Doku_Bleiberecht_Nov2011

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Dokumentation der Veranstaltung

Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung

am 03. November 2011 im Landeshaus, Kiel


Impressum

Herausgeber: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. Oldenburger Straße 25 24143 Kiel Diakonisches Werk, Landesverband Schleswig-Holstein e.V. Kanalufer 48 24758 Rendsburg Der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein Karolinenweg 1 24105 Kiel Der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein e.V. Zum Brook 4 24143 Kiel

Bezug: Weitere Exemplare dieser Dokumentation können über die Herausgeber bezogen werden. Die Publikation steht zum Download zur Verfügung unter www.landinsicht-sh.de/bleiberechtsregelungen.html Fotos: Gabi Köhler Kiel, Dezember 2011

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Inhaltsverzeichnis

Vorwort............................................................................................................................................................................................. 5 Grußworte zur Tagung „Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung" Torsten Geerdts, Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtags..................................................................................... 7 Bleiberecht - Rückblick und Ausblick Norbert Scharbach, Abteilungsleiter für Ausländer- und Integrationsangelegenheiten im Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration des Landes Schleswig-Holstein.............................................. 9 Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung - das wahre Leben ist anders! Torsten Döhring, Referent des Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein........................................................................................................... 19 Integration für alle - von Anfang an! Johanna Boettcher, Netzwerk Land in Sicht! – Arbeit für Flüchtlinge in Holstein...............................................................25 Kriterien für eine umfassende Bleiberechtsregelung Fanny Dethloff, Menschenrechts- und Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche..............................................................................................................29

Podium: Ergebnisse und Perspektiven................................................................................................................................... 31

Anhang............................................................................................................................................................................................37 Bundesratsinitiative Schleswig-Holstein zur Einführung eines Aufenthaltstitels für integrierte "Geduldete" ins Aufenthaltsgesetz...........................................................................37 Stellungnahme des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein e.V. und des PARITÄTISCHEN Schleswig-Holstein e.V. zum Entwurf einer Schleswig-Holsteinischen Bundesratsinitiative...............................................................................................49 Stellungnahme des Diakonischen Werks für eine stichtagsfreie Bleiberechtsregelung...................................................59


Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Vorwort Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein

Mittels verschiedener Bleiberechts- und Altfallregelungen

Landtagspräsident Geerdts hob in seinem Grusswort

wurde in den vergangenen Jahren versucht, das Problem

den über alle Landtagsfraktionen hinweg herrschenden

der sogenannten Kettenduldungen abzuschaffen. Den-

Konsens über die Notwendigkeit der Beendigung der

noch leben noch immer etwa 1.800 aufenthaltsrechtlich

Kettenduldungen und damit einer stichtagsunabhängigen

lediglich „geduldete“ Menschen in Schleswig-Holstein

gesetzlichen Regelung hervor. Norbert Scharbach, Abtei-

– ca. die Hälfte seit mehr als 6 Jahren. Sie sind aufgrund

lungsleiter im Justizministerium (in Schleswig-Holstein

des legalen Status Quo ausgeschlossen von den meisten

zuständig für Ausländerangelegenheiten), stellte die in

Integrationsförderangeboten und unterliegen bestehender

seinem Hause geplante Bundesratsinitiative für eben eine

Ausreisepflicht.

solche stichtagsunabhängige Regelung vor. Torsten Döhring, Referent des Landesflüchtlingsbeauftragten, führte

Organisationen der Flüchtlingshilfe, Kirchen und Verbände

an Praxisbeispielen aus, wie eine Ausgestaltung mit re-

fordern seit Jahren eine effektive Bleiberechtsregelung,

striktiven Kriterien zu Ausschlüssen führe und die geplan-

um die Situation der Geduldeten zu lösen. Zunehmend

te Regelung zu konterkarieren drohe. Johanna Boettcher

stoßen sie auf positive Resonanz in der Wirtschaft, bei

vom Netzwerk Land in Sicht! - Arbeit für Flüchtlinge in

Arbeitsmarktakteuren und in der Politik. In den vergange-

Schleswig-Holstein lenkte den Blick auf bestehende Hür-

nen Monaten beriet der schleswig-holsteinische Landtag

den der Gesetzes- und Verordnungslage, die nachhaltige

über die Thematik und beschloss, eine Gesetzesinitiative

Integration der Zielgruppe bis dato behindern, und mach-

für eine stichtagsunabhängige Altfallregelung in den Bun-

te Vorschläge für rechtspolitische Verbesserungen. Fanny

desrat einzubringen. Die Zugangs- und Ausschlusskriteri-

Dethloff, Flüchtlings- und Menschenrechtsbeauftragte der

en, nach denen dieser Regelung entsprechend geduldete

Nordelbischen Kirche, bündelte die aus Sicht der Kirchen

Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis erhalten könnten,

unabdingbaren humanitären Bedarfe, die beim gesetzli-

waren zu diesem Zeitpunkt unter den Parteien und in der

chen und administrativen Umgang mit hierzulande leben-

Öffentlichkeit noch umstritten.

den Flüchtlingen berücksichtigt sein sollten. Viel Stoff also für die anschließende – und hier im Heft

Mit dem Ziel, die relevanten Landesverwaltungen und die

dokumentierte – Podiumsdiskussion der migrationspo-

Landtagsfraktionen hinsichtlich dieser Kriterienbedarfe

litischen SprecherInnen der Landtagsfraktionen: Astrid

aus Perspektive der Beratungsarbeit und auf Grundlage

Damerow (CDU), Anita Klahn (FDP), Serpil Midyatli (SPD),

der Erfahrungen bei der Integrationsförderung zu infor-

Luise Amtsberg (Bündnis 90 / Die Grünen), Heinz-Werner

mieren, wurde die Tagung „Perspektiven einer wirklichen

Jezewski (Die Linke) und Flemming Meyer (SSW).

Bleiberechtsregelung“ organisiert. Veranstalter waren der Landesflüchtlingsbeauftragter, das Diakonisches Werk

Die diskutierte Bundesratsinitiative Schleswig-Holsteins

SH und das Netzwerk Land in Sicht! - Arbeit für Flücht-

wurde in der Zwischenzeit im Bundesrat eingereicht, die

linge in Schleswig-Holstein. Am 3. November wurden im

endgültige Fasssung finden Sie im Anhang dieser Doku-

Landeshaus in Kiel Impulse für die Ausgestaltung einer

mentation gemeinsam mit Stellungnahmen aus Sicht der

humanen und wirkungsvollen Bleiberechtssregelung

Flüchtlingssolidarität.

vorgestellt und mit den migrationspolitischen SprecherInnen sämtlicher Landtagsfraktionen, dem zuständigen Abteilungsleiter im Justizministerium und dem aus zahlreichen VertreterInnen von Migrationsfachdiensten, Lobbyorganisationen, Arbeits- und Ausländerverwaltungen und MigrantInnenorganisationen bestehenden Publikums diskutiert.

Martin Link Vorwort

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Grußwort Torsten Geerdts, Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Überschrift der heutigen Veranstaltung macht es deutlich: „Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung“. Die derzeitige Situation ist für zahlreiche Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht hinnehmbar. Trotz der bisherigen Regelungen zum Bleibrecht leben 1.800 Menschen in Schleswig-Holstein mit einer sogenannten Duldung und somit einer unsicheren Zukunft. Dabei geht es um viel mehr als den Streit um Begrifflichkeiten und Paragraphen. Hinter jeder juristischen Streitigkeit, hinter jeder Entscheidung steht ein Mensch, steht eine Familie, stehen Biographien. Die Politik wird daher zu Recht immer wieder von den zuständigen Organisationen aufgefordert, eine klare und nachvollziehbare Regelung

Torsten Geerdts

zum Bleiberecht zu treffen. Die Diskussion im Schleswig-Holsteinischen Landtag

Stefan Schmidt ist ein weit über die Landesgrenzen

im vergangenen Monat zum Thema hat gezeigt, dass es

bekannter Engagierter Kämpfer für die Anliegen von

Änderungen der bestehenden Regelungen geben muss

Menschen, die in ihrer Heimat aufgrund von politischer

– da sind sich alle Fraktionen im Landtag auch einig. Ein-

Verfolgung, Gewalt oder Überlebensnot in die Flucht ge-

zelfallentscheidungen der Härtefallkommission müssen

schlagen worden sind. Er ist in Schleswig-Holstein gut

in Zukunft die Ausnahme sein. Darüber hinaus soll die

vernetzt mit denjenigen, die sich um gerechte Teilhabe

Landesregierung über eine Bundesratsinitiative auf die

und Chancengleichheit für Flüchtlinge engagieren. So

bundesgesetzliche Regelung Einfluss nehmen.

genießt Stefan Schmidt auch außerhalb des politischen Betriebes ein hohes Ansehen – das haben viele Organisa-

Alle Rednerinnen und Redner sind sich einig, dass eine

tionen im Vorfeld der Wahl deutlich gemacht.

erfolgreiche Integration der betreffenden Menschen unerlässlich ist. Hier gilt es, passgenaue Parameter zu definie-

Herr Schmidt, ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit im Dien-

ren, damit eine Teilhabe gelingen kann.

ste der Menschen und unseres Landes alles Gute und immer eine glückliche Hand.

Meine Damen und Herren, als Wissensvermittlung, Gedankenaustausch und Netz-

Meine Damen und Herren,

werkbildung dient die heutige Veranstaltung. Nach den

ich freue mich sehr darüber, dass Sie für Ihre Diskussi-

Fachvorträgen steht der Dialog mit den zuständigen Spre-

onsveranstaltung den Schleswig-Holsteinischen Landtag

cherinnen und Sprechern der Fraktionen im Mittelpunkt.

gewählt haben. Welcher Ort im Land ist besser dazu geeignet, sich um die Schwächsten in der Gesellschaft

Mit der heutigen Veranstaltung wird auch unser neuer Be-

zu kümmern als das Haus der Demokratie. Ich wünsche

auftragter des Landes für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwan-

Ihnen für den heutigen Abend gute Vorträge und Diskus-

derungsfragen praktisch in sein Amt eingeführt. Stefan

sionen.

Schmidt wurde von allen Fraktionen einstimmig gewählt. Wie Sie alle wissen, ist dieses einhellige Votum nicht

Seien Sie uns alle ganz herzlich Willkommen im

selbstverständlich im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

Schleswig-Holsteinischen Landtag.

Torsten Geerdts Grußwort

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Bleiberecht - Rückblick und Ausblick Nobert Scharbach, Abteilungsleiter für Ausländer- und Integrationsangelegenheiten im Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration des Landes Schleswig-Holstein

Norbert Scharbach

Norbert Scharbach Bleiberecht - Rückblick und Ausblick

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Norbert Scharbach Bleiberecht - R端ckblick und Ausblick

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Norbert Scharbach Bleiberecht - R端ckblick und Ausblick

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Norbert Scharbach Bleiberecht - R端ckblick und Ausblick

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Norbert Scharbach Bleiberecht - R端ckblick und Ausblick

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelungdas wahre Leben ist anders! Torsten Döhring, Referent des Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein Sehr geehrte Damen und Herren, als Mitveranstalter möchte ich Sie auch noch mal recht herzlich zu der heutigen Veranstaltung begrüßen. Ich soll unter der Überschrift „Das wahre Leben ist anders!“ Beispielsfälle aus Schleswig-Holstein zum Bereich Bleiberechtsregelungen vorstellen. Wie Sie schon sicher bemerkt haben (Herr Landtagspräsident, Herr Scharbach) hat der Baum auf dem Einladungsflyer einen direkten Bezug zu dem Thema. • der Baum steht für Verwurzelung, nämlich hier das lang-

Torsten Döhring

jährige Leben der Geduldeten in Schleswig-Holstein, • aber auch für Standhaftigkeit im Hinblick auf politische Beharrlichkeit der Nichtregierungsorganisationen.

Ausländer, die über sehr lange Zeit lediglich im Besitz von Duldungen waren.

• Schließlich stehen die grünen Blätter für die Hoffnung auf eine umfassende Bleiberechtsregelung.

• So gab u. a. in den 90er Jahren eine Altfallregelung für ehemalige Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit

Bei diesem Baum handelt es sich aber um einen Bonsai. Das japanische Wort Bonsai (ich habe mich ja schlau gemacht) stammt ursprünglich aus dem Chinesischen und bedeutet Landschaft in der Schale.

langjährigem Aufenthalt sowie • etwas später eine Abschlussregelung für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo. • Im Herbst des Jahres 2006 gab es dann eine Altfallrege-

Nach altem chinesischen Verständnis ist Bonsai die Kunst

lung aufgrund einer Beschlusslage der Innenministerkon-

eine Harmonie zwischen den Naturelementen und den

ferenz sowie

Menschen in miniaturisierter Form darzustellen.

• ab dem März 2007 eine gesetzliche Altfallregelung nominiert in § 104a und 104b AufenthG.

Der Bonsaibaum erhält seine Form jedoch durch Wurzel-

• Nunmehr ist die „Aufenthaltsgewährung für gut inte-

schnitt, Blattschnitt und Drahtung mithin Beschränkung

grierte Jugendliche und Heranwachsene gemäß § 25 a

und Einschränkung.

AufenthG“ hinzu gekommen.

Wie weit bisherige Bleiberechtsregelungen derart be-

Sämtliche bisherige Bleiberechtsregelungen beinhalten

schnitten sind, dass sie auch bei Verwurzelung in Schles-

Hürden, die von vielen Personen mit ungesichertem Aufent-

wig-Holstein nicht zu einem Daueraufenthaltsrecht führen

halt nicht übersprungen werden können, seien es zu hohe

können wird die heutige Veranstaltung zeigen.

Anforderungen an zu erbringende Integrationsleistungen, • wie Sprache,

Dass auch die von Herrn Scharbach vorgestellte Bundesra-

• Schulerfolg

tsinitiative für eine Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger

• Erwerbstätigkeit

Integration nicht geeignet ist bei allen potentiell Betroffe-

• vorgegebene knapp bemessene Fristen

nen, insbesondere der beruflich wenig Qualifizierten, die

• oder es wird unterstellt, dass die betroffenen Personen

Bäume, sprich Wünsche in den Himmel wachsen zu lassen, wird an einigen Beispielen dargestellt werden.

ihren langjährigen Aufenthalt in Deutschland selbst verschuldet haben.

Wie bereits zuvor erwähnt, gab es in den letzten Jahren

Auch die vom schleswig-holsteinischen Justizminister

mehrere Bleiberechtsregelungen für Ausländerinnen und

eingebrachte und von Herrn Scharbach vorgestellte Norm

Torsten Döhring Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung - das wahre Leben ist anders!

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§ 25 b AufenthG „Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger

Asylanträge zu stellen.

Integration“, hier berufe ich mich auf das Eckpunktepapier, das der Beratung des Innen- und Rechtsausschusses

Die sukzessiv gestellten Asylanträge für die Eltern und Kin-

Ende September und Oktober zugrunde gelegen hat und

der blieben alle erfolglos.

der Beschluss des Landtages bzw. des Innen- und Rechtsausschusses der Integrationskriterien aufführt, werden, so

Einem Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Auf-

diese als Norm umgesetzt würden, nicht verhindern das es

enthG (gesetzliche Altfallregelung) wurde stattgegeben,

weiterhin Kettenduldungen gibt und Menschen sehr viele

der Aufenthalt wurde jedoch nicht verlängert, da ein Famili-

Jahre mit ungesichertem Aufenthalt in Schleswig-Holstein

enmitglied erheblich straffällig war.

lebenwerden. • Die von dem Eckpunktepapier des Justizministeriums Vorab sei gesagt, dass von mir ausdrücklich das Anliegen

vorgesehene Aufenthaltsdauer (auch die nach der Land-

des Ministeriums begrüßt wird, eine stichtagunabhängige

tagsbeschlusslage geforderte Aufenthaltsdauer) ist von

Aufenthaltsperspektive für Personen mit ungesicherten Aufenthalt einzuführen, wie ich es auch für sehr erfreulich erachte, dass der Landtag sich dieser Initiative vom Grundsatz anschließt, auch wenn die einzelnen Kriterien aus meiner Sicht zu hoch sind.

sämtlichen Familienmitgliedern erfüllt. • die Straffreiheit zumindest bei 4 Familienmitglieder ist gegeben, • die erforderlichen Mitwirkungshandlungen sind auch erfolgt. • die Deutschkenntnisse der Kinder sind ausreichend,

Wie aus Sicht des Beauftragten eine entsprechende Rege-

• die Deutschkenntnisse des straffällig gewordenen Famili-

lung aussehen sollte, ist schriftlich und mündlich vorgetra-

enmitgliedes wären ebenfalls nach den Voraussetzungen

gen worden, das wird hier nicht erneut geschehen. Im Übrigen verweise ich auf den später folgenden Vortrag der Menschenrechts- und Flüchtlingsbeauftragte der

des Ministeriums des Landtagsbeschlusses ausreichend, • nicht jedoch die Deutschkenntnisse des nicht straffällig gewordenen Familienmitgliedes.

Nordelbischen Kirche, Fanny Dethloff und die sich daran anschließende Diskussion.

Über diese Hürde könnte das nicht straffällig gewordene Familienmitglied ggf. noch springen,

Ob eine Aufenthaltsperspektive von Personen mit ungesichertem Aufenthaltsrecht als Bleibe- oder Altfallregelung

• bürgerschaftliche Aktivitäten, wie vom Justizministerium

firmieren sollte oder ob es mehr Sinn macht, wie von Herrn

gewünscht und vom Landtagsbeschluss vorgesehen,

Scharbach hier eingebracht, von einem eigenständigen

hat schon aufgrund der Kindererziehung aber auch der

Aufenthaltstitel auszugehen, der an die Integrationsleistung

Deutschkenntnisse das nicht straffällig gewordene Fami-

anknüpft und nicht als humanitäre Auffangregelung gelten

lienmitglied nicht nachzuweisen,

soll, möchte ich an diesen Punkt nicht bewerten.

• wie auch ist der Lebensunterhalt nicht durch Erwerbstätigkeit annähernd gesichert. Die vorgenannte Familie würde nach alledem von der avi-

Doch nun zu den Fällen

sierten Altfallregelung/dem avisierten Aufenthaltstitel nicht profitieren können.

Fall 1: Familie T. stammt aus Nordafrika.

Von dem § 25 a AufenthG können die Kinder nicht profi-

Die Eltern sind Anfang der 90er Jahre nach Deutschland

tieren weil drei zu jung sind und der im passenden Alter

geflohen und haben einen Asylantrag gestellt, kurze Zeit

sich nicht in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung

später wurde das erste Kind hier geboren.

befindet.

Nach Ablehnung des Asylantrages ist die Familie Mitte der 90er Jahre wieder nach Nordafrika ausgereist, um dann Ende der 90er Jahre zusammen mit ihren weiteren 2 Kindern, abermals nach Deutschland einzureisen und erneut 20

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Fall 2:

Fall 3

Die Familie N. stammt aus dem Kosovo, es handelt sich um

Die Eltern und das älteste Geschwisterkind der Familie G

Minderheitenangehörige. Die Eltern sind Anfang des Jah-

stammen aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion, das

res 2000 zusammen mit dem ältesten Kind nach Deutsch-

jüngste Kind wurde in Deutschland geboren.

land geflohen und haben Asylanträge gestellt, die weiteren 3 Kinder wurden in Deutschland geboren.

Der Vater ist Ende des Jahres 2003 nach Deutschland eingereist, im Frühjahr des Jahres 2005 folgte seine Frau

Die Asylanträge blieben erfolglos. In der Folgezeit verblie-

zusammen mit dem damaligen Kleinkind. Die Asylanträge

ben die Familienangehörigen mit Duldungen in Deutsch-

der Eltern wurden abgelehnt, ebenso wie die Asylanträge

land.

der der weiteren drei Kinder. Im Rahmen des Asylverfahrens der Eltern wurden wider-

Ein Antrag nach § 104a AufenthG wurde nicht gestellt.

sprüchliche Angaben zur Staatsangehörigkeit gemacht, die Ausländerbehörde sowie auch das Bundesamt für Migra-

• Die von dem Eckpunktepapier des Justizministeriums vorgesehene Aufenthaltsdauer (auch die nach der Land-

tion und Flüchtlinge gingen später davon aus, dass es sich um armenische Staatsangehörige handeln könnte.

tagsbeschlusslage geforderte Aufenthaltsdauer) ist von sämtlichen Familienmitgliedern erfüllt. • die Straffreiheit zumindest bei 4 Familienmitglieder ist gegeben,

• Die von dem Eckpunktepapier des Justizministeriums vorgesehene Aufenthaltsdauer (auch die nach der Landtagsbeschlusslage geforderte Aufenthaltsdauer) ist von

• die erforderlichen Mitwirkungshandlungen sind auch erfolgt.

sämtlichen Familienmitgliedern erfüllt. • die Straffreiheit der Familienmitglieder ist gegeben,

• Die Deutschkenntnisse beider Eltern reichen aus, um die Voraussetzungen des Eckpunktepapiers des Justizmini-

• beide Eltern haben ausreichende Sprachkenntnisse erworben,

steriums wie auch der Beschlusslage des Landtages zu

• die schulpflichtigen Kinder sind recht gut in der Schule,

erfüllen,

• das jüngste Kind besucht eine Kindestagesstätte.

• die 4 schulpflichtigen Kinder besuchen, wenn auch mit mäßigem Erfolg, die Schule, ein Kind nimmt am Unterricht „Deutsch als Zweitsprache“ teil. • die Mutter ist nur in sehr geringem Maße erwerbstätig, • der Vater hatte 2 geringfügig Beschäftigungen. Durch alle 3 Tätigkeiten wurde der Lebensunterhalt der Familie nicht gesichert.

• Der Vater ist geringfügig beschäftigt, hat aber mehrere Zusagen auch Vollzeit beschäftigt zu sein, • die Mutter bemüht sich um einen Arbeitsplatz • bürgerschaftliche Aktivitäten, wie vom Justizministerium gewünscht und vom Landtagsbeschluss vorgesehen, haben die Eltern nicht entfaltet • Die Familie hat in der Vergangenheit nicht ordnungsgemäß ihre Mitwirkungspflichten erfüllt und würde daher

Ob eine Prognoseentscheidung dazu führt, dass die Er-

nach der Beschlusslage des Landtages von einer Aufent-

werbstätigkeit beider Eltern, das jüngste Kind ist 5 Jahre

haltsverfestigung ausgeschlossen sein. Die verzögerten

alt, zukünftig der Lebensunterhalt der gesamten Familie

aber mittlerweile offenbart eingeräumten persönlichen

gesichert sein wird, ist fraglich, jedenfalls haben beide

Daten, die aktuell der Ausreise nicht mehr entgegen ste-

Eltern keine bürgerschaftliche Aktivitäten, wie vom Justiz-

hen, könnten ggf. bei dem Eckpunktepapier des Justiz-

ministerium gewünscht und vom Landtagsbeschluss vor-

ministeriums umschifft werden.

gesehen, entfaltet. Die vorgenannte Familie würde nach alledem von der aviDie vorgenannte Familie würde nach alledem von der avi-

sierten Altfallregelung/dem avisierten Aufenthaltstitel nicht

sierten Altfallregelung/dem avisierten Aufenthaltstitel nicht

profitieren können.

profitieren können. Von dem § 25 a AufenthG können die Kinder derzeit noch Von dem § 25 a AufenthG können die Kinder derzeit noch

nicht profitieren weil alle viel zu jung sind.

nicht profitieren weil alle zu jung sind.

Torsten Döhring Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung - das wahre Leben ist anders!

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Fall 4

Die Familie hatte Anträge gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG

Die 8-köpfige Familie K stammt aus Syrien.

nach der Innenministerkonferenzbeschlusslage gestellt, da

Die Familie ist im Jahr 1997 nach Deutschland eingereist

der Lebensunterhalt jedoch durch die Eltern nicht gesichert

und hat Asylanträge gestellt. Die Asylanträge blieben er-

werden konnte, wurden die Aufenthaltserlaubnisse nicht

folglos.

verlängert.

Anträge auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach

In der Folgezeit wurden aber Aufenthaltserlaubnis nach §

§ 104a AufenthG waren hinsichtlich der 3 älteren Kinder

104a AufenthG erteilt. Die Familie war jedoch nicht in der

erfolgreich.

Lage, den Lebensunterhalt zu sichern mit der Folge, dass Anfang 2010 sämtliche Familienmitglieder wieder Duldun-

Den Eltern und die 3 minderjährigen Kinder erhielten keine

gen erhielten.

Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG unter Hinweis darauf, dass die Eltern nicht ausreichende Deutschkennt-

Der älteste Sohn der Familie erhält über die Härtefallkom-

nisse hätten sowie nicht ausreichend mitgewirkt hätten.

mission eine Aufenthaltserlaubnis, die Eltern erhalten wei-

Ein Klagverfahren im Hinblick auf eine Aufenthaltserlaubnis

terhin Duldungen.

nach § 104a AufenthG war nicht erfolgreich. • Die von dem Eckpunktepapier des Justizministeriums • Die von dem Eckpunktepapier des Justizministeriums

vorgesehene Aufenthaltsdauer (auch die nach der Land-

vorgesehene Aufenthaltsdauer (auch die nach der Land-

tagsbeschlusslage geforderte Aufenthaltsdauer) ist von

tagsbeschlusslage geforderte Aufenthaltsdauer) ist von

sämtlichen Familienmitgliedern erfüllt.

sämtlichen Familienmitgliedern erfüllt. • die Straffreiheit der Familienmitglieder ist gegeben,

• die Straffreiheit der Familienmitglieder ist gegeben, • Sämtliche schulpflichtigen Kinder sind erfolgreich in der

• Sämtliche schulpflichtigen Kinder besuchen die Schule,

Schule und haben Kontakt mit Deutschen in Sportverei-

• die Eltern können mitlerweile Deutschkenntnisse gemäß

nen oder sonstigen Aktivitäten.

GER A 2 nachweisen. • die Eltern haben in der Folgezeit an der Passbeschaffung mitgewirkt • bürgerschaftliche Aktivitäten, wie vom Justizministerium gewünscht und vom Landtagsbeschluss vorgesehen, haben die Eltern nicht entfaltet • Die Eltern können den Lebensunterhalt für sich und die

• Die Eltern erreichen die über das Eckpunkteprogramm des Justizministerium geforderten Sprachkenntnisse, • Beide Eltern können keine bürgerschaftlichen Aktivitäten nachweisen • Der Lebensunterhalt kann durch die beruflich nicht qualifizierten Eltern bis dato nicht gesichert werden, eine Prognose hinsichtlich der Unterhaltssicherung ist,

3 jüngeren Kinder zzt. Immer noch nicht sichern, mögli-

zumindest so lange 3 der 4 Kinder auf die Lebensunter-

cherweise fallen die Eltern unter die Ausnahmekriterien,

haltsicherung durch die Eltern angewiesen sind, nicht

enthaltenen im Eckpunktepapier des Justizministeriums.

möglich.

• nach der Beschlusslage des Landtages wären die Eltern in Ermangelung der Sicherung des Lebensunterhaltes

Die vorgenannte Familie würde nach alledem von der avi-

einer Aufenthaltsverfestigung ausgeschlossen.

sierten Altfallregelung/dem avisierten Aufenthaltstitel nicht profitieren können.

Von dem § 25 a AufenthG wird wohl ein Kinder profitieren können. Die Eltern derzeit jedoch nicht, weil der Lebensun-

Von dem § 25 a AufenthG können die Kinder derzeit noch

terhalt nicht gesichert ist.

nicht profitieren weil alle viel zu jung sind.

Fall 5

Fall 6

Die Eltern und das älteste Kind der Familie K. stammen aus

Herr B. stammt aus dem Iran, er hat 2005 einen Antrag auf

dem Kosovo.

Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

Die Familie ist im Jahr 1998 nach Deutschland eingereicht

Schon während des Asylverfahrens hat er sich um eine

und es wurden Asylanträge gestellt. Die Asylanträge blie-

Verbesserung der deutschen Sprachkenntnisse bemüht

ben ebenso erfolglos wie die Asylanträge der in Deutsch-

und Kontakt mit deutschen Vereinen aufgenommen.

land geborenen weiteren 3 Kinder. 22

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Im zeitlichen Zusammenhang mit der Ablehnung seines

Fall 8

Asylbegehrens waren seine deutschen Sprachkenntnisse

Der über 30 jährige Herr B. stammt aus Algerien, er ist

derart gediehen, dass er eine Ausbildung im medizinischen

im Jahr 2005 nach Deutschland eingereist und hat einen

Bereich beginnen wollte. Ein Antrag auf Erteilung einer Auf-

Asylantrag gestellt, der abgelehnt worden ist.

enthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 blieb erfolglos. Aufenthaltsbeendigungen konnten nicht durchgeführt wer• Straffreiheit ist gegeben

den, da er über die algerische Botschaft keine Ersatzpapie-

• erforderliche Mitwirkungshandlung hat er zumindest ein-

re erhalten hat.

geleitet • gute Deutschkenntnisse sind vorhanden • er ist nicht erwerbstätig aber in einer Ausbildung in einem

• Die von dem Eckpunktepapier des Justizministeriums vorgesehene Aufenthaltsdauer (auch die nach der Land-

anerkannten Lehrberuf, die eine Erwerbstätigkeit nach

tagsbeschlusslage geforderte Aufenthaltsdauer) ist von

sich ziehen wird

Herrn B. noch nicht erfüllt.

• Die von dem Eckpunktpaket des Justizministeriums vorgesehene Aufenthaltsdauer (auch die nach der Landtagsbe-

• Straffreiheit ist gegeben • ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sind

schlusslage geforderte Aufenthaltsdauer von 8 Jahren) ist

nach Einschätzung von Migrationssozialberatern gege-

noch nicht erfüllt, er ist lediglich 6 Jahre in Deutschland.

ben • die erforderlichen Mitwirkungshandlungen wurden nur

Fall 7

zögerlich durchgeführt, mittlerweile wirkt er ausreichend

Herr Y. stammt aus dem Iran. Es ist zusammen mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder im Jahr 2003 nach Deutschland geflohen, die

mit • der Lebensunterhalt kann von Herrn B. immer nur zeitweilig erwirtschaftet werden

Asylanträge der Eltern waren erfolgreich, die beiden Söhne

• Bürgerschaften wie Aktivitäten, wie vom Justizministeri-

bekamen lediglich Duldungen, sie waren zum Zeitpunkt der

um gewünscht und vom Landtagsbeschluss vorgesehen,

Flucht bzw. der Anerkennung über 18 Jahre alt.

sind nicht erfolgt.

Herr J. hat eine Grundausbildung zur so genannten „Sicherheitskraft“ beim TUS-Gaarden durchlaufen.

Die vorgenannten Fälle zeigen, dass es durchaus viele Konstellationen gibt, bei denen Menschen - auch mit lang-

Anträge auf Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Auf-

jährigem Aufenthalt - in Schleswig-Holstein nicht unter die

enthG blieben bis dato erfolglos.

Bleiberechtsregelung oder die so genannte „Regelung für gut integrierte Personen“ fallen würden.

• Die von dem Eckpunktepapier des Justizministeriums vor-

Diese Personen werden weiterhin Duldungen erhalten und

gesehene Aufenthaltsdauer (auch die nach der Landtags-

sich weiterhin an die Härtefallkommission wenden müssen.

beschlusslage geforderte Aufenthaltsdauer) ist erfüllt

In den aufgezeigten Fällen sind die Hürden

• Straffreiheit ist eingeschränkt gegeben, Herr J. wurde zu

• die Sicherung des Lebensunterhaltes und

wenigen Tagessätzen verurteilt • Deutschkenntnisse sind gut, B 1 Zertifikat • Mitwirkungshandlungen sind nicht erfolgt

• die bürgerschaftlichen Aktivitäten. • zum Teil auch die unterstellte oder tatsächliche mangelnde Mitwirkung.

• der Lebensunterhalt ist zzt. nicht gesichert, da es wegen mangelnder Mitwirkungshandlung ein Arbeitsverbot gibt

Setzen Sie sich ein für eine Bleiberechtsregelung ein, die

• bürgerschaftliche Aktivitäten, wie vom Justizministerium

kein Bonsai sondern ein richtig großer Baum wird, damit

gewünscht und vom Landtagsbeschluss vorgesehen, sind

möglichst viele langjährig geduldete Menschen davon

nicht erfolgt auch weil Herr J. sich auf seine Grundausbil-

profitieren.

dung zur Sicherheitskraft konzentrieren musste Von dem § 25 a AufenthG kann er nicht profitieren, da er zu

Vielen Dank

alt ist. Torsten Döhring Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung - das wahre Leben ist anders!

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Integration für alle – von Anfang an! Johanna Boettcher, Netzwerk Land in Sicht! - Arbeit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein Schwerpunkt der heutigen Veranstaltung ist die Diskussion um Bleiberechtsregelungen. Alle bisherigen und aktuell diskutieren Regelungen haben dabei eines gemeinsam: sie setzen voraus, dass sich Menschen, die mit einer Duldung in Deutschland leben, integriert haben. Das gelingt tatsächlich in Einzelfällen. Diese machen jedoch bei genauerer Betrachtung nur deutlich, dass die Voraussetzungen einer Integration geduldeter Flüchtlinge in der Regel keineswegs gegeben sind. Das Gegenteil ist der Fall: ihre Integration wird an den entscheidenden Schaltstellen erschwert und behindert. Dies möchte ich im Folgenden verdeutlichen. Die Ausgangslage Ich beziehe mich dabei einerseits auf Erfahrungen aus der

Johanna Boettcher

Praxis im Netzwerk „Land in Sicht! - Arbeit für Flücht-

rufsgruppen, für die eine Arbeitserlaubnis erteilt wurde,

linge in Schleswig-Holstein“, das ich gemeinsam mit

kann man zudem schließen, dass es sich überwiegend

meiner Kollegin Krystyna Michalski vom Paritätischen

um Beschäftigung im Niedriglohnsektor handelt, häufig in

Landesverband und Martin Link vom Flüchtlingsrat

der Gastronomie.

Schleswig-Holstein koordiniere. Gefördert vom Bundes-

Was sind die Gründe für diese mangelhafte Integration

arbeitsministerium und dem Europäischen Sozialfonds

in den Arbeitsmarkt? Ein möglicher Grund könnte sein,

setzen wir uns für die Integration von Flüchtlingen – auch

dass Ausländerbehörden eben doch nicht immer die Er-

Flüchtlinge mit noch unsicherer Aufenthaltsperspektive,

teilung einer Arbeitserlaubnis ins Ausländerzentralregister

z.B. Asylsuchende und Geduldete - in den Arbeitsmarkt

eintragen. Dies müsste für Schleswig-Holstein überprüft

ein und unterstützen sie dabei, einen Arbeits- oder Aus-

werden. Ein weiterer Grund könnte sein, dass die große

bildungsplatz zu finden und zu behalten.

Mehrheit der geduldeten Flüchtlinge strukturell einfach

Ergänzend beziehe ich mich auf die gerade veröffentlichte

nicht zum deutschen Arbeitsmarkt passt. Dem stehen je-

Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge

doch die Ergebnisse des Netzwerks Land in Sicht in seiner

unter dem Titel „Migranten im Niedriglohnsektor unter

letzten Laufzeit 2008-2010 entgegen: immerhin 32 Pro-

besonderer Berücksichtigung der Geduldeten und Bleibe-

zent der TeilnehmerInnen gelang es, einen Arbeitsplatz zu

berechtigten“. Der schockierende Befund dieser Studie

finden, zusätzliche 17 Prozent konnten eine Berufsausbil-

lautet: nur 10,9 Prozent der geduldeten Flüchtlinge in

dung beginnen. Unsere Erfahrung zeigt vielmehr, dass die

Deutschland sind erwerbstätig. Diese Erkenntnis beruht

niedrige Erwerbsbeteiligung von geduldeten Flüchtlingen

auf einer Auswertung des Ausländerzentralregisters zum

strukturelle Ursachen hat. Das werde ich für die Bereiche

30. Juni 2010, in dem auch die Erteilung von Arbeitser-

Sprachkenntnisse, Ausbildung, Arbeit und Qualifizierung

laubnissen vermerkt wird. Es wurden nur die Geduldete

genauer darstellen.

im erwerbsfähigen Alter berücksichtigt, die prinzipiell Zugang zum Arbeitsmarkt haben, da sie sich seit über einem

Deutschkurse für alle – von Anfang an!

Jahr in Deutschland aufhalten. In Schleswig-Holstein

Der Satz „Sprache ist der Schlüssel zur Integration“ wird

waren zum Stichtag sogar nur 92 Personen beschäftigt,

seit ein paar Jahren fast mantraartig in Deutschland

7,2 Prozent der fraglichen Personengruppe.

wiederholt – zurecht. Doch längst nicht alle Menschen

Es sind also sehr wenige, die Zugang zum Arbeitsmarkt

haben Zugang zu den vom Bundesamt für Migration und

finden – und das auch noch sehr spät: 82 Prozent der

Flüchtlinge finanzierten Integrationskursen, dem Haupt-

erwerbstätigen Geduldeten leben seit über sechs Jahren

instrument der Sprachvermittlung in Deutschland. Gedul-

in Deutschland. Aus der Analyse der Branchen und Be-

dete Flüchtlinge können zu Integrationskursen höchstens

Johanna Boettcher Integration für alle – von Anfang an!

25


als SelbstzahlerInnen zugelassen werden. Ca. 2.000 Euro

Leider ist ihnen das finanziell häufig nicht möglich – denn

kostet dann ein Kurs, dazu kommen die in Schleswig-

Anspruch auf BAFöG-Leistungen bzw. Berufsausbildungs-

Holstein nicht unerheblichen Fahrtkosten. Geduldete

beihilfe (BAB) besteht erst nach vierjährigem Aufenthalt.

Flüchtlinge erhalten in den ersten vier Jahren ihres Auf-

Gerade bei der Aufnahme einer schulischen Ausbildung

enthalts (unter bestimmten Bedingungen auch danach)

oder eines Studiums bleibt die Frage unbeantwortet, wie

höchstens 225 Euro pro Monat für ihren Lebensunterhalt.

Gebühren, Lebensunterhalt, Miete und Fahrtkosten finan-

Die Leistungen nach dem für sie maßgeblichen Asyl-

ziert werden sollen, wenn auch die Familie keine Mittel

bewerberleistungsgesetz liegen damit um mehr als ein

dafür hat bzw. gar nicht in Deutschland lebt.

Drittel unter den Leistungen des Zweiten Sozialgesetzbu-

Hoch problematisch sind zudem Ausbildungsverbote:

ches („Hartz IV“). Daraus wird deutlich, dass es ihnen aus

Wenn die Ausländerbehörde zu der Auffassung gelangt,

finanziellen Gründen nicht möglich ist, einen Integrati-

dass eine Person oder Familie nur deshalb nicht abge-

onskurs zu besuchen. Doch ohne Sprachkenntnisse ist es

schoben werden kann, weil sie dafür nötige Informationen

wiederum praktisch unmöglich, Arbeit zu finden. Darüber

zurückhält und bei der Passbeschaffung nicht ausrei-

hinaus sind deutsche Sprachkenntnisse auch die Grund-

chend mitwirkt, erteilt sie ein Arbeitsverbot. Ziel ist es, die

voraussetzung für Eltern, ihre Kinder in der Schule und

Menschen damit so unter Druck zu setzen, dass sie frei-

bei der Berufswahl zu unterstützen, für NachbarInnen,

willig das Land verlassen (wobei diese Rechnung oft nicht

miteinander zu kommunizieren und sich kennenzulernen,

aufgeht, so dass viele einfach zermürbt im Land bleiben).

und nicht zuletzt für das gewünschte bürgerschaftliche

Dabei gilt: Kinder haften für ihre Eltern. Wenn die Auslän-

Engagement.

derbehörde den Eltern vorwirft, bei der Ermöglichung der

Der fehlende Zugang zu Deutschkursen ist auch eines der

eigenen Abschiebung nicht ausreichend mitzuarbeiten,

Hauptthemen unserer Arbeit im Netzwerk Land in Sicht,

dann darf auch der 16-jährige Sohn, die 17jährige Tochter

so wie in vielen Migrationsberatungsstellen. Die Teilneh-

keine Ausbildung beginnen. Dies trifft junge Menschen

merInnen flehen uns regelrecht an, ihnen die Teilnahme

unverhältnismäßig hart: in einem Alter, in dem ihre Al-

am Deutschkurs zu ermöglichen. In Einzelfällen klappt das

tersgenossen die wichtigen beruflichen Entscheidungen

manchmal, aber es bleibt immer ein Tropfen auf den hei-

ihres Lebens treffen, sind sie zur Untätigkeit gezwungen

ßen Stein und eine äußerst unbefriedigende Situation.

und müssen zuschauen, wie alle anderen an ihnen vorbei-

Das ginge auch anders: bis 2005 gab es in Schleswig-

ziehen.

Holstein landesfinanzierte Sprachkurse auch für Asyl-

Humanitäre Erwägungen sollten hier klar Vorrang ha-

suchende und Flüchtlinge mit einer Duldung. Aktuell

ben vor ausländerrechtlichen Zielen. Doch auch aus

finanzieren z.B. Hamburg, München und der Kreis

wirtschaftlicher Sicht sollten junge Menschen mit einer

Hersfeld-Rotenburg in Hessen Deutschkurse für diese

Duldung vielmehr gefördert werden, eine Ausbildung auf-

Personengruppe aus ihren Haushaltsmitteln. Der Kreis

zunehmen. Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und

Hersfeld-Rotenburg hat ausgerechnet, dass sich dies

Handelskammertags ergab, dass Betriebe selbst im Kri-

auch finanziell lohnt, da so deutlich mehr Flüchtlinge eine

senjahr 2009 jeden fünften Ausbildungsplatz nicht beset-

Arbeit aufnehmen konnten und dem Kreis dadurch weni-

zen konnten. Die Schulabgangszahlen sinken bereits seit

ger Kosten entstanden.

einigen Jahren, und dieser Trend wird sich aufgrund des

Auch in Schleswig-Holstein sollten wieder landesfinan-

demographischen Wandels fortsetzen. Wir sind auf dem

zierte Deutschkurse für Geduldete und Asylsuchende

Weg vom Lehrstellenmangel hin zum Lehrlingsmangel.

eingeführt werden – zumindest bis die Teilnahme an Inte-

Das hat auch die Bundesregierung in ihrem 2008 ver-

grationskursen und berufsbezogenen Deutschkursen auch

abschiedeten Aktionsprogramm zur Bekämpfung des

ihnen offen steht.

Fachkräftemangels festgestellt und den Schluss gezogen: „Auch beruflich gut qualifizierte Geduldete, die ihre Aus-

Ausbildung für alle – von Anfang an!

bildung in Deutschland erfolgreich abgeschlossen haben,

Das nächste Feld, in dem Flüchtlinge mit einer Duldung

können einen Beitrag zur langfristigen Deckung des Fach-

gravierenden Benachteiligungen ausgesetzt sind, ist der

kräftemangels leisten.“

Bereich der Berufsausbildung – auch wenn sich in den

Die beschlossenen Änderungen gehen allerdings nicht

letzten Jahren für Geduldete hier schon viel verbessert

weit genug. Ausbildungsverbote sollten abgeschafft

hat. Junge Geduldete dürfen inzwischen nach einem Jahr

werden, junge Geduldete sollten stattdessen rund um

Aufenthalt in Deutschland eine Ausbildung beginnen.

die Aufnahme einer Ausbildung gefördert werden: durch

26

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


frühzeitige Deutschkurse, finanzielle Ausbildungsförde-

nach Ablauf dieser Frist das Arbeitsverhältnis beendet

rung und Unterstützung vor und während der Ausbildung.

sein wird, und fragen sich, ob sich die Einarbeitungsphase noch lohnt. Dies gilt umso mehr für betriebliche Ausbil-

Zugang zu Arbeit für alle – von Anfang an!

dungsstellen. Tatsächlich wäre eine Abschiebung auch

Wir kommen nun zum zentralen Feld, der Integration in

während der Geltungsdauer der Duldung in einigen Fällen

den Arbeitsmarkt. Erst nach vier Jahren haben Menschen

jederzeit möglich, andererseits ist auch ein jahrelanger

mit einer Duldung prinzipiell gleichen Zugang zum Arbeits-

Folgeaufenthalt möglich. Wie wir vorher gehört haben,

markt. Davor muss überprüft werden, ob nicht eine andere

lebt über die Hälfte der geduldeten Flüchtlinge seit über

Person den gewünschten Arbeitsplatz besetzen könnte,

sechs Jahren hier. Planungssicherheit besteht nicht.

Geduldete werden nur „nachrangig“ berücksichtigt.

Diese Hindernisse führen zu Langzeitarbeitslosigkeit mit

Doch auch nach Ablauf dieser vier Jahre kann ein aus-

allen sich daraus ergebenden Folgen: die Berufserfahrung

länderrechtliches Arbeitsverbot bei Verdacht auf man-

wird entwertet, Selbstvertrauen, Tagesstruktur, häufig

gelnder Mitwirkung (z.B. bei der Passbeschaffung) oder

auch soziale Kompetenzen gehen verloren, die Gesundheit

auf „Identitätstäuschung“ erteilt werden. Geduldeten,

wird beeinträchtigt. Die Menschen resignieren irgend-

die sich schon seit vielen Jahren in Deutschland auf-

wann und richten sich in der Langzeitarbeitslosigkeit ein

halten, wird dabei in der politischen Diskussion häufig

– oder sie weichen auf den Schwarzmarkt aus. Denn viele

unterstellt, sie seien im Wesentlichen Betrüger, die sich

von ihnen haben ja schon deswegen ein großes Interes-

durch Täuschung die Fortsetzung ihres Aufenthalts in

se daran zu arbeiten, weil sie auch noch Familie in ihren

Deutschland erschlichen hätten. Die Statistiken über die

Herkunftsländern haben, die sie unterstützen müssen (es

Hauptherkunftsländer langjährig Geduldeter zeigen, dass

ist ja bekannt, dass die Überweisungen der MigrantInnen

sie im Wesentlichen aus den selben Ländern kommen

in Entwicklungsländer bei weitem die die Leistungen der

wie Asylsuchende: bei vielen ist die Staatsangehörigkeit

Entwicklungshilfe übersteigen). Währenddessen tragen

(nicht unbedingt selbst verschuldet) zwar ungeklärt, die

Land und Kreise bzw. kreisfreie Städte die Kosten für den

stärksten Gruppen sind aber Menschen aus der Türkei,

Unterhalt dieser vom Arbeitsmarkt ferngehaltenen Perso-

Irak und Syrien – Länder, bei denen kaum unterstellt

nen und ihre Familien.

werden kann, die Menschen seien nur nach Deutschland

Die Einführung der Beschränkungen des Rechts auf Ar-

gekommen, um hier Sozialleistungen zu erschleichen und

beit für Flüchtlinge stammen aus einer Zeit, in der die Ar-

Versteckspiele mit der Ausländerbehörde zu betreiben.

beitslosigkeit in Deutschland deutlich höher war und viele

Selbst wenn kein Arbeitsverbot besteht, ist doch keinerlei

PolitikerInnen sich mit dem populistischen Versprechen

Förderung beim Zugang zum Arbeitsmarkt vorgesehen.

„Arbeit zuerst für Deutsche“ ihrer Wählerschaft versichern

Zuständig sind nicht die Jobcenter, sondern die Sozialäm-

wollten. Doch die Situation hat sich inzwischen geändert,

ter. Eine Beratung über den deutschen Arbeitsmarkt, In-

wie die Studie „Demografischer Wandel. Auswirkungen

formationen über Bewerbungsmodalitäten, Unterstützung

auf den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein“ des Instituts

bei der Suche nach Arbeits- oder Ausbildungsplätzen

für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem Jahr

können allenfalls von Migrationssozialberatungsstellen in

2010 zeigt: „Rein rechnerisch werden in den nächsten

„Krisenfällen“ nebenbei erledigt werden – oder eben vom

zehn Jahren rund 350.000 Personen das Rentenalter er-

Netzwerk Land in Sicht, das nur eine ganz begrenzte Teil-

reichen. Diesen stehen heute rund 287.000 der 5- bis 14-

nehmerInnenanzahl erreichen kann und dessen Förderung

Jährigen gegenüber.“ Wenn nicht ein höherer Prozentsatz

Ende 2013 endet.

der Bevölkerung eine Beschäftigung aufnehme, könne

Diese Unterstützung ist für Geduldete umso erforderli-

schon 2020 jeder zehnte Arbeitsplatz in Schleswig-

cher, als sie erheblichen Vorbehalten der Betriebe und

Holstein nicht mehr besetzt werden. Sinnvolle Reaktion

Unternehmen begegnen: diese sehen sich konfrontiert

darauf wäre die Abschaffung der ausländerrechtlichen

mit einem Bewerber, der ihnen eine „Duldung“ als Auf-

Arbeitsverbote und die Gewährung gleichen Zugangs zum

enthaltspapier zeigt. Aus diesem geht hervor, dass es

Arbeitsmarkt von Anfang an.

sich nicht um eine Aufenthaltserlaubnis handelt (dies ruft bereits Ängste hervor, ob es sich hier vielleicht um illega-

Qualifizierung für alle – von Anfang an!

le Ausländerbeschäftigung handeln könnte), sondern nur

Bleiberechtsregelungen setzen nicht nur irgendeine Er-

um eine Aussetzung der Abschiebung um einige Monate.

werbstätigkeit voraus, sondern die Anforderungen sind

ArbeitgeberInnen gehen dann häufig davon aus, dass

höher: der Lebensunterhalt einer Person bzw. ihrer ganzen Johanna Boettcher Integration für alle – von Anfang an!

27


Familie muss durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert

und EU-Mitteln unterhält, fallen Geduldete in Schleswig-

sein. Das Einkommen muss dabei so hoch sein, dass auch

Holstein durch das Raster.

theoretisch keine Ansprüche auf Sozialleistungen (z.B.

Flüchtlinge mit einer Duldung benötigen also nicht nur

„Aufstocken“ mit „Hartz-IV-Leistungen“) mehr bestehen

Zugang zur Prüfung ihrer im Ausland erworbenen Be-

dürfen – auf die Inanspruchnahme dieser Leistungen

rufsabschlüsse, sondern auch Zugang zu Maßnahmen

kommt es gar nicht an. Wohl aber bestimmt die Größe

der Weiterbildung und Anpassungsqualifizierung. Und

der zu versorgenden Familie darüber, ob ein Einkommen

nicht zuletzt muss ihnen dafür Zeit eingeräumt werden.

ausreichend ist oder nicht.

Erwerb und Verlängerung eines Aufenthalts nach einer

Wie hoch diese Hürde ist, zeigt ein Blick in den Armuts-

Bleiberechtsregelung setzten bisher immer voraus, dass

und Reichtumsbericht 2010 der Landesregierung: über

der Lebensunterhalt gesichert wird – ob dies vorüberge-

57 Prozent der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund

hend wegen der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaß-

in Schleswig-Holstein verdienten weniger als 900 Euro

nahme nicht möglich war, wurde nicht berücksichtigt.

pro Monat. Dies deckt sich mit den Erfahrungen des

Doch der Weg aus dem Niedriglohnsektor und damit zur

Netzwerks Land in Sicht: völlig unabhängig von deren

eigenständigen Lebensunterhaltssicherung führt nur über

Qualifikation konnten wir unsere TeilnehmerInnen fast

Qualifizierung. Dieser Teufelskreis muss unterbrochen

ausschließlich in den Niedriglohnsektor vermitteln, mei-

werden. Deshalb sollte die Teilnahme an Qualifizierungs-

stens in Hilfstätigkeiten. Dies liegt auch daran, dass ihre

maßnahmen ebenfalls zu Erhalt bzw. Verlängerung eines

im Herkunftsland erworbenen Qualifikationen bisher nicht

Bleiberechts führen.

in Deutschland anerkannt werden konnten (dies wird sich hoffentlich partiell mit dem Anerkennungsgesetz ändern,

Integration für alle – von Anfang an!

das im Frühjahr 2012 in Kraft treten soll). Ein weiterer

In meinem Vortrag habe ich mich in erster Linie auf

Grund ist, dass diese Qualifikationen für einen nahtlosen

geduldete Flüchtlinge bezogen. Für Flüchtlinge im Asyl-

Übergang in den deutschen Arbeitsmarkt eben doch häu-

verfahren gilt aber im Prinzip das Gleiche: auch sie sind

fig nicht ganz ausreichen, weil noch Wissen und Berufs-

von Deutschkursen, Ausbildungsförderung und Qualifizie-

erfahrung in einem speziellen Arbeitsfeld gesammelt wer-

rungsmaßnahmen ausgeschlossen und haben grundsätz-

den muss, das im Herkunftsland nicht bestimmend war.

lich nur nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Men-

Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlin-

schenrechtliche und wirtschaftspolitische Erwägungen

ge kommt in der eingangs erwähnten Studie zu dem

weisen jedoch einen anderen Weg und sprechen für einen

Schluss, dass die Potenziale der Geduldeten für den

Zugang zu Integration von Anfang an. So könnten die An-

deutschen Arbeitsmarkt genutzt werden sollten, dass

fangsmotivation der Flüchtlinge genutzt, Sparpotenziale

dafür jedoch auch Qualifzierungsmaßnahmen nötig sind:

durch erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt realisiert

„Vor dem Hintergrund der zunehmenden internationalen

und gesellschaftliche Folgekosten durch unterbliebene

Verflechtung der Wirtschaft, des technischen Fortschritts

Integration vermieden werden.

und eines gleichzeitig stattfindenden demografischen

Dieser Tage finden 50-Jahr-Feiern in Gedenken an das

Wandels in Deutschland ist die Förderung der Humanka-

deutsch-türkische Anwerbeabkommen statt. Auch damals

pitalbildung bei Geduldeten und Bleibeberechtigten der

dachte man, dass die Gastarbeiter bald wieder zurück

richtige Weg zu einer besseren Arbeitsmarktintegration“.

gehen – an Integration dachte niemand. Die gesellschaft-

Aktuell haben Geduldete jedoch kaum Zugang zu Qua-

lichen Folgekosten dieses Versäumnisses sehen wir heute

lifizierungsmaßnahmen. Dass nicht die Jobcenter, wohl

in Form von verfestigter sozialer Ungleichheit auch über

aber die Bundesagenturen für Arbeit für die Förderung

Generationen hinweg. Deshalb sollte auch für die heute

ihrer Arbeitsmarktintegration zuständig sind, ist noch viel

neu Ankommenden gelten: alle Menschen sollten von

zu wenig bekannt. Doch die Arbeitsagenturen sparen in

Anfang an die Chance haben, an unserer Gesellschaft

Zeiten rückläufiger Mittel eher bei Maßnahmen für Perso-

teilzuhaben und ihren Beitrag zu leisten.

nen, die keine Geldleistungen von ihnen beziehen, als bei LeistungsempfängerInnen. In den letzten Jahren konnte Land in Sicht in weniger als fünf Fällen erreichen, dass die Kosten für Kurzqualifizierungsmaßnahmen für Geduldete übernommen wurden. Anders als in Hamburg, das zu diesem Zweck ein eigenes Förderprogramm aus Landes28

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Kriterien für eine umfassende Bleiberechtsregelung Fanny Dethloff, Menschenrechts- und Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche Sehr geehrter Herr Rother, sehr geehrte Damen und Herren, ich danke herzlich für die Gelegenheit, zur Bundesratsinitiative für ein wirksames und stichtagsunabhängiges Bleiberecht Stellung zu beziehen. Wie Sie bereits der Stellungnahme des Diakonischen Werkes entnehmen können, setzen sich Kirche und Diakonie, Caritas und Wohlfahrtsverbände, sowie Pro Asyl seit Jahren für ein echtes Bleiberecht für geduldete Menschen ein. All die sachlichen Anforderungen sind bekannt. Darum möchte ich diesen Appell an Sie richten:

Fanny Dethloff

Es ist an der Zeit –

einer Fristsetzung aufzuklären und beheben zu helfen. Die

für ein großzügiges Bleiberecht.

fatale Zwangslage, in der die echte Identität automatisch zur Abschiebung führt und gleichzeitig das Verschweigen Es ist an der Zeit, Kindern, die ihr Leben in Deutschland

oder Verschleiern dieser wenigstens einen Abschiebe-

überwiegend verbracht haben, einen dauerhaften Auf-

schutz darstellt, ist eine gesetzlich geregelte Schieflage,

enthalt zu ermöglichen. Nicht nur, weil es menschlich ist,

die den Betroffenen keinen Ausweg lässt. Selbst in einer

sondern auch weil es der Kinderrechtskonvention entspre-

Gnadenregelung - wie der Härtefallregelung - müssen die

chen würde. Die Haltung, die Kinder für Verfahrensfehler

Umstände einer Einreise mit berücksichtigt werden und

ihrer Eltern haften zu lassen, ist nicht human. Es sind die

können zum Ausschlussgrund werden.

Kinder, die hier schon zur Schule gehen, sich integrieren

Nach Deutschland können kaum Menschen legal einrei-

und den Lebensmittelpunkt haben, die angesichts einer

sen und um Asyl bitten. Sie können nur noch mit dem

harten Regelung von Abschiebung weiterhin bedroht sind

Fallschirm abspringen (Heribert Prantl), sonst werden

und daran zerbrechen.

sie sofort nach der Dublin II Verordnung in ein sicheres Drittland zurückgeschoben. Viele können sich darum

Es ist an der Zeit, Menschen nicht jahrelang unversöhn-

nur unabhängigen Beratungsstellen anvertrauen, um die

lich ihre Probleme bei der Einreise als kriminellen Akt zu

traumatisierenden Erlebnisse aus ihren Heimatländern

unterstellen, sondern endlich Schlussstriche zu ziehen

und ihre erschreckenden Fluchtgeschichten mitzuteilen.

und ihnen ein Ankommen hier zu ermöglichen. Viele

Staatliche Stellen haben an Vertrauen eingebüßt, weil

Menschen können keinen Identitätsnachweis erbrin-

die Gesetze sich gegenseitig widersprechen. Eine Bleibe-

gen, trotz vieler Bemühungen. Dies war auch nach dem

rechtsregelung, die Menschen wieder das Vertrauen auf

2.Weltkrieg in Deutschland der Fall. Auch bei uns waren

eine Zukunft in Deutschland gäbe, würde einen starken

viele Menschen nicht in der Lage, ihre wahre Identität

Impuls zur Integration und Mitarbeit auslösen.

nachzuweisen. Warum man Menschen aus Konflikt- und Kriegsregionen dies manchmal jahrzehntelang vorwirft, ist

Es ist an der Zeit, den diskriminierenden Annahmen,

gerade auf dem Hintergrund unserer eigenen deutschen

alle würden nur wegen der wirtschaftlichen Lage nach

Geschichte nicht nachvollziehbar.

Deutschland kommen und seien somit „Wirtschaftsflüchtlinge“, endlich entgegenzutreten. Wirtschaftsflüchtlinge

Es ist an der Zeit, die Frage der Einreisen, die sich als „il-

sind die, die sich aufgrund unserer ungerechten Wirt-

legal“ erwiesen haben und sich nur mithilfe von gefälsch-

schaftsverhältnisse - oft durch Klimaverschiebungen, Ver-

ten Papieren oder Identitäten bewerkstelligen ließen, mit

treibung und Entwurzelung mit bedingt - zu uns flüchten,

Fanny Dethloff Kriterien für eine umfassende Bleiberechtsregelung

29


wo ein Leben in Freiheit versprochen wird. Warum die

Eine humanitäre Bleiberechtsregelung und eine Entkrimi-

eigene Werbung für Menschenrechte, Demokratie, Wohl-

nalisierung der Menschen, die schon lange hier leben und

stand und Freiheit denen zum Vorwurf gemacht werden

integriert sind, sind dringend geboten.

soll, die sich dies für sich auch erhoffen, bleibt mir ein

Für viele Menschen in den Kommunen ist nicht mehr

Rätsel.

nachvollziehbar, warum Menschen nach Jahrzehnten

Die sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“, also die, die

immer noch ihre illegale Einreise vorgehalten bekommen,

durch das Asylverfahren bei uns fallen, können sehr

obwohl sie hier längst als Nachbarn angekommen sind.

häufig nicht abgeschoben werden, da die Lage in ihren

Vielen Menschen ist auch nicht erklärlich, warum trotz

Ländern schlecht oder zu unsicher ist. Sie dafür mit jahre-

unseres gesicherten allgemeinen Wohlstands, Menschen,

langer Ausgrenzung zu bestrafen und ihren Kindern keine

die gesundheitliche Probleme haben, alt und krank sind,

echten Integrationschancen einzuräumen, ist ein Ver-

unbedingt abgeschoben werden müssen, statt sie aus

säumnis, das endgültig behoben werden sollte.

humanitären Gründen hier leben zu lassen. Dies verletzt unsere eigenen Grundwerte, nicht nur die Würde der ab-

Es ist an der Zeit, neu nachzudenken, und eben nicht

zuschiebenden Menschen.

allein auf Wirtschaftlichkeit und Leistungsnachweisen zu bestehen, und davon das Schicksal von Familien

Es ist an der Zeit, die demokratischen Grundsätze wieder

abhängig zu machen, wenn man sie allein nach ihrem

zu stärken. Menschenwürde ist unteilbar und Humanität

Einkommen in eine Bleiberechtsregelung nehmen würde.

in Form einer echten Bleiberechtsregelung gäbe auch den

Oder gar alte und kranke Menschen von vornherein aus-

vielen Unterstützerinnen und Unterstützern ausländischer

zuschließen.

Familien und Einzelpersonen, die von Abschiebung immer noch bedroht sind, das Gefühl von Rechtssicherheit und

Es ist an der Zeit, den Widerspruch aufzulösen, die Einen

Staatstreue für unser Land zurück.

als „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu bezeichnen, wenn sie hier

Ganze Städte und Kommunen fordern eine bessere Blei-

arbeiten möchten, und denen, die man jahrelang von Ar-

berechtsregelung. Viele unterstützen übrigens auch ein

beit ausgeschlossen hat, dann ihre „Unwirtschaftlichkeit“

Resettlement-Programm, ein echtes Aufnahmeprogramm

vorzuhalten.

in großzügigen Kontingenten, um die gefährlichen Fluchtwege quer durch Kontinente, über Meere und selbst in-

Es ist an der Zeit, eine Bleiberechtsregelung ohne Stich-

nerhalb Europas zu verhindern und Menschlichkeit und

tagsregelung hinzubekommen und - wie die europäischen

europäische Werte zu verteidigen.

Pläne es vorsehen - endlich zu akzeptieren, dass nach fünf Jahren Menschen sich „verwurzeln“ in einem Land

Dies von Schleswig-Holstein aus auf den Weg zu bringen,

und Ankommende zu Mitbürgerinnen und Mitbürgern

ist ein Signal und eine Chance für unsere Gesellschaft.

werden. Desto eher dies auch mit Regelungen unterstützt

Wenn von Schleswig-Holstein aus diese Initiative in den

wird, desto eher werden Menschen wirklich teilhaben an

Bundesrat geht, unterstützen wir dies von kirchlicher Seite.

einem Leben in Deutschland. Fanny Dethloff Es ist klar, dass es einen Diskurs braucht, um viele noch zu überzeugen, die immer noch alten Theorien anhängen, wie z.B. dass Menschen prinzipiell nur vorübergehend Schutz in einem Land suchen oder dass fremde Menschen für immer fremd bleiben werden und Integration nicht funktionieren könne. Ein Land, das im Altersdurchschnitt das älteste in Europa ist (mit über 44 Jahre im Lebensalterdurchschnitt), sollte sich von diesen alten Theorien verabschieden. Sie haben für die eigene deutsche Bevölkerung, die im 20. Jahrhundert Deutschland verlassen hat, nicht gegolten und sie werden als Ideologie missbraucht, um ein Miteinander heute zu verhindern. 30

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Podiumsdiskussion Es folgt die leicht gekürzte, von den HerausgeberInnen

Martin Link: Vielen Dank. Es geht weiter mit Luise Amts-

redigierte Dokumentation der Podiumsdiskussion. Astrid

berg, Bündnis 90 / Die Grünen. Sie haben ja eigentlich

Damerow (CDU), Anita Klahn (FDP), Serpil Midyatli

den Antrag für eine Bleiberechtsregelung in den Landtag

(SPD), Luise Amtsberg (Bündnis 90 / Die Grünen), Heinz-

gebracht – diskutiert wurde jedoch in erster Linie der

Werner Jezewski (Die Linke) und Flemming Meyer (SSW)

Vorschlag des Justizministers Schmalfuß. Wie stehen Sie

diskutierten mit dem Publikum unter Moderation von

dazu?

Martin Link (Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.). Luise Amtsberg (Bündnis 90 / Die Grünen): Dass unser Martin Link (Moderation): Bei der Verabschiedung des

Antrag, der ganz klar ein humanitäres Bleiberecht vor-

Antrags der Regierungsfraktionen für eine Bundesratsin-

sieht, keine Bedeutung in dem Prozess gefunden hat, liegt

itiative zum Bleiberecht entstand der Eindruck, dass die

sicher daran, dass wir einen Vorstoß aus dem Ministerium

Kriterien, die für ein Bleiberecht zu erfüllen sein sollen, von

bekommen haben, der Ideen vorgelegt hat. Aber die ei-

den Kieler Koalitionspartnern unterschiedlich definiert wer-

gentliche Intentionen des Ministers, nämlich die Situation

den. Gibt es hier Widersprüche zwischen CDU und FDP?

von Geduldeten in Schleswig-Holstein entscheidend zu verbessern, ist unserer Ansicht nach nicht gelungen. Mir

Astrid Damerow (CDU): Wenn Sie unseren Antrag lesen,

reicht es nicht, wenn ich von Seiten des Ministeriums

dann beginnt der oben mit „Kriterien sollen u.a. sein …“.

höre, dass ihr Vorschlag keine Bleiberechtsregelung sei,

Das ist nicht nur irgend so ein Larifarisatz, das zeigt auch

sondern ein Aufenthaltstitel für gut Integrierte. Denn

eine gewisse Flexibilität. Wir haben es nicht so ausführ-

das, was Geduldete brauchen hier in Schleswig-Holstein,

lich gemacht, weil wir hier eine Bundesratsinitiative an-

ist ein humanitäres Bleiberecht. Und das wurde nicht

stoßen, die eine Diskussionsgrundlage sein soll. Das war

diskutiert. Ich denke, dass wir spätestens nach den An-

die Intention unseres Antrages.

hörungen der Verbände hätten erkennen müssen, dass wir da mit dem Vorstoß des Ministers auf dem falschen

Anita Klahn, (FDP – in Vertretung für Gerrit Koch): Es

Weg sind. Ich glaube, dass wir das Problem nicht damit

gibt bei jeder Beurteilung noch etwas zwischen schwarz

lösen, sondern dass wir uns spätestens nächstes Jahr mit

und weiß. Es geht um Menschen. Es geht um individuel-

derselben Frage wieder auseinandersetzen müssen. Und

le Situationen und Schicksale. Wir sagen grundsätzlich,

dann ist hoffentlich klar, dass wir uns einem humanitären

man braucht Rahmenbedingungen. Und anhand dieser

Bleiberecht zuwenden.

Rahmenbedingungen gibt es mit Sicherheit Möglichkeiten, wo man individuell gucken muss. Für uns ist natürlich

Martin Link: Frau Midyatli, die SPD hat sich ja in der

die Sicherung des Lebensunterhalts ein wichtiger Punkt.

Abstimmung das Eckpunktepapier des Ministers der

Gleiches gilt für Deutschkenntnisse. Denn ohne Deutsch-

schwarz-gelben Landesregierung zu eigen gemacht.

kenntnisse wird man sich hier in diesem Land nicht inte-

Meine Frage: Ist es der oppositionellen SPD tatsächlich

grieren und keine Arbeitsstelle finden können. Worüber

genug, was der zuständige Minister in Sachen gesetzliche

wir sicherlich nachdenken müssen, und das tun wir auch

Bleiberechtsregelung plant, oder könnte sich die SPD da

schon länger, sind die Zugangsvoraussetzungen. Wenn Sie

auch mehr vorstellen?

sehen, dass Menschen kein Geld haben und ihre Integrationskurse selbst bezahlen sollen, funktioniert das natürlich

Serpil Midyatli (SPD): Klar kann man immer sagen, es

nicht. Das sind alles Dinge, wo wir hinschauen müssen.

geht noch nicht weit genug. Aus der Opposition heraus

Wir sagen natürlich, man kann von niemanden verlangen,

haben wir uns dafür entschieden, um deutlich zu machen,

dass er arbeiten soll, egal wie alt ist er, in welcher gesund-

dass innerhalb der regierungstragenden Fraktionen hier

heitlichen Verfassung ist er. Auch ein Kriterium ist das

unterschiedliche Auslegungen des Vorschlages des Mini-

soziale bürgerschaftliche Engagement. Dabei sind fehlende

sters im Raum stehen. Wir haben heute ja auch

Sprachkenntnisse natürlich eine Hürde. Ich kann doch

eindrucksvoll gesehen: gerade, was den Lebensunterhalt

niemanden zwingen in einen Sportverein, in einen Chor zu

angeht, gehen die Meinungen auseinander. In erster Li-

gehen oder was auch immer vor Ort zu machen. Da muss

nie geht es uns um die ca. 1800 Menschen, die zur Zeit

ich die Menschen hinführen. Da muss ich Mechanismen

betroffen sind und zum 31.12.11 auf eine Einigung bzw.

entwickeln. Und ich glaube, am Ende werden wir eine Lö-

Lösung warten. Daher haben wir uns dazu entschieden

sung finden, die den Menschen weiterhelfen wird.

diesen Weg zu gehen. Podiumsdiskussion

31


32

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Martin Link: Herr Jezewski, was halten Sie davon, dass

den, und dabei gerade den humanitären Aspekt mit

Geduldete nur ein Bleiberecht erhalten sollen, wenn Sie

einbeziehen würden, der für mich doch sehr, sehr wichtig

genug verdienen für sich und ihre Familie?

ist, dann würde man vielleicht erreichen, dass es anders aussehen würde in diesem Land.

Herr Jezewski (Die Linke): Ich habe in der Landtagsdebatte schon gesagt, ich will nicht mehr unterscheiden

Martin Link: Vielen Dank. Die Diskussion ist eröffnet. Hier

nach wirtschaftlich Nützlichen und nach Überflüssigen.

sehen Sie die Vertreterinnen und Vertreter des gesam-

Wo das hinführt, haben wir alle in diesem Land viel zu

ten Landtags. Wir haben zusätzlich Herrn Scharbach als

oft erlebt. Es ist ja in der Mehrheitsgesellschaft genauso,

Vertreter der Fachaufsicht dazu gebeten, um uns seinen

auch da unterscheiden wir nach Nützlichen und Über-

Sachverstand in dieser Diskussion zu sichern.

flüssigen. Rosa Luxemburg hat gesagt, die einzige revolutionäre Tat ist es zu sagen, was ist. Ich glaube, das ist

Dietrich Eckeberg (Publikum): Ich komme aus dem Bun-

ganz wichtig. Wie kann ich denn von jemand erwarten,

desland Nordrhein-Westfalen, bin hauptberuflich in der

dass er seine Familie ernährt - natürlich kann ich das

Flüchtlingsberatung tätig und kann deshalb Frau Boett-

von jedem erwarten, wenn ich ihm entsprechende Un-

chers Vortrag nur bestätigen. Die Regelungen der Altfall-

terstützung angedeihen lasse - wie kann ich denn von

regelung für Geduldete sind völlig entfernt von der Rea-

ihm erwarten, dass er seine Familie ernährt, wenn er a)

lität, sie haben gar nichts zu tun mit der Ausgangslage,

seinen Bildungsabschluss aus seinem Heimatland nicht

in der die Menschen leben. Ich möchte Sie einladen, mit

anerkannt bekommt und b) faktisch keinen Zugang zum

Flüchtlingen zu reden. Arbeitsverbote und nachrangiger

Arbeitsmarkt hat. Zuerst muss er eine Stelle kriegen, dann

Arbeitsmarktzugang führen zu Langzeitarbeitslosigkeit mit

muss er nachweisen, dass die Arbeitsagentur keine an-

allen Folgeproblemen. Wenn es den Menschen gelingt,

deren Deutschen findet dafür, und dann darf er vielleicht

Arbeit zu finden, dann nur prekäre Arbeit im Niedrig-

arbeiten. Gleichzeitig sage ich zu ihm: du musst dein Geld

lohnsektor, weil ja die mitgebrachten Qualifikationen nicht

verdienen. Das funktioniert nicht. Wie kann ich von einem

anerkannt werden. So ist die Ausgangslage, trotz der

Sprachkenntnisse erwarten, ehrenamtliches Engagement

überproportionalen Motivation dieser Menschen.

erwarten, wenn ich ihm a) keinen Deutschkurs gebe,

Gleichzeitig bin ich schockiert über die Aussage von

und wenn ich ihm b) noch verbiete zu arbeiten. Also wir

Herrn Scharbach, dass noch nicht feststeht, nach wel-

schmeißen ihm möglichst viele Steine in den Weg.

chen Kriterien die Aufenthaltserlaubnisse der Menschen verlängert werden, die von der Gesetzlichen Altfallrege-

Martin Link: Was meinen Sie, Herr Meyer, warum fällt

lung profitiert haben, die zu Jahresende ausläuft. Können

es der nicht-dänischen Mehrheit im Kieler Landtag so

Sie wirklich keine Aussage zu Ende des Jahre machen?

schwer, eine größere Weitherzigkeit umzusetzen in der Ausgestaltung der Bleiberechtsregelung?

Serpil Midyatli (SPD): Ich bin es langsam ein bisschen leid, wie wir über die Menschen reden, dieses Hilfestel-

Flemming Meyer (SSW): Ich kann schwer einschätzen,

lende, dieses Bemutternde. Das sind selbstbewusste, gut

was da los ist. Ich kann mich nur wundern. Ich denke,

qualifizierte Menschen. Alle, die sich mit der Thematik

Politik muss einfach immer nach vorne gerichtet sein.

auseinandersetzen, wissen, dass nur die Allerbesten es

Der humanitäre Aspekt fehlt auch mir in der Debatte. Die

bis nach Deutschland schaffen. Es kommen Menschen

meisten machen sich ja gar keine Gedanken, was das für

her, die in ihren eigenen Ländern schon entweder in der

einen Menschen bedeutet, der in ein Land flieht, was er

Mittel- oder Oberschicht gewesen sind. Wir müssen

sich ja nicht ausgesucht hat, und dort nicht einmal die

schauen, was möglich ist, und dann Schritt für Schritt

Möglichkeit hat, sich wirklich zu entfalten. Ich kann ja

vorgehen. Es wird andere Mehrheiten geben, und glauben

nachvollziehen, dass man manchmal auch einen Kompro-

Sie mir, der Markt - gerade der Fachkräftemangel, gerade

miss eingehen soll, aber ich möchte noch einmal daran

der demografische Wandel in diesem Land - wird das

erinnern: das deutsche Parteiengesetz schreibt ganz klar

Land beeinflussen. Denn die Unternehmerinnen und Un-

vor, dass die Parteien die Aufgabe haben, meinungsbil-

ternehmer werden sagen: die sollen bleiben, die brauche

dend zu sein. Diese Aufgabe, meinungsbildend zu sein,

ich für meinen Job. Und was glauben Sie, wie schnell in

kommt oft zu kurz in dieser Gesellschaft. Ich glaube,

der Politik dann Meinungen geändert werden!

wenn wir diese Aufgabe ein wenig ernster nehmen würPodiumsdiskussion

33


Martin Link: Es war noch Herr Scharbach angesprochen.

auch noch mal darauf hinweisen: wir reden noch nicht von einer Landesregelung. Wir reden hier von Eckpunkten

Herr Scharbach (Leiter der Ausländer- und Integrati-

als Diskussionsgrundlage für ein Bundesgesetz, das wir

onsabteilung im Justizministerium): Ich kenne die Pro-

– wenn es zustande kommt – irgendwann hier im Lande

bleme. Wir können dem Befund von Frau Boettcher über-

umsetzen müssen, auf dem Erlass- oder Verordnungsweg.

haupt nicht widersprechen. Aber die Musik wird in Berlin

Auf vielen Ebenen haben wir dann noch unseren eigenen

gemacht. Wir müssen feststellen: der Deutsche Bundes-

Spielraum. Deshalb möchte ich hier auch für ein wenig

tag hat sich noch im Februar diesen Jahres abschlägig zu

mehr Akzeptanz werben. Danke.

jedweder Änderung im Bleiberechtssystem geäußert. Bei der Innenministerkonferenz herrscht Einstimmigkeitsprin-

Doris Kratz-Hinrichsen (Publikum): Es ist von Ihnen

zip. Deswegen ist der Bundesrat die einzige Möglichkeit,

darauf hingewiesen worden, man müsse die Menschen an

um überhaupt eine Bewegung in die Debatte zu bekom-

die Hand nehmen. Ich möchte da gerne erwähnen, dass

men. Dass man darüber noch viel mehr tun kann, das

in den Migrationsfachdiensten derzeit Stellen gekürzt

ist Sinn dieser Veranstaltung. Das Ministerium hat den

werden. Die Auslastung der Migrationsfachdienste liegt

Auftrag des Landtages, Kriterien zu entwickeln, das wer-

bereits jetzt bei 120 Prozent. Wer soll welche Menschen

den wir gerne tun, und dann hat man möglicherweise die

an die Hand nehmen, wenn hier weiter Stellen gekürzt

Chance, die Diskussion weiterzutreiben. Das würde ich

werden? Viele unserer Kollegen wissen auch nicht, ob sie

nicht kleinreden.

nächstes Jahr noch arbeiten werden. Für mich spielt aber auch noch mal die Perspektive der Menschen mit einer

Herr Jezewski (Die Linke): Bei der Anhörung im Landtag

Aufenthaltserlaubnis auf Probe eine Rolle, deren weiterer

hatten wir den Leiter einer Ausländerbehörde am Tisch.

Aufenthalt ungewiss ist: Was erzählen wir den Leuten

Der hat gesagt, für die 100 Menschen mit Duldung, die in

zum 31.12.2011? Wie wollen Sie darauf reagieren?

seinem Kreis leben, würde es nach den Kriterien der geplanten Regelung auch keine Lösung geben. Selbst wenn wir diese Regelung auf Bundesebene durchsetzen können

Herr Scharbach (MJGI): Ich kann Ihnen zumindest sa-

- sie wäre ein reines Alibigesetz.

gen, was nicht passieren wird: es wird nicht am 2. und

Frau Damerow (CDU): Ich gebe Ihnen ja recht, dass wir

3. Januar 2012 eine große Abschiebungswelle geben,

hier noch eine ganze Menge zu tun haben, auch in Be-

das ist Unfug. Was passieren kann, ist, dass Menschen

zug auf den Fachkräftemangel. Ich will aber auch darauf

in die Duldung zurückfallen. Aber dazu möchte ich noch

hinweisen, dass man auf Bundesebene bereits die ersten

einmal sagen, was der Ausgangspunkt der Diskussion ist:

Schritte gegangen ist. Wir haben Ende September im

es gibt keinen Rechtsanspruch auf ein Hierbleiben. Poli-

Bundestag ein Gesetz verabschiedet zur Anerkennung

tische Flüchtlinge sind diese Menschen nicht, das haben

ausländischer Abschlüsse. Auch in vielen anderen Be-

Gerichte festgestellt. Es gibt keinen Anspruch darauf im

reichen passiert Einiges. Es stimmt, die Menschen, die

Aufenthaltsgesetz. Das ist es, was unsere Initiative ändern

hierher kommen, sind in aller Regel ausgesprochen mo-

soll, das ist der eine Punkt. Der andere Punkt: der Charme

tiviert und meist ungeheuer findig. Sonst hätten sie es,

einer Bundesratsbefassung ist, dass es in der Innenmini-

wie Frau Midyatli sagte, gar nicht bis hierher geschafft.

sterkonferenz ein ungeschriebenes Gesetz gibt: „Wir in

Dieses Potenzial verschenken wir in vielerlei Hinsicht. Ich

der Innenministerkonferenz beschäftigen uns weder posi-

glaube, es besteht vollständige Einigkeit, dass wir ins-

tiv noch negativ mit einer Sache, die im Bundesrat einge-

gesamt noch nicht da sind, wo wir uns vielleicht gerne

bracht ist.“ Wir alle wissen, dass so ein Verfahren lange

sehen möchten. Ich kann hier nur dafür werben, auch

dauert. Das wäre ein Hebel, um sozusagen informell die

diese kleinen Schritte nicht so negativ zu sehen. Ich kann

auslaufende Altfallregelung zu verlängern - formell läuft

für meine Partei oder für meine Fraktion sagen: ich bin

sie aus. Aber dadurch könnte den Menschen ein großer

sehr froh, dass wir diesen Schritt hinbekommen haben.

Teil der Unsicherheit genommen werden. Das ist ein Weg

Wir haben darüber viele Diskussionen geführt, und wenn

- und ich glaube weiterhin nicht, dass es eine Alternative

man mal die Beschlusslage aus dem Ausschuss, also das

gibt, dass nämlich die Innenministerkonferenz sagen wird:

CDU-/FDP-Papier und das Eckpunktepapier des Ministe-

wir verlängern die alte Regelung noch mal um zwei Jahre.

riums nebeneinander legt, wird man feststellen, dass sie

Deswegen ist auch das ein Vorteil einer solchen Initiative.

sich in keiner Weise widersprechen. Abschließend will ich 34

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Serpil Midyatli (SPD): Wie ist den Menschen konkret

erzielt. Ich danken Ihnen für die Aufmerksamkeit.

in den nächsten sechs Wochen zu helfen? Natürlich unterstütze ich so einen Vorstoß wie die Bundesratsin-

Frau Klahn (FDP): Ich möchte darauf hinweisen, dass

itiative, bevor die Leute in ein Loch fallen und gar nicht

wir seit zwei Jahren in einer CDU-FDP-Regierung sind.

wissen, was passiert. Es passiert ja auch etwas in dieser

Wir haben in dieser Zeit Einiges angepackt. Es hat keiner

Gesellschaft. Wir reden gerade über 50 Jahre deutsch-

gefragt, warum man das nicht schon vor vielen Jahren

türkisches Gastarbeiterabkommen. Wo sind wir gestartet

gemacht hat. Vieles von dem, was man uns heute vor-

und wo sind wir jetzt? Seit 2005 haben wir Integrati-

wirft, auch in anderen Themen, hört sich immer so an, als

onskurse. Es geht also vorwärts, Schritt für Schritt in

wenn wir schon unendlich lange an der Regierung sind

unserem Land. Ich wollte meinen Beitrag auch nicht so

und verantwortlich sind für Alles. Die FDP ist dafür, die

verstanden haben, dass wir sagen, der Fachkräftemangel

Freiheit des Einzelnen hochzuhalten, und wir kämpfen

allein wird dazu führen, dass wir alle umdenken. Aber es

und werben immer wieder aufs Neue dafür. Das gilt für

wird helfen. Glauben Sie mir, die Medien werden anders

alle Menschen.

berichten. Die Leute auf der Straße werden anfangen anders zu reden. Es ist auch etwas, was eine Gesellschaft

Luise Amtsberg (Bündnis 90 / Die Grünen): Frau Mi-

mit verändert. Ob wir nun sagen, aus wirtschaftlichen

dyatli hat gefragt: ist es möglich, die Dinge ad hoc und

oder aus humanitären Gründen: wichtig ist doch, dass die

sehr schnell zu verändern? Darauf möchte ich ein Antwort

Menschen die Möglichkeit bekommen, einen Zugang zum

geben: Ja, es ist möglich, ein humanitäres Bleiberecht

Arbeitsmarkt zu erhalten.

einzuführen. Es ist möglich, Arbeitsverbote und nachrangigen Arbeitsmarktzugang jetzt abzuschaffen. Es ist mög-

Martin Link: Wir kommen jetzt zu einer letzten Wortmel-

lich, Sprachkurse zu öffnen für Flüchtlinge. Es ist möglich,

dung und nehmen die dann gleich als Einstieg für eine

Optionszwang abzuschaffen. Es ist auch möglich, über

Schlussrunde auf dem Podium.

die Situation in Abschiebehaftanstalten nachzudenken, oder über die Unterkunftssituation und die Situation von

Peter Pfahl (Publikum): Ich bin Leiter der Ausländer-

Flüchtlingen. Wir haben für alles Ideen. Wir müssen es

behörde des Kreises Steinburg. Ich möchte, dass Sie

nur umsetzen. Und vieles gerade in der Asylgesetzgebung

wissen, dass hier die Ausländerbehörden vertreten sind

wäre sogar kostenlos.

- was mir sehr, sehr wichtig ist und mir am Herzen liegt. Weil ich auch darauf hoffe, dass ich Lösungen finde für

Serpil Midyatli (SPD): Damit wären wir wieder dort, wo

einige Fälle. Ich habe gerade ein Problem: ich habe das

wir angefangen haben. Nämlich bei den Mehrheiten. Ich

Vertrauen vieler Geduldeter gewonnen, die jetzt tatsäch-

bin immer noch davon überzeugt, dass wir die Mehrheits-

lich zu mir kommen und sagen, es tut mir leid und es ist

gesellschaft mitnehmen müssen. Weil ich glaube, dass

mir auch peinlich: ich bin eigentlich Herr Soundso und ich

das langfristig gesehen allen Menschen hilft. Ich möchte

heiße soundso. Sie geben mir sogar ihren Nationalpass.

mich bei Ihnen ganz herzlich bedanken für die rege Dis-

Damit könnte ich sie abschieben – aber sie leben schon

kussion und den Austausch, den wir hatten. Das ist für

viele viele Jahre hier und haben sich integriert. Was ma-

uns immer sehr bereichernd, mit Ihnen ins Gespräch zu

che ich mit denen? Ich finde keine Lösung und versuche,

kommen.

das hinauszuschieben, weil ich hoffe, dass wir noch eine Lösung bekommen.

Herr Jezewski (Die Linke): Ich möchte daran erinnern, dass sich nächstes Jahr zum 20. mal der Asylkompromiss

Frau Damerow (CDU): Zunächst einmal ganz herzlichen

jährt. Wir laborieren hier doch immer noch an den Pro-

Dank für den Blick aus der Ausländerbehörde. Insgesamt

blemen von 1992. Da sollte man hinschauen. Ganz zum

bedanke ich mich für die Einladung für den Abend. Es war

Schluss noch etwas Persönliches. Ich kenne drei Wirt-

für mich noch einmal eine Diskussion, die mir persön-

schaftsflüchtlinge. Der erste ist mir lieb und teuer. Er ist

lich gezeigt hat, dass wir noch Einiges zu tun haben und

Wirtschaftsflüchtling, kommt aus Schottland und arbeitet

dass wir auch Richtung Bundesratsinitiative als Regie-

hier als Maurer in Flensburg, weil er da mehr verdienen

rungsfraktion noch einmal tätig werden müssen. Das ist

kann. Gegen den hat noch nie einer was gesagt. Der

angekommen und steht hier schon auf dem Zettel. Und

zweite ist ein guter Freund von mir, der vor einem Jahr

ich glaube, dann hat der Abend auch schon ein Ergebnis

nach Kolding gegangen ist, weil ein Taxifahrer in FlensPodiumsdiskussion

35


burg ungefähr für vier bis sechs Euro die Stunde arbeitet

zu richten und klare Regelungen zu schaffen für zukünftige

und in Kolding für siebzehn die Stunde. Und der dritte

Fälle. Mein Megathema ist und bleibt die Integration von

ist ein junger Mann aus dem Senegal, der es geschafft

Menschen. Dafür brauchen wir Geld. Der Schlüssel für

hat, mit seiner Familie vor dem Verhungern hierher zu

die Zukunft liegt natürlich auch darin, ausreichende Mittel

kommen. Komischerweise ist das der Einzige, über den

dafür zur Verfügung zu stellen, um ihnen Startchancen zu

ich Kritik höre. Darüber sollten wir nachdenken. Über das

verschaffen. Mein Wunsch für zukünftige Zeiten wäre eine

Abwertende, das in diesem Begriff „Wirtschaftsflücht-

Realität gewordene Bundesratsinitiative, die eine solche

ling“ steht. Ich persönlich habe volles Verständnis für

Förderung beinhaltet, damit die Menschen die Kriterien

Menschen, die, um nicht zu hungern, in ein anderes Land

dann auch erfüllen können.

gehen, wo es Ihnen besser geht.

Martin Link: Ich möchte zum Abschluss eine Zwischenbilanz ziehen: Die erste Etappe einer neuen Bleiberechtsre-

Flemming Meyer (SSW): Ich will es ganz kurz machen.

gelung haben wir mit dem Landtagsbeschluss hinter uns,

Ich habe ja Verständnis dafür, dass man sagt, man muss

die zweite Etappe in Schleswig-Holstein wird der Kabi-

auch für Mehrheiten sorgen. Aber wenn wir Integrations-

nettsbeschluss sein. Die wichtigen Etappen finden aber

kriterien aufstellen und jetzt schon sehen, dass sie fast

anschließend auf bundespolitischer Ebene statt. Auch

keinen der Betroffenen in Wirklichkeit weiterbringen, dann

die kann man beeinflussen. Ich möchte deshalb an die

kann es dies ja nicht gewesen sein. Wenn da nicht an den

Landtagsfraktionen appellieren, noch mal das Gespräch

Kriterien gefeilt wird, nutzen mir auch keine Mehrheiten

aufzunehmen mit ihren Kolleginnen und Kollegen auf bun-

in Berlin. Das, glaube ich, schulden wir auch den Leuten,

despolitischer Ebene. Vielen Dank.

dass wir denen nicht irgendwelche Augenwischerei vormachen.

Doris Kratz-Hinrichsen: Ich bedanke mich, dass alle da waren, so lange ausgehalten haben. Vielen Dank an alle

Herr Scharbach (MJGI): Wir haben jetzt eine ganze Weile

Referentinnen und Referenten, Podiumsteilnehmer, den

über eine Übergangsregelung geredet, die versucht, die

Vertreter des Ministeriums. Ich wünsche Ihnen einen

Fälle, die uns vorliegen, irgendwie zu begradigen. Unsere

schönen Abend – bis bald!

Bundesratsinitiative hat den Charme, etwas in die Zukunft

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang

Anhang Schleswig-Holsteinische Bundesratsinitiative Bleiberecht

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Schleswig-Holsteinische Bundesratsinitiative Bleiberecht

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Schleswig-Holsteinische Bundesratsinitiative Bleiberecht

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Schleswig-Holsteinische Bundesratsinitiative Bleiberecht

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Schleswig-Holsteinische Bundesratsinitiative Bleiberecht

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Schleswig-Holsteinische Bundesratsinitiative Bleiberecht

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48

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Stellungnahme Bleiberecht, Parit채tischer und Fl체chtlingsrat SH

49


1

50

z.B. BVerfG zum Aufenthaltsrecht nach Art. 8 EMRK v. 21.2.2011 – 2 BvR 1392/10 -

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Stellungnahme Bleiberecht, Parit채tischer und Fl체chtlingsrat SH

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52

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Stellungnahme Bleiberecht, Parit채tischer und Fl체chtlingsrat SH

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2

www.landinsicht-sh.de Bundestags-Drucksache 17/6816: Antwort der Bundesregierung vom 22.8.2011 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke 4 Bundestags-Drucksache 17/6816: Antwort der Bundesregierung vom 22.8.2011 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke 3

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


5

Präsentation „Migranten im Niedriglohnsektor unter besonderer Berücksichtigung der Geduldeten und Bleibeberechtigten“ von Waldemar Lukas am 25.5.2011, Folie 6. Es handelt sich um eine Auswertung des Ausländerzentralregisters, die Präsentation liegt unserer Stellungnahme bei.

Anhang Stellungnahme Bleiberecht, Paritätischer und Flüchtlingsrat SH

55


6 7

56

Pressemitteilung der Bundesagentur fĂźr Arbeit vom 31. August 2011 Ă„nderungsantrag der Landtagsfraktionen der CDU und FDP vom 24.8.2011, Drucksache 17/1746

Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Anhang Stellungnahme Bleiberecht, Parit채tischer und Fl체chtlingsrat SH

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8

Infoblatt des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten in Schleswig-Holstein vom 7.01.2011 und Untersuchung der Universität Konstanz, Prof. Dr. Frank Neuner „Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung und Möglichkeiten der Ermittlung in der Asylverfahrenspraxis“, erschienen in „Zeitschrift für 8 Infoblatt des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten in Schleswig-Holstein vom 7.01.2011 und klinische Psychologie und Psychotherapie“ 2005 9 Untersuchung der Universität Konstanz, Prof. Dr. Frank Neuner „Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung und Möglichkeiten der Ermittlung in der Asylverfahrenspraxis“, erschienen in „Zeitschrift für klinische Psychologie und Psychotherapie“ 2005 9

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Dokumentation der Veranstaltung Perspektiven einer wirklichen Bleiberechtsregelung


Presseinformation

Berlin, 8. Dezember 2011

Zentrum Kommunikation

Ute Burbach-Tasso Pressesprecherin +49 30 830 01-130

Reichensteiner Weg 24 14195 Berlin Telefon: +49 30 830 01-130 Telefax: +49 30 830 01-135 pressestelle@diakonie.de www.diakonie.de

Diakonie setzt sich für stichtagfreies Bleiberecht ein Die Diakonie setzt sich für ein stichtagfreies Bleiberecht ein, das realistische Anforderungen an die Sicherung des Lebensunterhalts stellt, auf restriktive Ausschlussgründe verzichtet und nicht zu einer Trennung von Familien führt. "Kinder, die in Deutschland geboren oder aufgewachsen sind, dürfen nicht in die Perspektivlosigkeit in ihnen völlig fremde Länder abgeschoben werden", sagt Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier anlässlich der heute beginnenden Herbstkonferenz der Innenminister in Wiesbaden. Das Kindeswohl müsse an oberster Stelle stehen. Die Diakonie begrüßt die Initiativen einzelner Bundesländer zu einer neuen Bleiberechtsregelung. Zudem drohe nach dem Auslaufen des Bleiberechtsbeschlusses zum Ende dieses Jahres vielen Menschen nach über zehnjährigem Aufenthalt der Rückfall in die Duldung. Stockmeier: "Menschen, die langjährig in Deutschland leben, müssen eine Aufenthaltsperspektive erhalten. Integrationserfolge werden zunichte gemacht, nur weil diese Menschen die Anforderungen für ein dauerhaftes Bleiberecht noch nicht erfüllen." Insbesondere die geforderte eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts gestalte sich schwierig. Viele Menschen fänden nach jahrelangem Arbeitsverbot und nachrangigem Arbeitsmarktzugang lediglich niedrig entlohnte Tätigkeiten. "Eine Regelung, die zudem kranke oder alte Menschen ohne Arbeitsmöglichkeiten vom Bleiberecht ausschließt, stellt Nützlichkeitserwägungen über humanitäre Anliegen", kritisiert der Diakonie-Präsident. Die Praxis der Kettenduldungen müsse beendet werden. Nach mehrjährigen Duldungs- oder Probeaufenthalten bräuchten die Betroffenen endlich eine dauerhafte Perspektive. „Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit „Brot für die Welt“ fusionieren im Jahr 2012 zum „Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung“. Die neue Dachorganisation besteht aus den zwei Werken „Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst“ und „Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband“.

Anhang Stellungnahme Bleiberecht Diakonie

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Unterbringung von Asylsuchenden in den Kreisen und Kommunen in Schleswig-Holstein – eine Bestandsaufnahme

Der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein

Land in Sicht! Arbeit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein

Flüchtlingsrat

Schleswig-Holstein e.V.


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