5 minute read

Rendez-vous mit einem Tierretter

RENDEZVOUS

Zur Person

Alter: 30 Jahre Wohnort: Wetzikon Hobbys: Feuerwehr. Igel und Eichhörnchen aufpäppeln

TIERRETTUNG

Im Einsatz für Tiere in Not

Patrick Huber ist als Tierretter für die «Stiftung TierRettungsDienst – Leben hat Vortritt» im Kanton Zürich unterwegs. Er erzählt uns von seinem besonderen Arbeitsalltag, der tierisches Einfühlungsvermögen, Stressresistenz und viel Geduld erfordert.

Patrick Huber, wie gestaltet sich ein Tag als Tierretter?

Als Erstes prüfen wir die Fahrzeuge und die Ausstattung und kontrollieren, ob alles vollständig, aufgeladen und intakt ist. Wir sind ja hauptsächlich draussen unterwegs. Anschliessend findet in der Einsatzzentrale eine Besprechung statt, bei der planbare Fahrten zugewiesen werden. Zum Beispiel wenn jemand sein Büsi nicht einfangen kann und es zum Tierarzt gebracht werden muss. Oder es sind Einsätze der Behörde bei Beschlagnahmungen, bei denen das Veterinäramt und die Polizei involviert sind. Alle anderen Einsätze sind nicht planbar, und wir richten uns nach den Notrufen.

Ist bei den Einsätzen jeweils ein Tierarzt dabei?

Nein, in der Regel sind wir allein unterwegs. Manchmal begleitet uns ein Tierpfleger, vor allem bei schwierigeren Einsätzen wie grösseren Beschlagnahmungen.

Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?

Nach der Ausbildung zum Schreiner kam ich via Militär zur Sanität und war als Sicherheitsbeauftragter beim öffentlichen Verkehr tätig. Bei meinem freiwilligen Engagement als Rettungsfahrer bei der Stiftung habe ich meine Berufung gefunden und arbeite seit März 2016 als fest angestellter Rettungsfahrer. Ich hatte schon immer ein grosses Herz für Tiere und engagiere mich auch privat für Tiere in Not.

Welche berufliche Ausbildung braucht es als Rettungsfahrer für Tiere?

Die fünftägige fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung (FBA) TierTransport ist ein Muss. Letztes Jahr wurde unsere Stiftung vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen als Ausbildungsstätte für diese umfassende Ausbildung im Bereich Heim- und Wildtiertransporte anerkannt.

Was sollte man sonst noch mitbringen?

Man sollte sich mit den unterschiedlichen Tierarten auskennen. Stressresistenz und manuelles Geschick sind auch von Vorteil. Und man muss sich abgrenzen können, denn es ist oft emotional, wenn ein Haustier betroffen ist. Einmal wurde ich gerufen, weil eine Katze «angefahren» worden sei. Es stellte sich dann aber heraus, dass die Katze nicht verletzt, sondern vernachlässigt war. Es ging ihr sehr schlecht. Sie war abgemagert und hatte Maden im Mund. Der Halter war ein Messie – für ihn war der Zustand seines Büsis normal. Es folgte eine Anzeige wegen Tierquälerei – eine sehr schwierige Situation. Manchmal

Im Notfall muss es schnell gehen: Die Tierretter leisten Erste Hilfe und transportieren ihre Patienten ins nächste Tierspital.

werden die Halterinnen und Halter ausfällig und ich muss zur eigenen Sicherheit die Polizei rufen.

Wie viele Einsätze leisten Sie pro Tag?

Das ist je nach Jahreszeit unterschiedlich. Die Hochsaison ist im Frühling und Sommer. Es ist die Zeit der Jungtiere, die Menschen sind länger draussen und die Tiere aktiver. Im Winter gibt es mehr angefahrene Katzen, weil es früher dunkel wird. Zu Höchstzeiten haben wir durchschnittlich über 20 Einsätze pro Tag.

Rücken Sie auch in der Nacht aus?

Ja, wir sind 24 Stunden unterwegs. In der Nacht unterstützen uns freiwillige Fahrerinnen und Fahrer. Dann kann es sein, dass uns die Polizei kontaktiert, weil jemand verhaftet oder hospitalisiert wird und sein Tier untergebracht werden muss. Auch bei Wohnungsbränden rücken wir aus, wenn Tiere involviert sind.

Welchen verletzten oder verunfallten Heimtieren haben Sie schon geholfen?

Hauptsächlich Katzen und Hunden, ich hatte aber auch schon einen Einsatz für einen Leopardgecko, der sich im Terrarium eingeklemmt hatte. Es ist auch schon vorgekommen, dass wir blinde Passagiere bei Heimreisen von Ferien einfangen müssen: Skorpione oder Spinnen. Die müssen wir für den Transport besonders gut sichern.

Arbeiten Sie mit Wildhüter*innen zusammen?

Bei den Wildtieren gibt es gesetzliche Bestimmungen von der Fischerei- und Jagdverwaltung. Bei Fuchs, Marder, Dachs, Reh und Wildsau verweisen wir auf die Polizei, die dann den entsprechenden Jagdaufseher aufbietet. Aber für Eichhörnchen, Igel, Wildvögel oder Siebenschläfer sind wir im Einsatz.

Wie sollte man sich verhalten, wenn man ein verletztes Wildtier entdeckt?

Es kommt darauf an, um welches Tier es sich handelt. Grundsätzlich lässt man das Tier am besten in Ruhe und ruft die Polizei oder unseren Tierrettungsdienst.

Welche Situationen bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?

An die positiven Einsätze erinnere ich mich besonders gern, wenn zum Beispiel Tiere wieder gesund werden und zur Halterin oder zum Halter zurückkönnen. Aber es gibt auch die weniger schönen, die für alle Involvierten vor Ort emotional sind. Einmal wurde ich gerufen, weil ein Berner Sennenhund angefahren worden war. Der Welpe machte beim Eintreffen einen einigermassen fitten Eindruck, auf der Fahrt ins Tierspital verschlechterte sich jedoch sein Zustand und er ist leider gestorben.

Das klingt anspruchsvoll: Sie müssen möglichst rasch im Spital ankommen und gleichzeitig ein Tier überwachen.

Unsere Fahrzeuge sind mit Kameras ausgerüstet. So kann die Fahrerin oder der Fahrer vorne überwachen, wie es dem Tier in der Box geht. Wir dürfen bei unseren Rettungseinsätzen den Tieren

Stiftung TierRettungsDienst – Leben hat Vortritt

Rund um die Uhr nimmt die Einsatzzentrale Anrufe aus der Region Zürich entgegen und bietet den Tierrettungsdienst auf, um verletzte Tiere in die nächste Tierarztpraxis oder ins Tierspital zu transportieren. Ausgesetzte oder zugelaufene Heimtiere kommen ins eigene Tierheim Pfötli, wo sie aufgepäppelt werden, bis sie an ein neues Zuhause vermittelt werden können. Weitere Fakten: 1993 Gründung als Verein von aktiven Tierschützer*innen 1998 Gründung des Tierheims Pfötli 2006 Umwandlung des Vereins in eine Stiftung 5586 Rettungseinsätze im Jahr 2021 59 Mitarbeitende 5 Einsatzfahrzeuge

keine Medikamente verabreichen, können sie aber unter Sauerstoffzufuhr transportieren.

Wie nähern Sie sich einem verängstigten oder verletzten Tier?

Bei Hunden kann man viel an der Körperhaltung ablesen. Wie stehen die Ohren, ist die Gesichtsmuskulatur angespannt? Darauf werden wir speziell geschult. Als Erstes müssen wir immer den Maulkorb anlegen, was sich oft schwierig gestaltet. Einsätze mit besonders ängstlichen und fordernden Hunden können mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Katzen fangen wir je nach Situation mit einem Netz ein. Wärmebildkameras helfen uns dabei, eingeschüchterte Tiere, die sich verstecken, zu finden.

Sind Sie schon gebissen worden?

Von Hunden nicht, von Katzen aber schon dreimal. Das sind die gefährlichsten Bisse. Beim letzten musste ich sogar im Spital bleiben, um eine Blutvergiftung zu verhindern.

Wie reagieren Sie, wenn Tiere ausgesetzt werden?

Wird ein Tier offensichtlich ausgesetzt, ziehen wir die Polizei hinzu. Ein Tier auszusetzen ist eine Straftat und kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Das Tier kommt danach zu uns ins Tierheim Pfötli, wo es tiermedizinisch versorgt und fachgerecht gepflegt wird. Sobald die polizeilichen Ermittlungen beendet sind und das Tier wohlauf ist, können wir es in ein neues Zuhause vermitteln.

Haben Sie auch ein Haustier?

Ich habe zwei Leopardgeckos. Vergangenes Jahr habe ich mich in eine Katze verliebt, die ich gerettet habe, aber es war jemand schneller als ich und hat ihr ein neues Zuhause geschenkt. Hauptsache, dem Tier geht es gut.

Text: Monika Mingot Fotos: Herbert Zimmermann, Stiftung TierRettungsDienst

This article is from: