auszug #22
widerstand und wandel 70er Ăźber die 19
Claudia Wedekind das bauzentrum innsbruck – eine spurensuche
jahre in tirol
impressum Herausgeber: aut. architektur und tirol (www.aut.cc) Konzept: Arno Ritter Redaktion: Arno Ritter, Claudia Wedekind Lektorat: Esther Pirchner Gestaltung und Satz: Claudia Wedekind Grafisches Konzept und Covergestaltung: Walter Bohatsch, Wien Gedruckt auf Magno Volume 115 g Gesetzt in Frutiger Lithografie und Druck: Alpina Druck, Innsbruck Buchbindung: Koller & Kunesch, Lamprechtshausen © 2020 aut. architektur und tirol, Innsbruck © der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren © der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. ISBN 978-3-9502621-7-9
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Claudia Wedekind das bauzentrum innsbruck – eine spurensuche
1971 widmete die österreichische Fachzeitschrift „bauforum“ eine ihrer Ausgaben dem Bundesland Tirol.1 Darin findet sich ein zweiseitiger Beitrag über „Das Bauzentrum Innsbruck“, das als zweite Außenstelle des Österreichischen Bauzentrums mit Hauptsitz in Wien Anfang 1969 eröffnet wurde. In einem eigens für diesen Zweck errichteten Neubau stünden 1.000 m2 Ausstellungsfläche für eine ständige Baumusterschau im Erdgeschoß und für Sonderausstellungen im Untergeschoß zur Ver fügung. Seit der Eröffnung seien 22 Sonderausstellungen wie „Neue städtische Wohnformen“, „Hochschulen planen – bauen“, „Schulen bauen“ oder „Licht international“ gezeigt und etliche Seminare, Fachtagungen und Vorträge abgehalten worden. Zu den Serviceleistungen würden ein Informationsdienst, ausgestattet mit Prospekten sämtlicher auf dem Markt befindlicher Produkte des Bauwesens sowie die Beratung in Bau- und Einrichtungsfragen zählen. Das Bauzentrum Innsbruck arbeite mit allen offiziellen und fachlich einschlägigen Stellen zusammen und stehe in engem Kontakt mit den örtlichen Behörden, zur neu gegründeten Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur der Universität Innsbruck und zur Höheren Technischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt Innsbruck. Die Besucherzahlen – 38.000 im Jahr 1969 und 35.000 im Jahr 1970 – und die Inanspruchnahme des Beratungsdienstes würden das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Einrichtung bestätigen. Der Artikel weckte mein Interesse. Was genau war das Bauzentrum Innsbruck und warum wissen wir heute so wenig von dieser Einrichtung? Eine Spurensuche begann.2 das öbz österreichische bauzentrum in wien Die Idee, Bauzentren zu gründen, entstand in den 1930er-Jahren. Initiiert von Architektenvereinigungen und Verbänden der Bauunter nehmen und Baustofferzeuger wurden die ersten Bauzentren in London, Paris, Zürich und Stockholm eröffnet. Sie fungierten als Orte der Ver mittlung zwischen Bauschaffenden und Bauindustrie, indem sie einen umfassenden Überblick über die Produkte am Baumarkt in Form von Musterschauen, Prospekten etc. gaben und den Firmen eine interessante Werbemöglichkeit boten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu zahl reichen Neugründungen auf der ganzen Welt, Ende der 1960er-Jahre existierten bereits mehr als 200 derartige Einrichtungen. 1956 wurde der Architekt Kurt Jirasko von der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der österreichischen Bauwirtschaft (AFÖB) beauftragt, ein Konzept und einen Finanzierungsplan für die Errichtung eines Bau zentrums in Österreich zu erarbeiten. Im März 1957 folgte die Gründung
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des gemeinnützigen Vereins „Österreichisches Bauzentrum“, dessen wichtigste Aufgabe vorerst darin bestand, im Palais Liechtenstein in Wien eine ständige Baumusterschau einzurichten. Kurt Jirasko wurde zum Direktor bestellt. Er bestimmte in den darauf folgenden zwanzig Jahren in dieser Funktion Programm und Ausrichtung des Österreichischen Bau zentrums. 1972 blickte Kurt Jirasko im bauforum3 auf die vergangenen 15 Jahre zurück und stellte dabei die Frage: „Was ist schon ein Bauzentrum? Auch ich wußte es damals nicht genau – eine permanente Messe, ein Doku mentationszentrum, ein Veranstaltungszentrum, ein Forschungszentrum, ein Dienstleistungsunternehmen? […] Sind wir ein wirtschaftsförderndes Unternehmen, ein Kulturinstitut, eine Konsumentenberatungsstelle?“ Sein Rückblick auf die Tätigkeiten des Österreichischen Bauzentrums lässt erahnen, dass es von allem etwas war: „Bauzentrum bringt Neutra nach Wien zurück, Wachsmann und Scharoun kommen, Neutra feiert seinen 70. Geburtstag im Bauzentrum, Holzmeister seinen 85., Gropius, Nervi, Behrens und andere mehr werden gezeigt. Ein Botschafter löst den anderen bei der Eröffnung von Sonderausstellungen ab, das Bau zentrum selbst gibt die Erstellung von großen Fachausstellungen (Kirchen bau, Theaterbau, Architektur in Wien um 1900) in Auftrag, die um die ganze Welt reisen. […] In Seminaren und Vorträgen werden sämtliche deutschsprachige Baufachleute nach Wien geholt […]. Oft drängen sich bis zu 2000 Menschen täglich in den Fachausstellungen, von denen Architekt Bauernfeind in den fünfzehn Jahren über 200 gestalten muß. […] Wir vermitteln Lizenzproduktionen, beraten die Industrie bei Produktions umstellungen, bringen neue Baumaterialien nach Österreich. Wir kennen den Markt. […] Wir starten Möbelmessen, Bürofachmessen, HiFi-Aus stellungen usw., bemühen uns um Küchennormung, besseres Design in der Ausstattung, Verbesserung der Grundrisse, zeigen und initiieren Wettbewerbe. [...] Wir sind in allen Gremien: Konsumentenforum, Nor menausschuß, Europaprefab, […] Architektenvereinigung, LTAG. Wir erstellen für die Bundeskammer Wanderschauen, erarbeiten Forschungs projekte, bauen eine Literaturdokumentation auf, geben Kataloge heraus und gründen schließlich – da wir der Meinung sind, daß über unsere Arbeit zu wenig veröffentlicht wird – eine eigene Fachzeitschrift, das ‚bauforum‘. In einem Bautenkatalog erfassen wir alle interessanten Neubauten, mit dem Bautennachweis aktuelle Projekte. Wir investieren Geld in Expertenteams, die unsere Besucher beraten, bauen eine über 300.000 Prospekte umfassende Dokumentation auf.“
linke Seite: In der Ausgabe „Bauen in Tirol“ der Zeitschrift bauforum wurden 1971 die Aktivitäten des Bauzentrums Innsbruck vorgestellt.
Und das Österreichische Bauzentrum expandierte, gründete 1963 eine erste Filiale in Linz und unterstützte 1967 die Einrichtung einer Bau musterzentrale in Innsbruck. Niederlassungen in Klagenfurt und Graz folgten 1969. 1970 hatte das Österreichische Bauzentrum 1.682 Mitglieder, davon 629 Architekten. In allen Bauzentren zusammen stellten 958 Firmen aus, wurden 63 Sonderausstellungen gezeigt und 97 Veranstaltungen abgehalten, insgesamt frequentierten an die 250.000 BesucherInnen die fünf Bauzentren. die baumusterzentrale innsbruck – ein schaufenster für die bauwirtschaft Der Wunsch des ÖBZ, in Innsbruck ein Bauzentrum einzurichten, bestand schon länger, scheiterte allerdings vorerst daran, dass kein geeignetes Objekt für die ständige Baumusterschau gefunden werden konnte. Etwa zur selben Zeit wurde von privater Seite ein ähnliches Projekt verfolgt und auch gleich ein entsprechendes Gebäude zur Verfügung gestellt, und zwar vom Innsbrucker Architekten Fred Achammer. Achammer hatte nach seinem Studium an der ETH Zürich Anfang der 1950er-Jahre in Innsbruck ein Architekturbüro gegründet, zuerst in seiner Wohnung,
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Ab 1967 befand sich die Baumusterzentrale im Erdgeschoß des neu errichteten Bürogebäudes von Fred Achammer im Innsbrucker Saggen.
ab 1958 in einem Wohnhaus mit Büro in Sadrach. Mitte der 1960er-Jahre war das Büro so gewachsen, dass er sich dafür entschied, im Saggen ein eigenes Gebäude zu errichten. Nach den Entwürfen seiner Mitarbeiter Egon Neumair und Alfred Richter – später zusammen mit Heinz Örley als Werkgemeinschaft Innsbruck tätig – wurde 1967 ein für die damalige Zeit innovatives Gebäude an der Ecke Rennweg / Karl-Kapferer-Straße errichtet. Es bestand aus einem Betonkern, zwei weit auskragenden Spannbetonplatten mit 60 bis 70 cm Überzügen und einer vorgehängten Aluminium-Glas-Fassade. Achammers gut gehendes Architekturbüro, in dem später selbstständig tätige Architekten wie Norbert Fritz, Karl Heinz, Hermann Kastner, Dieter Mathoi, Egon Neumair, Alfred Richter, Hanno Schlögl und Jörg Streli erste Berufserfahrungen sammelten, war im ersten Obergeschoß untergebracht. Das offene Erdgeschoß sollte die von Fred Achammer mit Unterstützung des Wirtschaftsförderungsinstituts der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol initiierte Baumusterzentrale aufnehmen. Im Februar 1967 fand eine Enquete statt, bei der die Medien und die Fachöffentlichkeit über die geplante Einrichtung der Baumusterzentrale und die Zusammenarbeit mit dem ÖBZ informiert wurden. Die Einrichtung sollte jedermann als Informationsstelle zur Verfügung stehen, insbesondere allen mit der Bauwirtschaft zusammenhängenden Professionisten sowie Bauwilligen im Einzugsgebiet Nord- und Südtirol, Vorarlberg und Salzburg. Die Unterstützung von öffentlicher Seite war vorhanden: Bürger meister Alois Lugger begrüßte die neue Einrichtung ebenso wie LHStv. Fritz Prior. Zum Geschäftsführer der Baumusterzentrale Innsbruck wurde Franz Fornwagner „vergattert“4, der zu dieser Zeit hauptberuflich geschäftsführender Gesellschafter der BOE – Bauobjekts-Entwicklungsgesell schaft Innsbruck war, dem ab 1967 von Fred Achammer aufgebauten Bauträgerunternehmen. Mit Unterstützung des ÖBZ wurde in den folgenden Monaten die permanente Baumusterschau bestückt. In einer Zeit, in der laufend neue Materialien und Technologien entwickelt wurden und auf den Markt kamen, wollte man in Form dieser Ausstellung Baumeistern und Architek ten, aber auch Bauherren und Konsumenten eine Orientierungsmög lichkeit über den Stand der Bauentwicklung bieten und eine Auswahl der Baumaterialien zeigen, aber auch zur Rationalisierung und Kosten reduktion des Bauens beitragen. Auf 300 m2 Ausstellungsfläche konnten Firmen auf einheitlich gestalteten Paneelen ihre Erzeugnisse präsentieren. Die Firmen – darunter etwa die Eternit-Werke Ludwig Hatschek, Geberit, Zumtobel, Egger, Swarovski, Blum, Wetscher, Velux, Katzenberger und Hilti – zahlten Gebühren und finanzierten damit die Baumusterzentrale. Die Eröffnung fand am 1. Juni 1967 in Anwesenheit zahlreicher Ver treter von Stadt, Land und Bauwirtschaft statt. Gleichzeitig startete auch das Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen im Hotel Maria Theresia,
und zwar von Roland Rainer und Friedrich Kühberger über „Die Verwirk lichung der privaten Sphäre im modernen Wohnungs- und Städtebau am Beispiel der Gartenstadt Puchenau, Linz“ und von Fred Achammer über „Die Planung von Geschäfts- und Industrieobjekten“. In den eineinhalb Jahren danach wurde vieles initiiert und realisiert: Auf der für Sonderschauen zur Verfügung stehenden Fläche von 400 m2 wurden in Kooperation mit Firmen und Möbelhäusern u. a. die Aus stellungen „Internationales Wohnen“ (Wetscher), „Das moderne Büro“ (Remington Rand und Stolzenberg), „Das schöne Zuhause“ (Möbelhaus Held, Haus der Wohnkultur A. Graf), „Neuartige Verlegungsart von Parkettböden“, „Formschöne und bequeme Polstermöbel“ gezeigt. Vor träge zu Themen wie Außendämmung oder Bauphysik fanden im Hotel Weißes Kreuz statt, Fachseminare wurden veranstaltet und in Zusam menarbeit mit dem Reisebüro Lüftner Studienreisen nach England, in die Niederlande, nach Skandinavien, in den Libanon und in die Oststaaten geplant. Eine Servicestelle sammelte Prospekte, bereitete Unterlagen auf und beriet über Bautechnik, Haustechnik und Architektur, aber auch über Versicherungsfragen, Realitätenkauf und Grundfinanzierung. Als eine der wichtigsten Dienstleistungen erwies sich von Beginn an die kostenlose Wohn- und Einrichtungsberatung, mit der die Bau musterzentrale breite Kreise der Bevölkerung erreichen konnte. Anhand von Skizzen oder Plänen erhielten die Ratsuchenden konkrete 316 317
Der von Reinhold Adolf gemeinsam mit Hans-Jürgen Schröpfer entworfene Sessel „Sinus“ kam 1976 im Programm von COR auf den Markt.
Der von Reinhold Adolf gestaltete Fernsehstuhl „Swing Chair“
erbesserungsvorschläge, wie ihre Wohnungen auch mit begrenzten V finanziellen Mitteln „zweckmäßig“ und „geschmackvoll“ eingerichtet wer den konnten. Die Sonderausstellungen dienten als Treffpunkt und Demonstrationsbeispiel. Verantwortlich für beides war der Innsbrucker Innenarchitekt und Industriedesigner Reinhold Adolf, der in den späten 1960er-Jahren internationale Erfolge feierte, etwa mit dem von ihm für COR entworfenen Fernsehstuhl „Swing Chair“.5 Im Programm von COR kam 1976 auch der von Reinhold Adolf gemeinsam mit Hans-Jürgen Schröpfer entworfene avantgardistische Sessel „Sinus“ auf den Markt, ein Designklassiker, der seit 2004 wieder produziert wird.6 BMZ – eine zeitschrift für bauwirtschaft und wohnkultur
Die vielleicht ambitionierteste Leistung der Baumusterzentrale estand in der Herausgabe der eigenen Zeitschrift BMZ als Mittel der b „Kontaktpflege in moderner Aufmachung und fortschrittlicher Auf fassung“7. Als Redakteur fungierte Theo Braunegger, der damals neben seinem Studium der Kunstgeschichte und Archäologie als Journalist und Kunstkritiker in zahlreichen Tiroler Medien tätig war. Die erste, in einer Auflage von 5.000 Stück gedruckte Ausgabe erschien 1967 mit der
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Die dritte Ausgabe der Zeitschrift der Baumusterzentrale widmete sich 1968 dem Thema „Plant Innsbruck falsch?“.
Titelgeschichte „Museum sucht Mäzen“ über das sanierungsbedürftige Gebäude des Ferdinandeums.8 Das Olympia-Eisstadion und das Kurhaus Igls wurden in der Rubrik „Modernes Bauen“ vorgestellt, die Rubrik „Bau stoffe“ widmete sich „Kunststoffputzen als modernen Wandbelägen“ und mit den Baugesellschaften Erich A. Senn und Eurospan Kranebitter KG wurden zwei Tiroler Unternehmen vorgestellt. Außerdem zu lesen: eine Kritik über die erste Ausgabe der Tiroler Kulturzeitschrift „das Fenster“ („Ein lauer Luftzug ... Tiroler Kulturzeitschrift: Guckloch oder Fenster“) und ein auf die dort publizierte „Tiroler Architekten-Umfrage“ bezogener Beitrag von Hedwig Hönigschmied, der sich kritisch mit der Befragungs methode und den das Thema Wohnbau betreffenden Antworten der Architekten auseinandersetzte. Die zweite Ausgabe widmete sich als Sonderheft komplett der Wie dereröffnung des Tiroler Landestheaters im November 1967, berichtete über Architektur und Technik des neuen Hauses und dessen Finanzierung und bot mit Interviews einen Blick hinter die Kulissen. 1968 erschienen drei weitere Ausgaben. In Heft 1 / 68 setzten sich Politiker und Fachleute mit dem Thema „Plant Innsbruck falsch?“ auseinander. Zu Wort kamen u. a. Ferdinand Obenfeldner, Vizebürgermeister von Innsbruck und Leiter des Bauressorts („Stadtplanung, realistisch gesehen“) und die Architekten Norbert Heltschl („Hat der moderne Architekt versagt?“) sowie Helmut Ohnmacht und Richard Gratl („Warum informieren wir uns so wenig?“). Heft 2 / 68 widmete sich „Tirols Fremdenverkehr“ und bot mit Beiträgen zahlreicher Experten einen Einblick in die Lage der für Tirol wichtigen Fremdenverkehrswirtschaft, die gerade aus dem Traum einer ewigen Hoch konjunktur geweckt wurde. In Heft 3 / 68 „Mein schönes Innsbruck am grünen Inn ... wirklich so schön?“ sind es die Lebensbedingungen der Inns brucker, die einer Analyse unterzogen werden. „An Hand von Beiträgen von Journalisten und Interviews mit interessanten Persönlichkeiten aus verschiedenen Stadtteilen wurden kritische Untersuchungen angestellt […], es wird gelobt und bemängelt, aber es werden auch Vorschläge gemacht, wobei die Meinungen oft divergieren. Sie mögen als Diskussionsbeitrag zum komplexen Problem ‚Innsbruck als Lebensraum‘ angesehen werden. Vielleicht tragen sie mit dazu bei, diese oder jene Bausünde in Zukunft zu vermeiden. Das wäre viel“, so Franz Fornwagner im Editorial. Insgesamt bot die Zeitschrift immer wieder kritischen Stimmen eine Plattform. So finden sich ein Artikel von Hermann Kastner über die Völser Kirche von Herbert Lackner („Völser Kirche. Problematik modernen Kirchenbaues“), ein Sonderbericht über den Wettbewerb Kongreßhaus Innsbruck mit Stellungnahmen von Norbert Heltschl, einer Gruppe junger Innsbrucker Diplomingenieure (Helmut Dreger, Richard Gratl, Egon Neumair, Helmut Ohnmacht, Günter Widmann) und von Willi Stigler jun. sowie der Abdruck eines in der „Presse“ veröffentlichten Artikels von Friedrich Achleitner.
In fast jeder Ausgabe erschien ein Beitrag des Innenarchitekten und Redaktionsmitglieds Reinhold Adolf. In der ersten Ausgabe analysierte er im siebenseitigen Artikel „Ein kritischer Blick in Herrn Jedermanns Wohnung“ die Wohn- und Einrichtungsverhältnisse des Durchschnitts bürgers. Sämtliche Räume einer Standardwohnung, deren Zweck und Aus stattung unterzog Adolf einer gründlichen Betrachtung und gab Tipps, was auch bei kleinem Budget verbessert werden könnte. Für Heft 1 / 68 verfasste er den sechsseitigen Beitrag „Innenarchitektur oder Möbelplatz anweisung“ über das Aufgabengebiet eines Innenarchitekten, der als Generalist technische, psychologische und physiologische Kenntnisse und Forschungen mit Kunstsinn verbinde. Zu lesen sind auch Antworten auf konkrete Fragen, die sich aus dem Beratungsdienst ergaben, z. B. welcher Bodenbelag in welcher Farbe sich am besten für ein Kinderzimmer eigne oder wie der durchaus berechtigte Wunsch nach einer Bauernstube als Inbegriff der Gemütlichkeit abseits von Pseudorustikalität erfüllt werden könne. Die fünfte Ausgabe der Zeitschrift der Baumusterzentrale war die letzte, auch eine für 1968 beabsichtigte Sonderausstellung über die Planung im Großraum Innsbruck, an der alle Interessierten die Gelegenheit zur Mitarbeit bekommen sollten, kam nicht mehr zustande. Anfang 1969 wurde die bis dahin eigenständig geführte Baumusterzentrale vom Österreichischen Bauzentrum als Außenstelle übernommen. 320 321
Die Tiroler Nachrichten berichteten über das Treffen von Richard Neutra (re.) mit Bürgermeister Alois Lugger in der Baumusterzentrale im Juli 1968.
richard neutra zu gast in der innsbrucker baumusterzentrale Das eindrücklichste Ereignis in der kurzen Geschichte der Baumuster zentrale war wohl die dort veranstaltete Diskussion mit dem renom mierten Architekten Richard Neutra. Im Wirtschaftsförderungsinstitut der Tiroler Handelskammer war bereits im April 1968 die vom Österreichischen Bauzentrum aus Anlass seines 75. Geburtstages zusammengestellte Ausstellung zu sehen, die mit einer Vielzahl von Zeichnungen, Skizzen, Bauplänen, Fotos und einer Diaschau das Lebenswerk des Architekten würdigte. Im Juli wurde Neutra auf Vermittlung der Zeitung „Der Volks bote“9 nach Innsbruck eingeladen. Als Gastgeber fungierte die Innsbrucker Baumusterzentrale, als fachkundiger „Contactman“ und Diskussionsleiter Norbert Heltschl. Die Tiroler Medien berichteten euphorisch über die Diskussion und die Begeisterung, die dieser Mann, „der sein Metier im Kopf, im kleinen Finger und – darauf liegt die Betonung – im Herzen hat“10, auf das zahlreiche Publikum aus vielen prominenten, aber auch jungen Architekten und interessierten Fachleuten ausübte. Neutra prangerte in seinen Ausführungen u. a. die Auffassung an, dass der Architekt als Luxussubjekt der Gesellschaft betrachtet werde und nur 15 Prozent der Bauten im Großraum Innsbruck von Architekten erarbeitet würden. Er empfahl aber auch den Architekten, ihre Bauherren besser verstehen zu lernen und sich mit den Menschen zu beschäftigen, die in den Häusern wohnen wollen. Und er sprach eine klare Forderung aus: „Es genügt nicht, daß Berufskollegen Eure Architekturausstellungen besuchen, holt das Publikum heran! Holt unter den Studenten die Mediziner und Juristen, also jene Leute, die morgen als Amtspersonen bestimmen, wo wie was gebaut wird! Baut den Abstand zwischen Euch und dem Publikum ab, damit es sich bewußt wird, was Architektur bedeutet. Eine neue Frisur oder einen neuen Hut kann man nach wenigen Tagen austauschen – ein Haus aber bleibt.“11 das bauzentrum innsbruck als außenstelle des ÖBZ Am 20. Januar 1969 wurde die vormalige Baumusterzentrale Inns bruck als zweite Außenstelle des Österreichischen Bauzentrums in Betrieb genommen und von Bürgermeister Alois Lugger eröffnet. Im neu kon stituierten Beirat, dem die fachliche Betreuung des Bauzentrums Innsbruck oblag, waren Funktionäre der Tiroler Landesregierung, insbesondere der Landesbaudirektion, der Stadt Innsbruck, der Wirtschaftskammer und des Wirtschaftsförderungsinstituts vertreten. Mit Kurt Innerebner als Vor sitzendem des ÖIAV Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, Landesverein Tirol, Walter Passer als Präsidenten der Ingenieurkammer und Hubert Prachensky als Präsidenten der ZV Zentralvereinigung der Ar chitekten Österreichs, Landesverband Tirol, waren auch die Standes vertretungen eingebunden. Vorerst blieb das Bauzentrum Innsbruck unter wechselnder Leitung – in den Medien erwähnt wurden 1969 Direktor
Honold und 1971 Heinz Pflug – im Bürogebäude von Fred Achammer am Rennweg. Neben dem Erdgeschoß, das weiterhin für die Baumusterschau genutzt wurde, standen im Untergeschoß nun auch ein Vortragssaal und ein Sonderausstellungsraum zur Verfügung. Damit bot sich in Innsbruck zum einen die Möglichkeit, die Wanderausstellungen des ÖBZ zu präsentieren, zum anderen gab es einen Raum für Eigenproduktionen bzw. für Ausstellungen in Kooperation mit anderen Tiroler Initiativen und Institutionen. In den kommenden drei Jahren wurden zahlreiche Ausstellungen gezeigt, die mit ihren inhaltlichen Schwerpunkten ein Spiegelbild des Diskurses innerhalb der Architektur und Bauwirtschaft der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre waren. wohnen, hochschulen, schulen, … Als erste Ausstellung wurde „Neue städtische Wohnformen“ gezeigt, eine zweiteilige Wanderausstellung der ÖGFA Österreichischen Gesell schaft für Architektur, kuratiert von Viktor Hufnagl sowie Wolfgang und Traude Windbrechtinger. Der erste, bereits 1966 in Wien gezeigte Teil bot einerseits einen Rückblick auf historische Gebäude und die Pionier leistungen der Moderne, andererseits einen Überblick über damals inter national diskutierte Konzepte wie Wohnteppiche, Hangterrassen, Wohn pyramiden oder Wohnhügel. Der zweite Teil bestand aus visionären 322 323
Pressemappe des Bauzentrums Innsbruck, 1971
Eines der in der Ausstellung „Neue städtische Wohnformen“ gezeigten Projekte war Josef Lackners „Anti-Stadt“ (Moos, Schweiz) aus 600, auf künstliche Zeilenhügel verteilten Wohneinheiten.
Vorschlägen zur Verbesserung des Wohnungsbaus in Österreich. Diese Beiträge, die u. a. von der Arbeitsgruppe 4, Hermann Czech, Günther Feuerstein, Gruppe C4, Hubert Hoffmann, Hans Hollein, Wilhelm Holz bauer, Viktor Hufnagl, Josef Lackner, Gustav Peichl, Hans Puchhammer und Gunther Wawrik, Ottokar Uhl, Werkgruppe Graz sowie Wolfgang und Traude Windbrechtinger kamen, wurden 1967 in der allerersten Ausgabe des bauforum abgedruckt – wie überhaupt dieses Medium dem ÖBZ die Möglichkeit bot, die Inhalte der Ausstellungen zu vertiefen.12 Der Vielschichtigkeit der Thematik entsprechend, befassten sich die Vorschläge sowohl mit städtischen Strukturproblemen, neuen Stadtmodellen und urbanen Wohnformen als auch mit den Auswirkungen sozialer Verände rungen und den Möglichkeiten industrieller Fertigungsmethoden. In Innsbruck war eine Kombination der beiden Ausstellungsteile zu sehen, die in neun Thesen mündete. Gefordert wurden u. a. eine neue Baugesetzgebung, die Durchmischung von Wohnen, Arbeiten, Erholung und Bildung oder die Verflechtung privater und öffentlicher Funktionen. Einer der prominentesten Besucher dieser Ausstellung war übrigens der hochbetagte Architekt Ernst May. Er reiste 1969 nach Innsbruck, nachdem er über die Zeitschrift „das Fenster“ auf den Tiroler Künstler Wilfried Kirschl aufmerksam geworden war. Josef Lackner führte Ernst May durch Innsbruck und zur Brennerautobahn (!), im Bauzentrum konnte die Tiroler Tageszeitung dann ein Gespräch mit dem prominenten Architekten führen. Im November 1969 machte „Hochschulen – planen – bauen“ im Bauzentrum Station, eine Sonderschau des Bundesministeriums für Bauten und Technik, konzipiert und gestaltet vom Wiener Architekten Günther Feuerstein. Er befasste sich darin mit der Fragestellung, wie Hochschulund Bildungsreform, neue Lernmethoden und neue soziologische Struk turen vor dem Hintergrund steigender Hörerzahlen und notwendig gewordener Erweiterungen ihren baulichen Ausdruck finden können. Für diese Schau über die Gegenwart und Zukunftsperspektiven im
In der Ausgabe 14 / 1969 der Zeitschrift bauforum stellte Günther Feuerstein die auch im Bauzentrum Innsbruck gezeigte Wanderausstellung „Hochschulen – planen – bauen“ vor.
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sterreichischen Hochschulbau bediente sich Günther Feuerstein aller ö damals zur Verfügung stehenden Informationsmedien. Mittels Schautafeln mit Fotografien, Grundrissen, Diagrammen und Thesen, Diaprojektionen, Modellen und Tonbändern mit Studenteninterviews stellte er eine Reihe von Fragen zur Diskussion: „In welcher Beziehung stehen Hochschulund Baustruktur? Welche Baumethoden und welche Rationalisierungen sind möglich? Welche Momente werden durch die kybernetische Päda gogik auftreten? Wird die Fernsehuniversität oder die ‚fliegende‘ Universität herkömmliche Bauten überflüssig machen?“13 Das junge, 1966 gegründete Bundesministerium für Bauten und Technik habe – so stand im bauforum 14 / 1969 zu lesen – dem Architekten völlig freie Hand bei der Gestaltung gelassen, wie überhaupt damals ein Wandel in der Geisteshaltung der Bauverwaltung eingetreten sei. Das Ringen um die Überwindung der in den beiden vergangenen Jahrzehnten dominierenden reinen Kubaturbewältigung sei unverkennbar, ein neues österreichisches Architekturbewusstsein im Entstehen. Ein Zeichen dafür seien auch die öffentlichen Diskussionen, die in allen österreichischen Bauzentren begleitend zur Ausstellung stattgefunden hätten. So habe die Forumsdiskussion in Innsbruck mit Ministerialrat Reysach (Bautenminis terium), Ministerialsekretär Loicht (Unterrichtsministerium), Univ.-Prof. Wanko (Technische Fakultät), Günther Feuerstein, Senatsrat Rittinger (Stadtbauamt), den Architekten Ernst Heiss und Josef Lackner, zwei Stu dentenvertretern und dem Ausstellungsmacher Günther Feuerstein vor einem großen Publikum aus Architekten, Universitätsprofessoren, kulturell Schaffenden und Studenten bewiesen, „daß in Tirol das Interesse nicht nur am Hochschulbau und an der Hochschulreform, sondern überhaupt an den architektonischen Problemen der Gegenwart erfreulich stark ist“14.
Bis 1972 wurden im Bauzentrum etliche weitere Sonderausstellungen des ÖBZ gezeigt. „Moderner Bibliotheksbau“ gab anhand von weltweit entstandenen Neubauten einen Überblick über die Entwicklungstendenzen dieser Bauaufgabe. „Schulen bauen“, eine Ausstellung der ZV Österreich, sollte als Wissensgrundlage das Weiterdenken über einen neuartigen Schultyp anregen, der in Hinblick auf moderne Pädagogik notwendig, in seiner endgültigen Form aber noch nicht gefunden sei. „Gesundes Bauen – Gesundes Wohnen“ widmete sich dem Einfluss der gebauten Umwelt auf die Gesundheit des Menschen, ein Forschungsgebiet, das zu bearbeiten sei, wäre doch noch nicht klar, „inwieweit die Gesundheit der Bevölkerung durch Lärm, beengte Wohnverhältnisse, Gewässer- und Luftverunreini gung, anorganische Baustoffe sowie durch die Technisierung des täglichen Lebens tatsächlich gefährdet ist“15. Die Ausstellung „Wohnformen für alte Menschen“ behandelte die Schaffung von geeignetem Wohnraum für betagte Menschen, stellte verschiedene Modelle der Unterbringung zur Diskussion und befasste sich mit der Fragestellung, wie diese bestmöglich in neue städtische Strukturen integriert werden könnten.
Clemens Holzmeister. 85 Jahre, Plakat zur im Sommer 1971 im Bauzentrum Innsbruck gezeigten Ausstellung
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ein vielfältiges ausstellungsprogramm Zwischen 1969 und 1972 waren im Bauzentrum weitere Ausstellun gen zu Themen der Architektur, des Ingenieurbaus (z. B. „Brücken für uns alle“), der Bautechnik und Produktinformation sowie vereinzelt auch aus dem Bereich Kunst und Design zu sehen. So zeigte man etwa 1971 mit „Paris Construit“ eine vom Pariser Architekten Ionel Schein konzipierte Wanderausstellung, die über Vermittlung des Französischen Kulturinstituts zustande kam. Der gebürtige Österreicher Ionel Schein editierte seit 1961 einen Katalog über aktuelle Architektur in Paris, wobei es dem „durch und durch politischen Architekten“16 wichtig gewesen sei, nicht nur „erlauchte Architektur“ auszuwählen und zu präsentieren, sondern über die Vielfalt an Bauten, die seit dem Zweiten Weltkrieg in den verschiedenen Quar tieren entstanden waren, ein realistisches Bild der neuen und erneuerten Stadtteile zu zeichnen. Die vom Österreichischen Bauzentrum anlässlich des 85. Geburtstages von Clemens Holzmeister kuratierte Jubiläumsausstellung machte ebenfalls in Innsbruck Station, wobei hier aus räumlichen Gründen nur ein Teil – mit Schwerpunkt auf Holzmeisters Schaffen in seiner Heimat Tirol – zu sehen war. Andere Ausstellungen richteten sich weniger an ein Fachpublikum, sondern zielten vielmehr darauf ab, breite Kreise der Bevölkerung über aktuelle Themen rund ums Bauen aufzuklären: „Schall- und Wärmeschutz“, „Heizen – aber wie?“, „Feuchtigkeitsschutz – Feuchtigkeitsisolierung“ oder „Technik im Haushalt“. Auch für die Tourismusbranche wurden Ausstellungen über die richtige Einrichtung von Gästezimmern („Fremdenzimmer“, 1969) oder über neue Konzepte im Schwimmbadbau („Alles über Bäderbau“, 1969, zusammengestellt vom „Bäderpapst“ Friedrich Florian Grünberger) gemacht. Ein besonderer Erfolg war 1969 die Ausstellung „Paul Flora: 111 Zeich nungen“. Flora zeigte u. a. erstmals eine Serie neuer Zeichnungen, die als Vorarbeit zu seinem Buch „Die verwurzelten Tiroler und ihre bösen Feinde“ entstanden waren. Eine andere Besuchergruppe lockte „Hochbau 70 – der Weg zum Ingenieur“ ins Bauzentrum, eine von Karl Haas und Siegfried Stoll in Zusammenarbeit mit den Maturaklassen der HTL ge staltete Schau, die einer breiten Öffentlichkeit den Ausbildungsstand der Schule vermittelte. Im Bereich des Möbeldesigns bot „Licht – international“ 1970 einen Überblick über Beleuchtungskörper „in allen Stilarten aus 8 Ländern“17. „Sitzen 70“ zog Bilanz über die Entwicklung der Sitzmöbel, wobei diese vom ÖBZ zusammengestellte Sonderschau nicht im Bauzentrum Innsbruck zu sehen war, sondern in eigens dafür gestalteten Räum lichkeiten der Firma Wetscher in Fügen. Eine Eigenproduktion des Innsbrucker Bauzentrums dürfte die Schau „Pirmoser-Möbel“ (1970) ge wesen sein, in der das Kufsteiner Unternehmen Pirmoser sein mehrfach preisgekröntes Schulmöbelprogramm „System L“ präsentierte. Die
um die Jahrhundertwende gegründete Firma hatte sich in den 1960er- Jahren auf die Produktion von Schulmöbeln spezialisiert und in Zusammen arbeit mit Architekten, Pädagogen und Ärzten ein Programm entwickelt, um Schüler vor Haltungsschäden zu bewahren. Das „System L“ ging 1967 in Serienproduktion und wurde erfolgreich im In- und Ausland vertrieben. Neben den Schulmöbeln versuchte die Firma Pirmoser auch mit einem Sitzmöbelprogramm Fuß zu fassen und holte sich dazu den Innsbrucker Designer Egon Rainer ins Boot. Er entwarf für Pirmoser Polstergarnituren,
Sitzen ’70, Inserat zur Ausstellung im Möbelhaus Wetscher in Fügen
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Prospekt für das von Egon Rainer für die Kufsteiner Firma Pirmoser entwickelte Systemmöbelprogramm.
deren Innovation in einem neuartigen Einzelteilverfahren bestand, womit die Möbel in zerlegtem Zustand viel rationeller gelagert und verschickt werden konnten. 1969 erhielt Egon Rainer, der an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und am Royal College of Art in London studierte, den Österreichischen Staatspreis für gute Form für dieses – im Bau zentrum ausgestellte – Sitzmöbelprogramm. Im selben Jahr wurde in München auch der von Egon Rainer für Kneissl gestaltete Ski der Öffent lichkeit vorgestellt, ein durch seine Schlichtheit und materialgerechte Verarbeitung bestechendes Produkt. „tirol 2000“ – ausblick auf die zukunft unseres landes Ein besonderes Highlight dürfte die Ausstellung „Tirol 2000“ ge wesen sein, eine Schau, die ursprünglich im Sommer 1971 im Ausstellungs raum der Tiroler Handelskammer zu sehen war. Dieser Raum in der Meinhardstraße wurde seit dem Umbau Ende der 1950er-Jahre vom Wirt schaftsförderungsinstitut genutzt. Über die oft von mehr als 30.000 Be sucherInnen frequentierten, von Baurat Fritz kuratierten und meist durch das Atelier Classic (Viktor Herzner) gestalteten Ausstellungen informierte das WIFI die Bevölkerung über Aspekte von Wirtschaft und Technik, über einzelne Berufszweige, Kunsthandwerk und Kunst. Bis zur Über nahme der Baumusterzentrale durch das ÖBZ wurden hier auch immer wieder Wanderausstellungen des ÖBZ gezeigt wie die Personale über Richard Neutra (1968), „Das moderne Büro“ (1969) oder „Besser planen + besser bauen = besser wohnen“ (1969).
Egon Rainer designte in den 1970er-Jahren auch zwei Skimodelle für die Firma Kneissl und einen stapelbaren Freischwinger.
Die Schau „Tirol 2000“ wurde vom Wirtschaftsförderungsinstitut in Zusammenarbeit mit der Landesbaudirektion, der Stadt Innsbruck, der ÖBB, der TIWAG, der Transalpine Ölleitungsgesellschaft und etlichen Tiroler Architekten und Ziviltechnikern konzipiert. Mittels Modellen, Plänen, Fotomontagen, Schaubildern und Texttafeln wollte man der Be völkerung vermitteln, wie sich die Bereiche Raumordnung, Städte- und Straßenbau, Energiewirtschaft, Sport, Kultur und Fremdenverkehr in den folgenden dreißig Jahren weiterentwickeln würden. So wurden etwa Innsbruck und die umliegenden Gemeinden auf einer großen Fotomontage mit geplanten Projekten ins Jahr 2000 projiziert. Einzelne konkrete Bau vorhaben wurden vorgestellt, darunter das Wohn- und Geschäftszentrum Kreid von Franz Kotek oder die Wohnanlage Bergkristall in Igls von Ekke hard Hörmann. Ein visionäres Projekt war eine Wohnanlage quer über den Hauptbahnhof, die von jungen Architekten geplant wurde. Präsentiert wurden auch städtebauliche Ziele, wie die Verlegung der Fennerkaserne an den Stadtrand oder die – 1972 realisierte – Umwandlung der Altstadt in eine Fußgängerzone und deren angedachte Erweiterung bis zur Triumph pforte und zum Rennweg. Neben Städtebau und Architektur standen vor allem auch Verkehrsfragen im Mittelpunkt. Straßenbauprojekte wie die künftige Schnellstraße zwischen Landeck und Bludenz, der Bau des Arlbergtunnels, aber auch die Vision eines Bahnprojekts unter dem 330 331
Die von Viktor Herzner (Atelier Classic) gestaltete Einladungskarte zur Ausstellung „Tirol 2000“ und Standbilder aus einem Filmbe richt über die 1971 zuerst in der Tiroler Handelskammer gezeigte Ausstellung
Das von Franz Kotek geplante Wohn- und Geschäftszentrum Kreid war in der Ausstellung „Tirol 2000“ im Modell zu sehen.
Brenner wurden vorgestellt. Einen speziellen Anziehungspunkt stellte ein Computer dar, der – verbunden mit einer EDV-Anlage in Wien – „in Sekundenschnelle“18 Auskunft auf 160 Fragen gab. „Tirol 2000“ lief derart erfolgreich – fast 35.000 BesucherInnen wurden in der Handelskammer gezählt – dass die Ausstellung im Herbst neu arrangiert wurde und mit verschiedenen Ergänzungen ins Bauzentrum Innsbruck übersiedelte. Damit wollte man v. a. auch Schulklassen und Studenten die Möglichkeit bieten, sich mit diesem „kühnen Vorstoß in die Zukunft“19 auseinanderzusetzen. Der enorme Besucherstrom hielt im Bauzentrum an, auch wegen des Widerstands, der sich gegen die im Zuge eines TIWAG-Kraftwerks geplante Ableitung des Stuibenfalls zu formieren begann („Ötztaler Wille“). So seien viele am Naturschutz interessierte Tiroler in die Ausstellung gepilgert, um das Kraftwerksprojekt und dessen Folgen im Modell und Schaukasten zu besichtigen. Die kontroverse Dis kussion über das Gezeigte war ganz im Sinne der Ausstellungsmacher, sollte dieser Ausblick auf die Zukunft Tirols doch nicht nur gesehen und begutachtet werden, „sondern auch kritische Stellungnahmen auslösen und vielleicht auch kräftige Gegenmeinungen bringen“20.
neuaufstellung und übersiedelung in die messehalle Anfang 1972, im fünften Jahr seines Bestehens, beschritt das Bau zentrum neue Wege „in der Erfüllung seiner Hauptaufgabe – einer lückenlosen Information über das gesamte Angebot auf dem Bau- und Wohn sektor“21. Die permanente Ausstellung wurde erweitert und nach Branchen neu geordnet. Die Sonderausstellungen sollten nunmehr in erster Linie in einer für Laien verständlichen Form jene Probleme behandeln, die beim Bauen und Einrichten auftreten können und entsprechende Lösungs möglichkeiten aufzeigen. Welche Beweggründe hinter dieser Fokussierung des Bauzentrums standen und warum ab diesem Zeitpunkt Themen der Architektur und Baukultur fast keine Rolle mehr spielten, ist aus den Quellen nicht ersichtlich. In den lokalen Medien finden sich ab diesem Zeit punkt kaum mehr Besprechungen oder Hinweise auf derartige Aktivitäten des Innsbrucker Bauzentrums. Anzunehmen ist, dass alle Kräfte auf die anstehende Übersiedelung des Bauzentrums in die Messehalle I gebündelt wurden, was im Mai 1973 in die „i-bau 1973“ mündete, die erste Innsbrucker Baufachmesse. Am 27. November 1972 eröffnete Bürgermeister Lugger den neuen Standort des Bauzentrums in der Messe22, das auch hier ambitioniert startete. Hubert Hrastnik (Präsident des ÖBZ) und Norbert Heltschl (für die ZV Tirol als Mitveranstalter) luden zur Eröffnung der Ausstellung „Integrierter 332 333
Ende 1972 übersiedelte das Bauzentrum Innsbruck in die Messehalle I, im Frühjahr 1973 wurde auf dem Messeareal die Baufachmesse „i-bau 1973“ abgehalten.
Städtebau“, in deren Rahmen Victor Gruen den Vortrag „Die umweltfreundliche Stadt“ hielt. Dessen Vorschlag, in der Wiener Innenstadt eine Fußgängerzone zu errichten, wurde in der von der ÖGFA konzipierten Ausstellung gezeigt. Entstanden die beiden Teile der Ausstellung „Neue städtische Wohnformen“ 1966 / 67 im Zusammenhang mit dem Wohnbau förderungsgesetz23, so muss die Ausstellung „Integrierter Städtebau“ auch vor dem Hintergrund der nun von der SPÖ-Regierung vorgelegten Gesetzesentwürfe24 betrachtet werden, denn die Assanierung abgewohnter Wohngebiete und die Realisierung lebendiger städtischer Räume wären – so Sokratis Dimitriou – nur mit Hilfe entsprechender Bodenbe schaffungsgesetze möglich.25 Ziel der Ausstellung „Integrierter Städtebau“ war es, anhand konkreter Projekte aus dem In- und Ausland Impulse zu geben, wie vorhandene Stadtgebiete revitalisiert, aktiviert und neu strukturiert werden könnten. Wie schon beim zweiten Teil von „Neue städtische Wohnformen“ wurden Planer eingeladen, ihre Konzepte zur Diskussion zu stellen, darunter Günther Feuerstein, Victor Gruen, Rudolf Hönigsfeld, Hubert Hoffmann, Friedrich Kurrent und Fritz Weber. Die Ausstellung „Integrierter Städtebau“ dürfte eine der letzten Ausstellungen im Bauzentrum Innsbruck gewesen sein, die sich einer baukulturell relevanten Thematik widmete. 1973 wurde noch – einmal mehr in Zusammenarbeit mit der ZV Tirol – „Niederländische Architektur“ ge zeigt. Die weiteren Ausstellungen 1973 widmeten sich pragmatischen Themen des Bauens und Wohnens – die Titel sprechen für sich: „Der junge Haushalt“ als Teil der Ausstellungsreihe „ABC des Wohnens“, „Das Dach“, „Das moderne Büro“, „Wohnen im Grünen“ und „Heizungssalon 73“. „i-bau 1973“ und internationaler baukongress Hauptereignis im Jahr 1973 war zweifelsohne die erste österreichische Fachmesse für Bau- und Wohnungswesen auf dem Innsbrucker Messegelände, die auf Initiative der Handelskammer und unterstützt von Stadt und Land vom Österreichischen Bauzentrum Wien und dem Bau zentrum Innsbruck unter seiner damaligen Leiterin Renate Gheri or ganisiert wurde. Dass für diese Baufachmesse in Österreich der Standort Innsbruck ausgewählt wurde, hatte mit der geografischen Lage zu tun, wollte man doch eine internationale Bauausstellung etablieren. Das Inter esse der Bauwirtschaft war groß, trotz kurzer Vorbereitungszeit waren die verfügbaren Ausstellungsplätze lange vor Anmeldeschluss voll aus gebucht. Rund 300 Aussteller, die über 1.000 Firmen aus allen Sparten der Baustoffwirtschaft vertraten, nahmen an der Messe teil, die sich streng nach Branchen gliederte und sich auf 20.000 m2 Ausstellungsfläche in drei Hallen und das Freigelände erstreckte. Mit dieser Baufachmesse wollte man insbesondere all jene Fachkreise erreichen, die entsprechenden Einfluss auf Bauvergabe und Baudurch führung hatten. Dazu wurden über 50.000 Fachleute eingeladen, darunter
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sämtliche Architekten und Bauunternehmer aus Österreich, Bayern und Südtirol, aber auch Inhaber von Fremdenverkehrsbetrieben, Bürgermeister und „Weiterverarbeiter“. Auch der Endverbraucher und der „Häuselbauer“ sollten nicht zu kurz kommen. So wurde etwa als zusätzliche Attraktion „Vision 2000“ gezeigt, eine Multivisionsschau, die den Besucher „in Wort und Bild mit den teilweise schon schockierenden Problemen des Um weltschutzes bekanntmacht“26. Für die Fachwelt wurde im Raiffeisen-Zentrum der mehrtägige internationale Baukongress „Bauen im Alpenraum“ veranstaltet, dessen Programm durch den Beirat des Bauzentrums Innsbruck gestaltet wurde. Fünf Themenkomplexe wurden jeweils mit mehreren Fachvorträgen bearbeitet. „Raumordnungsprobleme im Alpenraum“ wie die drohende Zersiedelung der Landschaft wurden aus Sicht des Raumplaners, des Architekten, des Verkehrsplaners, der Energiewirtschaft und des Tourismus beleuchtet. Mit Fred Angerer, Urs Beutler, Willi Stigler jun., Norbert Heltschl und Josef Sieberer setzten sich deutsche, Schweizer und österreichische Experten mit dem für die Alpenregion wichtigen Thema „Bauen in Hanglagen“ auseinander. Technische und gestalterische Heraus forderungen des wieder in Mode kommenden Steildachs („Das geneigte Dach“) und innovative Produkte für „Fenster und Fassade“ wurden genauso behandelt wie die Frage, wohin sich der Tourismus vor dem Hinter grund „synthetischer Touristenstädte“ und einer durch Chalets oder Apartmenthäuser zersiedelten Landschaft entwickelt („Bauen für den Tourismus“). Im Begleitprogramm veranstaltete man eine Diskussion
Prospekt für die erste Innsbrucker Baufachmesse „i-bau 1973“
über die Wohnbaupolitik im ländlichen Raum und zwei Fachexkursionen unter dem Titel „Neues Bauen in Innsbruck“, die u. a. zum ORF-Gebäude, zur Technischen Fakultät der Universität, zum Kongreßhaus, zu den Terrassenhäusern in der Höhenstraße sowie zur Petrus-Canisius- und zur Piuskirche führten. Insgesamt verlief diese erste Baufachmesse für alle Involvierten äußerst erfolgreich. Mit knapp über 30.000 Besuchern wurden die Erwar tungen weit übertroffen, der Großteil der ausstellenden Firmen war mit dem Geschäftserfolg sehr zufrieden und bekundete Interesse, 1975 an der im Zweijahrestakt geplanten „i-bau“ wieder teilzunehmen. Auch das in die Messehalle übersiedelte Bauzentrum Innsbruck hatte von der „i-bau 73“ profitiert. auf dem weg zum messeveranstalter Die mit der Übersiedelung in der Messehalle offensichtlich gewordene Neuausrichtung des Bauzentrums setzte sich in den darauf folgenden Jahren fort. Vor dem Hintergrund der Energiekrise wurden Themen wie Schall- und Wärmeschutz („Isolatherm“, „Außenwand und Fassade“) und preisgünstige wie zweckmäßige Heizungsmöglichkeiten („Heizungssalon 1974“) behandelt. Bei der „Hi-Fi, TV-Color ’75“ wurde das Bauzentrum von Tausenden begeisterten Hi-Fi-Fans und Interessenten an den neu ein geführten Farbfernsehgeräten gestürmt, außerdem veranstaltete das ÖBZ 1974 in Innsbruck erstmals die Sport- und Freizeitmesse „trimm 74“. Mit der neu gegründeten Tochtergesellschaft Offerta Werbe- und Aus stellungs-Ges. m. b. H. entwickelte sich das ÖBZ Mitte der 1970er-Jahre zur Anlaufstelle für Fachmessen, wie auch das Palais Liechtenstein zum Messe- und Kongresszentrum ausgebaut wurde. Vor dem Hintergrund der zunehmend schwieriger werdenden Kon junkturlage im Baugewerbe – im ersten Quartal 1975 wurde der stärkste Leistungsabfall seit 15 Jahren offenkundig27 – fand im Mai die „i-bau 75“ statt. Dem internationalen Symposium im Kongreßhaus Innsbruck gab man den provokanten Titel „Hat das Bauwesen in Europa noch Zukunft?“. Noch lebte die Hoffnung auf eine rasche Entspannung der durch Ölpreisund Wirtschaftskrise ausgelösten schwierigen Lage. Die Konjunktur erhebung Ende 1975 zeichnete jedoch ein besorgniserregendes Bild der österreichischen Bauwirtschaft: Zu Beginn der Bausaison 1976 befanden sich insgesamt drei Viertel aller Firmen in Auftragsnot, die Zahl der Arbeitslosen im Baugewerbe hatte sich von Dezember 1973 bis Dezember 1975 um 82 Prozent erhöht.28 Diese Entwicklung ging auch am Österreichischen Bauzentrum und seinen Außenstellen nicht spurlos vorüber: 1977 musste der Konkurs angemeldet werden. Die „i-bau 77“ konnte trotz der Schwierigkeiten noch durchgeführt werden, auch wegen des Engagements der Innsbrucker Messe für diese Fachveranstaltung. Unter Führung der Messegesellschaft fand 1979 und 1981 noch eine
„i-bau“ statt, ab 1983 wurde sie zur Innsbrucker Frühjahrsmesse und der Schwerpunkt Bauen sukzessive um die Themen Wohnen, Garten und Freizeit erweitert. Die vom ÖBZ herausgegebene Zeitschrift „bauforum“ war ebenfalls von der Krise betroffen. Ab Mitte der 1970er-Jahre musste der Umfang reduziert werden, was dazu führte, das speziell im Kernteil Themen weniger umfassend behandelt werden konnten. Ab Heft 61 / 1977 wurde das bauforum als unabhängiges Fachorgan weitergeführt. reger diskurs über architektur und baukultur Der Diskurs über Architektur und Baukultur wurde in den 1970er- Jahren in Tirol auch abseits der Baumusterzentrale bzw. des Bauzentrums Innsbruck rege geführt. In den Medien erschienen regelmäßig Artikel zu einschlägigen Themen. Architekten wie Josef Lackner, Hubert Prachensky und Norbert Heltschl beteiligten sich mit Kommentaren und Visionen laufend an der Diskussion über das Baugeschehen im Land.29 Mit der Grün dung der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur gab es ab 1969 eine zentrale Anlaufstelle nicht nur für Studierende, sondern auch für bereits aktiv tätige Architekten.30 Die 1964 eröffnete Galerie im Taxis palais behandelte von Beginn an auch Architekturthemen. So waren in den 1970er-Jahren u. a. Ausstellungen über die Tiroler Architekten Franz Baumann (1972), Helmut Grimmer (1976) und Heinz Tesar (1979) zu sehen, aber auch über den russischen Revolutionsarchitekten Konstantin Melnikow (1974) und den Austroamerikaner Friedrich Kiesler (1975).
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Im Zusammenhang mit dem städtebaulichen Ideenwettbewerb Pradl-Süd erschien in der Tiroler Tageszeitung vom 10. Mai 1973 dieser Beitrag der Zentralvereinigung der Architekten Tirols.
Neben internationalen Wanderausstellungen wie jenen über „Superstudio Florenz“ (1973) oder die „Architektur der zwanziger Jahre“ (1975) waren auch solche zu sehen, die sich avantgardistischen Strömungen innerhalb der österreichischen Architektur widmeten wie „Coop Himmel blau: Sie leben in Wien“ (1975), „Sechs Architekten vom Schillerplatz“ (1978) oder „Austrian New Wave. Neuere Architektur aus Wien“ (1980). Neben der Tiroler Landesgruppe des ÖIAV Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins war es insbesondere der Landesverband der Zentralvereinigung der Architekten, der in den 1970er-Jahren eine we sentliche Rolle in Tirol spielte. Im Gegensatz zur Kammer betrachtete sich die ZV nicht als Vertreterin der Architekten, sondern der Architektur. Die 1969 reaktivierte Landesgruppe, in deren Vorstand u. a. die Architekten Hubert Prachensky, Horst Parson, Norbert Heltschl, Hermann Kastner, Dieter Tuscher, Jörg Streli, Karl Heinz, Hermann Zelger, Heinz Örley, Richard Gratl, Ludwig Kolm, Günter Lottersberger, Dieter Mathoi, Helmut Ohnmacht, Hanno Schlögl und Willi Stigler jun. aktiv tätig waren, verstand sich als Forum für junge Architekten und wollte durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit eine kritischere Haltung gegenüber der Architektur erreichen. Die ZV Tirol war nicht nur Mitveranstalterin etlicher Veran staltungen und Ausstellungen des Bauzentrums Innsbruck, sondern organisierte auch eigenständig bzw. in Kooperation mit anderen Institutionen Vorträge, Tagungen und Diskussionen. So wurde etwa 196931 und 197432 der Bundestag der ZV Österreich in Innsbruck ausgerichtet. 1971 fand am Grillhof eine Arbeitstagung mit dem Grundsatzreferat „Bauen, ein Prozess“ des Schweizer Architektursoziologen Lucius Burckhardt statt, 1972 ein Diskussionsabend im Kunstpavillon, bei dem Arnold Klotz das Stadtentwicklungskonzept präsentierte und mit Architekten und Künstlern diskutierte, und 1975 der Kongress „Stadtgestalt und Stadtgestaltung im Alpenraum“33. Darüber hinaus meldeten sich die Mitglieder der ZV Tirol regelmäßig über die Medien zu Wort und nahmen zu konkreten Bau vorhaben Stellung, etwa in einem Leserbrief zum Kreidzentrum (Hermann Kastner, 1970), im Protest gegen den Abbruch der Riehl-Villa (1975) oder im Zusammenhang mit dem städtebaulichen Ideenwettbewerb PradlSüd – einer auf den sogenannten Tollingergründen geplanten Satelliten stadt für 6.000 bis 7.000 Menschen.34 1
Bauen in Tirol, bauforum 23 / 1971. Die in diesem Beitrag verarbeiteten Informationen stammen in erster Linie aus Medienberichten über die Tätigkeit des Innsbrucker Bauzentrums, insbesondere in der Tiroler Tageszeitung, den Tiroler Nachrichten, Tirols Gewerblicher Wirtschaft sowie im bauforum, der seit 1967 vom Österreichischen Bauzentrum herausgegebenen Fachzeitschrift für Architektur, Bautechnik, Bauwirtschaft und Industrial Design. 3 Kurt Jirasko, Wenn Sie mich fragen …, bauforum 31 / 1972. 4 Christoph Achammer in einem Gespräch am 24. April 2019. 5 Im COR Lieferprogramm von 1968 bis 1985 als Schwingsessel und dann wieder von 2008 bis 2017 als Modell Swing. 2
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Als Verkörperung des zeitlosen und doch innovativen Designs von COR wurde „Sinus“ anlässlich des 50-jährigen Firmenjubiläums 2004 neu aufgelegt. 7 Tiroler Nachrichten 125 / 1967. 8 Die Missstände im Museum aufzuzeigen, war Theo Braunegger ein besonderes Anliegen, wie er in einem Gespräch mit der Autorin am 1. August 2019 betonte. 9 In der Ausgabe vom 1. März 1968 erschien ein Artikel von Richard Neutra über „Städteplanung und Wohnungsbau der Zukunft“, seither pflegte die Zeitung freundschaftlichen Kontakt mit Neutra. 10 Tiroler Nachrichten 159 / 1968. 11 Ebd. 12 Unter dem Vorsitz von Sokratis Dimitriou, Professor am Institut für Kunstgeschichte der TU Graz, arbeiteten in der Redaktion zum einen Referenten des ÖBZ wie Armin Bauernfeind, Ingeborg Bugnar, Maria Czedik-Eysenberg und Leopold Sobotka, zum anderen wurden Experten wie Günther Feuerstein, Friedrich Achleitner, Karl Schwanzer u. a. m. als ständige Mitarbeiter gewonnen. 13 Tiroler Tageszeitung, 265 / 1969. 14 Tiroler Nachrichten 274 / 1969. 15 bauforum 19 / 1970. 16 Tiroler Tageszeitung 104 / 1971. 17 Tiroler Tageszeitung 119 / 1970. 18 Tirols Gewerbliche Wirtschaft 27 / 1971. Diese Ausgabe widmete sich in einem fünfseitigen Bericht „Tirol 2000 – Ausblick auf die Zukunft unseres Landes“ dieser Ausstellung. 19 Tirols Gewerbliche Wirtschaft 1 / 1971. 20 Ebd. 21 Tiroler Nachrichten 26 / 1972. 22 Das ÖBZ präferierte immer schon das Messeareal als Standort für das Innsbrucker Bauzentrum, dies konnte nunmehr in Zusammenarbeit mit der Tiroler Handels kammer und der Innsbrucker Messegesellschaft realisiert werden. 23 Das Bundesgesetz über die Förderung der Errichtung von Klein- und Mittel wohnungen vom 29. Juni 1967, BGBI. Nr. 280, Wohnbauförderungsgesetz 1968 (WFG 1968), trat am 1. Januar 1968 in Kraft. Es bezweckte eine Vereinheitlichung aller Förderungsmittel auf Bundesebene. 24 Mit dem Stadterneuerungsgesetz, dem Bodenbeschaffungsgesetz und den Novellen zum Mieten-, Wohnbauförderungs- und Wohnungsverbesserungsgesetz trat 1973 unter der Regierung Kreisky eine Reihe wichtiger Neuregelungen in Kraft. 25 Vgl. Sokrates Dimitriou, Demokratisierung des Städtebaues, in: bauforum 30 / 1972. 26 Tirols Gewerbliche Wirtschaft 19 / 1973. 27 Tirols Gewerbliche Wirtschaft 20 / 1975. 28 Konjunkturerhebung der Bundesinnung im Baugewerbe bei rund 3.000 Firmen in allen Bundesländern zum Stichtag 31. Dezember 1975, Tirols Gewerbliche Wirtschaft, 2/1976. 29 S. auch aut. architektur und tirol (Hg.), reprint. ein lesebuch zu architektur und tirol, Innsbruck 2005. 30 Besucht wurden etwa die Vorlesungen von Othmar Barth, der ab 1972 das Institut für Raumgestaltung und Entwerfen leitete. 31 Beim Bundestag der ZV im Herbst 1969 hielt der renommierte Städteplaner und Architekt Georges Candilis einen Vortrag, der Schweizer Raum- und Städteplaner Fritz Haller diskutierte mit Günther Feuerstein und Josef Lackner über sein Buch „Die totale Stadt“. 32 Die Bundesversammlung 1974 widmete sich dem Thema „Architektur und Fremdenverkehr“, zur Tagung erschien ein umfangreicher Textband. 33 Veranstaltet gemeinsam mit der Ingenieurkammer für Tirol und Vorarlberg. 34 S. auch aut. architektur und tirol (Hg.), reprint. ein lesebuch zu architektur und tirol, Innsbruck 2005.
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Die anlässlich der Ausstellung
widerstand und wandel. über die 1970er-jahre in tirol erschienene Publikation kann auf unserer Web-Site unter www.aut.cc bestellt werden. Sonderpreis: 19,70 Euro zuzüglich Versandspesen (6,- Österreich, 12,- Europa) Danke für Ihre Unterstützung!
bildnachweis Archiv AEP S. 40 | Wilhelm Albrecht S. 353, S. 354, S. 356 – 357, S. 359 – 362 | aus: ar chitektur aktuell 37 / 1973 S. 224 | aus: Architektur und Fremdenverkehr, 1974 S. 276 | Architekturzentrum Wien, Sammlung S. 87, S. 91, S. 177 (Foto Margherita Spiluttini), S. 178, S. 197, S. 199 (Foto Christof Lackner), S. 213 – 215, S. 323 | Atelier Classic S. 330 | Archiv aut S. 125 – 126, S. 130, S. 148, S. 216, S. 218 | aus: bauforum S. 138 (81 / 1980), S. 312 (23 / 1971), S. 324 (14 / 1969) | aus: Baugeschehen in Tirol 1964 – 1976, 1977 S. 187, S. 210, S. 225, S. 274 – 275, S. 331 | aus: BMZ – Offizielles Organ der Baumusterzentrale S. 279 (3 / 1968), S. 314 (1 / 1967), S. 318 (1 / 1968) | BrennerArchiv Innsbruck – Vorlass Mitterer S. 118 | aus: Broschüre für die „Luxus Terrassen hausanlage Höhenstraße“ der BOE, o. J. S. 168 | Canadian Centre for Architecture (Gift of May Cutler) S. 171 | Archiv COR S. 316 – 317 | aus: das Fenster S. 146 (5 / 1969), S. 150 (11 / 1972) | Digatone S. 63 – 64, S. 67 | Sammlung Albrecht Dornauer S. 55, S. 288 | Andreas Egger S. 200 – 201 | Thomas Eisl S. 93 | aus: Endbericht – XII. Olympi sche Winterspiele Innsbruck 1976, 1976 S. 288 | aus: Festschrift zur offiziellen Über gabe und kirchlichen Weihe, Sprengelhauptschule St. Johann in Tirol, 1980 S. 225 | FI Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck S. 119, S. 197 – 198, S. 229 – 231, S. 233, S. 238, S. 241, S. 244 – 245, S. 248 – 249, S. 282 | FRAC Orleans S. 157 – 158 | frischauf-bild S. 160 – 161, S. 164 – 165, S. 169, S. 277 | Archiv Galerie Krinzinger S. 104 – 105, S. 108 | Siegbert Haas S. 179 | Karl Heinz S. 206, S. 207 | aus: Norbert Heltschl. Bauten und Projekte, 2002 S. 197 | Nachlass Ernst Hiesmayr S. 132 | Sepp Hofer S. 69 | aus: Horizont. Kulturpolitische Blätter der Tiroler Tageszeitung S. 140 (18 / 1974), S. 143 (4 / 1972), S. 145 (9 / 1973), S. 149 (10 / 1973), S. 152 (29 / 1976), S. 154 (13 / 1974) | Hertha Hurnaus S. 162 | Sammlung Waltraud Indrist S. 284, S. 290 | Sammlung Peter Jordan S. 259 – 260, S. 269 – 270, S. 364 | aus: Kasiwai. Ein Bildband des Kennedy-Hauses in Innsbruck, 1970 S. 31 | Franz Kiener S. 220 – 222 | Wolfgang Kritzinger S. 263 | Christof Lackner S. 226 | Bernhard Leitner S. 76 – 80 | Christian Mariacher S. 14 – 22 | Albert Mayr S. 82, S. 84 – 85 | Wolfgang Mitterer S. 97 | Thomas Moser S. 268, S. 271 | Helmut Ohnmacht S. 345, S. 370 | Stefan Oláh S. 208 | Archiv ORF Landesstudio Tirol S. 343 | Ortner & Ortner S. 129 | Archiv Max Peintner S. 281 | Charly Pfeifle S. 304 – 309 | Wolfgang Pöschl S. 262 | Peter P. Pontiller S. 191, S. 193 – 194 | aus: Pooletin, 3 / 4, 1977 S. 107 | aus: Pressemappe des Bauzentrums Innsbruck, 1971 S. 322 | aus: Prospekt „i-bau 1973“ S. 334 | Carl Pruscha S. 148 | Nachlass Egon Rainer S. 328 – 329 | Kurt Rumplmayr S. 261 – 262 | Sammlung Wolfgang Salcher S. 219, S. 226 | Elisabeth Schimana S. 89 | Hanno Schlögl S. 184, S. 186 | Sammlung Hubertus Schuhmacher S. 57 | aus: Schulbau in Österreich, 1996 S. 224 | Sammlung Meinrad Schumacher S. 30 | Sammlung Elisabeth Senn S. 255 – 257 | aus: Sozialer Wohnbau in Tirol. Historischer Überblick und Gegenwart, 1987 S. 136, S. 196 | Stadt archiv Innsbruck S. 24, S. 68, S. 71, S. 285, S. 325 | aus: Stadtentwicklung Innsbruck. Tendenzen und Perspektiven, 1978 S. 127 | Subkulturarchiv Innsbruck S. 33, S. 34, S. 37, S. 47 – 49, S. 58 – 62, S. 66, S. 70 | Archiv Taxispalais Kunsthalle Tirol S. 100, S. 102 | tirol kliniken S. 283 | Tiroler Landesmuseen / Zeughaus S. 330 | Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum S. 109, S. 112, S. 300 (Grafische Sammlung, Inv. Nr. 20Jh / C / 59), S. 302 (Grafische Sammlung, Inv. Nr. 20Jh / P / 118) | aus: Tiroler Nachrichten, 159 / 1968 S. 320 | aus: Tiroler Tageszeitung, 108 / 1973 S. 336 | aus: Tirols Gewerbliche Wirtschaft, 20 / 1970 S. 327 | aus: TRANSPARENT. Manuskripte für Architektur, Theorie, Kritik, Polemik, Umraum, 8 / 9, 1970 S. 294, S. 299 | Trash Rock Archives S. 52 | Archiv TU Graz, Sammlung Dreibholz S. 190 | Dieter Tuscher S. 131 | UniCredit Bank Austria AG, Historisches Wertpapierarchiv S. 246 | Universitätsarchiv Innsbruck S. 234 | Universi tätsarchiv Innsbruck – Nachlass A. Pittracher S. 251 | aus: Der Volksbote, 19 / 1973 S. 332 | Günter Richard Wett S. 339 – 340, S. 341, S. 344, S. 346 – 351, S. 366 – 369, S. 371 – 491 | Wien Museum, Karl Schwanzer Archiv (Foto Sigrid Neubert) S. 128 | aus: Wohnanlage Mariahilfpark Innsbruck (WE), 1970 S. 166, S. 167 | aus: Wohnen Morgen Burgenland, 1971 S. 180 – 185, S. 188 | Nachlass Arthur Zelger S. 286 | Siegfried Zenz S. 121, S. 122 Trotz intensiver Bemühungen konnten nicht alle Inhaber von Textrechten ausfindig gemacht werden. Für entsprechende Hinweise sind die Herausgeber dankbar. Sollten Urheberrechte verletzt worden sein, werden diese nach Anmeldung berechtigter Ansprüche abgegolten.