Liebe Freunde, Nach längerer Durststrecke, in der niemand von uns so recht wusste, wie und vor allem ob wir Arising Realm überhaupt fortführen können, haben wir es nun doch noch geschafft, unsere Nummer 19 zu veröffentlichen. Die Finanzkrise hat auch uns im letzten Jahr getroffen. Das Geld sitzt bei den Verantwortlichen für Track-Buchungen und Werbeplatzierungen nicht mehr so locker wie in der Vergangenheit. Nicht, dass es jemals einfach war, das Projekt AR zu finanzieren. Ein Umdenken musste stattfinden, vor allem auf unserer Seite. Nachdem die Umstellung auf Farbe in den letzten beiden Ausgaben praktisch weder von der Leserschaft noch von unseren Partnern interessiert zur Kenntnis genommen wurde, lag es nahe, wieder auf die kostengünstigere Schwarz-Weiß-Variante zu wechseln. Dazu mussten wir auch die Auflage reduzieren, um über eine Veröffentlichung von AR im Jahr 2010 überhaupt nachdenken zu können. Neue Preismodelle für unsere Partner wurden getestet, verworfen, getestet und letztendlich für „akzeptabel“ befunden. Das alles hat zu einem großen zeitlichen Loch seit unserer letzten Ausgabe geführt. Nun haben wir es trotz aller Widrigkeiten doch noch geschafft, eine, wie wir meinen, hochinteressante 19. Ausgabe vorzulegen, die vor Underground nur so strotzt. Es gibt diesmal keine einzige wirklich große Band in AR, die weltweit bekannt und erfolgreich ist. Doch die nachfolgenden Bands haben trotzdem eines gemeinsam: Idealismus! Das, was den etablierten Bands heute zum größten Teil abhanden gekommen ist, findet man bei Bands wie The Ordher, Outrage, Mastic Scum oder In Slumber. Dazu haben wir die Anzahl der Reviews deutlich reduziert. Wir sehen keinen Nutzen mehr darin, Kritiken abzudrucken, die mangels Aktualität von Print-Fanzines längst als antik gelten. Wir rezensieren natürlich noch immer alle an uns geschickten Alben, publizieren in der Print-Version aber nur mehr diejenigen, die uns wichtig erscheinen. Der Rest kann wie gewohnt auf www.arisingrealm.at nachgelesen werden. Dazu noch drei personelle Neuigkeiten: Unser langjähriger Mitarbeiter Pascal ist diesmal nicht kreativ dabei gewesen und mit Kai Scheibe kam ein Metalhead retour in unser Team, der bereits in der Vergangenheit für uns geschrieben hat und vielen von euch sicherlich durch sein eigenes damaliges Zine Deadly Art bekannt sein dürfte. Genug geschwafelt, viel Spaß beim Entdecken unserer Nummer 19. In diesem Sinne ein frohes Entdecken von Michael & dem AR-Team
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Editorial CD-Beilage In Slumber Mastic Scum Lost Dreams The Ordher Deathbound Folterkammer Maleficio Thorns Of Ivy Outrage Ikuinen Kaamos Storm Of Sorrows S c a r e c r o w N WA My Cold Embrace Shadow's Far Pressure Points Parental Advisory Days Of Loss Nomad At Daggers Drawn Lauschangriff Per Mausklick zur Karriere?
IN SLUMBER “Razorblade Balance” (Twilight)
Dauer: min. web: www.inslumber.com Album: Arcane Divine Subspecies
Österreichs Melodic Death Metal-Aushängeschild In Slumber kehrt mit „Arcane Divine Subspecies“ im Gepäck zurück. In Slumber schaffen es auf selten so gut gelingende Weise, Melodie und Härte auf der einen, aber auch Tradition und Moderne auf der anderen Seite zu verbinden.
HARMANIC “Sacrificial Blood” (Eigenproduktion)
Dauer: 4:29 min. web: www.harmanic.at Album: Forsaken Soil
Harmanic: Hinter diesem Namen stecken fünf Jungs aus Wien, die seit Anfang 2007 ihre eigene metallische Marke kreieren. Eine donnernde Rhythmus-Sektion, schneidender Gitarrensound und reißende Vocals garantieren, dass der Funke überspringt.
HALCYON AS LILITH “Last Supper” (Eigenproduktion)
Dauer: 3:39 min. web: www.halmetal.com
Album: Breed Of Lilith
HAL spielen eine Mixtur aus schnellem, modernem Thrash/Death Metal gespickt mit progressiven Elementen, jedoch spielen Einflüsse aus mehreren Musikrichtungen eine bedeutende Rolle. Hauptaugenmerk liegt bei aller Härte auf melodischen Parts und eingängigen Melodien. Unter anderem teilten sich HAL bereits die Bühne mit Größen der Szene wie zum Beispiel Pungent Stench, Metal Church, Neaera, The Black Dahlia Murder, Darkest Hour, The Wage of Sin etc.
DEAD REMAINS “Morbid Needle Twist” (Eigenproduktion)
Dauer: 4:20 min. web: www.deadremains.de Album: Concsious Cremation
In Zeiten, in denen Metalcore zu sehr Core ist, so genannter Brutal Death zu stumpf und alles nach der Maxime „höher, schneller, weiter!“ den heutigen Death Metal definiert, haben es sich Dead Remains zur Aufgabe gemacht, die Fahne des kranken Grooves hochzuhalten. Nachzuhören bei „Morbid Needle Twist“!
EMERGENCY GATE ”Nothing To Lose” (Twilight)
Emergency Gate steht für modernen Melodic Death Metal par excellence, was sie bereits mit dem letzten Album “Rewake” und der darauf folgenden Europatour mit Kreator unter Beweis stellen konnten. Fette Gitarren gepaart mit elektronischen Elementen, garniert mit der Hammerstimme von Matthias Kupka (ex-SuidAkrA).
MANETORY “Feelings At Work” (Eigenproduktion)
redaktion@arisingrealm.at
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Dauer: 4:34 min. web: www.manetory.de Album: Falling
Manetory begeistern die Zuschauer durch Thrash- und Metal-lastige Songs, die durch eingängige Rhythmen und melodische Parts auf jeden Fall im Ohr hängenbleiben. Manetory machen keine Gefangenen, sondern überzeugen durch abwechslungsreichen Gesang, treibende Gitarren und groovenden Bass! Dieser Mix sorgt zwangsläufig für Headbanger-Stimmung.
NOKTA “Front Toward Enemy” (Eigenproduktion)
Dauer: 4:50 min. web: www.nokta-rockband.de
Album: Lifetime Pt. I
Nokta ist eine Progressive-Rockband mit Power Metal-Einflüssen, die sich, wenn es um ihre eigenen Projekte geht, nicht in eine Schublade mit anderen stecken lässt. 2007 veröffentlichte die Band ihr erstes eigenes Studioalbum mit dem Namen „Lifetime“.
OUTRAGE “Splatter Of Blood” (Maintain)
Dauer: 3:30 min. web: www.outrage.at Album: Contaminated
Outrage – Neckbreaking Death Metal! Brutaler Groove, mörderisches Riffing und aggressive Breakdowns, gepaart mit Lyrics über Melancholie, Wut, Frustration und Sozialkritik. Das aktuelle Album „Contaminated“ wurde im November 2009 über Maintain Records veröffentlicht. Check it out!
Ihr wollt Euren Song auf unserer Compilation vorstellen? Schreibt an für mehr Informationen an:
Dauer: 3:13 min. web: www.emergency-gate.de Album: The Nemesis Construct
LOUD AT LEAST “Drive Any Road” (Eigenproduktion)
DAYS OF LOSS
Dauer: 5:11 min.
“Immortal”
web: www.myspace.com/loudatleast
Album: Painful Exploration
(Terrasound)
Nach einem beeindruckenden Rundgang durch sein nigelnagelneues Aufnahmestudio schlug Gernot Reisners alter Musikantenkollege Oswald Theisl vor, neben Jägerchor und sonstigem „Volksdümmlichem“ mal etwas Vernünftiges durch diese Boxen dröhnen zu lassen. Nach meinem unbedarften Sager „Na, wenigstens laut wird’s scho werd’n!“ war auch schon der Name des Bandprojekts geboren. Als deren Musikerkamerad Gernot Schilcher ebenso mit metallischem Glitzern in den Augen zustimmte, machte sich Gernot ans Werk und schrieb ein Liedchen nach dem anderen. Ergebnis, voilà: „Painful Exploration“!
TIMOR ET TREMOR “Varus” (Eigenproduktion)
Der Song „Immortal“ ist unser Tribut an den Film „300“. Musikalisch gesehen hebt sich der Song etwas von den anderen ab, da wir beim Songwriting besonderen Wert auf Eingängigkeit und prägnante Melodien gelegt haben. Dadurch ist er auch zu unserer Live-Hymne geworden!
PHAROTY
Dauer: 4:46 min. web: www.timor-et-tremor.de Album: My Oaken Chest
“Guide” (Eigenproduktion)
Timor Et Tremor aus dem hessischen (chattischen) Gebiet spielen eine Mischung aus melodischem, jedoch auch aggressivem Black Metal mit Ansätzen des Pagan Metals. Textlich befasst sich die Band mit Paganismus, Naturmystik und den düsteren Seiten des menschlichen Daseins.
MIRRORED IN SECRECY “Craving For The Sin” (Eigenproduktion)
“Apollo” (Eigenproduktion)
AVENGING ANGELS
Dauer: 4:00 min. web: www.mirroredinsecrecy.com
“Fears Corrode”
Album: Truth
(Eigenproduktion)
BREWED & CANNED “Harvest” (Eigenproduktion)
(Eigenproduktion)
Dauer: 2:58 min. web: www.myspace.com/brewedandcanned
Album: Diseased
Technisch erhaben, brutal und absolut gnadenlos. Kaum eine Underground-Band, die es schafft, diese Aspekte gelungener zu vereinen als Brewed & Canned. Die fünf Wiener arbeiten derzeit fiebrig an ihrem ersten Full-Length-Release, das gegen Ende 2010 erscheinen wird.
Die deutschen My Cold Embrace prügeln sich seit 1998 durch den DIY Metal-Underground und vermischen melodischen Death Metal, brutalen Thrash, treibenden Crust/HC und ein Maximum an Irrsinn. Nach sechs weltweit gefeierten CDs und hunderttausenden MySpace-Hits ist der Status „Insider-Tipp“ mittlerweile sicherlich überholt…
FOLTERKAMMER
Dauer: 4:30 min. web: www.avenging-angels.com Album: Shrouded In Mystery
„Fears Corrode“ kann man als typischen Song der Avenging Angels bezeichnen. Nicht jedoch hinsichtlich der Kategorisierung, sondern bezogen auf die Vielfalt, die in der Musik der Band steckt. Abwechslungsreicher, unverkennbarer und melodischer Death/Thrash Metal aus Tirol.
Dauer: 4:10 min. web: www.mycoldembrace.de Album: Hausgeist
“Milkdrinking Bussibear”
Dauer: 3:49 min. web: www.pharoty.com Album: Trapped
Knackige Riffs, mitreißende Melodien, groovende Rhythmen – das sind die Markenzeichen des Alternative-Rock von Pharoty. Die Band aus Tirol serviert einen eigenständigen Mix der neuesten Entwicklungen im Bereich des Rock mit jeder Menge Hitpotential.
Melancholische Melodiebögen umgarnen brachiales Riffing, treibendes Drumming verschmilzt mit singenden Leadgitarren. Mirrored In Secrecy beweisen auf ihrer heavy produzierten EP „Truth“, dass Dark Rock auch ohne Rüschenhemden funktioniert.
MY COLD EMBRACE
Dauer: 3:49 min. web: www.daysofloss.com Album: Life Is Decay
Dauer: 4:00 min. web: www.folterkammer.at
Album: You Must Die
This is real Oldschool-Metal-Thrash-Death from real fuckin’ OldschoolMetal-Thrash-Death-Freaks! And for all musicians out there: Don’t you try this with click! Viel Glück!
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Auch auf eurem dritten Album treffen sich w i e gewohnt tolle Melodien, Dramatik, ein gewisser moderner Anstrich der h a r t e n Musik und Texte, die durchaus das Nachlesen lohnen. Auf eure MySpace-Seite habt ihr daraus auch meinen Album-Favoriten „Patchwork Masquerade“ gestellt. Ich finde besser, neben dem gesamten Album, kann man die Essenz von In Slumber nicht erklären als mit diesem einen Lied. Zufall oder mögt ihr diesen Song auch besonders? Nun, uns gefällt dieser Song auch sehr und ich muss auch sagen, dass „Patchwork Masquerade“ sicherlich alles in sich trägt, was In Slumber ausmacht. So gesehen ist der Song eine Mischung aus den ersten beiden Alben „Stillborn Rebirth“ und „Scars: Incomplete“. Weitere Highlights wären für mich aber auch noch „Razorblade Romance“, „Bleed In Vain“ und „Pain Priority Injection“… Bei euch hat sich wieder mal einiges verändert: neue Bandmitglieder und ein erneuter Wechsel der Plattenfirma. Wie klappt es denn mit dem neuen Bassisten Kay Brem, der auch bei Eluveitie & Cataract (beide Schweiz) spielt? Eingespielt hat er den Bass auf dem Album immerhin nicht. Steht er für Liveauftritte zur Verfügung oder habt ihr einen „Plan B“, wenn er gerade mit seinen anderen Bands unterwegs ist? Kay spielt ja jetzt nicht mehr bei Cataract und hat deshalb auch „Zeit“ für In Slumber neben Eluveitie. Ja, er ist sehr motiviert. Mal schauen, wie sich dann alles entwickeln wird, denn Eluveitie wird 2010 sehr viel Zeit beanspruchen. Jedoch werden wir mit In Slumber eben auch viel Zeit auf den Straßen und Bühnen verbringen. Natürlich haben wir einen „Plan B“, da wir genauso Konzerte spielen wollen. Einige Festivals werden wohl mit beiden Bands belegt werden, andere wiederum nicht! Mal schauen, wird schon passen. Die tolle Band In Slumber wäre ohne dich nicht denkbar – du schreibst die komplette Musik und die Texte. Dürfen die anderen vier Jungs
sich nicht in das Songschreiben einbringen oder bist du schlicht der Einzige, der will und kann? Nun, immerhin hat Simon die meisten seiner Gitarrensoli selbst kreiert. Ja, klar, würde es gehen, dass Robert und/oder Simon eigene Ideen beisteuern, aber das hat bei diesem Album dann eben nicht gepasst. Wir haben aber intern schon darüber gesprochen, dass es interessant wäre, das nächste Album mal im Proberaum gemeinsam zu komponieren. Wäre sicher mal wieder eine neue Erfahrung für uns und könnte durchaus oder sicherlich zu einer positiven Weiterentwicklung beitragen. Im Gegensatz dazu spielst du auf dem Album wenig Gitarre. Juckt es dich nicht in den Pfoten, live deinen Teil mit zum Sound beizutragen? Wir wissen, dass du ein begnadeter Gitarrist bist (und jetzt kein Understatement, Wolfgang!). Nun, sicherlich würde ich gerne bei Liveauftritten ab und zu meine Gitarre auspacken und mitspielen, aber es passt, wie es ist, denn meinen Beitrag leiste ich mit dem Gesang, auf den ich mich dann emotionaler einlassen kann. Bei Thirdmoon mach ich das ja sowieso weiterhin wie gehabt... Hast du vielleicht in der letzten Arising Realm-Ausgabe #18 das hochinteressante Steiermark-Special gelesen? So viel gute, wenig bekannte Musik in einer kleineren Region! Wie siehst du die Lage momentan in deiner Heimat Oberösterreich? Gibt es da ebenso viele etwas unbekanntere, unterschätzte Underground-Perlen? Natürlich gibt es in Oberösterreich sehr viele unentdeckte Perlen. Generell gibt es in Österreich wahnsinnig gute Musiker und Bands. Das Problem liegt aber meistens da, wie sich die Bands präsentieren und auf sich aufmerksam machen... ist aber auch sehr schwer heutzutage, da alles zu überladen ist! Es macht einfach keinen Spaß mehr, Bands zu entdecken, da sie dich sowieso vorher finden! Früher war es viel aufregender und intensiver... Man gewinnt den Eindruck, dass du textlich viele dunkle Seiten der Menschheit reflektierst: die Beeinflussung der Menschen im Umgang miteinander, Machtmissbrauch, blutrünstige Gedanken in der unterbewussten Gedankenwelt, Rachegelüste usw. Gibt es gelegentlich auch den lachenden, albernen und zu Späßen aufgelegten Wolfgang? Ja, sicher gibt es eine fröhliche Seite und ich lache gerne, jedoch verarbeite ich einfach lieber
die schlechten Erfahrungen und Beobachtungen, die ich machte, musikalisch und textlich in meinen Bands. Wie Menschen gegenseitig miteinander umgehen, ist eine Katastrophe. Der Egoismus (nicht nur materialistisch gesehen) ist ja gar nicht mehr auszuhalten… Stichwort Frauen: Alle fünf B a n d m i t g l i e d e r grüßen/bedanken sich im CD-Booklet bei ihren Lebensgefährtinnen. Finde ich prima. Da auf dem Cover die attraktive Dame quasi als Racheengel mit Messer nach getaner Arbeit unterwegs ist – sind Frauen trotz Emanzipation, Kommunikation und Aufklärung für dich immer noch d i e
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„geheimnisvolle, göttliche Spezies“ (Albumtitel)? Nun, der Albumtitel bezieht sich auf Frauen sowie auf Männer. Die Moral der Menschen ist einfach kaputt! Manipuliert und am Egoismus erfreut! Auf eurer Bandwebsite taucht auch der Begriff Metalcore zur Beschreibung eurer Musik auf. Finde ich weniger zutreffend, aber Genreschubladen sind meistens eh nicht hilfreich. Wie würdest du eure Musik in einem kurzen Satz beschreiben? Melodic Death Metal, wobei In Slumber die alte und neue Härte sowie Melancholie und Melodie vereint! Ihr habt die Instrumente des neuen Albums zu Hause eingespielt, aber zum Mixen (Ziggy) und Mastern (Tue Madsen) wieder in dänische Hände (Antfarm-Studios) gelegt. Wart ihr selber beim Entstehungsprozess mit dort? Gibt es
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in Linz und Umgebung keine passenden Soundtempel, um solch ein fettes, gut klingendes Resultat zu bekommen? Was soll ich denn darauf sagen? Irgendwo muss man ja das Album mischen und mastern lassen. Uns gefällt einfach der wuchtig fette Sound, den die beiden Dänen produzieren! Wir haben am Vorgängeralbum „Scars: Incomplete“ schon mit Ziggy und Tue gearbeitet und deshalb war unsere Entscheidung eigentlich ziemlich einfach! Gib zum Schluss bitte ein kurzes, spontanes Statement zu folgenden Landsleuten ab: Udo Jürgens Ja, der hat schon viel erreicht, aber mir gefällt er trotzdem nicht! Helmuth (Belphegor) Helmuth hatte mit Sicherheit eine schöne Kindheit! Mir gefällt sein Idealismus! Josef Fritzl
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… DEN UNTERSCHIED, MIT ETABLIERTEN BANDS ZU TOUREN ALS NATIONALE GIGS ZU SPIELEN...
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… ÜBER NERVOSITÄT VOR WICHTIGEN KONZERTEN...
Im Grunde sehe ich da keinen Unterschied, aber natürlich ist so eine Tour schon etwas Selteneres. Darauf muss man sich vorbereiten, da man möglichst viele Fans für sich gewinnen möchte. Das ist bei einer Tour dieser Größenordnung schon wichtig.
Nervosität nicht wirklich! Ohne Selbstvertrauen geht in diesem Business nicht wirklich etwas. Und was soll denn schon passieren? Wir werden wie immer unser Bestes auf der Bühne geben und unsere Songs motiviert darbieten.
Einer unter unzähligen weiteren, vielen kranken Menschen! Er machte Amstetten etwas bekannter und dafür sind ihm bestimmt einige Leute sehr dankbar! Franz Dobusch (Bürgermeister von Linz) Sollte sich mal persönlich mehr für die härtere Musikszene in Linz einsetzen und sich ein In Slumber-T-Shirt kaufen! Kaiserin Sissi (mit heimlichem Tattoo) Die Kaiserin hatte mit Sicherheit nicht nur „ein“ „heimliches“ Tattoo! Hehe! Danilo BACH | Webseite: www.inslumber.com
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… TOUREN UND DEREN NEGATIVEN AUSWIRKUNGEN AUF DAS REALE LEBEN...
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… DIE GUT FUNKTIONIERENDE OBERÖSTERREICHISCHE SZENE, AUS DER MAN DIE KRAFT FÜR GRÖßERE TOUREN ZIEHEN KANN...
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keine Ahnung, was Musik bedeutet. Na klar, wenn man die ganze Zeit herumheult, ist das nicht männlich! Auch im Grindcore werden Emotionen gezeigt! Natürlich kommt es auch darauf an, welche Gefühle gezeigt werden, denn übertrieben weinerliche Melancholie empfinde ich auch persönlich genauso nervig wie „happy music“! Aber das ist doch alles Geschmackssache! Jeder Musiker zeigt und interpretiert Emotionen und Erlebtes. Die Frage ist aber, fühlt sich derjenige leichter männlicher, wenn er brutale Musik macht oder hört, wie einer, der melancholische oder melodische Musik komponiert/arrangiert und konsumiert? Alles ist an eine gewisse Emotion gebunden. Es kommt darauf an, was man musikalisch umsetzen will und auch kann. Natürlich haben emotionalere Musiker einen Vorteil, ihre Emotionen musikalisch zu interpretieren!
Natürlich ist es ab und zu etwas schwieriger, aber es funktioniert, wenn man sich gegenseitig Respekt, Ehrlichkeit, Vertrauen und Verständnis entgegenbringt! Nicht nur Konzerte, sondern auch das „Arbeiten“ an einem Album bedeutet Zeit und Ausdauer, die es zu investieren gilt. Musik und Beziehung ist vereinbar, es kommt jedoch auch darauf an, wie intensiv man beides verfolgt.
Neid und Missgunst existieren auch in Oberösterreich. Man versucht eben, miteinander zu arbeiten, um seine Ziele zu erreichen. Das ist überall so! Letztendlich arbeitet aber jede Band für sich alleine. Leider ist es so, das sind meine Erfahrungen! Kraft können wir eher aus unserer bandinternen Freundschaft schöpfen und diese in unsere Musik integrieren. Befreundete Bands werden immer von uns, soweit es geht, unterstützt! Im Sinne von „eine Hand wäscht die andere“ oder so ähnlich, haha.
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… DEN MUSIKALISCHEN DURCHBRUCH UND WIE ER DIESEN SELBST DEFINIERT... Durchbruch? Durchbruch ist für mich ein Wort, welches gar nichts mit Leidenschaft und aufrichtiger Hingabe zur Musik zu tun hat! Wenn ein Mensch als Musiker mit seiner Band Geld verdienen möchte, ist ein Durchbruch sehr wichtig! Wenn aber ein Musiker Musik machen möchte und das auch emotional tut, braucht er keinen Durchbruch mit energischem „MUSS“ anzuvisieren! Erfolg ist relativ, Ziele werden unterschiedlich gesteckt. Ich hab mich noch nie weder verbiegen lassen noch das gemacht, was andere von mir verlangt haben. Ich möchte stolz sein auf das, was ich emotional geschaffen habe und noch komponieren werde. Ich möchte kein Album auf den Markt bringen, hinter dem ich nicht stehen kann, nur des Erfolges willen. Ich hab meine emotionale Linie und meine Ziele!
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...DIE EMOTIONALE KOMPONENTE DER MUSIK UND DEREN WICHTIGKEIT FÜR IN SLUMBER... Ich verbinde meine Gefühle mit den geschriebenen Songs. Lieder, die mir nichts sagen, oder auch Songs, die als Lückenfüller geschrieben werden, finde ich Zeitverschwendung! Wenn ich nicht dahinterstehen kann, kommt das auch nicht aufs Album! Am Anfang jedes Albums habe ich ein grobes Thema vor mir liegen. Es handelt sich dabei mehr oder weniger um ein Konzeptalbum. Deshalb bleibt meistens schon eine durchwegs ähnliche Atmosphäre Song für Song bestehen. Ich interpretiere meine Emotionalität in den Songs durchaus passend, denn sonst würde ich die Songs anders arrangieren. Jede Person empfindet Wut, Enttäuschung, Trauer, Zorn, Demütigung, aber auf andere Art und Weise. … THEMEN, DIE ER MUSIKALISCH NICHT VERARBEITEN KANN... Nun, was ich absolut nicht musikalisch verarbeiten kann, sind lustige Erlebnisse, da es einfach zu wenig gäbe, um ein ganzes Album zu schreiben. Zweitens habe ich auch keinen Bock drauf, „happy music“ zu komponieren! Ich fühle mich besser, wenn ich negative Erlebnisse und Gedanken mit aggressiver und auf der anderen Seite auch melancholischer Emotionalität verbinde und diese musikalisch verarbeite. … DAS ZEIGEN VON EMOTIONALITÄT UND DIE KLASSIFIZIERUNG DESSEN ALS „UNMÄNNLICHES“ VERHALTEN... Weißt du, die Leute, die sagen, dass das Zeigen von Emotionen sehr unmännlich ist, leben mit Sicherheit noch bei ihrer Mutter oder/und haben
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...SEINE MITSTREITER UND DEREN AKZEPTANZ VON WOLFGANGS EMOTIONALEN INHALTEN... Nein, Konflikte gab es bis jetzt noch keine, da meine Bandkollegen wissen, dass, wenn ein Song fertig ist, dieser auch eine kleine Geschichte in sich trägt! Was will man denn da noch ändern? Man kann immer an den Songs herumbasteln und arrangieren, aber man soll einen Song in Ruhe lassen, sobald dieser etwas erzählt! Aber fürs nächste Album werde ich die „Zügel“ wohl etwas lockern, haha. Ich werde meinen Bandkollegen einfach Ideen vorlegen und dann werden wir die Songs im Proberaum entstehen lassen! Es wird interessant sein, wie das funktioniert, wenn die gesamte Band an einem Thema arbeitet! Für In Slumber ist das mit Sicherheit eine musikalische Weiterentwicklung. ...DIE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEM FAMILIENMENSCHEN UND MUSIKER WOLFGANG ROTHBAUER... Ich denke, dass beides ein wenig ineinanderfließt. Grundsätzlich bin ich ein ruhiger und introvertierter Typ, der sich in der Musik ausleben kann. …ÜBER KRITIK ALS NOTWENDIGES ÜBEL ODER GEWINN FÜR DEN MUSIKER... Es kommt darauf an, wie und von wem die Kritik formuliert wird. Es kann ein Gewinn bezüglich Weiterentwicklung sein, aber auch ein Übel, wenn sich Bands durch diverse Kritiken im Kreis drehen und nicht mehr wissen, wohin sie sich verbiegen sollen! Am besten zieht man sein eigenes Ding durch und hält daran fest! …DAS ERSTE ALBUM „STILLBORN REBIRTH“... Ein sehr persönliches Album, musikalisch spontan und intuitiv! Ich wollte anfangs alle Instrumente selbst aufnehmen, stand aber beim Schlagzeug an und fragte deshalb Johannes, der ja auch bei Thirdmoon tätig war und dort auch schon wieder dabei ist! Ein feines, abwechslungsreiches melodisches Black/Death Metal-Album! ...DAS ZWEITE ALBUM „SCARS:INCOMPLETE“... Die lange Autofahrt nach Dänemark, war wirklich cool und ich hab die Zeit auch sehr genossen... Musikalisch ist das Album ausgereifter als das Debüt und ebenfalls sehr emotional! Lyrisch ging es noch mehr um die Psyche, die dunklen Seiten der Menschen und deren Moral. ...DAS AKTUELLE ALBUM „ARCANE DIVINE SUBSPECIES“... Musikalisch ein sehr ausgereiftes, aggressives und zugleich auch melodisches Album! Die lyrischen Themen wurden direkter, wütender und mehr als zuvor auf den Punkt gebracht geschrieben! Es gab ja dazwischen auch einige Geschehnisse, die es zu erzählen und verarbeiten gab! Herzenssache! Michael FREITAG
Harry: Als wir vor ca. drei Jahren mit dem Songwriting fürs aktuelle Album begonnen haben, mussten wir parallel dazu auch in Sachen Bandbesetzung einen Schritt tun. Das war nicht leicht für uns, da wir sehr lange miteinander gearbeitet und viel miteinander erlebt hatten... aber im Sinne der Band war es der einzig richtige Schritt. Der sich im Nachhinein betrachtet auch als 100% richtig bestätigt hat. Womit wir auch schon beim neuen Album wären; wie würdet ihr „Dust“ selbst beschreiben, wo liegen die Unterschiede zu den Vorgängern? Harry: „Dust“ ist auf alle Fälle etwas düsterer, aber auch rasanter ausgefallen. Wir haben uns mehr in Richtung Death Metal entwickelt, aber auch die Einflüsse aus Grind- und Hardcore beibehalten. Textlich geht’s detto ein wenig in eine andere Richtung. Die Lyrics sind zwar immer noch sozialkritisch, oft aus dem täglichen Leben gegriffen, manchmal zweideutig und mit einer Prise Sarkasmus versehen, aber wir wollten das diesmal in einer bestimmten Atmosphäre verpacken, eine Art Endzeitstimmung kreieren. Dazu passt auch der biomechanische Schädel am Cover: Menschheit, Technologie, Weiter10
entwicklung und Untergang. „Dust“ sollte als Ganzes düster und bedrohlicher wirken als seine Vorgänger. Maggo: Und so soll’s auch weitergehen! Düsterheit auf einer sehr rasanten und brutalen Ebene. Härte mit Gänsehaut-Gefühl. Da gibt’s auch schon Ideen für die nächste Platte: Den Stil von „Dust“ weiterführen, das Ding dabei aber auf das nächste Level hieven: noch brutaler, noch mehr Speed, noch mehr Horror-Atmosphäre – und das Ganze natürlich wieder gepaart mit Mörder-Grooves! Da darf man ja schon richtig gespannt sein. Bleiben wir aber noch bei „Dust“, wie waren die Reaktionen bisher? Harry: Es könnte nicht besser laufen, wir bekommen sehr viel positive Resonanz – von alten und neuen Fans. Die Reviews sind durch die Bank sehr gut ausgefallen. Was uns schon überrascht. Selber glaubt man ja bei jedem neuen Album, dass es das Beste ist, was man bisher gemacht hat... Maggo: Also ich glaube nicht nur, dass es das beste Scum-Album bis dato ist... ich weiß es! Im Ernst, es ist echt geil zu hören und zu lesen, dass das, was wir hier geschaffen haben, so extrem guten Anklang bei den Magazinen und den Fans findet.
Jetzt gehört die Scheibe natürlich ordentlich promotet, Maggo ist aber bekanntlich auch in anderen Bands aktiv (Inzest, Tristwood, Watch Me Bleed). Habt ihr da keine Angst vor Termin- oder anderen Problemen? Harry: Neee, da machen wir uns überhaupt keinen Stress. Ich kenne Maggo schon seit einigen Jahren, wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden, er passt zu Mastic Scum wie die Faust aufs Auge... Maggo: Außerdem zahlen die Scums sehr gut, da bleibt man gerne dabei, haha. Wir haben das bis jetzt wirklich gut geplant und wenn eine der Bands mal ein wirklich wichtiges Konzert oder eine Tour haben sollte, dann ist auch jede andere Band bereit, dieser den Vortritt zu lassen. Ich muss nur immer wieder in meinen Terminkalender schauen, dass ich nichts vergesse, da steht mittlerweile sogar drinnen, wann ich schlafen muss, haha. Stichwort Album promoten und wichtige Konzerte: Zum Zeitpunkt dieses Interviews tourt ihr gerade mit Vader und Marduk durch Europa. Nettes Package – wie seid ihr dazu gekommen, warum gerade diese Tour und vor allem: Wie ist sie für euch gelaufen?
Harry: Die Tour war der absolute Hammer! Unglaublich! Die Hallen bzw. Clubs waren jeden Tag voll, einige sogar ausverkauft. Rumänien, Bulgarien und Griechenland war der Wahnsinn! Ich persönlich finde das Package auch sehr interessant: etwas Abwechslung, aber trotzdem Bands, die ordentlich brettern! Soweit ich informiert bin, hat die Booking-Firma (Massive Music) speziell nach einer Death/Grind-Band Ausschau gehalten, um etwas Kontrast in das Package zu bringen... Wir haben den Slot unserer Booking-Agentur Catapult Promotion zu verdanken, die das mit Massive Music gecheckt hat. Maggo: Ich bin mit Bands wie Vader aufgewachsen und es war schon ein sehr geiles Gefühl, jetzt mit solchen Bands zu touren und vor allem auch Party zu machen. :-D Eine wirklich coole Erfahrung. Massive Music ist eine professionelle Firma und vor allem auch sehr fair zu den Support-Bands. Die ganze Mannschaft bestand aus echt supernetten Leuten. Dann freuen wir uns für euch, dass das so toll geklappt hat – und wechseln das Thema: Mastic Scum sind seit Anfang der 90er dabei. Wo seht ihr die größten Unterschiede in der „Szene“ zwischen damals und heute? Harry: Ich sehe da keine Unterschiede. Die Leute saufen und grölen immer noch gleich viel wie damals... Maggo: Manche Sachen ändern sich nie! Als ich Harry kennen lernte, endete das mit dem Kopf auf der Bar liegend, in einer Diskussion über Fear Factory und kurze Hosen... Das war damals so und hat sich bis heute nicht geändert. Haha! Zukunftspläne? Harry: Als Nächstes ist unser Video dran, wir haben im Dezember Videoszenen für den Track „Construcdead“ gedreht und werden da die nächsten Wochen weiter dran arbeiten. Dann stehen auch einige Festivals im Sommer an, Metalfest und Kaltenbach Open Air sind bereits bestätigt. Außerdem haben wir gerade einen Cover-Track für eine „Tribute to Blood“-CD aufgenommen, es gibt also immer was zu tun hier... Und dann werden wir wohl auch bald mit dem Songwriting fürs nächste Album beginnen. Maggo: Arbeiten bis sterben! :-D Natürlich. Wir sagen danke fürs Interview und bitten um eure letzten Worte an unsere LeserInnen: Harry: Thx fürs Interview! Grrrrrrrrrrrrrrind on!!!!!!!!!!!!!!! Maggo: Stay true to yourself and support brutal muSICK! M. ETL | Webseite: www.masticscum.com
Nicht immer reicht Können aus, um den Status zu erreichen, den man auch verdient. Vitamin B hilft in den meisten Fällen weiter, um gewünschtes Ziel zu erreichen. Fehlt dieses aber, so bleibt nur die Hoffnung, dass der Markt auf einen aufmerksam wird und man eine Chance erhält. Auch Mirrored In Secrecy, die geradlinig ihren Weg gehen, hoffen darauf, endlich entdeckt zu werden. David, laut eurer Biographie existieren Mirrored In Secrecy seit 2003 und sind aus dem Projekt Wintersoul hervorgegangen. Welche Bandmitglieder aus diesem Projekt sind auch heute noch bei Mirrored In Secrecy dabei? Wintersoul war ein reines Soloprojekt. Ich fühlte mich nach einiger Zeit stilistisch limitiert und wollte zudem meinem musikalischen Fortschritt Rechnung tragen. So entstand Mirrored In Secrecy. Die erste Demo habe ich ebenfalls solo aufgenommen, seit 2006 sind wir in kompletter Bandbesetzung unterwegs. Ihr selbst bezeichnet euren Musikstil als Dark Rock. Das Coverartwork impliziert dem Betrachter aber eher eine Black Metal-Band. Wer hat sich für die Gestaltung des Covers verantwortlich gezeigt und würdet ihr mir zustimmen, dass eine musikalische Einordnung aufgrund des Gesehenen schwierig ist? Ich vermute, dass dich die Farbgebung an Dimmu Borgir oder Emperor erinnert. Vom Motiv her geht es in meinen Augen aber eher in die Gothic-Richtung, was unseren Stil im groben repräsentiert. Das Artwork stammt von Kurt Wörsdörfer, welcher auch für Kollegen wie Anubiz oder Burden Of Grief gearbeitet hat. „Truth“ bietet dem Hörer ein recht homogenes und gewissermaßen auch eigenständiges Klangbild. Wie lange habt ihr an den drei Liedern auf der Mini-EP gearbeitet? Wir haben uns dafür entschieden, nur drei Songs aufzunehmen, diese dafür mit Liebe zum Detail auszustatten und die Sache ordentlich in Szene zu setzen. Demzufolge zog sich der Prozess etwas hin, sodass wir insgesamt drei Monate benötigt haben. Ihr habt „Truth“ im Finnvox Studio in Helsinki mastern lassen. Für eine Band ohne Vertrag ein mitunter nicht billiges Unterfangen. Was erwartet ihr euch von dieser Produktion, die klanglich so gar nicht zu einer Undergroundband passen will? Wenn man jahrelang wie ein Besessener an seiner Musik arbeitet und sich herauskristallisiert, dass man ein wirklich heißes Ding am Schmieden ist, will man auf der Zielgeraden nichts mehr riskieren. Von daher suchten wir uns eine Adresse, der man qualitativ vertrauen kann. Das Finnvox hat uns nicht enttäuscht. „Truth“ klingt sowohl auf CD als auch auf Vinyl hervorragend. Wir wollten mit dieser EP Interesse wecken, und das ist uns gelungen. Der Metal Hammer äußerte sich euphorisch zu dem Material, der Sonic Seducer hat uns im Rahmen des Battle Of The Bands auf die CD-Beilage gepackt und nahezu alle Hörer und Onlinemags lieben die Scheibe. Wie sieht euer zukünftiger Kampfplan aus? Was möchtet ihr erreichen, in naher wie in ferner Zukunft? Da wir nun mehr als ein halbes Jahr ohne Bassisten dastanden, wollen wir in naher Zukunft so schnell wie möglich auf die Bühne zurück. Sobald unsere neue Bassistin Johanna eingearbeitet ist, werden wir ein paar Warm-Up-Gigs in NRW spielen und dann mal gucken, ob wir in der Festival-Saison noch irgendwo unterkommen. Falls zufällig ein Veranstalter diese Zeilen liest, würden wir uns über eine Kontaktaufnahme freuen. Für die fernere Zukunft würden wir uns wünschen, ein passendes Label zu finden, um somit noch professioneller agieren zu können. Iris WILKE | Webseite: www.mirroredinsecrecy.com
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„Wage Of Disgrace“, vor kurzem über Twilight Records erschienen, bietet die gewohnte Kost mit einigen wenigen Veränderungen: reduzierte Keyboard-Einflüsse, Einbau von dezenten Thrash-Anleihen und abwechslungsreicheres Songwriting. Gitarrist Andreas Maierhofer stand uns Rede und Antwort. Mit „Wage Of Disgrace“ habt ihr vor kurzem euer neues Album veröffentlicht. Es ist auch für euch nach Jahren im heimischen Underground bereits das zweite Album, das nicht als Eigenproduktion erscheint. Seht ihr euch mittlerweile als etablierte Band an? Ich glaube, dass wir uns in der österreichischen Deathmetal-Szene inzwischen als etabliert bezeichnen können, zumindest wissen die meisten mit dem Namen Lost Dreams etwas anzufangen. Allerdings gilt es im deutschsprachigen Raum noch einige Schlachten zu schlagen, will man als österreichische Band als etabliert gelten. Um für zukünftige Schlachten besser gerüstet zu sein, wechselten Lost Dreams zu Twilight. Welche Gründe waren für den raschen Wechsel nach nur einem Album ausschlaggebend? Eigentlich fand der Wechsel aus ganz einfachen Beweggründen statt. Der Boss von Reartone zieht sich sukzessive aus dem Labelgeschäft zurück und konzentriert sich mehr auf sein Tonstudio. Also war es mehr oder weniger notwendig, sich nach einem neuen Label umzusehen. Da fiel es uns natürlich nicht schwer, auf das gute Angebot von Twilight Zone Records einzugehen. Man hat einfach gemerkt, dass sie sich sehr um uns und unsere Anliegen kümmern. Wir haben diesen Schritt bis jetzt in keinster Weise bereut. 12
In einigen bisher zum neuen Album „Wage Of Disgrace“ erschienenen Kritiken wird euch zwar spielerisches Können ohne Wenn und Aber attestiert, bemängelt wird jedoch öfters das Fehlen eines „Aha-Effekts“. Schmerzt es, wenn das eigene Schaffen durch Worte zum Mittelmaß degradiert wird? Wie geht ihr als Band damit um? Es wäre gelogen, wenn uns negative Kritiken nicht tangieren würden, wir versuchen sehr wohl, allen Kritiken etwas Konstruktives abzugewinnen. Es sei aber trotzdem bemerkt, dass wir, seit es Lost Dreams gibt, uns von niemandem außerhalb beeinflussen ließen. Wir machen immer noch die Musik, die uns gefällt! Dieser Tatsache kann ich ohne Wenn und Aber zustimmen. Trotz aller bisherigen Erfolge fällt auf, dass Kritiker euch entweder lieben oder hassen. Dazwischen scheint es nichts zu geben, keinen Mittelweg, den man einschlagen kann. Siehst du das ähnlich? Schenkt man den zahlreichen Reviews Glauben, ist dem wirklich so gewesen, besonders bei unserem letzten Album „End Of Time“. Irgendwie spricht das aber auch für eine Band mit Ecken und Kanten, einen für mich positiven Charakterzug, also kann es mit dem Mittelmaß nicht so weit her sein. Bei der aktuellen Scheibe hingegen ist der Grundtenor schon eindeutig positiver. Vergleicht man die Punktewertungen der Reviews, kommt man auf einen Schnitt von ca. 75 Prozent. Womit wir eigentlich sehr zufrieden sind! „Wage Of Disgrace“ ist ein abwechslungsreiches Album, in das ihr allerhand gepackt habt. Es gibt groovende Teilbereiche, Stellen, an denen das Gaspedal durchgetreten wird, Screams und
Growls: Kurz und bündig, ihr verwurstet etliche hartmetallische Ingredienzen zum typischen Lost Dreams-Sound. Läuft man in diesem Zusammenhang nicht Gefahr, den roten Faden zu verlieren? Das finde ich nicht! Wir haben immer schon versucht, verschiedene Elemente des Metal in unsere Musik einfließen zu lassen. Dies haben wir auch auf „Wage Of Disgrace“ getan, diesmal in einem anderen Mischungsverhältnis als in früheren Tagen. Sozusagen ist das unser „roter Faden“, viele genreübergreifende Elemente des Metal möglichst harmonisch in unseren Melodic Death Metal einzuarbeiten. Ganz ehrlich: Ein Quäntchen Thrash oder ein Schuss Doom hat noch keiner Death MetalScheibe geschadet. Die Keyboardanleihen erachte ich diesmal als äußerst gelungen, da sie das harte Grundgerüst unterstützen und nicht verwässern. Nach welchen Kriterien integriert ihr dieses Instrument? Du hast es ja eh schon gut beschrieben. Wir haben den Einfluss der Keyboards ein wenig reduziert, vor allem im direkten Vergleich zur „End Of Time“. Wir wollen jedoch nie komplett auf dieses Instrument verzichten, da es in gewissen Momenten für einen Lost Dreams-Song unerlässlich ist. An dieser Stelle möchte ich besonders die großartige Arbeit von Mario Hirzinger (Serenity) hervorheben, der es durch seine Sichtweise immer wieder schafft, unseren Songs noch den einen oder anderen Farbtupfer mitzugeben und sich für die Keyboard-Arrangements verantwortlich zeichnet! Obwohl es auf den ersten Blick so scheint, braucht „Wage Of Disgrace“ einige Durchläufe, um sich im Kopf festzusetzen. In dieser Beziehung habt ihr euch im Vergleich zu euren Anfangstagen doch etwas geändert? Das ist schwer zu beurteilen, da wir die Songs klarerweise inund auswendig kennen. Ich persönlich weiß nicht, woran das liegt. Das fällt mir natürlich auch bei einigen anderen Bands auf. So wie zum Beispiel die neue Daylight Dies, die bei mir einige Durchläufe im Player benötigte, bis sie sich mir als absolutes Highlight öffnete. Trotz aller positiver Aspekte zum neuen Album vermisse ich an Lost Dreams etwas im Jahre 2010: Originalität. Wie wichtig ist diese für euch? Seid ihr als Band damit zufrieden, in regelmäßigen Abständen solide Kost
abzuliefern, oder seht ihr euch als Band, die nach wie vor auf der Suche nach dem gewissen Etwas ist, das Lost Dreams vom Rest der Szene hervorhebt? Es ist so verdammt schwierig, sich in unserem Genre voneinander abzuheben. Natürlich wird man immer von anderen Bands beeinflusst, deshalb werden sich auch immer wieder Parallelen zu anderen Bands finden lassen. Nichtsdestotrotz sind wir aber ständig bestrebt, uns weiterzuentwickeln. Wenn du so willst, dann sind wir eigentlich immer auf der Suche nach irgendetwas. Ich finde, dass eine Band, die jahrelang ihrer Linie starr treu bleibt, so gut wie tot ist. Zum Beispiel finde ich die musikalische Entwicklung, die In Flames hingelegt haben, entgegen manch anderer Meinungen absolut gelungen. Über In Flames lässt sich natürlich ausgiebig diskutieren. Auch ihr entwickelt euren Sound weiter. Auf „Aimless“ packt ihr beispielsweise unerwartet die Thrash-Keule aus. Könntet ihr euch vorstellen, mehr in dieser Richtung in den zukünftigen Lost Dreams-Sound zu integrieren? Das Entstehen vom „Aimless“ basiert hauptsächlich auf ein paar Riffs von Andy und Herbert, die an sich schon thrashig angehaucht waren. Ja, ein paar derartige Einflüsse haben uns allen gut gefallen und werden auch in Zukunft Platz finden! „Fear Me“ dagegen ist ein etwas trauriger Song, für den ihr auch ein gelungenes Video produziert habt. Auffallend ist, dass die Körpersprache eures Sängers eine Einordnung desselben eher in die Metalcore-Ecke vermuten lässt denn in eine melodische Death Metal-Band. Wie wichtig ist die optische Präsentation von Lost Dreams? Ich persönlich finde die Stimmung von „Fear Me“ gar nicht traurig – eher was zum Moshen! Wir hören immer mehr Stimmen, die uns auf Grund unseres neuen Frontgrunzers Stefan „Schleifi“ Traunig in die Metalcore- oder gar Deathcore-Ecke schieben wollen. Es ist zwar echt interessant, was das Optische einer Band ausmachen kann, war uns aber vorher noch nicht so richtig bewusst. Denn allein vom Anhören unserer Musik würde uns wohl niemand in die Deathcore-Sparte einordnen. Genauso würde dies niemand tun, hätte Schleifi eine zerzauste Löwenmähne und einen ordentlichen Wikingerbart. Aber deswegen lassen wir uns nicht beeinflussen, jeder von uns soll sich auf der Bühne so präsentieren, wie er sich wohl fühlt. Standardklischees gehen uns mittlerweile mehr auf den Sack oder wir finden sie eher amüsant. Bleiben wir beim Line-Up: Ihr hattet in der Vergangenheit oft Probleme, eine stabile Besetzung zusammenzustellen. Wie sieht die Situation heute aus? „Never touch a running system!“ Wir sind heilfroh, seit einiger Zeit ein stabiles LineUp zusammen zu haben, mit dem man wirklich produktiv arbeiten kann. In den Jahren zuvor hatten wir einige Line-Up-Wechsel durchzustehen, aber darauf will ich eigentlich nicht näher eingehen. Vielmehr
ist es wichtig, mit dem bestehenden Line-Up positiv in die Zukunft zu sehen! Du hast in einem älteren Interview gemeint, dass „der Name Frederik Nordström im Booklet sicher kein Nachteil ist“. Denkst du, dass alleine die Nennung einer Szenereferenz in Sachen Recording/Mastering ausreicht, um bestimmte Schwächen kaschieren zu können, beziehungsweise Magazinen und Käufern damit ein positives Argument vorgibt? Nördström bürgt für gut produzierten Sound, da muss man sich nicht mal die Scheibe anhören. Ob es uns wirklich was gebracht hat? Ich finde, es war ein Teil des Puzzles zu dem Plattendeal mit Reartone damals. Heutzutage muss man auch als Undergroundband ein professionelles Produkt abliefern, will man weiterkommen, das weiß mittlerweile jeder. Kaschieren wollten wir damals eigentlich nichts, wieso auch, wir fanden „End Of Time“ aus unserer Sicht ja eh nahezu perfekt! „Ob man ein Label braucht oder nicht, hängt von den eigenen Ansprüchen ab, die man hat“, so ein weiteres Zitat aus einem eurer zahlreichen Interviews. Welche Ansprüche habt ihr heute noch und wie gedenkt ihr diese zu erreichen? Das stimmt immer noch. Man kann als Band auch einiges ohne Label erreichen, die kochen ja auch nur mit Wasser. Allerdings öffnen sich mit einem Label als Partner schon einige Türen mehr, an denen man als „unsigned“ Band sonst vergeblich klopft. Wir sind momentan sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Twilight! Ihr gehört seit Jahren zu den bekanntesten Formationen aus Tirol. Wie sehr hat sich eure lokale Szene in den letzten Jahren verändert? Gibt es positive, aber auch negative Entwicklungen? Ich glaube, dass Tirol immer noch ein sehr fruchtbarer Boden für Underground-Bands unterschiedlichster Stilrichtungen ist. Die Szene ist kritisch, aber wenn man sich einmal in ihr Herz und Hirn gespielt hat, sehr treu. Eigentlich hat jede länger dienende Band ihren hart erspielten Support. Als
einzig negative Entwicklung könnte man vielleicht das zunehmende Lagerdenken anführen, es gibt immer weniger Metalheads, die über ihren GenreTellerrand blicken. Also in meinen Anfangstagen war mir egal, welches Konzert ich besuche: Black, Death-, Doom-Metal, Grind- oder Hardcore, scheißegal, Hauptsache laut und viel Bier. Aber ich glaube, dieses Phänomen beschränkt sich nicht auf Tirol allein. Während andere Tiroler Bands wie beispielsweise Serenity auch in Europa größere Erfolge feiern und ziemlich rasch auf der Karriereleiter emporkletterten, bewegen sich Lost Dreams eher gemächlich immer ein paar Schritte weiter. Woran, glaubst du, liegt das? Ich glaube ein direkter Vergleich zwischen Lost Dreams und Serenity ist nur in bedingtem Maß zulässig. Da die Jungs schon länger bei einem eher großen Label unter Vertrag sind, ihre Musik wahrscheinlich eine größere Hörerschaft anspricht und sowohl Label als auch Band einiges an Geld und Zeit investiert haben, stehen Serenity völlig zu Recht da, wo sie momentan sind. Hierfür kann man nur größten Respekt zollen und herzlichst gratulieren. Die diversen Line-Up-Wechsel und andere Problemchen haben sicher nicht dazu beigetragen, dass wir unsere Ziele in der gewünschten Zeit erreicht haben. Aber wir haben uns durch nicht entmutigen lassen und sind bereit, den beschrittenen Weg mit viel Elan und unbändigem Willen weiterzugehen. Was kommt nach „Wage Of Disgrace“, welchen Visionen gehören von euch noch umgesetzt und wohin wird die Reise Lost Dreams führen? Reisen ist das Stichwort: Wir planen noch in diesem Jahr eine größere Tour mit einer namhaften Band sowie eine Mini-Tour zusammen mit In Slumber und Moshquito, die bereits fixiert ist. Parallel dazu werden schon wieder fleißig Ideen für ein Album nach „Wage Of Disgrace“ gesammelt. Es ist aber noch zu früh, um darüber Genaueres sagen zu können. Michael FREITAG | Webseite: www.lost-dreams.com
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Dazu später mehr. Das Trio konnte unlängst mit dem aktuellen Longplayer „Kill The Betrayers“ vollauf begeistern und gab 2009 eine gelungene Vorstellung auf ihrer Europa-Tournee ab. Gitarrist Fabiano war zum kurzfristigen Smalltalk bereit: Gratulation, Fabiano, euer neues Album „Kill The Betrayers“ ist zweifellos eines der besten extremen, brutalen Death Metal-CDs des Jahres 2009! Dermaßen tightes, megaschnelles, ausdrucksstarkes, aber auch melodisches Spiel ist trotz zahlreicher Konkurrenz selten. Wie sind die Resonanzen darauf in Brasilien und im Rest weltweit? Seit ihr zufrieden mit der Arbeit und vor allem mit dem Vertrieb eures Labels Unique Leader (Anm. d. Verf.: So ganz einfach und überall waren die beiden Alben leider nicht zu kaufen.)? Danke, Mann, für die netten Worte über unser letztes Album. Gut, in Brasilien war das Feedback darauf großartig. Ich habe von vielen Leuten gehört, dass „Kill The Betrayers“ in den meisten Magazinen eines derjenigen Alben war, das in vielen Bestenlisten auftauchte. Die Verkäufe waren hierzulande gut, so denken wir, dass das Album hier gut gelaufen ist. In den USA war es ebenso sehr gut: Unser Label hat von der neuen Scheibe in zwei Monaten so viel verkauft wie von unserem Debüt „Weaponize“ in zwei Jahren. In Europa bekommt unser Name langsam etwas Bekanntheit. Wir haben letztes Jahr in Europa getourt, um das Album zu promoten. Und die Reaktionen darauf waren super, so dass wir sicher einige auf uns aufmerksam gemacht haben. Über die Arbeit unseres Labels: Das ist generell o.k. Wir wissen, dass wir mehr Unterstützung in Europa bräuchten. Die Hauptaktivitäten des Labels liegen in Nordamerika. Wir können das Resultat daran sehen:
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40% der Besucher auf unserem MySpace-Profil kommen aus den USA. Dabei haben wir dort noch nie gespielt… Das bedeutet, Unique Leader machen dort gute Promotion. Fabiano, du hast die komplette Musik komponiert und auch die Texte auf „Kill…“ geschrieben. Wie sieht es denn mit den anderen beiden Bandmitgliedern Fabio (v, b) und Cassio (dr) aus? Tragen sie nichts zu den Kompositionen bei? Fabio hat zwei Songs auf „Kill…“ geschrieben. Aber beide Guys helfen mir auch bei allen anderen Songs. Ich schreibe schon die meiste Musik und auch die Texte. Aber die beiden arbeiten anschließend mit mir daran, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Ihre Mitwirkung daran, egal in welcher Form auch immer, ist wirklich wichtig, um den typischen The Ordher-Sound zu erreichen. Fabiano, du hast vor dem Beginn der Band The Ordher in der ebenfalls sehr guten Band Rebaelliun gespielt. Und Mauricio (der auf dem Debüt Schlagzeug spielte) und Fabio waren vorher in der glorreichen Band Nepasth aktiv. Haben sich beide Bands aufgelöst? Wenn ja, warum, oder sind Réunions in Sicht? Yes, ich war früher bei Rebaelliun. Wir haben das Ganze beendet, weil die Situation irgendwie festgefahren war. Wir haben nicht mehr als Team gefühlt und funktioniert, so dass eine weitere Zusammenarbeit einfach blöd gewesen wäre. Nephasth haben ebenfalls das Handtuch geschmissen. So wie ich das weiß, aus ähnlichen Gründen. Ich habe keine Intentionen auf eine Réunion, wir haben in der Vergangenheit einen guten Job gemacht, aber das war es auch schon. Ich bin wirklich glücklich mit The Ordher und ich bin sicher, dass
die Band mehr Potenzial hat, als Rebaelliun je hatte. So wäre es sinnlos, ein Comeback starten. Die anderen machen alle keine Musik mehr, ich bin der Einzige, der noch im Geschäft ist. Erzähl uns doch ein paar Eindrücke von eurer Europa-Tournee, die ihr mit Marduk, Vader und Fleshgod Apocalypse durchgezogen habt! Habt ihr neue Freunde unter den anderen Bands gefunden? Konntet ihr euch Sehenswürdigkeiten in den Städten ansehen, in denen ihr gespielt habt? Und wer war eigentlich der schnellste Drummer jeden Abend? Das dürfte interessant gewesen sein bei dem Aufgebot – vor allem der Bursche von den Italienern Fleshgod Apocalypse ist ebenfalls ein „Drum Animal“… Die Tour war ein Killer. Das war ein sehr gutes Package in jeder Beziehung. Bands auf hohem Level, eine KillerCrew, jeder hat mit jedem jederzeit kooperiert, damit alles gut läuft. Eines Tages haben mir genau dasselbe auch die Roadies erzählt. Die Jungs von Fleshgod Apocalypse wurden gute Freunde von uns seit den ersten Shows. Wir haben uns gegenseitig mit dem Equipment geholfen, viel über Musik gequatscht und jeden Abend ordentlich getrunken… Dasselbe gilt auch für Marduk und Vader. Die Drummer der beiden Bands, Paul und Lars, waren jeden Abend auf der Bühne, um uns zuzusehen. Auf unserer letzten Show haben wir zusammen gejammt. Und was den schnellsten Drummer betrifft, nun, alle haben einen sehr guten Job gemacht. Diplomatische, sympathische Antwort. So muss das sein! Der Sound auf „Kill…“ ist verdammt tight. Man merkt sofort, dass ihr alle hervorragende Musiker seid und schon einige Jahre solche Musik
zelebriert. Desweg e n : Wie oft probt ihr eigentlich? Jede Woche oder noch öfters? Das kommt darauf an, was gerade anliegt. Wenn einige Shows anstehen, proben wir drei- bis viermal wöchentlich, manchmal auch fünfmal. Vor Aufnahmen natürlich auch, täglich, bevor wir dann ins Studio gehen. Aber es gibt auch Perioden, wo wir gar nicht zusammen proben. Manchmal dauert dieser Zeitraum bis zu zwei Monate. Aber in dieser Zeit proben wir jeder für sich zu Hause. Wenn wir uns danach wieder zum Proben zusammenfinden, klingt das jedes Mal fürchterlich. Aber nach zwei bis drei Proben laufen wir dann wieder zur Bestform auf. Ich habe mir euren Liveclip von eurer SepulturaCoverversion „Troops Of Doom“ bei YouTube angesehen. Dort spielt ihr mit einem zweiten Gitarristen. Wer ist dieser? Und natürlich: Wie wichtig empfindest du Sepultura in eurem Heimatland Brasilien heutzutage? Wartet ihr ebenfalls (wie ich) sehnsüchtig auf die Réunion mit Max Cavalera? Ja, wir haben „Troops…“ bei den meisten Gigs der vergangenen Tournee gespielt. Unser Gast dabei war dabei immer Voog, der Gitarrist von Vader und Decapitated. Es hat ihm Spaß gemacht, den Song mit uns zu spielen. Heutzutage sind Sepultura nicht mehr so stark wie in den 90ern. Es fällt mir schwer, sie aktuell anzusehen. (Mir auch! Der Verf.) Ich habe angefangen, Metal zu hören zwischen ihren Scheiben „Schizophrenia“ und „Beneath The Remains“. So habe ich jedes Jahr erlebt, wie die Band immer größer wurde. Und natürlich habe ich auch verfolgt, wie sie später mehr und mehr untergingen, das war richtig schlecht. Dennoch ist es gut, dass es sie immer noch gibt. Es ist nicht die Musik,
die ich selber mag, aber ich bewundere Andreas (Kisser) dafür, dass er die Band am Leben erhält. Und natürlich warte ich auch auf die Réunion, jeder richtige Sepultura-Fan wartet darauf. Auf beiden Alben habt ihr je ein fantastisches Instrumental eingespielt. Können wir wieder eins auf eurer nächsten CD erwarten? Ich denke schon. Extremer Metal kann auch schnell langweilig werden. Der Stil der Musik ist so wahnsinnig intensiv die ganze Zeit über. So versuchen wir diese Einbahnstraße manchmal etwas zu variieren. Mein Haupteinfluss, was dieses betrifft, ist immer noch Morbid Angel. Ich kann mich noch erinnern, als ich damals deren „Blessed Are The Sick“-Album 1992 anhörte. All die kleinen, kurzen Intros waren so passend und genial in das Gesamtkonzept der CD eingearbeitet, dass sie das von anderen Bands unterschieden hat. Den Titeltrack eures neuen Album habt ihr Luiz Fernando Grafulha gewidmet. Wer ist das denn bitte? Luiz ist einer meiner besten Freunde. Wir hängen hier oft in Brasilien zusammen ab. Und er ist um mich, seitdem ich mit dem Gitarrespielen angefangen habe. Das ist mittlerweile 20 Jahre her. Er war einer der Ersten, der The Ordher überhaupt gehört hat. Er war auf den ganzen Proben unserer Gründungszeit 2005 dabei. „Kill The Betrayers“ war der erste Song, den wir überhaupt aufgenommen haben. Wir haben ihn aber nicht auf unserem Debütalbum verewigt. Luiz hat mich aber immer wieder gebeten, diesen Song auf unseren Shows zu spielen und den Song aufzunehmen. So haben wir uns dazu entschlossen, den Song nicht nur aufzunehmen, sondern gleich unser zweites Album so zu nennen. Deswegen haben wir dieses Album ihm gewidmet. Er lebt mittlerweile in Frankreich. Dennoch unterstützt er The Ordher jeden verdammten Tag. Einige eurer Texte drehen sich natürlich um den typischen Death Metal-Stuff. Wie etwa „The Devil’s Whip“ oder „Shot“ von eurem Debüt. Aber beson-
ders fallen mir eure extremen, hasserfüllten Texte gegen alle Religionen, eingeschlossen auch das Christentum, auf. Hasst ihr dieses besonders? Vielleicht nicht ganz einfach, in einem Land in dem die große Mehrheit katholisch ist?! Brasilien ist das größte katholische Land weltweit. Genau deswegen läuft auch hier so vieles aus dem Ruder. Wir hassen Religionen, nicht nur das Christentum. Wir hassen alle Religionen, weil wir in Freiheit leben wollen, nicht in Sklaverei. Zum guter Letzt: Präsentiere uns doch bitte einmal ein typisches brasilianisches Gericht, welches ihr auch gerne esst! Wir leben im Süden Brasiliens, deswegen lieben wir alle Churrasco. Frag mal die Jungs von Marduk danach, die wissen, wovon ich rede… haha. Es ist unsere Art, Fleisch zuzubereiten. Vielleicht die beste Art weltweit. Du kannst alle Arten von Fleisch bei Churrasco verwenden und erreichst immer Top-Qualität. Das kann man gar nicht richtig erklären, ich bin mir trotzdem sicher, dass dieses das beste Essen überhaupt ist. Alle unsere europäischen Freunde, die uns in Brasilien besucht und es probiert haben, werden es nie wieder vergessen. Das wird sicher ein ebenso gewaltiger kulinarischer Knüller, wie die Musik von The Ordher ein akustischer ist. In Brasilien gibt es übrigens Extra-Restaurants, die vorwiegend auf mehrere Variationen dieses Gerichts spezialisiert sind. Der Name dieser Lokale ist passend: „Churrascaria“. Ich kann’s kaum erwarten, das selbst einmal auszuprobieren. Ein Rezept finden Interessierte übrigens unter www.grillsportverein.de. Danilo BACH Webseite: www.myspace.com/TheOrdherExtreme
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Eure neue CD „Non Compos Mentis“ klingt gut. Der totale GrindcoreHolocaust und wütende Verrücktheit. Mein Lieblingslied ist das ultraschnelle „Death Comes For A Visit“. Ich höre definitiv mehr GrindcoreParts in eurer Musik als zuvor. Ihr erzählt euren MySpace-Besuchern, dass die Musik klingt wie „nix, was ihr im Radio hören werdet“. Gibt es in Finnland nicht genug coole Radiosender, die eure Art von Musik spielen? Danke! Das finnische Radio spielt gute Musik wie Alice In Chains, Turmion Kätilöt und anderen Stoff. Aber ich glaube, unsere Musik würde für sie ein bisschen zu brutal sein, hehe. Jedenfalls ist der MySpace-Text nur ein Witz. Aktuell spielt ihr noch ein wenig schneller als zu Beginn eurer Karriere. Am Anfang habt ihr mehr brutalen Death Metal gespielt. Fühlt ihr euch jetzt im Grindcore-Metier wohler? Oder ist der Stil, den ihr spielt, euch nicht so wichtig (oder auch wie darüber die Fans denken) – Hauptsache, ihr spielt laut, brutal und schnell? Ich denke, unsere neuen Songs sind immer noch mehr Death Metal als Grind. Aber darüber machen wir uns nicht viele Gedanken, es ist Aufgabe der Hörer, das zu entscheiden. Ich bin glücklich mit dem Resultat, das genügt mir. Ich vermisse in eurem ständigen Line-Up einen Bassisten. Momentan besteht ihr aus Kai (v), Sami (dr, u.a. auch bei den famosen Rotten Sound) und dir. Wollt ihr auf eurer kommenden Tour ohne Bassisten spielen? Was ist mit den tiefen Tönen oder werdet ihr nur die hohen Frequenzen auf eurer Europatournee präsentieren? Was haltet ihr denn von euren zukünftigen Tourpartnern Demonical und My Own Grave? Sami und ich spielen auf unserem aktuellen Album Bass. Aber Mikko Hannuksela (Ex-Enochian Crescent & -Cartilage) wird als Session-Bassist dabei sein. Wir haben bereits einige Shows mit ihm hier in Finnland mit
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Totalt Jävla Mörker absolviert und die waren wirklich gut. Ich denke, die Shows, aber auch die Partys mit Demonical & My Own Grave werden wunderbar sein. Wir können es kaum bis zum Tourbeginn erwarten. Ich habe mir eure genannten musikalischen Einflüsse durchgelesen. Ihr habt alte Bands wie AC/DC, King Diamond, Life Of Agony (!!!) und Led Zeppelin genannt. Sorry, aber von diesen Metal-Klassikern kann ich in eurer Musik nun wirklich nichts hören. Habt ihr diese Bands aufgezählt, weil ihr die in eurer Jugend gehört habt? Oder spielt ihr diverse True Metal-Stücke in eurem Proberaum? Könntet ihr euch vorstellen, einige Coversongs von diesen Bands zu spielen? Ja, das sind große Einflüsse für uns auf eine gewisse Art, seit wir mit diesen Bands in Berührung kamen. Aber es bedeutet nicht, dass unsere Musik auch so klingt. Da gibt es eine Million andere Wege, von einer Band Inspiration zu bekommen. Deswegen muss aber der Sound noch lange nicht exakt so wie bei diesen Bands klingen. Ich kann auch Inspiration bekommen, wenn ich Bier trinke, walke oder fernsehe. Lass uns zusammen in die Kristallkugel sehen: Welchen Status wird Deathbound in zwei Jahren innehaben? Seid ihr bereit für die absolute Weltkontrolle? Hehe, am meisten hoffe ich, dass wir viel auf Tour sein können. Aber wirklich denke ich nicht zu viel an die Zukunft. Ich könnte genauso gut morgen tot sein, so ist es besser, aus jedem Tag das Beste zu machen. Danke für das Interview! Ein würdiges Schlusswort. Wir haben zu danken, Pete. Die Antworten sind gleichwohl sympathisch, wie die Musik von Deathbound außergewöhnlich gut ist. Danilo BACH | Webseite: www.deathbound.net
Nun untermauert man dies auch auf CD: „You Must Die“ sollte von jedem Death/Thrash-Fan angetestet werden. Dass der Humor trotzdem nicht zu kurz kommt, stellt schon ein Blick auf Cover und Songtitel klar – und folgendes Interview. Der Fun-Faktor muss ja nicht stilrichtungsgebend sein. Man erlebt was, hat irre Gedanken, komische Bilder im Kopf... aber oft hat es schon einen ernsten Hintergrund. Als reine Fun-Band soll Folterkammer aber auf keinen Fall dastehen! Stellt das ostösterreichische Schwermetall-Konglomerat (Wien-NÖ-Stmk.-Bgld.) zu Beginn klar. Wir lachen gern und saufen und machen Faxen, aber das ist ja kein Widerspruch zur Musik. Und wir glauben nicht, dass eigenartig-humoreske Texte und, ähem, ernstzunehmende Musik sich im Weg stehen. Wir nehmen unseren Spaß sehr ernst! Nachzuhören auf erwähntem neuen Silberling, der u.a. mit seinem räudigen Old School-Charme zu gefallen weiß. Was auch mit dem Alter der Folter-Knechte (Sagen wir’s mal höflich: Eine 1 steht da nicht mehr vorne.) zu tun haben könnte; die „Gnade der frühen Geburt“ quasi... Ach, der Old School-Charme kommt nicht nur von unserem Aufwachsen mit den 80ern, sondern auch daher, dass unser Equipment unter aller Sau ist. Aber natürlich, unser Werdegang ist lang und untergründig… Vorbilder oder Einflüsse sind natürlich unvermeidbar. Wenn uns was zu Ohren kommt – egal ob angestaubt oder frisch – muss es nicht
perfekt sein, es muss uns einfach überzeugen. Und so offerieren uns die Kammer-Diener ihren mit klassischen 80er-Metal-Elementen verfeinerten Old School-Thrash/Death nun doch schon einige Jahre. Was waren die bisherigen Höheund Tiefpunkte in der Band-Laufbahn? Der Tiefpunkt ist für jeden in der Band etwas anderes, vom Verlust des Proberaums bis zum Absprung eines Gitarristen. Denken wir lieber an die Höhepunkte. Das erste Folterkammer-Konzert im Planet Music, wo viele unserer Idole schon auf der Bühne standen, das war sicher ein ausschlaggebendes Ereignis. Wir waren nicht zu fett, haben voll (halbwegs fehlerfrei) gethrasht und die Menge tobte. Und dann natürlich das Kaltenbach Open Air, wo wir um 10:30 Uhr die Zuseher so sehr überraschen konnten, weil niemand mit so einem genialen Opener-Gemetzel rechnete. Das war heavy! War schon auch ein Vorteil vom Saufen her, weil um die Uhrzeit sind wir meist noch unter fünf Bier, har. Wer’s glaubt... Kommen wir zum neuen Album „You Must Die“. Stellt sich die Frage: Wer ist „You“, sprich: wer muss dran glauben? Und wieso? In Zusammenhang damit (oder auch nicht) – was will uns das Cover mitteilen? Und was sagt Lars Ulrich dazu? Harhar, wenn Lars Ulrich sich dazu äußert, war unsere Scheibe wohl zu erfolgreich. Nun, die Idee mit der milchpacklkillenden Bierflasche fanden wir lustig, vor allem war sie auch für uns selbst umsetzbar (hoffentlich hat Ottgur schon den Boden
aufgewaschen...). Zum Titel „You Must Die“: Wir wollten den primitivsten und gleichzeitig weisheitsträchtigsten Albumtitel aller Zeiten. Das ist wie “Wer hat gefurzt?” – eine generelle Aussage, um schlechter Luft einen Charakter zu geben. Alles und jeder stirbt auf irgendeine Art und Weise. Mensch, Tier, Baum, Planet und irgendwann auch die Bierstraße und der ganze Galaxienscheißhaufen. Das Cover könnte man so sehen, dass die milchtrinkenden Bussibären zuerst abkratzen, aber das bleibt jedem selbst überlassen. Natürlich... Aber wenn wir schon dabei sind, erzählt mal anhand von ein paar (Song)Beispielen etwas über eure Texte. Wenn’s geht, bitte so, dass die „normalen“ LeserInnen auch was davon verstehen, danke. Ihr habt „normale“ Leser und -innen? Egal, endlich mal eine leichte Frage, har. „For Those Who Saw“ handelt davon, dass die Menschen den Wald besiegen müssen, damit der Wald nicht sie besiegt (hat irgendwas mit Klimawandel und so’n Scheiß zu tun), bei „Brunzstone“ wird erklärt, was es mit Stonehenge wirklich auf sich hat, und in „Assholy Saint“ geht’s um die Gesellschaft im Allgemeinen. Abgefucktes Thema vielleicht, aber sehr anders als üblich formuliert, har. Das Ende vom Lied ist ja auch „No matter how hard you try, it’s not enough so YOU MUST DIE!” Danke, dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen. Somit gehören die letzten Worte unseren Freunden aus der Folterkammer: „Normale“ LeserInnen sollten den „Psychomaniac Splatter Battle“-Text nicht lesen, har! Und überhaupt: PROST! Huldigt dem einzig wirklich existierenden Gott MUNGLUZ GURGUR! Or YOU MUST DIE! M. ETL | Webseite: www.folterkammer.at
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Anderseits können die Schweden wohl den inoffiziellen Titel der Band mit den meisten Demo-Releases (ca. 20) verbuchen. Warum das so ist, wieso das kolumbianische Label Hateworks ein Reizthema ist und aus welchem Grund Maleficio etwas Besonderes ist, erklärte mir selbstbewusst Frontmann Dan im Interview. Dan, euer „Go to hell“-Album ist seit letztem Herbst erhältlich, aber um ehrlich zu sein: Ich konnte nicht herausfinden, ob es sich um ein komplett neues Album handelt oder um eine Zusammenstellung alter Titel oder um einen Mix aus beidem. Es scheint, dass die meisten Titel bereits im Laufe eurer langen Karriere mal aufgetaucht sind. Bring doch bitte ein bisschen Licht in das Dunkel... Hi Kai! Danke für dein Interesse an Maleficio! Also, es sind in der Tat diverse alte Stücke auf dem Album, aber auch ein paar
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neue. Wir haben einfach so viele gute Stücke, die wir auch veröffentlichen wollen. Insgesamt haben wir ca. 50 Tracks und fast alle von denen sind gut. Wir schreiben keine schlechten Titel, wir machen die Musik, die wir selbst auch hören. Ich habe schon so viele Interviews von Bands gelesen, die erzählen, dass sie sich ihre eigenen Alben nicht anhören. Warum? Warum macht man Musik und nimmt sie auf, wenn man sie sich am Ende dann nicht mehr anhört? Ich liebe unsere Musik und höre mir unsere Aufnahmen sehr oft an. Auf dem „Under the black veil“-Album haben wir die Stücke wieder aufgenommen, die wir sehr oft live spielen. Für „Go to hell“ haben wir jeder zwei Lieblingsstücke ausgesucht und eingespielt. Und auf dem nächsten Album werden auch wieder alte Demo-Tracks gemischt mit neuen Tracks zu hören sein. Unsere alten Demo-Stücke sind einfach zu gut, um sie nicht für „echte“ Veröffentlichungen zu nutzen. Außerdem gibt es noch eine Menge Leute, die sich nicht gehört haben. Maleficio oder zumindest zwei von euch sind anscheinend seit zwei Dekaden in Sachen Metal unterwegs. Den ersten CD-Release gab es trotzdem erst 2005. „Go to hell“ ist nun erst das zweite Werk. Auf der anderen Seite stehen knapp 20 Demos zu Buche, die im Laufe der Jahre mehr oder weniger publik gemacht wurden. Was war der Hauptgrund, weswegen ihr CD-technisch eher nicht so richtig in die Gänge gekommen seid? Stimmt, wir haben um die 20 Demos aufgenommen, aber nicht alle davon wurden offiziell veröffentlicht. Ich glaube, das waren nur sieben oder acht davon. Aber auch die Tapes, die wir nicht offiziell veröffentlicht haben, haben wir an Freunde weitergegeben. Die wiederum haben sie ebenfalls weitergegeben und so weiter, so dass auch diese inoffiziellen Demos im Umlauf waren. Das führt dann dazu, dass selbst ich manche Tapes nicht mehr habe; japanische Mädels aber schon und mir zu diesen Tapes Fragen stellen, hehe... Wir hatten auch in der Vergangenheit Gelegenheiten, unseren Kram auf CD rauszubringen, aber wir waren auch eine sehr faule Band. Wir haben die Chancen nicht genutzt, als wir sie hatten. Wir kümmerten uns einfach nicht so viel um solche Dinge. Rückblickend bedauere ich das, aber am Ende ist es auch egal: Wir sind jetzt seit 20 Jahren unterwegs und werden vielleicht auch noch 20 weitere Jahre Musik machen. Solange wir Spaß
daran haben, sehe ich keinen Grund aufzuhören – ob wir nun einen Plattenvertrag haben oder nicht. Momentan sind wir glücklich, dass es Labels gibt, die mit uns zusammenarbeiten wollen. Mit Apollon Records haben wir noch einen Release offen. Danach wird sich zeigen, ob wir weiter zusammenarbeiten oder ob sich etwa ein größeres Label für uns interessiert. Falls nicht, werden wir einfach ein weiteres Demo rausbringen, hehe... Wenn man sich eure Demo-Tracklists genauer anschaut, fällt auf, dass einige Tracks immer und immer wieder aufgenommen wurden und demzufolge auf einigen Demos auftauchen. Wieso? Ich weiß auch nicht genau. Aber nimm zum Beispiel einen Titel wie „Go to hell“. Der war von Anfang an einer der Lieblingstracks unserer Fans. So hat es sich ergeben, dass meist, wenn wir ein Demo aufgenommen haben, auch „Go to hell“ wieder dabei war. Ein Teil der Demos hatte auch einfach einen schlechten Sound, so dass wir diese teilweise neu aufgenommen haben, wenn wir besseres Equipment oder Aufnahmemöglichkeiten am Start hatten. Das trifft zum Beispiel auf ein Demo zu, das wir 1996 oder 1997
gemacht haben und das ursprünglich wie Pferdescheiße klang. Dasselbe Demo haben wir 1999 neu eingespielt und das ist mein Alltime-Fave geworden. Zwischen eurer ersten CD „Under black veil“ und dem Nachfolger „Go to hell“ sind vier lange Jahre vergangen. Eine lange Zeit, wenn man dabei noch bedenkt, dass ihr viel alten Kram aufgenommen habt. Ist diese Zeitspanne auch wieder ein Ergebnis eurer Faulheit? Nein, der Grund hierfür ist einfach unser erstes Label (Hatework Records). Sie waren so verdammt langsam in allem, was sie gemacht haben, und haben viele Sachen erzählt und versprochen, die sie am Ende nicht gehalten haben. Es dauerte manchmal Monate, um Antworten auf einfache Fragen zu erhalten. Die Zusammenarbeit war echt frustrierend. Wir saßen auf glühenden Kohlen und warteten darauf, dass etwas passierte, aber sie kümmerten sich einfach nicht. Auch in Sachen Promo ist kaum etwas passiert, unsere CD war schlecht zu bekommen. Fans aus Europa mussten sich das Album in Kanada besorgen. Was ist das denn für ein Scheiß? Sie erzählten mir, dass sie in Europa ganz tolle Vertriebsmöglichkeiten haben, aber selbst ich konnte unser Album nirgends finden. Davon abgesehen habe ich auch kein einziges Review in einem europäischen Zine gesehen. Somit wusste auch niemand, dass wir überhaupt eine CD herausgebracht hatten. Fuck! Es wäre besser gewesen, wenn sie sich die CDs direkt in ihren Arsch geschoben hätten.
Ich sehe schon – Hatework Records ist ein sensibles Thema. Wie kam es denn überhaupt zu der Kooperation mit dem kolumbianischen Label? Den Kontakt hat ein Freund von uns hergestellt, der in Kolumbien geboren wurde, aber hier in Schweden lebt. Er singt in der Band Sexy Death, die bereits bei Hateworks unter Vertrag stehen. Er erzählte dem Label von uns und die wollten uns sofort signen. Maleficio wäre die erste Death Metal-Band außerhalb von Südamerika auf Hateworks und wir alle freuten uns auf die Zusammenarbeit. Wir hatten großes Vertrauen in den Deal, da es schließlich Freunde von unseren Freunden waren. Außerdem klang am Anfang auch alles soooo gut. Aber es ging schon damit los, das wir einen Vertrag erhielten, der in Spanisch abgefasst war. Wir verstanden nichts. Alex (Sexy Death) beherrscht Spanisch auch nicht so gut, da er sein ganzes Leben in Schweden verbracht hat. Also mussten wir warten, bis sie uns endlich einen englisch geschriebenen Vertrag schickten. Dann gab es Probleme mit der Kohle, die sie uns für die Aufnahmen versprochen hatten. Nachdem wir das Geld dann doch bekommen hatten, nahmen wir binnen einer Woche die CD in Västeras auf und schickten das Ergebnis an Hateworks. Und dann warteten wir... Und warteten... Und warteten noch ein bisschen. Ich weiß nicht mehr genau, wie lange wir eigentlich auf die fertigen CDs gewartet haben, aber es kam uns wie eine Ewigkeit vor. Sie versprachen uns Promo-CDs, auf die ich heute noch warte. Sie waren auch schlecht per E-Mail zu erreichen. Wenn ich dann doch mal eine Antwort erhielt, schickten sie nur Ausreden, warum sie uns noch keine Promos geschickt haben. Heute könnte ich mich nicht weniger für Hateworks interessieren. Ich will auch nicht mehr weiter über sie reden. Auf der anderen Seite haben sie unser Album immerhin in Südamerika auf den Markt gebracht. Wir haben von dort gutes Feedback erhalten und das wiederum hat Spaß gemacht. Viele Leute wollten uns für Live-Shows nach Kolumbien oder Brasilien holen, aber wir hätten uns den Trip nicht leisten können. Und Hateworks nach Geld für so eine Tour zu fragen, war eh müßig. Glücklicherweise ist dieses Kapitel nun geschlossen und „Go to hell“ wird über die Kombination Apollon Records/Painkiller unters Volk gebracht. Wird das Album eigentlich auch auf Vinyl zu haben sein? Ist mit Label-Support zu rechnen, damit ihr für ein paar Shows nach Europa kommen könnt?
Ja, eine LP-Version ist auch im Gespräch. Aber die finale Entscheidung hängt davon ab, wie sich die CD verkauft. Ich persönlich hoffe sehr, dass unser Album auch auf Vinyl zu haben sein wird. Wir haben auch über Live-Aktivitäten gesprochen, eine zwei-Wochen-Tour durch Europa zum Beispiel. Aber auch das hängt ein bisschen von dem Feedback für „Go to hell“ ab. Ich habe schon ein paar Reviews von Zines gesehen und die waren bisher alle sehr positiv. Also hoffe ich, dass die CD auch von den Fans angenommen wird und sie ein paar Euros dafür investieren. Dan, ich nehme an, in zwei Dekaden Bandgeschichte gab es so einige Leute, die in der Band dabei waren. Kannst du dich überhaupt noch an alle erinnern? Hehe, es waren in der Tat so einige. Lass mich zählen… 11 müssten es gewesen sein, die mal länger oder kürzer bei Maleficio waren – die fünf ausgenommen, die jetzt Maleficio sind. Ptr und ich starteten 1990, damals allerdings noch unter anderem Namen. In Maleficio benannten wir uns erst 1995 um. Wenn ich die Leute mitzähle, die seit den Anfangstagen mit involviert waren, komme ich sicher auf ca. 20 Leute (neben der aktuellen Besetzung). Mike Hellmaker (Leadgitarre) ist schon seit 1991 bei uns, war aber wegen seines Studiums um 1996/97 für ein oder zwei Jahre raus. Goat (Bass) kam in etwa zu dieser Zeit in die Band. Genau weiß ich das gar nicht mehr. Tore (Rhythmusgitarre) ist erst seit ca. zwei Jahren bei uns. Ich erinnere mich an alle, die irgendwann mal in der Band waren. Ich muss zugeben, manche von ihnen waren jedoch nur ein paar Monate dabei, bevor wir sie wieder rausgeschmissen haben oder sie selbst gegangen sind. Für eine kurze Zeit (muss so um 1995 gewesen sein) hatten wir auch einen Typ mit Flöte und ein Mädel mit Violine in der Band. Aber das Ergebnis klang so beschissen, dass wir die Idee, damit weiterzumachen, sehr schnell wieder aufgegeben haben. Oder kannst du dir einen Song wie „Go to hell“ mit Flöte vorstellen? Hahaha… fuck! Ich habe noch zu fast allen Leuten von damals Kontakt. Fast jeder von ihnen ist auch musikalisch anderweitig noch aktiv. Als Beispiel: J. Basher (der Mike an der Gitarre vertreten hat, als er pausiert hat) spielt bei Sister Sin. Ein anderer lebt mittlerweile in Vietnam und hat da seine eigene Firma und der Flötenspieler ist Straßenmusiker in Göteborg, allerdings mit Violine... hahaha... Ich habe gesehen, dass Maleficio auch in Ekeroths „Swedish Death Metal“-Bibel erwähnt ist. Seine Beschreibung eurer Musik ist: „... eine verrückte Mischung aus Death/Black/Thrash/Folk/Heavy Metal...“. Wie würdest du euren Stil heute und früher
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beschreiben? Welche Entwicklung habt ihr deiner Meinung nach durchlaufen? Ich hasse diese Kategorien. Ich bevorzuge, unsere Musik schlicht Metal zu nennen. Wir spielen Metal, aber haben natürlich Einflüsse aus dem Black- oder Death-Bereich, vielleicht auch manchmal ein bisschen Folk. Aber wir versuchen nicht wie eine bestimmte Richtung zu klingen. Wenn ich neue Stücke schreibe, spiele ich das, was mir gerade in den Sinn kommt. Ich bin mit den Bands der 80er aufgewachsen: Mötley Crüe, KISS, WASP, Twisted Sister, Maiden, Helloween und so weiter. Ende der 80er kam ich durch Bolt Thrower, Napalm Death und Benediction das erste Mal mit Death Metal in Kontakt. Anfang der 90er entdeckte ich durch Bathory, Burzum, Darkthrone und Mayhem Black Metal. Der Mix dieser drei verschiedenen Strömungen ist in meinem Kopf zu Maleficio gewachsen. Aber der rote Faden in unserer Musik ist einfacher Heavy Metal. Als wir Anfang der 90er begonnen haben, spielten wir noch eine Mischung aus Punk und Thrash. Die Lyrics waren damals noch in Schwedisch. 1991, als unsere musikalischen Fähigkeiten ein bisschen besser waren, änderte sich unsere Musik mehr und mehr in Death Metal wie Dismember und Grave ihn gespielt haben. Dabei sind wir dann auch geblieben und haben ihn auf unsere Art verändert. Wir werden oft mit Dissection verglichen. Das ist für mich als Hauptsongwriter eine große Ehre, aber ich bin nicht der Meinung, dass wir wie sie klingen. Klar, wenn man einen Titel wie „Enwined in mysteries“ herauspickt, kann ich die Vergleiche verstehen. Aber das ist nur ein Stück und es war bei der Komposition nicht meine Intention, ihn so klingen zu lassen, als wäre es ein Dissection-Track. Es ist einfach passiert. „Entwined in mysteries“ ist die Fortführung des „Under black veil“-Tracks „Wings of malice“. Ich weiß, dass er nach Dissection klingt, aber das zeigt ja nur, dass wir so gut im Songwriting sind wie sie, hehe... Du sprachst eben deine verschiedenen Einflüsse an. Ich nehme an, dies sind auch die Hauptargumente für den vielfältigen Sound von Maleficio: mal direkt in die Fresse, mal sehr atmosphärisch, dann mit deutlichen Black Metal-Anleihen oder eben klassischen Heavy Metal-Harmonien. Ja, ich liebe, wie bereits gesagt, viele verschiedene Bands und auch verschiedene so genannte Stile. Aber alle diese Stile, sei es Heavy, Thrash, Black, Death oder sogar Sleaze, haben ein Wort gemeinsam und das ist Metal. Meine Einflüsse nehme ich aus jedem dieser Stile, was schlussendlich in der Vielfältigkeit von Maleficio mündet. Ich kann an einem Tag einen Song schreiben, der sich nach Suffocation anhört, und am nächsten Tag einen komponieren, der wie Love/Hate oder Ähnliches klingt. Ich denke, Musik macht einfach mehr Spaß, wenn sie abwechslungsreich ist. Meinst du nicht auch? Um beim Beispiel zu bleiben: Ich höre mir lieber eine Band wie Maleficio an als Suffocation. In unserer Musik passiert mehr. Das ist zumindest meine bescheidene Meinung. Neben „Entwined in mysteries“ sticht noch ein weiterer Track auf „Go to hell“ heraus und zwar „In the name of the holy“, da er einen deutlich ruhigeren Touch hat
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als der Rest und mit klaren Vocals brilliert. Das ist eines unserer älteren Stücke, bei dessen Entstehung auch viele Leute in der Band involviert waren. Der Ursprung war eine Jam-Session während einer unserer Proben. Ich spielte zu der Zeit Gitarre und Martin, unser damaliger Bassist, war einer von zwei Sängern. Er sang die klaren Vocals, ich übernahm den Rest. Er kam mit der Gesangsmelodie und den Lyrics für das Stück an und da es sich auch während der Jam-Sessions einfach gut anhörte, haben wir es in dieser Art belassen. Wir haben insgesamt vier oder fünf Stücke mit klarem Gesang, die dann mehr nach klassischem Heavy Metal klingen. Vielleicht packen wir noch eins davon auf das kommende Album. Eins ist Fakt: „In the name of the holy“ ist Maleficios „Home sweet home“... hehe... Dan, um noch mal auf „Swedish Death Metal“ zurückzukommen: Du hast sicher in der Anfangszeit einige der beschriebenen Anekdoten selbst miterlebt und eine Vielzahl von Leuten in der Szene getroffen. Was sind deine stärksten Erinnerungen, wenn du auf die 90er zurückblickst? Wie siehst du die schwedische Szene heutzutage? Es hat damals einfach mehr Spaß gemacht. Die Szene war wie eine große Gruppe, in der einer dem anderen geholfen hat. Eine Geschichte, die mir einfällt: Als wir 1991/92 ein Demo aufnahmen, war ich ein bisschen mit Jesper Strömblad/In Flames bekannt. Ich habe ihn durch meine damalige Freundin kennen gelernt. Er wollte uns unterstützen und uns ein paar Gigs besorgen. Also hab ich ihm die einzige Kopie des Demos gegeben und er versuchte, uns zu helfen. By the way, das Demo hab ich seitdem nicht mehr gesehen... Wir haben damals mit Dissection, Sacramentum, Luciferion und vielen anderen Bands gefeiert. Mit Jon und Ole von Dissection haben wir sogar über gemeinsame Shows gesprochen, leider ist daraus nie etwas geworden. Zu der Zeit gab es in Göteborg einige coole Clubs, in denen wir uns jede Woche Metal-Shows anschauen konnten. Außerdem traf man da immer Leute, mit denen man abhängen und quatschen konnte. Ein Teil von denen sind heutzutage richtige Stars, wenn ich zum Beispiel an einige Leute von Hammerfall, In Flames, Dark Tranquillity oder Impious denke. Es sind nur noch Maleficio übriggeblieben, die die Underground-Flamme am Leben erhalten, hahaha... Über die heutige Szene in Schweden braucht man nicht viele Worte verlieren. Jede Scheiß-Band versucht, wie In Flames oder At the Gates zu klingen. Ich mag At the Gates, aber diese ganzen Nachahmer sind Scheiße. Nichtsdestotrotz gibt es bei uns auch einige gute UndergroundBands, wie zum Beispiel Kill, Styggelse, Pagan Rites oder Gravehammer. Die machen richtig guten Black Metal, so wie er auch Anfang der 90er populär war. Solltest du anchecken. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch einige sehr gute, professionelle Bands, so wie Amon Amarth (I love them!), Dismember, Grave, Wolf, Morgana Lefay, Helvetets Port und Dark Funeral. Diese Bands sind alle sehr gut, aber die besten kommen meiner Meinung nach aus Norwegen: Immortal, Satyricon und Burzum. Letztere werden dieses Jahr noch ein neues Album rausbringen und das wird definitiv einigen Leuten in den Hintern treten! Auf euren Bandfotos erkennt man, dass du als Einziger Corpsepaint trägst. Was ist der Grund hierfür? Ich bin mit KISS aufgewachsen. Sie waren die erste Hardrock-Band, die ich mir angehört habe und die ich immer noch höre. Sie sind nicht von dieser Welt, es sind Götter! Ich wollte immer wie sie oder Nikki Sixx aussehen. Die „Shout at the devil“-Ära war das beste Album, was die in ihrer ganzen Bandgeschichte gemacht haben! Als ich mir das erste Mal das Gesicht geschminkt habe, wusste ich nicht, dass man das Corpsepaint nannte. Ich wusste auch nicht, dass es schon einige Black MetalBands gab, die das nutzten. Es muss 1990 gewesen sein, als ich das erste Mal bei einer Show außerhalb von Göteborg Schminke benutzt habe. Ich wollte einfach was Besonderes machen und fragte eine Freundin, ob sie mir das Gesicht mit ihrem Make-Up schminken könne. Sie hatte nicht so viel dabei, also hat sie mir irgendwelches
braune Zeug um die Augen geschmiert. Ich habe es danach nicht bei jeder Show benutzt, aber um 1995 hat die ganze Band Corpsepaint getragen, um dem Publikum noch etwas für die Optik zu bieten. Seit dieser Zeit habe ich es für mich beibehalten. Ich mag es persönlich, wenn sich Bands auf der Bühne etwas Spezielles einfallen lassen und wenn es nur ist, dass eine Person Corpsepaint nutzt. Ich hasse es, Bands live zu sehen, die nur rumstehen und auf ihre Füße starren. Bang your fucking head or something! Steht nicht einfach nur rum und macht ein Gesicht, als hättet ihr euch grad in die Hose geschissen! Du musst dem Publikum etwas geben, sonst wird das Publikum auch nur rumstehen. Ich nutze auch Blut auf der Bühne, von dem ich dann manchmal auch kotzen muss... hehe... Es schmeckt beschissen, aber das Publikum hat etwas, worüber sie nach der Show reden können. Eine andere persönliche Frage an dich: Dein Nickname Dan Soxx klingt in meinen Ohren nicht unbedingt nach einem typischen Death Metal-Pseudonym. Es erinnert mich eher an die Glam-Bands der 80er. Welche Gedanken haben zu diesem Nick geführt? Du hast recht, das ist ein Pseudonym, aber mit einer Sache liegst du vollkommen falsch: Pate für den Namen stand Nikki Sixx/Mötley Crüe und die waren definitiv kein Glam! Auf dem „Theatre of pain“-Album sahen sie zwar nach Glam aus, waren aber Metal! Glam-Bands sind Schwanzlutscher wie Poison oder Warrant, die ich beide verabscheue. Ich habe mir mein Pseudonym zugelegt, als ich 12 war, weil sich zu der Zeit meine Welt nur um Mötley Crüe gedreht hat. Da ich Sixx aber nicht einfach nur kopieren wollte, habe ich es auf Soxx abgeändert. Dan ist einfach nur die Abkürzung meines Vornamens Daniel. Abschließend ein kurzer Blick in die Zukunft: Was können wir von Maleficio in nächster Zeit erwarten? Maleficio gibt es jetzt seit 20 Jahren. Aus diesem Anlass veranstalten wir im April eine Jubiläumsshow. Wir haben auch davor schon einige Auftritte, aber die Show im April wird speziell und sicher super werden. Außerdem werden wir bald mit den Aufnahmen für das nächste Album beginnen, das wir voraussichtlich „I killed Jesus“ nennen werden. Möglicherweise ändern wir den Namen aber auch noch einmal. Angepeilter Release für das Album ist Ende 2010/Anfang 2011. Es wird, wie schon gesagt, einige alte Stücke enthalten, hauptsächlich aber neuen Stoff. Wir werden schnelle Stücke haben, langsame Stücke und heavy Kram. Eins werden sie alle gemeinsam haben: Es wird Metal sein! Kai SCHEIBE Webseite: www.myspace.com/maleficiotheone
Trotz aller Aufmerksamkeit, die solche Art Vergleiche mit sich bringen können, läuft man dabei auch Gefahr, als bloßes Imitat einer zumindest vor Jahren höchst interessanten Band zu gelten. Ein „Vorurteil“, das Silva Raziel und seine Kumpanen auf dem hoffentlich bald erscheinenden zweiten Album gehörig entkräften werden. Silva, ich verfolge bereits seit einigen Jahren euer Schaffen. Auffallend ist, dass ihr nach eurem starken, selbstproduzierten Debüt, das bereits einige Zeit auf dem Buckel hat, nichts mehr veröffentlicht habt. Korrigiere mich, sollte ich mich irren, aber es handelt sich hier nur um zwei Songs, die auf eurer Webseite zum Download bereitgestellt wurden. Wo liegen hierfür die Gründe? Es war uns nach dem Release von „From Grace To Tragedy“ wichtig, ein Live-Line-Up auf die Beine zu stellen. Dieser Prozess hat uns viel Zeit gekostet und als wir komplett waren, haben wir den Fokus zunächst auf das Spielen von Gigs gelegt. Das Album, an dem wir gerade arbeiten, hat sich in dieser Zeit nur langsam entwickelt. Daher haben wir in dieser Zeit nur zwei Songs veröffentlicht. Um kurz bei „From Grace To Tragedy“ einzuhaken: Nicht wenige Medien haben euch eine Nähe zu Cradle Of Filth angedichtet. Auch ich muss gestehen, dass Parallelen vorhanden sind. Nerven solche Vergleiche gerade im Anfangsstadium einer Band, wenn es darum geht, zum ersten Mal musikalisch auf sich aufmerksam zu machen? Natürlich nerven solche Vergleiche. Vor allem, da wir selbst mit Cradle Of Filth absolut nichts mehr anfangen können. Doch anfangs hatte diese Band großen Einfluss auf uns. In einer Zeit, als sie es noch verstanden haben, Atmosphäre und Emotion zu vermitteln, waren sie neben Bands wie Dimmu Borgir und Emperor bestimmt die Quelle mancher Inspiration. Heute jedoch trifft das nicht mehr zu, da wir als Musiker einfach vorangeschritten sind und andere Einflüsse aus vielen Richtungen in unserem Schaffen vereinen. Vergleiche wird es immer geben, da der Mensch nun einmal alles vergleichen muss mit dem, was er kennt. Ihr legt sehr viel Wert auf Melodien und ausgereifte Songstrukturen. Auch kurze, auf den Punkt kom-
mende Songs scheinen euch nicht zu interessieren. Gibt es bestimmte Eckpunkte, die jeder Thorns Of Ivy-Song enthalten sollte? Welchen Qualitätsmaßstab legt ihr an? Der Maßstab, der anliegt, ist aus unserer Perspektive gesehen sehr hoch. Es gibt keine Elemente, die unbedingt in jedem Song enthalten sein müssen, er muss am Ende einfach das Gefühl vermitteln, aus dem er entstanden ist. Auf dem zweiten Album finden sich auch kurze Songs, die es, wie du sagst, auf den Punkt bringen und dennoch lupenreine Ivy-Songs sind. Seit einigen Monaten müsst ihr euren Drummer Krimh mit den polnischen Deathern Decapitated teilen. Welche Auswirkungen hat das generell auf eure Band-Arbeit? Nun, um genau zu sein, teilen wir Krimh nicht, sondern mussten uns gänzlich von ihm verabschieden, da er nach Krakau gezogen ist, um sich voll auf Decapitated zu konzentrieren. Das war und ist natürlich ein herber Rückschlag und verzögert die Arbeit an dem Album noch weiter, da Krimh sich wirklich gut in den Arbeitsprozess einbrachte und auch einen Song beigesteuert hat. Dennoch wünschen wir ihm natürlich das Beste in diesem völlig neuen Lebensabschnitt. Auf eurem kommenden Album soll diesmal auch ein Chor zu hören sein. Ihr habt überhaupt einen großen Bezug zum Klassik-Bereich. Wird dieser auf dem nächsten Album noch ausgebaut? Ja, das wird er. Manche Songs bauen auf genau diesen klassischen Elementen auf, andere wiederum verwenden diese Elemente, um Spannungsbögen aufzubauen. Es werden diesmal auch mehr Akustik-Gitarren zu hören sein. Wir wollen generell so viele natürliche Instrumente wie möglich verwenden. Was kann der Fan auf eurem zweiten Album erwarten? Bitte versuche die Unterschiede zwischen eurem Debüt und den neuen Songs zu erörtern! Zum einen handelt es sich diesmal um ein richtiges Konzeptalbum, mit einer geschlossenen Geschichte. Musikalisch ist es komplexer und extremer in alle Richtungen geworden. Die instrumentalen Arrangements sind ausgefeilter, das ganze Material wirkt reifer als noch auf „From Grace To Tragedy“. Der Gesang hat sich ebenfalls weiterentwickelt. Es wird viel cleaner Gesang
z u hören sein sowie mehr Variationen in den Growls und Screams. Das Album selbst wirkt auf mich noch düsterer und melancholischer als sein Vorgänger. Live seid ihr ebenfalls nicht allzu oft zu sehen. Mangelt es an interessanten Angeboten oder gibt es andere Gründe? Es gab nicht unbedingt viele berauschende Angebote, und die florierenden Band-Contests sind auch nicht das Wahre, da hier oftmals der Verkauf von Karten mehr gefördert wird als das Talent der Bands. Zudem denke ich, dass die Art von Musik, die wir spielen, nur eine ganz bestimmte Zuhörerschaft anspricht. Und doch haben wir einige Gigs gespielt, die wir so schnell nicht vergessen werden, wie beispielsweise am Metalcamp in Slowenien. Soviel ich weiß, produziert ihr eure Musik ausschließlich selbst. Wo liegen hier die Vorteile für euch und würde es euch nicht reizen, eure Musik professionell von einem bekannten Produzenten aufnehmen zu lassen? Wir brauchen erfahrungsgemäß einen zeitlich sehr großzügigen Rahmen beim Aufnehmen eines Albums, deswegen würde ich sagen, dass der Faktor Zeit der größte Vorteil der Selbstproduktion ist. Sicher wäre es eine reizvolle Sache, mit einem bekannten Produzenten zu arbeiten, doch ist das finanziell ein schwieriges Unterfangen. Wir werden sehen, ob sich in diese Richtung etwas ergibt. Wie geht es für Thorns Of Ivy weiter, wie sieht der Masterplan für die nächsten Monate (live, neues Album etc.) aus? Das Songwriting ist nahezu abgeschlossen, also werden wir uns in den nächsten Monaten auf das Proben des Materials, der Suche nach dem Albumsound und in weiterer Folge auf das Aufnehmen konzentrieren. Zudem müssen wir zwei Bandmitglieder nachbesetzen, und die Suche nach guten Drummern und Bassisten erweist sich immer als langwierig. Diesen Aufruf gebe ich gerne weiter: Interessierte Bassisten und Schlagzeuger sollten sich mit der Band in Verbindung setzen. Alle nötigen Kontakte findet ihr unter www.thornsofivy.com.
Michael FREITAG | Webseite: www.thornsofivy.com.
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Euer neues Werk „Contaminated“ ist ja nun endlich veröffentlicht. Wie beurteilst du für dich persönlich das Endergebnis? Das Ziel bei den Aufnahmen zu „Contaminated“ war kein leichtes. Erstens wollten wir soundtechnisch mit renommierten internationalen Bands mithalten können, das heißt, es musste ein passendes Studio, das unseren Vorstellungen entsprach, gefunden werden und das Endergebnis musste wirklich so gut wie möglich werden. Dies wurde nach 18 Studiotagen im hessischen Kohlekeller geschafft. Die zweite Herausforderung war, mit den beendeten Aufnahmen ein für uns passendes Label zu finden, das unser Material auch wirklich promoten und vertreten wird! Diese Herausforderung war leider noch viel schwieriger als zuerst gedacht, dennoch konnten wir nach ca. zehn Monaten aktiver Label-Suche in Maintain Records einen passenden Partner für uns finden. Rückblickend ist es nun endlich geschafft und natürlich auch sehr lässig, da wir unser Ziel zu 100% realisieren konnten! Die Aufnahme kann sich wirklich sehen bzw. hören lassen, und mit Maintain als Label haben wir die erste wichtige Stufe in die professionelle Musikwelt geschafft. Was erwartet ihr euch von „Contaminated“ und eurem neuen Label? Wohin soll die Reise im Musikbusiness gehen? Da „Contaminated“ unsere erstes offiziell über ein Label vertriebenes Werk ist, ist es natürlich sehr schwierig, in der breiten Masse erkannt zu werden. Maintain Records ist sehr bemüht, die nötige Werbung dafür zu leisten, und die Promotion läuft gerade in vollen Gängen. Bislang sind wir damit auch sehr zufrieden, jedoch können wir aufgrund der kurzen Zeit leider auch noch nicht viel mehr nennen. Die Erwartung, dass unser Produkt weltweit im Handel erhältlich ist und dass dementsprechend Wer-
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bung gemacht wird, ist definitiv realisiert. Wobei es nach oben im Business gesehen für uns keine Grenze gibt! Wir sind aber schon jetzt gespannt, was noch auf uns zukommen wird! Wie lange habt ihr eigentlich am neuen Album geschrieben bzw. an den neuen Songs gefeilt, bevor ihr ins Studio gegangen seid? Und habt ihr die älteren Songs von den Demos, welche auch den Weg auf das Album fanden, etwas umarrangiert oder im ursprünglichen Gewand belassen? Auf „Contaminated“ finden sich drei Songs, welche schon auf unserem 2006er-Demo „Switch off the pain“ Platz fanden, wieder. Der Grund hierfür war, dass wir diese drei Songs noch immer für aktuell hielten und auch die Abwechslung zu den neueren Songs war der Anreiz, diese noch mal auf „Contaminated“ zu veröffentlichen. Jedoch wurden alle drei Songs noch einem „Feinschliff“ unterzogen! Die restlichen zehn Nummern entstanden im Zeitraum von 2007 bis 2008. Alle 13 Nummern wurden drei Monate vor dem Start der Aufnahmen intensiv geprobt und die eine oder andere Aktualisierung bzw. Veränderung wurde vorgenommen. Alle Tempos programmiert und kurz vor der Fahrt in den Kohlekeller wurden noch sämtliche Pilotspuren von uns selbst aufgenommen. Somit konnten wir am ersten Studiotag zu 100% loslegen! Andernfalls hätte die Zeit, 13 Songs aufzunehmen, definitiv nicht gereicht. Gibt es eigentlich bei euch einen Hauptsongschreiber oder haben hier mehrere Bandmitglieder ihre Finger im Spiel? Sämtliche Songs stammen bis jetzt von mir, die Lyrics von Max (Markus Urstöger, Anmerkung des Verfassers). Was nicht heißen soll, dass wir in einer Diktatur leben, haha! Nachdem ein neuer Song entstanden ist, ab und zu auch währenddessen, addiert Max seine Gedanken mit meiner Musik. Das komplett fertige Arrangement eines neuen Liedes findet dann in der Band statt. Natürlich ist immer jeder mit einer konstruktiven Meinung willkommen, jedoch haben die letzten Jahre für mich als Songschreiber gesprochen.
Eure Musik wird ja in diversen Magazinen ja oft mit den Ergüssen von Bands wie Bolt Thrower oder Six Feet Under verglichen. Kannst du diese Vergleiche nachvollziehen und zählen diese Groove-Monster tatsächlich zu deinen Einflüssen bzw. favorisierten Bands? Ich weiß nicht genau warum, aber anscheinend liegt es in der Natur der Menschen, aufstrebende Bands immer mit bekannteren zu vergleichen, haha! Was aber nicht negativ klingen soll, es ist natürlich auch ein Kompliment für uns, mit wirklichen Größen verglichen zu werden, was übersetzt heißen könnte, dass wir in derselben Liga spielen. Aus Sicht eines Nicht-Bandmitgliedes kann ich diese Gedanken eher nachvollziehen, aber aus meiner Sicht nicht tendenziell. Natürlich konsumieren wir die Musik von Bands wie Obituary, Bolt Thrower, Disbelief und Co, aber nicht ausschließlich. Mein Musikgeschmack hat fast keine Grenzen und daher sind diese Assoziationen für mich nicht unbedingt nachvollziehbar. Interessant wäre allerdings, wie sich unsere Musik verhalten würde, wenn vorher genannte Bands für uns nicht namhaft wären. Wahrscheinlich sind gewisse Trademarks im Unterbewusstsein verwurzelt und die Masterminds von international bekannten Bands haben eine ähnliche Gedankenwelt wie wir. Wenn du nun Musikkritiker wärst, wie würdest du eure Musik beschreiben bzw. mit Hilfe welcher Bands kategorisieren? Als Musikkritiker würde ich die Musik der Band im Detail, ohne dabei von anderen Bands „voreingestellt“ zu sein und nach Möglichkeit nicht mit Hilfe anderer Bands kategorisiert, beschreiben. Jedoch ist es auch nicht mein Job, über andere Bands zu schreiben. Ich arbeite lieber aktiv an der Musik selbst, haha! Was natürlich unser aller Schicksal ist. Es ist fast unmöglich, Death Metal-Songs zu schreiben, die nicht in irgendeiner verwandten Form oder Art schon mal da gewesen sind. Wie sieht es eigentlich bei euch momentan am Live-Sektor aus? Steht eine anständige Tour ins Haus und sind schon einige Festivaltermine
gebucht? Wie immer viel zu wenig! Wir könnten von mir aus wirklich so gut wie immer spielen! Generell streben wir eine Europatour mit einem renommierten Headliner an und sind schon seit einiger Zeit mir mehreren BookingAgenturen in Kontakt. Leider hat es bis jetzt noch nicht geklappt, jedoch kann eine Tour von heute auf morgen fixiert sein! Ansonsten sind jetzt schon einige Festivals, die von uns beschallt werden, fixiert. Momentan sind ja diverse Pay-to-Play-Geschichten wieder stark im Kommen und auch einige österreichische Bands haben sich in letzter Zeit an solchen beteiligt. Wie sieht man diese Sache im Hause Outrage? Kommt so etwas für euch auch in Frage? Wir sind generell keine großen Verfechter von Pay-toPlay-Gigs und mittlerweile auch von Votings. Es kann nicht sein, dass eine Band für ihre Show was bezahlen soll bzw. muss. Ich verstehe auch überhaupt nicht, warum das jemand macht. Wenn ich die Angst als Band hätte, nicht gut genug zu sein, um live spielen zu können, und, ohne was zu bezahlen, zu keinen Gigs komme, dann mach ich doch irgendwas falsch! Natürlich nutzen die Veranstalter ein solches Verhalten brutal aus, das Gleiche gilt für Votings. Sämtliche Bands übernehmen einen Großteil der Promotion für die Veranstalter ohne große Aussichten auf Erfolg! Es ist leider ein sehr trauriger Trend, der sich da eingeschlichen hat, jedoch versuchen wir dem nicht beizuwohnen. Um deine Frage konkret zu beantworten: Nein, kommt für uns nicht in Frage! Doch wie es scheint, kann dieser Voting-Trend auch bei uns in Österreich immer mehr Fuß fassen! Wie stehst du dieser Entwicklung gegenüber? Und wie siehst du die heimische Szene rund um deren Bands und Festivals? Ich sehe wehmütig in die Zukunft und kann überhaupt nicht sagen, wo dieser „Trend“ hinführen wird bzw. kann. Wobei eines sicher klar ist, die Qualität der Musik leidet schon jetzt! Generell finde ich, dass wir in Österreich eine sehr coole Metal-Szene haben, wobei ich schon bemerke, dass in letzter Zeit gewisse Veranstalter sehr zurückhaltend sind und eher die größeren und bekannteren Veranstalter noch Shows buchen. Für mich sehr schwierig einzuschätzen, aber es liegt was in der Luft. Wir unterstützen öfters jüngere Bands in verschiedensten Angelegenheiten, man hilft sehr gerne weiter! Natürlich schätzen wir die heimische Szene mit all ihren Festivals sehr, leider bleibt nur wenig Zeit, um selbst vor Ort zu sein! Aber wenn, dann richtig! Wenn, dann richtig! Dieser Spruch ist mir das eine oder andere Mal auch schon zum Verhängnis geworden, haha! Aber lass uns doch langsam zum Ende kommen. Ich bedanke mich förmlichst für deine Zeit und wünsche euch alles Gute für Tour, Festivals und das neue Album! Was möchtest du noch loswerden? Ich bin der Meinung, wenn man was professionell machen möchte, egal was, sollte das so gut wie nur möglich gemacht werden, und man muss natürlich zu 100 % hinter der Sache stehen, dann kann eigentlich nicht viel schiefgehen, haha! Ich bedanke mich ebenfalls für das sehr nette Gespräch, hoffe, man sieht sich demnächst mal auf der Bühne und an der Bar! Ansonsten kann ich nur sagen: Stay heavy & brutal!!! Hell yeah!!! Thomas SPIWAK Webseite: www.outrage.at
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Die Band selbst gibt sich gelassen und will sich erst einmal keine Gedanken über die Bewertungen zu ihrer Scheibe machen. Viel wichtiger ist es doch, dass man zur Musik ihretwillen steht. Was soll ich mir erwarten? Grundlegend gesagt machen wir Musik, weil es uns Spaß macht. Welche Kritiken das mit sich bringen könnte, interessiert uns weniger. Man kann natürlich nicht von der Hand weisen, dass gute Kritiken uns wahrscheinlich mehr Zuhörer bescheren würden, aber wir möchten uns diesbezüglich nicht unter Druck setzen. Es gäbe genügend Dinge, die man im Nachhinein bei einer Platte ändern könnte. Man muss das aber von der positiven Seite aus sehen, denn es sagt aus, dass es immer noch genügend Raum für Verbesserungen gibt. Ehrlich gesagt möchte ich auch gar keine CD veröffentlichen, mit der ich vollkommen zufrieden wäre. Wo würde denn dann die Motivation verbleiben, stets noch bessere Lieder zu schreiben? Alles in allem sind wir sehr stolz auf diese Veröffentlichung. Ich glaube, dass „Fall Of Icons“ einen Wendepunkt in unserer Karriere darstellen wird. Während man über die Musik selbst stundenlang diskutieren könnte, erscheinen Texte, die Thematik an sich, von der das Album handelt, weit weniger wichtig. Ein kurzer Überblick muss reichen, den Rest muss sich der Fan selbst zusammenreimen. Der Name des Albums spricht eigentlich für sich
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selbst. Prinzipiell geht es um Ikonen, zu denen die Hauptcharaktere in besonderer Beziehung stehen, die sie jedoch verloren haben. Diese gefallenen Ikonen können beispielsweise eine gefährliche Beziehung zwischen zwei Menschen darstellen oder von einem Freund handeln, der fort ist. In meinen Augen ist Musik eine Geschichte. Wenn ich also beginne zu schreiben, dann überlege ich mir nicht zuerst Texte oder eine Geschichte. Musik muss für mich eine Geschichte selbst darstellen. Die Texte entstehen erst als Produkt der Stimmung. „Fall Of Icons“ trägt den Hörer unweigerlich in eine melancholische und verzweifelte Welt. Lässt dies automatisch darauf schließen, dass die Finnen depressive, aber konstruktive Gestalten sind, die gerne Trübsal blasen? Ich bin genau das Gegenteil davon. Eigentlich sind wir alle nicht depressive Musiker. Die besten Ideen entwickle ich, wenn ich in guter Stimmung bin. Ich würde nie die Gitarre angreifen, wenn ich nicht gut drauf bin.
Fünf Songs befinden sich auf dem aktuellen Release von Ikuinen Kaamos. Auf den ersten Blick mag das nicht gerade üppig erscheinen, auch wenn die Lieder allesamt länger als sieben Minuten sind. Die Spieldauer eines Songs ist doch komplett irrelevant. Wir würden auch Drei-Minuten-Lieder schreiben, wenn wir das Gefühl hätten, damit eine Geschichte erzählen zu können. Momentan erscheint uns das aber nicht arrangierbar, weil wir eben nicht wie andere Bands den Refrain kontinuierlich wiederholen möchten. Für uns macht es mehr Sinn, jeden Moment so interessant wie möglich zu gestalten. Daraus ergibt sich eben eine Menge an unterschiedlichen Riffs und Abwechslung zwischendurch, was natürlich zu einer Verlängerung der Spielzeit führt. Im Gegensatz zum Vorgänger „The Closure“ befindet man sich zumindest rhythmisch auf dem richtigen Weg, was nicht nur dem neuen kreativen Schlagzeuger der Band zu verdanken ist. So gesehen kann man „Fall Of Icons“ als
rhythmisches Experiment betrachten. Wenn ich „The Closure“ mit „Fall Of Icons“ vergleiche, dann macht den größten Unterschied der Rhythmus aus. Ermöglicht hat das unser fantastischer neuer Schlagzeuger, der jede Menge neue Impulse in die Band mit eingebracht hat. Endlich haben wir den Mut aufgebracht, markante Momente zu setzen und das Tempo spielerisch abwechslungsreicher zu gestalten, ohne ein heilloses Durcheinander in die Struktur der Lieder zu bringen. Genau diese kleinen Dinge machen das Ganze um eine Ecke interessanter. Mittlerweile existiert die finnische Formation seit 1997. 13 Jahre, in denen die Nordmannen eine Menge an positiven wie auch negativen Erfahrungen sammeln konnten und sich nach wie vor am Anfang ihrer musikalischen Entwicklung sehen. Ich kann nicht behaupten, dass ich irgendwas bereuen würde. Wichtig ist es, immer nach vorne zu sehen. Wenn ich an die Anfangszeit zurückdenke, dann hätte ich es nie für möglich gehalten, ein ganzes Album einzuspielen. Ich bin immer noch sehr beeindruckt davon und versuche jede Minute voll und ganz zu genießen. Auch nach all den Jahren stehen wir immer noch am Anfang und ich hoffe für uns, dass da draußen eine großartige Zukunft bereitliegt. Und hoffentlich mögen in den folgenden Jahren auch kontinuierlich mehr Alben folgen als in den letzten 13 Jahren. Betrachtet man die musikalische Vergangenheit der Band, so stechen gerade einmal vier Demos und zwei
Full-Length-Alben ins Auge. Nun, wir hatten nicht gerade ein glückliches Händchen mit unseren Bandmitgliedern. Das ist das erste Mal seit 13 Jahren, dass wir endlich ein fixes Line-Up vorweisen können. Pech hatten wir aber auch mit unseren Veröffentlichungen. Unser letztes Werk „Epilogue“ musste gestrichen werden, da unser damaliges Label finanzielle Schwierigkeiten hatte. In Folge haben wir uns dazu entschlossen, drei Lieder dieses Albums gratis als herunterladbare EP zur Verfügung zu stellen. Es war also niemals eine Frage der Inspiration. All die Probleme, die wir hatten, waren bisher immer unsere antreibende Kraft weiterzumachen. Mit Maddening Media haben Ikuinen Kaamos endlich ein Label an Land gezogen, mit dem sich hoffentlich auch in Zukunft neue Werke veröffentlichen lassen. Bisher zeigt sich die Gruppe äußerst zufrieden. Meiner Ansicht nach sind Maddening Media das perfekte Label für uns. Bei einem größeren Plattenlabel würden wir doch nur unter all den Veröffentlichungen der bekannteren Bands untergehen. Von einem kleineren Label bekommen wir auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit und bisher war Maddening Media wirklich fantastisch zu uns. Die Unterstützung und Freiheit, die uns hier gewährt wird, ist wirklich großartig. Hierzulande noch unbekannt, hoffen Ikuinen Kaamos sich mit dem neuen Album nun endlich mehr Gehör verschaffen zu können. Schuld an der bisherigen Situation sollen vor allem
interne Besetzungsprobleme der Band gewesen sein, die letztendlich aus dem Weg geräumt sind. Hätten wir nicht ständig Line-Up-Probleme gehabt, dann würde die ganze Sache heute anders aussehen. Aber unter diesen Umständen war es einfach unmöglich, live zu spielen. Wie ich zuvor schon gesagt habe, können wir nun endlich ein fixes Line-Up vorweisen und hoffentlich auch endlich Konzerte spielen. Hoffentlich wird uns das die erwünschte Aufmerksamkeit in Finnland und dem restlichen Europa einbringen, die wir uns wünschen. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall auch, wenn wir die Band auch einmal in Wien live sehen könnten. Geprobt wird jedenfalls schon. Wohin die Wege führen, vermag momentan noch niemand zu sagen. Wir sind schon fleißig daran, ein Live-Set zu erstellen – für den Fall, dass wir live spielen. Zumindest erwarte ich das. Es würde mich auf jeden Fall freuen, auch in Wien eines Tages ein Konzert geben zu können. Ich möchte an dieser Stelle „Fall Of Icons“ all jenen nahelegen, die mit progressiver Musik etwas anzufangen wissen. Die Finnen haben einfach ein Gespür für packende Melodien und können ihre erzählten Geschichten vortrefflich musikalisch in Szene setzen. Iris WILKE | Webseite: www.ikuinenkaamos.net
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Hallo Dave, eure CD „Slave to the slaves“ habe ich erst kürzlich durch Zufall bekommen und finde sie ziemlich gut. Allerdings ist das gute Teil bereits Anfang 2008 erschienen, so stellt sich zwangsläufig die erste Frage: Was ist in der Zwischenzeit passiert? Dave: Wir haben ein paar Auftritte in Hamburg absolviert. Wenig später hat uns unser langjähriger Bassist Jochen aus beruflichen Gründen verlassen. Der Rest von uns hat an neuem Material gebastelt. Unser Gitarrist Tjark ist Vater geworden und fällt von daher für ein paar Wochen aus. Aber es geht bald weiter, wir sind motiviert! Das meiste Material dürfte – wenn ich das richtig gelesen habe – bereits gestanden haben, als du bei Storm of Sorrows eingestiegen bist. Inwieweit konntest du dich beim Entstehungsprozess zu „Slave to the slaves“ noch mit einbringen? Dave: Das war vielleicht etwas unglücklich formuliert. Alle Songs bis auf den Opener sind im Prinzip nach meinem Einstieg entstanden. Viele Riffs und Ideen hatten die Jungs schon vorher geschrieben, aber wir haben alles als Band zusammengebastelt, jedes Mitglied hat zum Songwriting gleichermaßen beigetragen. Die paar Kritiken, die ich zu „Slave to the slaves“ gelesen habe, waren alle durchweg positiv. Wie habt ihr das empfunden? Was ist nach Veröffentlichung in puncto Feedback – sei es von Fans, live oder Presse – passiert? Dave: Wir haben uns natürlich über die positiven Kritiken gefreut. Jeder hört andere Einflüsse heraus. Wir wurden teilweise mit Bands verglichen, von denen wir noch nie gehört haben. Das Album wurde gut nachgefragt und unsere Live-Auftritte waren gut besucht. Wir sind zufrieden. In eurer Bandinfo sprecht ihr recht selbstbewusst von einem innovativen Stil, den ihr mit eurer Musik erschaffen wollt. Vielseitigkeit ist eine wichtige Komponente, die auf „Slave to the slaves“ deut-
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lich zu Tage tritt. Wenn ihr jemandem eure Band beschreiben müsstet und ihm nichts vorspielen dürftet – mit Hilfe welcher Name-Droppings würdet ihr euch beschreiben? Dave: Vielseitiger Death Metal, mal mit brutalem, mal mit melodischem Einschlag. Schwedentod ist auch dabei. Unsere Gitarristen haben auch mal „flüchtig“ in das ein oder andere Arch Enemy- oder Carcass-Album reingehört... Die Kombination aus allem ist aber dennoch einzigartig. Das Cover zum Album ist ziemlich prägnant (ein verkabelter Embryo, der anscheinend mit „Hate“ und „Belief“ zugepumpt wird, während „Truth“ und „Morality“ gerade nicht verfügbar sind/geladen werden). Was wollt ihr mit dem Cover ausdrücken? Inwieweit gibt es eine konzeptionelle Verbindung zu den Texten auf der CD? Fabian (Sänger, alleiniger Texter und Coverzeichner): Das Artwork steht Pate für das textliche Konzept des kompletten Albums: „Die Vergiftung der menschlichen Existenz in all ihren Auswüchsen“ fokussiert direkt aber nur einen Teil des Gesamtbildes. – Einen besonders tückischen Auswuchs, die vorsätzliche, bereits im Kindesalter beginnende Indoktrination von Menschen im Hinblick auf eine perfide Kombination von Hass und Glaube, die Menschen zu willenlosen Fanatikern macht. Wie gesagt ist dies aber nur EIN Aspekt der „Vergiftung“. Vielleicht kannst du an der Stelle ein wenig detaillierter auf die Lyrics eingehen: Wen oder was besingt ihr z.B. in „Morna“? Wann ist die „Zero Hour“? Und warum sind „The crows are gathering“? Fabian: Die „Zero Hour“ beschreibt das Ende der Welt, wie wir sie kennen, eine Situation, in der die Menschheit ihren Planeten in einem Ausmaß zerstört hat, dass es keinen Weg mehr zurück gibt und sich die Natur durch Naturkatastrophen apokalyptischen Ausmaßes an der Menschheit rächt, indem sie diese „über
die Klinge springen lässt“. Das „Wann“ kann schwer beurteilt werden, der Weg dorthin wurde aber bereits vor langer Zeit gefestigt. „Morna“ beschreibt ein mystisches Fabelwesen aus dem Reich der Geister und steht metaphorisch für Menschen, die skrupellos, geblendet von Faktoren wie Neid und Gier „über Leichen gehen“ und andere Menschen für ihre Zwecke ausnutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Krähen versammeln sich beim „Begräbnis der Seele“ eines Menschen, der sein ganzes Leben dem Streben nach Macht gewidmet hat und am Ende, gescheitert und für sein Streben mit Einsamkeit bestraft, vor den Ruinen seines Lebens steht und erkennt, dass er unwiederbringlich verloren ist. Apropos „The crows are gathering“: Beim Ausklang des Songs knistert es bei mir in den Boxen wie früher mit ’nem alten Plattenspieler. Ist mein Player kaputt oder habt ihr diesen Effekt bewusst eingebaut? Dave: Der gute alte Plattenspieler-Effekt... pure Nostalgie. Sucht man auf eurer Homepage/MySpace-Seite nach aktuellen Informationen zur Band, findet man eher spärlich aktuelle Informationen. Gibt es zur Band einfach nichts zu berichten? Niemand, der die Online-Präsenzen pflegt, oder was ist der Grund? Dave: Das stimmt, dabei gibt es etwas Neues zu berichten: Wir haben endlich wieder einen Bassisten! Phil von Patient Radio ist ein sehr fähiger Musiker, der sein Instrument beherrscht, mit einem guten Ohr für Basslines, er passt perfekt zur Band. Derzeit schreiben wir gemeinsam neues Material. Das dauert eine Weile, aber ich kann schon verraten, dass die neue Platte wieder ein Schritt nach vorn werden wird. Es soll progressiv, melodisch und abwechslungsreich werden, richtige Songs mit Ohrwurmcharakter. Zwei Songs sind so gut wie fertig, wir haben also noch viel Arbeit vor uns. Das Proben mit Phil bringt wieder richtig Spaß! Du bist so ziemlich als Letzter zur Band gestoßen
(Ausnahme, wie eben angesprochen, euer neuer Bassist): Was kannst du uns trotzdem zur Bandhistorie von Storm of Sorrows erzählen, die ja auch schon immerhin zehn Jahre in die Vergangenheit zurückreicht? Welche wichtigen Fixpunkte und Fakten sollte der geneigte Fan kennen? Dave: 1998 in Norderstedt gegründet, zwei Demos rausgebracht, 2002 kam eine EP raus und 2003 das Album „Count the Faceless“. 2008 kam das Album „Slave to the Slaves“. Ihr seid neben Storm of Sorrows auch noch alle (bis auf den Basser) bei Black Elegy tätig, die im Vergleich zu eurer Hauptband eher „ruhigere“ Klänge anschlagen (mehr Gothic/Doom). Ist das eine Art kollektives Dr.Jeykll/Mr.Hide, das ihr da spielt? Dave: Das ist eine Idee unseres Sängers Fabian gewesen, doch auch mal eine neue Richtung einzuschlagen, mal etwas anderes zu machen. Es hat allen sehr viel Spaß gemacht. Mit Black Elegy ist auch eben aktuelles Material als EP erschienen. Weiteres Material für ein Full-Length ist in der Mache. Ist hier der Grund zu sehen, warum bei Storm of Sorrows momentan – zumindest nach außen hin – weniger passiert? Wie sind die Prioritäten auf die beiden Bands verteilt? Dave: Wir stehen 100% hinter Storm of Sorrows, Black Elegy ist zunächst nur ein Projekt. Aber wer weiß, vielleicht spielen wir das Material auch mal live oder nehmen einen Nachfolger auf. Du selbst scheinst neben Storm of Sorrows und Black Elegy auch noch bei anderen Bands zu spielen bzw. gespielt zu haben. Der musikalische Fokus ist/war dabei recht breit gefächert – Death, Black, Gothic, Doom, Progressive... Was gibt für dich den Ausschlag, irgendwo die Trommelstöcke in die Hand zu nehmen? Und um auf den aktuellen Stand zu kommen: Wo bist du derzeit noch aktiv? Dave: Ich nehme gern jede Herausforderung an, wenn mir die Musik gefällt und wenn es die Zeit erlaubt. Es muss musikalisch und menschlich passen. Als Schlagzeuger habe ich die Möglichkeit, mich schnell irgendwo einzuarbeiten: Ich muss ja bloß den Rhythmus spielen. Meine andere Band heißt Defrakt: www.myspace.com/defraktmusic. Aber zurück zu Storm of Sorrows: Was steht als Nächstes an? Was können wir von euch erwarten? Dave: Ein neues Album ist in der Mache! Wir wollen das Songwriting noch in diesem Jahr zu Ende bringen. Wir halten euch natürlich auf dem Laufenden. Kai SCHEIBE | Webseite: www.stormofsorrows.de
Bereits seit 1995 existent und seit jeher nichtmetallische Zaungäste von einheimischen MetalÄckern vertreibend, müssen sich diese Grazer Vogelscheuchen der Weltvernichtung in letzter Zeit auch stetige Bestrebungen, analog ihrer Namenserweiterung mit NWA, in Richtung Internationalität mehr denn je unterstellen lassen. Dass diese Bestrebungen auch gerne mit Hilfe der Thematik aus Herman Melvilles Roman „Moby Dick“ geschehen, legt einem zumindest der Titel ihres aktuellen Werkes „Ishmael“ recht nahe. Aber lest selbst, wie Sänger Bernd und Gitarrist Alex die letzten Entwicklungen rund um Scarecrow NWA sehen. Euer aktuelles Album „Ishmael“ ist ja nun schon seit einiger Zeit auf dem Markt. Wie waren die bisherigen Reaktionen seitens der Fans und Presse? Bernd: Erstmals danke für euer Interesse an uns, es macht immer Spaß, über Musik zu plaudern. „Ishmael“ ist ja Ende April 2009 erschienen und ich muss sagen, dass die Reaktionen von allen Seiten positiv waren. Es war ja doch nach längerer Zeit wieder ein Full-
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Length-Album von uns und stilistisch sogar nicht mit dem bisher produzierten Material zu vergleichen. Da waren unsere Erwartungen schon eher hoch, aber wir sind nicht enttäuscht worden. Eher im Gegenteil! Gute Rezensionen in der Presse und vor allem super Feedbacks von unseren Fans, bei denen ich mich gleich mal für den Support im gesamten letzten Jahr, vor allem bei unseren Live-Shows, bedanken möchte. Auch wenn es für euch fast nur positive Kritiken seitens der Fans und Presse gab, wie gehst du allgemein mit schlechter Kritik um? Bernd: Das ist natürlich nicht immer einfach. Zuerst versuche ich mir ein Bild zu machen, ob die Kritik konstruktiv bzw. berechtigt ist. Wenn zum Beispiel meine Art zu singen kritisiert wird, dann höre ich mir die Songs noch ein paarmal an und versuche, so objektiv wie möglich herauszufinden, was gemeint sein kann. Fällt mir ebenfalls etwas auf, dann versuche ich diese „Schwächen“ zu beheben bzw. arbeite an mir. Aber leider ist nicht alles positive oder gut gemeinte Kritik, sondern oftmals nur die subjektive
Meinung des Zuhörers bzw. Kritikers. Wenn jemand auf Grindcore-Gequieke oder Power Metal-Eunuchen steht, ist klar, dass er mit meiner Art zu singen wenig anfangen kann, und dann soll er doch mal überlegen, was für Musik wir mit Scarecrow NWA machen und uns mit seiner „Das könntet’s aber so machen“-Leier verschonen. Im Großen und Ganzen aber ist mir schlechte Kritik eher egal, da wir das Ganze ja hauptsächlich aus Spaß an der Freud’ betreiben. Aber vielleicht hat Alex ja dazu auch was zu sagen? Alex: Ich kann da Bernd nur zustimmen. Es gibt leider sehr oft zu subjektive Kritiken und es ist immer wieder erstaunlich, was man von irgendwelchen dahergelaufenen, selbsternannten „Metal-Kennern“ für Ratschläge bekommt. Ich denk mal, dass sie es ja gut meinen, aber käme wer auf die Idee, einem Steve Harris zu sagen: „Äh, vielleicht könntest dort ein Solo mehr spielen, oder vielleicht wäre es besser, wenn Bruce da so und so singt.“?! Wohl eher nicht. Aber egal, wir nehmen jede Kritik an und urteilen gemeinsam, wie „ernst“ sie zu nehmen ist. Na ja, aber auf die Verkaufszahlen eines Steve Harris bzw. Iron Maiden fehlt dann wohl doch noch einiges, oder? Aber wie sieht es nun ernsthaft in Bezug auf die Verkaufszahlen von „Ishmael“ aus? Schon das eine oder andere Ferienhaus in Planung? Alex: Auf jeden Fall, ich wollt uns ja auch gar nicht mit Iron Maiden vergleichen, dies wäre
dann doch etwas zu übermütig. Wir haben von unserem Label zwar noch keine Abrechnung erhalten, aber die uns zur Verfügung gestellten CDs sind alle weg. Somit sehen wir auch dem „globalen“ Verkauf durchaus positiv entgegen, wobei sich ein Ferienhaus aber wahrscheinlich noch nicht ganz ausgehen wird. Also noch nichts mit der Einladung zur nächsten Strandparty! Aber da du gerade euer Label PH Music ansprichst, wie zufrieden seid ihr mit der Arbeit des doch noch recht jungen österreichischen Labels? Und was haltet ihr von euren LabelKollegen wie Bloodfeast, Boner Bitch, John Doe, Red Light Romance und Rohstoff? Alex: Für eine Party sind wir immer zu haben, hehehe! Eigentlich gibt’s zu unserem Label nicht viel zu sagen. Der Inhaber Phil versucht mit den ihm gegebenen Mitteln das Beste daraus zu machen. Und er hat uns zumindest in die Plattenläden und auf diverse Portale gebracht. Neben der CD-Produktion war es das aber eigentlich auch schon. Für uns ist das bis dato OK gewesen, weil wir so weitermachen können wie bisher, ohne Druck oder Zwang, irgendwas schnell, schnell zu machen. Natürlich wäre es vorteilhaft, wenn wir auch noch eine BookingAgentur hätten, dann müssten wir uns nicht um alles selbst kümmern, aber was soll’s, es ist, wie es ist, und es läuft eigentlich ganz gut. Zu den Kollegen kann ich nicht viel sagen, da ich mir eigentlich nichts von denen angehört habe. Schande über mich! Gut, Bloodfeast kennen wir und es sind auch die Einzigen, die in unsere Richtung ziehen. Mit denen kommen wir gut zurecht und haben eigentlich ein mehr als kollegiales Verhältnis. Neben dem ganzen Businesskram gibt es ja natürlich auch noch die Musik, und diese ist ja im Hause Scarecrow NWA nicht von schlechten Eltern! Wie würdest du eure aktuelle Scheibe einem Unwissenden oder Unwürdigen erklären, und wo siehst du bei „Ishmael“ die Differenzen zu euren älteren Veröffentlichungen? Alex: Und das ist wohl das Wichtigste, oder? Die Erklärung möchte ich aber Bernd überlassen, der kann da recht gut ausholen. Bernd: Die CD besteht aus neun mehr oder weniger langen Death Metal-Songs, bei denen es aber auch nicht an Melodie, technischer Finesse und diversen anderen Einflüssen mangelt. Und was das Ganze für mich sympathisch macht, ist das Quäntchen Underground, das glücklicherweise auch noch zu finden ist. Ishmael ist ja bekanntlich der Hauptprotagonist von Melvilles Roman „Moby Dick“ und durch unsere Songs versuchen wir die für uns relevanten Themen dieses Werkes musikalisch als auch textlich zu verarbeiten. Es ist nicht direkt ein Konzeptalbum geworden, dreht sich aber definitiv um ein und dieselbe Story. Unter-
schiede zu den älteren Veröffentlichungen gibt es zuhauf, deshalb hier nur kurz die wesentlichen. Höheres Produktionsbudget, längere Produktionsdauer, ein guter Produzent, bessere musikalische Fertigkeiten der Band und das alles führte halt zu besseren Songs und besserem Sound. Du hast ja nun auch kurz die Thematik eures Albums angesprochen. Seid ihr alle so große „Moby Dick“-Fans oder was steckt hinter diesem anspruchsvollen Konzept bzw. roten Faden? Bernd: Also hinter der Thematik „Moby Dick“ steckt eigentlich ganz Banales. Wir haben für einen Song, den jetzigen Titeltrack, einen Namen gesucht. Denn die Namen bzw. Texte bekommen unsere Stücke ja immer erst, wenn sie schon lange fertig sind, so auch dieser. Nun, uns fiel nichts allzu Kreatives ein und so kamen Wortspiele wie „Is Neiche“ (Hochdeutsch: das Neue) oder „Ismiregal“ daher. Plötzlich machte es bei mir „klick“ und ich meinte, da könnten wir es gleich „Ishmael“ nennen und ein Konzeptalbum angelehnt an „Moby Dick“ machen. Diese Thematik ist ja nun
nichts Neues mehr und so beschlossen wir, unser Album nicht als Erzählung der Geschichte, sondern vielmehr als Interpretation selbiger aus der Sicht der einzelnen Protagonisten anzulegen. Also wurde aus Blödelei etwas Anspruchsvolles. So sind wir halt. Wer ist eigentlich bei euch für die Texte verantwortlich? Nur du als Sänger oder bringen sich andere Bandmitglieder auch ein? Bernd: Nur ich! Also Bernd, der große „Moby Dick“-Fan? Aber ich will dich nicht länger damit quälen, außer du möchtest noch unbedingt etwas dazu loswerden? Bernd: Ich bin kein großer „Moby Dick“-Fan, aber das Thema hat sich gut angeboten. Aber wie sieht eigentlich das Songwriting bei euch aus? Arbeitet ihr nach einem langjährigen Schema oder passiert dies eher spontan? Alex: Musikalisch hab ich da die Hand drauf. Natürlich schreib ich keine Drumlines oder sag dem Bernd gar, was er zu singen hat, aber ich sag mal, 90% kommen von meiner Seite. Die Ideen entstehen meist zu Hause an der Akustik-Fiedel und werden dann im
Proberaum verfeinert. Oder ich versuche gleich was beim Proben und lass die anderen dann dazu senfen. Es wird auf jeden Fall drauf geachtet, dass alle Bandmitglieder weitgehend zufriedengestellt, aber auch gefordert sind. Sonst wird’s ja fad. Wo und wie lange habt ihr diesmal eigentlich aufgenommen? Wer war für die Endproduktion bzw. das Mastering zuständig? Alex: Du wirst es nicht glauben, aber wir haben bei uns im Proberaum aufgenommen. Das kam uns natürlich sehr gelegen, da es in vertrauter Umgebung geschah und uns vom Produzenten eigentlich kein Stress gemacht wurde. Ich muss sagen, es war das angenehmste Aufnehmen bisher. Für das Endprodukt und die Aufnahmen selbst zeichnet sich Georg Walt verantwortlich, aber zu dem kann Bernd auf jeden Fall mehr erzählen. Bernd: Ja, der Georg, der schwankt ein bisschen zwischen Genie und Wahnsinn, aber das Genie überwiegt zum Glück. Mit uns hat er quasi zum härteren Metal gefunden und ich denke, die Kombination aus unserem Death Metal und seinem Know-how aus dem Pop- und Rock-Business kann sich sehen lassen. Mittlerweile hat er seine eigene kleine Produktionsfirma. Zu den Aufnahmen sollten wir vielleicht noch erwähnen, dass wir ja fast doppelt aufgenommen haben, da die ersten Aufnahmen auf beschissene Weise abhanden gekommen sind. Aber das hat uns und der CD sicher nicht geschadet. Gibt es eigentlich schon Pläne für neues Material und falls ja, was kann man sich diesmal erwarten? Alex: Aktuell sind wir gerade wieder am Nummernschreiben, aber ich sag mal vorsichtig, dass es heuer wahrscheinlich zu keiner Veröffentlichung kommen wird. Gut Ding braucht eben Weile! 2010 gilt unser Hauptaugenmerk den Konzerten, wobei es natürlich schon sein kann, dass gegen Ende des Jahres wieder das Studio ruft. Kommt auf die musikalischen Eingebungen an. Bernd: Auf die Frage, was man sich erwarten könne, kann ich nur sagen: Scarecrow NWA eben, also keinesfalls Stillstand! Wir haben zwar unseren „Stil“ gefunden, aber der ist sicher noch dehnbar bzw. ausbaufähig. Live kann man sich ja schon ein kleines Bild vom neuen Material machen. Ich würd sagen, dass es eine Spur technischer und aggressiver ist. Seitens Alex ist das Zauberwort Konzerte gefallen, gibt es schon bestätigte Termine bzw. plant ihr eventuell auch eine längere Tour? Bernd: Bis auf einige Einzelshows im Frühjahr sind wir noch am Planen und eventuell wird es die eine oder andere Festivalshow geben. Mit einer Tour wird es zumindest Anfang des Jahres noch nichts werden, aber es sind ja noch knapp 10 Monate offen! Was haltet ihr eigentlich von diesen ganzen Pay-
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to-Play-Geschichten, die momentan wieder ziemlich angesagt zu sein scheinen. Würde so eine Aktion für euch auch in Frage kommen? Bernd: Ich finde es ziemlich traurig, dass hierzulande Bands oftmals auch noch zahlen müssen, um auftreten zu können. Eigentlich leisten sie mit ihren Konzerten ja genug, aber das scheint leider nicht finanzierbar zu sein bzw. mangelt es oftmals auch an der nötigen Risikobereitschaft der Veranstalter. Ich will hier aber nicht schimpfen, denn eigentlich verstehe ich ja beide Seiten und ich bin auch der Meinung, dass Musik machen allein nicht ausreicht, um als Band erfolgreich zu sein. Dass hier aber eine Selektion zu Gunsten „reicherer“ Bands betrieben wird, stört mich etwas. So spielt halt meist nicht der beste Akt, sondern der, der mehr zahlt. Mithilfe bei den Kartenverkäufen finde ich aber OK, und zum Glück ist das in Österreich noch Usus. Und meist verdient man als Band auch noch damit, also ist es in Ordnung. Ein Thema, welches auch am Arising Realm Magazin nicht spurlos vorübergegangen ist, ist das Thema „Sinnhaftigkeit von Underground-PrintMedien“ und in weiterer Folge die Beibehaltung einer Ausgaben-Kompilation. Wie siehst du das Thema und macht es für euch als Band im „MySpace-Zeitalter“ überhaupt noch Sinn, auf einem Magazin-Sampler dabei zu sein? Alex: Ich meine, solange es sich für den Herausgeber rentiert, sind Printmedien durchaus sinnhaft. Es macht immer noch mehr Spaß, in Zeitschriften zu blättern, als am PC zu hocken. Dies ist natürlich nur meine, wahrscheinlich veraltete Meinung. Auf MySpace und diversen anderen Portalen kann ja jeder sein Zeug raufladen, aber in Magazinen sind dann doch eher die Ausgesuchten bzw. die, die sich da eher mehr engagieren. Somit sehe ich durchaus noch Sinn hinter Zeitschriften und Samplern und möchte diese auch künftig keinesfalls missen. Was sie einem als Band selbst bringen, sei dahingestellt, aber wie sagt man so schön: „Hilft’s nix, schadet’s nix!“ Bernd: Ich bin da ganz beim Alex. Selbst lese ich gerne Printmedien, da sie meiner Meinung nach doch noch mehr mit Journalismus zu tun haben als das ganze Online-Zeugs. Aber auch UG-Medien wie das Arising Realm Magazin haben ihre Berechtigung, denn nicht in jedem Printzine haben kleinere Bands die Möglichkeit einer dementsprechenden Präsentation. Davon mal ganz abgesehen rückt die Festivalsaison immer näher bzw. nehmen die einzelnen Billings der Festivals auch Formen an. Was haltet ihr von den Entwicklungen der Festivalszene im Allgemeinen und speziell in Österreich? Welche Festivals liegen in eurer Gunst als Band und auch privat ganz weit vorne? Bernd: Die Entwicklung, welche dazu führt, dass Festivals gleich wie FranchiseUnternehmen werden, finde ich etwas befremdend. Gut, mal abwarten, wie so was funktioniert, aber ich bin dann schon eher Fan von Veranstaltungen mit einer „eigenen“ Note. Da ich ja immer mehrere Festivals pro Saison
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besuche, freut es mich halt immens, wenn nicht überall dieselben Bands spielen. Natürlich ist es gut, wenn einige Festivals den „Undergroundstatus“ ablegen und etwas größer werden, aber mir persönlich sind die kleineren, spezielleren lieber. Mein klarer Favorit ist das Kaltenbach Open Air, da bin ich seit dem ersten Mal dabei und auch wenn ich immer lesen muss, was denn alles so scheiße daran ist, mir taugt es immer! Und ein bissl Schlechtwetter bringt auch keinen um, hehe! Ansonsten sind halt Festivals in Finnland top, was Organisation und Bands angeht, über landestypische Eigenheiten kann man streiten. Du bist ja selbst als Musikkritiker bei einem österreichischen Webzine tätig und bekommst recht viele Entwicklungen in Österreich mit, wie steht es hier um deine Meinung? Wo stehen die österreichischen Bands wirklich? Sind viele unserer Bands zu Unrecht zur Unbekanntheit verdonnert oder hat dies schon seine Berechtigung? Mal raus mit der Wahrheit! Bernd: Ha, ich dachte mir schon, dass so was kommt! Die Metal-Szene in Österreich ist alles andere als schlecht, also woran hapert’s, dass nicht wirklich viele Bands den Weg in die Internationalität schaffen. Zum ersten würde ich hier sagen, dass uns einfach der Markt fehlt. Man braucht ja auch im Metal Verkaufszahlen und daran scheitert es in Österreich. Wenn man es nicht über z.B. den deutschen Markt schafft, hat man schon verloren. Zweitens fehlt es hierzulande weitestgehend am Support. Sei es von den größeren Medien, Plattenlabels, aber auch von den Fans, denn leider finden immer weniger Leute den Weg zu Underground-Gigs. Hier herrscht halt oft die „Was nix kost’, ist nix wert“-Mentalität. Außerdem ist Österreich leider Gottes ein Volk von Neidern, Arschkriechern und Suderanten. Wenn es sich also z.B. Band A mit Band B verscherzt, Band B aber mit Veranstalter C gut ist, wird Band A wohl nicht mehr für o.a. Veranstalter spielen und so weiter und so fort. Fakt ist leider auch, dass in unserem Land musikalisches Können nur peripher mit dem Erfolg zu tun hat. Wo stehen jetzt österreichische Bands? Musikalisch, wenn man diese ganzen Ultra-brutal-, Blast, Grind-, Core-, Wasweißich-Combos weglässt, sind Ösi-Bands durch die Bank top, keine Frage. Vom Status her allerdings, international gesehen, eher Flop! Ich hab ja oben nur einige Beispiele angeführt, warum es meiner Meinung nicht so klappt, hier könnte man ja ganze wissenschaftliche Abhandlungen darüber schreiben. Sind unsere Bands zu Unrecht unbekannt? Ja und nein! Einige haben wirklich was auf dem Kasten und hätten mit einer
besseren Musik-Infrastruktur hierzulande sicher Erfolg, andere sollten lieber die Instrumente als Dekorationsmaterial an die Kinderzimmerwand hängen. Aber das ist nur ein Grundriss meiner bescheidenen Meinung. Wer mehr wissen möchte, kann mich gern mal darauf ansprechen und bei ein paar Bieren mit mir philosophieren, hehe! Was könnte man besser machen? Bernd: Besser machen kann man eigentlich nichts. Man kann die Mentalität der Leute nicht ändern. Dass Musik, welche sich am Rande der Populärkultur bewegt, einen schweren Stand hat, ist auch klar. Musikalisch passt ja alles, hab ich ja eh schon erwähnt. Also bleibt, denke ich, nichts anderes übrig als durchzubeißen und weiterzumachen. Aber ich will keine Schwarz-Weiß-Malerei betreiben und so schlecht, wie man eventuell aus meiner vorangegangenen Antwort herauslesen könnte, ist es ja eh nicht. Kopf hoch und Horns up! Dem kann man eigentlich nicht mehr viel hinzufügen, aber was hältst du von der provokanten These, dass Musikkritiker der Musikszene eher schaden als nutzen! Alex: Ich als Außenstehender kann dazu nur sagen, dass Kritik ja nicht unbedingt schlecht sein muss. Sie kann einen auch loben und zu weiteren Ideen bringen. Über Kritiker selbst ist zu sagen, dass viele leider nicht objektiv schreiben, sondern ihren persönlichen Senf einfließen lassen, und das sehe ich dann als unprofessionell, wobei es aber auch oft zum Schmunzeln anregt. Aber unser Schreiberling Bernd findet da sicher auch noch abschließende Worte dazu. Bernd: Als „Musikkritiker“ denke ich nicht, dass ich der Szene mehr schade als nutze. Aber das denkt sich sicher jeder Kritiker. Es ist aber auch schwer z.B. eine CD-Rezension zu verfassen, die rein objektiv ist und dennoch unterhaltsam zu lesen. Da rutscht ein Verriss doch viel leichter von der Feder. Alles in allem braucht doch jede Kunstform auch ihre Kritiker, also soll sie doch auch der Metal haben. Wie man damit umgeht oder was man damit macht, ist jedem Musiker als auch Leser selbst überlassen. Hier spricht ein weiser Mann, haha! Aber kommen wir nun langsam zum Schluss! Ich bedanke mich recht sakrisch für eure Zeit und ich hoffe, man sieht sich mal wieder bei einer netten Hopfenschale. Wollt ihr noch irgendetwas loswerden? Bernd: Ja, ich trink gern mal wieder eins mit dir, Alex trinkt ja nicht, hehe! Was loswerden, hm?!? Ach ja, das übliche „Kommt zu Konzerten, kauft CDs“-Gejammer steht mir schon bis dahin, also heute ein einfaches Danke für das Interesse an uns und man sieht sich! Willst du noch was sagen, Alex? Alex: Danke, es wurde bereits alles gesagt, hehehe!!! Cheeerz!!! Thomas SPIWAK Webseite: www.scarecrow.at
Dirk, ihr habt mittlerweile zwölf Jahre als Band auf dem Buckel, könnt einiges vorweisen und bezeichnet euren Musikstil als „brutal but melodic Death Metal“. Inwiefern hat sich euer Musikstil in all den Jahren weiterentwickelt? Wird man mit den Jahren „weicher“? Hallo Iris, zunächst ein herzliches Hallo an dich und die österreichischen Metalheads! Als wir 1998 anfingen, war die erste Ur-Death Metal-Welle gerade vorbei und die Szene lag ziemlich brach. Wir spielten zunächst als Helfenstein nur wenige Wochen flotten, melodischen Black Metal, stellten aber sehr bald fest, dass sich unsere Raserei immer mehr steigern und modifizieren ließ und so manch schwarz gedachtes Riff einfach durch und durch Death Metal war, so dass die rasche Umbenennung in My Cold Embrace konsequent war. Von Beginn an haben wir unseren Sound offen gehalten und all unsere persönlichen Einflüsse zugelassen, so dass Death Metal plus X immer unser roter Faden war. Melodie und Brutalität schließen sich dabei nicht aus und es lag uns seit jeher fern, uns nur in eine Schublade zu setzen. Grindcore, Groove, Thrash und Crustcore gehören bei uns einfach mit dazu. Vergleicht man unsere sechs CDs, lässt sich leicht feststellen, dass wir mit zunehmendem Alter einerseits immer schneller, brutaler, fieser und rabiater, aber andererseits auch erwachsener, komplizierter und gelegentlich doch melodischer werden (man höre „Apollo“) und uns noch mehr Gedanken über Stimmungen, Takte, Wechsel und Rhythmen machen, die nicht den gängigen Schemata entsprechen. Auf dem „A Tribute To Nasum“-Sampler seid ihr mit dem Titel „Silent Sanguinary Soil“ vertreten. Wie ist es zu diesem Beitrag gekommen und was erwartet man sich selbst als Band von dieser Teilnahme? Tom von Power It Up Records ist seit vielen Jahren ein guter Freund von uns und hat bereits eine Split Vinyl 7“ Single mit uns und der schwedischen Crust-Legende Uncurbed veröffentlicht. Er erzählte mir von den Nasum-Tribute-Plänen und lud uns direkt verbindlich ein,
an dem Projekt teilzuhaben. Nasum waren für den „modernen“ Grindcore eine wegweisende, viel zu wenig beachtete Band, die zu Recht nun den Kultstatus erlangt, den sie zu Lebzeiten schon verdient hätte. „Silent Sanguinary Soil“ von der „Black Illusions“-Single war schon immer mein Lieblingstrack aus dem Hause Nasum. Dieses Lied tatsächlich zu covern, aufzunehmen und Miezko (RIP) zu Ehren auf die Tribute-Scheibe zu packen, ehrt uns und macht mich sehr stolz, glücklich und dankbar, erst recht wenn wir sehen, dass wir mit Misery Index oder Dead Infection gemeinsam auf der CD sind. Wir erwarten nichts, aber freuen uns über alles, was passiert, haha. Außerdem geht es um Nasum und nicht um My Cold Embrace… Ihr mischt in euren Sound auch einige schwedische Zutaten und Grind-Zitate. Wie wichtig sind diese für den Gesamtsound von My Cold Embrace? Gibt es noch weitere Stile, die ihr gerne zukünftig integrieren möchtet? Wir blasten und knüppeln nun mal gerne und bleiben offen für alles. Unser Drummer Dennis ist da einfach nicht zu bremsen, auch wenn eher ich der Knüppel-Fan bin und er der gediegene Vollblut-Musiker, der sich auch mal Jazz und Ska geben kann. Wir ergänzen uns extrem gut, denn wir bringen auch aufgrund der Altersunterschiede ganz unterschiedliche Roots mit. Sänger Dennis ist der junge Wilde, der Metal- und Deathcore-Fan, ich der Old-School-Death Metal-Sack mit Spaß am rüden Crustgrind, was sich herrlich mit Marco beißt, der der klassische, traditionelle Metal-Fan ist. Nimmt man Tims Hardcore-Vergangenheit hinzu, wird das Puzzle komplett. Die neuen, noch unveröffentlichten Stücke sind noch mal eine Spur rabiater geworden, ein thrashiger Hauch Göteborg-Death ist ebenso wie die ein oder andere Grindpassage dabei. Natürlich haben wir die Melodien nicht verlernt: Wir können sie immer noch wie in „Apollo“, unserer sehr melodischen Ausnahme von der absolut unsteten Regel. Eure letzte Scheibe „Hausgeist“ ist aus dem Jahr 2008. Gibt es inzwischen schon neues Material, an dem ihr arbeitet oder das bereits in den Startboxen steht? Wird sich die Marschroute etwas ändern oder verfolgt ihr die 2008er-Linie konsequent weiter? Im Jahr 2009 kam noch die Split-EP „Schnittmenge“ mit Rapture aus München via 666 Records heraus, auf die wir zwei neue und ein remixtes Stück packten, diese Aufnahmen entstanden zeitgleich mit den Nasum-Recordings, einige Monate nach den „Hausgeist“-Aufnahmen. Der Nasum-Sampler ist ja nun auch 2010 erschienen. Einige neue Stücke stehen und wir haben schon mehr als die Hälfte eines neuen Albums zusammen. Derzeit fragen wir uns, ob und wann wir die Strapazen zur Recording-Session unserer dann siebten CD angehen. Zwölf Jahre ohne Label und stets DIY zerren mal mehr und mal weniger an den Nerven. Natürlich sind wir stolz auf das Erreichte, aber manchmal würden wir uns einfach wünschen, ein Label nähme uns einige der liebgewonnenen Lasten ab. Musikalisch knüpfen wir nahtlos an die „Hausgeist“-CD an, jedoch bemühen wir uns um noch mehr kompositorischen Fluss, denn hin und wieder merken wir schon, dass wir mit unserem meist sehr vertrackten Geballer einige Metalheads schlicht überfordern, krumme Ohren, verknackste Nackenwirbel und verdrehte Knie gehören bei unseren Konzerten trotzdem dazu! Interessierte Labels und vor allem österreichische Metalheads, die uns für Spritkohle zum Konzert einladen, sollen sich gerne an uns wenden! Wie sieht euer zukünftiger Kampfplan aus? Was möchtet ihr erreichen, in naher wie in ferner Zukunft? Nach zwölf Jahren haben wir viel über die Szene, Business und leere Versprechungen gelernt. Aufgeben werden wir nicht, denn ich habe keine besseren Freunde im Leben als meine Band, wir können gar nicht aufhören „zusammen zu sein“. Wir sind dankbar und glücklich über alles, was mit der Band passiert, wir freuen uns wie am ersten Tag auf ein Konzert oder auf unsere nächste CD, als wenn es die erste wäre. Wir haben für uns die Dinge erreicht, die wir immer wollten, seien es Gigs im Ausland, eine Tour, eine Vinylscheibe, Split-CDs und -Vinyls, große Festivals oder, oder, oder. Alles, was noch passiert, ist ein „Bonus“, den wir glücklich suchen und herzlich annehmen. Der Hunger ist dennoch groß wie eh und je. Alte Hyänen wie wir haben immer noch verdammt viel Lust auf rohes Fleisch und viel, viel Death Metal! Support the Underground! Iris WILKE | Webseite: www.mycoldembrace.de
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Dabei kennen die Schweizer jedoch mehr als nur eine Dimension und sorgen so dafür, dass nicht so schnell Langeweile aufkommt. Über die aktuelle Lage im Bandcamp, vergangene LiveErlebnisse und die Vorteile von MySpace und Co. habe ich mit Gitarrist und Labelinhaber Bruno geplaudert. Hallo Bruno, bevor wir uns im Detail Shadow’s Far und eurem neuen Album „As black turns red“ widmen, zum Einstieg ein paar Fragen an dich zu Stonepath Records, was anscheinend „dein Baby“ ist. Hast du das Label damals wegen Shadow’s Far gegründet, um eine Plattform für die Band zu haben, oder gab es das Label schon und du hast mangels anderer Angebote dann die Band beim eigenen Label untergebracht? Stonepath Records wird von Remo Poletti, unserem Drummer, und mir geführt. Das Label wurde eigentlich zum Zweck gegründet, um jungen talentierten Bands eine Plattform zu bieten. Wir haben auch einige Bands am Anfang unter Vertrag genommen. Da das alles sehr, sehr zeitintensiv war und fast kein müder Rappen dabei rausgesprungen ist, haben wir uns praktisch nur noch auf Shadow’s Far konzentriert, was sehr gut klappt. Für eine kleine Band, wie wir es sind, macht es einfach keinen Sinn, irgendetwas aus der Hand zu geben. Wir sind aber tierisch froh, einen perfekten Vertriebsdeal mit Twilight an Land gezogen zu haben. Bedingt durch das Label bist du sicher viel beschäftigt mit Vertrieb und Promotion. Welche Aufgabenverteilung gibt es innerhalb der Band für die anderen Mitglieder? Beim Label kümmere ich mich um Rechnungsstellung sowie Marketing-Aufgaben. Remo hingegen ist eher der Mann an der Front, der uns hilft, an coole Shows zu kommen. Remo hat durch seinen Job als Event-Manager im Transilvania Club auch sehr viele Kontakte zur Metalwelt, die uns hier weiterhelfen. Promos erledigen wir meist zusammen. Da wir mit Twilight den perfekten Vertriebspartner haben, fallen viele Arbeiten des Vertriebs weg. Bei Shadow’s Far verteilen wir dann alle anderen Aufgaben, so wie sie anfallen. Unser Sänger ist auch bei seiner zweiten Band Hellvetica ziemlich engagiert, so dass wir uns meist um alles kümmern. Das ist aber kein Problem. Euer aktuelles Album wartet mit Veränderungen als auch Altbewährtem auf. Fangen wir mit den Veränderungen an: Als neue Bandmitglieder sind Roman Wettstein (Vocals) und Pascal Trutmann (Bass) mit dabei. Wie konnten sich diese beiden in den Entstehungsprozess des Albums einbringen? Wo seht ihr selbst die größten Unterschiede im Vergleich zu den Vorgängern Dani und Markus? Ich persönlich finde die Vocals deutlich dunkler und noch aggressiver als auf den Vorgänger-Releases... Tja, da sage ich schon mal „Danke für die Blumen“. Die beiden „Neuen“ haben uns schon einen ziemlichen Kick in Sachen Song-
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writing gegeben. Bedingt durch die tiefere, aggressivere Stimme von Roman wurden unsere Vorstellungen vom neuen Album, härter und eingängiger zu werden, zu 100% erfüllt. Auch Pascal konnte mit seiner Erfahrung aus dem Death Metal einige coole Ideen mit einbringen. Wir sind immer noch sehr zufrieden mit dem neuen Album. Nun sind wir heiß drauf, das Ganze live auch zu präsentieren. Bereits bekannt bei euch ist das Mastering by Classen. Hierzu jedoch auch zwei Fragen: Wieso habt ihr bisher noch nie direkt bei Andy Classen aufgenommen? Wie kam es, dass ihr euer zweites Album woanders mastern habt lassen? Gregor – ein Freund von uns – betreibt das Hedgehog Studio direkt bei uns um die Ecke. Da der Stand der Technik bei Andy und bei Gregor derselbe ist, nehmen wir immer bei Gregor auf und mixen und mastern dies dann bei Andy. Die beiden haben auch schon einige Alben von Schweizer Bands so produziert. Das funktioniert anscheinend ohne Probleme. Bei „Eleven sins“ haben wir damals alles bei Gregor gemacht, d.h Aufnahme + Mix, und dann das Mastering bei Dan Suter. Wir wollten mal was Neues ausprobieren – quasi ein 100% helvetisches Produkt, he, he! Unsere Erwartungen wurden damals aber enttäuscht, so dass wir uns bei „As black turns red...“ wieder entschieden haben, mit Andy zu arbeiten. Immerhin hat Andy schon beinahe 20 Jahre MixErfahrung. Da nützen einem die geilsten High-End-Teile nix, wenn diese Erfahrung fehlt… Wenn du die Reaktionen auf das aktuelle Album mit jenen zum Vorgänger „Eleven sins“ vergleichst – was kannst du dazu sagen? Habt ihr evtl. auch eine andere Erwartungshaltung von Seiten Presse und Fans festgestellt? Da „Eleven sins“ sehr verspielt war und zum Teil mit starken progressiven Breaks und Rhythmen versehen war und diese bei „As black turns red“ eher der Songdienlichkeit und dem Härtegrad
gewichen sind, gibt es natürlich zwei Lager von Fans sowie Pressereaktionen. Bis jetzt haben wir aber zu „As black turns red“ fast nur sehr positive Reaktionen erhalten. Natürlich gibt es auch Leute, die sich gewünscht haben, dass wir weiterhin so melodische Alben schreiben. Wir machen aber einfach das, worauf wir Bock haben. Da kann bei uns auch mal ’ne Heavy-Nummer oder ein Grind-Stück mit auf die Platte. Was das anbelangt, haben wir alle einen offenen Horizont. Es ist uns, offen gesagt, egal, in welche Schublade wir gesteckt werden, solange der Spaß – der immerhin schon mehr als zehn Jahre dauert – weiterhin Bestand hat. Sprechen wir über das Album selbst: Reichlich Aggression und Wut transportiert ihr mit euren Stücken. Gleich mehrere potentielle Abrissbirnen sind auf „As black turns red“ zu finden. In Reviews habe ich Anhaltspunkte wie Exodus, Slayer, Legion of the Damned, Obituary, Trivium... gelesen. Wie würdet ihr euch selbst beschreiben, wenn ihr das aktuelle Album rezensieren müsstet? Eine Mischung aus älteren The Haunted-Sachen, gemixt mit Exodus, Hatesphere und einem ordentlichen Spritzer Hardcore, das Ganze in einem gehörigen Death Metal-Gewand. Womit wir eigentlich auch gleich bei unseren Einflüssen und Lieblingsbands wären... hehehe. Da kann auch das eine oder andere Riff mal Pate gestanden sein… hehehe... Textlich und auch optisch scheint ihr ein gewisses Konzept zu verfolgen. Stücke wie „Apocalypse of humanity“, „Fucked up liars“, „Blood for blood“ oder der Titeltrack sind nichts weniger als zornige Zustandsbeschreibungen der heutigen Zeit. Gibt es noch andere Inspirationen als aktuelle Nachrichten und Berichte aus Zeitung, TV, Internet etc.? Was verbindet ihr konkret mit der Textzeile „As black turns red“, so dass ihr diese direkt als Albumtitel gewählt habt? „As black turns red“ bedeutet, wie viel Liter Blut für einen Liter Öl vergossen werden müssen. Die kritischen Texte ziehen sich dann auch beinahe durchs ganze Album. Wenn du heute eine Zeitung liest oder dir die News im TV anschaust, ist es doch schon fast alltäglich geworden, den Krieg um die Ressourcen unter dem Deckmantel der Demokratie mit anzusehen. Oder? Meiner persönlichen Meinung nach: Wenn nur ansatzweise so viel Geld für die Bildung wie für das Militärbudget ausgegeben würde, könnten einige Probleme in Krisenstaaten sowie auch westlichen Staaten langfristig gelöst werden. Nur was hat die Wirtschaft kurzfristig davon? Etwas aus dem Rahmen fällt lyrisch „A decade of hate“, was
eine Art Rückblick auf zehn Jahre Shadow’s Far und ein Dankeschön an eure treuen Fans zu sein scheint. Wenn die letzten Zeilen nicht gewesen wären, hätte ich es fast als Abgesang interpretiert... Was hat zu diesem Text den Ausschlag gegeben? Unser Sänger wollte hier einfach auch mal was Witziges zum zehnjährigen Bandbestehen abliefern. Rausgekommen ist ’ne Old School-Thrashnummer, die sich mit dem Thema Band auseinandersetzt. Ungewöhnlich auf eine andere Art ist das Outro „38’000“ mit teils fernöstlichen Klängen. Was hat euch dazu bewegt? Welchen tieferen Sinn hat die Zahl? Die Zusammenarbeit mit Al Qaynah hat sich über MySpace ergeben. Ich fand seinen arabisch/persischen Sound sehr interessant und fragte ihn einfach, ob er mit uns zusammenarbeiten würde. Ich habe niemals damit gerechnet, dass er zusagen würde! Da sich das Album thematisch mit dem Öl und den Konflikten darum befasst, passt der Track mit den traditionellen Klängen perfekt zum Album. „38’000“ hat eine tiefere Bedeutung, die wir nicht preisgeben möchten. Wir sind überzeugt, mit den Al QaynahLeuten aus Afghanistan wieder einmal zusammenzuarbeiten. Nochmal zurück zu euren Umbesetzungen: Wie habt ihr die beiden „Neuen“ gefunden? Bereits persönlich bekannt? Empfehlungen aus Freundes-/Musikerkollegenkreis? Casting? Roman wurde uns durch einen Freund, der ihn aus dem Militärdienst kannte, empfohlen. Pascal ist ein alter Bekannter von uns und hat vorher auch in einigen Schweizer Death- sowie Thrash-Kapellen gezockt. Als Gründe für das Ausscheiden der beiden Vorgänger habt ihr u.a. „career reasons“ angegeben. Ich interpretiere das mal als berufliche Gründe. Wie schaut das bei der aktuellen Besetzung aus: Keine Schwierigkeiten, das toughe Programm mit regelmäßigen Releases und vor allem aktiven und regelmäßigen Live-Gigs unter einen Hut zu bringen? Wie verbringt ihr euren (beruflichen) Alltag? Das war in der Vergangenheit noch viel schwieriger, da Dan (unser alter Sänger) Kapitän bei einer europäischen Airline ist. Aber auch mit der neuen Besetzung ist es nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Ich (Gitarre) arbeite zum Beispiel als Projekt-Manager Middle East. Serge (Gitarre) ist Kälteingenieur. Pascal (Bass): Automationstechniker Roman (Bass): Förster Remo (Drums): Eventmanager/Booker Apropros Live-Gigs: An der Front seid ihr äußerst aktiv, habt bereits diverse Länder Europas bespielt und wart in den letzten beiden Jahren sogar auf zwei Touren dabei. Einfach Glück, gute
Connections oder wie kamen diese zustande? Eine ordentliche Portion Glück und die guten Kontakte von Butch (Drummer) helfen uns da immer. Auch sind wir, was die Promoarbeit anbelangt, im Netz sehr aktiv und schreiben schon mal stinkfrech jeden potentiellen Promoter an... Steht zum aktuellen Album bereits tourtechnisch etwas in den Startlöchern? Da ich zurzeit wegen einer Kreuzband-OP immer noch zu Hause liege, mussten wir alle Shows auf Ende Januar verschieben. Aber wir werden an Ostern eine kleine Schweizer Tour absolvieren und dann im Mai in Irland 4-5 Shows spielen. Dazwischen spielen wir immer wieder einzelne Shows. Natürlich sind wir immer froh über ein paar Tipps, wo wir zocken könnten. Also los, Österreich: Ab an die Tasten und bucht uns! Was waren von den vergangenen Touren die bisher prägnantesten Erinnerungen, die euch immer wieder zu heiterem oder nachdenklichem Anekdoten-Erzählen verleiten? Die Tour vom letzen Jahr mit Vendetta war schon ein Highlight in Sachen Spaß. Vor allem Frankreich/Lyon ist zu erwähnen, wo wir vor nur vier Leuten gezockt haben, aber tierischen Spaß hatten… Auch die Tour in Irland vom letzten Jahr war schlicht genial. Ca. 400 Leute im Fibre Magees Club in Dublin zum Beispiel haben uns da abgefeiert, als wären wir Slayer! Das kann aber auch an den unkaputtbaren Lebern und dem Guinness der Iren liegen... Auch Slowenien, Italien, Deutschland und die Schweiz sind da grandios. Aber die Iren sind einfach nicht zu schlagen. Eure Homepage zieren die wichtigsten Netzwerk-Seiten unserer Zeit (MySpace, YouTube, Last FM, Facebook). Wie wichtig sind diese Kanäle für euch – als Band zum einen und als Privatpersonen zum anderen? Kannst du dir noch vorstellen, wie du gerade versuchen würdest, euer aktuelles Album ohne diese ganzen Möglichkeiten zu promoten? Beschreib doch mal grob: Was würdest du tun? ;-) Boah, das wäre ganz schön schwierig. Wahrscheinlich müssten wir CDs kopieren und diese Kopien in der halben Welt per Post verschicken. Da bin ich schon froh, dass es MySpace gibt. Da kann
sich jeder innerhalb kürzester Zeit einen Eindruck von einer Band verschaffen. Ich denke, diese Medien sowie auch illegale Downloads nützen so einer kleinen Band, wie wir sie sind, sehr. Unser neues Album war komischerweise vor Veröffentlichung schon im Netz bei ca. 50 Download-Portalen gelistet und wurde inzwischen fast tausendmal runtergeladen. Da wird wohl der eine oder andere Schlager-Fan erschrocken sein... Ihr vermeldet stolz, dass ihr seit kurzem „Endorsed by Schecter Guitars“ seid. Wie kommt man als Band eures Status an so einen Deal, was verspricht sich die Firma davon und was bedeutet das konkret für euch? Wer mich kennt, weiß, dass – wenn ich mich in eine Sache verbissen habe – ich nicht locker lasse. Ich habe Schecter immer wieder angeschrieben und angerufen, um uns vorzustellen etc. Nun hat es endlich geklappt: Der Generalimporteur der Schweiz hat uns für Schecter Klampfen und Bässe endorsed und wir können uns die Teile mit massiven Rabatten beschaffen. Wir spielen auch alle in der Band mit Schecter Instrumenten. 2010 steckt gerade in den Kinderschuhen – was sind die nächsten Sachen, die für euch anstehen, und was habt ihr für das Jahr als Ganzes vorgenommen? Wir hoffen, dass wir mit dem neuen Album ein ganzes Stück nach vorne kommen werden, und freuen uns auf viele, viele Live-Erlebnisse. Wir hoffen auch, dass wir unsere Scheibe ausverkauft kriegen, da wir lediglich 1.000 Stück machen ließen. Wenn wir also nachpressen könnten, würde sich dies schlussendlich wenigstens ein bisschen rentieren. Also kauft euch das Album, auch wenn ihr den Sound nicht mögt, schenkt es doch einfach eurem Fahrradhändler oder der Oma... Die Fragen gehen mir so langsam aus – Zeit für die „famous last words“! Booking-Anfragen, CD-Käufe und Heiratsanträge bitte per Mail an uns: info@stonepath-records.ch. Danke vielmals für das Interview, Bruno & Shadow’s Far!
Kai SCHEIBE | Webseite: www.s-i-f.ch
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„Remorses To Remember“ als überzeugendes Stück progressiven Gefrickels anzusehen, ist legitim, denn auf dem Erstlingswerk der Jungs befinden sich hartmetallische Perlen, die Fans von Opeth und Konsorten mehr als zufrieden stellen dürften. Vili, bis heute seid ihr in Österreich und auch im restlichen Europa nicht allzu bekannt. Würdest du kurz eure bisherige Karriere mit einigen wichtigen Eckdaten Revue passieren lassen? Vili: Pressure Points sind im Grunde aus einer Jam-Session zwischen Kari (Gitarrist, Songwriter) und mir vor knapp sechs Jahren entstanden. Es hat letztendlich aber doch noch gute drei Jahre gedauert, um das heutige LineUp zu komplementieren. Während dieser Zeitspanne haben wir ein Demo veröffentlicht und über 70 Gigs gespielt, auch außerhalb Finnlands. Das erste Demo wurde als „Demo 2005“ veröffentlicht und beinhaltet insgesamt fünf Songs, von denen es kein einziger auf „Remorses To Remember“ geschafft hat. Knapp zwei Jahre danach wurde mit „Edge Of Endurance“ das zweite musikalische Lebenszeichen gesendet, das letztendlich zum Deal mit Firebox führte. In ihrem Heimatland wurde das Album zwei Wochen früher veröffentlicht und stieg auf dem respektablen 44. Platz in die Charts ein. Welche Gefühle löste das bei dir aus? Vili: Es ist natürlich ein großartiges Gefühl, dass wir es mit unserer Musik geschafft haben, in die Charts zu gelangen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verkäufe von „Remorses To Remember“ über den Webstore von Firebox noch nicht einmal mit eingerechnet. Es gibt zurzeit eine Art
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progressive Bewegung innerhalb der Szene, du brauchst dir ja nur Bands wie Porcupine Tree, Opeth oder Dream Theater anzusehen. Vor zehn Jahren waren sie alle noch relativ unbekannt (Dream Theater anno 2000 eine „NoName-Truppe“? Schwer vorstellbar. – Anm. d. Verf.). Heute verkaufen sie sehr viele ihrer Alben und ziehen riesige Touren durch. Zudem habe sie in den letzten Jahren alle mit Roadrunner Records ein neues Zuhause gefunden. Interessant, interessant! Was Vili eigentlich zu sagen versucht, während er sich im Wirrwarr der englischen Sprache verheddert, ist, dass in den letzten zehn Jahren eine – zugegeben – wichtige Entwicklung stattfand, die den progressiven, harten Kern der Szene betraf. Nicht nur Bands wie Dream Theater und Porcupine Tree (die heute noch immer, gemessen an den Verkaufszahlen, als sträflich unterbewertet gelten) vergrößerten ihren Bekanntheitsgrad, sondern allen progressiven Bands wurde innerhalb der letzten zehn Jahre viel mehr Aufmerksamkeit zuteil als in den Jahren zuvor. Dass sich Roadrunner hier ein Stück vom Kuchen sichern wollten und dies mit den eben genannten Bands unter anderem auch taten, ist nur natürlich und verdeutlicht den Stellenwert, den Vertreter dieses Genres mittlerweile innehaben. Dabei haben es finnische Vertreter noch ein wenig einfacher. Eine Charts-Platzierung ist zwar immer eine Auszeichnung, für finnische Bands aber oft schon zur Normalität gewordene Erfahrung. Metal gilt hier gesellschaftlich als akzeptiert. Vili: Über dieses Thema kannst du gut und gerne eine wis-
senschaftliche Arbeit verfassen. Ich könnte dir nun ein paar klischeehafte Erklärungen liefern, lass’ das aber doch lieber sein (Warum? – Anm. d. Verf.). Nur so viel: Es hat auf jeden Fall mit den kalten und dunklen Wintertagen zu tun, nicht? Aha! Demzufolge müssten österreichische Bands bei den heute schon zum Teil arktischen Temperaturen in unseren Breitengraden die Charts im Höllentempo emporklettern. Natürlich, die Antwort von Vili war nicht ganz ernst gemeint, etwas tiefer in die Materie hätte der Gute trotz allem eindringen können. Doch genug davon, wenden wir uns „Remorses To Remember“ zu, einem qualitativ hochklassigen Album progressiven Stahls, auf dem es viele Wege zu erkunden und noch mehr zu entdecken gibt. Vili: Da stimme ich dir völlig zu! Das ist es, was wir zu erreichen versuchen. Wir wollen uns keinesfalls in irgendeiner Weise limitieren und experimentieren jederzeit in die verschiedensten Richtungen. Ich hoffe, dass die Zuhörer viele emotionale Momente erfahren und sich auf einer Art Abenteuerreise wiederfinden. Das ist es, worum es in der Kunst in erster Linie geht, und sollte jemand aus den Texten und dem Thema hinter dem Album Erfahrung gewinnen, so ist das noch besser. Mich ärgert es, dass sehr viele Künstler keinen Wert auf gute Texte legen, denn nur so lässt sich maximale Erfahrung vollständig gewinnen. Juho: Es ist eine musikalische Reise, die eigentlich aus zwei Seiten besteht. Der Anfang des Albums ist heavier und aggressiver, während „Calm“ lieblicher und leichter ausfiel und in das finale „Grand Delusion“ mündet. Die Musik ist einzigartig, da sich auf dem Album und auch in
jedem einzelnen Song so viele unterschiedlichste Ideen befinden. Die Zuhörer werden merken, wie sehr das Album im Laufe seiner Spielzeit wächst. „Calm“ und „The Past Within“ sind dabei mein favorisierten Stücke, da ihnen sehr leicht gefolgt werden kann und zwischen beiden ein dramatischer Austausch stattfindet. Das Album ändert sich einfach, je öfter du es dir anhörst. Um das eben Gehörte auch in die richtige Schublade packen zu können, verwenden Journalisten gerne stilistisch ähnlich gelagerte Bands als Vergleich, um den Lesern ein Bild dessen vermitteln zu können, was sie auf einem Album erwartet. Im Fall von Pressure Points müssen Szene-Ikonen wie Opeth herhalten, die trotz etlicher Unterschiede auch viele Gemeinsamkeiten mit ihren finnischen Kollegen aufweisen. Ein Vergleich, der die Erwartungshaltung der Hörer in die Höhe schraubt und hoffentlich auch erfüllt. Vili: Ich hasse und ich mag diese Vergleiche. Es kommt mir fast so vor, als ob Opeth hier im Norden ein Patent auf progressiven Death Metal hätten, als ob kein weiterer Platz für andere Bands in diesem Gerne wäre. Es geht letztendlich doch nur um gute und schlechte Musik! Zugleich müssen wir auch dankbar für diese Schubladisierungen sein. „Remorses To Remember“ lässt sich beispielsweise mit „Orchid“ von Opeth sehr gut vergleichen. Die Gemeinsamkeiten zwischen den glorreichen Opeth vergangener Tage, als diese noch nicht als Paradebeispiel progressiver Tonkunst galten und selbst noch auf der Suche nach einer eigenen Identität waren, und Pressure Points beziehen sich sowohl auf den Aufbau der Songs, musikalisch vermittelte Stimmungen, aber auch auf die Länge der Kompositionen, die den üblichen Zeitrahmen deutlich sprengen, aber in progressiven Szene-Ecken durchaus als Usus gelten. Nicht nur setzen sich Pressure Points dadurch der Gefahr aus, den Zuhörer zu langweilen, gleichsam können überlange Songs natürlich einen Song ungemein bereichern, da man in zehn Minuten einfach viel mehr transportieren kann, als dies gewöhnlich möglich ist.
Vili: Die Länge der Songs ist bei uns kein absolutes Muss. Derzeit ist es für uns aber absolut notwendig, lange Songs zu komponieren, da wir viele unterschiedlichste Ausdrucksweisen unterbringen möchten. Juho: Die Gefahr des „Sich-Langweilens“ haben wir hoffentlich einfach dadurch minimiert, dass wir interessante Songs schreiben. Zu einem interessanten musikalischen Konzept gehört auch ein passendes Cover-Artwork. Im Falle von Pressure Points ziert das Cover ein abstraktes Gebilde, passend zum Genre, in dem sich die Truppe bewegt. Was es darstellt, erklärt Vili gerne. Vili: Wir hatten anfangs die größten Probleme, überhaupt einen geeigneten Künstler aufzutreiben. Unsere Idee dessen, was wir uns vorstellten, hatten wir auch erst einmal treffend zu beschreiben. Wir wollten einfach etwas Einfaches haben, das zugleich aber symbolischen Charakter aufweist. Gemeinsam haben wir die unterschiedlichsten Ideen verfolgt und einen Künstler nach dem anderen kontaktiert, bis Juho mit dem erlösenden Einfall ankam, der nun auch das Cover ziert: ein zerknülltes Stück Papier. Das Cover stellte eine gelungene Metapher für all unsere vergangenen Ereignisse dar. Alles, was passiert, formt und hat sowohl einen positiven als auch einen negativen Effekt auf dich selbst, was du an dem optimistischen Hinweis durch das fast ausgerollte Papier auf der Rückseite des Artworks erkennen kannst. Die Texte sind dabei in einer Art Umfrage einer heranwachsenden, jungen Person angelegt, die sich mit Themen wie eben dem Erwachsenwerden, Unabhängigkeit und Beziehungen beschäftigt. Als Texter konnte ich mich mit all diesen Ideen sofort anfreunden. Das Booklet selbst hat unser Cover-Künstler nach eigenem Ermessen gestaltet. Wir haben ihm dabei völlig freie Hand gelassen. Er hat dann, aufgrund seiner Erfahrung mit unserer Musik, die anderen Texturen und Formen entworfen. Im Grunde hatten wir sehr viel Glück, dass er die Musik mochte. Juho: Das endgültige Artwork hat sich erst nach vielen, vielen Skizzen entwickelt. Alle Vorschläge waren reizvoll, weshalb ich in dieser Zeit sehr viel Papier zerknüllt habe. Und auf einmal hatte ich das Bild des zerknüllten Papiers
vor mir und das Motiv war gefunden. Nicht jede Band verwendet gleichermaßen viel Energie in simple grafische Details. Während für viele das Artwork bloß ein notwendiges Übel darstellt, das ebenfalls vorhanden sein muss, ist es für andere Künstler unbedingt notwendig, dass sowohl die Musik als auch die grafischen Aspekte eine Einheit bilden. Vili: Es gilt im Grunde dasselbe, was ich schon in Bezug auf die Lyrics gesagt habe. Wenn man sich konzentriert mit allen Bereichen beschäftigt, so ist das Resultat optisch und akustisch ansprechend. Ich selbst liebe es, wenn Ton und Bild eine gelungene Einheit bilden. Veröffentlicht wurde „Remorses To Remember“ über das finnische Label Firebox. Vili hat jedoch keine Angst, dass sie als Newcomer neben all den herausragenden Kollegen nicht die Unterstützung bekommen, die sie sich wünschen. Juho: Mit unserer Musik fallen wir bei Firebox ein wenig aus dem Rahmen und haben deswegen auch keine Angst, dass wir nur minimal gefördert werden. Bisher klappt die Zusammenarbeit ausgezeichnet, wir bekommen genügend Aufmerksamkeit und unser Album all die Unterstützung und Werbung, die es braucht. Für die Zukunft haben sich Pressure Points keine großen Ziele auferlegt, sondern lassen alles entspannt auf sich zukommen. Vili: Wir haben eigentlich keine bestimmten Ziele, hoffen aber doch, dass „Remorses To Remember“ weiterhin so gute Reviews wie bisher bekommt und die Leute das Album anhören und diesem eine Chance geben. Im Frühjahr sind wir auf Tour quer durch Finnland und die baltischen Staaten, im Sommer ergeben sich vielleicht einige Festival-Slots und eine kleine Europa-Tournee mit Zwischenstation in Österreich. Ich habe gehört, bei euch soll es eine Menge Metal-Fans geben! Der Gute hat richtig gehört und kann sich hoffentlich bald von der österreichischen Szene und Gastfreundschaft ein Bild machen. Bis dahin solltet ihr „Remorses To Remember“, schon alleine aufgrund zahlreicher früher Opeth-Referenzen, antesten und den Jungs eine Chance geben. Michael FREITAG | Webseite: www.pressure-points.net
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Sprachrohr und Schlagzeuger Tom Zonyga nahm sich genügend Zeit, um ausführlich sowohl seine eigene musikalische Entwicklung als auch den aktuellen Stand der Dinge im Parental-Camp zu diskutieren. Tom, du bist seit Jahren im österreichischen Underground aktiv und natürlich in Wien eine der bekannteren Szene-Figuren. Wie hat sich deiner Einschätzung nach die Wiener Szene in den letzten zehn Jahren verändert? Gleich vorab – hallo Michi und hallo an alle Arising Realm-Leser, die sich möglicherweise diese geistigen Ergüsse durchlesen wollen. Eine „Szene-Figur“ – besser könnte man es nicht treffen, haha. Zu deiner Frage: Die Szene hat sich komplett und gar nicht verändert. Paradoxerweise erscheint es für mich
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so. Es haben sich die Lokale verändert, es haben sich die Bierpreise verändert (negativ!), es hat sich großteils das Publikum verändert. Was sich jedoch gar nicht verändert hat, ist die Lust und der Spaß am Metal in Wien! Dass die meisten doch an einem Strang ziehen und dafür sorgen, dass Konzerte gut besucht werden. Alles in allem hat sich hier alles sehr positiv entwickelt! Herrschte doch vor Jahren noch ein gewisses Monopol an Veranstaltern, die einem die Laune mit zu überteuerten Preisen und seltsamen Bedingungen für heimische Support Acts (Vorverkaufspflicht etc.) versaut haben, hat sich der „Markt“ ganz gut entwickelt und es werden Gigs zu echt fairen Preisen angeboten – um nur mal auf die Live-Gigs-Situation einzugehen. Du hattest in den letzten zehn Jahren zwei große
Betätigungsfelder: Seeds Of Sorrow und Parental Advisory. Hat es dich in all diesen Jahren nie gereizt, das eine oder andere gemäßigtere und/oder auch „Metal-untypische“ Projekt zu starten oder an einem bereits bestehenden mitzuwirken? Um genau zu sein, war ich zwölf Jahre bei den Seeds (1994 – 2006) und seit 2004 bin ich mit den Parentals unterwegs. Ich habe bereits mit den Seeds und später dann mit den Parentals derart geniale und spaßreiche (feiern ohne Ende!) Zeit gehabt, dass ich keine Sekunde daran dachte, noch eine dritte, ruhigere Partie zu wollen oder zu brauchen. Gemäßigte und Metal-untypische Musik höre ich privat, Schlagzeug spielen möchte ich, zumindest zurzeit, nur Metal. Alles andere wäre nicht meins und ich würde mir etwas vormachen. Deine „große Liebe“ gilt wohl dem Death Metal und Grindcore. Wie hast du sie für dich entdeckt? Ich habe bereits als Siebenjähriger Metal gehört. Helloween, Iron Maiden, Accept… die klassischen 80erBands eben. In der Pubertät durchlebte ich eine (eigentlich furchtbare) Guns N’ Roses-Zeit, die später durch Sepultura (fast schon süchtig) abgelöst wurde,
bis ich Bands wie Napalm Death, Morbid Angel, Carcass, Bolt Thrower und andere entdeckt habe. Viel dazu beigetragen hat in den 90ern der „Headbangers Ball“ auf MTV mit Vanessa Warwick. So bin ich immer mehr an diese Musik rangekommen und habe sie für mich entdeckt. Der klassische Heavy Metal war mir zu bunt, zu „Mainstream“, das wollte ich nicht, eher diese „Randgruppen“, die etwas Neues, Ungewöhnliches geschaffen haben. Als ich zum ersten Mal einen Blast Beat von Mick „The Human Tornado“ Harris von Napalm Death hörte, hatte ich Gänsehaut und der klassische Heavy Metal war für mich gegessen. Musikalisch hast du dich selbst in all den Jahren auch verändert. So bist du von Seeds Of Sorrow zu Parental Advisory gewechselt. Die Gründe für deinen Wechsel interessieren nur zweitrangig, viel interessanter ist die Frage, ob du bei Seeds Of Sorrow, die demnächst ihr neues Album veröffentlichen, noch gerne dabei wärst? Jeder Musiker, jede Band entwickelt sich, so habe ich mich entwickelt, wie Seeds of Sorrow auch. Somit spielen die Gründe meines Wechsels schon eine Rolle, denn es ist der musikalische Stil von Parental Advisory, der mich musikalisch widerspiegelt und hundertprozentig meinem Geschmack entspricht. Somit würde ich bei keiner anderen Band spielen wollen. Wobei man das hohe musikalische Niveau der SeedsBurschen sehr wohl anmerken muss! Derzeit genießen Parental Advisory, bei denen du seit knapp sechs Jahren aktiv bist, deine volle Aufmerksamkeit. Schon vor einiger Zeit habt ihr mit „The Wither Process“ das zweite Album veröffentlicht. „The Wither Process“ wurde vom tschechischen Label Nice To Eat You Records veröffentlicht. Du fühlst dich ja seit jeher dem Osten Europas sehr zugetan. Eher aus familiären oder szenenideologischen Gründen? Fühle ich mich dem Osten wirklich zugetan? Ich denke, meine Herkunft, Kenntnisse der Sprache und viele Kontakte haben für meine Bands so einige gute Gigs und Zeiten dort beschert. Wobei wir auch schon unlustige Gigs mit wenig und demotivierten Publikum erlebt haben. Aber die Szene ist mittlerweile nicht
viel anders als bei uns. Die Zeiten, als wir mit den Seeds beispielsweise beim Nuclear Storm Festival 1998 als Headliner an einem Tag ca. 1.500 Zuschauer hatten, sind definitiv auch im Osten vorbei. Aber sonst fühle ich mich dem Osten Europas eher nicht zugetan, hätte ich ihn sonst verlassen? Auf eurem neuen Album habt ihr meiner Ansicht nach das Tempo etwas zurückgenommen und auch Wert auf eingängige Strukturen gelegt. „The Wither Process“ zeichnet sich vor allem durch eine gehörige Portion Groove aus. Viele Bands sind technisch auf der Höhe, besitzen aber keinen Funken Groove, der das Material erst interessant macht. Wie siehst du das? Ich gebe dir teilweise recht, aber eben nur teilweise. Wir haben, so glaube ich, eine ganz gute Mischung getroffen, die diese Musik („Brutal Death“) ausmacht. Einfach nur aufs Gaspedal drücken, würde uns keinen Spaß machen. Oft wird Musik mit einem Hochgeschwindigkeits-Wettbewerb verglichen: je schneller, umso besser. Diese Meinung teile ich definitiv nicht! In erster Linie machen wir die Musik für uns, aber wenn wir live spielen, möchten wir, dass die Leute auch Spaß daran haben, uns zuhören und wenn wir grooven, dass sie mitgehen – und das geht kaum bei superschnellen Sachen. Da stehen die Leute meistens nur herum und fühlen sich nach längerer Zeit überfordert. Es wird langweilig, auch für uns. Außerdem finde ich, dass die drei Burschen, die bei uns immer vorn stehen – Otto, Sic & Marathon – einfach eine geniale Bühnenshow liefern, wenn wir grooven. Hast du schon mal den 360-Grad-Jump von Otto gesehen? Hahahahaha, das geht zwar nur auf größeren Bühnen, aber wenn, dann nur bei langsameren Passagen. Wir wollen und werden an diesem Stil auch nichts ändern und wir kommen aus der Dying Fetus/Cannibal Corpse-Ecke, wo der Groove eine extrem große Rolle spielt!
In Anfangstagen fand Themen wie Zombies, Horror und Selbstmord Verwendung. Das hat sich bis heute offenbar nicht geändert. Siehst du diese Themen untrennbar mit Parental Advisory verbunden? Als ein Grundgerüst, an dem nicht gerüttelt wird/werden darf? Überhaupt nicht! Die angeschnittenen Themen sind zwar die Lieblingsthemen von uns (speziell von Sic), aber wir habe auch andere Lyrics, vor allem bei den Songs, an denen wir gerade arbeiten – sie werden vielschichtiger, sozialkritischer, aber dennoch weiterhin provokant, um aufzuzeigen, wie krank die Welt eigentlich ist. Ihr bezeichnet „The Wither Process“ als den „Spiegel der Band“. Gemeint als eine Art Momentaufnahme des Status quo im Jahr 2008 oder eher in dem Sinn, dass „The Wither Process“ eure Sixtinische Kapelle darstellt? Da kommen wir wieder zur Entwicklung einzelner Musiker und der ganzen Band. Ich glaube, wir haben mit „The Wither Process“ einen Stil gefunden! Klar, die Zombie-Legion ist stilistisch auch schon ein fixes Ding, jedoch für mich noch relativ „offen“. Wir haben diese Richtung eingeschlagen und finden das auch ok, somit werden wir auch in nächster Zeit dieser Linie treu bleiben. Aber keine Ahnung, wie wir in fünf oder zehn Jahren klingen werden. Jetzt, knapp 1 1/2 Jahre nach der Veröffentlichung des Albums, gibt es sicher ein paar Dinge, die du gerne ändern würdest. Welche sind diese? Oder völlige Zufriedenheit mit dem fertigen Produkt? So gesehen sind wir alle sehr zufrieden, ein neues, vielleicht größeres Label wäre wünschenswert, wobei wir Nice To Eat You Records sehr dankbar sind. Parental Advisory genießen innerhalb des österreichischen Undergrounds einen großen Bekanntheitsgrad. Ich habe den Eindruck, dass ihr mit der derzeitigen Situation mehr als zufrieden seid.
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Wie viel Potential siehst du noch, um den Bekanntheitsgrad der Band zu steigern? Gibt es dieses Potential? Klar gibt’s das! Im Süden und Westen Österreichs könnte man sicher noch Einiges machen und international, zumindest in Europa, sowieso. Aber nicht nur Gig-technisch, auch aus der Band könnten und werden wir noch mehr herausholen. Ich sehe hier sehr viel Potential! Ihr arbeitet doch sicher bereits an neuem musikalischem Material. Kannst du mir einen kleinen Überblick darüber gehen, wohin die Reise geht? Wie schon bei der Frage „Spiegel der Band“ erwähnt, werden wir unsere eingeschlagene Richtung weiter fortführen – ein wenig ausgereifter, raffinierter und mit einigen netten Überraschungen. Das Proben macht sehr viel Spaß und wir kommen ganz gut voran. Wir freuen uns auf jeden Fall jetzt schon sehr auf zukünftige Studioaufnahmen! Es geht gut voran und wir steigern uns. Auf der Suche nach Informationen über Parental Advisory habe ich natürlich auch eure Webseite entdeckt. Diese wird nur sehr sporadisch aktuell gehalten, wie es scheint. Seht ihr eure Webseite eher nur als Beiwerk denn als sinnvolle (optische) Ergänzung zum musikalischen Parental AdvisoryTeil? Wir fahren alles über myspace.com/parentaladvisorydeathmetal. Dort sind wir gleich in einem Netzwerk und wenn wir etwas aktualisieren, sehen es die Leute sofort. Ich finde unsere Extra-Homepage fast schon überflüssig, vielleicht wird es diese bald auch nicht mehr geben. Im Übrigen haben wir auf Facebook auch eine Fan-Page: facebook.com/parentaladvisorydeathmetal Du bist seit jeher Schlagzeuger. Hat es dich zeitweise gereizt, auch andere Instrumente zu lernen und zu beherrschen? Ich habe sieben Jahre lang eine klassische Cello-Ausbildung genossen und zwei Jahre Schlagzeug. Ich habe zu Hause eine akustische Gitarre, die ich zurzeit zum Üben von Kinderliedern für meine neugeborene Tochter verwende, hehe. Ich bin da sehr autodidaktisch unterwegs und solange ich mein Gehör habe, funktioniert es spaßhalber mit anderen Instrumenten auch ganz gut. Ach ja, Johnny Cash- und Ugly Kid Joe-Lieder singe ich auch gerne nach, haha – du willst es nicht hören! Hat sich für einen Musiker wie dich die Einstellung zur Musik aufgrund technischer Innovationen wie MP3, MySpace, YouTube etc. verändert? Verändert es die Einstellung eines Musikers überhaupt? Die Einstellung hat sich natürlich nicht verändert. Es
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hat sich der Zugang verändert. Ich halte vom Downloaden nicht viel, da ich CDs gerne sammle. Aber zum Reinhören und Gustieren verwende ich schon das eine oder andere von dir erwähnte Medium. Für uns, als Hobbymusiker, ist es nur vorteilhaft, wenn unsere Songs im Netz herumkursieren. Das ist ja auch Werbung und verschafft uns vielleicht den einen oder anderen Gig. Nette Geschichte zum illegalen Downloaden: Noch am selben Tag der Veröffentlichung von „The Wither Process“ (20.9.2008) gab es das komplette Album inkl. Cover (!) auf einer russischen Download-Homepage zum Downloaden! Aber sonst bin ich der Meinung, dass es der Musikbranche (sei es Künstler, Plattenlabel, Vertrieb, Handel) schadet! Die meisten Plattenfirmen haben den technischen Vorsprung verpennt, sie hätten sich bereits Ende der 90er Jahre etwas überlegen sollen, damit das Geschäft nicht einbricht, und nicht Jahre später jammern, verklagen und nur die Symptome bekämpfen. Das finde ich lächerlich. Alles verändert sich, gerade in diesen Zeiten. Aber die Kohle, die die Majors in den letzten 40 Jahren verdient haben, müsste man mal verdienen. Die Labels jammern nicht, weil sie keine Kohle haben, die haben genug. Sie jammern, dass sie nicht NOCH MEHR Kohle haben, und das ist zum Kotzen! Erinnerst du dich noch an die „älteren“ Demonware-Zeiten, deine Anfänge als Musiker und generell die Zeit um die Jahrtausendwende? Aber selbstverständlich! Hannes & Demonware Records – herrlich war das! Es waren aber nicht meine Anfänge, die waren bereits 1993/1994, Demonware war ab 1998 aktuell. Mit den Seeds haben wir bereits 1995 auf eigene Kosten die erste CD „The Final Blast“ veröffentlicht. Der Hannes war echt dahinter, er hatte eine Vision und hat sich echt bemüht. Er hatte uns und unsere Kollegen Thal gut unterstützt und gepusht! Wir haben mit ihm damals sehr intensiv gearbeitet, aber auch sehr viel gespielt. Damals haben wir echt nette Support-Shows gespielt, die uns unter anderem unser alter Freund und Szene-Ikone Alex Wank (Pungent Stench – Anm d. Verf.) beschert
hat. „Damals“ war alles unkomplizierter, lockerer. Aber alles hat irgendwann ein Ende, so auch Demonware – leider! Aber irgendwie verständlich, wenn man einen sehr zeitaufwändigen, stressigen Job hat, kann man sich nicht 100%ig um irgendwelche Metaller kümmern! Schön war’s… Du bist ja selbst seit Jahren auch als Veranstalter aktiv. Wie betrachtest du aktuelle Entwicklungen wie beispielsweise die Umbenennung des Summernights-Festivals in Metalfest und den Wechsel zu Rock The Nation? Welche Auswirkungen auf unabhängige, idealistische Veranstalter ergeben sich durch eine Ausdehnung von RTN? Gibt es hier für dich auch positive Aspekte? Besser gesagt – ich war es! Nach zwölf Jahren habe ich genug vom Veranstalten. Vor allem das letzte desaströse Bloodfest Vienna hat mir mehr bewiesen, dass ich es nicht mehr machen soll, möchte, whatever… Zu RTN, Stefan, mit dem ich mich immer gut verstanden habe, hat hier etwas aufgezogen, was sonst niemand gewagt und getan hat. Ein „Lokal-Veranstalter“ wurde zu einem internationalen Unternehmen – geschäftstechnisch sicher keine einfache Sache. Dass ein mittlerweile so großes Unternehmen wie RTN kleine Veranstalter „schluckt“, ist irgendwo logisch. Ob es gut oder schlecht ist, möchte ich nicht kommentieren. Nur so viel, ich halte nichts vom TicketZwangsverkauf von kleinen Support-Acts, nur damit sie spielen können. Das hat nichts mit Kunst oder Musik zu tun, das ist reines Business, aber das betrifft sicher nicht nur RTN, das gab es schon vor 15 Jahren im Rockhaus beim ABC, YBC, Popodrom etc. Und von Monopol-Unternehmen halte ich auch nicht viel – just my 2 cents… In 15 bis 20 Jahren gehören wir bereits zur Gruppe 50+. Kannst du dir vorstellen, bis ins hohe Alter musikalisch aktiv zu sein? Aber selbstverständlich! Wie auch immer das aussehen oder sich anhören wird! Guter Rock, Blues oder noch immer Metal – es ist auch egal, Hauptsache Spaß macht es! Bis zum Profi-Musiker werde ich es ohnehin nicht schaffen, also steht alles offen. Ich bedanke mich auch im Namen von Parental Advisory für das Interview, wünsche AR und seinen Lesern alles Gute und Hornz Up! Vielleicht sieht man sich beim nächsten Gig! Michael FREITAG | Webseite: www.headfuckcrew.com
von Pascal ZUGER | www.lost-dreams.com
Alex: Wir lernten uns Mitte der 90er in der Schule kennen und coverten zunächst unsere Helden. Mit der Zeit entwickelten wir daraus unseren eigenen Stil und 2001 nahmen wir unser erstes Album „Lobotomy“ auf, dem 2004 „Sleeping Gods Lie“ folgte, welches einen wesentlichen Entwicklungsschritt darstellte. Aus verschiedenen Gründen brach dann leider das Line-Up auseinander, übrig blieben nur Ben und ich. Diese Zeit war schwierig, aber nach einer langen Durststrecke kam in Form von Dariusz und Tom wieder frisches Blut in die Band. Daraus resultierte natürlich auch ein Motivationsschub, von dem man sich jetzt auf „Life Is Decay“ überzeugen kann. Was wir unseren LeserInnen auch wirklich nahelegen. Aber darf die Scheibe bereits als Gemeinschaftsprodukt des neuen Line-Ups definiert werden oder stammen nicht zumindest Teile noch aus der Zeit davor? Ben: Einige Songs des Albums hatten wir eigentlich schon 2007 aufgenommen, waren aber mit der Qualität der Aufnahme unzufrieden – abgesehen davon zeichneten sich schon die ersten Line-Up-Probleme ab. Die übrigen Songs entstanden in der Zeit danach, die Neuzugänge im Line-Up waren allerdings noch nicht am Entstehungsprozess beteiligt – das wird sich in Zukunft
sicherlich ändern. Wie entsteht denn ein Days Of Loss-Song, wer ist aktiv in Song- und Textwriting involviert? Die Credits auf dem „Life...“-Booklet sind ja fast für jeden Song anders... Alex: Im Großen und Ganzen entstammen die Songs meiner Feder, aber im Proberaum wird dann aktiv am Arrangement und auch an einigen konkreten Parts gearbeitet. Das Grundgerüst steht also bereits, was allerdings nicht als bindend anzusehen ist. Ben: Und die Texte entstehen meist durch zielgesetzte Brainstorming-Sessions – oder einzelne Mitglieder haben bereits Ideen und fertige Texte. Oft fallen mir schon bei der Probe einige Textfragmente ein, um die wir dann herumbasteln... Zwei Texte der neuen CD hat aber auch schon Dariusz geschrieben, wir sehen das da nicht so eng und verkniffen. Na dann erzählt mal ein wenig über eure Texte... Und dazu passend: Was hat es mit dem wunderbar optimistischen Albumtitel auf sich und wie weit kann man (auch in Verbindung mit dem Artwork) von einem „Konzept“ oder „roten Faden“ sprechen? Ben: Der Albumtitel stand schon ziemlich früh fest, wir wurden von einigen Zeilen eines Buches dazu inspiriert.
Was selbst für uns überraschend war, im Endeffekt entstand ein KonzeptAlbum, jeder Song und jeder Text fügte sich perfekt in diese allgemeine und trotzdem starke Aussage ein. Denn alles, was geboren wird, hat bereits ein aufgestempeltes Ablaufdatum – jeder Tag, jeder Atemzug bringt uns dem Tode näher. Dariusz: Der Song „White Page“ z.B. hatte schon seinen Name, allerdings gab es keinen fertigen Text dazu. Ich hatte dann die Idee des sprichwörtlich „unbeschriebenen Blattes“, quasi jeder Mensch ist nichts weiter als ein Buchstabe auf einer Buchseite. Und bei „Falling Down“, meinem zweiten Text auf „Life Is Decay“, war ebenfalls der Titel schon vorhanden – und ich fand, dass er gut zum Thema Drogensucht bzw. Abhängigkeit generell passt. Alex: Der Song „Immortal“ weicht ein wenig von diesem Konzept ab, da er einerseits durch den Film „300“ inspiriert wurde, andererseits aber auch für den Zusammenhalt und die Stärke von vielen steht. Sozusagen das musikalische Pendant zu einer Band. Kommen wir nun auf die Musik zu sprechen. Ist „Melodic Death Metal“ quasi der gemeinsame Nenner der Band? Man bekommt auf „Life Is Decay“ ja von reinen Prügelparts über atmosphärische Passagen bis zu „traditionellen“ Heavy Metal-Elementen sehr viel geboten. Wie seht bzw. hört ihr euren Stil und wen darf man als Vorbilder, Einflüsse angeben? Alex: Ich würde es am ehesten noch als Melodic Death/Thrash beschreiben, obwohl wir auch Einflüsse aus anderen Genres haben. Abgesehen davon tun wir uns generell schwer mit Schubladisierungen... Jeder in der Band hat seine Favourites, die von Arch Enemy über Vader bis zu Limp Bizkit reichen! Meine Haupteinflüsse sind sicherlich Slayer, Paradise Lost und Black Sabbath. Days Of Loss existieren nun doch schon länger, jedes Mitglied hat seine Erfahrungen gesammelt,... Jetzt gibt’s ein neues Album, das sowohl musikalisch als auch in puncto Sound, Artwork usw. sehr professionell erscheint. Wie darf man sich da die weiteren Ziele der Days Of Loss vorstellen? Ben: Natürlich wollen wir wie jede Band, die sich ernst nimmt, so viele Fans wie möglich erreichen. Ein wenig Backup von dem leider etwas stagnierenden österreichischen Musik-Business erhalten; wobei sich ja gerade in der Metal-Szene, zumindest im Underground, eh einiges tut. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele gute und im internationalen Vergleich hochwertige Bands es zurzeit in Österreich gibt. Hier sind nun die Medien gefragt, mehr Musik aus der Heimat im Radio wäre doch toll! Dariusz: Konzerte, Konzerte, Konzerte! Eine Tour, ein Video und Festival-Shows sind bereits in Planung – mal sehen, was noch so alles auf uns zukommt, wir bleiben motiviert und geben nicht auf! Und das Trinken darf natürlich nicht fehlen (Gruß an Mosfet)... Alex: Ich hab schon wieder einige Songideen, die nur darauf warten, umgesetzt zu werden – lasst euch überraschen! Zunächst steht natürlich alles im Zeichen des neuen Albums, welches ordentlich promotet werden wird. Dazu wünschen wir viel Spaß, sagen Danke fürs Interview und bitten um eure letzten Worte an unsere LeserInnen: Ben: Kauft das Album! Ich hab’s schon, und es ist geil! Alex: See you on tour! Tom: Groupies zu mir! Dariusz: Niemals aufgeben, glaubt an euch – and thanks for your support, you know who you are! M. ETL | Webseite: www.myspace.com/daysoflossband
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ish Whirl“ vergessen, das 1999 über Novum Vox Mortis veröffentlicht wurde. Aber das ändert natürlich nicht deine Sichtweise. Wir hatten jedenfalls niemals eine hohe Erwartungshaltung, da wir ganz genau wussten und wissen, wie es innerhalb der Szene funktioniert. Für uns ist es in erster Linie viel wichtiger, die Bedürfnisse der Fans zu befriedigen, anstatt unerreichbaren Träumen hinterherzulaufen. Wir haben schon oft darauf hingewiesen, dass Nomad in Sachen Labels kein glückliches Händchen hatte. Vielleicht ist es eine Art Fluch, wir werden uns jedenfalls nicht selbst bemitleiden. Wir gehen einfach unseren Weg und dieser muss uns selbst zufriedenstellen. Natürlich würde jede Band ein wenig Komfort (gut bezahlte Studioaufenthalte etc.) genießen. Wir wollen unsere Musik den Leuten näherbringen und
Schon im Jahr 2006 wurde eure aktuelle Scheibe „The Independence Of Observation Choice“ über Empire Records veröffentlicht. Erst vor einigen Monaten wurde dieses Album durch Animate Records auch weltweit euren Fans zugänglich gemacht. Worin liegen die Gründe für die lange Zeitspanne zwischen diesen beiden Veröffentlichungen? Diese Frage sollte eigentlich nicht uns gestellt werden! Wir haben uns natürlich um eine Veröffentlichung über Animate Records gekümmert, unser
Label hat aber einige Zeit dafür gebraucht. Trotz allem ist es für uns sehr wichtig, dass „The Independence...“ auch im restlichen Europa veröffentlicht wurde, damit so viele Fans wie nur möglich die Gelegenheit bekommen, die Scheibe zu hören. Soviel ich weiß, habt ihr zuvor mit „The Tail Of Substance“ und „Demonic Verses“ zwei Scheiben veröffentlicht. Insgesamt wurden alle bisher erschienenen drei Alben über drei verschiedene Plattenfirmen veröffentlicht. Hängt dies mit eurer hohen Erwartungshaltung gegenüber der Arbeit der Labels zusammen oder gibt es andere Gründe? Du hast hier sogar „The Devil-
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nicht für uns selbst behalten. Die ganzen Probleme mit unseren Labels haben natürlich auch einen negativen Einfluss auf uns, da wir dadurch einfach die Lust verlieren, überhaupt noch nach neuen Deals zu suchen und darüber zu verhandeln. Wir hatten bisher in dieser Beziehung einfach kein richtiges Glück. Womöglich verursacht die Veröffentlichung eines Nomad-Albums ja den Bankrott für das betreffende Label? Das ist zumindest in der Vergangenheit schon passiert. Wie dem auch sei, wir machen einfach unseren Job, da es das Beste ist, was wir in unserem Leben tun können. Da ich mit euren älteren Veröffentlichungen nicht allzu vertraut bin, könntest du eure musikalischen Veränderungen in den letzten Jahren an dieser Stelle kurz ansprechen? Wie sehr habt ihr euch entwickelt, wie weit (wenn überhaupt) von der Basis weg? Einige Veränderungen sind natürlich offenkundig. Wir sind älter geworden und unsere technischen Fähigkeiten haben sich seit den Anfängen stark verbessert. Im Grunde ist es schwer zu glauben, dass
der Anfang bereits 16 Jahre zurückliegt. Mit jeder Veröffentlichung wird etwas Neues geboren. Wir selbst machen weitere Erfahrungen, neue Ideen kommen und andere wiederum gehen. Trotzdem glauben wird, dass unsere Musik einen gewissen Wiedererkennungswert und Eigenständigkeit besitzt. In unseren Anfangstagen hatten wir nur lausiges Equipment zur Verfügung und wenig Erfahrung, aber wir haben uns gegenseitig in den letzten Jahren in Bezug auf das, was wir spielen, was wir erreichen wollen, immer verstanden. Wir sprechen gemeinsam sehr oft über Arrangements und auch die textliche Seite unserer Songs. Die Band besteht aus verschiedensten Leuten, von denen einige mehr, andere wiederum weniger engagiert sind. Wie sehr du selbst involviert bist, hat Auswirkungen auf die Musik und die Atmosphäre. Und je positiver die Atmosphäre ist, desto leichter geht alles von der Hand. Leider ist der sogenannte „menschliche Faktor“ ein Problem in den meisten Bands. Wir selbst haben es jedoch geschafft, trotz vieler Gegensätze zu überleben. Unser Land und auch die Musik haben vor 16 Jahren völlig anders ausgesehen. Heute ist es viel einfacher, eine Band zu gründen und Musik aufzunehmen. Wir sind froh, dass wir das alles aus der Perspektive einer Band betrachten dürfen, die noch immer ein Ziel vor Augen und noch immer etwas zu sagen hat. Haken wir bei eurer aktuellen Scheibe „The Independence Of Observation Choice“ ein. Neben dem rasanten Vorwärtspreschen der Songs und dem wie aus den Tiefen der Hölle klingenden Gesang legt ihr offenbar sehr viel Wert auf atmosphärische Parts. Wie wichtig ist die Atmosphäre für euch generell? Jeder Schaffens- und Aufnahmeprozess ist der nächste Schritt in unserem Leben. Du bringst deine gesamte Persönlichkeit in diese Prozesse ein, du gibst dafür einiges auf und opferst vielleicht sogar etwas von dir selbst. Der oft Jahre andauernde Prozess des Komponierens ist sehr interessant. Ich kann das eigentlich nicht besonders gut beschreiben, da Nomad unser Leben ist. Atmosphäre wird von verschiedensten Menschen erschaffen, das nächste Album ist die nächste Stufe für uns. Du bleibst nie auf derselben Stelle stehen. Was dich umgibt, hat einen sehr großen Einfluss darauf, was du tust. Das Grundgerüst der Songs wird immer von Bleyzabel und Seth erschaffen (zumindest gedanklich), danach arbeiten wir gemeinsam daran in unseren Proben. Der letzte finale Schritt ist dann der gemeinsame Prozess des Aufnehmens. Die Atmosphäre, die wir im Studio erschaffen, sind unsere Erinnerungen. Glaub mir, das ist sowohl höllisch als auch brutal. Trotz aller höllischer Einflüsse und vertonter Erinnerungen haben die Jungs mit „In Love“ von den schwedischen Deathern Grave einen Coversong auf „The Independence...“ gepackt. Für eine satanische Death Metal-
Band hat das schon fast einen ironischen Beigeschmack. Du sagst es, diese Art von Ironie passt genau zu uns. „In Love“ ist ein richtig treibender Song und wir lieben es, ihn live zu spielen. Zuletzt habe ich ein wenig im Internet über Nomad recherchiert. Überraschenderweise konnte ich nur vereinzelt einige wenige Kritiken finden und Interviews waren überhaupt nicht aufzutreiben. Fast hat es den Anschein, als wären Nomad nur in Polen bekannt. Es ist schwierig, das zu kommentieren. Wir bekommen jedenfalls Reviews aus der ganzen Welt, vielleicht müssen wir auch nur noch etwas warten, bis mehr über „The Independence...“ geschrieben wird. Auch in Bezug auf Interviews können wir uns eigentlich nicht beklagen. Wir bekommen Anfragen aus der ganzen Welt. Natürlich kann es immer etwas besser sein, als es der derzeitige Status quo vermittelt. Maciek vom Burning Abyss-Zine tut sehr viel für uns und ich möchte ihm auf diesem Weg all unseren Respekt vermitteln. Vielleicht bringt auch die Kooperation mit Animate Records einige Veränderungen mit sich, vor allem in Mitteleuropa. Wie bereits geschrieben, existieren Nomad bereits seit 16 langen Jahren. In dieser Zeitspanne sind viele Kollegen der Polen an ihnen selbst vorbeigezogen. Nomad dagegen sind auch heute noch tief im Underground verwurzelt. Ein im Grunde unbefriedigender Zustand. Wir hatten seit unseren Anfängen viele Line-UpWechsel, das wirkt sich alles negativ auf das Schreiben neuer Songs aus. Dazu noch die Probleme mit den verschiedensten Plattenfirmen... aber wie ich bereits gesagt habe, wollen wir uns nicht beschweren, da die Situation auch von uns zu einem großen Teil mitverursacht wurde. Wir zählen einfach darauf, dass wir noch einiges zu sagen haben. Wir haben bereits einiges erreicht und die Zeit wird zeigen, wie weit wir uns fortbewegen werden. Soweit ich informiert bin, schreibt ihr derzeit bereits an dem „The Independence...“-Nachfolger. Kannst du uns bereits einige Details zu den neuen Songs verraten? Das stimmt, wir sind gerade dabei, neue Tracks zu schreiben. Alles nimmt schön langsam Form an und wir werden alle Möglichkeiten nutzen, damit das neue Material letztendlich so wird, wie wir es uns vorstellen. Es wird auf jeden Fall viele Hörer überraschen! Es ist sehr schwierig, über die neuen Songs zu plaudern, hört euch diese am besten selbst an und bildet euch danach eure Meinung. Wir sind bisher sehr zufrieden. Die Arbeit teilt sich in viele kleine Teile
auf und wir hoffen, alles zu 100 Prozent umsetzen können, was wir von uns erwarten. Das Album wird eine Überraschung sein, zugleich aber auch brutal und schädelspaltend! Das ist es ja, was die Leute von uns im Grunde erwarten. Euren Stil bezeichnet ihr selbst als „satanic death metal“. Wie wichtig sind solcher Art Klassifizierungen heutzutage? Ist ein bestimmtes Image nach wie vor wichtig oder ist es einfach nur eine Genre-Bezeichnung ohne tiefere Bedeutung? Jeder stellt sich unter dieser Bezeichnung etwas anderes vor, das ist sehr wichtig. Jeder fühlt dabei etwas anderes. Was zählt, ist die Musik und die Message, die durch die Texte vermittelt wird. Jede Band wir heute in eine bestimmte Schublade gesteckt. Auch wir, auch wenn wir das nicht gerne haben. „Nomad are just Nomad, that’s all!“ Mit Seth habt ihr in euren Reihen einen Musiker, der vor allem aufgrund seiner Zugehörigkeit zu Behemoth von sich reden macht. Dabei ist es nur natürlich, dass der Zuhörer, aber auch die Presse Vergleiche zwischen Behemoth und Nomad zieht. Solcher Art Berühmtheit kann für eine Band wie Nomad durchaus ein Nachteil sein, oder? Solche Vergleiche sagen überhaupt nichts aus. Dass Seth bei Behemoth spielt, ist nur seine Angelegenheit und sein Leben. Und sollte jemand wegen Seth auch Lust auf Nomad bekommen, dann umso besser für uns! Das ist überhaupt kein Problem. Michael FREITAG | Webseite: www.nomad-band.com
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Zuerst eines der üblichen Leiden. Wenige Menschen kennen einen und nun kommt die Vorstellungsrunde. Erzählt, wie kam es zu eurer Gründung und was genau hat euch dazu animiert? Markus: Hi Torsten! Wir sind At Daggers Drawn, eine Melodic Death Metal-Band, bestehend aus sechs ambitionierten Musikern aus der Region rund um Koblenz, die einfach Spaß am gemeinsamen Musizieren haben. Ich denke, das kann man bei „Ignition“ und unseren Auftritten auch spüren. Zur Gründung muss man wissen, dass die meisten aus der Erstbesetzung vorher schon zusammen in einer Doom Metal-Combo gespielt haben. Die Band, namentlich De Profundis, löste sich allerdings auf. Wir setzten uns aber ein paar Jahre später wieder zusammen und wollten alte Songs neu aufnehmen. Lustigerweise stellte sich dabei heraus, dass wir eigentlich in eine ganz andere Richtung gehen wollten. Nämlich zum Melodic Death Metal. Das Personalkarussell drehte sich einige Male und am Schluss kam so unsere erste spielfähige Besetzung zustande. „Ignition“ ist nun schon seit längerer Zeit erhältlich. Als Künstler ist man ja immer gespannt, wie seine Werke ankommen. Wie waren die Resonanzen und seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden? Markus: Die Resonanzen waren so weit bis auf ganz wenige Ausnahmen durchweg positiv. Trotzdem sind wir mit dem Ergebnis nicht so zufrieden, wie man glauben könnte. Pierre: Ja, einige von uns hatten sich über die Verbreitung der CD neue Effekte wie zum Beispiel einen LabelDeal oder Festival-Slots erhofft. Die sind bisher nicht eingetroffen. Ich persönlich bin mit den Entwicklungen jedoch sehr zufrieden: Eine Menge Menschen haben unsere Songs liebgewonnen. Auf Download-Portalen wie mp3.de gingen und gehen sie zum Teil immer noch weg wie warme Semmeln. Es ist schön zu sehen, dass Außenstehende Gefallen an unserer Musik finden, Zeit damit verbringen und vereinzelt auch Inspiration dadurch erfahren. Sicherlich eine der größten Belohnungen für die Schaffenskraft. „Ignition“ bot der Hörerschaft einen regen Mix aus dem Death/Thrash Metal-Bereich gepaart mit eingängigen Melodiebögen und abwechslungsreich eingesetztem Gesang. Früher war es leichter, Bands in eine Schublade zu ordnen – heute picken sich Bands gerne aus verschiedenen Bereichen Elemente heraus und fügen diese musikalisch zusammen. Denkt ihr, dass es einfacher ist, ein Album so zusammenzustellen? Kann man dies automatisch mit mehr Kreativität gleichsetzen oder ist es schwerer, ein einfach definiertes Album zu kreieren? Pierre: Pauschal kann ich das nicht beantworten. Wer in Bezug auf Stile und Einflüsse relativ offen und vielseitig komponiert, sollte eigentlich keine Schwierigkeiten haben, ein stilistisch vielseitiges Album zu produzieren. Nur sagt eine solche Vielseitigkeit meiner Meinung nach noch lange nichts über die Qualität der Musik oder die dahinterstehende Kreativität aus. Das wäre mir zu ober-
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flächlich und technisch gedacht. Ich verstehe einen Song nicht nur als individuelle Anordnung von Elementen. Ein Song ist für mich dann gut, wenn ich ihn fühlen kann. Markus: Mir geht es wie Pierre. Pauschal kann man so etwas vermutlich auch gar nicht beantworten. Jeder geht anders ans Songwriting heran und hat sein eigenes System. Manche planen, andere wiederum probieren einfach aus, was sich gut anhört, zusammenpasst und sich für möglichst alle Bandmitglieder gut anfühlt – so wie wir. Wenn sich dabei etwas Stilübergreifendes entwickeln sollte, was in keine richtige Schublade passt, aber trotzdem eine Menge Menschen anspricht und inspiriert: Umso besser! Welches von den Systemen jetzt aber auf mehr Kreativität beruht, kann sicherlich niemand sagen. Letzten Endes hängt es zu einem großen Teil auch an den Köpfen, die hinter der Sache stehen. Für das erste Album ist „Ignition“ wirklich gelungen. Wie verliefen die Arbeiten speziell im Zusammenhang mit eurer ersten Scheibe? Als Band ohne Plattenvertrag ist die Suche nach einem günstigen und dennoch guten Studio sicher nicht einfach. Wie seid ihr dabei vorgegangen und welche Kriterien musste das Studio erfüllen? Markus: Danke schön für das Lob, das hört man sehr gern! Die Arbeiten verliefen, wenn man denn mal dran war, recht zügig. Einziges Manko: Wir mussten immer etappenweise vorgehen. Unsere übrigen Verpflichtungen – Studium bzw. Job – nehmen einfach zu viel Zeit ein. Mal davon abgesehen, dass unser Aufnahmeleiter Philipp meistens nur am Wochenende verfügbar war. Die Aufnahmen waren zwar langwierig, im Austausch dafür aber überhaupt nicht stressig. Alles in allem war es wirklich ein sehr entspanntes Arbeiten. Pierre: Das Studio musste für uns finanzierbar und schnell erreichbar sein. Vor allem aber wollten wir sichergehen, dass der Sound stimmt. Philipp machte uns das Angebot, in seinem gerade umgerüsteten Koblenzer UndergroundStudio einen Song kostenlos aufzunehmen und abzumischen. Seine früheren Produktionen fanden wir ganz gut, also willigten wir ein und nahmen probeweise „Ignition“ auf. Vom Ergebnis und den Konditionen für eine komplette EP waren wir dann so begeistert, dass wir sofort buchten. Inzwischen hat Philipp sich wohl mehr der elektronischen Musik zugewandt. Ich würde trotzdem jederzeit wieder mit ihm zusammenarbeiten. Welche Erfahrungen konntet ihr bisher mit dem Musikgenre „Metal“ machen und wie bewertet ihr euren
bisherigen Werdegang? Markus: An Erfahrung mangelt es uns wahrlich nicht. Zum einen macht jeder von uns schon seit Jahren gitarrenlastige Musik, zum anderen hat die Hälfte der Band, sprich Rafael, Pierre und meine Wenigkeit, bereits eine Zeit lang für Myrevelations.de geschrieben. Hinzu kommt noch meine Tätigkeit bei Metal.de, für die ich über ein Jahr lang gearbeitet habe. Umso erstaunlicher finde ich es, dass wir trotz aller Bemühungen und aller Kontakte immer noch nicht richtig aus dem Quark gekommen sind.
Pierre: Mit unserem Werdegang bin ich mehr als zufrieden. Wir haben als Band die Möglichkeit, regelmäßig gemeinsam zu musizieren, werden regelmäßig eingeladen, Konzerte zu spielen, und es gibt Menschen, die sich freiwillig unsere EP anhören. Das ist wunderbar und ich weiß das zu schätzen. Wie schaut es denn mit der Bandhierarchie aus? Habt ihr eine strikte Arbeitsteilung oder darf jeder immer und überall mitmischen? Wie auch auf eurer MySpaceSeite zu lesen ist, seid ihr gerade auf der Suche nach einem neuen Schlagzeuger. Wie ist es dazu gekommen und wie gestaltet sich die Suche nach einem würdigen Ersatz momentan? Welche Ansprüche hegt ihr an euren neuen Schlagzeuger? Pierre: Eine Hierarchie gibt es nicht. Wir sind in Entscheidungsprozessen stets um Lösungen bemüht, mit denen jedes Bandmitglied leben kann. Um dahin zu kommen, bedarf es dann oft langwieriger Diskussionen, aber ich finde, es lohnt sich auch jedes Mal. Eine Arbeitsteilung ist zwar vorhanden, da nötig, aber die ist nicht strikt. Jeder kann also immer und überall mitmischen. Nun zur Schlagzeugersuche: Es ist so, dass Markus die Band nicht verlassen wird. Letzten Endes hatten wir über Monate enorme Schwierigkeiten, einen Nachfolger zu finden, der allen Ansprüchen gerecht würde. Markus war und ist ein integraler Bestandteil von At Daggers Drawn. Seine neuen Lebenspläne schienen anfangs ein zukünftiges Mitwirken unmöglich zu machen. Darum begaben wir uns
auf sein Drängen hin auf die Suche. Ich bin sehr froh, dass er nun doch die Zeit hat, dabei zu bleiben. Aber am besten ist es wohl, wenn er selbst noch etwas dazu sagt. Markus: Genau genommen ging es einfach darum, dass ich an einem zu weit entfernten Konservatorium Orchestermusik studieren wollte, dafür Zeit brauchte, um mich entsprechend vorbereiten zu können, und zu alledem noch eine Anti-Metal-Phase hatte. Sagen wir einfach, ich hatte durch die Magazinarbeit einen tüchtigen MetalOverflow.
Mittlerweile hat sich einiges verändert. Die Studienpläne tendieren arbeitsmarktbedingt in einen anderen Sektor, sprich zum Musik- und Geschichtslehrer, ich höre wieder öfter Metal und die bevorzugte Uni liegt vor der Haustür. Hinzu kommt die Tatsache, dass eine Menge Herzblut in der Band steckt. Immerhin hat man die Bandmitglieder samt ihrem Umfeld nach so einer langen Zeit liebgewonnen, man ist zusammen durch eine Menge Höhen und Tiefen gegangen und hat so einiges erlebt. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen, außer vielleicht: „Ich bin wieder da und freue mich drüber!“ Womit beschäftigt ihr euch textlich in eurer Musik? Eigentlich ist bereits über alle Themen geschrieben und gesungen worden, trotzdem werden nach wie vor Texte geschrieben. Auch sind nicht immer alle Hörer der englischen Sprache mächtig. Könntet ihr euch auch vorstellen, textlos zu komponieren und je nach Gefühlslage spontan zu singen? Pierre: Viele meiner Texte sind gesellschaftskritischer Natur, wie z.B. „Ignition“ oder „Gaia“. Ich erkenne jedoch auch stets psychologische oder spirituelle Komponenten darin. In unseren neueren Songs spielen diese Komponenten wieder etwas mehr mit hinein als zuvor, das hängt immer stark mit meinen aktuellen inneren und zwischenmenschlichen Ent- oder auch Verwicklungen zusammen. Auf der CD stammen einige Texte übrigens gar nicht aus meiner Feder: „Dead Before The End“ kommt von Erik, „With You“ und „From Hell To Earth“ sind noch aus Silvius Zeit. Textlos zu singen, das habe ich mir tatsächlich schon mal überlegt. Wenn es dem Song dient, warum nicht? Bisher ergab sich das zwar noch nicht, aber wer weiß? Deutsche Texte reizen mich auch immer wieder. Denn selbst wenn, wie du es andeutest, alles schon mal gesagt wurde: Ich finde, manche Dinge kann man gar nicht oft genug sagen und auch nicht laut bzw. deutlich genug. Was denkt ihr, welche Bands euch am ehesten bei eurer Arbeit beeinflusst haben, und welche Gruppen gehören denn neben den Einflüssen zu euren persönlichen Favoriten? Markus: In Sachen Einfluss wären da in erster Linie die großen Göteborg-Bands zu nennen, angefangen bei In Flames über Dark Tranquillity und Soilwork bis hin zu At The Gates. Hinzu kommen dann noch solche ThrashGranaten wie Hatesphere und Machine Head und diverse andere, wie Fear Factory, Fear My Thoughts, Thread Signal etc. Was die persönlichen Favoriten angeht, sieht die Sache da wieder ganz anders aus. Bei mir gäbe es da neben dem Metal zum Beispiel noch Jazz, Folk, Klassik und Blasmusik. Letzten Endes hat jeder von uns seine eigenen, durchaus metalfremden Vorlieben. Pierre: …die dann natürlich auch wieder einen Einfluss auf unser Songwriting haben können. Meine persönlichen Favoriten wechseln fast täglich. Heute sind es Blumfeld. Wenn wir mal an mögliche Zukunftsszenarien denken. Welche weiteren Einflüsse in eure Musik könntet ihr euch vorstellen? Bleibt alles beim Alten oder gibt es das eine oder andere, was ihr gerne probieren würdet? Pierre: Beim Alten wird es nicht bleiben, so viel kann ich schon jetzt verraten. Denn mit Martin haben wir im letzten Jahr einen neuen Mann in die Band aufgenommen, der neue Einflüsse, neue Fähigkeiten und neue Ideen mit einbringt. Ich würde ja gerne mal einen At Daggers Drawn-Song ohne verzerrte Gitarren machen und generell etwas synthielastiger werden. Markus: Es wird, wie Pierre schon sagte, sicher nicht beim Alten bleiben können. Allein schon durch die Neubesetzung mit Martin an den Synthies. Hinzu kommt, dass unsere Einflüsse sich auch über die Zeit immer wieder ändern. Es befindet sich eben alles im Fluss. Von daher kann sicher niemand so genau sagen, was wir noch ausprobieren wollen und werden und wohin uns unser musikalischer Weg noch führen wird. Erlaubt ist, was gefällt bzw. was sich für uns gut anfühlt. Auch wenn ich mir persönlich einen ADD-Song ohne verzerrte Gitarren und mit Synthies im Vordergrund weniger vorstellen kann,
hehe. Mir ist bei einem Blick auf eure Homepage aufgefallen, dass man diese eigentlich nicht wirklich ansurfen kann. Klickt man auf das Logo, wird man auf MySpace weitergeleitet. Dito bei den unteren drei Links. Warum dann also noch eine Homepage, wenn das primäre Medium sowieso MySpace ist? Markus: Nun ja. Das liegt meines Erachtens ganz einfach daran, dass unsere neue Homepage schon seit geraumer Weile in der Mache ist, das Onlinestellen sich aber leider durch äußere und nicht zu beeinflussende Umstände immer weiter verzögert hat. Sie wird aber definitiv noch kommen! Und glaube mir, sie wird richtig schick und dabei nicht zu überfrachtet sein. Pierre: Für viele ist MySpace aktuell natürlich das primäre Medium, für einige jedoch nicht. Von daher halten wir es für sinnvoll, auch eine „klassische“ Homepage anzubieten. Ein anderer Punkt, der mir ins Auge gestochen ist, ist, dass ihr auf eurer MySpace-Seite Merchandising-Werbung macht, aber man auf einer anderen Seite eure EP „Ignition“ gratis herunterladen kann. Warum sollten die Fans dann noch euer Album kaufen? Markus: Es gibt gerade in der Metal-Szene eine Menge Sammler, die eine Veröffentlichung, die ihnen gefällt, auch gerne als Original zuhause im Schrank stehen haben. Nicht zu vergessen die Leute, die auch gerne durch den Kauf von Merchandising die Bands unterstützen, die ihnen gefallen. Also über mangelnden Verkauf konnten wir uns trotz der Downloads nun wahrlich nicht beschweren. Welchen Beschäftigungen und Freizeitgestaltungen geht ihr denn in der Zeit außerhalb der Band nach? Pierre: Frank, Martin, Erik und Rafael arbeiten in pädagogischen Bereichen. Ich bin jetzt noch für ein paar Wochen Student und will mich ihnen dann anschließen. Frank macht in seiner Freizeit oft den Elektronik-Bastler. Außerdem spielt er in einer Grindcore-Band namens The Colostomizer. Erik baut zurzeit sein Home-Studio aus und spielt in diversen Musik-Projekten mit. Markus will, wie schon erwähnt, bald mit seinem neuen Studium beginnen, gibt nebenher Schlagzeugunterricht und ist als Schlagzeuger bei diversen Projekten und Orchestern gefragt. Rafael fährt alle Nase lang in den Skiurlaub. Martin hat angeblich keine Freizeit und mir fällt immer wieder was Neues ein. So weit mal die vereinfachte Kurzfassung. Für die Freizeitgestaltung. Wie beurteilt ihr den ansteigenden Grad der Gewaltdarstellung in PC-Spielen und Filmen? Wie beurteilt ihr die Entwicklung, dass gerade bei Computer- und Videospielen immer mehr Metalbands musikalisch ihr Scherflein dazu beitragen? Seid ihr der Ansicht, dass das Medium Computerspiel eine gute Plattform für eine Metalband ist, um für sich selbst Werbung zu machen und mehr Leute zu erreichen? Markus: Sagen wir einfach, die Amerikanisierung ist mittlerweile merklich in unserer Gesellschaft angekommen. Die härteren Filme werden nach und nach immer jüngeren Zuschauern zugänglich gemacht, die gleichzeitig auch zum Großteil die Klientel für besagte PC-Spiele bilden. Es greift alles ineinander, auch die Entwicklung in der „harten“ Musikszene. Wissenschaftler haben festgestellt, dass sich zu Krisenzeiten der Musikgeschmack der Bevölkerung eher den härteren Klängen zuwendet. Früher waren es die ganzen Rock- und Hair Metal-Bands. Heutzutage sind es eher die New- und Alternative Metal-Bands, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen – angepasst an den heutigen Zeitgeist und Geschmack. Völlig klar, dass da die Marketingmaschine auf jeden dargebotenen Zug springt. Harte Musik zu hartem Inhalt. Alles in allem sehe ich diese Entwicklung äußerst kritisch, zumal sie sich meines Erachtens hauptsächlich an Verkaufszahlen orientiert. Es geht nur noch um die finanzielle und nicht mehr um eine ideelle Seite. Ein Problem, an dem unsere gesamte heutige Gesellschaft krankt. Ob das für die Bands etwas bringt, kann ich dir nicht sagen. Die Labels würden allerdings solche Kooperationen wohl kaum eingehen, wenn es sich nicht lohnen würde. Verkaufsmäßig und in Sachen Publicity wird also schon etwas dabei herumkommen. Von daher: Warum sollte man, trotz aller Kritik, diese Möglichkeit nicht für sich nutzen, wenn man die eigene Musik so einem breiteren Publikum zugänglich machen kann? Torsten STÖCKEMANN Webseite: www.at-daggers-drawn.net
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Angmar – „Zurück In Die Unterwelt“ (Ketzer) – [5] Angmar scheinen Black Metal mit dem Anspruch der Avantgarde verbinden zu wollen. Ein starker Beginn einer zwiespältigen Scheibe: In 68 Minuten wird dem Hörer einiges abverlangt. Es wechseln schon beim ersten Song, der gleichzeitig auch das Titellied darstellt, heftige Passagen mit ruhigen Ambient-Zwischenspielen. Den Höhepunkt des Wechselbades der Gefühle und Tempi stellt sicher der über 20-minütige Song „Perdition“ dar. Rein akustisch beginnend, wird in diesem einen Lied alles versucht, um keine Nuance der Gefühle auszulassen. Nicht völlig überzeugend. Auch interessant: Jeder der drei Musiker singt auch. Zwar sind die Stimmen für uns außenstehende Hörer nicht immer sofort zuordenbar, der Wechsel jedoch erfolgt stimmig. Ab dem fünften Song „13éme Réve“ zieht das Trio bis CD-Ende dann das Tempo ziemlich an und das Album lebt deutlich auf und gewinnt an Frische und sogar an Originalität. In die Richtung hin (ohne die Kopflastigkeit und das spürbare Verkrampfen um der Kunst willen) wäre mehr drin gewesen. In die Phalanx der drei schwarzen TopFranzosen-Bands (Glorior Belli, Deathspell Omega, Merrimack) kann man leider noch nicht eindringen. (db) As You Drown – „Reflection“ (Metal Blade) – [7] As You Drown existieren zwar bereits einige Jahre, trotzdem scheinen sie noch Newcomer zu sein. „Reflection“ ist das erste musikalische Lebenszeichen via Tonträger und auch sonst sucht man die in Schweden fast üblichen Zugehörigkeiten zu anderen Bands und Projekten fast vergeblich. Was können denn die Jungs, ist nun die Preisfrage. Erst mal trümmern sie mit einem gnadenlosen Doublebass und Trigger-Teppich alles weg, was nicht stabil genug ist. Ihr erinnert euch vielleicht an die Mär von den Schweinchen, deren Hütten aus Stroh und Holz vom Wolf einfach weggepustet werden? Also As you Drown sind der Wolf, und wir sind – wenn wir nicht aufpassen – die Schweinchen und werden – zack – einfach umgeblasen... Im Ernst, „Reflection“ wird nahezu überwiegend von der modernen, brutalen Variante des Death Metal dominiert. Groovige, aber immer noch intensive Einschübe – auch in der Geschwindigkeit etwas gedrosselt – lassen der Deathcore-Generation mal kurz Luft, bevor mit der letzten Blas(t)-Attacke auch noch die verbleibenden Hütten plattgemacht werden. Zwei Sachen, die ich mir etwas anders gewünscht hätte: ein paar mehr Reizpunkte, die „Reflection“ aufgelockert hätten, und ein bisschen mehr Spielzeit als nur 34 Minuten. (ks) Augrimmer – „From The Lone Winters Cold“ (Northern Silence Production) – [6] Mit Augrimmer findet man Black Metal, der sich eher atmosphärischen Gefilden angliedert. Allerdings wird dabei auf ein Keyboard verzichtet und auf relativ ruhige Songstrukturen zurückgegriffen. Man findet durchaus immer wieder schnelle Songteile,
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aber auch mal einen sehr ruhigen Part. Sägende Gitarren und die typische Stimme werden auch nicht vermisst. Alles in allem Black Metal, wie man ihn sich vorstellt. Nur dort liegt auch der Knackpunkt. Wenn sich zwischendurch auch eingängige Nummern mit spannenden Teilen finden, ist die Scheibe allgemein eher einschläfernd. Das Riffing überzeugt mich nicht wirklich und überhaupt finde ich im Großen und Ganzen wenig spannende Momente. Die besten sind eindeutig die ruhigen Teile der Scheibe, aber für das Genre üblich halten sie sich sehr in Grenzen. Also eine Scheibe, die ins Black Metal-Archiv wandern wird. (ts) Avenging Angels – „Shrouded In Mystery“ (Eigenproduktion) – [6]
Auf CD
Die Österreicher von Avenging Angels gehören eigentlich schon zu den alten Hasen in der österreichischen Musiklandschaft. Trotz einiger vielversprechender selbstproduzierter Scheiben gelang ihnen der Durchbruch bis heute nicht, ein Umstand, den „Shrouded In Mystery“ hoffentlich zu beseitigen weiß. Wie schon der Vorgänger „Fragmentary Reality“ wütet auch der aktuelle Silberling der Tiroler im Death/Thrash-Bereich. Selbst angeführte Vorbilder wie Edge Of Sanity, Kreator und auch diverse Göteborg-Vertreter schimmern immer wieder durch, ohne jedoch deren Klasse zu erreichen. Solid gespieltes Hartmetall trifft den Kern der Sache ganz gut, wobei ich noch einiges an Potential nach oben sehe. Charakteristisch ist noch immer die Teilung der Vocals zwischen den beiden Hochrainer-Brüdern. „Shrouded In Mystery“ glänzt zudem mit gutem Sound. Auch die Gitarrenarbeit möchte ich an dieser Stelle lobend hervorheben. Sollte es den Jungs auf der nächsten Scheibe gelingen, sich weniger an ihre Vorbilder anzulehnen und ihren Songs noch etwas mehr Individualität zu verleihen, dann dürften die Avenging Angels rascher als bisher auf der Karriereleiter emporklettern. Bis dahin ist es ein gar nicht allzu weiter Weg, den man sich getrost mit „Shrouded In Mystery“ versüßen kann. (mf) Battalion – „Underdogs“ (Silverwolf) – [7,5] Das, liebe Leser, ist äußerst delikat. Die Schweizer Battalion knüppeln sich mit ihrem Old-School-Thrash sofort in mein Herz, denn „Underdogs“ macht erstens enorm viel Spaß und hat auch das eine oder andere Highlight zu bieten. Um Klartext zu sprechen: Innovations-Fanatiker überlesen die nächsten Zeilen bitte, der Rest spitzt die Ohren: „Thrash Maniacs“, „Bullets & Death“ und „Running Alone“ sind nur die Highlights dieses Albums. Ganz ungeniert bedienen sich die Jungs an Metallica, Anthrax, frühen Slayer und allerhand anderen Szene-Ikonen, ohne dabei auch nur einen Funken innovativ zu klingen. Dass diese dreiste Klauerei auch noch funktioniert, überrascht und führt dazu, den Nacken in den nächsten Minuten fast vollständig zu ruinieren. Es ist egal, ob man mitgrölen möchte, völlig wurst, ob man die Air-Guitar auspackt und auf ein fiktives Drumkit einprügelt, die Songs sind für eben solche (dummen) Aktionen wie geschaffen und dürften live die Meute völlig zum Ausrasten bringen. Natürlich gewinnen Battalion keinen Preis, das ist aber auch gar nicht deren Absicht. Sie stehen zu ihren Vorbildern und das eben etwas eindeutiger als die Konkurrenz. „Underdogs“ ist gute Thrash-Kost ohne einen Funken Innovation, gerade aber deswegen für mich als Old-School-Thrasher überaus genießenswert. (mf)
Bitterness – „Genociety“ (G.U.C.) – [8] „Genociety“ ist ein blutiger Knochen, der hier der willigen Thrash-Meute vorgeworfen wird und dabei eigentlich dieselbe Wirkung haben sollte wie ein rohes Stück Fleisch auf einen hungrigen Pitbull. Meine Fresse, legen die Süddeutschen los! Die ersten drei Stücke „Suicide Squad“, „The Darkening“ und „Down In Flames“ sorgen für Headbanging-Alarm vom Feinsten! Während „Suicide Squad“ noch eher ein traditioneller, aber heftiger Thrasher ist, rüpeln die anderen beiden Kracher im Grenzgebiet zum Death Metal und legen in puncto Aggressivität noch eine Schippe drauf. Aber trotz aller Heftigkeit bauen Bitterness geradlinige Melodien oder Riffs – die hängenbleiben – ein. Auch gesangstechnisch zeigt sich Frontmann Frank sehr variabel: Von melodischen Vocals, die mich ein bisschen an Flotsam & Jetsam erinnern, bis hin zu gemeinem Gebell hat er ein breites Spektrum drauf. Im zweiten Teil des Albums lassen es die Jungs aus Baden-Württemberg tempomäßig teilweise etwas ruhiger angehen, weniger intensiv ballern sie mitnichten. Auch Stücke wie „The Human Ressource Derangement“ oder „Symbiosis In Death“ schrauben ordentlich am Genick, vom potentiellen Gassenhauer-Rausschmeißer „Bone Daddy“ ganz zu schweigen. Trotz dem Bitterness nur als Trio agieren, fabrizieren sie einen erstaunlich dichten Sound. Für mich auch noch ein Pluspunkt ist die Ausgewogenheit – einerseits die Frische, die die Band versprüht, gleichzeitig klingt aber durch, dass die drei nicht erst seit gestern musizieren und sie all ihre Erfahrungen (Bitterness existieren immerhin seit 2001 und haben vor „Genociety“ bisher acht Releases rausgebracht) in die Waagschale werfen. „Genociety“ macht höllisch viel Spaß und sollte auch euch zumindest eine Hörprobe wert sein. (ks) Bone Gnawer – „Feast Of flesh“ (Pulverised Records) – [8] Kam Lee ist zurück! Der Massacre-Gitarrero, der in den letzten Jahren eher nur mäßig Aufmerksamkeit erregte, Rogga „Ichspiele-in-genauso-vielen-Bands-wie-DanSwanö“ Johansson und Kameraden zeigen mit Bone Gnawer allen Death Metal-Jungspunden noch mal, wer den Längsten hat. Völlig trendfrei – in etwa wie eine Mischung aus älteren Benediction und alten Six Feet Under (ok, plus ein bisschen Massacre) – haben die Mannen zehn Old-SchoolGranaten zurecht gezimmert, die stilecht „Sliced And Diced“, „Cannibal Cook-Out“ oder „The Saw Is Family“ (mit passendem Intro-Sample) heißen. Das bedeutet, auch bei den Lyrics ist Death Metal in Reinkultur, was übrigens auch auf das leckere Artwork zutrifft. Wer immer mal wieder auf der Suche nach einem Death Metal-Album ist, das auf unnötigen Ballast in Form von Kreuzungen mit anderen Stilrichtungen verzichtet, stattdessen aber griffige, knackige Boller-Häppchen mit Wiedererkennungswert bietet, der sollte „Feast Of Flesh“ schnellstens auf seinen Einkaufszettel schreiben. (ks)
Bornholm – „March For Glory And Revenge“ (Vic Records) – [9] Schon beim Intro dieser sehr guten CD ahnt man, dass nach den wiehernden Pferden, der LagerfeuerGitarre und dem mehrfachen Ertönen eines Gongs eine ganz besondere Attacke wartet. Und die hat es in sich: Schnell und teuflisch gut gespielt, zeigen die temperamentvollen Budapester, wo im Black Metal-Ausklang 2009 der Hammer hängt. Ein paar wenige Pagan-Elemente werten den mit druckvollem Sound produzierten Silberling (Gitarrist Sahsnot war am Werk) noch auf. Einige hymnische, magische Momente („From The Blackness Of Aeons“) machen die Raserei, die meist schnell gespielten Stücke noch wertvoller. Klitzekleine Keyboard-Farbtupfer zeigen das Gespür für kompositorische Reife de luxe. Ganz das Niveau des Überhits „Towering Clouds Over The Fields Of Carnuntum“ erreicht das gesamte Album noch nicht. Aber den einen Song MUSS man gehört haben! Ein Wahnsinn. In dem Land, das Dynastien, Monarchien, Könige, dazu passend prachtvolle Bauten (Matthiaskirche, Fischerbastei in Budapest, den Dom in Szeged und mehr) hervorgebracht hat, sind die Könige neuerdings mit Gitarren, Schlagzeug und einer weiteren Majestät als Sänger unterwegs. Großartig. (db) Brewed Canned – „Diseased“ (Eigenproduktion) – [8]
Auf CD
Mit Brewed Canned kommen wir wieder zurück zu jenen Veröffentlichungen, die sich so kompromisslos geben, wie es die Musikrichtung eben zulässt. Death Metal der alpenrepublikanischen Art – kurz und schmerzhaft gespielt, so will die Krachkapelle in der Öffentlichkeit Eindruck schinden. „Diseased“ treibt voran, bietet fliegende Tempiwechsel und knallt vor den Latz. Allerdings hat es sich nach vier Liedern schnell ausgeknallt, denn mehr befindet sich auf der EP leider nicht. Dafür das Gebotene allemal interessant anzuhören, auch wenn man das Genre nicht neu erfindet, sondern viel eher ländertypische Eigenheiten vermischt. Als Anspieltipp für die schnelle Runde macht sich das dritte Lied „Insignificance“ am besten. (iw) Common Grave – „Embedded coding“ (Twilight) – [7] Common Grave gehören zu den deutschen Kapellen, die eindringlich zeigen, dass die ultrabrutale Death Metal-Fraktion mit Sinn für komplexe und technische Facetten nicht nur aus Übersee bedient werden muss. Auf ihr bereits drittes Album packen die Regensburger in knapp 36 Minuten dichtes Death Metal-Gehacke, würzen das jedoch mit häufigen Tempiwechseln oder technisch anspruchsvolleren Leads. Gerade die sechs Saiten werden von Common Grave ausgesprochen oft und prägnant zum Singen gebracht. Dem komplexen Material der Band Rechnung tragend, ist ausgeklügeltes Staccato-Banging der konstanten Propeller-Variante vorzuziehen. Von Haus aus teilen sich bei Common Grave zwei Leute die Vocalarbeit
– einer zuständig für die dunklen Growls (überwiegend), der andere für abwechslungsreiches Geschrei, als Gast waren auch noch bei zwei Tracks („Degradation Upgrade“ und „Earmargeddon“ – übrigens eine nette Umschreibung für das musikalische Schaffen von Common Grave) John von Dying Fetus und Elliot von Beneath The Massacre dabei. Common Grave schrecken auch nicht vor dem Einsatz komplett fremder Stilmittel zurück. Konzeptionell gleich dreimal (Intro „Embedding Process“, Zwischenspiel „Decoding Sequence: Deciphering Life“ und Outro „Progress Terminated“) darf sich ein befreundeter DJ mit zum Teil industriellen Techno-Beats einbringen. Die massieren ähnlich intensiv den Solarplexus wie es das Common Grave-eigene Material auch tut. (ks) Cripper – „Devil Reveals“ (SAOL) – [8] Nachdem Cripper sich einmal als Arbeitstiere beschrieben haben, scheinen sie ihrem selbst gewählten Titel alle Ehre machen zu wollen. Denn nun finden wir das nächste Album der Hannoveraner Band. „Devil Reveals“ heißt das neue Thrash-Machwerk und es macht wirklich Spaß, es zu hören. Es findet sich vorweg eine schöne Produktion, welche die Scheibe sehr gut unterstreicht. Frontfrau Britta grölt sich einmal wieder die Seele aus dem Leib und es finden sich vor allem eine Menge abwechslungsreicher Stücke. Langeweile kommt hier beim Hören also kaum auf. Zusätzlich finden sich jede Menge Mitgrölpassagen. Wenn das mal keine Vorfreude auf Live-Darbietungen der Songs macht. Also, reinhören und abfeiern. (ts) Crisis Never Ends – „Kill or cure“ (Pre-Vision Music) – [7,5] Mehr Nachruf als Review sind die folgenden Zeilen zu „Kill or cure“, denn das dritte volle Album ist gleichzeitig auch das letzte unter Crisis Never EndsFlagge. Wie dazu passend ist der Opener „Last kiss goodbye“ betitelt, der ein bisschen von all dem vereint, was „Kill or cure“ in den folgenden 47 Minuten bereithält: treibenden, aggressiven Metalcore, vermengt mit melodischen Gitarrenleads, groovige Moshparts und über allem thront das dominante Geschrei von Brüllschwein Heiko. Daran könnten sich gegebenenfalls die Geister scheiden: Zum einen wirkt das Album durch die permanent am oberen Aggro-Limit schreienden Vocals mächtig intensiv. Andererseits wird vielleicht der eine oder andere sich ein bisschen mehr Variabilität als nur die zu hörenden Nuancen oder die regelmäßig eingebauten Gang-Shouts („Five years“, „Dedication“ oder „Stop and think“ – Letzteres übrigens auch mit Unterstützung von MaroonAndre) wünschen. Die bereits angesprochenen Leads untermauern, dass die Jungs trotz ihrer Roots in der Hardcore-Szene ihre Maiden- oder Helloween-Shirts nicht aus Spaß tragen, sondern ihre im Grundton corig-aggressive Mucke mit einem reichlichen Schuss metallisch-eingängiger Würze zu veredeln wissen. Dabei kommt dann zum Beispiel so ein kleiner Ohrwurm wie „From now on forever“ raus oder Passagen im Titeltrack, die mich an frühe Night in Gales erinnern. „Kill or cure“ ist in der Endabrechnung sehr vielseitig: eingängig, straight, aggressiv, melodisch, groovend und vor allem der starke Abgesang einer Band, die zehn Jahre lang ihre Fußstapfen in einer mittlerweile über- und vielleicht auch totgelaufenen Szene hinterlassen hat. Ganz schließen wird sich das Kapitel für die involvierten Musiker aber sicher nicht
– neue Bands und Projekte sind angedroht. Also: Augen auf! (ks) Days Of Loss – „Life Is Decay“ (Terrasound) – [8,5]
Auf CD
Der österreichische Underground bringt immer stärkere Alben hervor. Neben Outrage und Scarecrow N.W.A. konnten in den letzten Wochen und Monaten vor allem Days Of Loss (Interview in dieser Ausgabe!) überzeugen. „Live Is Decay“ ist bereits das dritte Album der Wiener Deather, das es diesmal außerordentlich in sich hat. Die Jungs haben wohl aus vergangenen Fehlern gelernt und senden das Abrisskommando diesmal über die vollständige Spielzeit aus, auf dass kein Stein auf dem anderen verbleibe. Beheimatet im Death/ThrashBereich, holzen sich Days Of Loss durch insgesamt zehn Songs plus Intro und hinterlassen nichts anderes als verbrannte Erde. Nicht nur einmal frage ich mich, ob hier dieselbe Band am Schuften ist, die auch „Lobotomy“ und „Sleeping Gods Lie“ veröffentlich hat. Eben genannte Vorgängeralben boten zwar durchaus ebenfalls ansprechende Kost, im Vergleich zu „Life Is Decay“ sind diese aber nicht mehr als ein feuchter Furz! Fünf Jahre haben sich Days Of Loss für ihren neuesten Streich Zeit gelassen und belohnen die Fans nun mit exquisitem Genick-Futter. „Live To Suffer“ sei sogleich als Anspieltipp genannt, da dieser Song noch über den restlichen Tracks auf „Life Is Decay“ steht und international keinerlei Vergleiche scheuen braucht. (mf) Dead Remains – „Conscious Cremation“ (Eigenproduktion) – [7]
Auf CD
Es geht immer eine Spur härter und brutaler, wie man anhand von Dead Remains’ aktuellem Scheibchen „Conscious Cremation“ vernehmen kann. Da wird gurgelnd gegrölt und losgebrettert, dass sich die Balken biegen. Erstaunlich, wozu das menschliche Organ in der Lage ist, wenn es darum geht, Aggressivität Ausdruck zu verleihen. Vor allem macht man sich keine Mühe des langen Vorspiels. Besser ist es, doch gleich zum Höhepunkt zu kommen, der sich rücksichtlos in die Gehörgänge prügelt. Somit dürfte fürs Erste auch geklärt sein, dass sich nur eine gewisse Schar von Musikliebhabern mit dieser Veröffentlichung angesprochen fühlen dürfte. Aber von einer breiten Rezipientenschicht war ohnehin nicht auszugehen. Dafür dürfen sich Hartgesottene über acht Tracks auf der CD freuen, die nicht den Himmel auf Erden versprechen, aber den Schritt in unterirdische Regionen recht gut vollbracht haben. (iw) Diary About My Nightmares – „Forbidden Anger“ (Unexplode) – [6] Die Deutschen von DAMN spielen abwechslungsreichen Death Metal inklusive Weibchen an der Front (das sich tiefer als viele ihrer Kollegen durch die Songs grunzt und kreischt) und haben sich im Vergleich zum Vorgänger deutlich gesteigert. Dieser krankte noch an monotonen Strukturen, die auf „Forbidden Anger“ fast überhaupt nicht mehr
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gefunden werden können. Gut so! Trotz aller Brachialität, die unsere Nachbarn an den Tag legen, bleibt das Material immer schön nachvollziehbar. DAMN gehören nicht zu den wirklichen Technikern in der Szene, sie legen ihr Augenmerk lieber auf eingängige Kost, hartes Riffing und groovende Rhythmen. Mit „Ewigkeit“ gibt es auch einen auf Deutsch gesungenen Song. Woran „Forbidden Anger“ letztendlich krankt, ist, dass das Album ohne Ecken und Kanten dahergeschossen kommt. Es wirkt alles viel zu durchdacht, wenig risikofreudig und einfach auf Nummer sicher eingespielt. Kann sich die Band dazu aufraffen, auch mal etwas Risiko zu nehmen und den Songs hier und da eine überraschende Wendung zu verpassen, so würde das Material um ein Vielfaches aufgewertet werden. So aber bleibt „Forbidden Anger“ leider nur klares Mittelmaß ohne wirklichen Höhepunkt! (mf) Disarmonia Mundi – „The Isolation Game“ (Coroner Records) – [7,5] Während andere Italiener einen Stilbruch begehen, bleiben sich Disarmonia Mundi treu. Warum auch etwas ändern, was bisher gut gewirkt hat? Mit „The Isolation Game“ betritt die melodische Death Metal-Partie gewohntes Terrain, prügelt erneut schlagkräftig in die Saiten, sodass man förmlich die Energie zu spüren bekommt, mit welcher das Scheibchen eingespielt wurde. Auch Strid darf seine Stimme wieder zum Besten geben und verwöhnt mit klaren Gesangseinlagen. 13 Songs, mehr oder weniger abwechslungsreich gespielt, versorgen den Hörer mit geballter Kraft und Melodie. Man kann nicht viel falsch beim Kauf von „The Isolation Game“ machen, auch wenn gewisse Akzentuierungen fehlen. (iw) Disinfect – „Screams Of Pleasure“ (Metal Age Productions) – [6] „The Art Of Brutality“ prangt fett im CD-Inlet. Brutal sind Disinfect ohne jeden Zweifel, ob das bereits die hohe Kunst ist, darf jedoch vorsichtig angezweifelt werden. Eine knappe halbe Stunde prügeln sich die Schwaben durchs Gehölz, veranstalten dabei jedoch mehr als nur Blastbeat-Massaker. Dies ist zwar auch dabei (schon der Opener „Casket Born“ macht das deutlich), aber daneben legen Disinfect auch sehr viel Wert auf technische Interpretation von brutalem Death Metal. Das zeigt sich in teilweise vertracktem Riffing, überraschenden Breaks oder Abwechslung im Drumming. Wenig Abwechslung gibt es an der Vocal-Front. Fronter Martin grunzt meist dauerhaft tief und monoton in die Runde. Ausnahmen wie bei „Nordic Thunder“ sind eher selten. Disinfect liefern gut gemachten Brutalo-Death ab, dem jedoch die Qualität fehlt, aus dem großen Heer gleichgearteter Bands nachhaltig herauszustechen. Ein bisschen dünn ist die Spielzeit, zumal „Screams Of Pleasure“ quasi ein Jubiläums-Album ist (10 Jahre Disinfect, 19992009). Für die Jahre, die Disinfect existieren, ist es eh erstaunlich, dass wir hier erst über Album Nummer 2 (+ eine Demo-CD) sprechen. Aber wenn man sich anschaut, wie viele verschiedene Leute (ich habe knapp 20 gezählt) im Laufe der Zeit
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gekommen und wieder gegangen sind, dürfte der Grund für den quantitativ geringen Output auf der Hand liegen. (ks)
animieren, dennoch bin ich nicht der Ansicht, dass „Nifelvind“ als Gesamtwerk einem Meisterwerk gleichkommt. (iw)
Disparaged – „The Wrath Of God“ (Twilight) – [8]
Folterkammer – „You Must Die“ (Eigenproduktion) – [6]
In letzter Zeit haben mich gleich mehrere Bands aus der Schweiz begeistert. Da war zum einen der schwere Death Metal-Kampfpanzer Requiem, ebenfalls in Dauerrotation gingen die eher modern und corelastiger angehauchten Cataract und die Dritten im Bunde sind Disparaged, die mir mit ihrem aktuellen Machwerk „The Wrath Of God“ einen ordentlichen Scheitel geföhnt haben. Der Vierer begeistert mit Dampfwalzen-Death, der, egal in welcher Gangart er geboten wird, den Solarplexus mächtig zum Vibrieren bringt. Massiv und brachial sind zwei Attribute, die mir beim Hören der CD permanent im Kopf rotieren. Dabei setzen Disparaged nicht auf stumpfe Vernichtung, sondern verlegen sich auf stilvolles Töten mittels messerscharfer Riffs und Soli. Der technische Anspruch der Truppe ist definitiv präsent. Wer dann noch steht, wird eben doch mittels fetter DrumArtillerie erlegt. Vergleichenderweise fallen mir zwei Kapellen aus Dänemark ein: Illdisposed und – auf Grund der finsteren und dunklen Growls sowie der barbarischen Mächtigkeit, mit der Disparaged glänzen – mein ewiger Geheimtipp Panzerchrist! Wenn ihr frischen Death Metal-Wind in eurer Bude wollt und der nun gerade nicht schon wieder aus Schweden oder Florida wehen sollte, dann checkt „The Wrath Of God“ mal an. (ks)
Das Cover der schönsten Band von Niederösterreich ziert unter anderem eine Bierflasche und wirkt wie aus den Händen eines Sechsjährigen erschaffen. Dazu passt auch, dass Folterkammer ihre musikalischen Einflüsse auf der hauseigenen MySpace-Seite als „meist nur in flüssiger Form angeben“ und im tiefsten Proberaumgewölbe von Laa an ihrem Old-School-Thrash feilen. Titel wie „Fatty Mc Dirty“, „The Brother Of Bussibear“ oder „Brunzstone“ legen Zeugnis von der lyrischen Erhabenheit ab, die Kari, Ben, Glau und Ottgur innewohnt. Sollte es an dieser Stelle jemand überraschenderweise noch nicht begriffen haben: Folterkammer nehmen sich selbst nicht allzu ernst, prügeln sich trotz aller Schmunzeleien gekonnt durch ihr Set. Keine Kompromisse lautet die Devise und daran halten sich die gar nicht mehr so jungen Österreicher perfekt. „Kultig“ würde den Nagel wohl auf den Kopf treffen. „You Must Die“ ist sicher kein alles in den Schatten stellendes Referenzwerk, sondern Thrash für die Härtesten der Harten. Für Underground-Fanatiker Pflicht! (mf)
Dogma inc. – „Before And After“ (STF Records) – [3] Von Beginn an tummeln sich in meinem Kopf zwei Möglichkeiten: Entweder sind meine Boxen/Kopfhörer kaputtgegangen oder der Gitarrensound kann mit keinem passenderen Wort als „grottig“ beschrieben werden. Und weiterhin bleibt das Hörerlebnis kein angenehmes. Es rauscht alles an einem vorbei, es bleibt nichts im Gedächtnis und man fragt sich, wann es denn nun endlich vorbei ist. Hier wird mal gekloppt, da wird geschrien und es findet sich absolut nichts Tolles oder Neues auf dieser Scheibe. Diese Scheibe enthält jedenfalls nicht einmal einen winzigen Lichtblick. (ts) Finntroll – „Nifelvind“ (Century Media/EMI) – [7,5] Finntrolls neuester Streich gibt sich eingängiger und vor allem auch bombastischer als je zuvor. Massen wollen und sollen unterhalten werden, nebenbei darf auch die Haushaltskasse nicht darben. Der Schritt zu mehr Popularität ist mit „Nifelvind“ getan, um eine breitere Öffentlichkeit zu beglücken. Nach wie vor finden sich traditionelle Elemente, die charakteristischen Merkmale Finntrolls, auf dem Werk wieder, jedoch treten diese leicht in den Hintergrund. Zeitgleich spielen sich die Finnen mit Atmosphäre, Aggressivität und schwarzmetallischen Einlagen. Beginnend mit dem Intro „Blodmarsch“ folgt das unverwechselbare Highlight der Platte, nämlich „Solsagan“, welches nun zur neuen Hymne der Band avancieren dürfte. Behält man dies im Hinterkopf, so erscheinen die darauffolgenden Lieder nett, abwechslungsreich und unterhaltsam, sind jedoch nicht in der Lage, den Standard zu halten. Sicherlich können Lieder wie „Mot Skuggornas Värld“ oder „Galgasång“ zum Anhören
Auf CD
Fomento – „Either Caesars Or Nothing“ (Coroner Records/Rebeat) – [7,5] Wenn sich Produzenten-Guru Colin Richardson dazu hinreißen lässt, eine Scheibe mit „Eine solide Produktion – exzellenter moderner Metal“ zu beschreiben, macht das schon mal neugierig. In der Tat: Die Songs treten mächtig Popo, die Labelbeschreibung Thrash Death Core trifft’s sogar ungefähr. Viel mit treffsichereren Riffs gespickter Thrash Metal, wütender Hassbolzen- (Death Metal-) Gesang und nicht zu vergessen die unbändige, wütende Energie des Hardcores bringen hier ein ganzes, rundes und bestens funktionierendes Gemisch zustande. Die Scheibe erschien übrigens 2008 schon einmal als in Eigenregie aufgenommene CD. Diese Version hier wurde mit drei Songs mehr aufgepeppt, auch das Artwork wirkt deutlich verbessert. Ein gewisses Feeling kann die Band transportieren (Anspieltipp: „The 13th Demon“), die den Hardcore-Anfang der 90er Jahre mit guten Produktionen (Sick Of It All, Hatebreed, Biohazard…) so interessant machte und sogar in die Verkaufscharts brachte. Die Gitarrenfront überrollt uns mit frischen, noch nicht gehörten Riffs – Spielfreude satt. Bei „Menticide“ gibt sich Josh (Sänger der ebenfalls italienischen Band ToKill) ein starkes Duett mit Sänger Marco. Im großen Veröffentlichungs-Overkill eine positive Überraschung. (db) Fragments Of Unbecoming – „The Everhaunting Past...“ (Cyclone Empire) – [6,5] Ich habe es versucht – mehrfach. Ich weiß nicht, wie oft Fragments Of Unbecoming bei mir im Player rotiert haben, weil ich darauf gehofft habe,
dass der Funke doch irgendwann überspringen muss. Schließlich habe ich reichlich Positives über die Süddeutschen gelesen. Aber es hilft alles nichts – „The Everhaunting Past“ will bei mir einfach nicht zünden. Dabei ist das Album objektiv betrachtet gar nicht schlecht, bietet mir aber zu wenig, das nachhaltig in Erinnerung bleibt bzw. sich von dem Gros stilistisch ähnlicher Releases abhebt. Fragments Of Unbecoming schmieden unbestritten schwedischen Melodic-Stahl etwas derberer Prägung und bedienen sich auch der üblichen Trademarks: treibende, aggressive Stücke, tiefer gestimmte Sechssaiter, griffige Harmonien und das Ganze verpackt in passende Arrangements. Diesbezüglich ist die Kombination Vocal-Variabilität vs. Atmosphäre des jeweiligen Stückes herauszuheben: Je nachdem, was gerade notwendig ist, gibt es hektisches Geschrei, aggressives Gebrüll, düstere, beschwörende Vocals oder finsteres Grollen. Unterm Strich erinnert mich das Hörvergnügen der CD an ein hochklassiges Champions League-Match, dessen Unterhaltungswert ich zwar objektiv anerkennen kann, das mir aber keine tiefergehenden Emotionen beschert, da mein Verein nicht teilnimmt. (ks) Goatwhore – „Carving Out The Eyes Of God“ (Metal Blade) – [8] Ein gemeines, fieses Album ist den Amis aus den Sümpfen Louisianas (um das Phrasenschwein zu bedienen) mit ihrem Viertling „Carving Out The Eyes Of God“ gelungen. Dabei zitieren sie verschiedene Stile und deren Trademarks, so dass es nicht leicht ist, Goatwhore einen eindeutigen Stempel zu verpassen. Zu Beginn der CD springt einem schneller Black-Thrash mit Frost-Zitaten („The All-Destroying“) entgegen, im weiteren Verlauf gibt’s fast lupenreine Death Metal-Riffs zum Abschädeln („Provoking The Ritual Of Death“ & „This Passing Into The Power Of Demons“) und rein Thrashiges wie bei „Shadow Of A Rising Knife“ lässt das Bangerherz schneller schlagen. Prinzipiell ist es aber schwierig, einzelne Stücke mit spezifischen Stilrichtungen in Verbindung zu bringen, da die Amis geschickt Thrash, Death und Black ineinanderfließen lassen, wieder zerrupfen, um dann doch einen knalligen Sud daraus zu brauen. Stimmig ist das Ganze jederzeit, jedes Riff sitzt, aggressive Growls und Screams punkten ebenfalls. Der Sound passt auch wie Arsch auf Eimer – mit dem nötigen Druck, doch auch mit Ecken und Kanten, wenn es sein muss. „Carving Out The Eyes Of God“ hat meine Empfehlung! (ks) Greensleeves – „The Elephant Truth“ (Eigenproduktion) – [9] Es gibt sie noch immer, diese besonderen Momente im zuweilen tristen Alltag eines Musik-Redakteurs, der immer mehr aus Routine, Langeweile und Déjàvus besteht. Den Beweis dafür liefert die vertragslose brasilianische Prog-Formation Greensleeves mit „The Elephant Truth“ ab. Erstaunlicherweise handelt es ich bei diesem Konzeptalbum erst um das Debüt dieser bereits 1993 (!!!) gegründeten Weltklasse-Band, die bish-
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er noch ohne Deal ihre Kreationen den hungrigen Proggern zum Fraße vorwirft… eine Tatsache, die sich hoffentlich bald ändern wird, denn musikalisch passen Greensleeves wie die Faust auf das berühmte Augen ins Labelprogramm von Platzhirschen wie beispielsweise InsideOut. Genug davon! So schlimm diese Entwicklung auch ist, heutzutage völlig untalentierte Bands mit Verträgen zu ködern und zu Superstars emporzuheben, überzeugen die Brasilianer nicht mit platter Attitüde und ideenlosen KonzeptGeschichten, sondern liefern mit „The Elephant Truth“ ein Lehrbeispiel für packenden, dramatischen und zuweilen auch melancholischen Prog/Rock ab, den ich so schon lange nicht mehr gehört habe. Thematisch hat Band-Capo Victor Schmidlin den beschwerlichen Weg eines Koma-Patienten gezeichnet, der in einem Zustand der Desorientierung mit längst vergessenen Gefühlen und auch Ängsten zu kämpfen hat, und das auf insgesamt 23 Songs, von denen ein Großteil flüssige Überleitungen zwischen den Titeln darstellt. „The Elephant Truth“ beinhaltet spannende Momente, traurige Passagen und natürlich auch aggressivere musikalische Elemente, die als Ganzes zu einem Album hoher musikalischer Qualität verschmelzen. Besonders Victor singt wie ein alteingesessener Hase und beherrscht alle stimmlichen Facetten par excellence. Der Rest der Truppe beherrscht dabei die Kunst, Victors Stimme gekonnt und gefühlvoll zu begleiten und mit unerwarteten Breaks zu überraschen. Einen einzelnen Song aus „The Elephant Truth“ hervorzuheben, ist unmöglich. Genauso unmöglich ist es, die Songs einzeln zu hören. „The Elephant Truth“ ist durch und durch ein auch musikalisch zusammenhängendes Konzept, aus dem sich nicht einfach Titel herausschneiden lassen. Mir bleibt am Ende nur zu sagen, dass Prog-Fanatiker diese vielversprechende Formationen unbedingt anzutesten haben, zumal sich auf diesem Debüt wirklich „just killers, no fillers“ befinden. Toll! (mf) Guerrilla – „Kickstart Revolution“ (Eigenproduktion) – [8] Das nenne ich wahre Fannähe: Das Kölner GuerrillaQuintett veröffentlichte „Kickstart Revolution“ nicht nur auf CD, sondern stellt ebendieses Album auch völlig gratis für Mann/Frau zum Download bereit. Eine wirklich beachtenswerte Aktion, die den Jungs hoffentlich einige Sympathiepunkte mehr einbringt, als sie ohnehin schon gesammelt haben. „Kickstart Revolution“ brettert mit „Into The Mire“ dann sogleich kompromisslos durch, wobei die Kölner Urgesteine die Gehörgänge auf insgesamt zehn Songs mit allerhand Szenereferenzen durchbraten, ohne sich wirklich an musikalische Vorbilder anzubiedern. So schimmern hier und da die einst göttlichen The Haunted durch, dann wiederum ein wenig schwedische Kost, vor allem erkennbar an der Gitarrenarbeit, und natürlich auch die rohe, deutsche Thrashkeule, um auch dem letzten Zweifler das Genick abzureißen. „Kickstart Revolution“ macht enorm viel Spaß, führt zu keinen Ermüdungserscheinungen, bringt auf der anderen Seite aber auch nichts wirklich Neues in die MetalLandschaft ein. Dass das von den Kölnern auch gar nicht beabsichtigt wird, glaube ich nur zu gern. Liebhaber von eben genannten Einflüssen sollten hier auf alle Fälle ein (noch funktionierendes Ohr) riskieren. Der Rest greift ohnehin bei gewohnt guter Qualität blind zu. (mf) Halcyon As Lilith – „Breed Of Lilith“ (Eigenproduktion) – [7]
Auf CD
Und wieder dürfen wir eine österreichische Produktion vorstellen: Halcyon As Lilith, die sich Slayertypisch durch die Songs metzeln. Dabei kommen Melodie und abwechslungsreiches Riffing nicht zu kurz. Man gibt sich verspielt, zeigt aber zugleich auch die Zähne. „Breed Of Lilith“ ist sicher noch keine meisterhafte Vollendung des Genres, dennoch bietet es gute Kost, die sich vor allem spielerisch in Szene zu setzen weiß. Lediglich der Gesang bedarf noch mehr Variation, um gewisse markante Punkte zu setzen. (iw) Harmanic – „Forsaken Soil“ (Eigenproduktion) – [6,5]
Auf CD
Aus naheliegenden Gründen muss ich immer an die österreichische Schuhkette Humanic denken. Ich hoffe, die Band verzeiht mir diese Assoziation, aber manche Gedanken drängen sich einfach auf. „Forsaken Soil“ ist der erste Versuch dieser österreichischen Truppe, sich mit ihrem melodisch gespielten Thrash Metal der hungrigen Meute zu empfehlen. Kein leichtes Unterfangen, zumal die Jungs noch mit einigen wenigen Schwierigkeiten kämpfen. Das Positive gleich zunächst: Der Sänger kann dem Hörer unterschiedlichste Stimmungen vermitteln und ist für Harmanic ein wahrer Glücksgriff. Musikalisch orientieren sich die Wiener natürlich auch an etwas größeren Thrash-Vorbildern und versuchen, ihre Songs abwechslungsreich zu gestalten, indem etliche coole, groovende Parts eingestreut werden. Andererseits fehlt es an dem gewissen Etwas, das „Forsaken Soil“ wirklich für jeden Underground-Fanatiker unabdingbar macht. Obwohl die Wiener technisch versiert vorgehen, lösen sie gut aufgebaute Spannungsbögen zu selten wirklich auf. Damit hat es sich im Grunde aber schon mit der Erbsenzählerei. Sollten Harmanic in den nächsten Jahren an sich weiterarbeiten, so werden die nächsten Songs mit Sicherheit noch treffender einschlagen als die fünf auf „Forsaken Soil“ platzierten Tracks. (mf) Horncrowned – „Casus Belli Antichristianis“ (Ketzer) – [6] Wie man von Beginn an sieht, hat sich bei Horncrowned, zumindest äußerlich, nicht viel geändert. Das absurde Artwork bleibt im gleichen übertriebenen Stil und damit sehr unterhaltsam. Und diese Art „Entwicklung“ findet sich auch bei der Musik. Nämlich keine. Für mich klingen die Stücke immer noch sehr ähnlich. Abwechslung wird also nicht sehr groß geschrieben. Ansonsten sind Horncrowned ganz Black Metal. Da wird auf das Gaspedal getreten. Die Gitarren zerschneiden alles, was sich in ihrem Weg befindet, und verhalten sich damit ganz dem Artwork entsprechend. Und man findet keine überlangen Songnummern auf dieser Platte. Durchaus angenehm, würde ich sagen. Somit wird dem Hörer immerhin keine stundenlange Tortur zugemutet. Aber ein erstklassiges Hörerlebnis findet man hier sicher nicht. Dafür klingen die meisten Nummern zu ähnlich und wirklich spannende Momente lassen sich auch vermissen. (ts)
In Slumber – „Arcane Divine Subspecies“ Auf CD (Twilight) – [9] Seit 2002 geistern die Oberösterreicher durch Metalgefilde und haben es mittlerweile geschafft, sich Gehör zu verschaffen. Was mich damals schon live am Kaltenbach Open Air in den Bann gezogen hat, findet mit „Arcane Divine Subspecies“ einen neuen Höhepunkt in der Geschichte der Band, die sich nicht mit simplen Klangstücken abgibt. Reich an Melodien und gespickt mit vielen Einsprengseln, die bei weitem nicht beim ersten Hördurchgang zu entdecken sind, liefern In Slumber ein vollwertiges melodisches Death Metal-Album ab. Gut gelungen ist die ausgeglichene Symbiose zwischen Härte und Melodie, die für „Arcane Divine Subspecies“ so charakteristisch ist. Aber wo die Sonne scheint, ist auch der Schatten nicht weit entfernt. Und so kann man trotz aller Raffinesse, die dieses Werk mit sich bringt, den stellenweise mangelnden Tempowechsel auf hohem Niveau kritisieren. Gerade mehr Abwechslung in diesem Bereich hätte der Scheibe die nötigen Höhen und Tiefen verliehen und das Ganze nicht so glatt wirken lassen. Trotzdem, was In Slumber hier von sich geben, schafft nicht einmal so manch bekanntere und größere Band. (iw) Israthoum – „Monument Of Brimstone“ (Spikefarm Records) – [6] Mit „Monument Of Brimstone“ werden Israthoum die Black Metal-Welt sehr wahrscheinlich nicht aus den Angeln heben. Für Szene-Kenner oder Fans, die auch mal einer unbekannteren Truppe neben den etablierten Kapellen eine Chance geben, ist die CD der Holländer ein Antesten wert. Vielleicht kennen einige Insider das Album bereits, denn Israthoum haben „Monument Of Brimstone“ bereits vergangenes Jahr veröffentlicht. Via Spikefarm gibt es jetzt den Versuch, noch einmal ein paar mehr Leute zu erreichen. Israthoum bedienen die Norsecore-Fraktion mit meist schnellen Stücken, die dank der intensiv gekreischt/gekrächzten Vocals auch über eine gewisse Ausdruckskraft verfügen. Als Vergleich spuken mir Gorgoroth oder vielleicht stellenweise auch Darkthrone („Soul Funeral“) im Hirn rum. Der Vierer bemüht sich aber auch sichtlich darum, Akzente in ihren klirrenden Angriffswellen zu setzen. So wird das Tempo verschleppt, eine klagende Atmosphäre kreiert, werden hymnische Ansätze, die an Dissection oder Enslaved erinnern, eingebaut oder dezente Klavierklänge beim Song-Ausklang verwendet. „Fire, Deliverance“ wird mit LagerfeuerKnistern und ruhigen Gitarren-Anschlägen eingeleitet. Das gesamte Stück hat generell einen eher folkigen Charakter. Der letzte Track „...Through The Voices Of The Dead“ umfasst noch einmal das gesamte Israthoum-Spektrum: giftig, schnell, wütend – aber auch erhaben, mystisch und getragen. Wie bereits eingangs gesagt: keine Innovation, aber solide zusammengestellter Black Metal. (ks) Kali-Yuga – „EP“ (Eigenrelease) – [-]
Hammer! Was für ein beseeltes, erstes Lebenszeichen dieser talentierten Band aus Thüringen. Bei dem 3Tracker kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr! Das Eröffnungsmassaker beginnt mit „Dead Shall Reign“. Stellt euch vor, Slayer, Legion Of The Damned und die göttlichen Malevolent Creation würden ihre besten Riffs in EINEN Topf werfen und sehen, was dabei herauskommt – voilà – so geht’s! Der zweite Song „Deadline“ hält das Niveau nicht ganz, hängt aber nur knapp hinterher. Auch hier wieder auffällig: starke Gitarrenarbeit. Doch den ganz großen Hit dieser EP hebt sich der Fünfer trotzdem bis zum Schluss auf. Bei „In Blood We Trust“ treibt es einem die Gänsehaut auf die Arme, wie Uptempo-Einschübe, aggressiver Gesang, hämmernde Doublebass mit traumhafter, melodischer Gitarrenarbeit wechseln! Eine superfette Produktion aus den bekanntbewährten Rape Of Harmonies-Studios (Patrick W. Engel & Co.) wertet den Hör- & Bangergenuss noch auf. Keine Empfehlung, sondern Pflichtkauf für läppische drei Euro (ohne Porto). Punkt. Hier tobt der momentan aufregendste Underground-Act: www.myspace.com/kaliyugametal. (db) Living Corpse - “Methapshysical Collapse” (Coroner) - [5] Living Corpse sprachen mich in erster Linie durch ihr düsteres Artwork an, welches mir irgendwie vertraut vorkam. Nach dem Lesen der Presseinformation wurde mir klar, dass es sich dabei um die Jungs von Damnengine Design handelt, welche bereits zahlreiche Covers gestaltet haben (z.B.: Chimaira, Lamb Of God, Slipknot). Mit dem Artwork, welches übrigens den Namen „Held By Nothing“ trägt, deutet man in Richtung des modernen Death-Metal, um genauer zu sein: Thrash Core, wie die Italiener sich selbst beschreiben. Nach der ersten Mini-CD „The Redline“ ging es auf Tour mit den Hardcore-Ikonen von 25 Ta Life und Living Corpse können schon Auftritte mit namhaften Bands wie Arch Enemy oder All Shall Perish verbuchen. Nun steht ihr erster Longplayer „Metaphysical Collapse“ in den Läden, welcher zehn Nummern postmodernen Death/Trash Metal verspricht. Meine Erwartungen sind hoch, nachdem man in dieser Subkultur dringend innovative Ideen benötigt. Die Ernüchterung folgt jedoch auf dem Fuß: Mit „Ars Regia“ wird ein Anfang geboten, den man sonst nur in Metalcore-Bilderbüchern wiederfindet. Die Gitarren geben den Einstieg, das Schlagzeug steigt ein und nach einem prägnanten Shout von Screamer Rafael würde man sich am liebsten in einem Moshpit befinden. Doch im weiteren Verlauf des Songs (und der gesamten Scheibe) stößt man an eine unüberwindliche Wand aus Monotonie. Gar keine Frage, die Jungs wissen, was sie tun und besonders Schlagzeuger Dany weiß mit seinem treibenden und sehr schnellen Beat zu überzeugen. Hier werden vor allem die Hardcoreeinflüsse von Living Corpse sichtbar. Jedoch beschränkt sich das Spektrum der Jungs auf einen Allgemeinsound, welcher es selbst nach mehrmaligem Hören der CD schwierig macht, den richtigen Track zu erkennen. Besonders Screamer Rafael trägt zur musikalischen Einfältigkeit bei, es fehlt an Substanz und Fülle in der Stimme. Vergleiche zu David Richardson von As Hope Dies wären nicht fehl am Platz. Aber nicht nur die Stimme an sich, auch das Zusammenspiel zwischen Instrumenten und Vocals bedarf noch einiger Probe. Man muss dazu sagen, dass gerade die Stimme einen langen Weg nimmt, bis sie so klingt, dass man sie brauchbar in den eigenen Stil integrieren kann. Die besten Beweise dafür sind die frühen Aufnahmen von großen Bands
wie As I Lay Dying oder If Hope Dies. Da raufen sich die Haare auf meinem Arm um einen Stehplatz. Der Gesamteindruck einer CD lässt leider nicht auf Live-Qualitäten einer Band schließen, jedoch traue ich Living Corpse eine zerreißende Bühnenshow zu, auch wenn die Songs auf „Metaphysical Collpase“ nicht die Power herüberbringen können, wie es live der Fall wäre. Insgesamt finde ich ihren Longplayer zwar etwas enttäuschend, jedoch könnten eingefleischte Thrash-Fans der Scheibe durchaus etwas abgewinnen. (az) Los Sin Nombre – „Blind leading blind“ (ViciSolum Productions) – [7] Fehlgeleitet von Bandnamen und dem Cover (sieht aus wie eine OberarmTattoo-Vorlage) rechnete ich erst einmal mit spanischem Stoner- oder Biker-Rock, aber bereits die ersten Takte vom Opener „Ashes To Ashes“ machen deutlich klar, dass die „Namenlosen“ eher aus der entgegengesetzten Ecke Europas kommen, konkret aus Schweden, und auf „Blind leading blind“ typisch schwedische Hausmannskost servieren. Mit viel Druck ausgestattet, zitieren sie beispielsweise bei At The Gates (der bereits erwähnte Opener), kennen offenbar auch In Flames (Titeltrack) und zeigen generell ein Faible für druckvolle, straighte Arrangements mit wütenden Schrei-Vocals. Das ziehen Los Sin Nombre dann aber doch nicht über die komplette Spielzeit durch und lassen tempotechnisch mal die Zügel schleifen („Breaking The Silence“) oder glänzen mit instrumental ruhigeren Tupfern und dazu passendem melancholischem Gesang („Enemy“). Fast schon besinnlich wird es bei „Passing Through“. Unterm Strich lässt sich zusammenfassen: Los Sin Nombre unterhalten mit solidem, abwechslungsreichem Schweden-Death/Thrash, der meiner Meinung nach die stärksten Momente hat, wenn es direkt und ohne Schnörkel zur Sache geht oder im MidtempoBereich gefällig abgroovt. Die verschiedenen Facetten, die die Schweden einbringen, zeigen jedoch, dass versierte Musiker an Bord sind, die sich auch Gedanken machen, bereits vielfach zertrampelte Pfade interessant zu gestalten. (ks) Loud At Least – „Painful Exploration“ (Eigenproduktion) – [7,5]
Auf CD
Wenige Bands, vor allem österreichische, können mit ihrem Erstlingswerk beweisen, dass sie ihr Handwerk beherrschen. Loud At Least belehren mich hier eines Besseren, zeigen, was in ihnen steckt und mit welcher technischen wie auch kompositorischen Eleganz sie ihr Machwerk „Painful Exploration“ fabriziert haben. Musikalisch tendiert die Band ausnahmslos zum Hard Rock, der mit elf Liedern seine Höhen und Tiefen durchlebt. Auch wenn nicht jeder Song wie eine Bombe einschlägt, weiß „Painful Exploration“ seinen Charme auszuspielen. Wer diese Musikrichtung als Lebensstil definiert, sollte daran nicht vorbeigehen und den weiteren Verlauf der Band genau beobachten. Allen anderen gebe ich meine Hörempfehlung ab, um zwischendurch auch mal auf langsamere Gänge zu schalten. (iw)
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Manetory – „Falling“ (Eigenproduktion) – [8,5]
Auf CD
Als Old-School-Thrash Metal würde ich „Falling“ zwar nicht bezeichnen, jedoch als überzeugenden groovigen Metal, der sich schnell warm spielt und viel Herzblut an den Tag legt. Vor allem die eingängigen Hooklines, die mit sehr viel Melodie unterstrichen werden, poltern sich schnell ins Metalherz. „Falling“ startet mit einem grandiosen Intro, welches atmosphärisch auf die folgenden Lieder einstimmt, die allesamt frisch und unverbraucht aus den Boxen schallen. Abwechselnd harter und klarer Gesang bildet ein positives Gesamtbild und stumpft während des Hörens nicht ab. Eine gelungene Mischung würde ich behaupten, die sich im Midtempo-Bereich ansiedelt und live wahrscheinlich so abgeht wie meine Katze mit Chili im Hintern. (iw) Maskbreaker – „Frontline Tales“ (Eigenproduktion) – [6] Lang sind die Geschichten nicht (Spielzeit 25 Minuten, knauserig für eine FullLength), die uns die Ö s t e r r e i c h e r Maskbreaker von der Front zu berichten haben. Dazu haben sie einen etwas eigenartigen Erzählstil gewählt. Auf der einen Seite ist es unzweifelhaft Death Metal mit tiefem, schrammelndem Riffing. Andererseits verpacken Maskbreaker auch eine große Portion Groove und stellenweise reichlich rockig anmutende Strukturen in ihren acht Stücken. Hört einfach mal „AmputeeIidentity Disorder“ oder „When Spalling Sets In“ und ihr wisst, was ich meine. Klingt fast so, als würden Six Feet Under von der lokalen Rock-Kneipen-Coverband gespielt werden. Der Vergleich zu den Amis drängt sich nicht nur wegen der groovigen Spielart, sondern auch wegen der ähnlichen Vocals – das akustische Ping-Pong zwischen ultra-tiefen Growls und Pig-Screams – auf. Um das Ganze allerdings zu relativieren, muss ich auch hinterherschieben, dass manches noch ein bisschen holprig klingt, das Drumming ein wenig mehr Pep vertragen könnte und auch soundtechnisch noch Reserven bestehen. Dennoch ein netter Appetizer, auf dem sich aufbauen lässt. Wer bereits das „Toxic Trace Of Devastation“-Demo der Ösis sein Eigen nennt, dem sei gesagt: Vier der fünf Stücke aus dem letzten Jahr finden sich hier auch wieder. (ks) Mirrored in Secrecy – „Truth“ (Eigenproduktion) – [8,5]
Auf CD
Mit viel Liebe zum Detail haben die Kölner Mirrored in Secrecy ihre dritte Eigenproduktion veröffentlicht. Das Coverartwork, welches düster auf die Musik einstimmt, will so gar nicht zu einer Undergroundband passen. Auch soundtechnisch hat man nicht gekleckert und das Ganze im Finnvox-Studio mastern lassen, um dem Hörer ein vollwertiges Produkt zu offerieren. Musikalisch erwartet den Fan Gothic Rock, der atmosphärisch und professionell zu beeindrucken weiß. „Truth“ klingt nicht halbgar
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oder halbherzig, sondern durchdacht und emotional einnehmend. Auch wenn nur drei Lieder darauf zu finden sind, so verspricht jeder Song thematisch eine Reise in die unergründlichen Tiefen der menschlichen Psyche. Mirrored In Secrecy, die ihre klanglichen Eruptionen als Dark Rock bezeichnen, befinden sich auf dem richtigen Weg, um mit ihrer schwermütigen Richtung eine Kerbe in die Unmenge der Bands zu schlagen. (iw) Morphia – „One Last Embrace“ (Dark Balance) – [-] Quasi als Abschiedsgeschenk gedacht: Die sympathische Band hat sich leider aufgelöst. Ihr letztes Konzert 2008 beim Brainstorm-Festival in Appeldoorn, Holland, haben die Doom-Deather vor einem begeisterten und für diese Musikart extrem bangerfreundlichen Publikum als DVD mitgeschnitten. Morphia sind wieder ein Beispiel dafür, wie ungerecht das Musikbusiness zuweilen ist. Der Fünfer hätte größere Aufmerksamkeit verdient. An der Qualität ihrer drei feinen Studio-CDs hat es sicher nicht gelegen, dass es nicht zum ganz großen Durchbruch gereicht hat. Keyboarder Peter mit seinem prima Klargesang wechselt sich mit Basser Jasper ab, der hier mit seinem Growlgesang überwiegend durch das stimmliche Programm führt. Stimmige Keyboardpassagen duellieren sich mit harschen, treibenden Gitarrenattacken („Again“). Sehr gut steht der Band auch Balladeskes wie der kleine Smasher „Memories Never Die“. Hier kommt Esther als Gastviolinistin auf die Bühne. Sie war auch früher schon gelegentlich bei den MorphiaReleases mit dabei. Wunderbare Musik. Ohne große Gesten trotzdem großes Kino. Kein Wunder, dass das Publikum nach Zugaben verlangt! Ordentliche Qualität, gelungene Kameraführung und auch die Menüführung des Silberlings ist erfreulicherweise einfach und funktioniert. Als Bonus gibt’s noch die Bandgeschichte als Dokumentation, ein Akustik-Video von „Meaning Of Forever“ und die obligatorische Fotogalerie. Ebenso enthält die DVD auch noch die Audio-CD des kompletten Konzertes. Ein gelungener Abgang. (db) My Cold Embrace – „Hausgeist“ (Eigenproduktion) – [7]
Auf CD
Mein lieber Scholli – My Cold Embrace spielen nicht im Sand! Die Hessen waren mir bis dato zwar ein Begriff, aber so druckvoll wie auf „Hausgeist“ hatte ich sie nicht in Erinnerung. Das Album steigt mit „Bloodwritten“ und „More Or Less“ wie die Feuerwehr gleich im Doppelpack ein. My Cold Embrace präsentieren sich dabei wie ein wütender Bastard aus alten Dark Tranquillity und früheren Children of Bodom, allerdings ohne Keyboards und damit aufs Wesentliche konzentriert. Auch im weiteren Verlauf von „Hausgeist“ büßt die Band wenig von ihrer Durchschlagskraft ein, setzt Riffs auf den Punkt und lässt die Drums tight hämmern. „Apollo“ zum Beispiel läuft mit deftigem Geknüppel aus. Daneben zeigen sich ein paar weitere Facetten. „No More Headtrips“ als besinnliches Instrumental lässt kurz durchschnaufen, bevor mit dem deutschsprachigen „Hausgeister“ eine eingängige Thrash/Death-Granate ausgepackt wird und der zweite Track mit deutschen Lyrics (aber merkwürdigem Titel) „Das Grüne führt ins Schwarze“ als ein hektischer Circle-Pit-Feger und mit durchgeknallten Vocals ausgestattet noch einen draufsetzt. Überflüssig finde ich persönlich den Bonus-Track „My Surf Embrace“. Habe den Sinn in dem
Kneipen-Hintergrund-Instrumental-Geschunkel nicht gefunden. Als Entschädigung gibt es reichlich Multimedia-Material mit Videos und Co. (ks) My Own Grave – „Necrology“ (Pulverised Records) – [9] Wenn man schon nicht mehr direkt auf Grund des Sounds einer Band auf die Herkunft schließen kann, so ist doch gut, wenn man an Hand der Plattenfirma eine Richtung gewiesen bekommt. Pulverised Records ist hier das Stichwort. Bereits einige Bands aus Skandinavien, genauer Schweden, wurden über das Label aus Singapur in die weite Welt vertrieben und My Own Grave machen da keine Ausnahme. Musikalisch fehlen die typisch schwedischen Trademarks – keine runtergestimmten Gitarren, keine Harmonien, sondern mächtig vor die Fresse und das nicht zu knapp ist angesagt. Death Metal in einer absolut kompromisslosen Form und über weite Strecken mit dem Gaspedal bis Anschlag durchgetreten hat „Necrology“ zu bieten. Ok, hin und wieder finden die Schweden schon die Drosselklappe, aber dann könnt ihr euch sicher sein, dass etwas langsamere Passagen mit fettem Doublebass-Geballer oder Riffgewitter gefüllt werden, so dass ein Erholungseffekt relativ ist. Dass die Six-String-Flitzefinger auch bei höheren Geschwindigkeiten noch schicke Leads aus den Saiten schütteln, zeigen „None Shall See“ oder „Exhumed To Be Buried“. Während manch anderem Album zum Ende hin die Luft ausgeht, ziehen My Own Grave bis zum Schluss durch – das schwedische Abrisskommando hat sich anscheinend ein paar starke Granaten extra aufgespart. Mit „Age Of Torment“, „Carnal Revelations“ (mit eindringlichem, gesprochenem Ausklang) oder dem Hammer-Rausschmeißer „Incineration“ (die Intensität Vaders trifft auf Evocation-Riffing) stehen drei mächtige Stücke am Ende der CD, die sich so manch andere Kombo als Opener wünschen würde. (ks) Nokta – „Lifetime Pt. I & II“ (Eigenproduktion) – [9]
Auf CD
Oft stelle ich mir die Frage, warum eine bestimmte Band bis heute ohne Deal unterwegs ist. Schon der erste, im Jahr 2007 erschienene Teil „Lifetime Part I“ konnte die Presse vollständig überzeugen. Auch damals bewegten sich die Deutschen in melodischeren Rockgefilden zielsicher und garnierten die lockere Basis mit einigen Prog- und Power Metal-Anleihen. Es hat trotz aller positiven Reaktionen dann (unverständlicherweise!) doch nicht zum Deal und Durchbruch gereicht. Ein Jahr später wurde der zweite Teil „Lifetime Part II“ veröffentlicht und auch dieser glänzt(e) mit Songs der absoluten Extraklasse. Kaum zu glauben, dass hier eine Undergroundband am Werk ist, denn die Songs wirken nicht nur völlig und bis ins kleinste Detail durchdacht, sondern auch um etliche Ecken ausgereifter als diverses Material einiger Major-Bands. Toll! Nokta verstehen es einfach, die richtigen Songteile aneinanderzuheften und an den richtigen Stellen dramatische Parts einzufügen. Hier gibt’s keine weinerlichen und
peinlichen musikalischen Ergüsse, die nur gekünstelt wirken. Hier gibt es, kurz und schmerzlos, eine der wohl besten Unterground-Rock/Prog-Kombos, die Deutschland derzeit zu bieten hat. Glockenspiel gefällig? Passender, weiblicher Gesang? Auch mal etwas heftigere Kost? Und dazu noch eine Woodhouse-Produktion? Und das Ganze auf einem Level, von dem die alten Hasen heute nur mehr feuchte Träume haben? Zugreifen ist Pflicht, beide Scheiben gibt es zusammen um ca. 15.- Euro bei der Band zu bestellen. (mf) Orcrist – „We Come In War“ (Apollon Records) – [3] Orcrist ist in der Tolkien-Welt ein magisches Troll-Schwert, auch Orkspalter oder Beißer genannt. Die Italo-Schwarzkittel spalten mit ihrem dritten Album noch nicht so viel, Orks würden sich wohl eher mit einem Schmunzeln abwenden, als von Grausen gepackt davonrennen. Das beginnt ja schon mit dem gewollt martialischen, holprigen Album-Titel. Weiter geht’s mit vielen Standard-Riffs und Zutaten aus dem Black Metal-Baukasten für Dummies: Auf eisig-klirrend getrimmte Vocals und Gitarren gaukeln norwegische Herkunft vor, Tempiwechsel und Breaks wollen für Abwechslung sorgen, klingen aber eher bieder und tausendmal gehört. Der Burner ist aber Kollege Grav an den Pappkarton-Drums. Anscheinend von der lokalen Schüler-Punk-Band abgeworben, stümpert er fast jeden Track mit primitivem Uffta-Gepolter in Grund und Boden. Bei den langsameren Passagen könnte man das fast noch als gewollten Purismus durchgehen lassen, aber sobald es etwas schneller wird, ist es streckenweise zum Fremdschämen. Alles in allem 32 Minuten Rohstoffverschwendung, das reißen auch die Label/Band-Hologramme auf der CD-Rückseite nicht mehr raus. (ks) Outrage – „Contaminated“ (Maintain) – [8]
P.A.I.N. Management – „Lobotomy“ (STF Records) – [6] P.A.I.N. Management bringen mit „Lobotomy“ ihr Debütalbum auf den Markt und wollen uns damit ihre Interpretation von „Unique Metal“ näherbringen. Was finden wir hierbei? Druckvolle Gitarren, ganz coole Riffs und Keyboards. Für mich klingt es teils fast schon nach etwas zu viel davon. Man hat ganz coole Nummern auf der Platte, die Gitarren klingen fett, aber es ist dauernd dieses Geklimper im Hintergrund oder auch im Vordergrund. Je nachdem, wo man sich gerade auf der CD bewegt. Der Gesamteindruck der Platte ist eher durchwachsen. Der Sänger kann mich nicht mitreißen und zwischendurch klingt er auch leicht überfordert. Was das Songwriting angeht, kann man von einer relativ abwechslungsreichen Platte sprechen. Nur habe ich zwischendurch auch immer wieder das Gefühl, die eine oder andere Passage schon ähnlich auf der Scheibe gehört zu haben. Etwas mehr Pep hätte der Scheibe wohl gut gestanden, denke ich. (ts) Pharoty – „Trapped“ (Eigenproduktion) – [8]
Auf CD
Auf CD
In heimischen Gefilden längst keine Unbekannten mehr, und langsam aber sicher auch international Fuß fassend, versucht sich nun mit Outrage eine weitere talentierte Band aus Österreich daran dem Unsterblichkeit versprechenden Death Metal-Thron etwas näher zu kommen, und wirft mit ihrem aktuellen Debütalbum „Contaminated“ einen ziemlich interessanten Brocken totgeklopptes Fleisch ins Rennen. Denn gleich zu Beginn des Werkes wird mit dem Opener „Mortal Agony“ klar, dass es sich hier um keine Dilettanten handelt, und die Jungs ihr Handwerk vortrefflich verstehen. Wuchtig und treibend stürmt man in die Schlacht, jedoch auch immer auf eine fast schon übergesunde Portion „Groove“ bedacht. Besonders auffallend der wirklich druckvolle Sound. Hier dröhnt und presst wirklich jedes Riff und auch für genügend Transparenz der einzelnen Instrumente wurde gesorgt. Die Gitarrenarbeit ist präzise und geradeaus, und durch die stets nach vorne marschierende Rhythmusfraktion wird man fast dazu gezwungen den Takt mit zu wippen. Der Gesang weiß den Hörer durch Abwechslungsreichtum zu überzeugen, und fügt sich passend ins genretypische Gesamtgefüge ein. Kein
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Zweifel, hier sind Death Metal-Puristen am Werk! Die Steirer setzen zwar wie schon erwähnt eher auf die groovende Mid-Tempo-Karte, aber gelegentliche Blast- und Doublebassattacken sorgen in Union mit gelegentlichen Ausflügen in „thrashigere“ Gefilde für etwas Abwechslung. Dennoch beschleicht mich nach den insgesamt dreizehn Songs das Gefühl, dass ich im Laufe der Platte manches schon mal gehört habe, und hiermit meine ich nicht die drei neu aufgenommenen Demosongs aus vergangenen Jahren. Vielleicht wäre etwas weniger Songmaterial albumdienlicher gewesen, aber dies ist Geschmackssache, und es ist unbestritten, dass Outrage mit „Contaminated“ einen wirklich starken Batzen österreichischer Death MetalFeinkost abgeliefert haben. Starke Songs, eine fette Produktion und obendrauf noch ein gelungenes und schmackhaftes Cover-Artwork! Death-Fanatic-Herz was willst Du mehr? Mir fällt im Moment kein weiterer Wunsch mehr ein, und deswegen kann und muss ich dieser Scheibe einfach eine verbindliche Kaufempfehlung zugestehen. (tos)
Rockig präsentieren sich Pharoty aus Österreich mit ihrem neuesten Output „Trapped“, der mit seiner angenehmen Note die Hörerschaft zu gewinnen versucht. Dabei schlägt die Truppe einen musikalisch kommerzielleren Weg ein als härtere Bands und wird dadurch allgemein radiotauglich. Vor allem der Titelsong „Trapped“ gibt sich sehr eingängig und fast schon hitverdächtig. Auch „No More Words“ kann überzeugen und gibt am besten den musikalischen Weg der Band wieder. „Trapped“ überrascht positiv mit seiner Eigenproduktion, die abwechslungsreich und kompetent Eindruck erzeugt. Ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft noch viel von dieser Band hören werden. Vielleicht zwar nicht in Special Interest-Magazinen, aber sicher in populäreren Titelblättern. (iw) Raintime – „Psychromatic“ (Lifeforce) – [5] Drei Jahre ist es mittlerweile her, dass Raintime „Flies&Lies“ veröffentlicht haben und mich damals schlagartig zu begeistern wussten. Nun steht „Psychromatic“ in den Startlöchern und kokettiert immer noch damit, dass es sich um Metal/Death Metal han-
deln würde. Nun, von dieser Richtung hat sich die Band drastisch wegbewegt. Was sich mir entgegenwirft, kann kaum mehr in Relation zum Vorgänger gezogen werden. Es ist, als ob sich mir eine neue Band präsentieren würde. Seichter ist man geworden. Gar müde? Was einst vor Kraft und Kreativität strotzte, erscheint mit einem Mal schal. Das Verhältnis Death Metal mit metallischen Elementen hat sich umgekehrt. Dem Wiedererkennungswert hat man damit keinen Gefallen getan. Und je mehr Lieder man von „Psychromatic“ gehört hat, desto mehr schleicht sich das Gefühl ein, dass die Italiener von Mal zu Mal lascher werden. (iw) Raw – „The Beastard“ (Eigenproduktion) – [7] Nomen est omen! Genauso roh und grob, wie der Name verheißt, gehen Raw auf ihrem Drittlings-Demo zu Werke. Habe ich anfangs noch etwas ob des klischeehaften Covers geschmunzelt – „The Beastard“ ist wohl ein Bierflaschen schwenkendes, Werwolf-ähnliches Ding, das in Lederjacke loszieht und kleinen Bangern den Kopf abreißt –, ist mir das Grinsen direkt mit dem Opener/Titeltrack aus dem Gesicht gepfeffert worden. Die Mannheimer Krawallos erfreuen mit direkten, dreckigen und kompromisslos aggressiven Stücken, die selten mal die DreiMinuten-Grenze knacken. Meist angetrieben von ununterbrochen tackernden oder gar Doublebass anschlagenden Drums haftet Raw etwas Ungestümes und Zügelloses an. Hauptkundschaft dürfte wahrscheinlich die Old-School-Fraktion sein, die bei Dreckbatzen wie „Fuck The Scene“, „Lucid Dreams“ oder „The Beastard“ automatisch das Moshen und Bangen anfängt. Doch purer Thrash wäre als Beschreibung zu einfach, denn man merkt schon, dass die Jungs (mit netten Pseudonymen wie Dirty Dirk, Krawallex oder Gorgeous) seit einigen Jahren musikalisch in verschiedenster Form aktiv sind. Das klingt dann in Form punkiger oder coriger Ausflüge durch, selbst kurze Ausflüge in Richtung Death Metal integrieren sich gut ins Gesamtbild. Statt euch eine Empfehlung zu „The Beastard“ zu geben, lege ich euch das vor einigen Wochen erschienene Album „Moshpit“ ans Herz. Soweit ich gesehen habe, enthält das alle Tracks von „The Beastard“ sowie auch diversen (neu aufgenommenen) Kram der ersten beiden Demos. (ks) Requiem – „Infiltrate...Obliterate...Dominate“ (Twilight) – [9] Schweden-Death. US-Death, Old-School-Death, technischer Death, Hyperblast-Death, schleppender Death... lirum larum – Bezeichnungen sind manchmal Schall und Rauch und zwar dann, wenn das Produkt – in vorliegendem Fall „Infiltrate...Obliterate...Dominate“ – für sich selbst spricht. Requiem haben schlicht ein äußerst effektives und präzises Tötungsinstrument geschnitzt. Die Schweizer, die nach Disparaged und Cataract der nächste vielversprechende Export aus unserem Nachbarland in Sachen Extrem-Metal sind, glänzen vor allem mit kompromisslosem (Doublebass-)Drumming, schneidenden, peitschenden Riffs, einem ruppigen Fies-
ling am Mikro und fettem Sound (Classen sei Dank). Requiem hauen einen Nackenbrecher nach dem anderen raus, sei es „Killing Cell“, „Final Conflict“ oder „Obliterate To Dominate“. Dass die Schweizer aber auch absolut gekonnt das Tempo verschleppen können, zeigen passagenweise „Perish In Open Fire“ (mit einem Mörder-Riff, das mich von der Intensität her an „Seed Of Filth“ vom letzten SFU-Album erinnert) oder „A Haunting Warfare“, mehrheitlich regiert auf dem Album allerdings schon Kommando Attacke. Als Vergleich habe ich irgendwo Malevolent Creation gelesen und ich denke, die Amis passen als Messlatte ganz gut, speziell im Hinblick auf Kompromisslosigkeit, Riffing und die fiesen Vocals. Was Requiem meiner Meinung nach darüber hinaus auszeichnet, ist: mehr Variabilität und ihre Tracks bohren sich tiefer ins Hirn. Pflichtkauf für jeden Death Metal-Freak! (ks) Scarecrow N.W.A. – „Ishmael“ (PH Music) – [8] Schon seit geraumer Zeit ist nun das aktuelle Album „Ishmael“ der steirischen Progressive Hardbradler von Scarecrow N.W.A. erhältlich, und bietet dem geneigten Hörer abwechslungsreiche und gekonnt vorgetragene Extreme Metal-Kost mit allerlei Anleihen aus dem breitgefächerten Spektrum der uns naheliegenden härteren Klangwelt. Das Hauptaugenmerk wurde meiner Meinung nach auf gediegenen Death Metal der melodischeren Sorte gelegt, welcher ziemlich eigenwillig mit den eben angesprochenen Einflüssen diverser Spektren wie zum Beispiel Thrash oder auch Black garniert wurde. Besonders abwechslungsreich gestaltet sich auf „Ishmael“ der Gesang, welcher vom gemäßigten Growling und aggressiven Gekeife bis hin zum cleanen Gesang alle Paletten der hartmetallischen Stimmbandakrobatik abzudecken vermag. Die Gitarrenarbeit ist ebenfalls sehr vielversprechend und der Protagonist scheint sein Instrument mit Leichtigkeit zu beherrschen. Hier sitzt jedes Riff, jedes Soli und auch der Ideenreichtum im Arrangement der Songs kommt hier nicht zu kurz. Die Rhythmusfraktion steht dem Gitarrenquäler allerdings in nichts nach, und verleiht dem Album mit ihrer soliden Arbeit das nötige Rückgrat. Neben den Saiten- und Schlaginstrumenten ist auch das intelligent eingesetzte Keyboard in der Lage Akzente zu setzen, und verleiht diversen Parts noch den nötigen Pathos, womit das Werk aus kompositorischer Sicht geschickt abgerundet wird. Der Sound des Albums geht ebenfalls in Ordnung und stellt sich als passend zum Stil der Steirer heraus. Den guten Gesamteindruck unterstützen noch das textliche Konzept über den Roman „Moby Dick“ und das recht abstrakt anmutende Cover-Artwork, welches die Geschichte dieses alten Romans irgendwie in ein moderneres Licht rückt. Auf jeden Fall wurde „Ishmael“ ein rundum gelungenes Werk, welches sich der anspruchsvolle Hörer ohne jegliches Bedenken zulegen sollte. Die neun Songs strotzen vor Ideen- und Abwechslungsreichtum und besonders der Opener „Call Me Ishmael“ zeigt auf, über welches Potential Scarecrow N.W.A. verfügen! (tos)
Sainc – „Pathogen“ (Eigenproduktion) – [3] Ihr kennt sicher die Situation: Ihr geht in eure Stammkneipe. Keiner von euren Kumpels ist da. Deswegen nehmt ihr erst mal an der Theke Platz und ordert ein Bier. Neben euch ein Typ, den ihr hier schon x-mal gesehen habt und der bereits voll wie tausend Russen ist. Dummerweise hat er außer euch niemanden, mit dem er reden kann, und so redet er. Erzählt euch total belangloses Zeug, das ihr zu allem Überfluss auch bereits etliche Male gehört habt, und fällt euch von Minute zu Minute mehr auf die Nerven, bis ihr euch mit einem vorgeschobenen „Ich muss mal pissen“ unauffällig aus der Situation entfernt. Was das Ganze mit den Polen Sainc zu tun hat? Nun, es ist gerade nichts Besseres zum Besprechen da, also muss „Pathogen“ in den Player. Relativ schnell ist klar, dass nichts Neues oder zumindest Spannendes drauf ist. Sainc spielen groovigen Death Metal mit total basslastigem und manchmal auch übersteuertem Sound, der durch den Groove und eingestreute Schrei-Vocals auch in Richtung Modern Metal tendiert. Mehrheitlich schwimmen aber monotone Growls auf der Suppe. Wahrscheinlich spielen hunderte Kapellen qualitativ auf ähnlichem Niveau, nur belassen die das erst mal im Proberaum und überfallen damit nicht gleich unbescholtene Hörer. Ich muss zugeben, dass Sainc im Laufe der CD auch die ein oder andere pfiffige Idee haben, leider wird die vom Einheitsgemansche sofort wieder hinfort gespült. Der „Ich muss pissen gehen“Moment kommt spätestens bei grausamen Ohrenquälern mit den obskuren Namen „Mhc/Hla“ und „HGP“. Im Gegensatz zur Kneipe brauche ich aber nicht extra in Richtung Klo abdampfen, sondern mach einfach den CD-Player aus. (ks) Schelmish – “Die hässlichen Kinder” (Napalm) - [6] Schelmish ist eine mir total unbekannte Band und doch ist ihre aktuelle Platte „Die hässlichen Kinder“ nun schon das neunte Projekt der Bonner. Sie beschreiben ihre Musik als „Medieval Rock/Punk/Metal“- soweit so gut, viele werden sofort an altbekannte Nummern von In Extremo, Subway To Sally oder Die Streuner denken. Mit diesem Entschluss ist vorläufig auch nicht weit gefehlt. Man fühlt sich sofort nach dem Opener „Bist Du Bereit“ einige Dekaden nach hinten versetzt, in das gute alte Mittelalter. Jedoch könnte man meinen, dass man in jenem Mittelalter Mitbürger mit „Hast a paar Cent für mi?“ anspricht. Man liefert alteingesessenen Deutschpunk in Kombination mit klassischen Instrumenten wie Dudelsäcken, Harfen, Flöten und vielem mehr. Gesanglich bleibt man Großteils deutsch, jedoch wechselt man in den englischen Bereich, welcher Schelmish überhaupt nicht steht. Ich muss sagen, es ist einige Zeit her, dass ich Textpassagen wie „Wir sind fett und hässlich und auch ein wenig asozial“ gehört habe, welche mich an Zeiten von Wizo und Konsorten erinnert. Gesellschaftskritisch, aber auch gleichermaßen instrumental versiert, gibt man einen gewöhnungsbedürftigen Mix zum Besten. Mein persönlicher Favorit ist „Blähsucht“, er handelt von… nun ja… Durchfall. Die Texte sind wohl für manches Gemüt doch etwas zu derb. Manche Hörer könnten meinen, dass Schelmish endlich erwachsen werden und „intelligente“ Texte schreiben sollten. Ich persönlich interpretiere „Die hässlichen Kinder“ als eine Antwort auf das Leben, welches sie nicht allzu ernst nehmen. Was mich an diesem Album wirklich, wirk-
lich, wirklich gestört hat und zwar so sehr, dass ich die CD jedes Mal in die Mikrowelle legen wollte, war, dass in jedem Lied die Ansage „Sie hören das neue Schelmish-Album: Die hässlichen Kinder“ kam. Gerade bei Promo-CDs finde ich es äußerst überflüssig, solche Sequenzen in jeden Track zu schneiden. Diese nehmen einem gewaltig den Spaß am Hören und Genießen. (az) Shadow’s Far – „As Black Turns Red“ (Stonepath Records/Twilight) – [8] Düstere Braun/GrauTöne auf dem Cover wirken fast wie ein Camouflage-Anstrich, so dass die CD im Stapel der Review-Kandidaten erst einmal nicht auffällt. Wie eine scharf gemachte Claymore-Mine ist „As Black Turns Red“ treffsicher im Todesstreifen zwischen Thrash und Death platziert. Wenn dann ein paar unbedarfte Metaller vorbeigeschlendert kommen, ist Schluss mit Tarnung und die Schweizer Shadow’s Far spucken ihre explosive Ladung aus. Nicht fixiert auf eindimensionales Geschrote wechseln intensive Midtempo-Thrash-Passagen, groovige Mosh-Parts und geradliniges, massives Auf-die-Zwölf-Geballer. Aus diesem Rahmen fällt eigentlich nur das knapp anderthalbminütige, orientalisch angehauchte Outro „38000“. Zusammengehalten wird der Mix von meist räudigen, gekotzten Vocals. Um „As Black Turns Red“ mit ein bisschen Namedropping zu beschreiben, stellt euch eine Mischung aus den Landsleuten Requiem, dazu reichlich Slayer und Exodus vor, abgeschmeckt mit dem kleinen Bruder von Martin van Drunen, allerdings noch lange nicht so räudig und abgefuckt wie dieser. Mir gefallen das Album im Allgemeinen und Nackenbrecher wie „Burnt Confessions“ oder „Apocalypse Of Humanity“ im Speziellen ziemlich gut! (ks) Sick Of Society – „Weekend Anarchy“ (Eigenproduktion) – [6] Die Schnauze voll von der Gesellschaft, aber nicht vom Musizieren – kann man so Sick Of Society auf den Punkt bringen? Fakt ist, die Ulmer Szene-Veteranen sind seit Anfang der 90er im Rennen und „Weekend Anarchy“ ist die bereits siebte CD, diverse Tapes dabei noch nicht mit eingerechnet. Musikalisch sind sie wohl die vielen Einordnungsversuche ihrer eingängigen Mischung diverser Stilrichtungen leid und pappen sich das Etikett Porn’n’Roll an, was ich wenig hilfreich finde. Am Ende bleibt es schon eine Mixtur aus punkrockigen Songstrukturen, streckenweise metallischen Gitarren und hardcoriger Aggressivität. Vielleicht ein bisschen wie eine englischsprachige Variante von Dritte Wahl, die weniger massenkompatibel ist? Ein Gespür für Melodien, die hängenbleiben, haben Sick Of Society aber auch in jedem Fall, denn bereits nach ein, zwei Mal Hören bleiben Singalongs wie „Weekend Anarchist“ (der heimliche Hit der CD), „Alles Scheisse“, „It’s A Monster...“ oder „War In The Name Of Freedom“ unweigerlich hängen. In der zweiten Hälfte des Albums (17 Stücke, knapp 35 Minuten) nutzt sich der Mischmasch doch ein bisschen ab, Melodien bleiben weniger hängen und die grundsätzlich räudigen Vocals passen nicht
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mehr optimal zu jedem Stück. Als Zugabe gibt es noch einen Multimedia-Part mit einige Live-Videos, bei denen man die Zuschauer fleißig pogen, moshen und vereinzelt auch Haare schütteln sieht – damit wären wir zum Abschluss des Reviews auch wieder in etwa bei der Eingrenzung der Musik des Trios. (ks) Sufferage – „Death Nation Anarchy“ (Remission) – [7] Auf die Hamburger Sufferage ist mittlerweile Verlass. Die vier Musiker zerhackstücken sich nach wie vor durch ihren brutalen und top gespielten Death Metal. Es gibt wieder einige Hammersongs zu bestaunen („Deprivation Of The Despised“). Auch ganz groß: das Instrumental „Nothingness“ mit der ganz starken Einleitung, das insgesamt sehr einprägsam ist. Wenn ein Radiomoderator noch in seiner Heavy-Sendung nach einer Einleitung sucht, kann er damit blind und geschmackvoll zugreifen. Gegen Ende der CD schleicht sich die oft genreübliche Ermüdung ein, ein etwas durchschnittlicherer Song „Parasitic Elite“ verhindert (noch) den Schulterschluss zu den ganz großen Bands im Extrembereich. Trotzdem: amtliche Death Metal-Breitseite. (db) Svartby – „Riv, hugg och bit“ (Trollzorn/Soulfood) – [6] Svartbys zweites Album ist ein klassisches Beispiel, wie man mit peinlicher Verpackung erreicht, dass man als Hörer voreingenommen an die CD rangeht und nichts Gutes erwartet. In grünlich-lila Tönen gehalten, ziehen sich kindliche Zeichnungen von Gnomen und Trollen beim Saufen, Feiern und Frauenrauben durch das ganze Booklet. „Highlights“ sind dabei der Stinkefinger-zeigende Troll auf dem Cover oder die beiden geballten Fäuste mit dem eingravierten Schriftzug „Gnom Slam“ (sic!) auf dem Back-Inlet. Lass Hirn regnen... Dabei ist die Musik der Russen gar nicht so schlecht. (Die Story der Russen, die lieber Schweden wären, lasse ich an der Stelle weg. Der Witz ist eigentlich nur beim ersten Mal lustig.) Svartby spielen meist flotten und in der Regel opulent arrangierten Folk/Pagan Metal mit vielen Spielereien, Facetten und Details, auf die man achten kann. Eine vorgetäuschte Instrumentenvielfalt ist dabei allgegenwärtig. Aber bis auf die echte Violine in „Humus“ kommt alles aus dem Synthie-Fundus. Anspieltipps: „Dvärgars Bastu“ oder „Groda, Ryttare“. Warum reicht es am Ende trotzdem nur zu einer mittelmäßigen Note? Problemfall 1: Der Sänger ist einfach nur langweilig. Über die gesamte Spielzeit schreit er kratzig nahezu auf ein und demselben Level vor sich hin. Problemfall 2: Der fehlende Spannungsbogen. Ab der Hälfte der CD fangen die Stücke (insgesamt sind es 14) an, sich strukturell mehr und mehr zu ähneln. Ein bisschen spukt mir der Begriff vom Füllmaterial durch den Kopf oder aber die Redewendung „stark angefangen und dann genauso stark wieder nachgelassen“. (ks) The Fading – „In Sin We’ll Find Salvation“ (Wacken Records) – [7]
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Die Globalisierung macht auch vor dem Metal nicht halt. So entdeckt man via Internet mit Mausklicks ehemals weiße Flecken auf der Metal-Landkarte und was früher als exotisch galt, ist heute fast schon normal. Deswegen ist es nicht wunderlich, wenn eine Band aus Dubai (Nervecell) bei einem Leipziger Label (Lifeforce) landet oder ambitionierte Herren aus Israel mit Unterstützung aus Norddeutschland losziehen, das Bangervolk zu begeistern. Partiell hat das im Falle The Fading bereits geklappt, immerhin hat man 2008 die Wacken Metal Battle für sich entscheiden können und somit den Deal mit Wacken Records ergattert. Erwartungen an harte Kost vermengt mit traditionellen Klängen ihrer Heimat werden allerdings enttäuscht – The Fading haben sich melodischem Death Metal verschrieben, der dann auch noch alle typischen Trademarks enthält. Das heißt: Auf „In Sin We’ll Find Salvation“ finden sich zuhauf feine, klare und prägnante Leads gepaart mit druckvollem Drumming und einem hektischen, thrashy Sänger. Alles schon mal dagewesen – korrekt. Aber The Fading glänzen zum einen mit einer saftigen Produktion und die bringt zum anderen die vielen kleinen Finessen und abwechslungsreichen Details sehr gut zur Geltung. Das mögen überraschende Licks und Tempiwechsel wie in „One Step To Drama“ sein oder die Einleitung mit Pianoklängen wie bei „Beyond Perfection“, groovige Midtempo-Parts wie in „My Lost Serenity“ oder zackiges Geballer wie in „Confront Myself“. Eins ist Fakt: Eintönigkeit und Langeweile mögen die Israelis offensichtlich nicht. Ihr Bestreben, den Hörer immer wieder aufs Neue zu begeistern und zu fesseln, ist durch das Album zu hören, ja fast schon zu spüren. Die an sich ausgelatschten Treter des Melo-Death haben The Fading selbstbewusst angezogen und beweisen, dass man mit ihnen durchaus auch noch zum Teil einfallsreiche Pfade beschreiten kann. (ks) The Project Hate - „The Lustrate Process“ (VIC) -[6] Mit dem sechsten Album „The Lustrate Process“ bieten The Project Hate eine weitere Kostprobe ihres schubladenzerreißenden Sounds. Die musikalische Einordnung fällt nicht schwer, man bietet einen Mix aus Death- und Gothic Metal. Die vier Knaben und die Dame wissen, wie man sich soundtechnisch in das richtige Licht rückt. Um auf Nummer sicher zu gehen, holt man sich gleich diverse Gastkünstler mit ins Boot: Johann Hegg (Amon Amarth), L.G. Petrov (Entombed) und Mike Wead (King Diamond) sind nur einige, um nicht alle zu nennen. Alle zusammen verleihen nicht nur dieser Band, sondern auch dieser Platte einen ganz speziellen Charakter. Es wird geknüppelt, gescreamt und hier und da geht es auch mal melancholisch zur Sache. Spätestens nach der zweiten Nummer „You Come To Me Through Hell“ weiß man, dass man es hier mit Profis zu tun hat. Es gibt einen klaren roten Faden durch das Album, welcher Großteils doch recht brachial, aber wiederum auch klar sentimental bestimmt ist. The Project Hate erfinden auf „The Lustrate Process“ das Rad nicht aufs Neue, jedoch gehen sie neue Wege, in der sie Improvisation mit Kreativität geschickt vereinen. Sie erhalten durch die glasklare aber nicht zu aufdringlich wirkende Stimme von Jonna Enckel eine Note, durch die sie sich ihren Wiedererkennungswert sicherstellen. Das verschafft ihnen gegenüber Bandkollegen ihres Genres einen enormen Vorteil. Das Einzige was ich zu bemängeln wüsste ist, dass die CD für meinen Geschmack zu wenig melodiös wäre. Man geht entweder mit extrem harten oder äußerst
ruhigen Passagen an die Tracks heran. Ohrwurmträchtige Melodien sind ganz klar Mangelware, jedoch bieten Elektro- und Gitarreneffekte dazu eine Alternative. Insgesamt bietet man mit den sieben Liedern rund eine Stunde äußerst abwechslungsreiches Soundmaterial. (az) Timor Et Tremor – „My Oaken Chest“ (Eigenproduktion) – [7]
Auf CD
Pagan/Black-Metaller kämpfen oft dagegen an, dass in diesem Genre fast alles gesagt wurde und man höchstens wiedergekäute Reste an die Oberfläche befördert. Auch Timor Et Tremor liefern hier keine Ausnahme ab, können aber mit einer wichtigen Eigenschaft überzeugen: Sie sind gute Songwriter und machen dadurch das Fehlen innovativer Ansätze wett. Schon bevor ich „My Oaken Chest“ das erste Mal gehört habe, habe ich von diversen Satyricon-Anleihen gelesen, die die Band in ihrem Sound verbraten soll. Die Anleihen sind tatsächlich da, jedoch nicht in der Art und Weise, dass sich „My Oaken Chest“ wie der kleine Bruder älterer Satyricon-Scheiben anhören würde. Dazu sind Timor Et Tremor erstens zu intelligent (im Sinne von „anderen Bands blind nachzueifern“) und zweitens einfach nicht bedrohlich genug. Im Gegensatz dazu können die Deutschen mit abwechslungsreichen Strukturen und einem Gespür für gute Melodien punkten. Hier wird das Rad nicht neu erfunden, trotz allem ist „My Oaken Chest“ ein gutes Pagan Metal-Album. Fans eben genannter Richtung dürfen bedenkenlos zugreifen und unterstützen den Underground gleich mit. (mf) Trollfest – „Uraltes Elemente“ (Twilight) – [3] Mit der Trollfest-MCD gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Entweder ich habe das Ansinnen bzw. den Witz hinter dem Release nicht verstanden oder 2. „Uraltes Elemente“ ist einfach gequirlte Kacke und Rohstoffverschwendung. Ich tendiere momentan zu Öetzterem. Das, was Trollfest hier verzapfen, klingt wie eine gewollt lustige Mischung aus Korpiklaani, In Extremo und Eläkeläiset mit einem extrem nervigen Schreihals und vielen lustigen Instrumenten (z.B. Akkordeon) und nennt sich demzufolge auch Humppa Viking Metal. Während die ein oder andere Songstruktur ja sogar ganz brauchbar klingt und zum unbewussten Mitwippen animiert (sei es im Teilstück oder „Byttedyr“), findet sich auch reichlich Unbrauchbares/Belangloses oder der erwähnte Kreischkasper macht vieles kaputt. Wegen lustiger 1:17 Minuten („Prost Der Welt“) musst man sicher nicht eine CD kaufen, zumal mitgrölkompatible Sauflieder andere Bands zweifellos besser können. Das anschließende „Ich liebe Zug (Zug über alles)“ ist einfach nur peinlich und der Rausschmeißer „Bassen Til Tor“ ist vollkommen überflüssig, da es eher wie der uninspirierte Mitschnitt einer Probe oder kollektives Instrumente-Stimmen klingt als wie veröffentlichungswürdiges Songmaterial. Aber vielleicht sind die 23 Minuten Videomaterial ja ein Kaufargument. (ks)
Trouble – „Live in L.A.“ (ICS) – [-] Eine Best-Of-Compilation oder ein LiveAlbum wird immer dann rausgebracht, wenn das Label schnell noch ein paar Taler verdienen möchte oder aber wenn man die Band im Gespräch halten möchte, um in der Zeit bis zum nächsten regulären Album nicht in Vergessenheit zu geraten. Bei Trouble kann man getrost von Letzterem ausgehen, denn schließlich hat mit Ausstieg der langjährigen Mitglieder Jeff Olson (Drums) und dem Aushängeschild am Mikro Eric Wagner quasi eine Zäsur stattgefunden. VocalNachfolger Kory Clarke (ehemals Warrior Soul) wird mit „Live in L.A.“ Trouble-Tonträger-technisch entjungfert und den Fans präsentiert. Dass zwischen dem charakteristischen Gesang Erics und Korys Welten liegen, muss ich sicher nicht extra betonen. Da ich jedoch kein Die Hard-Old-School-Trouble-Fan bin, kann ich ruhigen Gewissens zugeben, dass mir Korys räudig-rotzige Stimme in Zusammenspiel mit dem Querschnitt durch die Trouble-Historie sehr gut gefällt. Er verpasst groovigen, krachigen Stücken wie „The Sleeper“, „Touch The Sky“, „Plastic Green Head“ oder „Mr. White“ noch eine Extra-Portion
Arschtritt. Beschäftigungslos ist er lediglich beim tonnenschweren Düster-Instrumental „End Time“. Schade, dass nach 45 Minuten der Ofen schon aus ist und die CD zwar als Digipak kommt, die Aufmachung aber erheblich zu wünschen übrig lässt (nur zwei [!] Seiten Booklet). Selbst wenn diese CD als Appetizer für kommende Trouble-mit-Kory-Heldentaten dient, wäre hier mehr als diese Lieblosigkeit drin gewesen. (ks) Whiplash – „Unborn Again“ (Pulverised) – [6] Die erneute Rückkehr der Thrash-Legende Whiplash beginnt nach dem Intro („Willkommen auf unserem Rummel – die Achter- & Geisterbahn wird euch überraschen!“) gleich mit einem gepfefferten Riffeinstieg des Trios. Ist die Rückkehr von der Rückkehr (wir erinnern uns: in den 90ern gab es schon einmal eine Réunion der Band) geglückt? Wie ich finde, nicht ganz: Nach dem starken Opener lässt das Riffing von Tony Portaro über weite Strecken nach und wirkt antiquiert. Außerdem merkt man, dass sich Tony in seiner ungeliebten Notlösungs-Rolle als Sänger immer noch nicht wohl fühlt und nicht überzeugen kann. Da haben scheinbar andere, junge
Thrash-Kommandos (Evile, Gama Bomb…) die Veteranen auf dem Thrash-Highway in Sachen Ideen, Schwung und Cleverness links überholt. Erwähnenswert sind das gewohnt coole Artwork von Ed Repka und der Gastauftritt von Frank Blackfire (Ex-Sodom). Ebenso die Coverversion des Montrose-Klassikers „I’ve Got The Fire“. Mein Tipp für alle, die sich für diese einstmals führende Thrash-Formation interessieren: Es gibt eine gelungene Doppel-CD aus den glorreichen Anfangstagen von Whiplash. Holt euch den Doppelpack „Power And Pain/Ticket To Mayhem“. Nie waren die Amis besser! (db)
Weitere Reviews findet ihr unter: www.arisingrealm.at
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als Band innerhalb der Szene anerkannt zu werden.
Der Grundtenor dieser Diskussion ist dabei denkbar simpel: Auch Audio-CDs überleben nicht bis in alle Ewigkeit und werden in (vielleicht schon naher) Zukunft von fortschrittlicheren Speicher- und Rezeptionstechnologien vollständig abgelöst werden. Ein noch immer äußerst interessantes Kapitel, dem ich mich an dieser Stelle neuerlich widmen möchte. Meine Gründe für diese persönliche Auseinandersetzung mit dem für viele Musikliebhaber wichtigsten Grundsatzthema überhaupt ergaben und ergeben sich aus Erfahrung und auch persönlicher Präferenz. Der Kampf der Compact Disc um das Überleben in einer modernen, von Computertechnologien beherrschten Gegenwart lässt sich an CD-Verkäufen und immer mehr auch an der Veröffentlichungspolitik der Musikkonzerne ablesen. Dass die CDVerkäufe nicht mehr die Höhe längst vergangener glorreicher Zeiten erreichen, ist kein Geheimnis. Die Downloadproblematik in Verbindung mit einer modernen (neuen) Generation an Musikfans hat eine Entwicklung losgetreten, die in ein paar Jahren zum Ende der CD führen könnte. Dabei wird oftmals übersehen, dass es nicht nur um die Auseinandersetzung zwischen Audio-CD und MP3-Datei geht. Der Kampf zwischen beiden Formaten beinhaltet auch eine drastische Änderung im Verhalten neuer, vertragsloser Bands, die auf der Suche nach einem lukrativen Deal heute nicht mehr verstehen, dass Promotion das Um und Auf neben exzellentem technischem Können ist. Die InternetMetal-Generation hat dabei weder Ahnung, wie sie ihre Band am zielsichersten bewerben kann, noch welche Dinge wirklich ausschlaggebend sind, um 56
Im Zuge dieser Auseinandersetzung mit einem für mich (und vor allem für AR) wichtigen Thema erkannte ich, dass die Zeit eigener BandWebseiten mittlerweile fast vorbei ist. Neue Bands reservieren sich aus Prestige-Gründen zwar noch immer gerne offizielle Top-Level-Domains, jedoch denken diese gar nicht daran, eine liebevoll gestaltete Seite ins Netz zu stellen und die eigene Band vorzustellen. Warum auch, es gibt doch MySpace? INTERESSANTE DISKUSSION Und ab hier wird die Diskussion interessant. Es geht nicht mehr darum, eine individuelle Webseite mit allen möglichen Infos auf die Beine zu stellen, sondern darum, die größte Zahl an virtuellen Freunden im Internet präsentieren zu können. Es handelt sich dabei um eine Art Selbstprofilierung, die man überall, nur nicht innerhalb unserer Szene erwarten würde. Und doch ist diese Präsentationsform nicht nur mehr ein nettes Gimmick, ein Zusatz zur offiziellen Bandwebseite, sondern oft der Hauptbestandteil einer Band, von wo aus diese versucht, den eigenen Erfolg in raschen Schritten voranzubringen. Aus eigener Erfahrung sowie aus Gesprächen mit Kollegen erkenne ich mittlerweile, wie sehr solche Bands auf die Allmacht des Internets vertrauen, in der Hoffnung, dieses möge den Erfolg von selbst herbeiführen. Das Dilemma, in dem sich diese Musiker befinden, ist gravierend: Von Promotion hat man keine Ahnung, von Arbeit für die eigene Band sowieso nicht und zwei- bis dreitausend virtuelle Freunde müssen das Indiz schlechthin sein, sich auf dem aufsteigenden Ast zu befinden. Bitter ist die Wahrheit, wenn sie denn offenkundig zu Tage tritt, und groß die Enttäuschung, dass
MySpace letztendlich auch nur das ist, was es immer war: eine große Sammlung verschiedenster Musik-Dateien, von denen ein Bruchteil wirklich gehört und der Rest ignoriert wird. Das Problem dabei ist, dass Bands für konträre Argumente nicht offen sind. Versucht man diesen zu erklären, dass MySpace zwar durchaus als Zusatzpräsentationsform für die eigene Musik taugt, jedoch keinesfalls als vollwertiges Promotionportal, das selbstständig erfolgsorientiert arbeitet, so erntet man nur Staunen und raue Antworten. Man selbst liege falsch. Warum soll man heute noch auf CD-Beilagen einen Song buchen, wenn man mit MySpace Leute auf der ganzen Welt erreichen kann? Ein Argument, das niemand entkräften kann, jedoch spezifiziert werden muss. Es ist richtig, dass man mit MySpace tausende von Leuten erreichen KANN. Und ja, es ist auch richtig, dass Leute auf der ganzen Welt das eigene Profil lesen KÖNNEN. Das Unglück steckt im Detail: Alles KANN passieren, nichts gilt jedoch als gesichert. Harte Promotionarbeit kann durch das simple Hochladen einiger Songs NICHT ersetzt werden. In der Kommunikationswissenschaft gilt, dass noch nie ein neues Medium ein altes verdrängt hat, sondern das neue Medium übernimmt mit der Zeit bestimmte Aufgaben des alten Mediums. Es ergänzt das neue Medium auf verschiedene Art und Weise. So und nicht anders sollte MySpace wahrgenommen werden. Als unterstützende Plattform, als Songspeicher, jedoch nicht als Hauptknotenpunkt der eigenen Band! Damit kommt man vor allem als neue Band nicht weiter. Diese Entwicklung beeinflusst auch die Wahrnehmung gegenüber Beiträgen auf CD-Beilagen. Einen Song zu buchen, wird mittlerweile als sinn- und nutzlos angesehen, da man ja – siehe
oben – einige tausend Freunde auf MySpace hat, die den Song anhören können. Dabei wird diese Art der Werbung von Underground heute als völlig falsch eingeschätzt. In der Regel buchen Bands Songs, damit die Leser/Zuhörer bei Gefallen das ganze Demo-Album kaufen. Die heutigen 1518-Jährigen, die mit MP3s und Internet groß wurden, sind nicht die, die letztendlich noch ihre hart ersparte Kohle für Eigenproduktionen rauswerfen. Das machen diejenigen, die heute noch Magazine/Fanzines lesen, die CD-Beilagen nach Underground-Tipps absuchen und die mit gutem Gewissen Nachwuchsbands unterstützen. Betrachtet die Argumente, betrachtet die positiven und vor allem negativen Seiten von virtuellen sozialen Netzwerken, zählt die Verkäufe, die ihr durch MySpace erreicht habt, und fragt euch abschließend, wo denn die ganzen Käufer verblieben sind? Es existiert von euch nur eine MySpace-Seite mit drei MP3s, zwei Blogs (von denen einer mitteilt, dass man soeben den 500. Freund ge-„addet“ hat) und je einem Porträt-Bild und ihr fragt euch, warum die Leute die Songs zwar hören, ihr aber nichts verkauft? Die Antwort wurde bereits genannt: Die Käufer sitzen an anderer Stelle. Es sind zu einem großen Teil die Old-School-Metaller, die nur mit Tapes, CDs, LPs und gedruckten Magazinen groß geworden sind. Keinesfalls sollte man diese abwerten und ihnen unterstellen, sie würden neue Technologien verteufeln. Ganz gewiss nicht, doch diese Fans erkennen es, wenn eine Band an sich und für den eigenen Erfolg arbeitet und belohnen diese mit dem Kauf deren CD-Produktionen. Junge Internet-Kiddies, die nur MP3-Ordner auf den Festplatten horten, können und wollen auch gar nicht wissen, wie hart eine Band arbeitet, um eine CD veröffentlichen zu können. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. DAMALS WAR ALLES BESSER... Bleiben wir noch kurz bei den „alten“ Metallern hängen. Natürlich lehnen diese MySpace nicht grundsätzlich ab und riskieren ebenso das eine oder andere Ohr, um sich von den Qualitäten einer bestimmten, vielversprechenden Nachwuchsband zu überzeugen. Und es gibt sicherlich auch ältere Generationen, die völlig mit dem Fortschritt gehen, ihre CDs einlagern und fortan ihre Sammlungen auf HDDs speichern, um rasch darauf Zugriff zu bekommen. Der springende Punkt ist doch, dass die heute +30-Jährigen ihre Jugend ohne Internet und
mobile Telekommunikation verbracht haben, TapeTrading betrieben (oh ja, das betrifft nicht nur die „in den 80ern war alles besser“-Generation!), Musik-Magazine und -Fanzines kauften und sich für ein paar Mark oder Schilling gute Demos orderten. Mundpropaganda oder Print-Medien, die zwei wichtigsten Wissensquellen für den musikhungrigen Langhaarigen in den 90er Jahren. Es gab einfach bestimmte Rituale, an denen man sich erfreute. Beispielsweise das Erscheinen einer neuen Ausgabe des Lieblings-Zines, das Treffen mit Gleichgesinnten, um den neuesten Heavy-Tratsch auszutauschen, und eben das Warten auf den Postboten, der ein bestimmtes Tape mal wieder nicht pünktlich ablieferte. Das alles gibt es natürlich auch noch heute, verändert hat sich aber die Wahrnehmung gegenüber dem großen Thema Heavy Metal. Es geht in puncto Wahrnehmung jedoch an dieser Stelle nicht um die gesellschaftliche Akzeptanz harter Musikstile, die wurde und wir ohnehin an anderen Stellen ausgiebig thematisiert. Es geht einfach darum, dass man heute alles binnen Sekunden auf den Schirm laden kann und dass das den Nachwuchsbands nicht beibringt, wie man gute Werbung macht. Der neue Vorab-Song der Band XY ist nur drei Handgriffe entfernt: Browser öffnen, MySpace-URL anwählen, „Play“ drücken. Im Vergleich hierzu der damals übliche Workflow: Magazin/Fanzine kaufen, Kritik lesen, 5.- DM oder 70 österreichische Schilling in einen Brief eintüten (inkl. Lieferadresse), zur Post bringen, zwei Wochen auf Antwort warten und dann erst die ersten paar Takte einer als vielversprechend angepriesenen Band hören. Es gab keine virtuellen Plattformen, um sich zu promoten, sondern gute Bands wurden zumindest in meinem Freundeskreis mündlich weiterempfohlen. Heute jedoch wird, entschuldigt, jeder Scheiß ab tausend virtuellen Freunden als Meilenstein der Musikgeschichte verkauft. Zwei Songs im Keller einprügeln, eine schickes Div-Design anstatt des grottigen StandardMySpace-Designs, rasch ein paar Freunde „adden“ und sich wie das Schwein im Schlamm suhlen. Man ist jetzt berühmt, tausende Freunde können nicht irren! Meike kleine Brörmann hat im Jahr 2008 im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität Paderborn das Thema MySpace unter dem Titel „MySpace als Karrieremotor und Radioersatz“ abgehandelt.* Dabei stellte sich Brörmann die Frage, „welche Relevanz Internet- und Musik-Communities haben,
wenn es darum geht, wie Menschen heute Musik wahrnehmen, kennenlernen, suchen und entdecken“ und welche „Vorteile ebendiese Communites den Musikern bieten“ (vgl. S. 2). Brörmann kommt zu einem interessanten, abschließenden Ergebnis: 70% der Befragten nutzen das Internet „sehr oft“, um Informationen über Musik zu bekommen (vgl. S. 37), und die tatsächlich erlebten Vorteile beziehen sich auf den Austausch mit anderen Musikern und das Feedback (vgl. S. 44). Kurz gefasst: MySpace dient zum Entdecken neuer Musik (was von den Bands nicht gleichbedeutend mit „Erfolg haben“ verwechselt werden sollte; Ausnahmen bestätigen die Regel), MySpace ist aber keinesfalls ein richtiger Karrieremotor. Laut Brörmann entwickelt sich das Internet weiter, so die Autorin in ihrem Resümee und Ausblick. Das bedeutet auch für Plattformen wie MySpace, dass sie sich entwickeln müssen und gegebenenfalls, wie last.fm, auch Musikempfehlungssysteme einzubauen haben, um gegen die Konkurrenz bestehen zu können. (vgl. S. 75). EIN KOMPLEXES THEMA Dieses Thema ist trotz aller Einfachheit sehr komplex. Die Auffassungen darüber, wie wichtig virtuelle Plattformen im Metal-Bereich sind, gehen trotz allem auseinander. Im Allgemeinen soll auch weiterhin der Grundsatz gelten, dass jeder das machen sollte, was er für richtig hält. Betrachtet jemand MySpace als den Himmel auf Erden, so kann ich dessen Argumente dafür nachvollziehen, unterstützen würde ich diese Band aber wahrscheinlich nicht, sofern DAS alles an Promotionarbeit ist, zu dem sich die Band aufraffen kann. Vielleicht liegt es an meinen mittlerweile 31 Lebensjahren, vielleicht aber auch an den Erfahrungen, die ich in elf Jahren AR sammeln durfte und die mein Gespür für hart an sich arbeitende Bands geschärft haben. Das Können, zwischen wirklich unterstützungswürdigen Bands und Mitläufern (die sich auf gut Deutsch „keinen Haxn ausreißen“) zu unterscheiden, muss man lernen. Indizien, die Antworten auf diese Fragen geben können, gibt es genug. Man muss nur etwas an der Oberfläche kratzen und darf sich nicht von tausenden virtuellen Freunden blenden lassen. Michael FREITAG *Brörmann, kleine Meike – „MySpace als Karrieremotor und Radioersatz“ – Eine explorative Studie zum Einfluss von MusikCommunities im Internet auf die Verbreitung und Rezeption von Musik am Beispiel MySpace; 125 Seiten, Universität Paderborn August 2008; http://tinyurl.com/ykkqav7
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Herausgeberin/Redakteur: Iris Wilke (iw) Chefredakteur/CD-Redaktion/Layout/Koordination/Anzeigenleitung: Michael Freitag (mf) Mitarbeiter dieser Ausgabe: Kai Scheibe (ks), Thomas Spiwak (tos), M. Etl, Danilo Bach (db), Torsten Stöckemann (ts), Andreas Zauner (az) Lektorat: Judith Beatrix Mädl Websiten: www.arisingrealm.at www.myspace.com/arisingrealm www.issuu.com/arisingrealm www.twitter.com/arisingrealm Druck: Druckerei Wograndl, Mattersburg CD-Presswerk: Weber Medien, Wien Redaktionsanschrift: Arising Realm Sechshauserstr. 59/6 A-1150 Wien Österreich E-Mail: redaktion@arisingrealm.at Erscheinungsweise: when it’s done! Preis: Gratis/Priceless Auflage: 1000 Stück Titelbild: In Slumber (c) Caroline Traitler | Bearbeitung (mf) AR-Logo: Bernd Grünwald (www.myspace.com/eclipse_new_media)
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