr 2011

Abb. 15 „das Aneignungsvakuum“ 59



Eine implizite Karte Die im Kapitel „Spuren folgen – das Zeitliche der Landschaft“ dokumentierten Gegebenheiten sind als beispielhaft zu betrachten. Die „implizite Karte“ zeigt den Stand der Information zum Ende der ersten Forschungsphase. In ihr sind Bewegung und Wahrnehmung, Auszüge aus Feldtagebucheinträgen und Gesprächsprotokollen, Interviewpassagen und weitergehende Auseinandersetzungen mit historischen Dokumenten festgehalten (siehe Abb. 16). Sie stellt für das weitere Vorgehen das Ausgangsmaterial dar.

61


Kiesfirma Paul Pundt

„Mietskasernen, recht einfache, billig (na ja, für die Leute war es so billig auch nicht) aber nicht so gute Wohnungen, kein Badezimmer, keine Heizung, keine Balkone [...].“ (Michael Braun)

„Das ist hier alles seit zwanzig Jahren so... auch das mit den Autos. Wir haben schon Schiss, dass wir irgendwann hier raus müssen und was neues gebaut wird aber was sollte hier auch hin? Der Boden ist doch Foto 170//XXXX komplett konterminiert... mit Spielplätzen ist hier nix.“ l a n a rdc No

Grünzug am Hochwasserbassin

Wohnhäuser „das

ist ein Aneignungsvakuum [...].“ Firma Reese & Wichmann/Schokoladen-, Kakao- und Zuckerwarenfabrik (1908)

J.C. Rosendahl & Co. Kohlen & Coks /Lagerplatz (vor 1900)

Löschplatz an de

Foto 11//XXXX

Zentrallager der V

Berliner Bogen

Fabrik Fabke Dynamomaschinen und Apparatebau

Treppe

„Es war Wohngebiet durchsetzt mit Gewerbebetrieben.“ (Michael Braun)

Foto 25//1935

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2 Bagger

Lärm

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Foto 19//1910 Büros

S-Bahn

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Foto 13/1935 Treppe Foto 11//XXXX

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Vereinsheim/ Gaststätte

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Nach 1945 wurden der Nordkanal, der Victoriaund der Gustavkanal mit Trümmerschutt verfüllt.

Bauschild

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Foto 03//1940

Sor Wohnanlage Sorb

Faßlager der Firma Spiekerma

7 Floating Homes am Victoriakai-Ufer

Hochbahnviadukt Nagelsweg

e Lüb

Dienstag 12:50 Uhr: es ist die Bausubstanz sehrMenfeucht total voll, überall war sind schen, Mittagessen, sitzen auf der Promenade... wir schauen auf das Wasser!

Foto 1

Bunker Treppe

Büros

Hanssen & Studt Caffee-Rösterei.Hamburg Parkplatz

„Das Wasser war Grundlage für die Transportmittel: die Schuten.“ (Michael Braun)

Ba nks ca na l

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erc Eine Schlucht, Schatten, das ana l Wasser schwarz, Fenster: mieten Sie ein Büro mit Wasserblick...

Büros Terrasse Anleger Foto 30//XXXX

Baustelle

S-Bahn/Hammerbrook „Das Hochwasserbassin

war ursprünglich zur Entwässerung gedacht und wurde dann Teil des Kanalsystems. Also die Querverbindung von Bille, Südkanal, MittelkaBraun) nal.“ (Michael Campingplatz

Kraftwerk Bille (um 1900)

Transit-Achse

Foto 37//1890 1909/1927 Badeplatz

Wohnbebauung

Baucontainer

Fastfood

Foto 35//1880

Stärke-Fabrik

Hammerbrooker Schleuse

Restaurant

Hausboote schwimmender Garten

Foto 36//1905

PRIVATGRUNDSTÜCK Betreten verboten

S-Bahn

das Auto Lärm

Zeltstange allein Ein Schild: „Betreten verboten - Privatgrundstück“. Durchs Gebüsch - eine Feuerstelle (am Wasser) - die Trasse der S-Bahn (gigantische Pfeiler). Die Böschung hinauf - in den Boden getretene Pfade - völlig allein - das Silber der Pappeln. „Fangen wir mit der Bille an, ursprünglich ein richtiger Fluss und dann durch verschieden wasserbautechnische Maßnahmen zum Kanal gemacht. Mittelkanal und Südkanal waren ursprünglich Wetterungen also Entwässerungsgräben, diese wurden dann weiter ausgebaut zu Kanälen, um hier Gewerbebetrieben die Möglichkeit zu geben, ihre Güter per Schute zu transportieren.“ (Michael Braun)

Böschung Feuerstelle Trampelpfade

Brücke

Wo ist das Parkplatz Huckepackbahnhof

Transit-Achse

PRIVATGRUNDSTÜCK Betreten verboten

Gleise

Masterplan Elbbrücken Ich sitze auf der Treppe... der Blick reicht weit. Der Verkehr vollführt eine Choreografie.

Hammerbrook (Brook = morastiges Bruchland) war um 1800 tief liegendes Marschland Nach dem Großen Brand 1842 brauchte Hamburg (dringend) neue Wohngebiete > Entwässerung durch William Lindley (Ingenieur) / Text: die Eroberung der Natur (in: Wiederkehr der Landschaft)


„Das Grundstück gehört einem Araber, der hat halb Hamburg gekauft.“ (Autohändler)

„Hier wird nichts verkauft. Die Autos werden „Unser Kohlehändler Carl Krumm & Sohn in der nach Kamerun oder Ghana verschifft, pro ÜberEiffestraße - ein Kohlehandel so etwa mittlerer Größe. fahrt undSeine Auto kostet das 500 $, die schicken Zulieferungen bekam er immer über das Wasser Mittelkanals Schuten. Ausgefahren wurden die meistensdes 1000 Autosmitauf einmal... das sind Li[...] meist mit einer Schottschen Karre.“ banesen Kohlen und Schwarzafrikaner, solche Leute... (Herbert Buchholz/Jahrgang 1929) und die machen einen guten Gewinn [...].“

„Wir verkaufen übers Internet, die Leute kommen dann zu uns... die meisten aus Polen und holen die Wagen ab.“ (Autohändler)

er Süderstraße (1940)

Verbrauchergenossenschaft „PRO“

eine andere Welt... ich fühl mich fremd. Zäune Stacheldraht, Blicke...

rbenburg Holzhandlung Friedrich (1926) Die Bull Lkw donnern vorbei... wir

ann

können uns nicht mehr Un-

Baustoffhandlung Arnold Mann & Co. terhalten...

„Hier gab es mal Pläne, die wollten unser Grundstück kaufen... das ist viel Wert. Wir wären dann umgezogen in einen Neubau. Ich weiß nicht warum das nicht geklappt hat.“ (Ruderclubmitglied)

Fr. Schuhmacher Lastkraftwg. Fuhrbetrieb (1935)

Restaurant J.H.P. Behrens/Hammerdeicher Badeanstalt Behrens und Salow (ca.1909) Badeanstalt u. Gartenwirtschaft Ths. Feddersen (1892)

Hamm Süd bis zum zweiten Weltkrieg dicht Trucker-Aufenthaltsraum Tranraffinerie der Fa. Hahn & Co. (1936) besiedelter/von Arbeitern bewohnter Imbiss Bereich. Starkes soziales Gefälle Städtebauliches Konzept Billebecken zwischen Hamm Nord und Süd Tankstelle Lackfabrik Reichhold, Flügger & Bocking (Zwanziger Jahre) (Hamm oben und Hamm unten). Lusthaus Shell Restaurant Fabrik F.H. Schule (bis zum zweiten Weltkrieg) Erst nach dem Krieg Industriegebiet Foto 125//1943/44 Zäune (Ausnahme Osterbrook-Viertel). Imbiss

Foto 20//1909

Imbiss Bille Ruder Club Triumph 1904 e.V. (heute noch vorhanden) Löschplatz (1936)

COLA

935

& Eggers Bagger Betrieb COLA

Heysen ZU VERMIETEN Büros mit Wasserblick

11//1920 Foto12//1926

„Ich hab keine Ahnung was die da machen... ist mir auch egal. Die Autofriedhöfe, die sollen weg. Da könnte man doch bauen.“

Zäune Foto 34//1943 Foto 120//keine Zeitangabe

1814 Trucker-Treff 1909 1750 1600

Lage im Raum: Annahme

Lärm

Zeichnung 18//1892

Ruderclub

Foto 42//1904

Aussicht Ruderclub Bunker

Bunker

Foto 86//1936

Bau des Bullenhuser Kanals 1907

Bagger

Feuerwehr Schlafplatz?

Mauer

Zeichnung Bill-Brauerei//1889 Treppe

Brücke

„Ursprünglich war es nicht eingedeicht und wurde eigentlich täglich bei Flut überschwemmt undBunker dann wurden die ersten Deiche gebaut und es wurde landwirtschaftlich genutzt. Aber erst mal nicht so hohe Deiche, das es doch noch hin und wieder über�lutet wurde.“

Eine Treppe hinunter... ich steige hinab... ich blicke aufs Wasser - dann nach rechts (unter die Brücke) ein Mann, er schaut mich an... in der Hand hält er einen Schlafsack.

Wasser

Au fs

„Sehr feuchtes, sehr niedriges Land, wirklich eine urwüchsige Landschaft, eigentlich sehr schön...“

chü

ttu

ng

Die Bille als Aus�lugsziel, vielleicht bis 1900hundert vielleicht auch noch ein bisschen länger. Die Leute kamen aus Hamburg: Altstadt, Neustadt was damals Hamburg war und die Bille lag im Grünen mit Freibädern, Badeanstalten...

„Um überhaupt Häuser, Gebäude zu bauen, musste es erst mal aufgehöht werden, um es sozusagen trocken zu legen. Das müssen Sie sich so vorstellen, ja sechs Meter Sand kam dann da drauf.“ (Michael Braun)

Bebauungsplan-Entwurf Rothenburgsort 17

Strukturwandel: das war in der Gründerzeit so um 1880 bis 1914 als Arbeiter aus ländlichen deutschen Gebieten und Polen nach Hamburg strömten und für die musste halt Wohnraum geschaffen werden und hier im Hamburger Osten (im südlichen Hamm) und da hat sich der Charakter doch sehr verändert.

Was für ein schöner Ausblick... das Wasser glitzert in der Sonne

Abb. 16 eine implizite Karte

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Materialauswertung – implizites Transformieren Das innerhalb der (vorliegenden) Forschung erhobene Material und die darin enthaltenen impliziten Informationen sollen folgend mit Hilfe eines Verfahrensschrittes, der Grounded Theory (nach Glaser und Strauss), ausgewertet und nutzbar gemacht werden. Die Daten, die bei der Verfolgung von Spuren generiert wurden, werden in diesem Schritt außen vor gelassen. Sie dienen dennoch als Hintergrundwissen und werden zu einem späteren Zeitpunkt wieder in den Prozess der Forschung eingespielt.

Eine offene Codierung Die Methodik der Grounded Theory (GT) bietet ein Gerüst zur Auswertung nichtstandardisiert erhobener Daten. Ziel „ist es, zu „grounded“, also im Gegenstand verankerten, aus den Daten entwickelten Theorien zu kommen“ (von Oertzen 2006: 145).

Die wichtigste intellektuelle Tätigkeit innerhalb der Methodik ist das Vergleichen. Dies meint nicht die Suche nach Ähnlichkeiten oder Unterschieden, sondern die Übersetzung oder Verschlüsselung des Datenmaterials. Diese Übersetzung oder Verschlüsselung wird als „Code“ bezeichnet. Der Code umfasst die Benennung von Konzepten wie auch ihre nähere Erläuterung und Diskussion. Das Ergebnis des Codierens umfasst dann eine Liste von Begriffen sowie erläuternden Text. Es werden drei Typen des Codierens unterschieden: Offenes, axiales und selektives Codieren. Beim Codieren selbst werden im generierten Forschungsmaterial Indikatoren gesucht, welche sich auf das Forschungsinteresse/ auf die Forschungsfrage beziehen. Dies spiegelt sich in den Codes wieder. Die so ermittelten Konzepte haben anfangs einen vorläufigen Charakter und werden im Verlauf der Auswertung differenzierter (Böhm 2007: 476-477).

Als Art der Codierung wird im Kontext der Forschung die offene Codierung gewählt, da sie einen ersten Zugang zum Material herstellt (axiale und selektive Codierung dienen eher zur Verfeinerung schon vorhandener Konzepte). Innerhalb der offenen Codierung werden folgende Fragen an das Forschungsmaterial gestellt:

Was? Worum geht es hier? Welche Phänomene werden angesprochen? Wer? Welche Personen, Akteure sind beteiligt? Welche Rolle spielen sie dabei? Wie interagieren sie? Wie? Welche Aspekte des Phänomens (Forschungsinteresses) werden angesprochen - oder nicht angesprochen? Wann? Wie lange? Wo? Wie stark? Warum? Welche Begründungen werden gegeben oder lassen sich erschließen? Wozu? In welcher Absicht? Zu welchem Zweck? Womit? Welche Mittel, Taktiken und Strategien werden zum Erreichen des Ziels eingesetzt? Während der Codierung nutzt die Forscherin das generierte Hintergrundwissen und ihr generelles Wissen über den Forschungsbereich. Das Arbeitsergebnis der offenen Codierung ist ein Interpretationstext. Dieser hält das analytische


Denken sowie Fragen zum weiteren Untersuchungsvorgehen bezüglich des Forschungsgegenstandes fest (Böhm 2007: 477-478).

Innerhalb der folgenden Auswertung wird der Verfahrensschritt der offenen Codierung in abgewandelter (auf die Forschung bezogener Form) angewendet. Der Spielraum, der in der Methodik zur Verfügung steht, wird somit ausgenutzt. Es zeigt sich, dass bedingt durch die Vorgehensweise auf dem Feld (Bewegung/ Wahrnehmung) das Material eine gewisse Vorprägung besitzt. Viele der textlichen Beschreibungen beziehen sich auf visuell Wahrgenommenes, und auch die Mind Map (die einen großen Stellenwert innerhalb des Materials einnimmt) bildet ein Ausgangsmaterial, welches sich überwiegend auf das Gesehene/Gehörte etc. konzentriert. Befragt man das Material anhand der Indikatoren Raum- und/ oder Sinnzusammenhang, entstehen über die Codes Bezüge, welche sich gespiegelt auf das Feld wieder verorten lassen. Nach einem ersten Durchlauf umfasst die Liste 47 Codes. Der Prozess des offenen Codierens wird an dieser Stelle unterbrochen (wohl wissend, dass einen Ausdifferenzierung des Verfahrens weitere, tiefer gehende Erkenntnisse produzieren könnte). Bei den Codes handelt es sich nicht um Abstraktionen (im Sinne eines Konzeptes) sondern vielmehr um tatsächlich im Material vorhandene Wörter oder Sätze. Diese können als Essenz der Wahrnehmung verstanden werden. Das Codieren bildet so eine Art Filter, welcher eine zielgerichtete Offenheit produziert. Diese Offenheit erlaubt es, das Material in einen weiteren Interpretationsschritt zu überführen. Auch endet die praktizierte Codierung nicht mit einem Interpretationstext, sondern mit einer Raum-Interpretation. Diese wird erzeugt über die Versammlung der Codes nach Raum- und/oder Sinnzusammenhang und dient einer weiteren Vertiefung der Materialauswertung.

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Forschungsfrage Wie ist die über Bewegung wahrgenommene Landschaft beschaffen; welche Raum- und/ oder Sinnzusammenhänge entstehen und wie greifen Vergangenheit und Zukunft in diese Zusammenhänge ein?

Mind Maps

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Gesprächsprotokolle

Feldtagebuch/Notizen

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Beobachtungsprotokolle

historische Dokumente

Eine implizite Karte

Offene Codierung Was? Worum geht es hier? Welche Phänomene werden angesprochen?

Wer? Welche Personen, Akteure sind beteiligt? Welche Rolle spielen sie dabei? Wie interagieren sie?

Wie? Welche Aspekte des Phänomens (Forschungsinteresses) werden angesprochen - oder nicht angesprochen? Wann? Wie lange? Wo? Wie stark?

Warum? Welche Begründungen werden gegeben oder lassen sich erschließen? Wozu? In welcher Absicht? Zu welchem Zweck?

Womit? Welche Mittel, Taktiken und Strategien werden zum Erreichen des Ziels eingesetzt?


Allein Aussicht Autofriedhof Autos nur mit Klimaanlage Barkassen-Touren Büro mit Wasserblick Brücke Car Wash das Auto „Das Grundstück gehört einem Araber […]“ (Autohändler) das Wasser glitzert donnern eine Böschung hinauf eine Böschung hinunter eine Treppe hinunter „Es ist nichts los auf der Bille […] wir haben den ganzen Platz für uns.“ (Ruderclub-Mitglied) Fastfood Feuerstelle Gebüsch Ghana Hausboot, „Hier und da sehen wir Leute baden, bei unseren Barkassen-Fahrten.“ (Michael Braun) „Ich hab keine Ahnung was die machen […].“ (Ruderclub-Mitglied) Kamerun Lärm Lkw Männer Palette Parkplatz Polen Ruderclubs rudern Schlafsack Schlucht Sportboot-Verein schwimmender Garten Tankstelle Trampelpfad Trucker-Rastplatz unter der Brücke Vereinsheime verkaufen übers Internet verschiffen wir können uns nicht mehr unterhalten Schuten Zeltstange Zaun Abb. 17 Codierungsprozess 67



Eine Versammlung – Mikrolandschaften Versammelt man die Codes anhand der Indikatoren (Raum- und/oder Sinnzusammenhang) und spiegelt die Versammlungen zurück auf den Raum (das Gebiet) wird deutlich, dass sich hierüber Teilbereiche der Landschaft beschreiben lassen. In Anlehnung an die „erfinderische Analyse“ von Lassus werden die einzelnen über die Versammlung synthetisierten Räume „Mikrolandschaften“ genannt. Über das „Aufdecken“ und Herausarbeiten ihrer Eigenschaften wird ein weiterer Schritt in der Materialauswertung vollzogen. Die Versammlung wird über die Benennung zum übergeordneten Konzept: Mikrolandschaft. Durch das Benennen, wird der vormals nicht abstrahierenden, offenen Codierung eine abstrakte Ebene hinzugefügt. Über die übergeordneten Konzepte (Namen) sind die herausgearbeiteten Mikrolandschaften als ein Teil des Ganzen zu begreifen. In ihrer Summe ergeben sie - die Landschaft. Definiert wird die einzelne Mikrolandschaft über einen (wie auch immer gearteten) Zusammenhang. Die Information über ihre Beschaffenheit ist im Ausgangsmaterial (Codes) enthalten. Anhand des erarbeiteten Konzeptes nähert sich die Forschung einer expliziten Darstellung der Landschaft.

Mikrolandschaft – eine nähere Betrachtung Im anschließenden Kapitel werden die fünf übergeordneten Konzepte (Mikrolandschaften) benannt und dargestellt. Zudem wird ihre Beschaffenheit (Eigenschaften und die enthaltenen Zusammenhänge) einer näheren Betrachtung unterzogen.

69


L kw, Lärm, das Auto, Parkplatz, Tankstelle, Fastfood, Tr ucker-Rastplatz, donnern, wir können uns nicht mehr u nterhal ten, Car Was h

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Abb. 18 Transit-Landschaft


Donner eine Druckwelle aus verdichteten Luftmolekülen, die sich mit Schallgeschwindigkeit ausbreitet und als lauter Knall wahrnehmbar ist.

Transit-Landschaft Die Transit-Landschaft definiert sich über einen räumlichen Zusammenhang. Dieser wird sowohl durch die einheitliche Materialität und Farbigkeit (Asphalt/grau) als auch über die Bewegung von motorisierten Gegenständen (Automobile/Lastkraftwagen etc.) und dem damit einhergehenden Transport von Menschen und Gütern hergestellt. Die Straße wird damit zum Hauptelement der Mikrolandschaft. Die stattfindende Bewegung geht einher mit der Produktion von Lärm, welcher teilweise als donnerndes Geräusch wahrgenommen wurde. Die Sprache wird somit (teilweise) als Mittel der Kommunikation eingeschränkt. Die Straße besitzt räumlichfunktionale Begleiter, diese dienen dem Abstellen von Gegenständen (Automobile/Lastkraftwagen etc.) und der Versorgung von eben diesen Gegenständen sowie dem dazugehörigen Transportgut (Menschen). Die Transit-Landschaft stellt die größte Einheit (Mikrolandschaft) im Forschungs-Gebiet dar.

Der Transport von Menschen und Gütern findet motorisiert statt. Diese Art der Fortbewegung ist verbunden mit Schnelligkeit. Die Begrenzung entlang der Ränder definiert sich also über die Bewegung und dem damit verbundenen „Vorbeifahren an etwas“.

71


1 . ei ne Trepp e hi nunter, Schlafsack , unter der Brüc ke 2 . ei ne Bö s chung hinauf, Feuerstelle, Gebüsch, a ll ei n, Z el ts tang e, Trampelpfad 3. Gebüsch, Trampelp f ad, Pal ette, ei ne Bö s chung hinunter

3

2

Völlig allein. Das Silber der Pappeln. Abb. 19 Heimliche-Landschaft


1

Heimliche-Landschaft Anders als die Transit-Landschaft entsteht der Zusammenhang der Heimlichen-Landschaft nicht über die tatsächliche räumliche Verbindung, sondern vielmehr über die spezifische Beschaffenheit einzelner Räume. Diese weisen ähnliche bis gleiche Praktiken und Nutzungen (in Form von Aneignungen) auf, welche durch ihre spezifische Beschaffenheit ermöglicht werden. Praktiken und Nutzungen (in Form von Aneignungen) sind gekoppelt an die Begrenzung der Räume durch bauliche und natürliche Elemente, zum Beispiel Treppe, Böschung, Gebüsch oder eine Kombination aus Elementen (Böschung und Gebüsch). Die Begrenzungen sind durchlässig, aber verbunden mit dem gewollten Durchschreiten selbiger. Gleichzeitig ist die Art der Fortbewegung innerhalb der Räume andersartig (im Vergleich zum Raum außerhalb der Begrenzung). So muss die Bewegung an die Beschaffenheit angepasst werden (eine Böschung hinauf/hinunter). Einzig die Treppe ist durchlässige Begrenzung und andersartige Fortbewegung in einem. Gleichzeitig finden sich im Innern auch eigene Systeme der Erschließung in Form von Trampelpfaden. Fundstücke (Schlafsack, Feuerstelle, Zeltstange, Palette) weisen auf die Art der Nutzungen und Praktiken (schlafen, wohnen, angeln) hin. Des Weiteren besitzt die Heimliche-Landschaft immer einen direkten Zugang zum Wasser. Die Begrenzung der Heimlichen-Landschaft ist durchlässig aber gekoppelt an die Wahrnehmung. Um die „Zugänge“ zu durchschreiten, braucht es ein genaues Hinschauen, welches wiederum mit einer langsamen Art der Fortbewegung (zu Fuß gehen) einhergeht und einen gewissen Entdecker-Willen voraussetzt. 73


B arkassen-Touren, rudern, Ruderclubs, Vereinsheime, s chwimmender Garten, Hausboot, Sportboot-Verein, S c huten, „H i er und da sehen w ir Leute baden, bei unser e n Barkas s en- Fahrten.“ , „ Es ist nichts los auf der Bille [ …] wir haben den ganzen Platz für uns.“

Abb. 20 Wasser-Landschaft

rudern Motorboot-fahren Barkassen-Touren


„Es ist nichts los auf der Bille [...] wir haben den ganzen Platz für uns.“

Wasser-Landschaft Die auf der Wasseroberfläche stattfindenden Aktivitäten in Form von Freizeitgestaltung (rudern, Motorboot oder Ausflugs-Barkasse fahren) verbinden die bestehende Wasserstruktur durch Bewegung. Hierdurch entsteht eine räumliche Verbindung, welche im Vergleich zur Transit-Landschaft weitestgehend unsichtbar und akustisch (weitestgehend) nicht wahrnehmbar ist. Das Wasser liegt „dazwischen“. Es ist oftmals baulich (und dadurch visuell) abgeschnitten von den angrenzenden Mikrolandschaften. Über die Aktivitäten bildet sich ein „Innen“. Nur über die Bewegung auf dem Wasser werden Nutzungen und Elemente (wohnen/Hausboote) sichtbar, die vom Ufer aus nicht einzusehen sind.

Die Freizeitaktivitäten auf der Wasseroberfläche verorten sich dennoch punktuell auch an Land (Vereinsheime). Diese Verortungen lassen Rückschlüsse auf das „Innen“ zu. 75


B rücke, Schlucht, Aussicht, das Wasser glitzert, Büro m it Was s erb l i ck

Blick-Landschaft Der Zusammenhang der Blick-Landschaft basiert auf einer visuellen Verbindung zum Wasser. Diese Verbindung ist geknüpft an baulichen Elemente (Brücken), über welche eine punktuelle oder zusammenhängende (Blick von Brücke zu Brücke) Wahrnehmung des Wassers möglich wird. Die über die Brücken erlangte Aussicht erschließt somit einen Teilbereich der Wasserstruktur und erlaubt spezifische Wahrnehmungen, etwa „das Glitzern des Wassers in der Sonne“. Gleichzeitig sind die Brücken funktionale Elemente. Sie dienen vordergründig der Überwindung von Barrieren. Dies macht sie ebenso zu einem Teil der Transit-Landschaft. Parallel dazu existiert eine zweite Form der visuellen Wahrnehmung des Wassers: Der Blick aus dem Bürofenster. Diese Blick-Verbindung ist anders als die der Brücke nicht frei zugänglich. Die baulichen Elemente (Bürokomplexe) verhindern die Zugänglichkeit des Wassers (visuell und haptisch) und vermitteln teilweise das Gefühl, das Was-


ten: ermie Zu v mit ro ü B lick serb Was

Abb. 21 Blick-Landschaft

ser befände sich in einer Schlucht. Diese zweite Form der Aussicht basiert also auf denselben Voraussetzungen (von Etwas auf Etwas blicken), ist aber auch maßgeblich für die Reduktion der restlichen Blick-Beziehungen auf das Element der Brücke. Ferner lässt sich die Blick-Landschaft als eine Art Begleiter oder als weitere Ebene der Wasser-Landschaft deuten, sozusagen der „Blick“ von Außen. Die Blick-Landschaft besitzt keine haptische Begrenzung (das Bürofenster bildet eine Ausnahme). Die Wahrnehmung allerdings ist auch hier an eine langsame Art der Fortbewegung (zu Fuß gehen) gekoppelt. Denn wenn ich mich motorisiert über die Brücke bewege, lässt sich die Aussicht nur erahnen. Der über die Blicke produzierte Zusammenhang ist anders als in der Transit-Landschaft ein rein visueller, wird aber dennoch über Bewegung hergestellt. 77


„ I ch hab keine Ahnung was die machen […].“, verkaufen ü bers I nternet, „D as G rundstück gehört einem Araber, d e r hat hal b H am b urg gekauft.“ , Zäune, Autos nur mit K li m aanl ag e, M änner, Kamerun, Ghana, Polen, v erschiff e n , A uto f ri ed ho f

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Abb. 22 Verschlossene-Landschaft


Verschlossene-Landschaft Der Zusammenhang einzelner Räume innerhalb der Verschlossenen-Landschaft basiert ebenfalls auf ihrer Beschaffenheit in Form von Elementen und Praktiken. Gleichzeit existiert ein räumliches „Ballungszentrum“. Die Mikrolandschaft ist demnach nicht nur inhaltlich gleich, sondern auch in ihrer räumlichen Verortung (Lage am Wasser). Anders als bei der Heimlichen-Landschaft sind nicht nur Spuren von Praktiken zu erkennen. Hier bedingt nicht der Raum das Handeln, sondern das Handeln bedingt den Raum. Gleichzeitig sind die spezifischen Praktiken geknüpft an die Verfügbarkeit von Fläche (keine oder nur teilweise Bebauung der Grundstücke). Die Verschlossene-Landschaft besitzt keine dauerhaft durchlässige Begrenzung. Ihre Begrenzung ist nur im Kontext bestimmter Praktiken (Automobil/Lastkraftwagen kaufen/verkaufen) passierbar. Außerhalb dieser Praktiken ist die Begrenzung starr und manifestiert sich dann in baulichen Elementen (Zäunen). Von außen betrachtet sind die Praktiken innerhalb der Landschaft deshalb nur schwer einzuschätzen. Dieser Umstand bildet eine zweite (nicht sichtbare) Begrenzung. Bei differenzierter Betrachtung allerdings zeigt sich, dass hinter der Begrenzung ein logisches System des Handelns steckt. So wird hier nicht (wie die visuelle Erscheinung vielleicht vermuten ließe) alles gesammelt, sondern je nach Auftragslage gehandelt.

Über die nur schwerlich überwindbare Begrenzung gelangt nur wenig nach außen. Informationen über die Landschaft sind anders als bei den restlichen Mikrolandschaften nicht oder nur teilweise durch Bewegung und Wahrnehmung zu erlangen (Einschränkung durch Zäune). Auskünfte sind demnach geknüpft an ein bestimmtes Verhalten in der Landschaft und meist nur unter Anpassung an die gängigen Praktiken zu erhalten (Einnahme der Rolle: Autokäuferin). Über die Praktiken (Handel mit Automobilen etc.) allerdings verorten sich in der Mikrolandschaft globale Prozesse, welche sie mit Orten in Afrika und Osteuropa verbinden und Kontinent-übergreifende Arbeits- und Handelsbeziehungen hervorbringen. Die Zusammenhänge greifen demnach weit über die Grenzen des Forschungs-Gebietes hinaus. 79



Mikrolandschaften – was liegt dazwischen? Wie vorab erörtert, sind die Mikrolandschaften als ein Teil des Ganzen zu betrachten. Ihre Ränder sind allerdings nicht immer deutlich zu definieren. So kommt es punktuell oder teilweise auch flächig zu Überlagerungen und/oder Vermischungen. Bedingt durch die jeweiligen Eigenschaften entstehen entlang der Ränder spezifische Situationen. Als bestimmende Mikrolandschaft ist die Transit-Landschaft zu betrachten. Durch das „Vorbeifahren“ wird die „Heimliche-Landschaft erst ermöglicht. Die Blick-Landschaft wiederum wird aus der schnellen Bewegung heraus nicht wahrgenommen. Gleichzeitig entsteht zwischen der Transit- und der Blick-Landschaft über das bauliche Element der Brücke eine Überlagerung. Über die Ränder der Blick-Landschaft erschließt sich die Wasser-Landschaft punktuell, hier entsteht eine weitere Überlagerung. Die Blick-Landschaft bildet damit einen wichtigen Bezugspunkt im Gesamtsystem der Landschaft. Die Ränder der Verschlossenen-Landschaft besitzen eine weitestgehend geschlossene Begrenzung. Ihre räumliche Ausprägung ist unter den Mikrolandschaften die stärkste. Einzig die Blick-Landschaft baut punktuell, eine visuelle Verbindung auf. In das „Dazwischen“ werden schlagwortartig Informationen aus Vergangenheit und Zukunft eingeblendet. Anhand dieser Informationen werden die bestehenden Zusammenhänge und/oder Veränderungen ablesbar. An der bereits umgesetzten Planung (siehe Abb. 15) lässt sich erkennen: Werden die Begrenzungen der Heimlichen-Landschaft geöffnet, verschwinden auch die Praktiken. Die ursprüngliche Nutzung der Wasser-Landschaft ist „brach“ gefallen. Die ehemalige Transportbahn wurde zum Relikt, an ihre Stelle ist die Transit-Landschaft getreten. Spielt man das Schlagwort „Ausflugsziel“ ein, entsteht im Bereich der Verschlossenen-Landschaft eine starke Kontroverse (siehe Abb. 23/23_1).

81


Heimliche-Landschaft versus „Aneignungsvakuum“ Wahrnehmung ist gekoppelt an langsame Bewegung die Wahrnehmung der BlickLandschaft ist immer gekoppelt an eine langsame Bewegung

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Wahrnehmung der Wasser-Landschaft wird über Blicke möglich „Ich hab keine Ahnung was die da machen.“ sichtbare Verortung Wasser-Landschaft

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Abb. 23 Mikrolandschaften - dazwischen 83


Heimliche-Landschaft versus „Aneignungsvakuum“ Wahrnehmung ist gekoppelt an langsame Bewegung die Wahrnehmung der BlickLandschaft ist immer gekoppelt an eine langsame Bewegung

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Brücke: Mischraum zwischen Transit- und Blick-Landschaft

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Wahrnehmung der Wasser-Landschaft wird über Blicke möglich sichtbare Verortung Wasser-Landschaft

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Abb. 23_1 Mikrolandschaften - dazwischen 85



Codieren – versammeln – Mikrolandschaften: eine Reflexion An dieser Stelle sollen die Versammlungen der Codes sowie das daraus resultierende Konzept der Mikrolandschaft kurz reflektiert und hinterfragt werden. Vorab sei gesagt: Die Landschaft ist, entwickelt aus einer subjektiven Wahrnehmung, eine individuelle Synthese. Die vorliegende Forschung erhebt demnach nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Denn mit der Schilderung ist das Funktionieren der Einheit (Landschaft) nicht erschöpfend beschrieben und verstanden (Burckhardt 2006: 265).

Anders als in der „erfinderischen Analyse“ findet „das Aufdecken“ der Mikrolandschaften nicht während der Wahrnehmung vor Ort statt. Es ist gekoppelt an das Verfahren der offenen Codierung. Der Einbau dieses methodischen Schrittes bedingt sich durch das Ausgangsmaterial. Die Wahrnehmung und die daraus resultierende Synthese: Landschaft ist subjektiv. Demnach ist auch das Material, aus dem die Codes generiert wurden, durchzogen von der subjektiven Wahrnehmung der Forscherin. Angereichert wurde die persönliche Wahrnehmung dabei durch die verbal geäußerten Wahrnehmungen anderer Personen. Diese flossen über Interviews und Gesprächsprotokolle in das Ausgangsmaterial ein. Bei den dem Material entnommenen Codes handelt es sich um tatsächlich enthaltene Wörter und beschreibende Einschätzungen und/oder Wahrnehmungen. Alle Codes haben einen räumlichen Bezug. Die räumliche Rückkoppelung an das Gebiet (Mikrolandschaften) ist also enthalten.

Die offene Codierung ermöglicht es, sich zumindest teilweise und zeitweilig von einer dominierenden subjektiven Sichtweise zu lösen. Das Material erhält über die Befragung eine weitere Ebene. Diese Ebene ist, bedingt durch die Entnahme von „Rohmaterial“, weitestgehend offen. Diese Offenheit lässt einen weiteren Schritt der Interpretation zu: Die Mikrolandschaft. Das Konzept Mikrolandschaft ist also eine Abstraktion des Ausgangsmaterials. Über die Abstraktion gelingt eine Raumbeschreibung (welche sich nicht vollständig von der Subjektivität der Wahrnehmung lösen kann und muss). Die dem Material innewohnenden impliziten Informationen können sich so einer expliziten Kommunikationsform und Darstellungsform annähern.

87



Eine Strategie

89



Eine Strategie Das folgende Kapitel widmet sich dem vorab formulierten Ziel: Entwicklung einer (alternativen) (Frei)Raum-Strategie für das Forschungsgebiet – abgeleitet aus der (über die Forschungsfrage) erlangten Erkenntnis. Die Wahrnehmung und das darüber entwickelte Modell der Landschaft stehen im Zentrum dieser Arbeit. In dem vorab dargelegten Forschungsprozess wurde die Beschaffenheit der Landschaft ergründet. Was bedeuten die gewonnenen Informationen für ihre zukünftige Entwicklung? Die Notwendigkeit des (Frei)Raums innerhalb des Forschungsgebietes wird an dieser Stelle nicht verhandelt. Die „von außen“ implementierte Veränderung (siehe Forschungsinteresse) bildet den Ausgangspunkt und rückt das Wie in den Vordergrund. Folgend soll ein neuer Ansatz beschrieben werden, der als Gegenposition zum Bestehenden verstanden werden kann.

Für Lassus mündet die „erfinderische Analyse“ in den „kleinsten Eingriff“. Dieser wird wie folgt erläutert: „Objekt deines Tuns ist nicht der Gegenstand der Bearbeitung, also die Umwelt, sondern der Kopf des künftigen Betrachters, sein Wahrnehmungsvermögen. Riesige technische Eingriffe, Erdverschiebungen, Düngungen haben eine kleine Wirkung, wenn sie nicht auf die Wahrnehmung des Betrachters gezielt sind; kleine Eingriffe aber […] können die Wahrnehmung eines Stückchens Umwelt entscheidend verändern“ (Burckhardt 1986: 11).

Klar ist: Die Lösung kann nicht aus dem abgeleitet werden, was andere andernorts getan haben. Das Zufügen normierter Vorstellungen produziert Leere (wie das „Aneignungs-Vakuum“ zeigt). Es folgt eine auf der Logik der Mikrolandschaften basierende Strategie für den (Frei)Raum. Diese bildet ein übergeordnetes System. Innerhalb dieses Systems werden Werkzeuge (Tools) definiert. Diese Werkzeuge beinhalten keine konkrete und detaillierte Ausformulierung der Gestaltung und bleiben dadurch flexibel. Auf die Strategie folgend werden die Werkzeuge anhand eines ortsbezogenen Szenarios beispielhaft gestalterisch umgesetzt.

91


Abb. 24 Wasser-Landschaft - räumlich-verbindende Figur

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Abb. 25 Strategie/Tools


Vorhandenes ergänzen Die Wasser-Landschaft stellt als vorhandener (Frei)Raum ein Potenzial innerhalb der Landschaft dar. Die ursprüngliche Nutzung als „Transport-Bahn“ ist brach gefallen. Sie ist heute eine kaum beachtete räumlich-verbindende Figur. Dieses vorhandene Gerüst bietet die Möglichkeit einer erneuten (erneuerten) Bedeutungszuweisung. Es gilt sie als verbindende Figur im Raum wahrnehmbar zu machen und die in ihr verborgenen Potenziale zu erkennen. Sowie die vorhandene Struktur zu ergänzen und sie als (Frei)Raum zu entwickeln.

Innerhalb der Landschaft liegt die Wasser-Landschaft in einem Zwischenraum. Die Wahrnehmung selbiger wird durch die dominante Bewegungsform (schnell/ motorisiert) verhindert (siehe Mikrolandschaften – was liegt dazwischen). Den hauptsächlichen (visuellen) Zugang stellt die Blick-Landschaft (ausgehend vom Element der Brücke) dar.

Die an die Bewegung geknüpfte Wahrnehmung wird zum Ausgangspunkt der Strategie. Über die Veränderung der Wahrnehmung innerhalb der Transit-Landschaft (im Bereich der Brücken) kann mit Hilfe von Interventionen ein Anreiz zum „Anhalten“ geschaffen werden. Das „Anhalten“ des Autos bildet die Basis für eine andere Bewegungsform (zu Fuß gehen) der Akteure. Um das „Anhalten“ zu ermöglichen werden neue Begleiträume in der Transit-Landschaft installiert. Um die Wasser-Landschaft zu erschließen wird die (direkte) Zugänglichkeit erhöht. In einem weiteren Schritt werden auf der Wasseroberfläche bestandsergänzende Nutzungen implementiert (z.B. in Anlehnung an die ursprüngliche Nutzung: Transport). Die benannten Werkzeuge (Veränderung der Wahrnehmung/andere Bewegungsform ermöglichen/Zugänglichkeit erhöhen/Nutzungen ergänzen) sind nicht an einen konkreten Ort gebunden. Die gestalterische Ausformulierung kann sich so flexibel an die jeweilige Situation anpassen. Ziel ist es, mit Hilfe der Werkzeuge eine Vernetzung unterschiedlicher Orte innerhalb der Wasser-Landschaft zu produzieren. Diese Vernetzung stärkt die Landschaft aus sich selbst heraus und definiert sich als verbindendes Element, welches auf die zukünftigen (baulichen) Veränderungen reagieren kann. Die Entwicklung wäre demnach (anders als bei einer Achse) zirkulär auf die Landschaft gerichtet und orientiert sich an der in ihr enthaltenen Logik. Visionär wäre in diesem Kontext auch eine Kopplung des (zukünftigen) Baurechts an die Entwicklung der Wasser-Landschaft denkbar.

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Wasser-Landschaft Blick-Landschaft

Wahrnehmung/Intervention e Bill

Die Brücke (als Element im Mischraum zwischen Transit- Blick- und Wasser-Landschaft wird zum räumlichen Übersetzer. port

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Abb. 26 Szenario

Wassertaxi

Open Air Kino

Über eine Markierung auf der Straße (im Bereich der Brücken) wird die Wasserstruktur symbolisch in die Transit-Landschaft transportiert. Die Markierungen verbinden die dazwischen liegende Wasser-Landschaft und machen sie als Form im Raum wieder wahrnehmbar.


Nutzungen

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Steganlage

Bootsverleih

Szenario – Wasser-Landschaft ergänzen

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Zugang/Treppe

Anhalten/Parkplatz

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mögliche Verortungen Strategie/zirkuläre Vernetzung

95



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Literatur Batlle i Durany, Enric (2010): Die neuen Landschaften der Metropole. In: Valentien, Donata (Hg.): Wiederkehr der Landschaft. Berlin, S. 234-242.

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Alle Grafiken, Fotos und Texte sind Eigentum der Verfasserin oder anderweitig urheberrechtlich gesch端tzt. Lisa Brunnert 2014


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