Atahan UNAL/ Seminararbeit / Otto Wagner, Architekt der Wiener Moderne

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FAKULTÄT FÜR ARCHITEKTUR- UND RAUMPLANUNG

Abb.1

Wahlseminar Kunstgeschichte 257.035 Otto Wagner (1841-1918), ein Architekt der Wiener Moderne Die Fassade als Verkleidung: Majolikahaus 1898 vgl. mit zeitgenössischen Wohnbauten: Max Fabiani/Portois&Fix 1899/1900 und Haus Artaria 1901/02; Adolf Loos, Michaelerhaus, 1909; Josef Plecnik, Zacherlhaus1903-05; Auseinandersetzung mit Gottfried Sempers „Bekleidungstheorie“

SEMINARARBEIT Eingereicht von: Atahan ÜNAL, Matrikelnummer 0928798, am 251 Institut für Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege Betreuung: Ao.Univ.Prof. Dr.phil. Sabine Plakolm

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Kurzfassung Das epochemachende Werk Otto Wagners, Haus am Linke Wienzeile 40, ‚Majolikahaus‘ stellt ein großartige Beispiel für Wiener Secessionsarchitektur. Vor allem mit seiner Fassadengestaltung und Nutzung der modernen Materialien, und Reduktion der Formen, spielt das Majolikahaus eine wesentliche Rolle für die Bauten der Secessionsarchitektur und der Wiener Moderne und gilt als Pionier der zeitgenössischen Bauten. In dieser Arbeit werden verschiedene Arten und Technik der Fassadenverkleidung im Werke von Adolf Loos, Otto Wagner, und Wagners Schüler Joseph Plecnik und Max Fabiani untersucht und mit Sempers Bekleidungstheorie auseinandergesetzt.

Abstract The epoch-making work of Otto Wagner house on the “Linke Wienzeile 40”, Majolikahaus is an outstanding example of Viennese Secessions architecture. Especially with its façade design and use of modern materials and reduction of forms, the Majolikahaus plays an essential role in the buildings of the Secessions architecture and the Viennese Modernism, and is considered as pioneer of contemporary buildings. In this paper, various styles and techniques of cladding in the works of Adolf Loos, Otto Wagner, and Wagner's students Joseph Plecnik and Max Fabiani are explained and dealt with Semper's Clothing theory.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

3

1. Historische Entwicklung -1.1. Beginn der modernen Architektur in der Ă–sterreich

4

-1.2. Einfluss von Otto Wagner und Adolf Loos auf die Wiener Moderne

5

-1.2.1 Otto Wagner

5

-1.2.2 Adolf Loos

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2. Bekleidungstheorie von Gottfried Semper

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3. Beispiele

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3.1 Otto Wagner, Majolika Haus, Linke Wienzeile

9

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3.2 Adolf Loos, Michaelerhaus

12

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3.3 Josef Plecnik, Zacherlhaus

16

-

3.4 Max Fabiani, Portois&Fix und Haus Artaria

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Schlussbemerkungen

23

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Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis 3


Einleitung

„Die erste menschliche Bauform war das Dach, die schützende Decke, sicher zum Ersatz mangelnder Höhlen. Das Dach verlangt die Stütze, später die Wand, endlich den Herd. Die künstliche Stütze holte das Baumaterial, Holz und Stein herbei, die Wand schuf Flechtwerk und Mauer.“ 1 Dieses Zitat reflektiert prägnant die Auffassung Otto Wagners über die Entstehung der Architektur. Durch das Zitat lässt sich bereits erkennen, dass er durch einen der wichtigsten deutschen Architekten des 19. Jahrhunderts und dessen bekannteste Theorie beeinflusst

wurde –

Gottfried

Semper und seine „Bekleidungstheorie“.

Die

„Bekleidungstheorie“ besagt, dass Architektur eine textile Herkunft hat. In dieser Theorie ist die Hülle des Gebäudes als Bekleidung zu begreifen. Die Vertreter der Wiener Sezessionsarchitektur interessierten sich für die Prinzipien der Bekleidungs- und Materialbehandlung von Semper und transformierten sie allmählich zu einer eigenen architektonischen Formensprache. In dieser Arbeit soll der Unterschied zwischen nach der historistisch gestalteten Fassade und der Fassadenverkleidung der vier Architekten Otto Wagner, Max Fabiani, Adolf Loos und Josef Plecnik behandelt werden. Zunächst wird das Verhältnis zwischen Fassade, Innenraum und deren Funktion dargelegt. Im Anschluss soll die Auswirkung der Bekleidungstheorie auf die Fassaden von fünf Beispielbauwerken der vier genannten Architekten diskutiert werden: Otto Wagners Majolikahaus (1898), Max Fabianis Bauwerk Portois&Fix (1899/1900) und das Haus Artaria (1901/02), Adolf Loos‘ Michaelerhaus (1909) und Josef Plecniks Zacherlhaus (1903-05).

1

Otto Antonia Graf /Otto Wagner, Das Werk des Architekten,1860-1902,Wien 1994, S. 706

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1. Historische Entwicklung ( Wien zur Jahrhundertwende )

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1.1 Beginn der modernen Architektur in Österreich

-

Abb.2 Wien, 1857

Die Wurzeln der Wiener Moderne gehen bis in das 18. Jahrhundert zurück. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann sich die von England ausgehende „Industriellen Revolution“ in Europa. Die Französische Revolution beeinflusste die zugrunde gehenden absoluten

Monarchien

und

neuen

Demokratie-Bewegungen

sehr

stark.

Die

Architekturgeschichte von Österreich blieb dabei nicht unbeeinflusst. Die wirtschaftliche Prosperität wirkte sich zum Beispiel auf den Ausbau der Wiener Ringstraße aus. Mit der „Gründerzeit“ wurde ein Repräsentationsbedürfnis des Staates durch architektonische Bauwerke immer deutlicher. Mitte des 19. Jahrhunderts unter Kaiser Franz Joseph wurde die Ringstraße als Teil der Stadterweiterung als dreibahnige Prachtstraße geplant. 1857 wurde die Niederlegung der Mauern und die Bebauung des Areals strukturiert. (Abb.1) 5


1859 wurde das Gesamtkonzept einen Wettbewerb ermittelt. 1865 wurde die unfertige Ringstraße eröffnet. Der primäre architektonische und urbanistische Zweck war die Repräsentanz des österreichischen Kaisertums. Der Architekturstil „Historismus“ spielte beim Bau der Ringstraße eine wesentliche Rolle. Er ist in vielen Bauten präsent. Charakteristisch für den Historismus ist es, dass die Funktion eines Bauwerks in seiner Außenfassade sichtbar sein soll. Historisch relevante Bauwerke werden als Beispiel genommen und den gegenwärtigen Techniken angepasst. Für jedes Gebäude wird der passende Stil ausgewählt. Der Historismus wurde auch „Ringstraßenstil“ genannt. Am Ende des 19. Jahrhunderts verbreitete sich in vielen Zentren in Europa der „Jugendstil“, der stilistisch zwischen Historismus und moderner Kunst steht. Das Ziel war eine Reform des Kunstgewerbes und der Architektur. Der Jugendstil sollte die Architektur, Malerei, Plastik etc. zu einem Gesamtkunstwerk schließen. Er wurde in Wien auch Secessionsstil genannt. 1897 in Wien gründete Joseph Maria Olbrich, Josef Hoffmann und Gustav Klimt die Wiener Secession. Zwischen 1899-1905 war Otto Wagner auch ein Mitglied der Wiener Secession, später löste er sich davon.2

-

Der Einfluss von Otto Wagner und Adolf Loos auf die Wiener Moderne

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1.2.1 Otto Wagner

Der Große Pionier der Wiener Moderne Otto Wagner wurde 1841 in Penzing bei Wien geboren.1859 schloss er sein Studium im Polytechnikum in Wien ab. Seine frühen Werke plante er noch ganz in der Tradition des Historismus. Seit 1864 baute er selbstständig in dem Stil. Dafür verwendete er schon vor 1890 moderne Materialien wie Glas und Stahl für seine Entwürfe. Um 1890 begann er sich vom Historismus zu entfernen. 1894 wurde er als Professor an die k. u. k. Akademie der bildenden Künste berufen. Da hatte er Josef Maria Olbrich, Josef Hoffmann, Kolo Moser, Josef Plečnik,

2

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Otto_Wagner (Stand:06.02.2015)

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Otto Schönthal, Karl Ehn, Hubert Gessner und Rudolf Perco unterrichtet.3 1896 publizierte er das Buch „Moderne Architektur“ und später, im Jahr 1914, „Die Baukunst unserer Zeit". Für die Grundlage der Schönheit und Moderne bekundete er, dass der „einzige Ausgangspunkt unseres künstlerischen Schaffens das moderne Leben sein soll.“4 Otto Wagner hatte immer Interesse für neue Entwicklungen der Wissenschaft und Technik5 und kannte sich auch sehr gut aus in der Architekturgeschichte. Er steht für Hygiene, Ökonomie, Wissenschaftlichkeit und technischer Perfektion. Für ihn waren einfachere Formen und glatte Fassaden für eine moderne Metropole eine Notwendigkeit.6 Er hat die alten Stile und Ideen mit modernen Ideen und moderner Technik verbunden, und auch deswegen ist er einer der wichtigsten Vorkämpfer und Wegbereiter der modernen Architektur. -

1.2.2 Adolf Loos

Ein anderer wichtiger Wegbereiter der modernen Architektur, Adolf Loos, wurde 1870 in Brünn geboren und studierte an der Akademie in Wien und an der Technischen Hochschule in Dresden. Er lebte zwischen 1893-1897 in der USA und zwischen 19241928 in Paris.7 Dort arbeitete er in dem Architekturbüro von Carl Mayreder. Amerikanischer Einfluss ist auch in seinen in Europa entstandenen Werken zu sehen. Adolf Loos war ein großer Gegner des Ornaments. Für ihn sollte das Material selbst als Ornament erscheinen.8 Im Gegensatz zu Otto Wagner plante er seine Fassaden noch ganz glatt und Ornamentlos.9 Wagner verwendete für die von ihm gestalteten Fassaden florale Elemente als Ornamente 1908 publizierte Loos den wichtigen Aufsatz „Ornament und 3

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Otto_Wagner(Stand: 06.02.2015)

4

Otto Antonia Graf/ Otto Wagner, Baukunst des Eros, 1863-1888, Wien, 1999 S. 1206

5

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Otto_Wagner (Stand: 06.02.2015)

6

Wolfgang Pehnt, Verwerfungen im Untergrund, in: Peichl, Gustav: Die Kunst des Otto Wagner, Wien, 1984 S. 28-29

7

http://www.britannica.com/EBchecked/topic/347815/Adolf-Loos(Stand: 06.02.2015)

8

Joseph Gantner, Neues Bauen in der Welt, Einzeldarstellungen, Band IV Adolf Loos, Wien,1931 S.15

9

S.o

7


Verbrechen“ und stellte er heraus, dass die Evolution der Kultur gleichbedeutend ist mit dem Entfernen des Ornaments aus dem Gebrauchsgegenstand.10 Der Secessions-Gegner wurde wegen seiner radikalen und revolutionären Ideen stark kritisiert. 11 Mit seinem sogenannten „augenbrauenlosen Haus“ auf dem Michaelerplatz und viele andere Werke beinflusste er die moderne europäische Architektur. -

2.Bekleidungstheorie von Gottfried Semper

Der deutsche Kunstkritiker und Architekt wurde 1803 in Hamburg geboren und studierte an der Kunstakademie in München. Zwischen 1830 und 1833 reiste er Südeuropaische Länder wie Griechenland und Italien, um die Bauten der Antike zu studieren. 1834 publizierte er seine erste Arbeit „Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten“, wobei er die Architektur als eine kulturelle Sprache bezeichnete. Im gleichen Jahr wurde er als Professor an die Königliche Akademie der bildenden Künste in Dresden berufen.12 Während seines Aufenthalts in Südeuropa bemerkte er, dass die antiken griechische und römischen Bauten und Statuen nicht nur weiß, sondern auch farbig gewesen sind.13 1851 veröffentlichte Semper „Die vier Elemente der Baukunst“. In diesem Werk schrieb er meistens über den Ursprung der Architektur und die Polychromische Architektur der griechischen Antike.

Für Semper bewiesen die

farbigen Bilddarstellungen auf den griechischen Tempelflächen, dass die Griechen aufgrund ihre Demokratieverständnis frei genug waren, um ihre Meinungen auch in der Architektur frei auszudrücken. Ausgehend von diesem Punkt behauptete er, dass Kunst und Architektur die Kultur und den Volksprozess reflektieren. Aufgrund der vielfältigen

10

Adolf Loos – Sämtliche Schriften 1897-1930, Ornament und Verbrechen, Wien, 1908

11

http://www.zeit.de/1953/34/ein-mann-gegen-das-ornament (Stand: 07.02.2015)

12 http://www.library.ethz.ch/Ressourcen/Digitale-Bibliothek/Kurzportraets/Gottfried-Semper-1803-bis-1879 (Stand: 07.02.2015) 13 Johann Friedrich Hammerich, Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten, Gottfried Semper, Altona, 1834. S. 23

8


Architektur, Demokratie und fortgeschrittenen Kultur des antiken Griechenlands, sah Semper darum ein mögliches Vorbild für moderne europäische Architektur.14 1852 publizierte er „Wissenschaft, Industrie und Kunst“, das zusammen mit „Die vier Elemente der Baukunst“ als Grundlage für sein bekanntestes Werk „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik“ dient. Diese wurden in den Jahren 1860 und 1863 in zwei Bänden publiziert. Dieses Buch beinhaltet die Bekleidungstheorie. Bei dieser Theorie hat Semper eine etymologische Beziehung zwischen den Wörtern „Wand“ und „Gewand“ eingesetzt. Er behauptete, dass die Urmenschen die textile Technik des Windens, Knüpfens, Webens und Flechtens verwendeten um ein Haus zu bauen.15 Die Klassifikation der Kunst hatte er unter vier Titel geteilt: Textile, Keramik, Tektonik und Stereotomie. Die Wand wurde als Textil klassifiziert.16 Semper hat die Wand ursprünglich nicht als fixiertes Mauerwerk definiert sondern als textiles Bauwerk. Als Nachweis des textilen Ursprungs der Architektur verwies er auf die nomadische Zeltarchitektur, wobei nicht nur die Hülle, sondern auch die Konstruktion textilen Charakter hat.17 Für Semper bildet diese textile Wand, die das tragende Gerüst bedeckt, die architektonische Struktur. (Die Trennung der tragenden Struktur und Haut war für ihn wichtig.) In seinem ersten Band „Der Stil“, schrieb er: „Der Mensch kam auf die Idee, ein System von Stoffeinheiten, deren charakteristische Eigenschaften

in

der

Biegsamkeit,

Geschmeidigkeit

und

Zähigkeit

bestehen,

zusammenzufügen aus folgenden Gründen: erstens um zu reihen und zu binden; zweitens um zu decken, zu schützen, abzuschließen.“18

14 Mallgrave, H. F., “Preliminary remarks on polychrome architecture”, Gottfried Semper: The Four Elements of Architecture and Other Writings, Cambridge University Press, Cambridge, 1989 S. 45-73. 15 Cornelie Leopold, Über Form und Struktur - Geometrie in Gestaltungsprozessen, Springer Vieweg, Wiesbaden, 2014 S. 22-23 16 Andrea Deplazes, Constructing Architecture: Materials, Processes, Structures, a Handbook, Birkhaeuser, Basel, 2005 S.170 17 Cornelie Leopold, Über Form und Struktur - Geometrie in Gestaltungsprozessen, Springer Vieweg, Wiesbaden, 2014, S. 22-23 18 Gottfried Semper, Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik, München, 1863 S. 13

9


Sempers Forschungen über den Ursprung der Architektur, seine Bekleidungstheorie, Materialbehandlung und die Auseinandersetzung mit Farbe wurde von vielen damaligen Architekten und Künstlern diskutiert und besonders von Wiener Secessions-Architekten als Grundlage genommen und weiterentwickelt. -

3. Beispiele

Abb.3 Linke Wienzeile No. 38-40

-

3.1 Otto Wagner, Majolika Haus, Linke Wienzeile 40

Das Haus an der Linken Wienzeile 40, oder das Majolikahaus wurde von Otto Wagner im Jahr 1898 als Wohn- und Geschäftshaus gebaut und gilt als eine der ersten und wichtigsten Beispielwerke des Wiener Secessionsarchitektur. Wagner war selbst Bauherr bei den Häusern der Linken Wienzeile 38 und 40, um seine Ideen stärker zu auszudrücken.1920(Abb.3)

Diese

Gebäude

repräsentieren Wagners Abkehr

vom

Historismus.21 Die Fassade des Majolikahauses wurde mit Majolika-Fliesen komplett verkleidet und formiert eine durchgehende Blumenfigur ohne Berücksichtigung der Fensteröffnungen über der gesamten Fassadenplatte. (Abb.4). Der Name der glasierten Keramikplatten wurde ursprünglich von den Italienern vom Namen der spanischen Insel

19

August Sarnitz, Wagner, Taschen, Wien, 2013, S. 49-51

20

http://www.la-belle-epoque.de/wien/wagner2d.htm (Stand: 08.02.2015)

21 http://www.meinbezirk.at/wien-14-penzing/kultur/wienzeile-haeuser-189899bei-den-haeusern-linkewienzeile-38-und-40-war-otto-wagner-selbst-bauherr-und-konnte-so-die-bestmoegliche-umsetzung-seiner-ideenerreichen-wobei-diese-gebaeude-wagners-endgueltige-abkehr-vom-historismus-demonstrieren-die-sich-sicherlichnicht-ohne-den-einfluss-seiner-jungen-mitarbeiter-und-schueler-joseph-maria-olbrich-josef-plenik-1871-1957-hubertgessner-1871-1943-u-a-vollzog-m7998665,1249085.html (Stand: 08.02.2015)

10


Mallorca abgeleitet und gelangte so in deutschen Sprachgebrauch.

22

Die florale

Dekoration stammt von Wagners Schüler Alois Ludwig und wurde nach einem im Maßstab 1:1 gezeichneten Entwurfs von der Wienerberger Ziegelfabrik angefertigt. Einer von Wagners funktionalen und verschönernden Ideen hinter dieser neuen Methode war

Abb.4

Abb.5

die einfache Reinigung und Pflege der Fliesen.23 Die Anwendung dieser Materialien zielt auf einen visuellen und optischen Effekt. Diese Fassade differenziert sich von Wagners Nachbarfassaden durch ihre farbige Blumendekoration und die Löwenköpfe, die als figurative Elemente an der vorspringenden Fassade zu sehen sind. (Abb.5) Die Fassade funktioniert wie ein Stoff oder eine Kleidung, die den Körper bedeckt. Dies wird einerseits durch die physische Bedeckung der Tragstruktur deutlich, andererseits auch durch die Anspielung auf andere unverkennbare Textilformen wie Flechtwerk, bedruckte oder gewebte Stoffe24. Anstatt nach dem Historismus gestalteten Fassaden, wurde die Fassade des Majolikahauses glatt und tafelartig gebaut und gilt als ein wichtiges Beispiel für die Architektur der Secession und der Wiener Moderne. Für Wagner waren die Gründe hinter dieser Entwicklung die veränderte Wahrnehmung des modernen

22

http://www.museenkoeln.de/museum-fuer-angewandte-kunst/default.asp?s=1580 (Stand: 08.02.2015)

23

http://www.la-belle-epoque.de/wien/wagner2d.htm (Stand: 08.02.2015)

24 Rebecca Houze, The Textile as structural framework: Gottfried Semper’s Bekleidungsprinzip and the case of Vienna1900 Oxford 2006, S. 297

11


Abb. 6

Menschen.

25

Abb.7

In seinem Werk von 1896, „Moderne Architektur“ schrieb er in Bezug auf

die Historistische Mietshausarchitektur „dass das moderne Auge den kleinen intimen Maßstab verloren habe, sich an weniger abwechslungsreiche Bilder, an längere gerade Linien, an ausgedehntere Flächen, an größere Massen gewöhnt habe und dass deshalb ein stärkeres Maßhalten und eine weniger reiche Silhouettierung der Fassaden angezeigt erscheine.“26 Die allgemeine Struktur des Majolikahauses ist flach mit glatter Fassade. Die beiden Seitenteile mit den vertikalen Balkonachsen bilden eine Ausnahme. Sie sind mit Bezug auf die Hauptebene nach innen versetzt. Die Lücken bilden also Fensterstütze in einer wiederkehrenden Reihenfolge. Die Säulen, die durch die Balkonplatten gestürzt werden, entstehen auf den Balkonen der Hauptebene.27

Die konventionelle und

historische Einteilung des Miethauses durch Sockel, Beletage, Attikazone war für Wagner nicht mehr praktisch auch wegen der Nutzung des elektrischen Aufzugs.28

Der

Eingangsflur des Majolikahauses führt durchgehend direkt zum ornamentierten Eisenaufzug und Treppe, die im Zentrum des Gebäudes platziert sind.(Abb.6)29 Für den Eingang auf der Linken Wienzeile und die Geländer von den Balkonen wurde florale

25

De Grancy, Antje Senarclens : "Moderner Stil" und "Heimisches Bauen", Wien, 2001 S.226- 228

26 Otto Wagner (1896): "Moderne Architektur", zitiert nach De Grancy, Antje Senarclens : "Moderner Stil" und "Heimisches Bauen", Wien, 2001, S. 228 27http://en.wikiarquitectura.com/index.php/Apartment_Building_in_Linke_Wienzeile_and_K%C3%B6stlergasse_1 (Stand: 10.02.2015) 28

De Grancy, Antje Senarclens : "Moderner Stil" und "Heimisches Bauen", Wien, 2001, S.226- 228

29 Anthony Alofsin, When Buildings Speak: Architecture As Language in the Habsburg Empire and Its Aftermath, 2006 S. 64

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ornamentierten Schmiedeeisen verwendet. Jetzt waren alle Stockwerke leicht erreichbar. Die Geschosshöhen des Gebäudes sind nicht auf derselben Ebene, werden aber durch die Säulen der hinteren Balkone, die auf beiden Seitenteilen stehen, vereint.30 (Abb.7). Wagner hat die Bekleidungen nicht nur im Außenraum verwendet, sondern auch im Innenraum. Sempers „Prinzip der Bekleidung“ war nicht nur ein Lehrsatz für ihn, sondern auch „Prinzip des Zeigens“31. Für Wagner sollte die Funktionen der aller Teile klar deklariert erscheinen.

Er wurde oft als der „Testamentsvollstrecker“ Sempers

genannt. Er entwickelte die Gedanken von Semper über „Gerüst und Haut“, „Maske und Maskiertem“, „Wirklichkeit und Schein“, „Realität und Bedeutung“ zu etwas, das für jeden wahrnehmbar war. Mit seiner Methode der Aufgliederung des Gebäudes in Volumen und Flächen durch die Hülle und der Gerüst spielte ihn und seinen Schülern eine große Rolle.

-

3.2 Adolf Loos, Haus am Michaelerplatz

1909 beauftragte Leopold Goldmann Adolf Loos für die Errichtung eine neue Geschäftshaus auf dem Michaelerplatz für die damalige exklusive Herrenmodenfirma „Goldman und Salatsch“, da der Wettbewerb kein befriedigendes Ergebnis brachte. Bei Erhalt des Bauauftrages bekundete Loos: „Mein erstes Haus! Ein Haus überhaupt! Denn das hätte ich mir wohl nie träumen lassen, dass ich auf meine alten Tage noch ein Haus bauen werde.“ Es sollte ein Wohn- und Geschäftshaus auf dem Michaelerplatz gebaut werden.32 Im Sommer 1909 plante Loos seinen ersten Entwurf und der Architekt Ernst Epstein zeichnete die Bauantragspläne.

Adolf Loos wählte die Skelettbauweise in

Eisenbeton als Gestaltungsart, die von den modernen US-Metropolen und Britische Hauptstadt schon praktiziert wurde. Am 11. März 1910 begann der Bau sofort nach der 30

Janos Kalmar, Otto Wagner Photographs, teNeues, Kempen, 2003, S. 27

31 Friedrich Achleitner, Wiener Architektur: zwischen typologischem Fatalismus und semantischem Schlamassel, Wien, 1996, S.26 32

http://www.adolfloos.at/looshaus (Stand: 12.02.2015)

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Erteilung der Baugenehmigung. Danach reisten Loos nach Algerien, Marokko, Italien und Griechenland auf der Suche nach idealen Marmortypen für seinen Bau. 33 Im September 1910 wurde die Fassade fertig verputzt. Die Hauptfassade des Hauses ist auf den

Abb.8

Michaelerplatz gerichtet. Der Geschäftsbereich wurde mit kostbarem Cipollino-Marmor aus Euböa verkleidet. Der Geschäftseingang wurde mit toskanischen Säulen vorgebaut. „Diese Säulen sind Monolithe von einer Materialschönheit, wie sie Zeit Roms nicht verwendet

wurden“34

Diese

wurden

als

Anspielung

auf

den

Portikus

der

gegenüberliegenden Michaelerkirche gedacht (Abb.8). Die Fassade des Wohnbereichs differenziert sich von der Fassade des Geschäftsbereichs durch ihre glatte und verputzte 33 Musheler, Ursula. , Haus ohne Augenbrauen: Architekturgeschichten aus dem 20. Jahrhundert, verlag: Beck Reihe, München, 2007

34

Zitiert nach Joseph Gantner, Neues Bauen in der Welt, Band IV, Adolf Loos, Wien, 1931, S. 30

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Fläche und befindet sich auf dem oberen Teil des Hauses. Das Gebäude wurde von einem geraden Kupferdach bedeckt. Die quadratischen Fenster, die keine Umrahmungen hatten, wurden ohne jede bindung miteinander auf der Fassade verteilt.35 Das Haus markiert die Abkehr vom Historismus, aber auch von dem floralen Dekor des Jugendstils. Im Gegensatz zu dem benachbarten historistischen Bauten, wurde die obere Fassade des „Looshauses“ einem ornamentlosen, glatten Stil errichtet. Eine glatte Fassade wurde in Wien schon vorher von Otto Wagner gebaut, wurde aber mit farbigen Majolikafliesen ornamentiert. Die völlig glatte Putzfläche der Wohngeschosszone und Fenster ohne Umrahmungen des Looshauses wurden von den Wienern schockierend empfunden. Eine Hetzkampagne begann gegen Loos,

36

bevor das Looshaus fertig gebaut und

abgerüstet wurde. Die Zeitungen nannten den Bau „Kanalgitterhaus“(Abb.9), „das Haus ohne Augenbrauen“, „die Mistkiste“. Die Neue Freie Presse schrieb: „ In den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen“.37 Kaiser Franz Joseph wollte die Ausfahrt am Michaelerplatz nicht mehr benützen und die Fenster der Hofburg vernageln lassen, um das Looshaus nicht mehr zu sehen.38 Er war der Meinung, dass das Looshaus eine Kuppel haben sollte, weil es gegenüber der Hofburg lag. Danach bekundete Loos: „Wenn ein Haus im Stile seiner Zeit gebaut ist, passt es in jede historische Umgebung“39. Auch Otto Wagner, der Mann, der schon glatte Fassaden baute und wusste, dass der Stil die Zukunft gehöre und riet ihm, aufzugeben. Im Oktober 1911 platzierte Loos Blumenkästchen vor einigen Fenstern wegen der Kritiken und dem Druck. Einen Monat später hielt Loos einen Vortrag vor zweitausend Menschen. Da sagte er unter dem Titel „Mein Haus am Michaelerplatz“: „Der moderne Mensch, der durch die Straßen eilt, sieht nur das, was in seiner Augenhöhe ist. Niemand hat heute Zeit, Statuen auf Dächern zu betrachten. Die Modernität einer 35

Joseph Gantner, Neues Bauen in der Welt, Band IV, Adolf Loos, Wien, 1931, S. 30

36

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Looshaus (Stand: 14.02.2015)

37

Joseph Gantner, Neues Bauen in der Welt, Band IV, Adolf Loos, Wien, 1931, S. 30-31

38

http://de.wikipedia.org/wiki/Looshaus (Stand: 14.02.2015)

39

http://www.zeit.de/1983/52/der-extremist-aus-wien/seite-2 ( Stand 21.03.2015)

15


Stadt zeigt sich im Straßenpflaster. Um beim Hause auf dem Michaelerplatz Geschäftshaus und Wohnhaus zu trennen, wurde die Ausbildung der Fassade differenziert. Mit den beiden Hauptpfeilern und den schmäleren Stützen wollte ich den Rhythmus betonen, ohne den es keine Architektur gibt. Die Nichtübereinstimmung der Achsen unterstützt die Trennung. Um dem Bauwerk die schwere Monumentalität zu nehmen und um zu zeigen, dass ein Schneider, wenn auch ein vornehmer, sein Geschäft darin aufgeschlagen hat, gab ich den Fenstern die Form englischer Bow-windows, die

Abb.9

Abb.10

durch die kleine Scheibenteilung die intime Wirkung im Innern verbürgen. Der praktische Wert dieser Scheibenteilung ist das Gefühl der Sicherheit, das sie gewähren. Man fürchtet nicht, aus dem ersten Stock auf die Straße zu stürzen.“40

40

Joseph Gantner, Neues Bauen in der Welt, Band IV, Adolf Loos, Wien, 1931, S. 30-31 http://www.adolfloos.at/looshaus/architektur_loos_verteidigt_haus.htm (Stand: 15.02.2015) http://www.wien.citysam.de/loos-haus.htm (Stand: 15.02.2015) zitiert nach: http://www.adolfloos.at/looshaus/inc/download/Das_Haus_Ohne_Augenbraue.pdf

16


Loos übernahm die „Sempersche These“ der Flächen und Raumbildung sowohl im Innenraum, als auch in seinen schlichten Lochfassaden, welche teilweise mit edlen Materialien verkleidet sind. Sempers Ideen über Materialverwendung spielte eine große Rolle für Loos‘ Entwürfe. Loos meinte, dass die Bekleidung als Fassadenanstrich oder als Schutz gegen Wetter, oder auch als Teil der Hygiene- wie Fliesen in Bädern funktionieren kann. Die Möbel hatten Füßchen aus Eisen, um die Reinigung einfacher zu machen. 41 Wie bei Wagner, war Hygiene auch ein wichtiges Bestandteil für Loos. Er entwickelte Sempers Theorien weiter und brachte eine Architektur hervor, die die Verkleidung eines Gebäudes auf eine intime Weise mit der Bekleidung des menschlichen Körpers verband. Dies schloss den Einsatz von echten Textilen in die Innenräume mit ein. Für Loos konnte die Bewohnbarkeit eines Raumes durch das Ausbreiten und Aufhängen des Teppichs auf Tragkonstruktion erreicht werden. Er ließ die Innenraumgestaltung bei dem Looshaus flexibel. Es konnte nach Bedarf leicht umgestaltet werden, wegen seiner Struktur aus Stahlbeton und der nicht tragenden Wände.42 Besserer Lichteinfall in den Räumen wurde dadurch auch ermöglicht. Die Betonsäulen und Unterzüge des Innenraums wurden mit Pyramidenmahagoni verkleidet. (Abb.10) Die Innentreppe des Geschäftes ist in den Hof hinaus gebaut. Die Spiegel vergrößern den Raum. Die Fussböden der Säulenhalle und des Hauseingangs wurden mit Carraramarmor verkleidet. Eine der frühesten Realisierungen des „Raumplans“ wurde durch die komplexe Raumplanung des Looshauses erreicht. 43 Nach allen provokanten Kritiken und der Hetzkampagne, wurde am Ende das Looshaus gebaut, wie Adolf Loos es haben wollte. Nach rund 100 Jahren, nennt man „Das Haus

42

http://www.adolfloos.at/looshaus/architektur_das_interieur.htm (Stand: 16.02.2015) http://en.wikiarquitectura.com/index.php/Building_in_Michaelerplatz (Stand: 16.02.2015)

43

http://www.adolfloos.at/looshaus/architektur_das_interieur.htm (Stand: 16.02.2015)

17


ohne Augenbrauen“ einen „Klassiker der Wiener Moderne“44 und sieht es als die Geburt des modernen Baustiles.45

- 3.3 Joseph Plecnik, Das Zacherl-Haus Der aus Slowenien stammende Architekt Joseph Plecnik wurde im Jahr 1872 geboren. 1892 begann er als Zeichner in einer Möbelfabrik in Wien zu arbeiten. Danach, im Jahr 1894, begann er im Atelier von Otto Wagner zu arbeiten. Er war auch einer der Schüler von Otto Wagner an der Akademie der Bildenden Künste. Von 1901 bis 1911 führte er sein eigenes Architekturbüro in Wien.46 1900 sollte ein Wohn- und Geschäftsgebäude für den Fabrikanten Johann Evangelist Zacherl gebaut werden. Wagner organisierte einen

Abb.11

Abb.12

internen Wettbewerb dafür, wobei seine Schüler wie Max Fabiani, Otto Schönthal, Carl Fischl und Plecnik ausgewählt wurden. Plecnik gewann den Wettbewerb mit einem 44

http://www.stadtbekannt.at/haus-ohne-augenbrauen/ (Stand: 16.02.2015)

45

Joseph Gantner, Neues Bauen in der Welt, Band IV, Adolf Loos, Wien, 1931 S. 30-31

46

Damjan Prelovsek, Joseph Plecnik, 1872-1957, Salzburg und Wien, 1992, S. 7-16

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Entwurf, der sehr anders war, als was gebaut wurde. Er gewann den Preis in Höhe von zweihundertfünfzig Gulden. Das unregelmäßige Grundstück des Zacherlhauses befindet sich zwischen drei Gassen, Brandstätte, Wildpretmarkt und Bauernmarkt. An die Straßenseite konnten größere Zimmer und an die Hofseite zusätzliche Räume geplant werden. Wettbewerbsteilnehmer waren der Meinung, pro Stockwerk zwei oder drei Wohnungen schaffen zu müssen. Für eine dritte Wohnung sollte das Treppenhaus verkleinert werden. Plecnik engagierte sich hierbei für eine kleinere Wohnungsanzahl aber dafür mit größerer Fläche, einem zentralen Treppenaufgang und belichteter Hoffassade. Kraus und Tölk waren verantwortlich für die Bauaufsicht und technischen Belangen des Projekts. Es gab immer wieder Probleme zwischen Plecnik und Kraus und Tölk, sodass Plecnik mit dem Projekt aufhören wollte. Im Herbst 1902 hatte Plecnik die Möglichkeit, Zacherl persönlich kennenzulernen. Der Fabrikant und Plecnik verstanden einander gut. Hierdurch nahm Plecnik das Projekt wieder auf47. Um die Kosten zu reduzieren und eine große Mobilität für die Geschäftszone zu schaffen, verwendete Plecnik für die tragenden Teile und Decken des Zacherl-Hauses, Stahlbeton. Die Fassade des Zacherlhauses wurde horizontal geteilt. In der Erdgeschosszone wurde eine Geschäftszone mit Geschäftsportalen errichtet, die durch eine Stahlkonstruktion ausgeführt wird. Dieser Teil trennt sich von anderen drei Teilen durch das Galeriegeschoss mit Fensterbändern. Die Fenster erscheinen glatt und die Fassade wurde mit Granitplatten verkleidet. Hinter der ungewöhnlichen monolithischen Granitverkleidung sind Sempers Gedanken deutlich erkennbar. Semper verweist auf Ägypten: „ Die Granit- und Porphyrmonumente Ägyptens üben eine unglaubliche Macht über jedes Gemüt. Worin besteht dieses Zauber? Zum Teil gewiss darin, dass sie der neutrale Boden sind, wo sich der harte, widerstrebende Stoff und die weiche Hand des Menschen mit seinen einfachen Werkzeugen begegnen und Pakt miteinander schließen.“48 Sempers Begriff erklärt einige Eigenschaften der Verwendung der Granite, wie großartige ruhe, Massenhaftigkeit und flache Feinheit. Die Stabilisierung der schweren Granitplatten auf der Fassade war ein wichtiger Punkt. Obwohl Otto Wagner 47

Damjan Prelovsek, Joseph Plecnik, 1872-1957, Salzburg und Wien, 1992 S. 60-65

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Zitiert nach: Gottfried Semper, Damjan Prelovsek, Joseph Plecnik, Salzburg und Wien, 1992 S. 65

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das Problem mit zusätzlichen Nägeln gelöst hätte, befestigte Plecnik die Platten mittels Profilen und zusätzlichen Eisenankern. Der dreigeschossige, mittlere Teil der Fassade zur Brandstätte ist in sieben Achsen geteilt. (Abb.11) Auf der Achse vor der Rundung ist die Skulptur „Erzengel Michael“ aus getriebenem Metall von Ferdinand Andri, zu sehen. Die zylinderartige Ecke und die Skulptur wurden in Richtung Stephansplatz gerichtet. Für das bemerkenswerte Dachgeschoss mit Karyatiden arbeitete Plecnik mit den Atlanten von Franz Metzner.49(Abb.12) Es besteht aus einem gekacheltem Kranzgesims und einer metallenen Verdeckung des Dachs. 50 Ein anderes Beispiel von dem konvex gewölbten Bay-Windows des Zacherl-Hauses ist im Artaria-Haus von Max Fabiani zu sehen. Der Eingangsbereich des Zacherl-Hauses wurde nach dem Vorbild der altägyptischen Tempelarchitektur gebaut. Es gibt vier Eingänge. Hier entfernte sich Plecnik von Wagners statischen Zentralraum-Ideen.

Abb.13 49

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Zacherlhaus (Stand: 17.02.2015)

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Damjan Prelovsek, Joseph Plecnik, 1872-1957, Salzburg und Wien, 1992 S. 67-68

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3.4 Max Fabiani, Portois & Fix und Haus Artaria Der österreichisch-italienisch-slowenische Architekt Max Fabiani wurde 1962 in Kodilj, Slowenien geboren. Er studierte von 1883 bis 1889 an der Technischen Hochschule Wien. Nach seinem erfolgreichen Studienabschluss erhielt er das Ghega Stipendium. Damit reiste er von 1892 bis 1894 nach Griechenland, Italien, Deutschland, Frankreich, Belgien und England. Nach seiner Rückkehr begann er bei Otto Wagners zu arbeiten. Er war auch Schüler und Mitarbeiter von Wagner. 51 -

3.4.1 Haus Portois & Fix, Wien

Eine der wichtigsten Möbelfabrik Wiens, Portois & Fix, plante 1899 ein Firmenhaus in der Ungargasse 59-61, Wien. Das Gebäude wurde von Wagners Schüler Max Fabiani gebaut ein Jahr nach Abschluss von Otto Wagners Majolikahaus. Fabiani wurde von Wagners Werken sehr beeinflusst. Parallel zu den Entwicklungen der Wagner-Schule schaffte Fabiani einen neuen Typus des Wohn- und Geschäftshauses, denn: Eine Differenzierung der Wohn- und Geschäftsnutzung durch Materialien auf der Fassade ist auch bei seinem ersten Werk in Wien, Haus Portois & Fix zu sehen. Die Sockelzone wurde am Anfang mit poliertem schwedischem Granit in zwei Nuancen verkleidet. Die Galerie und das Parterre gehören zu diesem Geschäftsbereich.52 Fabiani hat die Außenansicht des Mezzaningeschosses versteckt und die Glasflächen bis Eisenbetonskelett der Geschäftszone zusammengefasst. Die Geschäftszone wurde von den Stockwerken nur durch ein dünnes Profil getrennt. Das Gebäude wurde durch die an den Fensterunterkanten verlaufenden Profile zusammengefasst.53 Die Fassade des Wohnbereiches über der Geschäftszone wurde mit farbigen Fliesen von der ungarischen Firma „Zsolnay“ verkleidet.54(Abb.13) In diesem Pyrogranit fließen aus zwei Grüntöne und bilden ein flächiges Muster. Im Gegensatz zur Fassade des Majolikahauses, auf der 51 http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Fabiani (Stand: 20.02.2015) 52 Marco Pozzetto, Max Fabiani, Ein Architekt der Monarchie Wien, 1983 S. 63 53 Maria Welzig, Josef Frank(1885-1967) Wien, 2001 S.72 54 http://dasmuseen.net/Wien/BezMus03/page.asp/1527.htm (Stand: 22.02.2015)

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Blumenmuster auf den Fliesen zu sehen sind, bilden die Fliesen beim Portois& Fix Haus selbst das Ornament. Drei Stockwerke über dem Geschäftsbereich mit jeweils elf Fensterachsen bilden die Hauptfassade. Die regelmäßig angeordneten Fenster mit Metallverkleidung erschaffen die Rhythmik der Fassade. Rotgussrahmungen und Metallschabrakken bilden das plastische Metalldekor der Fenster.55 „Während Wagners Fassaden, trotz sezessionistischer Hochblüte, in sich ruhende Kompositionen darstellen, bot Fabiani ein System der Reihung an, dessen Rhythmus beliebig, im Sinne einer Großstadtarchitektur Fortgesetz werden kann.“ 56 Das Dachgeschoß tritt über dem schmiedeeisernen Traufgitter halbrund zurück. Die Innenraumverteilung des Portois & Fix Hauses wurde komplex vorbereitet. Es wurden drei getrennte Eingänge geplant. Der Haupteingang wurde für die Hausbewohner und der Eingang auf der rechten Seite wurde für die Kunden überlegt. Der dritte Eingang auf der linken Seite war für die Lieferungen der Fabrik gedacht. Dieser Eingang führte zu Toilettenanlagen und wurde mit Stiegen und Aufzügen verbunden. Der Eingang der

Abb.14

55 https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Portois_%26_Fix (Stand: 22.02.2015) 56 Zitiert nach: Maria Welzig, Josef Frank (1885-1967) Wien, 2001 S.72

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Bewohner wurde von den anderen Eingängen getrennt und führte über Stiegen und Lifte in die oberen Geschosse.57 Für Fabiani waren die räumlichen Strukturen und städtebauliche Lösung einer Bauaufgabe primär wichtig. Mit seinen modernen Konstruktions- und Bekleidungslösungen, wurde Fabianis Werk, das Portois & Fix Haus, als „ noch moderner“ als das Majolikahaus genannt.58 -

3.4.2. Geschäftshaus "Artaria", Wien

Einer von bedeutendsten Werke von Max Fabiani, das Haus Artaria befindet sich am Kohlmarkt 9 im 1. Bezirk in Wien. Der vorgängerbau, der „Zum englischen Gruß“ genannt wurde, war von der aus Italien stammenden Familie Artaria gekauft worden. Diese entschied sich für den Neubau durch den Architekten Max Fabiani. Max Fabiani errichtete im Jahre 1900 den fünfstöckigen Neubau. Der Einfluss von Wagners Theorien ist auch beim diesem Bau zu sehen. „Der Neubau um 1900 gilt als bedeutendes Beispiel des frühen Wiener Jugendstils. Das Gebäude hatte in Wien stilbildenden Einfluss: die Marmorverkleidung der Fassade gilt als Parallele zu den Ideen Otto Wagners und die späterhin sehr beliebte Bay Windows kommen an diesem Gebäude zum ersten Mal in Wien vor. Die Hausfassade ist gegenüber der Häuserzeile zurückgelegt, was auf einen Regulierungsplan zurückgeht, der ansonsten nicht zum Tragen kam.59 Das Haus ist, wie zu dieser Zeit üblich, in eine Geschäftszone im Erdgeschoß und eine darüberliegende Wohnzone gegliedert (allerdings wird letztere als Firmenbüro benutzt). Im Geschäftsbereich befinden sich vier Pfeiler, zwei davon haben Figurenreliefs (ein Mann mit Hammer und eine Frau mit Apfel), die von Alfonso Canciani stammen. Das Dachgesims des Hauses hat geometrische Ornamente zur Straße hin, eine solche 57 Marco Pozzetto, Max Fabiani, Ein Architekt der Monarchie, Wien, 1983 S. 63-67 58 http://www.nextroom.at/building.php?id=2352 (Stand: 26.02.2015) 59 http://wienhistorisch.blogspot.co.at/2014/02/wien-1-kohlmarkt-9-das-neue-artaria-haus.html( Stand: 26.02.2015)

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Dachuntersicht ist gleichfalls ein häufiges Element im Wiener Jugendstil.”56 Es ist auch bemerkenswert, dass der Architekt Fabiani diese Elemente der modernen Bauweise bewusst versteckt hat. Dadurch hat das Gebäude eine elegante und auch robuste Wirkung. Bei der Einteilung der Fassade hat die Erdgeschosszone, die als Geschäftszone dient, eine wichtige Rolle. „Der größtmögliche Raum sollte der 'Schaustellung' dienen, und so galt diesem Problem auch die überwiegende Aufmerksamkeit. Um noch mehr Raum für eine gekrümmte Auslage und eine Nische zu schaffen, die zum Betreten des Geschäftes von einer überdachten Stelle aus geeignet ist, wurden die Eingänge in das Geschäft und in das Haus an die Seitenfront versetzt. Der sehr enge Eingangskorridor wird durch diese nach innen gezogene Wölbung beachtlich verkürzt. Um jedoch die Breite des Korridors optisch zu erweitern, wurde er bis zu einer gewissen Höhe in Marmorstuck ausgeführt.“57 Außerdem bestehen die dominanten durchgehenden Fensterbänke aus rotem Marmor. (Das Dachgesims kann auch als eine Erweiterung dieser Form interpretiert werden. Nur das Dachgesims war geneigt, damit das Regenwasser abfließt.) Der Rest der Fassade wurde mit viereckigen Carrara-Marmorplatten verkleidet. Durch diese Materialien hat der Architekt es ermöglicht, eine hygienische, wetterfeste Fassade zu schaffen. Zu den Fenstern: Die Bay Windows , deren Verwendung in Wien zum ersten Mal zu sehen war, wurden auch kritisiert, da der Architekt die Form der englischen Fenster übernommen hatte.(Abb.14)60

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Schlussbemerkungen

Nach seinen früheren historistischen Entwürfen nahm „der Vater der Moderne“, Otto Wagner, die Bekleidungsprinzip von Semper als Vorbild und entwickelte diese technisch und praktisch weiter. Es sollte ein „Nutzstil“ entwickelt werden, der die Bedürfnisse der 57 http://de.wikipedia.org/wiki/Artaria-Haus (Stand: 04.03.2015) 60 http://wienhistorisch.blogspot.co.at/2014/02/wien-1-kohlmarkt-9-das-neue-artaria-haus.html ( Stand : 24.03.2015 )

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modernen Menschen erfüllen kann. Um mit technisch-konstruktiven Erneuerungen und Nutzung von neuen Materialien zu gestalten, wie Eisen und Stahl, wurde die Innenraumplanung der Bauten auch geändert. Mit seiner Schrift „Moderne Architektur“ erklärte er eine theoretische Begründung der Modernisierung. „Er propagierte eine zeitgemäße Architektur, die den Historismus hinter sich ließ und konstruktive Zweckmäßigkeit mit dem ästhetischen Anspruch moderner Gestaltung vereinte.“ 61 Das 1898 entstehende „Majolikahaus“ war ein Meilenstein für Wiener Architektur geschichte und beeinflusste viele der damaligen Architekten und selbstverständlich auch WagnerSchüler wie Josef Plecnik und Max Fabiani. In dieser Arbeit kommt man zu dem Schluss, dass die Semperschen Ideen und Wagners Interpretation des Wiener Jugendstils die Moderne sehr stark beeinflussten.

61 Zitiert nach: http://eguide.mak.at/index.php?id=7&tour=2&room=1&object=466 (Stand: 05.03.2015)

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Abbildungsverzeichnis Abb.1 http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/23948629 (Stand: 07.03.2015) Abb.2 http://www.wien.gv.at/ma53/rkfoto/2007/1441g.jpg (Stand: 07.03.2015) Abb.3 http://panoramastreetline.de/wienzeilenhaeuser-linke-wienzeile-wien-OesterreichP4693 (Stand: 07.03.2015) Abb.4 http://www.routard.com/photos/vienne/1405472-majolikahaus.htm (Stand: 07.03.2015) Abb.5 http://de.wikipedia.org/wiki/Wienzeilenh%C3%A4user_von_Otto_Wagner#mediaviewer/ File:Majolikahaus_Dachvorsprung.JPG (Stand: 07.03.2015) Abb.6 http://www.viyanadarehber.com/avusturya/00000000122-aufzug-im-majolikahausvon-otto-wagner-oesterreich-werbung-kalmar/ (Stand: 07.03.2015) Abb.7 WAGNER, August Sarnitz, Taschen s. 48 Abb.8 http://de.wikipedia.org/wiki/Looshaus#mediaviewer/File:Looshaus_Vienna_June_2006_ 546.jpg (Stand: 07.03.2015) Abb.9 http://www.adolfloos.at/looshaus/ausstellung_entstehung.htm (Stand: 07.03.2015) Abb.10 http://www.adolfloos.at/looshaus/architektur_das_interieur.htm (Stand: 07.03.2015) Abb.11 http://www.wikopreventk.com/wp-content/uploads/2014/01/Neues-Bild.jpg

(Stand:

07.03.2015)

Abb.12

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zacherlhaus_Atlanten.JPG

(Stand:

07.03.2015)

Abb.13 http://deu.archinform.net/projekte/5194.htm (Stand: 07.03.2015) Abb.14 https://www.flickr.com/photos/ruamps/5755005991 (Stand: 07.03.2015)

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