The Revolution Will Be Televised: Social Media und das partizipative Museum
Lou Patrou: We know where the line is... what’s next? cereal box as art? procter & gamble packages? oh someone already did those! Ulf Skei: Of course it’s art, let me point my finger in the direction of ‘Fountain‘, 1917, I believe, Marcel Duchamp. To me it sure is art, I think it’s all about contextuality, drag something out of its own turf and plant it where it provokes feeling, and it is art... Rifka Jerebker: Yike. i suppose you have to leap on the bandwagon… but just shows me that I’m really one of the old dying breed of traditionalists. Does it have to be ‘art‘ per se? can it not just be what it is? i guess with funding possibly closing from the new obama package museums are looking for other ways to slip in the cracks? oh were is pope Julius the 2 when you need hime?
Lou Patrou, Ulf Skei und Rifka Jerebker diskutieren die essentielle, vielleicht auch müßige Frage, was denn nun eigentlich Kunst sei, anlässlich der Fragestellung, ob den Videospiele ins Museum gehören. Interessant dabei ist, dass die drei sich sehr wahrscheinlich nicht kennen und sich auch noch nie getroffen haben, denn diese Diskussion fand statt auf der Facebook Fan-Seite des MoMa, New York. Diese Seite verzeichnet über 800.000 Fans, die damit auch gleichzeitig Abonnenten der FacebookNachrichten des Museum sind. Facebook gehört zu den sogenannten Social Media. Die Begriffe Social Media, partizipative Medien oder auch Web 2.0 beschreiben bestimmte Anwendungen und Plattformen im Internet, die es jedem einzelnen Benutzer ermöglichen, sich ohne großen Aufwand mit anderen Anwendern zu vernetzen und eigene Inhalte aufs Web zu laden. Diese Entwicklung nahm vor circa zehn Jahren ihren Anfang. Dazu gehören zum Beispiel soziale private Netzwerke wie Facebook oder Google+, welche die direkte Kommunikation zwischen Individuen und Gruppen ermöglichen. Andere Plattformen wie YouTube oder Flickr erlauben das Hochladen, Austauschen und Bewerten von Filmen und Bildern. Blogs wiederum funktionieren eher wie individuelle Nachrichtenplattformen, auf denen mitunter sehr detailliert berichtet und diskutiert wird, ganz im Gegensatz zum Beispiel von Twitter, einem sogenannten Microblogging-Dienst, über den Kürzestnachrichten ausgesandt werden. Auch Wikipedia, die Enzyklopädie, an der jedermann mitschreiben kann, gehört zu diesem neuen Typus von Medien. Bereits im Jahr 2010 waren 39% der über 14jährigen Onlinenutzer in Deutschland auf sozialen Netzwerken unterwegs und 36% gaben an, mindestens wöchentlich auf diesen Plattformen vorbeizuschauen (ARD/ZDF 2010). In den letzten Jahren haben Firmen, Behörden und Institutionen diese Plattformen vermehrt für sich entdeckt und so wurden auch Museen zunehmend aktiv, allen voran Flagschiffe wie das MoMa in
New York oder das British Museum in London mit über 130.000 Fans (Stand August 2011). Museen 1
bloggen , benützen Twitter oder stellen Filme über YouTube zur Verfügung.
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Allerdings ist die Nutzung von sozialen Medien im Museumskontext im internationalen Vergleich noch 3
recht unterschiedlich. Eine vergleichende Studie über die Integration von Web 2.0-Tools in die eigentlichen Webseiten von Museen ergab, dass britische und amerikanische Museen den meisten europäischen Museen noch weit voraus sind (Lopez et al. 2010). Eine Online-Erhebung unter U.S.amerikanischen Museen aus dem Jahr 2010 stellte gar fest, dass 90,2% aller beteiligten Museen Social Media für ihr Museum nutzen (Fletcher 2010). Deutschland hinkt den Entwicklungen im angelsächsischen Raum erheblich hinterher. Ein Facebook-Ranking vom August 2011 gibt als Spitzenreiter das NRW Forum in Düsseldorf mit 20.482 Fans an. Renommierte Museen wie die Neue Nationalgalerie in Berlin oder die Schirn in Frankfurt haben 5.964, respektive 9.205 Fans um sich geschart (Public Plan 2011; Stand August 2011). Störfaktor oder gesellschaftliche Notwendigkeit? Das Interessante am Einsatz von sozialen Medien im Museumskontext ist die Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme mit dem Publikum auch außerhalb der Institution und das geht weit über den Einsatz von Social Media als Ankündigungsplattform für Veranstaltungen hinaus. Man kann beispielsweise die Inhalte der eigenen Arbeit unterstützten durch Interviews mit Künstlern und Kuratoren oder man kann dem Besucher einen Blick hinter die Kulissen des Museums gewähren, in dem man zum Beispiel den Aufbau einer Ausstellung dokumentiert oder die Restauratoren bei der Arbeit begleitet. 4
Das Städel-Blog begleitet den Umbau des Städelmuseums in Frankfurt und das Indianapolis Museum of Art schickt gar den Haustechniker Reed durchs Haus um die einzelnen Abteilungen zu inter5
viewen und per Video vorzustellen . Somit werden die sozialen Medien zu einem hauseigenen Multimediakanal, der es einem Museum erlaubt, über die eigene Arbeit zu berichten, aber auch eine ganz spezifische Themenkompetenz über die eigenen Mauern hinaus zu etablieren. Entscheidend dabei ist jedoch, dass man versteht, dass dieser Kanal zwei Richtungen hat. Social Media sind nicht nur dazu da, Informationen zu verteilen. Sie leben vielmehr vom Austausch mit dem Publikum. Dieser Austausch kann recht umfassend sein. So kann man das Publikum zum Beispiel an Oral- und VisualHistory Projekten beteiligen. Zeitzeugen des Mauerfalls beispielsweise tragen ihre Fotos und Eindrü6
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cke auf der Plattform „Wir waren so frei ...“ zusammen, und auf Audioboo finden sich verschiedene Interviews mit überlebenden Mitarbeitern des englischen Bletchley Park-Labors, welches während des zweiten Weltkriegs die Funksprüche der deutschen Truppen und Geheimdienste entschlüsselte. Zum einen zeigt dies ganz deutlich, dass der Einsatz von sozialen Medien ganz spezifische und nicht unerhebliche Ressourcen braucht. Zum anderen aber verlangt es die innere Bereitschaft der Instituti-
1 siehe zum Beispiel das Blog des Österreichischen Jüdischen Museums: www.ojm.at/blog/ 2 siehe zum Beispiel den YouTube Kanal des Guggenheim Museums: http://bit.ly/pdj3rM 3 Es wurden italienisch, französische, spanische, englische und amerikanische Webseiten verglichen 4 www.das-‐neue-‐staedel.de 5 http://www.youtube.com/watch?v=tzlxV7WVGYo 6 www.wir-‐waren-‐so-‐frei.de/ ist eine von der deutschen Kinemathek. betriebene Plattform. 7
http://bit.ly/oTYEXc
on, sich auf den direkten Dialog mit dem Besucher einzulassen. Der Einsatz von sozialen Medien setzt voraus, dass man als Institution ein Stück weit die Kontrolle aufgibt. In der Außendarstellung heißt das, dass man zum Teil auch unbequeme Meinungen und Sichtweisen von Besuchern zulassen muss. Nach innen bedeutet es, dass man in einem schnellen Medium kommuniziert, bei dem nicht mehr jede Zeile, jedes Bild von der Leitung freigegeben werden kann. Idealerweise kommunizieren sogar Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen direkt mit den Besuchern, ohne dass eine Kontrollinstanz alle Schritte überwacht. Das setzt in vielen Institutionen ein Umdenken voraus. So gefährlich das klingen mag, es sei jedoch auch die Frage erlaubt, ob dieser Ansatz denn wirklich so etwas grundsätzlich Neues im Museumskontext ist. Partizipative Medien existieren nicht im luftleeren Raum. Sie sind Teil eines generellen Trends, der sich dadurch auszeichnet, dass die Menschen mehr Mitsprache verlangen, sowohl als Bürger als auch als Konsumenten. Auch die Rolle des Museums wird diesbezüglich zumindest seit den sechziger, siebziger Jahren vermehrt diskutiert. Die Frankfurter Tagung „Das Museum: Lernort contra Musentempel“ von 1975 (Spickernagel/Walbe 1976) hob die didaktischen Aspekte der Museumsarbeit hervor und stärkte damit der Vermittlungstätigkeit den Rücken. Es gibt auch durchaus radikalere Forderungen in Bezug auf museale Partizipation. Nora Sternfeld benutzt einen starken Partizipationsbegriff, bei welchem die klassischen Hierar8
chien in Frage gestellt werden . Der Besucher wird hier nicht nur beim Mitmachen angeleitet, er soll die Spielregeln mitbestimmen. Etwas pragmatischer kommt Nina Simons Partizipationsmodell daher (Simon 2010), welches einen flexiblen Rahmen darstellt, dessen Bandbreite von einer stark vom Museum geleiteten Partizipation bis hin zu puklikums-kuratierten Ausstellungen geht. Dieser Paradigmenwechsel in der Museumsarbeit wird zum einen mit finanziellen und kulturpolitschen Erwägungen begründet, also der Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erreichen und Besucherbindungen zu stärken. Zum anderen steht oft eine politische Haltung dahinter, die den Besucher nicht als Kunden sondern als steuerzahlenden Bürger und somit Mitbesitzer der Institution sieht. Nina Simon (Simon 2010) sieht in einer nachhaltigen Veränderung der Museumslandschaft hin zur stärkeren Partizipation und Mitsprache eine gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Notwendigkeit, da man ihrer Meinung nach viele Menschen mit der klassischen Museumsarbeit nicht mehr erreicht. Sie argumentiert unter anderem, dass ein Publikum, welches gewohnt ist, über die verschiedensten digitalen Plattformen direkt mit Institutionen und Firmen zu sprechen, dies auch von den Museen erwartet. Der Künstler und Theoretiker Peter Weibel (Weibel 2007), seines Zeichens Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe (ZKM) bringt zusätzlich eine kunsthistorische Argumentation in die Diskussion mit ein. Für ihn sind partizipative Medien die logische Weiterführung künstlerischer Konzepte des 20. Jahrhunderts. Er zitiert Marcel Duchamp, der den Betrachter als Teil des Kunstwerks sieht und verweist auf kinetische Kunst und OP-Art. Beides sind Kunstrichtungen, die sich aus dem Zusammenspiel zwischen Rezipient und Kunstwerk nähren. Die sozialen Medien, so Weibel, gehen jedoch noch einen Schritt weiter, indem der Betrachter nicht nur mehr Auslöser eines
8 So geäussert in einem Vortag im Stapferhaus Lenzburg, Schweiz, Juli 2011
Kunstwerks ist, sondern selbst zum Künstler und Kurator wird. Er prophezeit den Museen den Untergang, sollten sie nicht in der Lage sein, sich den Mediengepflogenheiten des 21. Jahrhunderts anzupassen. Der Trendbericht „Museums & Society 2034“ (Chung/Wilkening 2008) gibt Weibel und Simon Recht, zumindest was den amerikanischen Raum angeht. Museen werden sich dort gemäß der Studie in den nächsten zwanzig Jahren zunehmend zu Zentren des kulturellen Austauschs entwickeln. Gleichzeitig wird der Trend zur Personalisierung von Medien weiter anhalten. Das hat zwei Folgen: Zum einen wird die Kommunikation immer fragmentierter, da die Besucher zunehmend individuell oder in kleinen Gruppen angesprochen werden und zum anderen wird die Expertenkultur weiter ausgehöhlt. Dies, so der Bericht weiter, führt letztendlich dazu, dass Museen die Art und Weise, wie Objekte und Themen kuratiert werden, zwangsläufig überdenken müssen. Wer benutzt wen? Social Media wird im Museumskontext mitunter eine gewisse Skepsis entgegengebracht. Das ver9
wundert nicht weiter, denn schliesslich sind digitale Medien „disruptive technologies “, die dem bewahrenden Charakter der Museen diametral entgegenstehen. Die Skepsis macht nicht im Museum selbst halt. So sind viele Museen in der Schweiz und auch in anderen Ländern in ihren onlineAktivitäten von übergeordneten Behörden abhängig und für deren IT-Spezialisten bedeuten soziale Medien vor allem zusätzliche Arbeit und Sicherheitsrisiken. Das kann mitunter zu ziemlichen Problemen führen, beispielsweise wenn der zuständige IT-Experte sich weigert, den Facebook-Gebrauch für den Arbeitsplatz im Museum freizuschalten. Über den Umgang mit solchen Problemen haben wir nicht zuletzt in unserem Social Media-Leitfaden geschrieben (Vogelsang/Minder/Mohr 2011). Im Kontext partizipativer Ansätze sind jedoch die ideologischen Vorbehalte gegenüber Social Media von größerem Interesse. Social Media haben auch jenseits der Museumswelt nicht nur Freunde. Es gab in den vergangen Jahren einige Bücher, die mit den digitalen Medien heftig ins Gericht gingen. So beschreiben zum Beispiel der amerikanische Autor Nicholas Carr (2010) in seinem Buch „The Shallows“ (zu Deutsch „Die Oberflächlichen“) und Frank Schirrmacher (Schirrmacher 2009) in seinem Bestseller „Payback“ das Internet und vor allem die sozialen Medien als eine Umgebung, in der Konzentration, Diskurs und Erinnerungsfähigkeit auf der Strecke bleiben. In den U.S.A., wo der Einsatz von sozialen Medien im Kulturbereich sehr weit fortgeschritten ist, hat diese Diskussion bereits die Museen erreicht. So haben sich zum Beispiel Arianna Huffington (2010), die Gründerin der Newsplattform Huffington Post und Edward Rothstein (2010), Kulturkritiker der New York Times sehr kritisch über den Einsatz von mobilen Anwendungen und Social Media vor Ort im Museum geäussert. Diese würden das eigentliche kontemplative Museumserlebnis verwässern und nicht wirklich Relevantes hinzufügen. Es stellt sich also die Frage, ob die sozialen Medien den Ansprüchen eines Museums überhaupt gerecht werden können.
9 Der Begriff disruptive technologies beschreibt das Phänomen, dass neue digitale Technologien in vielen Institutio-‐
nen erst einmal nicht als Chance begriffen werden, sondern als eine Störung gewohnter Arbeitsabläufe und damit als eine Bedrohung (vgl. Peacock, 2008)
Vorwürfe von Oberflächlichkeit und Dialogunfähigkeit und die Angst vor Verlust von persönlichem Gedächtnis begleiteten auch andere größere Umbrüche in der Mediengeschichte. Genau diese Vorbehalte finden sich z.B. in Platos Phaidros (Vgl. Hare/Russell 1970: 295f.), in dem er das Schreiben kritisiert und betont, dass nur der gesprochene Dialog der Wahrheitsfindung dienen könne. Bestimmte Aspekte der Erinnerungsfähigkeit des Einzelnen mögen durchaus durch die Mediennutzung leiden, aber das ist ein Problem, welches bereits sei der Erfindung des Schreibens akut ist und nicht zuletzt profitieren die Museen davon, die ja auch Orte der Gedächtnisauslagerung sind. Es ist auch klar, dass in sozialen Medien wie Facebook und Twitter vieles geschrieben und hochgeladen wird, welches nur persönliche Relevanz hat. Doch Tratsch, Albernheiten und Floskeln gehören nun einmal zum sozialen Repertoire der meisten Menschen und werden auch im echten Museumsraum ständig praktiziert, sowohl von Besuchern als auch von Mitarbeitern. Aus der Tatsache, dass vermehrt das gesprochene Wort vom Privaten in die digitale Öffentlichkeit überführt wird, zu schliessen, dass die Menschen vor der Einführung sozialer Medien mit mehr Tiefsinn kommuniziert hätten, ist ein Trugschluss. Dazu kommt, dass die meisten Kritiker sozialer Medien der vordigitalen Generation angehören.
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Deren Kulturpessimismus ist zumindest zum Teil ein Ausdruck des Verlustes, den die dramatische Veränderung der Medienwelt für diese Generation mit sich gebracht hat. Dies deutet sich auch in der heftigen Replik von Nina Simon (2011) an, die sich mit ihrem Blog Museum 2.0 und ihrem Buch „The Participatory Museum“ zu einer Vorreiterin partizipativer Ansätze im Museum gemacht hat. Sie wirft den Kritikern Huffington und Rothstein ein reaktionäres Museumsverständnis vor, welches den eurozentrischen, aristokratischen Ursprüngen des Museums verhaftet sei. Weiterhin argumentiert sie, dass der kontemplative Betrachter in heutigen Museen nachweislich in der Minderzahl sei und Museen mittlerweile auch andere Aufgaben hätten, wie zum Beispiel das Zelebrieren oder Erforschen spezifischer Themen oder auch das Herausfordern der Besucher. Simons Replik weist darauf hin, dass es in dieser Diskussion nur vordergründig um Social Media geht. Es handelt sich letztendlich wieder um die klassische Machtdiskussion Kurator vs. Publikum, die sich zur Abwechslung die sozialen Medien als Spielfeld ausgesucht hat. Von den positiven Vordenkern digitaler Medien wird immer wieder ins Feld geführt, dass diese Medien Transparenz, Demokratie und Teilhabe fördern. Das Frühlingserwachen der arabischen Staaten in jüngster Zeit wird nicht zuletzt auch dem massiven Einsatz von sozialen Medien zugeschrieben und man spricht diesbezüglich auch von der Twitter- oder Facebook-Revolution. Aber auch da muss man vorsichtig sein. Es gibt durchaus Stimmen, die davor warnen, den Einfluss solcher Medien auf politische Ereignisse zu überschätzen (Neumann 2011). Sowohl die Pauschalkritiker von Social Media als auch diejenigen, die sie als treibende Kraft des Guten betrachten, müssen sich den Vorwurf des Determinismus gefallen lassen. Medien schaffen zwar
10 Man spricht hier auch von sogenannten „digital immigrants“ – digitalen Immigranten im Gegensatz zur Generation
der „digital natives“ – den digitalen Eingeborenen.
einen gewissen Rahmen, können die eigene Nutzung jedoch nur bedingt determinieren. So kann man im Museumsbereich Social Media als reines Marketingtool benutzen. Damit würde man aber kaum vom klassischen Medienverständnis abweichen, welches einen Sender (Museum) und viele Empfänger (Besucher) vorsieht. Man kann aber auch in eine neue Form des Dialogs mit dem Besucher treten, kann ihn in die Hintergründe der Museumsarbeit einführen und ihn um seine Meinung bitten und somit zu einer intensiven Auseinandersetzung kommen, die sonst nur im persönlichen Gespräch möglich ist. Der Anfang vom Ende des Museums? Unbestritten ist allerdings, dass Social Media die Duplizierung und Verbreitung von Bildern aus dem Museumskontext fördern und dadurch die ohnehin schon immense Bilderflut weiter ansteigen lassen. Damit stellt sich für Museen auch die Frage, ob Social Media die Aura des Kunstwerkes nicht noch weiter untergraben. Wird durch den unmittelbaren Zugriff aufs digitale Bild der Besuch im Museum nicht irgendwann obsolet? Schulz (Schulz 2010) argumentiert, dass gerade durch die verstärkte Medialisierung die Menschen umso intensiver auf der Suche nach dem Echten, dem Original sind. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass gerade große Kunstausstellungen mit bekannten Namen und Bildern immensen Zulauf haben. In der Befürchtung um die Marginalisierung des Museumsraums schwingt außerdem die Angst mit, dass Menschen mittels digitaler Medien die reale Welt gegen eine vermeintlich ärmere digitale Welt eintauschen. Diese Angst spielt auch in der oben genannten kritischen Literatur eine wesentliche Rolle. Jurgenson (2011) spricht hier von einer Perspektive des „digital dualism“, welche unsere Welt in eine echten, physikalischen Raum und einen virtuellen digitalen Raum einteilt. Er schlägt ein Gegenmodell einer Welt vor, in der physikalischer und digitaler Raum sich immer mehr miteinander vermischen und das Digitale den physikalischen Raum unterstützt und erweitert: „”We are not crossing in and out of separate digital and physical realities, ala The Matrix, but instead live in one reality, one that is augmented by atoms and bits.” (Jurgenson 2011) Insofern kann also von der Flucht aus dem physikalischen Realraum keine Rede sein. Es geht vielmehr darum, diesen Raum entsprechend mit digitalen Medien zu unterstützen. Diese Sichtweise wird in einer vom British Arts Council in Auftrag gegebenen Studie unterstützt, die zum Schluss kommt, dass digitale Medien die Realwelt-Erfahrung unterstützten und nicht ersetzen (MTM London 2010). Eine amerikanische Studie (National Endowment for the Arts 2010) kommt sogar zum Schluss, dass diejenigen Besucher, die via Internet auf Kultur zugreifen – in den U.S.A. immerhin 37% – mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit einen Live-Event besuchen. In dieses Bild passt auch die Meldung vom August 2011, dass die virtuelle „Dresden Gallery“ mangels Besucher geschlossen wurde. Diese Galerie war eine aufwendige 3D-Nachbildung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in der virtuellen Welt Second Life. Second Life war noch vor einigen Jahren als die Zukunft des Internet angepriesen worden. Es zeigt sich jedoch mehr und mehr, dass virtuelle 3D-Welten eher ein Nischendasein führen und vor allem im Spielebereich erfolgreich sind. Eine einfache Duplizierung des Echtraums im Digitalen ohne Mehrwert vermittelt zumindest bis heute immer nur ein mattes Spiegelbild des Originals.
Zwar gibt es auch einen kleinen Anteil an Besuchern, der nur digital auf die Kulturangebote zurückgreift. Dabei handelt es sich jedoch um Menschen, denen es entweder aus finanziellen Gründen oder aufgrund räumlicher Distanz nicht möglich ist, die entsprechenden Veranstaltungen zu besuchen (ebd.). Lösung statt Problem. Der Einsatz von Social Media im Museum stellt mit Sicherheit eine große Herausforderung für viele Museen dar. Die Bedrohung für die klassische Museumsarbeit liegt jedoch nicht in den sozialen Medien oder in partizipativen Konzepten. Sie liegt in einer sich verändernden Gesellschaft, die Autoritäten zunehmend misstraut und auf Augenhöhe diskutieren will. Hier bieten partizipative Konzepte und Social Media eine Chance, um Distanzen abzubauen und neue Zielgruppen anzusprechen. Social Media spielen dabei keine isolierte Rolle. Social Media sind lediglich die Fortsetzung etablierter partizipativer Konzepte mit neuen Mitteln. Interessante Social-Media-Konzepte sind in der Regel in guter Museumsarbeit vor Ort verankert. Genau deswegen aber sollten Vermittler und Kuratoren die Social Media nicht einfach dem Marketing und der Kommunikation überlassen, sondern sich überlegen, wie sie selbst diese neue Medien kreativ für ihre eigenen Arbeitsbereiche einsetzen können. Allerdings sollte man die Bereitschaft zur Partizipation nicht überschätzen. Auch in den Social Media ist die Anzahl der passiven Zuschauer und Leser wesentlich höher als die der Menschen, die aktiv durch das Hochladen von Daten oder das Schreiben von Texten und Kommentaren teilnehmen (Li/Bernoff 2008: 41 ff). Nicht alle Menschen wollen jederzeit beteiligt sein und ständig partizipieren. Noch immer wollen Besucher sich unterhalten lassen, sie wollen sich wundern und staunen und emotional berührt werden. Die Aura des Erhabenen und Elitären, die bedeutende Galerien und große Werke umweht, übt nach wie vor ihren Reiz aus. Es ist weiterhin Platz für spannende Inszenierungen und große Erzählungen. Diese Erzählungen jedoch müssen zunehmend vielschichtiger und multiperspektivisch erzählt werden. Auch hierfür bieten Social Media eine hervorragende Plattform.
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