Winter 2011
002
Mythos 2012 und die Sehnsucht nach dem Messias von CARTER PHIPPS JOHN BUNZL: Die Macht, eine bessere Welt zu schaffen, liegt bereits in unseren Händen ROSS ROBERTSON im Dialog: Perspektiven einer Integralen Ökologie mit SUSANNE COOK-GREUTER
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MICHAEL ZIMMERMAN und
Erwachsensein ist erst der Anfang: Ein Interview
Tom Steininger: Wenn die Evolution sich selbst erkennt
SlutWalks: Sich frei fühlen oder frei sein?
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Elizabeth Debold:
Wahrheit ist nicht neutral: Ein Interview mit ARIANNA HUFFINGTON
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Unser
moralisches Dilemma – Eine Kolumne von Andrew Cohen
Winter 2011 24348 Ausgabe 002 ISBN 3-935688-37-6 ISSN 1614-6395
34 4 195922 207500
€ 6,00 (D)
Unsere Seele ist vielschichtiger als wir denken
Das Standardwerk in neuer Ausstattung Transpersonale Psychologie und holotropes Atmen Durchgesehene Neuausgabe, 452 S. Klappenbroschur € 16,90 (D) € 17,40 (A) sFr 29,90 ISBN 978-3-491-42139-4 – Erscheinungsjahr 2009
• Einführung in die Grundlagen der transpersonalen Psychologie und die Praxis des holotropen Atmens • Eine »Landkarte« spiritueller Bewusstseinszustände und deren Bedeutung für Heil und Heilung der Seele Das neue Buch von Sylvester Walch:
Das neue Buch ist ein Plädoyer für ein neues Menschenbild. Sylvester Walch zeigt als profunder Kenner der menschlichen Psyche einen ganzheitlichen Weg der Selbstverwirklichung, der die spirituelle und psychische Entwicklung fördert. Praxisorientierte Reflexionen und meditative Übungen helfen innere Hindernisse zu überwinden, um die eigenen Potenziale besser zu entfalten.
SYLVESTER
WALCH
VOM
EGO ZUM
SELBST Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
Seminar
O.W. BARTH
Vom Ego zum Selbst Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes 337 S., geb., München 2011, O. W. Barth ISBN 978-3-426-29192-4 19,99 € (D) 20,60 € (A)
Sylvester Walch, Sylvester Walch, Dr., geb. 1950. Ausbilder für Psychotherapie und Lehrsupervisor für Integrative Therapie, Integrative Gestalttherapie, transpersonale Psychotherapie und holotropes Atmen. Lehraufträge an verschiedenen Universitäten im deutschsprachigen Raum. Er leitete über viele Jahre eine stationäre psychotherapeutische Einrichtung und verfasste zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und Bücher. Sylvester Walch verfügt über eine langjährige Meditationspraxis und entwickelte einen kulturübergreifenden spirituellen Weg, in dem seelische Heilung und geistige Praxis verbunden werden.
Transpersonale Selbsterfahrung und Holotropes Atmen mit Dr. Sylvester Walch
Dieses Seminar ist für Menschen gedacht, die gerne die Möglichkeiten ihres Bewusstseins für die eigene Entwicklung ausprobieren und therapeutisch nutzen möchten. Über die beschleunigte Atmung (holotropes Atmen nach Stanislav Grof), evokative Musik, prozessuale Körperarbeit und intuitives Malen wird in einem erweiterten Bewusstseinsraum die Transformation alter Lebensmuster, die Befreiung von Verstrickungen und der Zugang zum transpersonalen Selbst unterstützt. Lebensgeschichtliche Themen, Geburtserlebnisse,
vorgeburtliche Erfahrungen und Aspekte der Seele, die über die gewohnten Raum- und Zeitgrenzen hinausgehen, können in diesen Sitzungen gegenwärtig sowie Zugänge zu mystischen und spirituellen Dimensionen des Daseins eröffnet werden. Durch persönlichen Erfahrungsaustausch in der Gruppe und in Kleingruppen, durch regelmäßige Meditationen und rituelle Übungen wird Aufarbeitung, Integration und Vertiefung möglich, sodass das erlebte in einem sinnvollen Bezug zum Alltag verstanden werden kann.
25.11.-29.11.2011; Termine 2.3.-6.3.2012; 6.6.-10.6.2012; 12.12.-16.12.2012 Ort: Seminarhaus „Holzöstersee“ (Franking – Raum Salzburg) Wunschtermin bitte bei der Anmeldung bekanntgeben
Kosten: € 600,– Leitung und Anmeldung: Dr. Sylvester Walch, Bachstraße 3, D-87561 Oberstorf T +49 8322 6611 E sylvester@walchnet.de F +49 8322 6601 W www.walchnet.de
Einführungsliteratur: Sylvester Walch: „Dimensionen der menschlichen Seele. Transpersonale Psychologie und holotropes Atmen“, Neuauflage, 452 Seiten, Düsseldorf 2009. Patmos.
Curricula, Weiterbildungen und spirituelle Seminarreihe siehe: www.walchnet.de
1
Editorial
U
nsere Zeit ist sicher eine Zeit des Umbruchs. Die Wirtschaftskrise hält uns in Atem, mit der Occupy-Bewegung sehen wir eine neue globale soziale Bewegung und mit Europa und dem Klimawandel könnte man die Liste noch weiter fortführen. Wir stehen ohne Frage vor großen Herausforderungen. Und immer mehr Menschen suchen nach neuen Antworten, auch nach einer neuen Spiritualität. Manche verbinden ihre Erwartungen ganz direkt mit der Jahreszahl 2012. Im Dezember, so sagt man, sei es soweit: Mit dem Ende des Maya-Kalenders kommt die große Transformation (oder Apokalypse, je nachdem, wen man fragt). Hängt unsere weitere Entwicklung wirklich an einer Jahreszahl? Unser Redakteur Carter Phipps hat sich den „Mythos 2012“ einmal genauer angeschaut und fragt, ob wir Menschen nicht eine viel freiere und aktivere Rolle in der Gestaltung unserer Zukunft haben, als manche Mythen uns glauben lassen. Um unsere Rolle in der Geschichte des Universums zu verstehen, hilft es manchmal einen Schritt zurückzugehen, um das große Bild zu sehen – woher kommen wir und wohin gehen wir? In meinem Beitrag „Wenn die Evolution sich selbst erkennt“ versuche ich genau das zu tun. Wenn wir der Geschichte des menschlichen Bewusstseins nachgehen, beginnen wir auch unsere Aufgabe besser zu verstehen. Auch unser Redakteur Ross Robertson versucht in einem Dialog mit dem integralen Philosophen Michael Zimmerman unsere Rolle in der Entwicklung unseres Planeten neu anzusehen. In ihrem Dialog über die „Perspektiven einer Integralen Ökologie“, sprechen sie über ein radikal neues Verhältnis zur Natur. Das Gleiche versucht der Aktivist und Vordenker John Bunzl im Bereich des Politischen anzudenken. In seinem Beitrag „Die Macht, eine bessere Welt zu erschaffen, ist bereits in unseren Händen“ spricht er davon, wie wir im Bereich der Politik aus einer Perspektive der Einheit handeln können.
Wir stehen ohne Frage vor großen Herausforderungen. Und immer mehr Menschen suchen nach neuen Antworten, auch nach einer neuen Spiritualität. Arianna Huffington eröffnet ihr bekanntes Nachrichtenportal The Huffington Post bald auch im deutschsprachigen Raum. In EnlightenNext Impulse spricht die über den tieferen Impuls zu politischem Handeln, denn, was viele nicht wissen, Huffingtons Engagement wird auch von einem starken spirituellen Interesse getragen. Eine ganz besondere Protestbewegung hat sich unsere Redakteurin Elizabeth Debold genauer angesehen: Die SlutWalks. In ihrem Artikel fragt sie, was der Unterschied ist, wenn wir uns frei fühlen oder frei sind. Susanne Cook-Greuter ist eine internationale Autorität in Fragen der Entwicklungspsychologie. Deshalb freue ich mich besonders über das Interview mit ihr, in dem sie beschreibt, warum unsere Bewusstseinsentwicklung nicht mit dem Erwachsenwerden aufhören muss. Wie Sie sehen, bietet auch diese zweite Ausgabe unserer neuen Zeitschrift wieder viele Impulse. Ich hoffe sehr, dass sie Sie zum Nachdenken anregen werden. Wir freuen uns über Ihr Feedback und auch über Ihre Leserbriefe. Und in diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein spannendes und evolutionäres 2012! Herzlichst
Dr. Thomas Steininger ist Chefredakteur der EnlightenNext Impulse (wie bisher auch bei der deutschsprachigen Ausgabe des Magazins EnlightenNext). Tom Steininger studierte Philosophie in Wien mit einem besonderen Schwerpunkt auf Bewusstseinsthemen und soziale Evolution. Er arbeitete für das österreichische Radio und als freier Journalist. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Graduate Institute in Conneticut, USA, war er Ko-Leiter eines Hochschulstudiums in „Conscious Evolution“. Tom Steininger ist langjähriger Schüler von Andrew Cohen und Leiter des EnlightenNext Centers in Frankfurt. Er hält Vorträge und gibt Seminare im deutschsprachigen Raum und in Europa.
Tom Steininger www.enlightennext.de Winter 2011
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Winter 2012
002
Autoren
Andrew Cohen Carter Phipps Dr. Elizabeth Debold Dr. Tom Steininger John Bunzl Ross Robertson Michael E. Zimmerman
HERAUSGEBER
Dr. Tom Steininger
REDAKTION
Mike Kauschke
GESCHÄFTSLEITUNG
Marlene Potthoff Ulrike Nagel
Produktion
Mike Kauschke
ART-DIREKTION
Astrid Johnson
Design Consultant
Renata Keller
GRAFISCHE GESTALTUNG Astrid Johnson UND LAYOUT Frank Gresslin ANZEIGEN
Mike Kauschke
DRUCK Divyanand Verlags-GmbH, Herrischried ÜBERSETZUNG & KORREKTORAT
EnlightenNext Impulse
Anne Vollborn Barbara Schlosser Birgit Friedel Birgit Liebler Claudia Siebertz Conni Eder Elke Fischer Elke Janßen Evelyn Frank Ines Seidel Jochen Hansen Mike Kauschke Meriam Buchner Nena Schmidt Peter Willer Regina Beller Sebastian von Sauter Tilmann Haberer Tina Leibner Ulrike Vogel Ute Schünemann
EnlightenNext Impulse (ISSN 1614-6395, ISBN 978-3-935688-37-6) wird viermal jährlich herausgegeben von EnlightenNext GmbH & Co. KG, Kirchgartenstr. 3, 60439 Frankfurt, Deutschland Tel: +49-(0)69 - 952 08 500 impulse@enlightennext.org in Zusammenarbeit mit: Sandila GmbH, Herrischried Copyright ©2011
www.enlightennext.de/impulse www.enlightennext.de ABONNEMENTBESTELLUNG Standard-Abo: € 20,00 (Ausland: zzgl. Porto) Sandila GmbH Sägestaße 37, 79737 Herrischried, Deutschland Tel: +49-(0)7764-93 97 0 Fax: +49-(0)7764-93 97 39 info@sandila.de ANZEIGENSCHALTUNG Tel: +49-(0)69 - 401 54 527 anzeigen@enlightennext.org BANKVERBINDUNG EnlightenNext GmbH & Co. KG Kölner Bank Kto 536 233 008, BLZ 371 600 87 REDAKTIONSBÜRO Kirchgartenstr. 3 60439 Frankfurt Tel: +49-(0)69-952 08 500 redaktion@enlightennext.org VERTRIEB Sandila GmbH, Herrischried Special Interest D&M PressevertriebsgmbH, Dietzenbach Bildnachweise: Ss. Cover, Ss. 10-11, Astrid Johnson; 2-3, 37, 40, Patrick Bryson, S. 7, Fotos: Mike Kauschke; S. 28 Grafik: Susanne Cook-Greuter
3
Inhalt 01
Editorial von Tom Steininger
04
Bewegungsmelder
05
Kosmic Web
06
Gemeinsam die Zukunft denken Reflexionen von der 6. Spirituellen Herbstakademie von Mike Kauschke
09
Denkanstoß Erika Ilves und Anna Stillwell
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Mythos 2012 und die Sehnsucht nach dem Messias von Carter Phipps
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Wenn die Evolution sich selbst erkennt von Tom Steininger
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Die Macht, eine bessere Welt zu schaffen, liegt bereits in unseren Händen von John Bunzl
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Wahrheit ist nicht neutral Ein Interview mit Arianna Huffington von Elizabeth Debold
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Erwachsensein ist erst der Anfang Ein Gespräch mit Susanne Cook-Greuter von Tom Steininger
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SlutWalks: Sich frei fühlen oder frei sein? von Elizabeth Debold
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Perspektiven einer Integralen Ökologie Ein Dialog zwischen Ross Robertson und Michael Zimmermann
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Unser moralisches Dilemma Eine Kolumne von Andrew Cohen
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Bewegungsmelder Bücher
Die deutsche Seele von Thea Dorn und Richard Wagner Zeigt sich ein neues Verhältnis zum Deutschsein dadurch, dass wir ungeniert bei Fußballspielen unsere Fahnen herausholen? Wie wär’s mal mit: Abendstille, Forschungsreise, Kulturnation, Mystik, Sehnsucht, Querdenker, Waldeinsamkeit, Zerrissenheit ….? Das sind einige der typisch deutschen(?) Begriffe, die die Philosophin Thea Dorn und der Schriftsteller Richard Wagner nutzen, um sich der deutschen Seele zu nähern. Nicht als von außen Betrachtende, sondern als „Betroffene“. Herausgekommen ist eine Selbstbesinnung auf die Größe und die Abgründe und die Merkwürdigkeiten der deutschen Kultur, die von der Überzeugung inspiriert ist, dass wir wissen müssen, wo wir herkommen, um herauszufinden, wo wir hin wollen.
FILME
Nachtmeerfahrten Der Filmemacher Rüdiger Sünner ist jemand, der hinter die Kulissen schaut. Immer wieder hat er hinter akademischem Wissen die Lebendigkeit des existenziellen Suchens bei Menschen freigelegt, die wir schon zu kennen glaubten (Dag Hammarskjöld in Tree of Life oder die Romantiker in Geheimes Deutschland). In seinem neuen Film folgt er den Spuren C. G. Jungs in die Welt der Mythen und Träume und fragt am Beispiel von Jungs Biografie, wie sie uns auf unserem inneren Weg unterstützen und wo sie uns gefährden können. www.nachtmeerfahrten.de
EnlightenNext Impulse
Der atmende Gott Yoga ist im Westen angekommen, gar schon eine Art Volkssport geworden. Der Film Der atmende Gott von Jan SchmidtGarre zeigt die Begründer des modernen Yoga wie B. K. S. Iyengar und andere in historischen Aufnahmen und neuen Interviews und versucht nachzuspüren, warum Yoga im Westen so populär wurde. Aber der Film will von den großen Meistern auch lernen, wie Yoga den Menschen verändert. Im Januar startet der Film in den deutschen Kinos.
speakingtree.in
Das Mutterland von Buddhismus und Yoga hat die erleuchtete Antwort auf Facebook gefunden: www.speakingtree.in ist die Social Networking Site für den Sucher: Folge den spirituellen Meistern, stell den bekanntesten Gurus Indiens (und einigen aus dem Westen) deine Fragen, triff andere auf dem spirituellen Pfad. Und das global vernetzt im coolen Design des 21. Jahrhunderts. Da sag noch einer, Evolution sei eine Illusion …
zooniverse.org
Die Höhle der vergessenen Träume Werner Herzog nimmt uns in seinem neuen Film Die Höhle der vergessenen Träume mit zur Wiege des Menschen – dem Beginn der menschlichen Kreativität. Vor 30.000 Jahren verzierten sie die Höhle von Chauvaut mit ihren Malereien, die erst 1994 entdeckt wurden. Der 3D-Film zeigt diese vielleicht ersten Kunstwerke der Menschheit und meditiert über die Bedeutung der Kunst in der Menschwerdung. www.caveofforgottendreams.de
Wie entstehen Galaxien? Wir reden Wale? Wie lebten die alten Griechen? Wenn Sie nicht nur die fertigen Antworten hören wollen, sondern mitforschen möchten, sind sie hier richtig. Beim ambitionierten globalen Bürgerwissenschaftsprojekt www. zooniverse.org kann man in Gesellschaft führender Wissenschaft bei verschiedenen Forschungsprojekten mitarbeiten – und dabei vielleicht den nächsten bewohnten Planeten finden.
EVENTS
Mystik der Weltreligionen
WEB
jesusjazzbuddhism.org
Was passiert, wenn man Jesus, Buddha und Jazz zusammenbringt? Es wird auf jeden Fall kreativ! Der Beweis ist das Internetportal www.jesusjazzbuddhism.org, das inspiriert vom Prozessdenken eines Alfred North Whitehead und seiner Nachfolger in Blogs und Artikeln verschiedenste Bereiche von Religion und Kultur beleuchtet. Und jazzig ist es dabei immer, denn „für uns ist Jazz auch eine Geisteshaltung. Dazu gehören Liebe zur Improvisation, Offenheit für Verschiedenheit, Freude an Überraschungen und ein Vertrauen in neue Möglichkeiten“.
Die Ausstellung „Mystik – Die Sehnsucht nach dem Absoluten“ ist die erste ihrer Art und vereint Kunstwerke und Originaldokumente sowie einfallsreiche multimediale Installationen und Visualisierungen, um die Welt der Mystik lebendig werden zu lassen. Und wer den Weg nach Zürich nicht schafft, wo die Ausstellung noch bis zum Januar läuft, findet auf der Website www.rietberg.ch/de-ch/ ausstellungen/mystik Texte und Videos zu den bekanntesten Mystikern.
5
Kosmic Web Websites
EnlightenNext Deutschland
Texte im Web
Enlightened Communication
Jean Gebser und die Vision eines integralen Bewusstseins von Willa Geertsema
Die Website von EnlightenNext im deutschsprachigen Raum mit aktuellen Informationen, Blogs, dem Archiv des Radio EnlightenNext u.v.m. www.enlightennext.de
Evolve Women
Was bedeutet es heute, eine Frau zu sein? Und was ist der nächste Schritt für Frauen in unserer Kultur? Diese Fragen werden u. a. von Dr. Elizabeth Debold in Videos, Blogs, Diskussionen und Online-Seminaren vertieft. www.evolvewomen.com
Video/Audio
Awakening to Your Highest Self
30 spirituelle Lehrer und Vordenker sprechen über ihre Transformation Im März diesen Jahres sprach Andrew Cohen aus Anlass der 25-jährigen Jubiläums von Evolutionary Enlightenment in einem 10-stündigen Live-Webcast mit über 30 spirituellen Lehrern und kulturellen Visionären über die außergewöhnlichen Meister, die sie inspiriert und in ihrer Entwicklung herausgefordert haben. Unter anderem mit Ken Wilber, Deepak Chopra, Steve McIntosh, Roshi Bernie Glassman, Lama Surya Das, Annette Kaiser. Die Audio-Aufnahmen dieser Gespräche stehen auf dieser Website kostenfrei zum Download bereit. www.enlightennext.org/webcasts
Peter Gottwald und Tom Steininger im Dialog Jean Gebser ist einer der Pioniere der integralen Weltsicht. In diesem Dialog spricht Prof. Peter Gottwald, der sich seit langen Jahren mit Gebser befasst, über dessen Vision und ihre Relevanz für unsere heutige Zeit. www.enlightennext.de/gebser
„Wir können aufhören in Gruppen und Schulen gegeneinander zu denken“
Bodo von Plato und Tom Steininger im Dialog Über Bedeutung und Zukunft der Anthroposophie spricht Tom Steininger mit dem Vorstandsmitglied der anthroposophischen Gesellschaft Bodo von Plato. www.enlightennext.de/plato
Wohin geht die Zukunft der Kommunikation? Willa Geertsema, Absolventin des Masters Programm in Integraler Theorie, das gemeinsam vom Integral Institute und der JFK University veranstaltet wird, erforscht die Qualitäten und die Bedeutung eines neuen, intersubjektiven Bewusstseins. www.enlightennext.de/geertsema
Die Traditionslinie der Integralen Evolutionäre
von Tom Huston In diesem Blog verfolgt EnlightenNextRedakteur Tom Huston die Entstehung und Geschichte einer evolutionären, integralen Weltsicht. www.enlightennext.de/huston
Spirituelles Selbstvertrauen in einer erschütterten Welt
Im Zentrum des Universums Thomas Hübl und Tom Steininger im Dialog
Johannes Brückner und Tom Steininger im Dialog Ist die kosmische Evolution Zufall oder zeigt sich darin ein roter Faden, der bis zu uns und unserem Bewusstsein führt? Der Physiker und Planetenforscher Johannes Brückner zieht erstaunliche Schlüsse aus seinen Überlegungen zur Natur unseres Kosmos. www.enlightennext.de/brueckner
In einem Dialog anlässlich des Erdbebens und Tsunamis in Japan im März reflektieren der spirituelle Lehrer Thomas Hübl und Tom Steininger über die Bedeutung eines spirituellen Selbstvertrauens. www.enlightennext.de/huebl
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Herbst 2011
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Lebenszeichen einer neuen Kultur Reflexionen von der 6. Spirituellen Herbstakademie von Mike Kauschke Die Spirituelle Herbstakademie ist ein Gemeinschaftsprojekt der Zeitschrift info3 – Anthroposophie im Dialog, der Integralen Akademie und EnlightenNext. Die 7. Herbstakademie findet vom 19. bis 21. Oktober 2012 wieder in der Akademie für Gesundes Leben in Oberursel (Nähe Frankfurt/ Main) statt.
Es entstand ein kreatives Wir, das in der gemeinsamen Refexion Einsichten hervorbrachte, die uns vorher so nicht zugänglich waren.
EnlightenNext Impulse
„W
as ist der Beitrag der deutschen Kultur für eine neue, globale Spiritualität?“ Die 6. Spirituelle Herbstakademie hatte sich dieses Jahr keine leichte Aufgabe gestellt. Umso erstaunter und inspirierter waren die rund 100 Teilnehmer, als in nur zweieinhalb Tagen ein kreativer Raum entstanden war, indem sich tatsächlich die Konturen dieses „deutschen Beitrags“ zeigten. Dazu verhalf ganz sicher auch das besondere Setting der Herbstakademie, die versucht dem Wort Akademie treu zu sein: Keine Abfolge von Frontalvorträgen, sondern kreatives Einbeziehen der Teilnehmer. Die Herbstakademie nennt das „Evolutionscafés“ – das sind geleitete Tischgespräche zwischen den Teilnehmern, die sich aus der Arbeit bei EnlightenNext entwickelt haben. Sie bildeten das pulsierende Herz dieser drei Tage. Auch bei einem anspruchsvollen Thema wie „deutsche Kultur und deutsches Karma“ ermöglichte die Gesprächskultur der Evolutionscafés eine kreative Offenheit, die es erlaubte, auf eine neue und frische Art über uns und unsere Kultur zu sprechen. Aber auch die Impulsreferate der Herbstakademie waren auf höchstem Niveau. Zunächst von Terry Patten, einem engen Mitarbeiter von Ken Wilber, der uns als Deutsche aufrief, unser großes kulturelles Potenzial einem neuen kulturellen und spirituellen Aufbruch zur Verfügung zu stellen. Oder vielmehr „Führerschaft“ dafür zu übernehmen. Damit benützte er natürlich ein Wort, das mitten ins Minenfeld der deutschen Geschichte führt, ein Spannungsfeld, das sich immer wieder in der tiefen Betroffenheit vieler Teilnehmer zeigte. Terry Patten benannte auch einen wichtigen Schatten der deutschen Kultur, eine Schwäche an Menschlichkeit. Der Vortrag von Sonja Student wurde so auch ein Plädoyer für eben diese Menschlichkeit. Sie setzte Terry Pattens Analyse fort und zeigte aus der integralen Theorie Ken Wilbers Wege, wie spirituelle Visionen auch menschlich gelebt werden können. Jens Heisterkamp und Griet Helinckx Dialog zeigten, wie unsere anthroposophischen Freunde auf eine lange Tradition einer gelebten, modernen Spiritualität zurückgreifen können. Ihre Wertschätzung und ihr Verständnis für ein neues, spirituelles Denken löste direkt Begeisterung aus, und war der Anlass vieler inspirierter Dialoge. Sie benannten hier ein Denken, das Rudolf Steiner in seiner
Die Veranstalter der Herbstakademie: Tom Steininger, Jens Heisterkamp, Sonja Student.
Arbeit immer wieder angesprochen hat: Es ist uns nicht nur möglich, von dem aus zu denken, was wir schon wissen, sondern von dem aus, was wir noch nicht wissen, sozusagen aus der Zukunft zu denken. Und wenn wir das zusammen tun, dann entsteht ein kreatives Wir, das in der gemeinsamen Reflexion Einsichten hervorbringt, die uns vorher so nicht zugänglich waren. Ein deutscher Meisterdenker, Martin Heidegger, war Thema von Tom Steiningers Vortrag, der in ihm eine beispielhafte deutsche Biografie sieht. Einerseits ist Heidegger ein visionärer Denker, der nichts weniger versuchte, als der abendländischen Philosophie einen neuen, spirituellen Anfang zu geben, aber gleichzeitig war Martin Heidegger auch zeitweise ein aktiver Unterstützer der Nazis. Insofern stehen die Widersprüche dieses großen Philosophen exemplarisch für die Widersprüche der deutschen Geistesgeschichte. Heideggers Vision vom neuen Anfang war ja eine denkerische Annäherung an die Dimension des Seins. Eine Dimension, die in der Herbstakademie in den täglichen Meditationen aber auch in den künstlerischen Momenten klassischer Musik immer wieder lebendig wurde. Ganz besonders vielleicht im künstlerischen Abschluß, den die Künstlerin Corinna Kreber als eine Art soziale Plastik aus Gestaltung, Begegnung, Wort und Musik schuf. Karma und Kreativität der deutschen Kultur fanden in diesen Tagen der Herbstakademie zu einer sehr lebendigen und ehrlichen Begegnung. Vielleicht ist es uns hier wirklich gelungen, einen Beitrag für einen neuen Anfang zu schaffen – das wäre auch ein Beitrag für eine neue, globale Spiritualität. n
7
www.herbstakademie-frankfurt.de
Audio zum Thema: Vortrag von Tom Steininger „Der Fall Martin Heidegger“. www.enlightennext.de/heidegger
Video zum Thema: „Spirituelle Herbstakademie Frankfurt - Labor einer evolutionären Bewusstseinskultur“, Kurzfilm von Renata Keller und Axel Malik. www.vimeo.com/20103351
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Winter 2011
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Vorankündigung
IF-TAGUNG 2012
vom 15.-17.06. in Berlin
Entwicklung integral – Menschen, Kulturen, Systeme verstehen und begleiten Eine der entscheidenden Stärken des Integralen Ansatzes liegt in der Einbeziehung des Entwicklungsgedankens. Dieser Blick für die tieferen (vertikalen) Muster und Strukturen unterscheidet ihn von der weitgehenden Entwicklungsblindheit des kulturellen Mainstreams und der damit einhergehenden Einebnung und Verengung der Diskussion auf bloße (horizontale) Verschiedenheit und Differenz. Auf unserer Tagung stellen wir vor, wie Entwicklung in den Theorien und Modellen diverser Forscher konzeptualisiert wird und wie diese hilfreichen Landkarten als Schlüssel in verschiedensten Bereichen (Coaching, Business, Gender, Leadership, Nachhaltigkeit, Pädagogik, Politik, Psychologie, Partnerschaft, Spiritualität, Wissenschaft, etc.) genutzt werden können.
Tauchen Sie mit uns ein in das Mysterium von Transformation und Entwicklung!
Mit: Ken Wilber (I-I, Integral Life) via Telefon
Jeff Salzman (I-I, Integral Life) Susanne-Cook-Greuter (I-I) evtl. via Skype Barrett Brown (I-I) via Skype John Bunzl (SimPol) Martin Ucik (Integral Relationships) Elizabeth Debold (EnlightenNext) Tom Steininger (EnlightenNext) ... und vielen anderen mehr!
Details folgen auf
www.integralesforum.org
EnlightenNext Impulse IF_TAGUNG2012_Anzeige_ENhalbhoch.indd 1
07.12.2011 14:06:06
Interviews, Artikel und Nachrichten an der Schnittstelle von Mystik, Evolution und Kultur: Abonnieren Sie EnlightenNext Impulse! Wer bin ich? Warum bin ich hier?
Warum kam Etwas aus Nichts?
Hat die Evolution ein Ziel?
Was bedeutet Menschsein in der Zukunft?
Wohin entwickelt sich das Bewusstsein?
Ja Rechnungsadresse
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er Bankeinzug: Hiermit ermächtige ich den Sandila Verlag, den Rechnungsbetrag P bis auf Widerruf von meinem Konto abzubuchen.
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Denkanstoß
V
orhersagen sind die falsche Geisteshaltung, wenn wir über die Zukunft unserer Spezies nachdenken. Solche Vorhersagen führen zu einer merkwürdigen Passivität. Wir sollten unsere Geschichte nicht vorhersagen, wir sollten sie schreiben. Wir müssen uns selbst als die kollektiven Autoren unseres nächsten Kapitels sehen. Vorhersagen und Simulationen sollten nichts weiter sein als mentale Übungen, um uns Informationen für unsere Entscheidungen zu geben. Erika Ilves und Anna Stillwell Ko-Autorinnen des The Human Project app www.humanprojectapp.com
VIDEO ZUM THEMA: Erika Ilves und Anna Stillwell stellen ihr Human Project App vor: www.youtube.com/ watch?v=W9Ddf7121pU
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Winter 2011
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Mythos
und die Sehnsucht nach dem Messias
EnlightenNext Impulse
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von Carter Phipps
Carter Phipps ist seit über 18 Jahren ein führender Pionier der Arbeit von EnlightenNext im Kontext kultureller Evolution. Mit seiner breiten Fach– kenntnis der Metaphysik, Politik, Wissenschaft und Technik repräsentiert Phipps EnlightenNext bei Konferenzen, Leadership-Treffen und Veranstaltungen wie Deepak Chopras Evolutionary Leaders Forum und dem Parlament der Weltreligionen. Sein Buch Evolutionaries wird im Frühjahr 2012 erscheinen.
D
ie Apokalypse. 21. Mai 2011. Der Untergang kam und ging. Jedenfalls ist das die Geschichte, die heutige christliche Endzeitjünger erzählten, die daran glaubten, dass das Ende der Welt gekommen sei – vor einem halben Jahr. Manche haben ihren Job gekündigt, ihre Ersparnisse ausgegeben, sich von Freunden und Familie verabschiedet – alles in dem festen Glauben, dass wir tatsächlich an der letzten Ausfahrt zum Himmel angekommen sind. Ein Ehepaar in Florida verschleuderte gar die Ersparnisse eines ganzen Lebens, denn wozu brauchten sie die noch nach der Apokalypse? Ja, es ist verrückt. Ja, es ist traurig. Aber leider scheint sich das zumindest in den USA ungefähr alle fünf Jahre zu wiederholen. Manchmal ist es einfach schwer zu glauben, dass in unseren modernen Zeiten diese Denkweise immer noch solche Blüten treiben kann.
In akademischen Kreisen wird so etwas als eschatologisches Denken bezeichnet oder als Chiliasmus (die Lehre vom Tausendjährigen Reich; was sich auf die Bibel bezieht, derzufolge Christus eines Tages im Paradies tausend Jahre regieren wird). Doch um die Wahrheit zu sagen: Diese Ideen gehören seit jeher zum Grundbestand der religiösen Traditionen. Und auch wenn sie in einigen dieser Traditionen in den letzten hundert Jahren verblasst sind, handelt es sich dabei doch keineswegs um ein Randthema. Jede größere Religion, einschließlich des Buddhismus, hat irgendeine Art von messianischer, eschatologischer Tradition. Wenn nicht die Wiederkunft Christi, dann die des Mahdi, die Ankunft des Buddha Maitreya, das Erscheinen Kalkis, das Ende des Eisernen Zeitalters, das Kommen des Neuen Jerusalem, die Rückkehr des Quetzalcoatl, das … okay, Sie
Wie können wir also verantwortlich und zugleich optimistisch über die Evolution der menschlichen Kultur nachdenken?
Winter 2011
12 Mythos 2012 und die Sehnsucht nach dem Messias
Wir sollten niemals den menschlichen Geist unterschätzen, auch dann nicht, wenn er sich seinen Weg durch die vielen Katastrophen der Geschichte bahnt.
verstehen das Prinzip. Auch heute noch haben die meisten religiösen Traditionen einen reichhaltigen, aktiven eschatologischen Kern. Es ist faszinierend und schockierend: Obwohl Endzeithoffnungen eins ums andere Mal enttäuscht wurden, lassen sich viele Menschen nicht davon abbringen. Das Endzeitdenken gehört zu der Art gedanklicher Viren, die durch Fehlschläge einfach nicht totzukriegen sind. Für uns aber, die eher aus progressiven, weniger traditionsgebundenen Umfeldern kommen, ist es ein intellektueller Sport mit garantierter Trefferquote. Eine Menge guter apokalyptischer Witze kursieren im Internet. Nach der Blamage der jüngsten christlichen Endzeitanhänger im Mai war mein Twitter-Account voll davon. Das einzige Problem mit all dieser Heiterkeit auf Kosten der „wahren Gläubigen“ besteht darin, dass sie nicht als Einzige der Versuchung erliegen, an irgendeine Art von messianischem Ereignis zu glauben, durch das irgendwie die Welt gerettet wird. Ich beobachte mit einer gewissen Faszination, wie sogar einige Leute der Marke „spirituell, aber nicht religiös“ einen eigenen messianischen Geschmackssinn entwickeln. Ja, auch in den progressiven Bereichen der Kultur, in denen kluge, spirituell orientierte Menschen mit den besten Absichten ehrlich daran arbeiten, sich selbst und die Welt zu verbessern, treibt dieses Denken seine Blüten, wenn auch gewiss nicht so dramatisch.
Apokalypse, progressiv Werfen wir einen Blick auf den Hype um das Jahr 2012. Die 2012-Fraktion glaubt, der Maya-Kalender und verschiedene andere prophetische Ankündigungen würden besagen, dass irgendwann um den 21. Dezember 2012 große Veränderungen auf der Erde geschehen werden. Das ist also der Zeitpunkt, an dem alles auf großartige Weise kulminiert – je nachdem, mit wem man spricht, wird es ein fantastischer evolutionärer Durchbruch sein, durch den Liebe und Licht wieder erstarken, oder ein gewaltiges Szenario globaler Veränderungen von epischem Ausmaß. Man denke nur an den Film 2012, der eine verheerende, die ganze Welt zerstörende Verschiebung der Magnetpole beschreibt. 2012 ist die progressive Variante des traditionellen eschatologischen Denkens. Es geht um die Vorstellung von einem Ereignis, das völlig außerhalb des normalen Ablaufs der Geschichte liegt, alles verändert, dabei die Mehrheit der Menschen auf eine höhere Bewusstseinsstufe katapultiert und so eine erleuchtete Zukunft erschafft. Es gibt davon auch die düstere Variante, bei der sich eine Art Miniapokalypse ereignen muss, bevor eine EnlightenNext Impulse
bessere Zukunft anbricht, doch im Allgemeinen steht 2012 für eine positive Version des eschatologischen Denkens. Es fällt nicht schwer, die Attraktivität dieses Denkens zu verstehen. Wer sich Gedanken um das Schicksal dieses wunderbaren Blauen Planeten und seiner bemerkenswerten, ihrer selbst bewussten Bewohner macht – ganz zu schweigen von den Scharen großer und kleiner, niedlicher, pelziger Kreaturen (und natürlich auch der nicht so niedlichen und pelzigen) –, kommt zu dem Schluss, dass der Einfluss unserer Lebensform sich in den letzten Jahrzehnten verstärkt hat. Unsere Macht ist weit über alles je Dagewesene hinaus gewachsen, eine technisch gestützte Macht, die sich mit allem messen kann, was sich die mythischen Götter jemals hätten ausdenken können. Wir haben uns zu Herren über den Planeten aufgeschwungen, und mit dieser Macht geht die berechtigte Angst einher, dass wir unabsichtlich, sozusagen aus Versehen, unser eigenes Endzeitszenario, unsere eigene apokalyptische Zerstörungsorgie erschaffen, wenn unsere Gattung nicht rasch reifer wird. Und nachdem diese Reifung ein bisschen länger dauert, als wir es gern hätten, entsteht die verständliche Neigung, sie durch ein oder zwei gewaltige Ereignisse anzuschieben und so eine höhere Stufe der Bewusstheit sowie einen höheren Grad an Verantwortung zu erzielen. Glauben Sie mir, wenn so etwas ginge, wäre ich der Erste, der sich dafür anmeldet. Auch wir im progressiven Lager müssen also aufpassen, dass wir nicht in messianisches Denken verfallen. Gleichzeitig aber dürfen wir nicht in die gegenteilige Falle tappen und zulassen, dass unser Idealismus in einen Realismus abgleitet, der nicht mehr ist als Zynismus. Unerwartete, erstaunliche, positive Ereignisse können durchaus geschehen. Es gibt diese gewaltigen, sprunghaften Entwicklungen nach vorn, die uns alle überraschen. In der Tat: Nur weil nicht gleich in den nächsten paar Tagen Tausend Jahre voller Liebe und Licht für uns alle anbrechen, brauchen wir nicht gleich jeglichen Glauben an positive Möglichkeiten für die Zukunft aufzugeben. Wir brauchen nicht den Glauben daran aufzugeben, dass wir tatsächlich über die Macht verfügen, die Kräfte der kulturellen Entwicklung zu verstärken, in eine positive Richtung zu schieben und ein Stückchen voranzubringen. Wie können wir also verantwortlich und zugleich optimistisch über die Evolution der menschlichen Kultur nachdenken, ohne dabei einerseits in Fatalismus und Zynismus oder andererseits in allzu optimistische messianische Erwartungen zu verfallen? Wo liegt der Mittelweg zwischen diesen beiden verführerischen Fallen des menschlichen Geistes? Wie können wir der positivsten Vision der menschlichen Evolution folgen, ohne uns geistig in messianischen Hoffnungen zu verirren?
Mythos 2012 und die Sehnsucht nach dem Messias 13
Das jüngste Gericht (Ausschnitt), Michelangelo Buonarroti (1475–1564)
Das messianische Mem Vor ein paar Jahren recherchierte ich für einen Artikel über messianisches Denken und stieß dabei auf eine faszinierende historische Episode aus dem 19. Jahrhundert. Dabei ging es um Annie Besant, sie war Frauenrechtlerin in London, schloss sich dann der Theosophischen Gesellschaft an, und wurde schließlich ihre Präsidentin. Besant war aus verschiedenen Gründen ein interessanter Charakter, doch wurde sie wahrscheinlich hauptsächlich bekannt, weil sie vehement einen Jungen förderte, der als der „Weltlehrer“ der Theosophischen Gesellschaft bekannt wurde. Dieser Junge war Jiddu Krishnamurti, der große Lehrer des 20. Jahrhunderts, der eine Verbindung mit der Theosophie wie auch alle messianischen Titel verweigerte und aus eigener Kraft ein wirkmächtiger, unabhängiger Philosoph und Lehrer wurde. Diese Geschichte ist in vielerlei Hinsicht faszinierend, aber was mich besonders beeindruckte, war der Grund für Annie Besants messianische Wende. Scheinbar interessierte sie sich damals besonders leidenschaftlich für Themen des Fortschritts und begann angesichts der schwierigen Bedingungen der armen Bevölkerung, dem Elend und der Armut im industrialisierten London den Glauben an die modernisierenden Kräfte im Arbeitsleben der damaligen Wirtschaft zu verlieren. Nach einem kurzen Rendezvous mit dem Marxismus traf sie Helene Blavatsky, die Begründerin der Theosophie, und fing an, sich für diese esoterische Lehre zu interessieren.
Sicherlich gab es viele Gründe für Besants Interesse an der Theosophie, nicht zuletzt ihre eigene langjährige spirituelle Suche, doch ein Grund erschien mir besonders wichtig: Sie hatte den Glauben daran verloren, dass die Politik und progressive Bewegungen die Bedingungen der Benachteiligten verändern könnten. Deshalb hatte sie sich den inneren Dimensionen, der Spiritualität und besonders dem neuen Glauben an den kommenden „Weltlehrer“ zugewandt. Ihre messianische Wende wurde also von dem Wunsch angetrieben, den Prozess der kulturellen Evolution anzutreiben oder zumindest zu beschleunigen. Sie führte ihre Aktivitäten für soziale Veränderung weiter, aber es war zum Teil ihr schwindender Glaube an die Möglichkeiten eines progressiven Wandels, der sie dazu inspirierte, nach einem heroischen, die Geschichte verändernden Ereignis zu suchen. Tatsächlich beginnen wir oft nach revolutionären messianischen Idealen zu suchen, wenn uns der Glaube an die Möglichkeit eines evolutionären Wandels fehlt. Es kann der globale Wandel 2012, die harmonische Konvergenz, eine Art von „Wandlung der Erde” oder eine zeitgleiche universelle „Transformation“ sein, die den Weg in die Zukunft bereiten. In diesem Sinne sehe ich heute viele Besants – Menschen mit dem tiefen Wunsch nach Wandel und der Leidenschaft, eine wahrhafte Verbesserung auf diesem Planeten zu erreichen. Das sind oft die gleichen Menschen, die sich für große Ziele einsetzen, die aber nur langsam größere Winter 2011
14 Mythos 2012 und die Sehnsucht nach dem Messias
Jiddu Krishnamurti und Annie Besant im Jahre 1926.
Die große Vision der kulturellen Transformation wird nicht wirkungsvoll sein, wenn wir nicht den Bann der Stabilität brechen.
Bedeutung in unserer Kultur bekommen. Sie blicken auf eine Welt, die von Klimawandel, Terrorismus, Korruption, Überbevölkerung und finanziellen Katastrophen geprägt ist, und in der Millionen von Menschen in Armut leben, und sie wissen, dass diese Probleme immer drängender werden. Und wenn es positive Entwicklungen gibt, sind diese nicht schnell genug. Deshalb beten, hoffen und meditieren sie – mit Aussicht auf ein Ereignis; einen Wandel des Bewusstseins, eine innere Konvergenz, die Emergenz, das Wiederauferstehen von Liebe, Licht, Frieden und Mitgefühl, die uns vor dem Bösen und der Unwissenheit retten, durch die unsere kollektive Seele gelähmt wird. Anders gesagt suchen sie nach einem Messias oder einem messianischen Ereignis, das alles verändern wird. Natürlich verwenden sie nicht diesen Begriff, aber wenn wir hinter die Begrifflichkeiten schauen, ist genau das gemeint. Oft beschreiben sie diesen Bewusstseinswandel mit dem Begriff „Evolution“.
Die Evolution der Kultur
? Mem: Eine Gedankeneinheit, die sich durch Kommunikation ihrer Träger vervielfältigt. EnlightenNext Impulse
Ironischerweise hat dieses Denken nichts mit der Evolution von Bewusstsein und Kultur zu tun, wie ich es verstehe. Tatsächlich will ich einen vielleicht etwas kontroversen Gedanken verfolgen: Nicht der Glaube an die Evolution führt zum Wunsch, sich an das messianische Mem zu halten, sondern vielmehr das Fehlen des Glaubens. Die mangelnde Wertschätzung der Kraft der Evolution auf kultureller Ebene und das Unverständnis der Wirkungsweise von kultureller Evolution führen dazu, uns nach plötzlich auftauchenden über-historischen Kräften zu sehnen, die uns retten werden. In diesem Beitrag habe ich nicht den Raum, um zu argumentieren, warum die kulturelle Evolution als legitimer Zweig der Evolution wirklich existiert.
Aber ich möchte hier darauf hinweisen, dass wir die Gegenwart und die Zukunft anders verstehen, wenn wir die wahren Dimensionen des umfassenden evolutionären Prozesses erkennen, dessen Teil wir sind. Obwohl die kulturelle Evolution oft frustrierend langsam verläuft – vor allem wenn wir sie vor dem Hintergrund betrachten, die uns als Menschen auf dieser Erde bleibt – sind Wandlung und Entwicklung doch eindeutig zu erkennen. Plötzlich geschehen umfassende Veränderungen direkt vor unseren Augen. Aber auch dann gibt es Reaktionen und Gegen-Reaktionen, Rückschläge und Umwege. Und obwohl alte Probleme gelöst werden, entstehen neue Herausforderungen. Aber Evolution geschieht wirklich; sie ist aktiv, und je tiefer wir das wahrnehmen und verstehen, umso kraftvoller wird unsere Antwort auf die evolutionären Herausforderungen unserer Zeit sein – sogar wenn unsere Bemühungen erstmal scheitern und nicht sofort die Früchte bringen, die unseren Idealen entsprechen. Wir sollten niemals den menschlichen Geist unterschätzen, auch dann nicht, wenn er sich seinen Weg durch die vielen Katastrophen der Geschichte bahnt. Wir können die Geschichte beeinflussen und verändern, aber wir können sie nicht in unsere Vorstellung von Utopie pressen. Wir können auf verschiedene Weisen zur Entwicklung der globalen Kultur beitragen und es gibt keinen Zweifel, dass unsere Anstrengungen als Einzelne und Gemeinschaften eine Wirkung haben können, auch wenn sie im Moment klein erscheinen mögen, inmitten der globalen Situation der Menschheit. In der Tat möchte ich behaupten, dass in unserem globalisierten Informationszeitalter die Anstrengungen des Einzelnen und kleiner Gruppen mehr Einfluss haben können als jemals zuvor. Auch das ist ein Ausdruck der Kraft der Evolution und der immer größer werdenden Fähigkeit für unsere eigene Autonomie und Wirksamkeit. Wenn ich hier über Evolution spreche, hat das nicht nur mit Biologie oder der DNA zu tun. Es geht auch nicht allein um die Entwicklung sozioökonomischer Strukturen und politischer Systeme. Sondern ich spreche hier von der Evolution unserer inneren Bewusstheit; unseren Werten, unserer Moral, unserer Perspektiven und Weltsichten. Evolution auf dieser Stufe ist langsam, aber kraftvoll und nachhaltig. Nur eine kleine aber tief greifende Bewegung kann einen enormen Einfluss auf die Kultur haben. Wir sollten den mächtigen Einfluss, den die Evolution auf der Ebene innerer Bewusstheit auf die Zukunft unserer Gesellschaft ausüben kann, nicht unterschätzen. Aber es gibt keine Zwangsläufigkeiten oder Garantien, und wir können nicht einfach mit den Fingern schnippen und sofort das Momentum von Tausenden von Jahren verändern.
Mythos 2012 und die Sehnsucht nach dem Messias 15
Obwohl sich die Dinge scheinbar langsam verändern, nehmen wir uns manchmal nicht die Zeit, um wertzuschätzen, wie viel sich unter der Oberfläche bewegt und verändert. Zum Beispiel schien es, als ob sich das Rassenproblem in Amerika nur frustrierend langsam verbessert. Es herrschte kein Mangel an Stimmen, die sagten, dass „sich nichts verändert hat“ – bis zu dem Tag, an dem wir einen schwarzen Präsidenten wählten; ein Ereignis, von dem Menschenrechtler in 1960ern dachten, dass sie es zu ihren Lebzeiten nicht erleben werden. Es schien sicher genauso aussichtslos, die Armut im London des 19. Jahrhunderts zu beeinflussen und jetzt sehen wir, wie groß der Unterschied zur heutigen Zeit ist – es ist natürlich nicht perfekt, aber um Längen besser als vor einhundert Jahren. Und das ist ein großer Schritt vorwärts.
Den Bann der Stabilität brechen Als Kind wollte ich die großen Tennisspieler meiner Generation, Borg und McEnroe, um den Sieg im Grand Slam kämpfen sehen. Und ich stellte mir in Gedanken vor, wie es wäre, so zu spielen und sich auf solch einem hohen Niveau zu messen. Die Vision war wichtig für meine Entwicklung als Spieler. Doch inspirierender und belebender als die idealistische Vision war es, neue Fähigkeiten auszubilden und die Möglichkeit zu erkennen, dass ich mich selbst entwickeln konnte. Ich konnte das Selbstvertrauen entwickeln, dass es mir möglich war, durch meine eigene Anstrengung zu einem guten Spieler zu werden. Solch eine Erfahrung durchbricht zumindest zeitweise das, was ich den Bann der Stabilität nenne: eine tiefe innere Überzeugung, in einem grundlegend statischen Universum zu leben, weshalb sich die menschliche Natur im Prinzip nicht verändert und die Dinge heute so sind, wie sie morgen sein werden. Wenn wir diese Überzeugung aufgeben, auch in Beziehung auf relativ unwichtige Bereiche unseres Lebens, dann ist das so, als wenn ein Damm in unserem Bewusstsein brechen würde. Wir beginnen, die Welt um uns neu zu sehen und erfahren neue und befreiende Möglichkeiten, und wir erkennen direkter die zugrunde liegende Evolution und Bewegung, die ein Teil des Prozesses von menschlicher Natur und Kultur sind. Wir beginnen deutlicher zu sehen, dass das Leben nicht statisch oder fest ist und wir erkennen, dass wir individuell und gemeinschaftlich bei dieser Weiterentwicklung mitwirken können – ob auf dem Tennisplatz oder in den bedeutenderen Bereichen der menschlichen Gesellschaft. Wie die Vision von mir als großem Tennisspieler nicht mit der Inspiration zu vergleichen ist, wenn man in Echtzeit wirkliche Entwicklung sieht, so wird die große Vision der kulturellen
Transformation nicht wirkungsvoll sein, wenn wir nicht den Bann der Stabilität brechen – diese tiefe Überzeugung in uns und in unserem kollektiven Bewusstsein, dass die menschliche Natur und Kultur unbeweglich sind, und deshalb eines großen transformativen Ereignisses bedürfen, um sich von einem statischen Zustand in einen anderen zu begeben. Nichts ist falsch an den großen Visionen des Möglichen. Wir brauchen sie, solange sie nicht verrückt und unrealistisch sind. Wir brauchen sie, um uns zu inspirieren und uns eine Richtung und einen Fokus zu geben. Aber was uns wirklich inspiriert und belebt ist, an einer wirklichen Entwicklung teilzunehmen und dabei wertschätzen zu können, wie diese Entwicklung mit dem umfassenden historischen Fluss der Evolution über die letzten 5000 Jahre menschlicher Kultur verbunden ist. Wenn sich unsere Augen für die Realität der Evolution menschlicher Natur und Kultur öffnen, wenn wir zurückschauen und dabei nicht 5000 Jahre des Stillstands sehen, sondern Jahrhunderte schwieriger und hart erarbeiteter Evolution im Inneren des menschlichen Lebens und im Äusseren der Gesellschaft, dann können wir aufhören, auf den Messias zu hoffen. Wir werden uns einer anderen Vision der Zukunft zuwenden – eine Vision, die uns zwar herausfordert, aber letztendlich damit belohnt, zu einem Prozess beizutragen, der unser Leben transzendiert und den wir auf wunderbare Weise durch unser Handeln beeinflussen können. n
Nicht der Glaube an die Evolution führt zum Wunsch, sich an das messianische Mem zu halten, sondern vielmehr das Fehlen des Glaubens.
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Wenn die Evolution sich selbst erkennt Wir leben in einer zweiten Achsenzeit
von Tom Steininger Im Juni dieses Jahres hielt ich im städtischen Kulturzentrum Rote Fabrik in Zürich einen Vortrag über die Evolution des Bewusstseins, den wir hier in einer gekürzten Fassung wiedergeben. Doch wir möchten Sie als Leser auch warnen: Dieser Vortrag ist dicht, sehr dicht, und das mit Absicht. Denn wenn wir uns die Explosion unseres Bewusstseins in den letzten 100.000 Jahren in nur wenigen Zeilen vor Augen führen, entsteht vielleicht unter der Fülle des Gesagten ein neuer Blick – der Blick auf die Tiefenzeit. Dieser Blick kann herausfordernd sein, aber er lohnt sich. Er öffnet eine neue Sicht auf die Frage, was es heißt, Mensch zu sein.
Hölenmalerei, 20.000 - 30.000 v. Chr. EnlightenNext Impulse
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eranstaltungen wie diese sind immer auch eine Form der Begegnung: Sie hören meinen Vortrag, wir kommen miteinander ins Gespräch. Wir begegnen uns. Aber als wer oder was begegnen wir uns? Wir sehen uns heute ganz selbstverständlich als Individuen mit einer je einzigartigen Identität. Doch dass wir uns als individuelles Ich wahrnehmen können, ist eine enorme historische und kulturelle Leistung. Das war nicht immer so. Sind wir uns dessen bewusst? Ich möchte in diesen Vortrag unsere Identität und unser Selbstverständnis in einen großen historischen Kontext setzen, in den Kontext unserer Menschheitsgeschichte.
Die Anfänge des Menschseins Gehen wir zurück zum Anfang, zum Anfang des Menschen: Irgendwann gab es diesen Übergang, diesen Sprung von dem Bewusstsein hoher Primaten zu einem menschlichen Bewusstsein. Tiger, Schimpansen und Rehe haben Bewusstsein, aber – und das ist wirklich ein radikaler Unterschied – sie sind sich dessen nicht bewusst. Irgendwann in unserer Frühgeschichte gingen wir durch diese radikale Veränderung: Wir wurden uns bewusst, dass wir bewusst sind. Wir sehen diesen Übergang auch in der frühkindlichen Entwicklung,
wenn das Kind zum ersten Mal in der Lage ist, in der ersten Person zu sprechen: Es kann „Ich“ sagen. Doch in unserer Menschheitsgeschichte sind wir zuerst nicht zu diesem „Ich“ aufgewacht. Als wir unserer selbst bewusst wurden, war das zuerst ein Bewusstsein für unser „Wir“ – unseren Klan, unsere Sippe, jene Blutsverwandtschaft, in der wir als Menschen einander auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren. Und wir brauchten dieses Wir, um uns miteinander zu ernähren, zu verteidigen und fortzupflanzen. Am Anfang war der Klan. Der deutsche Bewusstseinsforscher Jean Gebser (1905 - 1973) bezeichnete diese Entwicklung als den Übergang von einem archaischen zu einem magischen Bewusstsein, und das ist vielleicht die erste Form bewusster, menschlicher Kultur. In diesem magischen Blick auf die Welt waren Subjekt und Objekt, innen und außen, noch nicht klar getrennt. Unsere Innenwahrnehmung und die Wahrnehmung der Natur waren noch eins. Die ganze Welt war magisch durchdrungen. Unser Bezugspunkt war der Klan und sein Überleben in einer Natur, die gleichzeitig ein Innen und Außen war: Bäume, Flüsse, Tiere, Geister und Dämonen waren eine ungeteilte innere und äußere Realität. Wir fingen damals auch an, diese Realität, in der wir lebten, zu bezeichnen. Was am Anfang nur Laute waren, wurde mit der Zeit zu Worten. Langsam begann sich unser Bewusstsein als Sprache zu kristallisieren und unsere Sprache formte das Bewusstsein. Und wer Sprache hat, beginnt Geschichten zu erzählen. Wahrscheinlich waren es am Anfang Geschichten aus dieser magischen Welt: Geschichten von Flussgeistern, Berggeistern, Dämonen, Blut, Rache, Überleben, Sterben und unseren Ahnen. Das Erzählen dieser Geschichten entfaltete sein eigenes Leben. Neben einer körperlichen Wirklichkeit lebten wir immer mehr auch in einer sprachlichen Wirklichkeit. Unsere Geschichten schufen neue Welten. Zu den Erzählungen über Tiergötter, den Klan und die Ahnen kamen neue Erzählungen über Götter, die mehr uns
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Menschen glichen. Sie hatten Namen wie Gaia, Odin, Saraswati oder Zeus. Es entstanden die großen Mythen der Welt. Wir erzählten von neuen Göttern – Muttergottheiten, Göttern der Liebe, der Weisheit und Göttern des Krieges. Und wie das mit Geschichten so ist – sie veränderten auch unser Wir-Gefühl. Das Wir des Klans war vor allem das Wir des gleichen Blutes. Jetzt wurde es mehr und mehr das Wir unserer gemeinsamen Geschichten und Mythen. Jean Gebser nennt das den Übergang vom magischen zum mythischen Bewusstsein.
Die Achsenzeit In der Entfaltung dieser neuen Welt der Erzählungen und Mythen gab es zwei Brüche, auf die ich gerne näher eingehen möchte. Der eine Bruch betrifft die Sprache selbst. Denn an einem Punkt unserer Sprachentwicklung kamen wir dazu, die Sprache selbst neu zu sehen. Denn Sprache erzählt nicht nur Geschichten, sie hat auch ihre eigene Form, ihre eigene Logik. Wenn wir anfangen die Logik der Sprache zu verstehen und bewusst logische Fragen stellen, dann sind wir im Übergang von den Mythen zur Philosophie. Dieser Sprung ist nirgendwo so eindeutig geschehen, wie im griechischen Kulturkreis des sechsten Jahrhunderts vor Christus. Damals entstand ein radikal neuer Bezug zur Sprache. Logische Fragen, wie „Warum ist etwas und nicht
nichts?“, und der Versuch logische Antworten zu finden, führte Denker wie Thales von Milet oder Pythagoras in ein neues Land – das Land der Rationalität. Ungefähr zur gleichen Zeit gab es noch einen anderen radikalen Bruch, und der betraf die Mythen selbst: Die großen Geschichten veränderten sich und das fast auf einen Schlag. In voneinander meist unabhängigen Kulturkreisen – in China, in Indien, in Persien und am Mittelmeer – treten auf einmal Menschen auf, die von einer Dimension sprechen, die wir Menschen vorher so noch nie gesehen hatten. Im Gegensatz zur alten Götterwelt – der Götterwelt der indischen Mythologie, des frühen chinesischen Volksglaubens oder des Mittelmeerraums – sprechen diese Menschen von etwas, das sie als das Absolute bezeichnen. In China nennt es Laotse das „Tao“, das Unbenennbare, in Indien sprechen die Upanischaden vom „Brahman“, dem absoluten Bewusstsein. Buddha Gautama spricht vom „Nirwana“, der absoluten Leere. In Israel beginnen Propheten wie Elias den jüdischen Gott neu zu sehen, nicht als einen Stammesgott, sondern als den einen universellen und nicht benennbaren Gott. In diesen Kulturkreisen öffnet sich der Blick für eine neue Dimension. Was damals von diesen großen Religionsgründern gesehen wurde, führte auch zu neuen Formen der spirituellen Praxis, wie Meditation oder mystische Versenkung. Die mystische Praxis näherte sich auf
Gustav Klimt, Der Lebensbaum, 1905/1909
Langsam begann sich unser Bewusstsein als Sprache zu kristallisieren und unsere Sprache formte das Bewusstsein.
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Die Achsenzeit (800 - 200 v. Chr.) Buddha, Sokrates, Laotse, Elias
Felsgrottenmadonna, Leonardo da Vinci, 1493–1495
Die eigentliche Entdeckung der perspektivischen Malerei ist das Subjekt des Malers, das Subjekt des Betrachters, der das Bild sieht.
Porträt von Dora Maar, Pablo Picasso, 1937 EnlightenNext Impulse
ganz neuen Weisen dieser nicht benennbaren Dimension, von der man vielleicht aus heutiger Sicht sagen könnte, dass sich darin das Bewusstsein selbst erkennt. Der deutsche Philosoph Karl Jaspers nannte diese Zeit, einen Zeitraum ungefähr 800 - 200 v. Chr., die „Achsenzeit“. Es war die Geburtszeit der großen Hochreligionen. Der Vorstoß dieser großen Pioniere wie Laotse, Buddha oder Elias in eine absolute Dimension hat unsere Menschheitsgeschichte für immer verändert. Im Mittelmeerraum verband sich dieser Aufbruch in einer ganz eigenen Weise mit der Geburt der Philosophie. Der Logos des Philosophen Heraklet hatte manche Ähnlichkeiten mit dem, was wir von Laotses Tao kennen. Aber die griechische Philosophie ging einen anderen Weg. Schon bei Aristoteles war das Absolute etwas, dem wir auch als Menschen denkend gegenüberstehen, das wir denkend erkennen. Im Mittelmeerraum entwickelten wir mehr als in anderen Teilen der Welt eine Beziehung zum Absoluten, zu Gott, als
eine Beziehung zum Du. Denkend und handelnd standen wir diesem Du gegenüber und es war diese Du-Beziehung, welche die jüdische, christliche und islamische Kultur über Jahrhunderte prägte. Doch was braucht es, um eine Beziehung zu einem Du zu haben? Es braucht ein Ich. Kein anderer Kulturkreis entwickelte in seiner Beziehung zu Gott ein so starkes Verständnis des eigenen Ich. Die Entwicklung unserer Individualität, unsere Individuation, wurde zu einem der Pfeiler der europäischen Kultur.
Das Aufblühen des Ich Erlauben Sie mir einen Sprung, einen Sprung über mehrere Hundert Jahre. Denn diese Ich-Werdung, diese Individuation, fand in der europäischen Renaissance zu ihrer vollen Blüte. Am besten sieht man das in der Kunst der italienischen Renaissance. Wir haben das wahrscheinlich alle in der Schule gelernt: In der Malerei der italienischen Renaissance kam es zu einem Durchbruch, der seitdem die moderne Kunst bestimmt. Genies wie Leonardo da Vinci oder Raffael begannen, auf eine neue Weise zu malen. Ihre Kunst war ein Durchbruch zur Perspektive. Was ist damit gemeint? Wenn wir die mittelalterliche Malerei des 12. Jahrhunderts betrachten, zum Beispiel die Madonnen des Giotto, dann sehen wir in diesen Bildern atemberaubende, meisterhafte Kunst. Aber mit Leonardo und Raffael wird in der Kunst alles anders. Jean Gebser weist hier auf die überraschende Tatsache hin, dass das Neue in der Kunst hier eigentlich nicht im Bild selbst zu finden ist. Das Neue ist außerhalb des Bildes: Es ist der Maler oder der Betrachter selbst. Die eigentliche Entdeckung der perspektivischen Malerei ist das Subjekt des Malers, das Subjekt des Betrachters, der das Bild sieht. Es ist dieser Mensch vor dem Bild, sein Blick und seine Perspektive, die als Bezugspunkt im Bild eines Leonardo oder Raffael festgehalten werden. Die perspektivische Malerei ist eine Darstellung des Subjektes – jenes Ich, dass das Bild sieht. Was für eine Bewusstseinsleistung! Raffael und Leonardo halten den Blick des Betrachters im Bild selbst
Wenn die Evolution sich selbst erkennt 19
fest. Welche radikale Wahrnehmung der Subjektivität des Betrachters braucht es, um sie in einem Gemälde zu verewigen! Seit dieser Entdeckung der Subjektivität, seit der Renaissance, begegnen wir uns anders. Unsere Bewusstseinsgeschichte generierte einen Knotenpunkt der Subjektivität und Individualität, den es vorher so nicht gab. Dieser Durchbruch war der Beginn der Moderne. Doch Jean Gebser spricht von einem weiteren Sprung in unserer Bewusstseinsgeschichte. Auch dieser Sprung zeigt sich in der Kunst. Denn Anfang des 20. Jahrhunderts begannen einige Künstler um Pablo Picasso und Georges Braque wieder auf eine neue Weise zu malen und wieder hat es mit der Perspektive zu tun. Picassos Frauenporträts zeigen die Frauen nicht nur aus einer Sicht, aus einer Perspektive. Mehrere Blickwinkel, mehrere Sichtweisen treffen sich im gleichen Bild zur gleichen Zeit, überlagern und durchdringen sich. Picassos Kubismus ist gemalte Multiperspektivität. Nichts könnte die Kulturleistung unserer postmodernen Gegenwart mehr auf den Punkt bringen als unsere Fähigkeit, die Welt gleichzeitig aus mehreren Perspektiven zu sehen. Dieser Zuwachs an Bewusstsein ist gewaltig. Wir nehmen die Dinge nicht mehr nur aus unserer eigenen Perspektive, sondern gleichzeitig aus der Perspektive anderer Menschen wahr. Die Fähigkeit, mehrere Perspektiven zu sehen, ist ein großer kultureller Gewinn, auch wenn sie, wie jede Kulturleistung, Schattenseiten wie den Relativismus hervorbringt.
Ein großer Entfaltungsstrom Aber lassen sie mich noch einmal den Weg Revue passieren, den ich in diesem Vortrag versucht habe in wenigen, kurzen Skizzen zu zeigen. Es ist der Weg unserer Bewusstseinsentwicklung, der Weg unserer Menschwerdung. Und wenn wir diesen ganzen Weg sehen, von seinen Anfängen vor über 100.000 Jahren über die Entstehung der Sprache, der Mythen, der Achsenzeit, den Anfängen des rationalen Denkens und unserer Individualität, der Perspektive bis zu unserer multiperspektivischen Gegenwart, dann sehen wir einen großen Entfaltungsstrom, die Entwicklungsgeschichte unseres Bewusstseins. Wir beginnen, unsere Entwicklung, unsere Evolution, zu sehen. Eine Sichtweise, die vielleicht als Erstes die Philosophen des deutschen Idealismus, vor allem Hegel und Schelling, systematisch beschrieben haben. Charles Darwin bereitete dieser Sichtweise in der Biologie den Weg. Und seit der Entdeckung des Urknalls um 1920 sehen wir in die Tiefe einer kosmische Evolution. Wir sehen 13,7 Milliarden Jahre kosmischer Entwicklung,
angefangen vom Urknall über die Galaxien, die Sonnensysteme bis zur Entwicklung unseres Planeten, der Pflanzen und Tiere und unserer menschlichen Kultur. Und wir? Wir leben in dieser gewaltigen Zeitdimension exakt an jenem Punkt, an dem dieser ganze Prozess anfängt, sich selbst zu sehen. Dieser ganze Entfaltungsprozess, dem ich in diesem Vortrag nachgegangen bin, ist ja unser Entfaltungsprozess. Indem wir anfangen, darüber nachzudenken und darüber zu sprechen wird sich dieser Prozess – durch uns – bewusst. Wir sind dieser Prozess. Und hier schließt sich der Kreis zu meiner Anfangsfrage: „Wer oder was begegnet sich hier?“ Diese tiefe Erkenntnis, dass ich, dass wir, eigentlich dieser Prozess sind, das meint Andrew Cohen, wenn er von evolutionärer Erleuchtung spricht. In der Achsenzeit, vor mehr als 2000 Jahren, erkannten Pioniere wie Laotse und Gautama Buddha die absolute Natur des Bewusstseins. Das hat unsere Kultur damals auf eine ganz neue Ebene gehoben. Heute sehen wir, dass Bewusstsein noch eine zweite Seite hat – Bewusstsein ist auch dieser große Werdensprozess. Vielleicht leben wir in einer zweiten Achsenzeit: Die erste Achsenzeit war ein Durchbruch in die mystische Erkenntnis des absoluten Bewusstseins, wie sie die großen Meister beschrieben haben. Die zweite Achsenzeit könnte der Durchbruch zu einer neuen tiefen Erkenntnis sein, dass sich der kosmische Entwicklungsprozess seiner selbst bewusst wird – durch uns. n
Wir leben in dieser gewaltigen Zeitdimension exakt an jenem Punkt, an dem dieser ganze Prozess anfängt, sich selbst zu sehen.
Audio zum Thema: Tom Steininger im Dialog mit Katrin Karneth: „Die Evolution der Erleuchtung“ www.enlightennext.de/evolution-dererleuchtung „Bewusste Evolution“ www.enlightennext.de/ bewusste-evolution
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Die Macht, eine bessere Welt zu schaffen, ist bereits in unseren Händen von John Bunzl
John Bunzl ist Unternehmer und sozialer Aktivist. Er ist Gründer der International Simultaneous Policy Organization (ISPO), die den Ansatz der Simultanpolitik (Simpol) entwickelt hat.
Wir werden nur von falschen Mauern aus falschen Vorstellungen beschränkt, die wir in unseren Herzen und unserem Verstand erbaut haben. EnlightenNext Impulse
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it Politikern, die sich auf finanzielle Sparmaßnahmen und die Rettung der Eurozone konzentrieren, fühlen sich diejenigen von uns, die sich Sorgen über den Klimawandel, die drohende Energieverknappung und andere globale Themen machen, immer entmutigter. Normale Bürger überall auf der Welt haben den Eindruck, dass sie auf diese Problemfelder kaum einwirken können. Und unsere Anstrengungen, Politiker dazu zu bringen, irgendetwas Substanzielles zu ändern, scheinen ebenfalls vergeblich. Doch ich bin der Ansicht, dass die Macht, dies zu ändern, bereits in unseren Händen liegt, wir müssen es nur erkennen. Wir – zumindest diejenigen von uns, die in demokratischen Ländern leben – haben bereits die notwendige Macht, um unsere Politiker dazu zu bringen, substanzielle globale Lösungen zu implementieren. Um unsere Kraft wirklich zu erkennen, müssen wir allerdings zuerst eine Bestandsaufnahme verschiedener falscher Vorstellungen vornehmen, die uns davon abhalten, unsere Kraft zu sehen. Wir werden nicht so sehr von korrupten oder blinden Politikern beschränkt, auch nicht von gierigen Konzernen, noch von den „Geldmeistern“ – den Privatbanken. Wir werden nur von falschen Mauern aus falschen Vorstellungen beschränkt, die wir in unseren Herzen und unserem Verstand erbaut haben. Die erste falsche Vorstellung ist unsere Annahme, dass Politiker die Macht haben, die substanziellen Veränderungen vorzunehmen, die es braucht, um die Welt auf einen gerechten und nachhaltigen Weg zu bringen. Es lässt sich nicht bezweifeln, dass wir an die Macht der Politiker glauben. Täten wir es nicht, würden wir kaum so viel Zeit mit LobbyArbeit und direkten Aktionen verbringen, um sie dazu zu bringen, ihre Politik zu ändern. Wir unterstützen sie oder protestieren gegen die Politiker, weil wir glauben, dass sie Macht haben – aber sie haben keine Macht, zumindest weit weniger als wir ihnen zutrauen, und ganz sicher viel weniger als sie brauchen würden, um globale Probleme wirklich zu lösen.
Ihr Mangel an Macht resultiert aus der Tatsache, dass sich Kapital und Kapitalgesellschaften heute ziemlich leicht und schnell über nationale Grenzen hinweg bewegen und auf diese Weise festlegen, welches Land Investitionen und Arbeitsplätze erhält und welches beides verliert. Da Politiker keine andere Wahl haben, als eine Politik zu machen, die Kapital anzieht oder im Land hält, damit Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben, ist es nicht schwer zu verstehen, warum sie gezwungen sind, nur markt- und wirtschaftsfreundliche Politik zu machen, die die Wohlhabenden, die Konzerne und die Banker bevorzugt und wenig Rücksicht auf soziale Gerechtigkeit und die Umwelt nimmt. Politiker zu umwerben, wie wir das jetzt tun, ist also ziemlich unlogisch. Wenn irgendeine Nation oder selbst die EU als Ganzes unsere Forderungen einseitig umsetzen würde, riskiert sie damit Kapitalflucht, Arbeitslosigkeit und so weiter. Kurz gesagt: Die Umsetzung unserer Forderungen wäre nicht im nationalen Interesse. Doch warum bestehen wir dann darauf, substanzielle Veränderungen von Leuten zu erwarten – in diesem Fall von unseren Politikern –, wenn sie gar nicht die Macht haben, diese wirklich zu erreichen? Da gibt es offenkundig einen Fehler in unserem Denken. Unser zweites großes Missverständnis ist, dass an den gerade beschriebenen
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Problemen die Wohlhabenden und die Großkonzerne schuld sein müssen, die ihr Kapital hin und her bewegen. Natürlich sollte niemand falsches oder gieriges Verhalten dulden, doch wir sollten erkennen, dass Unternehmen letztlich tun, was sie tun, weil sie von anderen verdrängt werden, wenn sie es nicht tun. Denn Konzerne, die ethisch handeln oder die es unterlassen, Vorteile in Ländern mit weniger Regulierung und mit weniger Steuern auszunutzen, würden mit großem Abstand hinter ihren weniger verantwortungsbewussten Wettbewerbern zurückbleiben. Es ist also nicht schwer zu erkennen, warum sie sich oft nicht so verhalten, wie wir es gern hätten. Es ist richtig, auf mangelhaftes unternehmerisches Verhalten hinzuweisen, wenn wir es sehen. Doch warum bestehen wir darauf, Konzernen die Schuld zu geben, wenn es klar ist, dass ihr Verhalten die natürliche Folge davon ist, dass es keinen gleichberechtigten Wettbewerb mit global verbindlichen Regeln gibt? Auch hier liegt der Fehler in unserem Denken. Doch tief unter diesen falschen Vorstellungen liegen die falschen Mauern, die wir in unseren Herzen bauen. Wir bauen sie auf den genannten falschen Vorstellungen auf und pflegen sie liebevoll, denn sie erlauben es uns, Vorwürfe zu machen und uns über andere zu beklagen, und das gibt uns das Gefühl, recht zu haben; wir fühlen uns gut dabei – wie Krieger in der Schlacht, die sich klar für das Gute in der Welt einsetzen! Es ist ganz bestimmt notwendig, die öffentliche Aufmerksamkeit auf globale Missstände zu richten, doch wie soll es dem Guten in der Welt dienen, wenn wir Menschen beschuldigen, die nicht wirklich verantwortlich sind? Wie kann es richtig sein, Politiker und Geschäftsleute zu beschuldigen, wenn es gar nicht wirklich deren Schuld ist, und wenn Veränderung nicht in ihrer Macht liegt, und wenn wir selbst, wären wir in ihrer Lage, uns ziemlich ähnlich verhalten würden, weil es globale ökonomische Kräfte von uns verlangen?
Vielleicht aus diesem Grund erklärte Gandhi: „Es ist in Ordnung einem System entgegenzutreten und es anzugreifen, doch dessen Urhebern entgegenzutreten und sie anzugreifen ist so, als würde man sich selbst entgegentreten und angreifen. Denn wir sind alle aus dem gleichen Holz geschnitzt, sind Kinder ein und desselben Schöpfers und die göttlichen Kräfte in uns sind unendlich. Ein menschliches Wesen zu verletzen bedeutet, diese göttlichen Kräfte zu verletzen, und damit nicht nur dieses Wesen, sondern mit ihm die ganze Welt zu verletzen.“ Wenn wir helfen und die Welt heilen wollen, dann müssen wir das weitgehend unregulierte globale Marktsystem als unseren wirklichen Feind erkennen – dem wir entgegentreten und den wir angreifen müssen – und nicht irgendeine Person oder Organisation oder Handelsform, die in dem System operieren. Wir müssen erkennen, dass wir auf die eine oder andere Weise alle in diesem System gefangen, und deshalb alle „aus dem gleichen Holz geschnitzt“ sind. Und daraus folgt, dass zwar niemand von uns wirklich schuld ist, dass wir jedoch alle gemeinsam verantwortlich sind, etwas zu unternehmen, um das System selbst zu verändern. Wenn wir aufhören, einander die Schuld zuzuschieben, dann erkennen wir, dass wir alle Gefangene des Systems sind und alle im gleichen planetaren Boot sitzen. Wenn wir die falschen Mauern aus falschen Vorstellungen in unseren Herzen abreißen, öffnen wir sie für die Wahrheit, dass diejenigen, die wir so gern für schuldig gehalten haben, es gar nicht sind. Und so öffnen sich unsere Herzen füreinander ohne Diskriminierung und Distanziertheit und damit für die ganze Welt. Denn wie sonst wäre es uns möglich, etwas Gutes für die Welt zu tun? Wie sonst könnten wir jemals einen nicht-verurteilenden Raum schaffen, der offen für alle ist, den lebendigen, offenen und versöhnenden Raum, der nötig ist, damit wir uns gemeinsam auf die Suche nach einer echten globalen Lösung machen können? Natürlich heißt das nicht, dass wir unsere jetzigen Aktionen stoppen sollen. Es bedeutet nur, dass wir ihre Grenzen erkennen müssen und verstehen, dass ein zusätzlicher Ansatz gebraucht wird, ein Ansatz, der globaler ist, zutiefst nicht-verurteilend, wahrhafter und umfassender. Die globalen Probleme türmen sich heute um uns auf, ist es da nicht an der Zeit, dass wir unsere falschen Vorstellungen aufgeben und unser Herz für die ganze Welt öffnen? Ist es nicht Zeit, dass wir alle gemeinsam entdecken, dass, wie Gandhi gesagt hat, „die göttlichen Kräfte in uns unendlich sind“? n
Wenn wir helfen und die Welt heilen wollen, dann müssen wir das weitgehend unregulierte globale Marktsystem als unseren wirklichen Feind erkennen.
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Audio zum Thema: „Gibt es eine Integrale Politik?“: Tom Steininger im Gespräch mit Prof. Traugott Elsässer www.enlightennext.de/integralepolitik
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Wahrheit ist nicht neutral Ein Interview mit Arianna Huffington
von Elizabeth Debold
Wir können das menschliche Verhalten nicht verstehen, wenn wir nicht den Instinkt für Transzendenz anerkennen.
EnlightenNext Impulse
„M
ut ist, wenn wir wissen, wovor wir keine Angst haben müssen“, sagt Arianna Huffington gern und schreibt dieses Zitat Sokrates zu. Für sie bedeutet es, dass wir keine Angst vor den Meinungen anderer Leute haben sollten oder vor Ablehnung in Bezug auf unser Handeln. Es ist ein Motto, nach dem sie offensichtlich gelebt hat: Huffington ist in ihrem Leben einem eigenständigen Kurs gefolgt, der oft diejenigen, die sie festlegen wollten, verwirrt oder wütend gemacht hat. Ihre politischen Ansichten wechselten vom kalifornischen Liberalismus zum Konservatismus bis hin zu ihrer unabhängigen Kandidatur als Gouverneur von Kalifornien, wobei sie sagte, dass ihr politischer Standpunkt jenseits von rechts, links oder der Mitte sei. Ihr ist es nicht wichtig, welche politischen oder anderen Bezeichnungen ihr zugeschrieben werden – sie ist auf einer Mission, um intelligente Debatten, Wahrheitssuche und Gerechtigkeit in die Politik zu bringen. Selbst als sie The Huffington Post aufbaute, wandte sie sich gegen die negativen Reaktionen des Medienestablishments, das sie und ihre Idee, die erste Internetzeitung zu gründen, verspottete. Die HuffPo, wie sie genannt wird, wird heute von mehreren Millionen Menschen monatlich besucht und hat zwei Mal hintereinander den Webby Award für den besten politischen Blog gewonnen. In den letzten Monaten ging eine britische Version der Huffington Post online und in einigen Wochen sollen nun auch ein französisches und deutsches Portal folgen. Ganz klar: Huffington hat Spuren hinterlassen. Mit einer Vorliebe dafür, die Grenzen unseres Denkens zu erweitern, verkörpert sie eine Unzufriedenheit mit dem Status quo des oberflächlichen Konsumdenkens und eine Leidenschaft dafür, unsere kollektiven Anstrengungen, die Welt zu verbessern, zu inspirieren. Geboren in Griechenland in eine intellektuell engagierte Familie war für Huffington das aktive Interesse an tiefen Untersuchungen ganz natürlich. Ihre Mutter verehrte die Werke des großen Weisen J. Krishnamurti und die Leidenschaft ihres Vaters für neue journalistische Experimente brachte der Familie mehrmals den Bankrott. Im Alter von 16 Jahren ging Huffington nach Indien, um
an der Shantiniketan University in der Nähe von Kalkutta vergleichende Religionswissenschaften zu studieren, danach ging sie an die Cambridge University in England. In Cambridge überwand sie ihren starken griechischen Akzent und wurde als dritte Frau und erste Ausländerin zur Präsidentin des prestigeträchtigen Debattierklubs, der Cambridge Union, gewählt. Ihr erstes Buch The Female Woman veröffentlichte sie im Alter von 23 Jahren, es wurde ein internationaler Bestseller und brachte ihr, wie sie sagt, „viele Dinge, für die ich sonst ein ganzes Leben gebraucht hätte, wie zum Beispiel finanzielle Unabhängigkeit und Anerkennung. Es führte auch zu einer Midlife-Krise in meinen frühen Zwanzigern, denn ich fragte mich, ‚War das nun alles?’“ Diese frühe Krise brachte sie dazu, die Werke von C. G. Jung zu lesen und tief in die Philosophie einzutauchen, was dazu führte, dass sie nach Antworten auf Fragen zu suchen begann, die sie die letzten dreißig Jahre beschäftigt haben: Was ist die Beziehung zwischen Politik und unseren tieferen Werten? Wie müssen wir uns verändern, um die Welt zu schaffen, nach der wir uns sehnen? In diesem Interview spricht Huffington über ihr Verständnis des spirituellen Lebens und der Bedeutung der Wahrheit als einen persönlichen und politischen Wert. ELIZABETH DEBOLD: In den letzten 20 Jahren haben sich viele spirituell interessierte Menschen, die nach einer inneren Wahrheit suchten, von der Politik abgewandt, weil sie befürchteten, dass sie ihre Ideale betrügen würden, wenn sie sich der politischen Arena nähern. Sie haben aber das politische Engagement als Teil Ihres spirituellen Weges gelebt. Sehen Sie irgendeine Spannung zwischen spirituellem Idealismus und politischem Pragmatismus? ARIANNA HUFFINGTON: Ich habe mich entschieden, sowohl einem spirituellen Weg zu folgen als auch politisch engagiert zu sein, und ich sehe keine Spannung zwischen den beiden. Mich erinnert es an ein Bibelzitat: „Gib Caesar, was Caesar gehört, gib Gott, was Gott gehört.“ Es gibt viele religiöse Traditionen auf der Welt, die verlangen, dass man sich von der Welt zurückzieht und betet – die klösterlichen Traditionen.
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Meine Form der Spiritualität ist ihrer Form nach nicht Rückzug, sondern persönliches und kollektives Engagement. Das stammt zum Teil aus unserer griechischen Tradition. Das Wort „Idiot“ kommt aus dem Altgriechischen – ein Idiot war demnach jemand, der sich nicht im öffentlichen Leben engagierte. Es gibt also eine alte griechische Tradition des Engagements, die mich unter anderem geprägt hat. Für mich bildet das weltliche Engagement eine Erweiterung meines spirituellen Lebens. ED: Was hat ursprünglich Ihr Interesse am spirituellen Leben geweckt? AH: Das ist schwer zu sagen, weil ich das Gefühl habe, dass ich damit geboren wurde. Ich erinnere mich, dass ich, als ich sehr jung war, noch bevor ich in den Kindergarten kam, in schwierigen Zeiten zur Jungfrau Maria bettete. Als ich aufwuchs, wollte ich jeden Aspekt der Spiritualität untersuchen, ich begann also fieberhaft zu lesen, was normalerweise mein erster Zugang zu einem Thema ist. Natürlich war es an einem bestimmten Punkt so, als würde ich versuchen, Wasser zu finden, indem ich ein Buch über Wasser las – es stillte nicht meinen Durst. Es wurde also wichtiger, diese Dinge in die Praxis umzusetzen und sie selbst zu üben. Aber nachdem ich die spirituelle Literatur des Westens und Ostens gelesen hatte, kam ich zu der Überzeugung, dass der spirituelle Instinkt in jedem von uns ist. Ob wir uns als Atheisten oder als Gläubige bezeichnen, wir haben diesen Instinkt in uns – ich nenne es den „vierten Instinkt“. ED: Können Sie mehr über diesen vierten Instinkt sagen? AH: Die meisten Psychologen und Biologen sehen das menschliche Verhalten im Hinblick auf drei Instinkte: Überleben, Sexualität und Macht. Ich glaube aber, dass wir das menschliche Verhalten nicht verstehen können, wenn wir nicht einen vierten Instinkt anerkennen – den Instinkt für Transzendenz, der Instinkt, sich mit dem Teil in uns selbst zu verbinden, der über unsere Körperlichkeit hinausgeht und unseren Tod überlebt, und der uns mit unserer Seele verbindet. Daraus erklärt sich unsere Suche nach Sinn, ob diese Suche uns zur Kunst, zur Religion oder zu altruistischem Verhalten inspiriert, das man nicht allein mit Eigeninteresse erklären kann. Natürlich ist ein Teil der Suche nach Sinn oft, das wir uns etwas hingeben, das uns dazu veranlasst, über uns selbst hinauszugehen. Man könnte sagen, dass dieser vierte Instinkt die Bewusstseinsevolution antreibt – und die Evolution des Bewusstseins ist die Grundlage von allem. Je mehr jeder von uns sich entwickelt, je
größer wird die Wirkung auf die Kultur sein. Aber es gibt auch Dinge, die wir kulturell tun können, um die Entwicklung auf individueller Ebene zu unterstützen. Obwohl es keine lineare Evolution ist, weil dabei Fortschritte und Rückschläge auftreten, glaube ich, dass es eine aufwärts führende Spirale ist. Letztendlich bin ich Optimistin. ED: Was ist die Rolle von führenden Politikern als Katalysatoren solch einer Veränderung?
Meine Form der Spiritualität ist ihrer Form nach nicht Rückzug, sondern persönliches und kollektives Engagement.
AH: Große Politiker können den Beginn dieser Veränderung inspirieren. Politiker sprechen entweder das Beste oder das Schlechteste in uns an. Wie wir alle wissen, gibt es beides. Große Führungspersönlichkeiten können, wie Lincoln sagte, „die besseren Engel unseres Wesens“ ansprechen, und bringen Winter 2011
24 Wahrheit ist nicht neutral
Die Huffington Post wird im Monat von 25 Millionen Menschen besucht. Im nächsten Jahr soll auch eine deustchsprachige Version online gehen.
der sowohl Progressive als auch Konservative konfrontiert sind, ist ein Leben nach dem biblischen Hinweis, dass wir alle danach beurteilt werden, was wir für den Geringsten unter uns getan haben. Es gibt z. B. viele Progressive, die den Kampf gegen die Armut in den spirituellen und politischen Zusammenhang stellen. ED: In Ihrer Arbeit rufen Sie uns alle und die Medien auch dazu auf, nach der Wahrheit zu suchen, statt in einer sogenannten Unparteilichkeit zu bleiben.
Im Herzen des Journalismus sollte die Suche nach Wahrheit sein.
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Menschen für große Aufgaben zusammen, wie es zum Beispiel Lincoln selbst tat, als er die Sklaverei abschaffte. ED: Susan Neiman, die Autorin von Moralische Klarheit. Leitfaden für erwachsene Idealisten, Direktorin am Einstein Forum in Potsdam und Bloggerin auf der Huffington Post ist der Ansicht, dass in den letzten 20 Jahren die politische Rechte den Menschen Möglichkeiten gegeben hat, sich mit diesem vierten Instinkt zu verbinden, und die politisch Progressiven dies oft versäumt haben. Die Rechte gibt den Menschen moralische Ideale, nach denen sie streben können, wohingegen die Linke meist materielle, ökonomische Lösungen anbietet und oft auch Probleme mit dem Wort „Moral“ hat. Können Sie etwas dazu sagen? AH: Zunächst möchte ich sagen, dass ich die Welt nicht durch das Prisma von Rechts-vs.-Links sehe. Die wichtigste moralische Herausforderung, mit
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AH: Unparteilichkeit und Fairness sind großartige Werte, aber ich spreche eine Art der falschen Neutralität an. Dabei ist die Idee, dass die Arbeit eines Journalisten bedeutet, dass man wie Pontius Pilatus handelt: „Ok, hier ist also Al Gore, der über die Gefahren des Klimawandels spricht, und hier ist ein Politiker, der sagt, dass der Klimawandel ein Schwindel ist, und meine Aufgabe besteht darin, einfach diese beiden Sichtweisen zu zeigen.“ Das ist eine falsche Neutralität, die wirklich das unterminiert, was im Herzen jedes Journalismus sein sollte: die Suche nach Wahrheit. Und natürlich war dieses Annähern an die Wahrheit immer ein wichtiger Teil unserer kulturellen/spirituellen Tradition, vom „Erkenne dich selbst!“ der Griechen bis zum „Bleib dir selber treu“ bei Shakespeare. Bei all diesen Hinweisen geht es im Grunde darum, ständig nach der Wahrheit über uns selbst, über unser Leben und über unsere Welt zu suchen. Das ist ganz sicher eines der größten Ziele, das wir in unserem Leben verfolgen können. n
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Radio EnlightenNext das Webradio für Bewusstsein und Kultur
Erwachsensein ist erst der Anfang Tom Steininger im Dialog mit Susanne Cook-Greuter
T Dr. Susanne Cook-Greuter Gründungsmitglied von Ken Wilbers Integral Institute (I-I) und Ehren– präsidentin der Integralen Akademie (DIA), ist eine international anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Erwachsenen-Entwicklung. Ihre Doktorarbeit an der Harvard University trug den Titel „Postautonome Ego-Entwicklung“ und beinhaltet eine Studie zur Entwicklung von der Kindheit bis zur Ego-Transzendenz. Sie formulierte MAP, einen verfeinerten, statistischen Fragebogen, um den Entwicklungsschwerpunkt von Erwachsenen zu messen (dieser Fragebogen steht auch in deutscher Sprache zur Verfügung). Susanne Cook-Greuter leitet zudem die Beratungsfirma Cook-Greuter & Associates: www.cook-greuter.com
OM STEININGER: Wenn heute über höheres Bewusstsein gesprochen wird, sind meist die spirituellen Erfahrungen des „Aufwachens“ und erweiterte Bewusstseinszustände gemeint. Andererseits ist die ganze Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen eine Höherentwicklung. Wie würden Sie diesen Unterschied zwischen dem „Aufwachen“ in spirituellen Bewusstseinserfahrungen und dem „Aufwachsen“ in der psychologischen Entwicklung beschreiben? SUSANNE COOK-GREUTER: Wir alle haben die Entwicklung vom Kleinkind zum Schulkind zum erwachsenen Menschen durchlaufen. Im Verlauf dieser Entwicklung können wir immer mehr Bereiche der Welt einschließen. Wir entwickeln zudem eine immer größere Distanz oder Objektivität gegenüber unserer eigenen Erfahrung. Wir lernen, in einer Weise zu handeln, die das Ganze, in das wir eingebettet sind (die Familie, unsere Religion, die Nation, die Welt), berücksichtigt. Das individuelle Aufwachen zu einer spirituellen Erkenntnis ist aber etwas ganz anderes. Wie Sie schon erwähnt haben, können wir dieses Erwachen durch Praktiken wie Meditation oder auch in tiefen Einheitserlebnissen in der Natur oder in der Kunst erfahren. TS: Welche Beziehung besteht Ihrer Ansicht nach zwischen diese beiden Formen von höherem Bewusstsein? SCG: Auf den höheren Entwicklungsstufen finden wir eine zunehmend intensivere Beziehung zwischen diesen beiden Formen. Wenn wir erwachsen sind und uns auf den späteren Stufen der Selbstentwicklung befinden, können wir uns selbst beobachten und wir verwenden sehr viel Zeit mit Selbstanalyse. Dabei können wir auch in eine meditative Erfahrung kommen, in der wir beobachten, dass die Gedanken wie Wolken vorbeiziehen
EnlightenNext Impulse
und nichts Festes sind. Wir können auch Emotionen, an die wir uns sonst klammern, beobachten. Hier öffnen wir uns also schon einer spirituellen Dimension des Gewahrseins. TS: Ich möchte noch einmal auf den Begriff des Aufwachsens zurückkommen. Wir haben alle eine allgemeine Vorstellung davon, was es bedeutet, erwachsen zu sein: autonom, Ich-bewusst, rational. Wenn ich Sie und Ihr Modell richtig verstehe, sagen Sie, dass das Aufwachsen hier nicht aufhört. SCG: Ganz genau! Das sagen die meisten neueren Entwicklungsmodelle. Vor 50 Jahren entdeckte der Schweizer Psychologe Jean Piaget, dass Kinder nicht einfach unfertige Erwachsene sind, sondern auf ihre eigene Weise Sinn im Leben schöpfen und aus ihren Erfahrungen ein Weltbild formen. Er konnte erforschen und beobachten, wie das stufenweise vor sich geht, und hat das sehr genau beschrieben. Im Laufe der Entwicklung können Kinder immer mehr von der Welt sehen und verstehen. Zu seiner Zeit war das total neu. Seit den 1960er und 1970er Jahren wurde weiter erforscht und wir haben herausgefunden, dass Erwachsene nicht zwangsläufig im Alter von 20 Jahren aufhören zu wachsen, sondern sich weiter entwickeln können. TS: Wohin entwickeln wir uns dann? Dem Alltagsverständnis nach ist mit dem Erwachsensein die Phase des Aufwachsens beendet. Sie haben die Arbeit von Piaget insofern weitergeführt, dass Sie sagen, dass es noch mehr Entwicklungspotenziale für Erwachsene gibt. Was ist dieses „Mehr“? SCG: Als Erstes können wir entdecken, dass unsere Weltsicht, unsere Selbst-Identifikation, unsere Ziele und Werte durch unsere Sozialisierung in der jeweiligen Kultur und Gesellschaft geformt wurden. Bis zur höchsten konventionellen Stufe werden diese Annahmen nicht hinterfragt. Wir nehmen einfach
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Wir erkennen, dass wir in einem Entwicklungszusammenhang leben: Wir sehen unsere eigene Entwicklung und die Entwicklung der anderen. Susanne Cook-Greuter
die Ideen der Gesellschaft an, in der wir aufgewachsen sind. Der erste Schritt darüber hinaus ist die erste postkonventionelle Stufe, auf der man anfängt, sich zu fragen: Woher habe ich diese Ideen? Weshalb haben anderen Menschen und Kulturen unterschiedliche Ideen? Wir entwickeln eine Faszination über die Vielfalt, die wir plötzlich entdecken.
wissen, wer wir eigentlich sind. Das ist ein psychologisch tieferes Interesse am Menschsein als auf den Stufen vorher.
TS: Ist das die erste Stufe, die Sie individualistisch nennen würden?
SCG: Ja, diese Stufe geht über die vorherige individualistisch/pluralistische Stufe hinaus. Dabei ist die Hauptmotivation zu dieser Weiterentwicklung das Leiden am Relativismus, den wir auf der pluralistischen Stufe entwickeln. Denn durch individuelle Selbstreflexion haben wir unsere Unterpersönlichkeiten kennengelernt und wir wissen, dass wir uns in viele Richtungen entwickeln können, so viele Möglichkeiten stehen uns offen. Das ist einerseits wunderbar, aber wir stellen uns auch die Frage: Was ist mein wirkliches Selbst in dieser Fülle von Möglichkeiten? Worauf kann ich mich eigentlich verlassen? Wir finden uns ständig in neuen Situationen und uns fehlt das Selbstverständnis, das wir brauchen, um uns zwischen den vielen Möglichkeiten zu entscheiden.
SCG: Oder pluralistisch. Der Ausdruck „individualistisch“ hat in vielen Sprachen einen negativen Beigeschmack, weil er mit egozentrisch gleichgesetzt wird. Letzteres ist hier nicht gemeint. Individualistisch ist diese Stufe im Sinne von „Freude an der eigenen Sinngebung finden und sie erforschen“. Vorher war mein Interesse nach außen gerichtet: Ich will die Welt besser machen. Jetzt will ich mich selbst besser machen, und ich finde ein intensives Interesse an meiner Innenwelt. Wir beginnen hier mit einer intensiven Selbstuntersuchung. Fragen, wie „Was für Ziele habe ich?“, „Wie kann ich mich verwirklichen?“, werden hier wichtig. Wir wollen
TS: Und darüber hinausgehend formulieren Sie eine weitere Stufe, die Sie als „autonom“ oder als „Synthese“ bezeichnen.
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28 Erwachsensein ist erst der Anfang
Ich beobachte den Entwicklungsimpuls nicht nur, sondern erkenne, dass ich nicht von diesem evolutionären Impuls getrennt bin.
Relativismus, wo sozusagen „alles nur relativ ist“. Können wir in der weiteren Entwicklung einen neuen Kontext finden, in dem sich dieser Relativismus einbinden lässt? SCG: Ja, das wird möglich, wenn ich auf der autonomen Stufe das größere System und eine umfassendere Perspektive erkennen kann. Ich sehe mich dann im Kontext der Geschichte unserer Entwicklung und entwickle eine globale Empfindsamkeit, in der ich viel tiefer mit anderen Menschen verbunden bin.
Tom Steininger
Auf der nächsten Stufe – im autonomen Selbst – fühlen wir uns eingebettet in einem größeren Zusammenhang, in einer geschichtlichen und globalen Perspektive, die mir jetzt einen neuen Haltepunkt eröffnet, um zu verstehen, wer ich bin und wie ich handeln kann. Jetzt werden die grundlegenden Prinzipien, die Kohlberg in seiner „Moralentwicklung“ beschrieben hat, zu wichtigen Wegweisern. TS: Könnte man das auch so formulieren, dass dieser Sprung, den Sie gerade beschreiben, die Entdeckung eines evolutionären Bewusstseins ist, wenn ich erkenne, dass meine Persönlichkeit kulturell, geschichtlich und sogar kosmologisch bedingt ist? SCG: Das ist eine zusätzliche Entdeckung, die man auf dieser Stufe zum ersten Mal macht. Wir erkennen, dass wir in einem Entwicklungszusammenhang leben: Wir sehen unsere eigene Entwicklung und die Entwicklung der anderen. Dadurch können wir uns besser auf die Stufe des anderen einstellen. Die vorherigen Stufen, inklusive dem Individualist/Pluralist, tendieren zu einem Fühlen und Denken, das insgeheim fordert: „Wenn nur alle anderen so wären wie wir, dann wäre die Welt besser.“ Erst mit dieser neuen Stufe versteht man, dass jede Stufe ihre Schattenseiten hat. TS: Ich sehe also nicht nur die Stufe, auf der ich gerade bin, sondern ich erkenne die ganze Entwicklungslinie mit all ihren Stufen. SCG: Genau. Die Wissenschaftler drücken es so aus: Zum ersten Mal erkenne ich das ganze System; ich sehe das Ganze und erfahre mich als ein Teil von etwas Größerem. TS: Auf der individualistischen/pluralistischen Stufe entdecken wir also die Vielfalt des Individualismus. Wir begegnen aber auch seiner Schattenseite des EnlightenNext Impulse
TS: Würden Sie sagen, dass wir kulturell gesehen in den westlichen Ländern auf dieser Entwicklungsstufe sind, in der wir zum ersten Mal diese autonome oder synthetische Stufe auch als kulturelles Phänomen wahrnehmen können? SCG: Ich glaube, dass viele Menschen das verstehen, aber es wird nicht unbedingt gelebt. Eine der Grundideen von Entwicklungstheorien besagt, dass gute Landkarten, mit denen man etwas zuerst kognitiv oder mental versteht, einem auch beim langsameren Prozess des Aufwachsens helfen, wobei neue Ideen wirklich integriert und gelebt werden. Ich würde nicht sagen, dass wir auf kultureller Ebene schon soweit sind. Aber wenn jemand diese Ideen versteht, geschieht etwas Schönes und Hoffnungsvolles. Wenn Menschen diese höhere Möglichkeit – die umfassende Perspektive, die sie verstehen – beschreiben, kann von ihr ein Zug ausgehen. In meinen Gesprächen und Coachings erlebe ich das immer wieder: Der Mensch will mehr von dem werden, was er bereits beschreiben kann. TS: Aus dem Verständnis entsteht also ein Zug, den eigenen Schwerpunkt auf diese höhere Ebene zu verlagern? SCG: Ja, dazu gehört auch, dass ich mir Mentoren suche, die diese größere Perspektive schon leben und die mir Feedback geben können. Hilfreich ist auch eine Gruppe von Menschen, in der diese Perspektive gelebt wird. Und ich nehme eine neue Praxis wie zum Beispiel Meditation an, weil ich spüre, dass sie mich bei dieser Entwicklung unterstützt. TS: Spirituelle Praxis als Praxis des Aufwachens ist ein Weg zur Erfahrung von Einheit, in der ich über das getrennte Ich hinausgehe und mein Nicht-Getrennt-Sein direkt erkenne. Wenn wir den Entwicklungsimpuls in uns spüren, wie sie es eben so schön beschrieben haben, und uns in einem Entwicklungszusammenhang erkennen,
Erwachsensein ist erst der Anfang 29
? Susanne Cook-Greuter: Modell der Selbst-Entwicklung post-postkonventionell, transpersonal, ich-transzendierend
6
Integriert / Unitiv
Unitaer
5/6
Konstrukt-bewusst (construct-aware)
Synergist
Autonom (autonomous)
Synthetiker
4/5
Individualistisch (individualstic)
Pluralist
Selbst-bewusst (consenticious)
Leistungsmensch
5
4
Eine ausführliche Erklärung der Stufen im Modell von Dr. Cook-Greuter finden Sie in dem Text „Selbst-Entwicklung: 9 Stufen zunehmenden Erfassens“, der auf der Website www.cook-greuter. com zur Verfügung steht.
postkonventionelles Verstehen 3/4
Selbst-sicher (expert)
Spezialist
Konformistisch (conformist)
Diplomat
2/3
Selbst-schützend (self-protective)
Opportunist
Impulsiv (impulsive)
Impulsiv
3
2
Wir haben herausgefunden, dass Erwachsene nicht zwangsläufg im Alter von 20 Jahren aufhören zu wachsen, sondern sich weiter entwickeln können. Susanne Cook-Greuter
konventionelle, lineare Vernunft
würden Vertreter einer evolutionären Spiritualität wie Andrew Cohen sagen, dass auch hier ein Aufwachen geschieht: Ich beobachte den Entwicklungsimpuls nicht nur, sondern erkenne, dass ich nicht von diesem evolutionären Impuls getrennt bin. Mein menschliches Bewusstsein ist Teil dieses Entwicklungsimpulses des Bewusstseins. Auch hier gibt es also diesen Umschwung vom Verstehen zum Leben. Ich nehme den Entwicklungsimpuls nicht nur wahr, ich verlagere meinen Schwerpunkt auf diese Ebene der Bewusstheit. Und dadurch wird meine eigene Identität radikal erweitert. Ich sehe, dass dieser Entwicklungsimpuls nicht äußerlich von mir ist.
? Lawrence Kohlberg: Stufentheorie des moralischen Verhaltens Die Kognitive Entwicklungstheorie des moralischen Urteils von Lawrence Kohlberg geht davon aus, dass sich das Moralbewusstsein beim Menschen stufenweise in immer derselben Reihenfolge entwickelt. Kohlberg unterscheidet drei Hauptniveaus des moralischen Urteilens, die jeweils aus zwei Unterstufen bestehen: Präkonventionelle Ebene (Orientierung an Strafe und Gehorsam, instrumentell-relativistische Orientierung), Konventionelle Ebene (interpersonale Konkordanzoder „good boy/nice girl“-Orientierung, Orientierung an Gesetz und Ordnung) und Postkonventionelle Ebene (legalistische Orientierung am Sozialvertrag, Orientierung am universalen ethischen Prinzip). Kohlberg hat später Vermutungen geäußert, es könne eine weitere Stufe geben, in der moralische Urteile transzendental begründet werden.
SCG: Mit der autonomen Stufe entwickeln sich ein tieferes Verständnis und eine viel tiefere Erfahrung der Verbundenheit mit dem Ganzen des Lebens. Hier erwacht auch ein tiefes Verantwortungsgefühl. Diese Erfahrung der Verbundenheit und Verantwortung wird auf der nächsten Stufe, die ich als „konstruktbewusst“ oder „Synergist“ bezeichne, noch vertieft. Wir erfahren uns jetzt wirklich als Teil des Universums, es nicht mehr nur eine Idee oder kognitive Erkenntnis. Hier fängt man an noch tiefer zu fragen, als auf der Stufe der Individualität: Wieso denken wir Menschen so, wie wir denken? Weswegen ist die Welt so, wie sie ist? Wir versuchen also, uns in der Welt zurechtzufinden und beschäftigen uns mit diesen Grundfragen. Dabei kann man zu der Einsicht kommen, dass Gegensätze auf künstlichen Trennungen beruhen. Im Grunde genommen ist auch das Selbst, das man über die Jahre gepflegt und entwickelt hat, eine Illusion. Es gibt keine Trennung und mit jedem Atemzug verändere ich mich und werde neu. Und an diesem Punkt folgt der der Übergang zur höchsten Stufe, die ich „einheitlich“ oder „Unitaer“ nenne. Hier kommt diese Überwindung der Trennung voll zur Geltung. Hier verstehen wir, dass das Selbst und das Ego ein notwendiger Aspekt des Menschseins ist, von dem man sich aber nicht dominieren lassen muss. Wir können das Ego aus einem „Zeugenbewusstsein“ beobachten, wir können es begleiten, manchmal bewusst benutzen oder loslassen. Es ist nicht mehr die einzige Art, die Welt zu sehen. Und an diesem Punkt kommen das Aufwachsen und das Aufwachen zusammen.
Dieses Gespräch wurde im Rahmen des Webcast Radio EnlightenNext geführt. Weitere Informationen unter www.enlightennext.de/radio.
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SlutWalks: Sich frei fühlen oder frei sein? von Elizabeth Debold
Dr. Elizabeth Debold erwarb an der Harvard University ihren Doktorgrad in Entwicklungsstudien und Psychologie und forschte unter der Leitung von Dr. Carol Gilligan. Debold ist führende Expertin in der Genderforschung und Ko-Autorin des Bestsellers Die Mutter-TochterRevolution.
Nur, wenn wir wirklich auf einer existenziellen Ebene frei SEIN wollen, schafft das den Raum, die sexuellen Dynamiken zu transzendieren und den Mann und die Frau zu kreieren, die wir wirklich sind. EnlightenNext Impulse
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er Fauxpas des Polizeimeisters Michael Sanguinetti aus Toronto im Januar dieses Jahres katalysierte einen weltweiten Protest junger Frauen und Sympathisanten. An der York Universität Osgoode Hall Law School sprach Sanguinetti über die Sicherheit von Frauen und sagte, dass Frauen es vermeiden sollten, sich wie „Sluts“ (Schlampen) anzuziehen, um nicht Opfer von Gewaltverbrechen zu werden. Da haben wir es, das alte Gerücht, dass Vergewaltigung und sexuelle Belästigung von den Frauen provoziert werden. (Eine Kollegin erzählte mir, dass Vergewaltiger am häufigsten Overalls anziehend finden. Ich weiß nicht, ob das stimmt oder wo sie das gehört hat, aber angeblich liegt es daran, dass ein Overall schnell ausgezogen werden kann. Nicht, weil er so verführerisch ist …) Zwei Frauen aus Toronto reagierten sofort: Sie riefen zum „SlutWalk“ auf, um auf eine Haltung aufmerksam zu machen, die dem Opfer selbst die Schuld gibt und die weibliche Sexualität so zum Gegenstand innerer und äußerer Konflikte macht. Die Idee machte Schule, und weltweit bildeten sich überall SlutWalks. Ja, gut so! Ich dachte, wie toll, dass Frauen sich wieder organisieren und für etwas auf die Straße gehen. Der Geist der Bewegung ist spannend und durchaus mit den Take-back-the-Night-Demos vergleichbar, die in den 1970ern begannen. Aber fast im selben Moment regten sich bei mir auch Fragen und Bedenken. Natürlich, dieser Protest ist kitschige, postmoderne Ironie: „Hey, in unserer Welt, so wie sie ist, wo Frauen für Vergewaltigung verantwortlich gemacht werden, kann oder könnte jede von uns eine Schlampe genannt werden, also lasst uns unser unvermeidliches ‚Schlampe sein‘ feiern.“ Aber hinter der Ironie steht die Ansicht, dass wir ein Recht darauf haben, unsere Sexualität in jeder gewünschten Weise auszudrücken, uns so anzuziehen, wie wir es wünschen, ohne dabei belästigt oder gedemütigt zu werden oder sogar noch Schlimmeres erleben zu müssen. Und außerdem ist die Freiheit, unsere Sexualität auszudrücken zu können, wie es uns gefällt, wesentlich für unsere Befreiung als Frauen.
Diese Proteste – nun schon in über 70 Städten auf der ganzen Welt – haben bei progressiven jungen Frauen angeschlagen. Während einige vielleicht gegen die Opfer-Beschuldigung demonstrieren, wette ich, dass die Mehrzahl der Teilnehmerinnen für ihr Recht auf Frauenemanzipation = sexuelle Emanzipation mitmacht. Mit anderen Worten: „Ich habe das Recht, sexuell attraktiv zu sein!“ Nun, ich sage nicht, dass Frauen ihre Sexualität unter den Teppich kehren oder sie in irgendeiner Neurose verbiegen sollen. Für mich gibt es da einen wichtigeren Aspekt – den der Subjektivität und des kulturellem Wandels. Es ist wirklich schwierig, sich (vorwiegend) als heißer Männerschwarm zum sexuellen Objekt zu machen und dann als Subjekt ernst genommen zu werden. Subjekte schaffen Wandel. Objekte werden herumgeschoben. Der Aktivistenimpuls ist durch den Wunsch nach Wandel motiviert, durch den Wunsch, eine neue Kultur zu schaffen, neue Wege der Interaktion für Männer und Frauen zu kreieren, bei denen …? An dieser Stelle vermischen sich die SlutWalks mit falscher Frauenemanzipation und der „Hottie-Mystique“ – das ist Stephanie Coontz‘ Begriff für den Glauben, dass der wahre Wert und die Identität einer Frau sich dadurch bemessen lassen, wie sexy sie ist. Sprechen wir nun also über eine neue Kultur, in der sich Frauen sexuell darstellen können, ohne verfolgt, betatscht oder genötigt zu werden? (Hm, und kleiden wir uns nicht so, damit wir gerade Aufmerksamkeit bekommen?) Natürlich sollte niemand, wenn er über die Straße geht, wegen seiner Kleidung, angepöbelt oder verletzt werden. Aber der SlutWalk-Versuch reduziert uns immer noch darauf, durch unsere Sexualität definiert zu werden. Als ob das für die wesentlichen Aspekte des Frauseins stände – und das ist kein bisschen neu. Das ist schon seit Jahrzenten die Situation, in der wir uns als Frauen befinden. Und ist das nicht die Essenz des Problems? Dass die kulturellen Rollen, in denen wir leben, so sehr mit Sexualität und Fortpflanzung verschmolzen sind, dass wir uns am Ende nur in Bezug darauf betrachten‚ für wen wir anziehend sein können? Wir werden zu dem
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gesuchten Objekt. Freiheit wird auf unsere Fähigkeit reduziert, uns mit allem, was wir haben, gehen lassen zu können und uns frei zu fühlen, uns so zu präsentieren – nun, wie Primaten auf der Suche nach einem Gefährten … Es gibt einen Unterschied zwischen sich frei FÜHLEN (das zu tun, worauf man Lust hat, was ein großes Privileg ist) und frei SEIN von den Begrenzungen der Identifikation, die von der komplexen Mischung aus kultureller Geschichte und Biologie, die jeder von uns ist, herrührt. Ersteres ist oft Ausdruck von einem Anspruch. Letzteres ist echte Arbeit. Nur, wenn wir wirklich auf einer existenziellen Ebene frei SEIN wollen, schafft das den Raum, die sexuellen Dynamiken zu transzendieren und den Mann und die Frau zu kreieren,
die wir wirklich sind. Die Sexualität wird immer einer der Bereiche bleiben, die unsere Selbsterfahrung ausmachen. Aber sie ist nicht einmal der wichtigste Teil von dem, wer wir sind. Wenn wir darauf bestehen, dass uns unsere sexuellen Funktionen und Rollen definieren, dann wird die menschliche Kultur in gleicher Weise fundamental von den konkurrenzbetonten Dynamiken der Paarung geformt werden. Das führt uns zu der Kultur, in der wir leben. Wenn wir eine neue und höhere Ebene der Kultur schaffen wollen, sind wir aufgerufen, neue Möglichkeiten zwischen Frauen und Männern zu entwickeln, die von diesen Dynamiken frei sind. Nur eine solche Ebene der Transformation würde uns von der Notwendigkeit der SlutWalks befreien. n
Audio zum Thema: „Die Evolution der Geschlechterrollen“: Ein Dialog zwischen Tom Steininger und Katrin Karneth: www.enlightennext.de/gender
Facebook-Seite von Dr. Elizabeth Debold www.facebook.com/pages/ Dr-Elizabeth-Dbold/291122170902698
Zum Scannen mit Ihrem Smartphone (z. B. mit der App Barcoo).
Winter 2011
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The Evolutionary Worldview Courses Digitale Kurse in freier Zeiteinteilung mit Audio-Aufnahmen, Videos und Artikeln von den Redakteuren des EnlightenNext Magazins
mit Andrew Cohen, Carter Phipps, Elizabeth Debold & Ross Robertson
Seit beinahe zwei Jahrzehnten untersucht EnlightenNext die von uns so genannte evolutionäre Weltsicht, eine neu entstehende philosophische Perspektive, deren zentrale Erkenntnis es ist, dass alles im Kosmos – angefangen von der Entstehung der Galaxien bis zu unseren tiefsten spirituellen Sehnsüchten – Teil eines großen Entwicklungsprozesses ist. Wir haben Hunderte von weltweit führenden Vordenkern und Visionären zusammengebracht, um die tief greifenden Auswirkungen dieser Perspektive auf viele der drängendsten Probleme unserer Zeit zu untersuchen. In einer neuen Reihe von Online-Kursen, die von den Redakteuren des EnlightenNext Magazins entwickelt wurden und durchgeführt werden, geben wir nun weiter, was wir über die evolutionäre Weltsicht gelernt haben, und wie sie jeden von uns zu einem Mitwirkenden des Wandels im 21. Jahrhundert transformieren kann. EnlightenNext Impulse
Grundlagenkurs
The Evolutionary’s Guide to Changing the World Die Anwendung der Prinzipien einer evolutionären Weltsicht Ein sechsteiliger Online-Kurs In sechs sorgfältig zusammengestellten Präsentationen, die bei einem Kurs der EnlightenNext-Redakteure im Jahr 2010 aufgenommen wurden, entdecken Sie ein neues Verständnis des tiefen Zusammenhangs zwischen Ihrer eigenen Transformation und der Transformation der Welt.
www.evolutionaryworldview.com
EnlightenNext Veranstaltungen Frühjahr 2012
Meditation & Evolution
Praxisabende in evolutionärer Spiritualität
Ein zentrales Element der Praxis von Evolutionary Enlightenment ist neben der Meditation der Dialog jenseits des Egos, einer Form des Zusammenkommens im Gespräch, die unsere persönlichen Perspektiven übersteigt und ein neues evolutionäres Bewusstsein erlebbar werden lässt. Jeden Dienstag können Sie an unserem Praxisabend Meditation & Evolution teilnehmen und das Entstehen einer neuen evolutionär erwachten Kultur mitgestalten.
Jeden Dienstag, 20.00 Uhr Abendveranstaltung (Virtuell oder vor Ort) Ort: Frankfurt, Berlin, Hamburg, Freiburg, Zürich Gelsenkirchen, Lindau, Marktoberdorf Infos: www.enlightennext.de/regionalegruppen +49 (0)69-952 085 00
Ich wachse, also bin ich
EnlightenNext Retreats 2012 Veranstaltungen mit Andrew Cohen
Virtuelles Being & Becoming Retreat 11. – 12. Februar 2012 Dieses Retreat bietet eine umfassende Einführung in Evolutionary Enlightenment durch Vorträge und Frage-und-Antwort-Sessions. Und: Sie können von überallher daran teilnehmen!
Virtuelles Rerteat für Männer und Frauen 19. – 20. Mai 2012 Was ist der nächste Schritt in der Bewusstseinsentwicklung für Männer und Frauen? Andrew Cohen und einige seiner erfahrendsten Schüler und Schülerinnen untersuchen dieses Thema zusammen mit den Teilnehmern und teilen Erkenntnisse ihrer langjährigen intensiven Arbeit. In Sessions für Männer bzw. für Frauen werden konkrete Potenziale und Aufgaben für beide angesprochen.
Über die Praxis einer evolutionären Spiritualität
4. EnlightenNext Being & Becoming Retreat 10. – 26. August 2012, Toskana
Frankfurt Montag, 16. Januar, 19.30 bis 21.30 Uhr Abendveranstaltung mit Dr. Tom Steininger und Katrin Karneth, Moderation Dr. Nadja Rosmann
Dieses Retreat eröffnet eine direkte Erfahrung der Dimensionen einer evolutionären Spiritualität: Die Stille und Tiefe des Seins und der befreiende evolutionäre Impuls des Werdens. In über 25-jähriger Arbeit hat Andrew Cohen eine spirituelle Methodik entwickelt, die es jedem ermöglicht, diese beiden Dimensionen erleuchteten Bewusstseins zu erleben und zu üben. Besonderer Schwerpunkt ist die Erfahrung und Entwicklung eines intersubjektiven Bewusstseinsfeldes zwischen den Teilnehmern, in dem die Merkmale und Werte einer neuen Wir-Kultur lebendig werden.
Ort: Hofcafé, Alt Niederursel 51, 60439 Frankfurt
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Frühjahr 2012
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EnlightenNext
Evolutionary Enlightenment Training
EnlightenNext ist ein dynamisches, weltweites Netzwerk von Menschen, die an der Entwicklung eines neuen Bewusstseins und einer neuen evolutionären Kultur arbeiten. Diese gemeinsame Bewusstseinsarbeit basiert auf Andrew Cohens Evolutionary Enlightenment – einer aus 25 Jahren Erfahrung entstandenen spirituellen Philosophie und Praxis. Das Evolutionary Enlightenment Training fördert unsere Entwicklung auf spiritueller, philosophischer und lebenspraktischer Ebene. Mit Elementen der spirituellen Praxis, Vorträgen
Inhalt
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Meditation & Evolution – wöchentlicher Praxisabend mit Meditation und Dialog (vor Ort oder über Telefonkonferenz), dienstags, Beginn 20 Uhr
Morgenpraxis mit Meditation und Chant – über Telefonkonferenz angeschlossen an das EnlightenNext Center Frankfurt, Mo.-Fr., 6:30-7:30 Uhr
Telefonkonferenz zu Themen von Evolutionary Enlightenment – einmal monatlich mit Dr. Tom Steininger und Katrin Karneth
Audio von Andrew Cohen – einmal monatlich Erhalt
eines Audios und dazu geleitete Diskussion mit Steffen und Katrin Karneth per Telefonkonferenz
Wochenendseminar mit Workshops – zweimal jährlich
im EnlightenNext Center in Frankfurt (September und Februar)
Zusätzliche Empfehlung: Radio EnlightenNext, unser
wöchentlicher Webcast für Bewusstsein und Kultur mit Tom Steininger, Katrin Karneth und regelmäßigen neuen und spannenden Studiogästen
und neuen, innovativen Formen des Dialogs gehen
Kosten
wir gemeinsam Schritte in unserer individuellen
€ 30 im Monat/€ 360 im Jahr (Mindestlaufzeit ein Jahr).
und kollektiven Entwicklung. Das Training wird von
Dieses deutschsprachige Programm kann auch mit dem globalen englischsprachigen Programm kombiniert werden. Bitte sprechen Sie uns dazu an.
erfahrenen Schülern von Andrew Cohen geleitet.
EnlightenNext e.V. | Kirchgartenstrasse 3 | 60439 Frankfurt | +49 (0) 69 952 08 500 info.frankfurt@enlightennext.org | www.enlightennext.de IM.001_EE_Training_2011_217x276.indd 1
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Art inspired by EnlightenNext
Journey through SpaceTime
Homage to Hokusai
Our Universe
Vision Logic 2 (detail)
Mountain in the Sea
Opening of the Egg
Birth of a Star
Night Lights (detail)
Organism 1
StarGate (detail)
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Universe Bouquet
The River
What the Eye Sees 3B
The Coming of Spring
View the online gallery: http://gallery.me.com/patrickbryson Please get in touch if you would like to buy archive quality prints of images from the gallery or if you are a practicing artist with an interest in the role art can play in the evolution of self and culture. e: patrickbryson@me.com
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Perspektiven einer Integralen Ökologie Ein Dialog zwischen Ross Robertson und Michael E. Zimmerman
Vor einiger Zeit schrieb ich im EnlightenNext Magazin (Ausgabe 26) einen Bericht über eine bahnbrechende Perspektive der Umweltbewegung, die als „Bright Green“ bezeichnet wird. Bei der Recherche dazu begegnete ich auch der Integralen Ökologie, und vor allem der Austausch mit Michael E. Zimmerman, dem Ko-Autor des Buches Integral Ecology, eröffnete mir immer wieder neue und überraschende Einsichten. Deshalb entschloss ich mich, einige der wichtigsten Ideen der Integralen Ökologie mit ihm in einem Blog-Dialog näher zu beleuchten. Ross Robertson
? integral: Die Integrale Theorie, integrale Weltsicht oder auch integrale Philosophie versucht eine umfassende Sicht des Menschen und der Welt zu entwickeln, indem sie prämoderne, moderne und postmoderne, östliche und westliche Weltsichten sowie spirituelle Einsichten und wissenschaftliches Denken integriert. Vertreter der Integralen Theorie sind unter anderem Aurobindo Ghose, Jean Gebser und Ken Wilber. EnlightenNext Impulse
Anthropozentrismus und Innerlichkeit
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OSS ROBERTSON: Ich freue mich sehr auf diesen Austausch über die Bedeutung und die Möglichkeiten einer Integralen Ökologie. Beginnen möchte ich mit einigen Gedanken zum Wort „integral“. Diese in ihrer heutigen Form vor allem von Ken Wilber formulierte Denkweise ist ja mehr als eine komplexe und klar strukturierte Theorie. Meiner Ansicht nach bedeutet „integral“ eine ganze Bandbreite von Wahrnehmung, Kreativität und Sinngebung und die integrale Perspektive gibt auf viele Fragen, von denen wir heutzutage sehr verwirrt sind, und für Herausforderungen, die für unsere weitere Entwicklung besonders wichtig sind, vollkommen neue Antworten. Ich denke hier besonders an die schwierigsten Fragen zu Themen wie Ökologie, Nachhaltigkeit, Kapitalismus, Technologie, Spiritualität, Multikulturalismus usw., mit denen wir in unserer Zeit der beschleunigten Globalisierung und planetaren Veränderung gleichzeitig konfrontiert sind und die miteinander kollidieren. Gerade auch, wenn wir diese integrale Sichtweise auf die Ökologie anwenden, sehen wir viele Dinge anders. Vor allem zwei der großen „heiligen Kühe“ der Umweltbewegung des letzten Jahrhunderts erscheinen in ganz neuem Licht: die Angst vor dem Anthropozentrismus und die Abneigung anzuerkennen, dass Menschen eine reichere, tiefere, subtilere Art von Innerlichkeit haben als der Rest des Tier- oder Pflanzenreiches. In der Tat: Welcher Umweltschützer, der etwas auf sich hält, fühlt sich nicht zumindest ansatzweise schlecht bei dem Gedanken, dass wir Menschen etwas Besonderes sind? Wir haben Angst davor, dass wir uns die Lizenz geben, unsere Biosphäre mit wenig Rücksicht auf die Gesundheit oder die Integrität des natürlichen Systems, von dem wir abhängig sind, für unsere utilitaristischen Zwecke zu nutzen und auszubeuten, wenn wir uns über die Natur oder außerhalb von ihr stellen. Und historisch betrachtet war das auch oft der
Fall. Folglich besteht die Angst, dass der Anthropozentrismus (eine besonders virulente Form der Hybris, wie man vielleicht sagen könnte) sozusagen im Zentrum des Problems liegt. Aber ist das so? In welcher Weise sind wir denn „eins“ mit dem Rest der Schöpfung und in welcher Weise sind wir einzigartig? MICHAEL ZIMMERMAN: Du fokussierst dich hier gleich auf zwei ganz wichtige Themen: Anthropozentrismus und Innerlichkeit. Ich möchte zuerst ein paar Dinge zum Anthropozentrismus sagen. In den späten 1970ern arbeitete ich mit George Sessions und Bill Devall in der damals neu entstehenden Tiefenökologiebewegung zusammen, über die sie 1985 ihr erstes Buch schrieben. Einer meiner Beiträge dabei war das Argument, dass der bekannte (und umstrittene) Philosoph Martin Heidegger ein Vorläufer der Tiefenökologe war. Obwohl George und Bill von Heideggers Kritik an der Beherrschung der Natur angetan waren, fühlten sie sich doch unwohl mit seinem angeblichen Anthropozentrismus. Heidegger sagte, dass die menschliche Sprache eine Lichtung oder innere „Welt“ eröffnet, in der sich die Dinge den Menschen in ihrer Komplexität zeigen können. Heidegger verneinte, dass diese Sichtweise anthropozentrisch sei, weil die Fähigkeit, Dinge zu entdecken, ein Geschenk ist, das Verpflichtungen mit sich bringt, und kein Werkzeug, um sich zu Herren des Planeten zu machen. Tiere eröffnen sich auch ihre eigenen Welten, in denen die für ihr Leben relevanten Dinge erscheinen können. Vieles, was für meine Katze Bedeutung hat, erscheint auch mir – das Futter, die Spielzeuge, die anderen Familienmitglieder, die Haustür usw. Es gibt andere Dinge, die für Menschen sehr bedeutsam sind, sich jedoch meiner Katze nicht eröffnen. Dazu gehört auch die ganze differenzierte Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Dieser Mangel an moralischer Sensibilität bedeutet nicht, dass nicht-menschliche Tiere irgendwie mangelhaft sind; jede Spezies ist auf ihre Art vollkommen. Spezies sind jedoch verschieden.
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Ich schaute einfach in den Raum, in die Weite, in die Erhabenheit. Ross Robertson
Ross Robertson ist als ehemaliger Umweltaktivist bei verschiedenen Organisationen, wie Earth First!, Greenpeace und NRDC (National Resources Defense Council), dabei engagiert, einen radikal neuen ökologischen Ansatz weiterzuentwickeln, der als „Bright Green” bekannt wurde. Er war lange Jahre Redakteur des EnlightenNext Magazins und gibt heute weltweit Seminare über eine evolutionäre Umweltphilosophie.
Etwas, das uns Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet, ist unsere Fähigkeit klar und deutlich zu sagen, dass es Umweltprobleme gibt, dass Menschen einige davon verursachen, und dass wir eine moralische Verpflichtung haben, wann immer möglich schädliche Verhaltensweisen einzuschränken. Es ist einfach eine Tatsache, dass menschliche Wesen evolvierten und eine bemerkenswerte Unterscheidungsfähigkeit entwickelt haben, die uns unter anderem erlaubt, den Großteil unseres Planeten als unseren potenziellen Lebensraum zu betrachten. Wir unterscheiden uns dramatisch von den nicht-menschlichen Tieren, weil wir sagen können: „Wir müssen sicherstellen, dass neben uns auch noch Platz für andere Lebewesen bleibt.“ Wenn wir außerdem davon ausgehen, dass wir mit sensorischen, kognitiven und moralischen Kapazitäten evolviert sind, die tief gehenden Einfluss darauf haben, welchen Sinn wir den Dingen geben können, dann ist menschliches Verhalten bis zu einem gewissen Maß unausweichlich anthropozentrisch. Es ist aber völlig angemessen, wenn wir unseren Anspruch kritisch hinterfragen, der uns scheinbar dazu berechtigt, mit den sogenannten „niederen“ Wesen zu tun, was wir
wollen. Diese Herrschafts-Hierarchie (Menschen sind „ganz oben“) rückt den Anthropozentrismus in ein schlechtes Licht. Was ich eben schon gesagt habe, lässt sich in vielen Bereichen auf die Innerlichkeit übertragen. Ich bin der Ansicht, dass die Innerlichkeit oder die Fähigkeit zur Erfahrung möglicherweise für alle Lebensformen, vom Menschen bis zu den Molekülen oder noch weiter darunter, eine universale Möglichkeit ist. Wie ich oben schon gesagt habe, haben Tiere (und vermutlich auch Pflanzen) eine eigene „Welt“. Nicht-menschliche Lebensformen sind keine Maschinen, die auf einen Stimulus reagieren, sie haben ihre eigene Art Phänomene, die sie in ihrer Welt wahrnehmen und auf die sie reagieren. In dem Moment, wo wir einen arroganten Anthropozentrismus (Menschen sind „ganz oben“) mit dem Glauben verbinden, dass nur Menschen ein Inneres besitzen, haben wir das Rezept für die grausame Behandlung nicht-menschlicher Tiere, wie wir sie in den letzten paar Jahrhunderten gesehen haben. Weil wir aber immer mehr erkannt haben, dass Tiere (und sogar Pflanzen) in irgendeiner Art und Weise „bewusst“ sind, nahm die Besorgnis darüber, wie mit unseren Verwandten, den Tieren, umgegangen werden sollte, zu. Natürlich entzieht
Dr. Michael Zimmerman ist Professor für Philosophie an der University of Colorado in Boulder. Zusammen mit Ken Wilber, Sean Esbjörn-Hargens und anderen hat er die Grundlagen einer Integralen Ökologie formuliert. Er ist Ko-Autor des Buches Integral Ecology, das 2012 in deutscher Übersetzung erscheint.
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36 Perspektiven einer Integralen Ökologie
Welcher Umweltschützer, der etwas auf sich hält, fühlt sich nicht zumindest ansatzweise schlecht bei dem Gedanken, dass wir Menschen etwas Besonderes sind? Ross Robertson
Etwas, was uns Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet, ist unsere Fähigkeit klar und deutlich zu sagen, dass es Umweltprobleme gibt. Michael Zimmerman EnlightenNext Impulse
diese Erkenntnis auch denjenigen die Grundlage, die an einem arroganten Anthropozentrismus hängen, demzufolge nur Menschen bewusst sind. Hier sollten wir ganz klar darauf hinweisen, dass solch eine Vorstellung falsch ist. Aber genauso falsch ist die Vorstellung, dass der Menschen nichts Besonderes ist. Menschen sind wirklich besonders, was zum Beispiel durch die Tatsache bewiesen wird, dass Sie diesen Artikel lesen und für sich entscheiden, wie Sie mit dem umgehen wollen, was ich hier ausführe. Wir können die menschliche Andersartigkeit würdigen, ohne sie als Entschuldigung dafür zu benutzen, um Tieren, Pflanzen und in diesem Fall auch den Menschen, die sich uns nicht im vollen Umfang anschließen, Gewalt anzutun. RR: Du hast diese beiden Kernfragen des Anthropozentrismus und der Innerlichkeit wunderbar einfach und direkt miteinander verbunden. Ein anderer Aspekt, zu dem die Integrale Ökologie viel zu sagen hat, ist das Thema Transzendenz. Seele, Geist, Gott, höheres Bewusstsein … – all das ist tief mit dem Thema der Innerlichkeit verwoben. Für mich selbst – und für viele, viele andere – sind die ersten Erinnerungen an die Begegnung mit dem transzendenten Geist mit der Natur verbunden – um genauer zu sein, war es bei mir der Yosemite Park, als ich ungefähr fünf oder sechs Jahre alt war. Unser Vater ging fast jeden Sommer eine Woche mit uns dort campen. Und immer noch habe ich sehr lebhafte Erinnerungen daran, wie ich in stiller Benommenheit entweder von einem Weg aus, auf einer Wiese oder aus dem Autofenster heraus an diese massiven Felswände gestarrt habe und einfach nichts gedacht habe. Ich schaute einfach in den Raum, in die Weite, in die Erhabenheit. Ich erinnere mich nicht, irgendwann mit jemandem darüber gesprochen zu haben. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich hätte sagen können, ich hatte keine Ahnung, was es bedeutete. Aber so wild und ungestüm, wie ich war, liebte ich es. Es gab keine Möglichkeit, sich auf die Größe und das Ausmaß dieser vertikalen Spannweiten von Licht und Schatten, die von Felsüberhängen, Bäumen und Wasserfällen durchschnitten wurden, zu beziehen oder sie zu messen. Und der Raum, der sich durch das Anschauen dieser Felsformationen in mir öffnete, war ebenso unermesslich. Er war unendlich, zeitlos, fesselnd, wie nur Bewusstsein fesseln kann. In habe gar nichts getan. Es kam jedes Mal von allein, wenn ich bei dem, was ich gerade tat, innehielt und aufmerksam war. Diese ersten Begegnungen mit dem Reich des Transzendenten hinterließen einen unauslöschlichen Eindruck, und ich verbrachte einen großen Teil meiner ersten 20 Lebensjahre damit, hinter
diesem mysteriösen Pulsieren herzujagen, das ich in der Wildnis und an unberührten Orten so leicht gefunden hatte. Aber es stellt sich die Frage, ob solche Erfahrungen stark genug sind, um darauf eine zeitgenössische Spiritualität aufzubauen? In meinem eigenen Leben schien es das nie zu sein, so sehr ich es auch liebte, ersehnte und davon träumte, endlich wieder in die Reinheit und Offenheit dieser wilden Unendlichkeit einzutauchen. Mich würde interessieren, was du darüber denkst. Stell dir vor, im nächsten Semester kommt ein Student zu dir ins Büro und sagt, dass er nach dem Lesen deines Buches eine existenzielle Krise habe. „Aber ich liebe die Natur“, sagt er. „Das ist meine Verbindung zum Göttlichen! Was soll daran falsch sein?“ Du hast 20 Minuten Zeit, bis deine nächste Vorlesung beginnt. Was würdest du ihm antworten?
Die Erfahrung des Erhabenen MZ: Ich möchte zunächst auf deinen wunderbarer Bericht eingehen, in dem du beschreibst, wie tief dich deine Besuche im Yosemite Park berührt haben. Er erinnert mich an etwas, das meiner Frau am selben Ort widerfuhr. Vor ungefähr 20 Jahren fuhren wir von Berkeley zum Yosemite, um dort einige Tage zu zelten und wandern zu gehen. Als wir aus einem Tunnel herauskamen, zeigten sich plötzlich das Yosemite-Tal, der El Capitan und die vielen anderen Formationen dieses unglaublichen Ortes in all ihrer ganzen Weite, Schönheit und Herrlichkeit. Bei diesem überwältigenden Anblick bekam sie weiche Knie. Sie machte die Erfahrung des „Erhabenen“, wie es Kant und andere Denker genannt haben. Kant war der Ansicht, dass große Stürme und andere gigantische Naturphänomene nicht nur deshalb als erhaben bezeichnet werden können, weil sie uns durch ihre enorme Größe so zwergenhaft erscheinen lassen, sondern auch, weil sie unsere Fähigkeit übersteigen, sie kognitiv oder durch Vorstellung zu erfassen. In mancher Hinsicht ist die Erfahrung des Erhabenen mit bestimmten spirituellen Bewusstseinszuständen verwandt oder erinnert zumindest daran – Zustände, mit denen verglichen unsere alltäglichen Angelegenheiten zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen. Interessanterweise sprichst du in der Beschreibung deiner Erfahrung nicht so sehr vom Einssein mit der Natur (manchmal Naturmystik genannt), sondern vielmehr von Ehrfurcht im Angesicht der unvorstellbaren Höhen, Tiefen und Winkel, die – neben der wunderbaren Flora und Fauna, die wir noch nicht einmal erwähnt haben – den Yosemite Park so beeindruckend machen. Der Gründer des Sierra Club, John Muir, hatte gute Gründe, den Yosemite als eine natürliche Kathedrale zu bezeichnen, die
Perspektiven einer Integralen Ökologie 37
das göttliche Wirken verkörpert und uns aufruft, diese Erhabenheit in allen Dingen zu würdigen. Während einer zweiwöchigen Wanderung im Jahre 1996 auf der nördlichen Annapurna-II-Route in Nepal dauerte der Abstieg vom Thorung La – einem 5425 m hohen Pass im Himalaja – einen ganzen Tag. Vor uns ausgebreitet lag der größte Raum, den ich je gesehen habe. Ein Tal faltete sich ins nächste und lag vor dem Hintergrund der Berge aus Granit mit ihren mit Schnee bedeckten Spitzen, die mich berauschten, vielleicht weil ihre physische Ausdehnung in Resonanz zu den Weiten in meinem Inneren trat. In der Tat können – wie Emerson feststellte – außergewöhnliche Naturereignisse ein Ausströmen des Göttlichen in uns auslösen, in dem Sinne, dass der Anblick der Natur von einer heiligen Dimension, die nicht auf die reine physische Gegebenheit reduzierbar ist, erfüllt wird und diese offenbart. Also könnte ein Naturerleben auf eine NATUR hinweisen, die als transzendente Quelle für Materie/Energie betrachtet wird. Da verwundert es nicht, dass Ureinwohner große Berge als Gottheiten verehren, so wie viele Völker im Laufe der Zeit die Sonne als Gott verehrt haben. Nach meinem Verständnis erkennen traditionelle Völker jedoch auch, dass das Göttliche zugleich in der Sonne und darüber hinaus zu finden ist. Ebenso würde ich sagen, dass das Göttliche der Natur innewohnt, sie wachsen lässt, sie erhält, aber sich nicht in dem erschöpft, was wir modernen Menschen unter Natur verstehen, nämlich die Summe von Materie und Energie im Raum-Zeit-Kontinuum. Traditionelle Völker würden ein derartiges Verständnis der Natur bei allem, was es vernachlässigt, als verarmt betrachten. Wenn mich also ein Student fragen würde, was so falsch daran sei, die Natur zu lieben, wenn dies doch seine Verbindung zum Göttlichen ist, dann würde ich sagen: Daran ist nichts Falsches. Aber ich würde selbstverständlich auch einige meiner oben genannten Vorbehalte äußern: Wenn Ihre Liebe zur Natur eine Reaktion gegen transzendente Ideen des Göttlichen ist, dann seien Sie vorsichtig. Diese Ideen begründen sich in der Wahrnehmung der enormen, vielleicht unendlichen Innerlichkeit, zu der wir Menschen Zugang haben. Aber die Überbewertung der Innerlichkeit und Transzendenz
In mancher Hinsicht ist die Erfahrung des Erhabenen mit bestimmten spirituellen Bewusstseinszuständen verwandt oder erinnert zumindest daran. Michael Zimmerman
fanden auf Kosten einer Verleugnung der materiellen Welt, in die wir hineingeboren werden, statt. Die Moderne hat daraus den Schluss gezogen, dass die materielle Welt die einzig existierende Welt sei, und hat damit nicht nur die transzendente Göttlichkeit, sondern zu einem großen Teil auch unsere eigene menschliche Innerlichkeit verleugnet. Moderne, industrielle Materialisten und moderne Umweltschützer sind sich oft darin einig, dass die Natur nichts weiter als physische Natur ist. In dem sie die physische Natur anbeten, verleugnen die grünen Umweltschützer ihre eigene Innerlichkeit ebenso wie die transzendente Dimension und den transzendenten Ursprung der Natur. Man könnte sagen, sie verwechseln die Natur mit der NATUR. Es gibt viele Wege, wie wir zu einer tieferen Selbsterkenntnis erwachen können, oft geht damit eine Erfahrung der Dimension einher, die die Grenzen unseres Egos, unseres Körpers und unseres Verstandes übersteigt. Der Weg der Liebe zur NATUR ist einer dieser Wege. n
Audio zum Thema: Evolutionäre Ökologie: Ein Dialog zwischen Anne Caspari und Tom Steininger. www.enlightennext.de/caspari
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iele von uns hatten spirituelle Erfahrungen, in denen wir für kurze Momente eine unbeschreibliche Befreiung, einen höheren Sinn und ein größeres Potenzial in unserem Leben erahnen konnten. Aber da so viele von uns als progressive Menschen in der westlichen Kultur in einem Umfeld des extremen Narzissmus und weltlichen Materialismus leben, gibt es für uns keinen Kontext, der uns zeigt, wie wir diese Dimension des Lebens würdigen und respektieren können, die so unendlich viel größer als das persönliche Leben ist. Wir sind kulturell nicht darauf vorbereitet, auf unsere tiefsten spirituellen Erfahrungen aus ganzem Herzen zu antworten. Selbst wenn wir die Größe unserer eigenen Möglichkeiten erahnen konnten, unternehmen wir in den seltensten Fällen die noble Anstrengung, uns tatsächlich aus den tiefsten Beweggründen zu transformieren. Das Problem ist, dass die meisten von uns spirituell nicht reif genug sind und noch nicht den Punkt erreicht haben, an dem wir hier und jetzt bereit sind, uns wirklich zu entwickeln. Und weil wir es nicht wollen, haben wir uns bewusst und unbewusst selbst davon überzeugt, dass wir es nicht können. Dies ist, kurz gesagt, das Dilemma des postmodernen Narzissten: Wir wollen nicht die Anstrengung machen, uns zu verändern. Und aus kultureller Sicht ist es nicht nur ein persönliches, psychologisches Problem, es ist ein moralisches Problem. Das Ego ist bequemerweise sehr daran interessiert, ein Problem zu haben, wie ein verwundeter Soldat, der noch nicht ganz bereit ist, auf das Schlachtfeld des Lebens zu gehen. Die meisten von uns spielen das gleiche Spiel und natürlich gibt es viele Berufsgruppen – Therapeuten, spirituelle Lehrer usw. – die sich mit uns verbünden, um diese Sicht aufrechtzuerhalten. Aber diese Sicht ist falsch. Wenn wir keine ernsthaften psychischen Probleme haben, liegt die
Schwierigkeit nicht darin, dass wir unfähig wären, unsere freie Willenskraft zu nutzen, um uns zu verändern. Das eigentliche Problem ist, dass wir es in den meisten Fällen einfach nicht wollen. Und solange wir uns gestatten, nur stumm zuzuschauen, werden wir nicht in der Lage sein, der Evolution der Menschheit auf eine entscheidende und tiefgründige Weise zu dienen. Wir werden immer von unserem selbstgeschaffenen persönlichen Drama fasziniert sein, alle Ausreden nutzen und einfach Konsumenten bleiben, die natürliche Ressourcen verbrauchen und persönlichen Erfahrungen nachjagen, die nichts Bedeutendes für das Ganze beitragen können. Ich streite in keiner Weise die Realität der emotionalen, psychologischen und körperlichen Wunden, Traumata und Schatten ab, die wir alle in unterschiedlichem Maße mit uns herumtragen. Aber ich denke, es gibt einen viel größeren Kontext, in dem wir dies alles betrachten können. Vielleicht ist die Tatsache, dass wir unter Neurosen leiden und emotional, psychisch oder körperlich verletzt wurden, nur Teil des Entwicklungsprozesses. Natürlich will niemand leiden, aber es scheint, dass der menschlichen Erfahrung ein gewisses Maß an Leiden innewohnt. Denken wir an die Evolution des Kosmos: Sterne explodieren gewaltsam, um neue Elemente entstehen zu lassen, und mit all ihrer Schönheit ist die Natur manchmal in ihrem Kampf ums Überleben sehr brutal. Für viele von uns weit entwickelte Individuen ist das Leben vergleichsweise einfach. Aber auch hier gibt es traumatische Erlebnisse, die starke negative Eindrücke in der Psyche hinterlassen. Das ist einfach Teil des Prozesses. So offensichtlich diese Tatsache zu sein scheint, das Problem besteht darin, dass die meisten von uns in der postmodernen Welt es einfach nicht wahrhaben wollen. Irgendwoher haben wir die seltsame Idee in unseren Köpfen, dass wir in einem
von Andrew Cohen
Andrew Cohen ist der Gründer von EnlightenNext. Im stetigen Dialog mit Vordenkern aus verschiedensten Bereichen und mit einer wachsenden globalen Bewegung von Evolutionären, die von seinem Denken und Werk inspiriert sind, gestaltet er die Landschaft eines neuen evolutionären Weltbildes. Cohen ist spiritueller Lehrer mit Schülern in der ganzen Welt und Pionier einer eigenständ– igen spirituellen Lehre, die er als Evolutionary Enlightenment bezeichnet.
Winter 2011
40 Evolutionary Enlightenment
Wir sind kulturell nicht darauf vorbereitet, auf unsere tiefsten spirituellen Erfahrungen aus ganzem Herzen zu antworten.
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Universum leben, in dem wir – die besonders privilegierten, reichen, gebildeten fühlenden Wesen auf dieser Seite der Milchstraße – nicht dafür geschaffen sind, zu leiden. Und in einem realen Kontext von Entwicklung ist das einfach nicht möglich. Wenn wir zu dieser Wahrheit erwachen, öffnet sich das Herz auf eine tiefe Weise und unsere Perspektive weitet sich. Wir kümmern uns weniger um unser eigenes körperliches und psychologisches Befinden, weil unser Lebensziel nicht mehr nur darin besteht, weniger zu leiden. Das ist eine ungeheure Veränderung, denn sie befähigt uns, sehr viel mehr in der menschlichen Erfahrung anzunehmen und wir können auf eine Weise am Lebensprozess teilnehmen, die ein tiefe Würde zum Ausdruck bringt. Dieser Perspektive mangelt es nicht an Mitgefühl, sondern es geht darum, ein großherziger Mensch zu werden, ein Mensch, der nicht einmal daran denkt, dass es keine Schwierigkeiten, Herausforderungen und Probleme geben sollte. Es gibt viele Gründe für das Leiden. Einige sind absolut kleinlich, andere nobel. Aber wenn wir uns wirklich mit etwas Größerem verbunden fühlen, ist es wichtig, dass wir immer bereit sind, die Anstrengung zu machen, unser eigenes Leiden nicht als Ausrede zu benutzen, um für das Leben nicht verfügbar zu sein. Diese Perspektive der Transformation wird uns nicht helfen, von unseren Neurosen frei zu werden, aber sie wird es uns ermöglichen, Verantwortung für sie zu übernehmen, um das Leben in einer größeren Art und Weise anzunehmen, mit all unseren Unzulänglichkeiten, jetzt sofort. Und dieser Schritt kann alles verändern. Unsere Zeit ist begrenzt und wir können entweder diese kostbare Zeit damit verbringen, unseren neurotischen Schmerz zu überwinden, oder wir können
uns Dingen zuwenden, die unendlich viel wichtiger sind als der Umstand, dass wir manchmal emotionales Leiden ertragen müssen. Wenn wir bedenken, dass wir nun mehr denn je gebraucht werden, um im evolutionären Prozess mitzuwirken, wird die seltsame Annahme, dass wir nie leiden sollten, nicht nur als irrtümlich angesehen werden, sondern sogar als diabolisch. Wenn Gott die Intelligenz und Energie ist, die das Universum erschaffen hat, dann muss es der Teufel gewesen sein, der in unsere Ohren geflüstert hat, dass wir angeblich nicht leiden sollten; denn wir sind nicht verfügbar für Gott, weil wir damit beschäftigt sind, unsere Wunden lecken. Nur wenn wir zu dem Punkt gelangen, an dem wir erkennen, dass wir nicht länger das Recht haben, im Abseits zu warten, während andere auf dem Schlachtfeld des Lebens kämpfen, werden wir die Kräfte im Inneren finden, die wir brauchen, um die Anstrengung zu unternehmen, uns von ganzem Herzen einzubringen. Wenn wir aber die Reife erreichen, wo wir unsere eigene pathologische Selbstbezogenheit nicht als ein persönliches psychologisches Problem sehen, sondern es in Beziehung zur Evolution des Kosmos als eine moralische Schwäche erkennen, werden wir jetzt die Seelenstärke finden, um Verantwortung für all das zu übernehmen. Solange du und ich, mit all unseren Unzulänglichkeiten, nicht bedingungslos bereit sind, Verantwortung für uns selbst zu übernehmen, um ohne Zögern am evolutionären Prozess mitwirken zu können, wird sich in unserer gefährdeten Welt nichts wirklich Bedeutsames verändern. Das ist ein Ansatz für höhere Entwicklung, der eine tiefe Würde zum Ausdruck bringt; es ist eine reife Beziehung zu dem kostbaren Geschenk unseres Lebens. n
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