Goethe und Schiller im Schilde führen, aber surfen, dass es kracht … Googeln Sie doch, bitte, mal den komischen Begriff AuGuS. Ergebnis? Erster Platz (bei ungefähr 805.000 Treffern in 0,37 Sekunden): AuGuS-Theater Neu-Ulm. Jaha! Nicht wahr? Und was heißt das - AuGuS? Es hat nix zu tun mit nem dummen August; es hat auch nichts mit Kühen zu tun (dumm oder nicht dumm, aus Argentinien oder sonst woher). Was heißt also AuGuS(-Theater)? Welchen Namen gibt man einem Theater, das man in einer Zeit des Theater-Sterbens (vor 15 Jahren) neu gründet, nachdem man viele Jahre abhängig beschäftigt, fremd bestimmt (heteronom) war. Man will selbst bestimmt sein: Autonom! Und wer soll der „Schutzpatron“ dieser Neugründung sein? Tabori, Dario Fo, Tom Waits oder Woody Allen, die Verehrten, denen man nacheifert (die aber als noch Lebende nicht in Frage kommen)? Einer aus dem Club der toten Dichter also? Der Namensgeber eines vom Schließen bedrohten Hauptstadttheaters, Schiller, der alte Schwabe? Oder sein Gegenspieler (nicht nur zu beider Weimarer und Jenaer Zeiten), Goethe, der Janusköpfige? Beide! Natürlich beide! Also „Autonomes Goethe und Schiller-Theater“. Alte Namen, neues Theater. Und diese Bühne schwebt nun zwischen traditioneller Kunst und virtueller Welt. Das AuGuSTheater, ein kleines, privates ProfiTheater, hat natürlich eine website, von Anfang an, eingerichtet fast gleichzeitig mit dem Start des www. Und da veröffentlichte es just seinen Spielplan mit dem Premierentermin für den Comic-Thriller „Die 39 Stufen“ (Alfred Hitchcock) einschließlich der mit der jeweiligen persönlichen homepage verlinkten Namen der Darsteller. Der Regisseur Daniel W. aus Hamburg, der sich auf ein Inserat in „theaterjobs.de“ hin beworben hatte und mit dem man über die Konditionen noch verhandeln muss, schaut sich in seinen Theaterferien in Orlando / Florida (USA) die website des Theaters an und schreibt eine Mail unter anderm: „Eine sehr sympathische Besetzung für ‚Die 39 Stufen’, wie ich finde.“ Er hatte im Netz nicht bloß die Namen sehen können, sondern war beim Betrachten der homepages auf die künstlerischen vitae, auf die Listen früherer Engagements, auf ganze Fotoalben und Demovideos gestoßen. Wenn es zu einer Verpflichtung kommt, kennt er sein Team schon ein wenig. Alle (ebenfalls nach Ausschreibung über „theaterjobs.de“ gecasteten) Auswärtigen werden ihre Wohnung für die Zeit ihres Engagements über dass kostenlose „studenten-wg.de“ oder ein ähnliches Portal mieten. Hatte der Theaterdramaturg das Stück durch eine Message von Google-Alert zum Stichwort „Theater“ gefunden, so war der Text dann vom Verlag per pdfDatei zum Lesen übersandt worden. Die am PC gefertigte Strichfassung des Text-„Buches“ wird den Darstellern auch per Mail zugestellt.
Andere Geschichte: Der Öffentlichkeitsarbeiter des AuGuSTheater geht unabhängig von den oben geschildeten Abläufen seiner Arbeit nacht und veröffentlicht auf diversen inet-Portalen Daten und Informationen zu den laufenden Produktionen und zu verschiedenen Vorhaben. Da erreicht ihn eine automatisch erstellte Nachricht des Portal „Myheimat“: Der Bürgerreporter Jürgen W. aus dem 600 Kilometer entfernten Peine hat einen Kommentar gepostet zu der vom AuGuSTheater auf „Myheimat“ (Ausgabe Günzburg) veröffentlichten Ankündigung über den Heinz Erhardt-Abend. Hauptinhalt der Seufzer: „Ja, in Günzburg müsste man wohnen!“ Die flapsige Replik „Na komm, was ich da über Peine finde, klingt aber auch nicht schlecht.“ beantwortet Bürgerreporterin Karola M., ebenfalls aus Peine, so: „...aber keine Heinz ErhardtAbende, ist mir jedenfalls nicht bekannt.“ Nach weiterem Wortwechsel verspricht Karola: „… ich werde mal eine Kopie von eurer Internet-Seite dem Kulturring zukommen lassen ;-)) vielleicht wird`s was, wäre ja cool.“ Auch auf „Facebook“ erlebt der Ö-Arbeiter und Webmaster unseres kleinen privaten Profitheaters schöne Momente: „Habe mal ein bisschen eure Homepage durchstöbert. Mir gefällt euer Theater sehr gut! Vielleicht schaffe ich es mal mir ein Stück von euch anzusehen. Ist zwar nicht ganz in meiner Nähe, aber dennoch würde es mich sehr interessieren“, schreibt eine Schauspielerin, die gefragt hatte, warum ihr die Facebook-„Freundschaft“ antragen wolle. Na, weil sie auch Mitglied der „Schauspieler Community“ sei, hatte ihr das kleine private Profitheater geantwortet und dann weiter begründet: „Wir denken halt, dass es gut ist, mit einer größeren Anzahl von Kolleginnen und Kollegen vernetzt zu sein. Dafür tun wir viel. Das ist aus den Links auf unserer Profilseite ersichtlich. Ein positiver Nebenaspekt ist, dass, wenn wir Vakanzen zu besetzen haben, wir für viele alles andere als ein unbeschriebenes Blatt sind. Wenn wir dann unsere Pläne verkünden, können sich Interessierte gleich melden. Auf der anderen Seite kennen wir die Interessierten dann auch schon ein wenig. Auditions (Vorsprechen, Castings) törnen uns nicht soooo an. Deshalb also unsere Mitgliedschaft in diversen einschlägigen Communities. Was dann passiert, wird man sehen. Etliche ‚FreundInnen“ haben wir auch schon in real life getroffen, von Wien bis Essen. Und so manche(r) hat sich zu uns ins Theater aufgerafft. Verschiedene, die bei uns engagiert waren, treffen wir im net wieder und halten so Kontakt.“ Über so was muss die zur mobilen Generation gehörende Kollegin noch gar nicht nachgedacht haben. Was sie dann antwortet, klingt überrascht: „Ich find, dass das eine fantastische Idee ist auf diesem Weg Interessierte kennenzulernen. Wenn man dann auch noch die Möglichkeit hat sich persönlich zu treffen, ist es natürlich optimal. Bei Vorsprechen ist man immer in einer Extremsituation und setzt dadurch manchmal einiges in den Sand. Ich bin davor immer viel aufgeregter als jetzt bei den Vorstellungen...Deshalb bin ich auch entspannter, wenn ich jemanden vorher schon kennenlerne. Ich habe gelesen, dass man in der KSK sein muss, um bei euch engagiert zu werden...Leider hatte ich bisher nicht die Möglichkeit dazu. Aber wer weiß was die Zukunft noch bringt! Ich werde auf jeden Fall meinen Kollegen auch von euch berichten. Die finden das bestimmt auch klasse.“ Fast zur gleichen Zeit posten zwei Musical-Darstellerinnen über die Kommentarfunktion auf der fb-Profilseite einer der beiden für alle lesbar diesen Dialog (auszugsweise): Kollegin R: „Spielst Du am Landestheater …? Die zahlen doch so wenig (hab ich mir sagen lassen).“
Kollegin M:“ Nee, mein Freund wohnt im Allgäu!!! :-) Deshalb bin ich immer wieder da. Muss mich aber mal schlau machen und mal sehen welche Theater in der Umgebung Gäste engagieren und wie man an die Auditions kommt...“ Kollegin R: „Wenn Du willst, verlinke ich Dich mal mit den Neu-Ulmern. ich war schon zweimal dort. 2003 mit Sekretärinnen. Letztes Jahr mit Honigmond. Ist ein süßes kleines Haus, immer auf der Suche nach neuen Gästen, möglichst mit Wohnmöglichkeiten dort. Machen auch viel Musikalisches. Hier die Website: www.augus-theater.de Ich verlinke den Chef und Dich mal. Küsschen.“ Wenig später nochmals Kollegin R. „Upppps - falsche Website. Die hier stimmt: www.theater-neu-ulm.de - Und lass Dich nicht durch das bunte Design abschrecken. Die sind echt ok. Zuverlässig. Nett. Und zahlen pünktlich.“ Kollegin M: „Danke für den Link!!!!!!! :-)))))) Vielleicht ergibt sich ja mal was. Wäre echt schön... Werd mal einfach ne Bewerbung hinschicken!“ Ähnliche, in mancher Hinsicht noch offenere Dialoge finden sich auch auf „theaterblogs.de“, der bisher einzigen Multiuser-Blogplattform der Theaterszene. Dort tauscht man sich auch schon mal schonungslos über (tatsächlich dubiose und ganz und gar unsägliche) Verhaltensweisen einiger Theater(-Leiter) aus und warnt die Kolleginnen und Kollegen. Naturgemäß sind auf dem Portal auch diverse Tipps und Fachsimpeleien zu den verschiedensten Bereichen des Schauspielerdaseins zu finden. Um die Sache vollständig zu machen, könnte man jetzt noch Publikumsstimmen aus verschiedenen Kommentaren zu blog-posts anführen, ebenso wie Mails nach dem Besuch von Vorstellungen. Es hilft ungemein, wenn das Publikum sagt, was es denkt. Durch manchen Satz wurde man schon dazu gebracht, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Da Publikum ganz allgemein in Bezug auf schriftliche Äußerungen eher zurückhaltend ist, ist dann ein Kommentar umso wichtiger zu nehmen. Wenn er positiv ausfällt, was nicht immer der Fall ist, umso besser. Solche Publikumsstimmen helfen dann auch sehr, die – wie es landläufig ausgedrückt wird – „Kritik“ (= Einzelmeinung) in der Lokalpresse zu konterkarieren. Für viele Menschen ist die website auch im Theaterbereich längst zu einer willkommenen Informationsquelle geworden; die zusätzlich zu Daten und Fakten, zu Programmvorschau und Stückinhalt publizierten online-„Besucherbriefe“ haben dabei einen hohen Stellenwert, analog der Mundpropaganda. Zum vor über 15 Jahren uraufgeführten und immer wieder aktualisierten „Liebe & andre Katastrofen. Passen Männer und Frauen überhaupt zusammen?“ beliebte das Publikum schickte das Publikum per Mail zwei und über „Myspace“-blog-Kommentar das letzte der drei Statements: "Vor über 7 1/2 Jahren haben wir dieses Stück schon einmal gesehen. Es war unser 1. Date. 'Leider' habe ich den Tipp 'Bloß net mit hoim nemme' nicht beherzigt und habe ihn mit heim genommen. Nun sind wir seit April 2008 verheiratet und freuen uns schon auf die nächste gelungene Vorstellung." Nadè & Christoph V. "Ein wunderbarer Kleinkunst-Abend; toll!" Peter L. "Wären wir nicht in Holzheim gewesen, hätten wir echt was versäumt... einen Heinz Koch, der über die Weiten des Kosmos philosophiert, und eine Claudia Riese in Original schwäbischer Höchstform, göttlich. ... Beim Versuch des Paares, einen Witz zu erzählen, haben wir Tränen gelacht... dieses Stück sollte man unbedingt einmal gesehen haben." Veronika S..