Absurda Comica oder Herr Peter Squentz nach Andreas Gryphius, von Heinz Koch bearbeitet f端r eine Schultheater-AG
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Personen: Peter Squentz (sollte ein burschikoser weiblicher Spieler sein) Pickel (muss ein männlicher Spieler sein) Kricks Klotz (muss ein männlicher Spieler sein) Klipperl Loll Bulla Königin Prinz König Eubulus Plamper (Lehrer, Leiter der Theater-AG) Musiker (vom Solisten bis zum Oktett, die Barockes spielen können) Ein Bühnenbild Ein leerer Raum wie eine Probenbühne mit zwölf im Hintergrund herumstehenden und liegenden Stühlen
2
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Vorspiel Auf der Bühne Mitte hinten ein Rollstuhlfahrer (spielt später den Bulla), den Rollstuhl lenkt ein Blinder (spielt später den Klotz)
5 Links an der Seite der Tod (vielleicht auf dem Hochsitz eines Tennis-Schiedsrichters, spielt später den Loll) Die übrigen Mitspieler (außer Plamper) sind, als Mitspieler nicht kenntlich, im Saal verteilt. Publikumslicht aus, Scheinwerfer von rechts seitwärts auf Rollstuhlfahrer, Blinden
10 Spot von oben auf den Tod, der Tod hat ein gutes Sensenmann-Kostüm mit entsprechender Maske, die anderen beiden normal gekleidet, der Blinde mit Sonnenbrille, Armbinde (gelb mit drei schwarzen Punkten) und weißem Stock
15 Der Blinde schiebt den Rollstuhl im Scheinwerferkegel von Mitte hinten nach vorn rechts Rollstuhlfahrer beginnt den Text zu sprechen: Was ist Zeit? Wer könnte das kurz und leicht erklären? Wer es denkend erfassen, um es dann in Worten auszudrücken? Und doch können wir ein Wort nennen, das uns vertrauter und bekannter wäre als die Zeit? Wir 20 wissen genau, was wir meinen, wenn wir davon sprechen, verstehen's auch, wenn wir einen anderen davon reden hören. Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich's; will ich's aber einem Fragenden erklären, weiß ich's nicht Blinder fängt ebenfalls an, den Text zu sprechen, und zwar, wenn der Rollstuhlfahrer die ersten beiden Fragen (Was ist Zeit? Wer könnte das kurz und leicht erklären?) gesprochen hat.
25 Nachdem der Blinde diese beiden Fragen lauter als der den Text weiter sprechende Rollstuhlfahrer gestellt hat, sprechen den Text in vorher verabredeter Reihenfolge Alle Mitspieler im Saal. Dabei beginnt einer mit der Frage:
Was ist Zeit?
Der jeweils Nächste fällt ein.
30 Alle sprechen den Text vollständig dreimal. Jeder Spieler im Saal geht, wenn er den dritten Durchgang beginnt, langsam auf die Bühne. Alle bilden einen Halbkreis hinter dem Rollstuhlpaar. Wenn der Letzte mit seinem Text endet, spricht der
35
Rollstuhlfahrer: Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich's. Will ich's aber einem Fragenden erklären, weiß ich's nicht. Tod (sehr getragen): Das unter dem Namen Zeit bekannte Phänomen ist lediglich eine Raumkrümmung ... Rollstuhlfahrer hält es nicht mehr aus, springt schreiend aus dem Rollstuhl, volles Bühnenlicht an: Nee Leute! ich glaub, das Publikum will was Lustiges.
40 Blinder: Tod:
Ja klar, Witziges!
Und woher weißt du, was die Leute witzig finden?
Squentz:
Hinterher lachen wir auf der Bühne, und die unten finden's blöd. 3
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Eubulus:
Ich find, wir sollten ein Stück mit richtigen Problemen bringen
Kricks: Ja, so mit Kritik, an Lehrern zum Beispiel Pickel: Ach Quatsch! Schule haben wir doch grad genug. Warum die Theater-AG damit versauen? Königin:
Wir könnten was gegen Ausländerhass machen oder so...
5 Prinz: Oder was gegen die Umweltverschmutzung oder so. Wenn wir bloß was zum Lachen machen, das find ich blöd. Squentz:
Ich finde, wir müssten so was machen wie die Rocky Horror Show oder so
Eubulus:
Ich würd gern nen Krimi machen. Ich wär gern mal 'ne Mörderin
Bulla: Ich möchte jedenfalls 'ne richtige Rolle spielen.
10 König: Vielleicht könnten wir aus dem Buch 'Die Welle' ein Stück machen Squentz:
Das wär toll. Obwohl...Das kennt jeder, das ist nicht so gut.
Klipperl:
Klar, da erwartet jeder auf der Bühne, was er aus dem Buch kennt
Kricks: Ich möchte was richtig Klaschisses, Klaschisses, Klassisches
15
Klotz: Das ist dann schon so alt irgendwie. Vielleicht sollten wir lieber Kabarett machen, das wär doch was, Fernsehwerbung verarschen zum Beispiel Prinz: Ich könnte mir vorstellen, also ich find den Sommernachtstraum... Alle:
Neeeee! Blöööööööh! Juhuuuuu....
Klipperl:
Dann kommt die Zeitungskritik und fragt: bleme?
Warum spielen Schüler nicht ihre Pro-
20 König: Sommernachtstraum gibt's doch im Stadttheater... Loll:
Ich hab' keine Probleme
Königin:
Ich hab welche. Aber die will ich nicht auch noch spielen
Prinzessin:
Aber irgendwas sollten wir schon machen
Schweigen im Walde, plötzlich:
25 Eubulus:
Goethe!
Alle Stöhnen, seufzen, verdrehen die Augen Eubulus:
30 Squentz: Eubulus:
35
40
Ja, Goethe! 'Die Bretter sind, die Pfosten aufgeschlagen und jedermann erwartet sich ein Fest.' Das müssen wir zu Anfang zitieren, das und noch weitere Zeilen aus dem 'Vorspiel auf dem Theater'. Und was soll das? Ruhig ein wenig das Publikum angreifen, mit dem hier zum Beispiel: Ich weiß, wie man den Geist des Volks versöhnt, Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt, allein, sie haben schrecklich viel gelesen. Besonders aber lasst genug geschehn! Man kommt zu schau'n, man will am liebsten seh'n. Wird vieles vor den Augen abgesponnen, sodass die Menge staunend gaffen kann, so habt Ihr in der Breite gleich gewonnen, Ihr seid ein vielgeliebter Mann. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen, Bedenkt, Ihr habt ein weiches Holz zu spalten, Und seht nur hin, für wen Ihr schreibt, wenn diesen Langeweile treibt, kommt jener satt vom übertischten Mahle. Und was das Allerschlimmste bleibt: Gar mancher kommt vom Lesen der Journale. Man eilt zerstreut zu uns wie zu den Maskenfesten, und Neugier nur beflügelt jeden Schritt, Die Damen geben sich und ihren Putz zum Besten und spielen ohne Gage mit.
König: He hör auf! Mir reichts. Eubulus:
Banause, lass mich doch in Ruh! 4
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Prinzessin:
Ja, ja: Der Worte sind genug gewechselt
Kricks: Lasst uns nun endlich Taten sehen Pickel: Jetzt wissen wir noch immer nicht, was wir spielen, dann machen wir doch, was der Plamper will.
5 Plamper:
Das ist mein Stichwort, ich bin der Deus ex Machina
Klipperl:
Was ist denn das?
Plamper:
Ich löse den Knoten, ich habe ein Stück!
Kricks: Was Gescheites? Zum Lachen oder ernst? Alt oder neu?
10
Plamper:
Ich sag mal nix, verteil bloß die Rollen. Hier, das ist deine. Und du, du bekommst das. Und das ist deine, und da und da verteilt an jede(n) ein Rollenbuch
Alle blättern, Gemurmel beim Lesen Plamper:
So, jetzt probieren wir mal zu lesen, der Squentz fängt an.
Squentz (entrüstet): Plamper:
Ich soll ne Männerrolle spielen?
Wir sind halt nicht besser besetzt, wir haben eben zu wenig Männer
15 Bulla: (erstaunt) Ich hab ja auch ne Männerrolle (fordernd) Dann müssen die Jungs auch Frauenrollen spielen! Plamper:
Jetzt fangen wir halt mal an! Bitte Squentz
Squentz liest ab: Edler, wohledler, hoooochedler, wohledelgeborener Herr Pickelhäring von Pickelhäringsheim und Salznasen
20 Niemand sagt was Plamper:
Was ist los? Wo ist der Pickelhäring?
Pickel: äh, oh, em, Ich glaub, ich bin das Plamper:
25 Squentz:
Dann bist du dran. Guck doch in den Text und lies mit. Die anderen auch. Also, der Squentz fängt noch mal an Edler, wohledler, hoooochedler, wohledelgeborener Herr Pickelhäring von Pickelhäringsheim und Salznasen
Pickel: Hier! Squentz:
Arbeitsamer und arm, arm, armmächtiger Mester Kricks, über und über Schmied
Kricks: Hier
30 Squentz:
Tugendsamer, aufgeblasener und windbrechender Mester Bullabutan, Blasebalkenmacher
Bulla: Hier Squentz:
35 Klipperl: Squentz: Loll:
Ehrwürdiger, durchschneidender und gleichmachender Mester Klipperling, wohlbestellter Schreiner des weitberühmten Dorfes Rumpelskirchen Hier Wohlgelahrter, vielgeschwinder und hellstimmiger Mester Lollinger, Leineweber und Mestersinger
Hier
Squentz:
Treufleißiger, wohlwürkender, tuchhafter Mester Klotz-George, Spulenmacher
40 Klotz: Hier
5
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Squentz:
5 Loll:
Reposi was?
Plamper:
10
Re-Po-Si-To-Ri-A! Das kennst du nicht? Also sowas. Latein müsste man können, was? Repositoria, das heißt, ahem. Das bedeutet doch, em also: um es ganz korrekt zu sagen, hol ich schnell ein Fremdwörterlexikon (geht ab)
Klotz: deklamiert übertrieben und verschraubt seinen Körper entsprechend dem Text Verschraubt euch durch Zutun Eurer Füße und Niederlassung der hindersten Oberschenkel auf herumstehende Stühle (erregt sich echt) So ein Quatsch! Was sollen wir denn da spielen? Was ist das denn für ein Scheiß, so ne olle Kamelle! Plamper:
wieder auf die Bühne kommend Halt, halt! Das ist ein ganz dolles Stück! Das ist praktisch der Sommernachtstraum verkehrt herum. Man sieht praktisch die Handwerkstruppe aus dem Dorf, die am Hof des Königs ein Stück aufführen will. Und da klappt gar nichts. Die Handwerker haben sich übernommen. Die blamieren sich. Das ist doch lustig.
Squentz:
Das finde ich nicht gut. Was ist, wenn das Publikum nicht merkt, dass die Handwerker die Patzer machen, sondern meint, wir könnten nicht spielen? Da blamieren wir uns doch
Plamper:
Nein, nein! Das sieht man doch, dass Ihr die Handwerker spielt, die sich blamieren. Außerdem ist das schon lustig, wie der Squentz seinen Kumpels die Story des Stücks erzählt, welches noch gar nicht existiert.
Squentz:
Spielen die Handwerker denn das Stück auch vor dem König? Es wäre doch für das Publikum langweilig, wenn nur erzählt wird, wie sie spielen wollen, aber das Stück gar nicht gezeigt wird.
Plamper:
Klar, wird das Stück auch gespielt
15
20
25
Verschraubet euch durch Zutun Eurer Füße und Niederlassung der hindersten Oberschenkel auf herumstehende Stühle, schließt die Repositoria Euers Gehirns auf, verschließet die Mäuler mit dem Schloss des Stillschweigens, setzt Eure 7. Sinne in die Falten, ich, Peter Squentz, habe euch etwas zu verkünden.
Pickel: Was kommt denn drin vor? Wie ist denn die Story?
30
Plamper:
35
(spielt, während er erzählt, alles übertrieben, unkönnerisch vor) In dem Stück, welches der Squentz mit seinen Kollegen vor dem König spielen will, geht es um das Liebespaar Piramus und Thisbe. Piramus hat Thisbe zu einem Brunnen bestellt. Da kommt zu diesem Brunnen eine mächtige Löwin. Thisbe rennt vor lauter Angst weg, lässt aber ihren Mantel liegen. Auf diesen Mantel wirft die Löwin Junge und trollt sich dann mit denen. Wenig später kommt Piramus, findet den blutigen Mantel, glaubt, seine Liebste sei von Löwen zerfleischt worden, und ersticht sich vor lauter Verzweiflung. Später kommt Thisbe zurück, findet den Toten und ersticht sich ebenfalls.
Alle schweigen Squentz seufzend: Und diese Geschichte wird nur von mir den anderen erzählt? Die wird nicht gespielt?
40 Alle:
seufzen, stöhnen auf
Squentz:
Das wäre doch so schön traurig, das müsste doch am Hofe gespielt werden. Da würde vielleicht mancher eine Träne verdrücken, das wäre doch lustig.
Plamper energisch:
Genug der Theorie, jetzt ists Zeit für die Ohrfeigenübung. Aufstellung!
Die Spieler stellen sich zu Paaren, jeweils einer (A) mit dem Rücken zum Publikum, der andere (B)
45 seinem Partner gegenüber. B brüllt 'du Idiot' und deutet eine Ohrfeige an. A klatscht, fürs Publikum nicht zu sehen, in die Hände, schreit 'getroffen' auf und hält sich die Backe, dreht sich zum Publikum um und sagt entschuldigend 'Mir ist halt nichts Besseres eingefallen'. Die Paare spielen diese Übung sehr schnell, aber nacheinander und in einem Wechsel, der dem Publikum es unmöglich macht zu wis6
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
sen, welches Paar als nächstes kommt. Wenn alle durch sind, bücken sich alle mit durchgedrückten Knien, berühren den Boden mit den Fingerspitzen, richten sich langsam auf und steigern den Ausruf 'Haaaa!' von leise zu laut. Die größte Lautstärke wird erreicht, wenn die Arme und der Körper ganz nach oben gestreckt sind.
5 Black-out Zwischenmusik (etwas Barockes vielleicht), möglichst live danach volles Licht
10 Plamper
setzt sich ans Regiepult (auf der Bühne oder im Publikum): Die Handwerker zur ersten Durchlaufprobe bitte auf die Bühne! Wo ist der Peter Squentz? Ach, da bist du ja. Gut! Also, wir lassen mal den ersten Aufzug durchlaufen. Ich unterbreche nur, wenn nötig.
15 Erster Aufzug
20
Alle Spieler haben noch ihre normalen Sachen an, aber Kostüme sind angedeutet, hier ein Hut, da eine Schürze. Alle haben ihrem Handwerk entsprechendes Werkzeug als Requisit dabei. Squentz:
25
Also lasst uns am Hofe spielen. Der gestrenge Junker König ist ein großer Liebhaber von allerlei lustigen Tragödien und prächtigen Komödien. Ich möchte mit Eurer Hilfe eine jämmerlich schöne Komödie inszenieren , in der Hoffnung, nicht nur Ehre und Ruhm einzulegen, sondern auch große Verehrung für uns alle und für mich im Speziellen.
Bulla: Ich mach mit Pickel: Das wird was Tolles. Und alle Welt wird davon reden, welch treffliche Leute der König in unserem Dorf hat.
30 Kricks: Aber was für eine tröstliche Komödie wollen wir spielen? Squentz:
Von Piramus und Thisbe
Klotz: Ja! Herrlich! über die Maßen trefflich! Da kann man vieles draus lernen. Aber: Ganz schlimm ist, ich kenne das Stück nicht. Würden Eure Herrlichkeit, Herr Peter Squentz, geruhen, es zu erzählen
35 Squentz:
40
Nur zu gern. Das Stück basiert auf einer alten Geschichte. Piramus hat Thisbe, seine Liebste, zu einem Brunnen bestellt. Sie wartet auf ihn, der sich verspätet. Da kommt eine abscheußlich-hässliche Löwin, vor der Thisbe davonläuft, wobei sie ihren Mantel liegen lässt. Auf diesen Mantel wirft die Löwin Junge und trollt sich. Wenig später kommt Piramus, sieht den blutigen Mantel, glaubt, Thisbe sei gefressen worden, zieht ein Messer und erdolcht sich. Als nun Thisbe ihre Angst überwunden hat und zurückkommt, sieht sie ihren toten Piramus, nimmt verzweifelt das Messer und sticht sich auch in die Brust...
Pickel ganz gespannt: Und stirbt? Squentz:
Und stirbt!
45 Alle raunen durcheinander. Oh, ah 7
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Pickel: Das ist tröstlich. Es wird überaus schön anzusehen sein. Diese Liebe bis in den Tod! Schaurigschön. Aber verratet mir, Herr Peter Squentz: Hat der Löwe eigentlich viel zu sprechen? Squentz:
Nein, der Löwe muss nur brüllen
5 Pickel: So will ich der Löwe sein, denn ich lerne schlecht auswendig. Squentz:
Oh nein, Monsieur Pickelhäring muss eine Hauptrolle spielen.
Pickel: Sehe ich denn danach aus?
10
Squentz:
Freilich, Ja!
Klipperl:
Und wer soll den Löwen geben? Ich schlage vor, das mach ich, weil er nicht viel zu sprechen hat.
Kricks: Nun ja, aber es wäre falsch, wenn der Löwe nur grimmig hereingesprungen käme und schrecklich brüllte, aber kein Wort sagte. Da würden sich die Damen allzu heftig entsetzen. Klotz: Das meine ich auch. Insbesondere wegen der Schwangeren wäre es ratsam, wenn Ihr gleich beim Auftritt sagtet, Ihr wäret gar kein richtiger Löwe, sondern nur Meister Klipperl, 15 der Schreiner. Pickel: Und am besten lasst Ihr noch ein wenig vom Arbeitsschurz durch die Löwenhaut hervorlugen. Loll:
20
Wie kriegen wir überhaupt die Löwenhaut her? Ich hab sagen hören, ein Löwe sieht nicht viel anders aus als eine Katze. Wäre es da nicht gut, entsprechend viele Katzen zu schlachten, ihnen das Fell abzuziehen und euch nackend mit den noch blutigen Fellen zu überziehen, sodass sie umso fester an Eurer Haut ankleben?
Plamper: Loll:
Stopp! Das lassen wir weg! Das ist gestrichen!
Was? Jetzt? Wo ich den Text schon kann?
Plamper:
25
Ja! Das ist zu brutal! Das können wir dem Publikum nicht zumuten. Du fragst nur: Wie kriegen wir überhaupt die Löwenhaut her? Dann kommt gleich der Squentz mit seinem Einfall.
Kricks: Dan wird ja meins auch gestrichen. Bulla: Und ich darf gar nicht mehr sagen, dass ich mein Lebtag noch keine gelbe Katze gesehen hab. Plamper:
30 Loll:
Ich möchte das alles gestrichen haben. Also: Loll fragt und dann kommt gleich der Squentz! Los geht's!
Wie kriegen wir überhaupt die Löwenhaut her?
Squentz:
Ich habe einen Einfall: Wir spielen doch bei Kunstlicht. Nun hat mir mein Gevatter, Mester Ochsen-Fuß, der unser Rathaus angemalt hat, erklärt: Bei Kunstlicht wird grün zu gelb. Und mein Weib hat noch einen alten Rock in grün. Der wird dann gelb wie ein Löwenfell erscheinen.
35 Kricks: Da wird, glaub ich gut. Aber Klipperling darf seine Rede nicht vergessen. Klotz: Kümmert euch nicht darum, lieber Schwager. Herr Peter Squentz ist ein so gescheiter Mann, er wird dem Löwen schon die richtigen Worte ins Maul legen. Klipperl:
40 Squentz:
Kümmert euch nicht, macht euch keine Sorgen. Ich will so lieblich brüllen, dass König und Königin bitten: Liebes Löwichen, brülle noch einmal! Lasst euch unterdes die Nägel fein lang wachsen und den Bart nicht abscheren. So seht Ihr einem Löwen desto ähnlicher. So! Damit hätten wir das Problem erledigt. Ein anderes Problem: Nach der alten Geschichte schien bei Piramus und Thisbe der Mond. Nun wissen wir aber nicht, ob zur Aufführung der Mond tatsächlich scheinen will.
45 Pickel: Huuuuh, das ist tatsächlich ein Problem. 8
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Kricks: Wir brauchen doch nur in den Kalender zu sehen Klotz: Ja, hätten wir nur einen Kalender Squentz:
5
Der Mond muss dabei sein, wenn wir die Comedi spielen. Sonst ist alles Essig.
Kricks: Ich hab's: Ich werde mir Grünzeugs um den Leib binden, ein Kostüm als Busch tragen und eine Laterne an einer langen Stange tragen. Was haltet Ihr davon? Pickel: Das müsste gehen. Aber der Mond muss doch am Himmel stehen. Wie schaffen wir das? Squentz:
10
Wie wäre es, wenn wir den Mond in einen großen Korb setzen und mit einem Strick auf und ab lassen?
Kricks: Damit der Strick reißt, ich herunter falle und Hals und Bein breche? Besser wäre es, wenn ich die Laterne auf eine halbe Pick-Hacke hänge und so etwas höher rauskomme. Squentz:
Nec ita male! Nur das Licht in der Laterne darf nicht zu lange brennen. Denn, wenn Thisbe sich ersticht, muss der Mond seinen Schein verlieren, muss sich verfinstern. Aber ad rem! Wie werden wir es mit der Wand machen?
Pickel: Was für eine Wand?
15 Squentz:
Du lieber Himmel! Piramus und Thisbe müssen durch das Loch in der Wand miteinander reden.
Klipperl schnappt sich Bulla und demonstriert an ihm, was er im Folgenden erläutert: Am besten, wir beschmieren einen von uns rundum mit Lehm und stellen ihn auf auf die Bühne. Er verkündet einfach, dass er die Wand ist. Und wenn Piramus redet, so redet er ihm ins 20 Maul. Das ist das Loch. Und wenn Thisbe redet, dreht er ihr das Gesicht zu, sodass sie ihm ins Maul also ins Loch reden kann. Squentz:
Geht nicht! Thisbe muss dem Piramus den Liebespfeil durch das Loch rausziehen.
Pickel: Wir machen eine Wand aus Papier mit einem Loch drin. Bulla: Die Papierwand kann aber nicht reden
25 Kricks: Das ist auch wieder wahr Bulla: Ich mach mir eine Papierwand. Und weil ich noch keine Rolle habe, trete ich mit der Wand auf und sage: Ich bin die Wand! Squentz:
Apposité! Will sagen: Das paßt wie die Faust aufs Auge. Junker Pickelhäring, Ihr müsst den Piramus spielen!
30 Pickel: Prost Mahlzeit! Und was ist das für ein Kerl? Squentz:
Er ist die vornehmste Person im Spiel. Ein Chevalieur, Soldat und Liebhaber.
Klotz: Ja, Pickelhäring ist die führnehmste Person im Spiel. Er muss das Spiel zieren wie die Bratwurst das Sauerkraut. Pickel: Ein Soldat und Casanova? So muss ich lachen und sauer sehen können?
35 Squentz:
Aber nicht beides auf einmal.
Pickel: Das ist gut. Ich kann nämlich nicht beides zugleich wie der Hanswurst. Es steht auch so einer vornehmen Person wie ich bin nicht an. Sowas ist närrisch und keineswegs fürstlich. Und ich bitte euch, schreibt mir nicht zu viel Lateinisch in die Rolle. Die Wörter sind mir zu kauderwellisch und verwirren das ganze Spiel. Außerdem, weiß ich, kann ich 40 sie nicht behalten. Squentz:
Gut, gut! Aber jetzt will mir das Herz in die Hose rutschen....
Klotz: Weshalb, ehrenwertester Herr Peter Squentz? Squentz:
Wo nehmen wir eine Thisbe her?
9
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Loll fragt zum Regiepult hin: Müssten wir da nicht noch was ändern? Das Publikum versteht doch die Sorge vom Squentz gar nicht, weil wir doch Frauen im Team haben. Wir haben doch nicht bloß Männer.
5
Plamper:
Ihr werdet sehen, bei der Aufführung wird das alles ganz normal laufen. Das Publikum ist dann schon so drin, da wird sich keiner dran stoßen. Jetzt spielt mir das Ding um Himmels willen doch mal durch. Los, Squentz, frag nochmals!
Squentz:
Wo nehmen wir eine Thisbe her?
Loll:
10
Das kann der Mester Klotz-George am besten spielen. Der hat doch als Knabe damals schon mal die Susanna gegeben. Da hat er die Augen mit Speichel nass gemacht und sah so erbarmungswürdig aus, dass die alten Weiber weinen mussten
Squentz:
Und das geht ja nun nicht mehr, weil er jetzt einen so großen Bart hat.
Klotz zum Regiepult hin: Muss ich dann als Mester Klotz-George einen großen Bart haben? Plamper tut wie Rumpelstilzchen: Das ist hier eine Durchlaufprobe. Es sollte wenigstens eine sein. Man merkt, dass Ihr Amateure seid. Herr des Himmels noch mal. Ihr könnt doch nicht 15 dauernd aus Euren Rollen aussteigen!... Pickel: Aber ich sag doch als Nächstes: Kein Problem! Er mag sich das Maul mit einem Stück Speck umschmieren. So sieht er desto glatter aus und kann mit einer schmutzigen Goschen zum Fenster hinausschauen. Und der nennt den Vornamen des Mitspielers hat doch hier in Wirklichkeit noch gar keinen Bart. Da kann doch gar nichts mit Speck um20 schmiert werden. Plamper:
Ich hab mir das Problem notiert. Das lösen wir zur nächsten Probe. Jetzt geht's weiter. übrigens hatten wir statt schmutziger Goschen gesagt: Mit einer fettigen Goschen zum Fenster hinausschauen. Aber weiter, nur weiter, nur weiter! Kricks!
Kricks: Also nehmt die Rollen wie sie sind. Das Publikum sieht doch, dass Ihr nur Rollen spielt.
25 Plamper:
Danke, nennt den Vornamen des Spielers, der den Kricks spielt, aber den Kommentar hätt's jetzt nicht mehr gebraucht
Kricks: Aber das ist doch mein Text. Soll der auch gestrichen werden? Plamper:
30
Nein, nein. Entschuldige, Herrgott, ich bin schon ganz durcheinander. Dabei spielt ihr doch schön. Für ne Durchlaufprobe ganz prima. Nur - dass sie nicht durchläuft. Also weiter. Kricks, nochmal.
Kricks: Also nehmt die Rollen wie sie sind. Das Publikum sieht doch, dass Ihr nur Rollen spielt. Bulla: Meister Klotz-George, Ihr müsst nur fein leise, ganz leise sprechen Klotz ziemlich kräftig: Etwa so? Squentz:
Noch leiser
35 Klotz unverändert: Also vielleich so? Squentz:
Noch leiser
Klotz unverändert: Meint Ihr so?
40
Squentz:
Viel leiser
Klotz poltert:
Es wird schon hinhauen. Ich will so leise und lieblich reden, dass König und Königin einen Narren an mir fressen werden.
Loll:
Und was soll ich spielen?
Squentz: Loll:
Zum Donner! Bald hätten wir schier das Notwendigste vergessen! Ihr müsst der Brunnen sein!
Der Brunnen! 10
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Squentz: Loll:
Der Brunnen? Da muss ich ja lachen. Ich sehe ja einem Brunnen überhaupt nicht ähnlich
Squentz:
5
Der Brunnen! Ihr kennt doch die Brunnen-Figuren!?
Pickel: Ja seid Ihr noch nie in Aachen, Ulm oder Brüssel gewesen? Ihr Meistersänger kommt doch weit herum - und da habt Ihr noch nie solche Brunnenfiguren gesehen? Loll:
Doch, aber wie soll ich wasser von mir spritzen?
Pickel: Jetzt seid Ihr so alt geworden und wisst das nicht? Ihr müsst vornen! Squentz:
Holla, holla! Wir haben auch Damen im Publikum. Ihr müsst eine Gießkanne in der Hand haben. Und Ihr müsst auch Wasser im Mund haben und damit spritzen.
10 Klotz: Wird er auch sprechen können? Squentz: Loll:
Klar! Wenn er einen Vers geredet hat, muss er einmal spritzen. Nun zum Titel des Spiels: Wie soll es genannt werden? Comödi oder Tragödie?
Der berühmte Poet und Meistersänger Hans Sachs schreibt: Wenn ein Stück traurig ausgeht, ist es eine Tragödie. Weil sich hier nun zwei erstechen, geht es traurig aus. Ergo!
15 Pickel: Contra! Das Spiel wird lustig ausgehen. Denn die Toten werden in Wirklichkeit ja wieder lebendig, setzen sich zusammen und trinken kräftig einen. So ists eine Komödie! Squentz:
20
Loll:
Wir wissen doch noch nicht, wie's wird. Vielleicht wird's ein Reinfall, und wir bekommen garnichts. Am besten sage ich: Ein schönes Spiel, lustig und traurig zugleich.
Noch was: Wir sollten dem König eine Liste mit zehn Komödien anbieten, auf der diese als Letzte steht. Ich weiß, er wird nur diese Letzte wollen. Aber wir werden wegen des großen Repertoires als geschickte und hochgelehrte Leute dastehen
Squentz:
Gut also! Ich mach die Komödie morgen fertig. Ihr kriegt Eure Rollen übermorgen. Meistersänger Lollinger wird mir helfen, die richtigen Reime zu machen. Seid Gott befohlen!
25 Pickel: Ehren, wohlehren und hochverehrtester , tiefgelehrter und spitzfindiger Herr Peter Squentz, großen Dank, eine gute Nacht! Black-out Zwischenmusik
11
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Zweiter Aufzug Volles Licht
5 Alle Spieler außer Plamper auf der Bühne, palavern rum Plamper kommt aus dem Zuschauerraum ans Regiepult: Also Leute, dann wollen wir mal. Letzte Hauptprobe! Wir machen den 2. Aufzug. Ihr wisst, was das bedeutet. Wir beginnen mit dem König und dessen Satz vom Reichstag. Alle anderen machen die Bühne frei. Auf der Bühne nur der Hof, vollständig. Eubulus mit König und Königin, Prinz. Kon10 zentration, Licht. Spiel! König: Schön, dass der Reichstag so glücklich verlaufen ist und alle Abgesandten mit guter Vergnügung unterhalten wurden. Mit welcher Kurzweil, Herr Marschall, bringen wir nun den Abend rum?
15
20
Eubulus:
Durchlauchtigster König, es hat sich unlängst ein halbgebildeter Dorfschullehrer bei mir gemeldet, der mit etlichen Gesellen eine kurzweilige Komödie aufführen möchte. Ich habe mir eine Probe angesehen und das Ganze für so annehmbar gehalten, dass ich die Truppe für heute Abend herbeschieden habe. Eure Majestät werden ob der Leute Einfalt und angesichts ihrer wunderlichen Erfindungen nicht wenig sich belustigen.
Königin:
Wir sind sowohl von Komödien als auch von Tragödien angetan. Lasst hören, was die guten Leute spielen wollen.
Eubulus:
Durchlauchtigste Herrschaften, sie bieten das übliche Repertoire der Wanderkomödianten an. Sie sollten selbst wählen, was Ihnen am angenehmsten dünkt.
Prinz: So lasst das Register hören! Eubulus liest ab: Ein schönes Spiel von der Zerstörung Jerusalems Die Belagerung von Troja Die Komödie von der Susanna Die Komödie von Sodom und Gomoorrha Die Tragödie von Ritter Petern mit dem Silbernen Schlüssel Vom Ritter Pontus 30 Von der Melusina Von Artus und dem Ostwind Von Carolus Quinque Die Komödie von Julius unus Vom Herzog und dem Teufel
25
35
Und schließlich ein schönes Spiel, lustig und traurig, kurz und lang, schrecklich und erfreulich, ein Stück mit dem Titel Piramus und Thisbe. Es hat hinten und vorn nichts, und es ist eine Welturaufführung, ist also noch nie gedruckt, geschweige denn gespielt worden. Geschrieben durch den Dorfschulmeister Peter Squentz höchstselbst. übergibt die Liste dem König
40 Prinz: Ganz klar: Die guten Schlucker haben bloß das letzte Stück auf der Pfanne. Deswgen haben sie das so besonders herausgestrichen. Ruft den Prinzipal herein, wir wollen ihn prüfen. Eubulus:
Durchlauchtigste Herrschaft. Er ist ein schlechter guter Mann. Wir sollten ihn nicht einschüchtern, denn damit kommen wir um die Komödie und um die erhoffte Lust.
45 Prinz: Nur herein mit ihm. Wir werden schon mit ihm umzugehen wissen. Peter Squenz scheint von außen in den Raum gestoßen, stolpert herein Eubulus:
Das ist die bewusste Person, Durchlauchtigste Herrschaften 12
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Prinz: Seid Ihr der Autor der Komödie? Squentz:
Ja, mit Zuchten zu melden, Durchlaucht
König: Woher seid Ihr? Squentz:
Junker König, ich bin ein Oberländer
5 König: Was habt Ihr studiert? Squentz:
Ich bin ein Universaler, das heißt, in allen Wissenschaften bewandert
König: Was tut Ihr? Squentz:
10
Ehedem bin ich fest angestellter Glockenzieher des Spittel-Glöckleins gewesen. Weil ich mich aber über die Maßen auf die Musik des Glockenklanges verstehe, bin ich nun in Rumpelskirchen wohlbestallter Handlanger des Wortes Gottes, also Schreiber und Schulmeister sowie Expectent also Anwärter aufs Pfarramt, wenn die anderen alle tot sind
König: Könnt Ihr denn das alles auch? Habt Ihr genügend Bildung?
15
20
25
30
Squentz im Brustton: Aber sicher! Die ganze Welt zerfällt in vier Teile: Europa, Asien, Afrika und Amerika. Europa ist der vornehmste, bedeutendste Teil. Es gibt verschiedene Königreiche in Europa: Spanien, Portugal, Frankreich, Deutschland, Moschkau, England, Schottland, Dänemark und Polen. Unter all diesen ist aber das Oberland das Bedeutendste. Oberland teilt sich in Großoberland und Kleinoberland. Großoberland hat den Vorzug. Deswegen heißt es ja auch Großoberland. Es gibt verschiedene Kreise in Großoberland: der Niesische, der Gryllische, der Würmische. Und da gibt es Städte, die herausragen: Fortzenheim, Narrenburg, Weißfischhausen, Kälberfurt, Mägdeflecken. Die letztere Stadt, in der ich übrigens studiert habe, ist die trefflichste. Denn die Mägdelein oder Jungfrauen gehen voran, haben den Vorzug. In Mägdeflecken gibt es verschiedene Gassen: die Lange, die Enge, die Rechte, die Krumme, die RosmarinGasse, die Graupen-Gasse, die Kerbe-Gasse und vor allem die Lilien-Gasse. Sie ist die trefflichste, da dort schon immer die vornehmsten gelehrten Menschen wohnen, so Meister Girge Hackenbank, Matz Strohschneider, Meister Bullabutan, Meister Kricks, Meister Klipperling und vor allem ich, der herausragende unter diesen Bewohnern. Also ergibt sich: Ich bin der vornehmste, wichtigste Mann in der ganzen Welt. Also in Europa, Afrika, Asien und Amerika gleicht mir keiner. König: Wir sind ganz überrascht, welch stattliche und treffliche Menschen wir in unserem Lande haben. Prinz: Aus dem reichen Schatz Eures Repertoires wünschen Majestät die erste Komödie zu sehen, die von der Zerstörung Jerusalems
35 Squentz:
Teufel auch
König: Was sagt Ihr? Was steht Ihr da wie eine Salzsäule. was überlegt Ihr so lang? Squentz:
Nun ja, eigentlich wollten wir gerade dieses Stück zeigen. Aber: Ihr müsst Jerusalem erst aufbauen, dann wollen wir auftreten, es zerstören und einnehmen.
Königin:
Wie steht's denn mit der Belagerung von Troja?
40 Squentz:
Da sieht's genauso aus. Baut Ihr's auf, das Troja?
Prinz: Mich würde brennend die schöne Susanna interessieren Squentz:
Das ist sehr gut. Ich gebe nur zu bedenken, ob es vor den Frauenzimmern schicklich ist, wenn die Susanna nackend zum Bade geht.
König: Was sagt Ihr zu Sodom und Gomorrha?
45 Squentz:
Das würden wir hervorragend spielen, aber es würde viel Feuerwerk dazugehören. Und das kommt euch nicht billig 13
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Königin:
Und welches Problem gibt es mit dem Ritter Petern?
Squentz:
Das wäre eine sehr gute Aufführung. Nur müsstet Ihr noch 14 Tage warten, bis wir sie realisiert haben
Königin:
Und das Stück mit dem Ritter Pontus....?
5 Squentz:
Oh Pontus...der ist uns leider kürzlich weggestorben
Prinz: Aber die Melusine können wir sehen, ja? Squentz:
Da erwischen Sie mich an einem wunden Punkt. Den Titel hat der Meister Lollinger ohne mein Wissen auf die Liste getan. Aber ich werde ihn zur Verantwortung ziehen
Prinz: Können den Artus und der Ostwind miteinander fechten?
10 Squentz:
15
Ja! Natürlich! Allerdings...der, welcher den Ostwind spielt, ist just nach Wolle umgezogen. Zu Schlieren Schlaff. Wenn Ihr Geduld habt, bis er wiederkommt, geht alles klar
Königin:
Was ist denn mit dem verheißungsvollen Carolus?
Squentz:
Da mangelt's an Kostümen. Und außerdem ist es da wie mit dem Julius unus: In beiden Stücken ist zu viel Lateinisch. Die hohen Frauen würden sich langweilen
König: Jetzt aber: Den Teufel und den Herzog, den könnt Ihr doch wohl bringen! Squentz:
Im Prinzip ja...auf jeden Fall! Ich nehme nur an, dass Ihr mit mir der Meinung seid, dass die Kinder wegen der schrecklichen Teufeln so laut weinen möchten, dass man kein Wort mehr versteht. Und das wollt Ihr doch nicht, nehme ich an. Es scheitert nur daran
Königin:
Ich sehe, Ihr seid vortrefflich vorbereitet. Bleibt nur zu sagen, was mit dem allerletzten Stück auf Eurer Liste ist, mit Piramus und Thisbe
Squentz:
Eure Wahl ist vortrefflich. Die spielen wir aus dem Stand. Es ist eine Welturaufführung. Das Stück ist erst vor drei Tagen fertig geworden
20
25 König: Wohlan! Ihr habt uns überzeugt. Piramus und Thisbe. Das wird das Beste sein. Bereitet euch vor, Herr Marschall, lasst die Komödianten bewirten. Nach vollendeter Abendmahlzeit haltet euch mit Eurer Truppe zur Verfügung Squentz:
Sehr wohl, gestrenger Herr ab
Prinz: Wunderbar, einmalig
30 König: Bei Gott, Marschall, Ihr habt stattliche Kurzweil geplant. Wenn sich das Spiel so herrlich erweist wie das Vorspiel ahnen lässt, wird niemand unter den Zuschauern eines Schnupftuches zum Trocknen der Tränen bedürfen Königin:
Es sei denn, dass einem vor Lachen die Tränen kommen
Prinz: Was sehr wahrscheinlich ist
35 Eubulus: Alle:
Ihre Majestät werden Wunder sehen und hören. Ich hätte selbst nie gedacht, welche vortrefflichen Qualitäten Herr Peter Squentz in sich hat.....
lachen
Black-out
40 Zwischenmusik Pause
14
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Zwischenmusik
Dritter Aufzug volles Licht
5 Plamper spricht zur vollständig auf der Bühne versammelten Spielgruppe:
Leute, morgen ist der große Premierentag. Ich sag's nochmal: Der erste Teil der Generalprobe ist wirklich gut rübergegangen. Ich will euch nicht zu viel loben, sonst klappt gleich der zweite Teil gar nicht. Und dass nach einer verpatzten Generalprobe eine gute Premiere kommt, ist reiner Aberglaube. Also strengt euch jetzt auch im zweiten Teil an. Morgen ist der Rektor da und die Presse womöglich. Da muss dann alles sich bewähren. Ich will heute ahnen können, dass der schwierige zweite Teil auch hält. Also ran! Jetzt kommt der dritte Aufzug
10
Kricks streckt Plamper:
Ja [nennt den Vornamen des Spielers], was gibt's noch?
15 Kricks: Kann ich noch mal zum Klo? Plamper:
20
Jetzt? Herr Gott, hau ab! Aber schnell! Du bist ja nicht sofort dran. Also - alle anderen Aufstellung zum dritten Aufzug. Konzentration, Licht, Spiel. Ach Moment mal noch! Technik, könnten wir mal ne Nachtstimmung haben? Bitte mal 30 Prozent. Ja, mal 50 Prozent. Ja gut, haben wir irgendwo auch noch blau? Oh, schön. Danke. Das lassen wir so. Also: Konzentration, Spiel!
König: Unsere Komödianten kommen spät Königin:
Gut Ding will Weile haben
Eubulus:
Mir deucht, sie kommen
Prinz: ja, Herr Peter Squentz beginnt sich zu räuspern
25 König: Wenn man vom Teufel spricht... Königin:
Was will der läppische Tropf mit dem Stück Holz?
Eubulus:
Er mimt damit den Zeremonienmeister, will die Vorred halten
Prinz: So macht er sich zum Narren
30
Squentz:
Hochverehrtes Publikum Wir haben gesessen manche liebe Nacht Eh' wir die fröhliche Tragödie zu Wege gebracht Nu was des Spiel summieren summarum sei sag' ich euch hier mit großem Geschrei
verstummt, kratzt sich am Kopf
35 Königin:
Fahrt nur munter fort
Squentz versucht sich zu erinnern: Ja du blöder Kopf, musstest du den Text vergessen? Das ist die erste Panne! Die erste Sau! Zu Hause hab ich's schlappermensch noch gut gekonnt 40 Mein Weib und die anderen Spieler sind Zeuge sucht in seinem Textbuch, liest dann ab Im übrigen sag' ich euch dies für wahr es soll dem Spiel an nichts fehlen um ein Haar sodass Ihr das Lachen nicht könnt lassen 45 so sehr werden wir euch schlagen auf die Taschen Ich sag euch das, Ihr Alten und Ihr Jungen 15
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
so sehr werden wir euch schlagen auf die Zungen Prinz: Meine Güte, sind das treffliche Verse Königin:
Ganz nach der Art der alten Pritschenmeister Reime
König: Wenn sie besser wären, hätten wir gar nichts zum Lachen
5 Squentz:
10
15
20
25
Speiet aus und räuspert euch zuvor Und gebet uns denn ein liebreiches Ohr Ihr werdet hier schöne Sachen fassen Wenn Ihr euch nur wollt lehren lassen Kommt heraus, Ihr lieben Komödianten Gehet einmal auf und nieder stellt euch an die Seite wieder dreht euch noch einmal herum Meister Mondschein, geht nicht so krumm Meister Bullabutan, kommet zur Hand er vertritt in dem Spiel die Wand Dann kommt Piramus unverdrossen Danach die Thisbe, macht ihm Wunderpossen Der Löwe steht noch in der Ecken um euch nicht gleich zu erschrecken Meister Lollinger schön und fein wird ein wasserspritzender Brunnen sein Nun geht wieder hinter den Vorhang fort und sprecht nachher alle Eure Wort Ich will hier im Eckchen sitzen und soufflieren wenn die anderen das Spiel um Piramus und Thisbe tragieren
setzt sich auf einen Schemel und nimmt den Text vor. Eubulus stößt ihn an, er fällt und verliert seine Textblätter, die durcheinander kommen Squentz sammelt die Blätter ein und beschwert sich: Hochverehrter König, ich muss sagen, dass es an Eurem Hof ziemlich viele Narren, Dummköpfe und ungeschickte Tölpel gibt.
30 Prinz: Wunderbar, da kommt die Wand Königin:
Treffliche Erfindung
König: Ob die Wand auch spricht? Bulla: Ihr Herren hört mir zu mit offenen Ohren Ich bin von ehrlichen Leuten gezeugt 35 Mein Großvater ward gefangen und gebunden und wurde - wie man so sagt - schwer abgezogen Mein Vater war aller Bettler König und hat mir vererbt - nicht besonders viel Obwohl ich schon in jungen Jahren 40 so mancherlei gesehen und - gelernt wurde es doch nur zu meiner Sache dass ich nun Blasenbalken baue Doch Peter Squentz hat mich als so tüchtig erkannt dass ich nun mime in diesem Stück die Mauer 45 Ich bin die Mauer, sollt Ihr wissen lasst es euch einfach nicht verdrießen Piramus tritt auf, geht mehrmals hin und her:
Was soll ich noch mal sagen?
Squentz:
Das ist die zweite Sau
Piramus:
Das ist die zweite Sau. Nein...das ist nicht mein Text. 16
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Squentz:
Gleich wie...
Piramus:
ja, ja, ja, ja, ja, gleich wie... gleich wie.... gleich wie die Kühblum auf em Acker verwelkt, die früh gestanden wacker so trocknet aus der Liebesschmerz der Menschen ihr gar junges Herz ei, ei, wie kribbelt mir der Leib nach einem jungen, schönen Weib Thisbe ist es, die mich so plaget nach der meine arme Seele fraget ich weine Tränen aus wie Flüsse wie ungeheure Wassergüsse Und kann sie doch nicht sprechen an die Wand allein ist schuld daran du lose, gottsverfluchte Wand ich wollte, dass du wärst verbrannt du blöde, dumme Wand die mir immer nur im Wege stand
5
10
15
Prinz: das muss eine harmlose Wand sein, die sich überhaupt nicht rechtfertigen will
20 Bulla: Ich habe nichts auf meinem Rollenzettel. Ich darf ja gar nichts mehr sagen, sonst würde ich ihm schon contra geben Piramus:
Du lose, ehrvergessene Wand du schelmische, diebische, leichtfertige Wand
25
Bulla: Hey Pickelhäring! das ist wider Ehr und Redlichkeit. So ist es auch nicht geschrieben. Das gehört gar nicht zu deinem Text. Ich bin ein zunftmäßiger Mann. Spiel so korrekt, dass es zu ertragen ist - oder ich schlage dir die Wand um die ungewaschene Gosch Piramus:
Du rotziger blasebalkenmacherischer Tagedieb! Darfst du mich duzen? Weißt du nicht, dass ich ein königlicher Diener bin? Schau, das hat so ein Halunke wie du verdient!
30 schlägt ihn, beide raufen Squentz versucht zu schlichten, gerät zwischen die Fronten, kriegt was ab: Oje, oje, das ist die dritte Sau! Ja, schämt ihr euch nicht? Vor dem König zu raufen! Meint ihr, dass er eine Hundsfott ist? Hört auf, in aller Henker Namen! Hört auf! Hört auf, sag ich! Nehmt Eure Plätze ein, wie geprobt! Seht Ihr nicht, dass Thisbe naht?
35 Plamper:
[nennt die Vornamen vom Spieler des Piramus und der Wand,] das wäre ja nun nicht nötig gewesen, zur Generalprobe die Wand zu zerdeppern! Wer macht die denn wieder?
Alle nehmen wieder ihre Plätze ein Thisbe: Wo soll ich hin, wo komm ich her? Ich sinne bei mir die Länge und die Quer mein ganzes Herz im Leibe bricht verdunkelt ist mein Angesicht Die Liebe hat mich ganz besessen Und will mir Lung und Leber fressen 45 Ach Piramus, du edles Kraut, wie hast du mir mein Herz zuhaut kann sich das Lachen immer weniger verkneifen ach könnte ich doch bei dir sein meines Herzes liebes Schätzelein 50 unter Lachen in komischer Verzweiflung
40
17
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Ach Mann, Herr Plamper, was soll ich machen? an dieser Stelle muss ich immer lachen. Plamper:
5
Herrgott, [nennt den Vornamen des Spielers der Thisbe], das lief doch bisher so gut. Wenn du morgen vor Publikum auch lachen musst, dann dreh den Zuschauern den Rücken zu und zucke so mit den Schultern, dazu schniefst du noch ein wenig. Dann meint jeder, du müsstest weinen, das passt doch an der Stelle zur Thisbe. Klar?
Thisbe: Ok. Also ich probiers mal: Ach könnte ich doch bei dir sein meines Herzes liebes Schätzelein 10 ach, dass ich einmal bei dir wär Ja, wenn die lose Wand nicht wär Prinz: Jetzt wird wieder über die arme Wand hergezogen Königin:
Ich möchte die Wand nicht sein in diesem Spiel
Thisbe: Doch schau, was seh ich hier vor mir? 15 Ein Loch so groß als eine Tür ach könnt ich Piramus nur sehen doch halt! ich glaub ich seh ihn gehen Piramus:
20 Squentz: Piramus:
Potz! Hör ich da nicht Thisben sprechen? Ich muss das Loch noch größer brechen Untersteht euch! Es ist groß genug! Liebste Thisbe, seht Ihr mich?
Thisbe: Oh ja, du königliches Angesicht Piramus:
Wie geht es dir, mein tausendschatz?
Thisbe: Im Augenblick sehr wohl
25 Piramus:
Aber ich bin krank
Thisbe: Wo tut's euch weh? Piramus:
Der Liebe Pfeil hat mich ins Herz getroffen. Ach, zieht ihn raus
Thisbe: Wohl, wohl! Tretet nur vor das Loch und stellt euch auf den Füßen hoch! Da ist der Pfeil... Piramus:
ei, ei, ei, wie schmerzt er mich
30 Thisbe: Geduld! Nun hab ich ihn. Seid Ihr nun heil, mein Zuckermäulchen? Piramus:
Ich fühlte noch viel weniger Schmerzen, würdet Ihr die Wunde herzen
Thisbe: Reicht es so? Piramus:
Setzt noch einen Kuss dazu
Thisbe: Nun wohl. Wer aber heilet meine Pein?
35 Piramus:
Ich, mein Turteltäubelein
Thisbe: Ich hab geschlafen mit offenem Mund, da kam Amor, der tolle Hund Piramus:
Sobald der Mond aufgeht, wollen wir beim Brunnen zusammenkommen. Da will ich Euren Schmerz vertreiben.
Thisbe: Gott geb euch unterdessen eine gute Nacht
40 Piramus:
Mein halbes Herz im Leibe lacht
Thisbe: Nun guten Abend! Bis auf die Nacht! Piramus:
Schlaf Liebste, bis Ihr auferwacht 18
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Bulla: Ade, ich zieh nun auch dahin Gottlob, dass ich bestanden bin König: Blasebalkenmacher, hüte dich, da hinten Händel mit dem Piramus anzufangen, die Komödianten irre zu machen und das Spiel zu verderben. Dann wartet der Trumm auf dich
5 Bulla: Wohl, wohl. Ich habe auch keinen Text mehr geht ab, Kricks tritt mit dem Mond auf Königin:
Behüt uns Gott! Was soll das bedeuten?
Squentz:
Tugendsame Königin, das ist der Mond
Königin:
Das ist der Mond und sieht so finster aus?
10 Squentz:
Ja doch, er ist erst im ersten Viertel
König: Ich hätte lieber einen Vollmond gesehen Prinz: Warum ist keine größere Kerze in der Laterne? Kricks: Das Spiel ist kurz, darum muss auch das Licht kurz sein. Außerdem muss das Licht ausgehen, wenn Thisbe sich ersticht.
15 Squentz:
Nicht erschrecken! Sie ersticht sich nicht wirklich.
Kricks: Ja, sie ersticht sich nur zum Schein. Aber dann muss der Mond verlöschen Prinz: Wenn auch noch der Mond verfinstert wird, dann ist das ja ein ganz erschröckliches Schauspiel Kricks: Ja freilich! Jetzt aber haltet die Fressen zu Und höret, was ich zu sagen habe: Jetzt komm ich hereingehunken, bin aber nicht, wie ihr meint, trunken ich bin geboren von Constant Tinopel ist mein Vaterland 25 Ich schmiede wacker von früh bis spät schlag wacker zu, so fest es geht Nun bin ich der Mondenschein bei dessen Glanz sich Thisbe ersticht
20
30
Squentz:
Doch nicht in echt, das wär nicht recht so schein, du lieber Mond, nur scheine da kommt der frische Bronn hereine
Loll tritt auf, singt als Meistersinger natürlich seinen Text: Ich bin der lebendige Brunnen purr, purr, purr ich habe Wasser gewonnen 35 im Winter und im Sommer habt doch nur keinen Kummer im Sommer und im Winter hab ich Wasser vorn und hinter, purre, purre, purre, e, e, e, e ihr könnt alle hier trinken 40 könnt euch alle laben, wollt ihr Wasser haben, pur, pur, pur, pur nach meinem süßen singen lass ich Wasser springen lyri, lyri, lyri Prinz: Den könnten wir gut im Lustgarten brauchen
45 Königin: Squentz:
Was ist das für ein süßes Ding mit einer grünen Decke? Das ist doch der grimmige Löwe 19
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Eubulus:
Hatte man ihm nicht einen Zettel anheften sollen, auf dem groß LöWE draufsteht?
Klipperl:
Ihr lieben Leut, erschrecket nicht Ich bin kein echter Löwe, bin nur Klipperling der Schreiner Ich bin doch ja ein armer Schinder hab das Haus voll kleiner Kinder die fressen mir armem Tropf doch glatt das gesamte Haar vom Kopf die große Not hat mich hergetrieben sonst wäre ich wohl weggeblieben Ich hoff, Herr König werden sich erbarmen uns Komödianten, uns armen wenn wir das Spiel halbwegs überleben eine kleine Gage geben Nur dieserhalb mim ich den Löwen
5
10
15 König: Donnerwetter! Der Löwe vermag wohl für sich zu sprechen. Auf diese Weise erfahren wir über eine Komödie von Dingen, die uns bislang im Leben noch nicht zu Ohren gekommen sind. Sag Löwe, hast du noch viel zu reden? Klipperl:
Nein, ich muss nur brüllen
Thisbe: Die süße Nacht ist nun gekommen Wo find ich Piramus, wo ist er hin? Nach ihm steht all mein Herz und Sinn Wenn ich's habe Recht vernommen wollt er hierher zum Brunnen kommen Doch hilf mir Gott, was seh ich hier? 25 einen grimmigen Löwen, ein böses Tier Löwe miaut wie eine Katze Jetzt muss ich schleunigst laufen sonst frisst er mich über den Haufen Lieber Löwe lass mich leben 30 will dir meinen Mantel geben
20
nimmt den Mantel, haut ihm den Löwen um die Ohren, läuft davon Klipperl miaut, nimmt den Mantel, stellt sich neben den Mond Kricks: Klipperling, du musst abgehen. Herr Peter Squentz hat gesagt, es ist dilletantisch, auf der Bühne zu bleiben und zuzugaffen
35 Klipperl:
Ach nee, und du? Du stehst ja selber da
Kricks: Du hast ein Maul! Man möchte es mit Säudreck füllen und mit Eselsfürzen verbrämen. Geh hintern Vorhang oder ich will dir Beine machen! Klipperl:
40 Loll:
Du lahmer französischer Schmied, du willst mir Beine machen?! Ich sehe dem Spiel genauso gern zu wie du.
Jetzt haltet bloß Ruhe. Ihr werdet mich sonst umstoßen und mir das ganze Wasser verschütten.
Doch der Mond schlägt dem Löwen die Laterne auf den Kopf. Der Löwe erwischt den Mond bei den Haaren. Im Getümmel werfen sie den Brunnen um. Dessen Krug geht zu Bruch. Squentz will schlichten, bezieht von allen dreien Prügel: Friede, Friede! Pax vobis! Schämt ihr euch nicht? Haltet ein! Löwe raus! Nach hinten! Meister Mondenschein, auf eure Po45 sition! Thisbe, hol einen anderen Krug! Schluss sag ich! Brunnen, los, dahin! Mond, scheine wieder! O Gott, das war eine schreckliche Sau! Alles versaut. Die schlimmste Panne. Nahe am Theaterskandal! Klipperl:
Herr Plamper, der [nennt den Vornamen des Spielers des Mond] hat wieder richtig zugehauen. 20
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Kricks: Dafür hast du mich ganz schön an den Haaren gezogen Plamper:
5
Jetzt treibt das Spiel nicht noch auf die Spitze. Bei der Premiere morgen müsst ihr übrigens darauf achten, dass die Laterne auch ausgeht. Jetzt weiter. Der Prinz. Los!
Prinz: Der Mond hat dem Löwen tüchtig heimgeleuchtet. Ich wette, er wird bald grün und blau aussehen Klipperl:
Sag ich doch
Plamper:
Ruhe, weiter!
Eubulus:
Der Mond ist seinerseits im Zeichen des Löwen gewesen, will sagen: Er wird seinerseits ganz schön gezeichnet sein
10 Pause König: Was ist los, Squentz? Kommt noch was? Squentz:
Ho Piramus, Piramus! Piramus ho! So lasst verdammt noch mal den König nicht so lange warten
Thisbe: Er ist noch schnell etwas trinken gegangen
15 Squentz: Piramus:
20
25
30
Nein, nicht schon wieder eine Sau! Der Hauptdarsteller verpasst seinen Auftritt! Herr König, das ist nicht meine Schuld! Ah, Gott sei Dank, da kommt der Held... Wie werd ich meinen Schatz umfangen Sie fassen in den zarten Arm und drücken, dass ihr Herz wird warm Wie? Ist das nicht ihr Mantel hier? O lieber Gott, was soll das sein? der Mantel blutet wie ein Schwein Mir scheint, ein grimmiges Tier hat sie erbissen mir ists als hätt ich in die Hos geschschsch o hätte ich mein Schwert bei mir ich mag nicht länger auf Erden bleiben will mich irgendwie entleiben Ich laufe mit dem Kopfe gegen die Wand oder ersteche mich mit eigner Hand Mein lieber Hals, nun bist du dran es ist zwar wirklich schad um dich doch frisch auf und mach den Stich
Zieht ein ganz einfaches Plastikmesser aus einem Campingbesteck und wendet sich an den Hof
35
40
Erschrecket nicht, ihr guten Leute, ich werde mich nicht in echt erstechen. Es ist nur Spiel. Wer nicht zusehen kann, gehe hinaus oder schließe wenigstens die Augen, bis ich die schreckliche Tat verrichtet habe. Nun segne dich Gott, Trinken und Essen Ihr Birnen und äpfel, ich muss euch vergessen ade, ade, ihr Alt und Jung der Tod tut nach mir einen Sprung Segne euch Gott, klein und groß der Tod gibt mir jetzt einen Stoß spricht zur Königin
45
Allergnädigste, keine Angst, ich tu nur so! Bestimmt! Ich werde mich nur mit dem Griff erstechen macht das Wams auf, setzt den Messergriff an die Brust, markiert den Stich, fällt zu Boden, zuckt Nun hab ich's getan, nun bin ich tot 21
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
steht noch mal auf, läuft taumelnd Ach, wie wird Thisbe mich beweinen Mein Leben hat ein End ich fall auf Bauch und Händ
5 fällt nieder, heult lang gezogen, verdreht die Augen, letzter Schnapper König: Ein schrecklicher Tod, wer ihn nur recht beweinen könnte... Thisbe: Wo find ich Piramus? Ich will ihn suchen dort im Gras am Brunnen. was ist das? 10 Hilf Gott! Es ist mein Piramus Ich will ihm stehlen einen Kuss Aber ach, wie ist er kalt Und hat so eine bleiche Gestalt Er ist tot, hat sich erstochen 15 Ach weh! Was fang ich an? Da du den letzten Schnapper hast getan? Sag doch noch ein Wort zuletzt Piramus:
Hab keinen Text
Prinz: Dann geht's ja noch, wenn die Toten reden können
20 Squentz: Piramus:
Potz Blitz, die nächste Panne, wieder eine Sau! Piramus! Ihr seid tot! Da gibt's nichts mehr zu schwätzen. Liegt still! Zum Donnerwetter! ok, ok
Thisbe: Was mach ich denn nun allein auf dieser Welt? Ich werde mich wohl auch erstechen....nimmt das Plastikmesser, hebt das lange Kleid hoch, setzt unter dem Kleid den Stich in die 25 Brust an, das Plastikmesser bricht ab, Pause Herr Plamper, haben wir denn morgen zur Premiere tatsächlich einen Degen oder machen wir's weiter mit dem Plastikmesser? Plamper:
Ich geb mir die Kugel! Ihr habt Sorgen...Das merkt man sich für nachher. Dann kann man fragen. Spielt gefälligst diese elende Generalprobe zu Ende - oder ich verende...Weiter
30 Piramus reicht Thisbe ein neues Plastikmesser Thisbe: Tschuldigung, Herr Plamper, also: Ich werde mich wohl auch erstechen setzt erneut das Messer an mein Piramus, ich folge dir! ade mein liebes Mäuselein ich steche mir ins Herzhäuselein
35
sticht sich unterm Kleid, fällt schwer kreuzweis über Piramus Schaut alle, nun bin ich verschieden lieg allhier und schlaf in Frieden
40
Piramus:
Ey Thisbe, es schickt sich nicht also, die Weiber müssen unten liegen
Plamper:
Moment, [nennt den Spieler des Piramus beim Vornamen], das streichen wir - auch wenn es Original-Gryphius ist.
Piramus:
Jetzt, wo ich endlich den Text kann?
Thisbe: Wir sind doch keine Fünftklässler mehr. Das Stück ist doch ab 12
45 Plamper: Piramus:
Nein! Das bringen wir nicht! Dann mach ich 'nen anderen Vorschlag: 22
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Ey Thisbe, du, hör einmal her Geh von mir runter, du bist zu schwer.
5
Plamper:
Na gut. Weiter. Wer kommt dann?
Königin:
Ich muss sagen: Das ist ja eine wüste Sache Ich muss aufpassen, dass ich nicht lache
Prinz: Und ich muss fragen: Wer wird denn die Toten begraben? Und dann muss Piramus noch was sagen Piramus:
Wenn Brunnen und Mond gegangen will ich Thisben von hinnen tragen das sag ich noch - und dann kommt der Squentz
Plamper:
Gut, gut. Dann tretet mal alle außer Squentz ab!
10
alle außer Squentz gehen ab Und [nennt den Vornamen des Spielers des Squentz], du kommst mit dem Epilog
15
Squentz:
Hiermit endet die Tragödie Daraus ihr alle, jedermann, Lehr und Trost und Warnung nehmen kann Zum Beispiel wie gut es sei dass er von Liebe bleibe frei
Oder: Ihr Jungfrauen denket dran: dass, wenn ihr im Grase schlafen wollt ihr den Mund nicht offen stehen lassen sollt Sonst kreucht euch die Liebe in den Hals und die Liebe, die verderbet alle Ansonsten darfs ich wagen 25 und noch meinen Schlussvers sagen Ob Sommer, Winter oder Lenz Gute Nacht wünscht der einmalige Herr Squentz
20
Plamper:
Nachbarin, euer Fläschchen. Ich fall in Ohnmacht. Durch das Kuddelmuddel vorhin sind alle abgegangen. Dabei musste der Hofstaat für den Epilog doch bleiben....Herr des Himmels! Aber das lassen wir jetzt. Also - das haut dem Fass die Krone ins Gesicht! Ich brech zusammen und die Probe ab. Das kann ja morgen nur noch besser werden.
30
35
Halt, halt, halt! Da fällt mir auf, Es fehlt ja der Hofstaat...
Thisbe aus dem Off: Herr Plamper, können wir nicht von da an, wo der Vorname des Spielers des Priamus zu mir sagt 'Ey Thisbe, du, hör mal her....' Plamper schneidet ihm das Wort ab: zentration, Spiel! Piramus:
40 Königin:
Na gut, aber flott. Ich muss auf den Zug. Alle aufstellen. Kon-
Ey Thisbe, du, hör einmal her Geh von mir runter, du bist zu schwer. Das ist ja eine wüste Sache Ich muss aufpassen, dass ich nicht lache
Prinz: Wer wird denn die Toten begraben? Piramus:
Wenn Brunnen und Mond gegangen will ich Thisben von hinnen tragen
45 Mond und Brunnen treten ab, Thisbe springt Piramus auf den Arm, der schleppt sie weg Squentz:
Hiermit endet die Tragödie Daraus ihr alle, jedermann, 23
H. Koch, Absurda Comica oder Herr Peter Squentz
Lehr und Trost und Warnung nehmen kann Zum Beispiel wie gut es sei dass er von Liebe bleibe frei Oder: Ihr Jungfrauen denket dran: dass, wenn ihr im Grase schlafen wollt ihr den Mund nicht offen stehen lassen sollt Sonst kreucht euch die Liebe in den Hals und die Liebe, die verderbet alle Ansonsten darfs ich wagen 10 und noch meinen Schlussvers sagen Ob Sommer, Winter oder Lenz Gute Nacht wünscht der einmalige Herr Squentz
5
Plamper:
15
20
25
Wenn der Spruch doch gilt 'Je schlechter die Generalprobe, desto besser die Premiere', dann wird's morgen ein glanzvoller Abend! Proben wir noch die Applausordnung: Nehmen wir zunächst alle auf die Bühne. Los, los, los - alle an die Rampe! Verneigung! Das Publikum wird hier mindestens klatschen. Alle ab, husch, husch, husch. Dann kommt einmal der Hofstaat. Verneigt sich, geht ab. Schneller ab! Dann kommen die Handwerker, verneigen sich, gehen rasch ab. Rasch sag ich! Dann wieder alle. Kommt, kommt! Stehen bleiben, alle! Ist der Applaus jetzt offenbar schon enden wollend, komme ich als der Regisseur mit dem Bühnenbildner und der Kostümbildnerin dazu. Wir verneigen uns alle noch einmal. Sollte das Publikum heftig weiter applaudieren, kommt jetzt das Pärchen Piramus/Thisbe, verneigt sich, ab. Und nun der Squentz alleine. Verneigt sich zweimal in aller Ruhe. Jetzt alle anderen nochmals dazu. Musiker erheben sich, spielen dann und sollte es Taktapplaus geben oder Getrampel tanzen alle zur Musik bis ich abgehe. Da gehen dann alle mit.
Ende
24