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Rendez-vous mit einer Pflegefamilie
RENDEZVOUS
«Pflegeeltern zu sein,
IST EINE TOLLE AUFGABE»
Seit Ann Katrin Cooper und Tobias Spori Pflegekind Lasse* bei sich aufgenommen haben, wurde ihr Alltag auf den Kopf gestellt. Im Gespräch erzählen sie uns vom ersten nervösen Kennenlernen und wie lange sie sich auf ihre neue Rolle als Pflegeeltern vorbereitet haben.
Sie sind seit rund zwei Jahren Pflegeeltern von Lasse*. Wie geht es Ihnen als Pflegefamilie?
Ann Katrin Cooper: Sehr gut, wir können es uns gar nicht mehr anders vorstellen. Lasse und wir passen total gut zusammen. Tobias Spori: Ja, es ist einfach ein «perfect match»!
Wie ist bei Ihnen der Wunsch entstanden, Pflegeeltern zu werden?
A. Cooper: Wir haben versucht, eine eigene Familie zu gründen, mussten uns aber vom Wunsch nach einem eigenen Kind verabschieden. Dennoch wussten wir, dass wir unsere Liebe einem anderen Kind schenken wollen, und haben Adoption und Pflegeelternschaft in Erwägung gezogen. Letzteres war für uns die bessere Option. Pflegeeltern zu sein, empfinden wir als eine wunderbare Aufgabe.
Wie haben Sie Ihren Wunsch in die Tat umgesetzt?
T. Spori: Zuerst haben wir beim Amt für Soziales den Antrag auf Pflegeelternschaft gestellt. Danach durchliefen wir einen Bewerbungsprozess: Wir mussten ein Motivationsschreiben inklusive Strafregisterauszug einreichen. Später besuchten uns die Behörden zu Hause, und wir absolvierten mit anderen potenziellen Pflegefamilien einen Vorbereitungskurs, bei dem Motivation und Eignung überprüft wurden.
Welche Rechte und Pflichten haben Sie als Pflegeeltern?
A. Cooper: Unsere wichtigste Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass es Lasse gut geht. Dazu arbeiten wir mit einer Beiständin und dem Verein Tipiti zusam-
men. Wir führen Standortgespräche mit der Beiständin und geben monatlich einen Bericht ab. Zusammen mit einer Fachperson von Tipiti besuchen wir mit Lasse regelmässig seine Mutter. Zudem bilden wir uns kontinuierlich weiter: Einmal im Jahr besucht uns die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde KESB und prüft, ob alles gut bei uns ist. Auf der anderen Seite haben wir das Recht, den Alltag mit Lasse individuell zu gestalten und Begleitung zu bekommen. T. Spori: Die Beratung und Begleitung durch den Verein ist für uns sehr wertvoll. Wenn wir spezifische Fragen haben, können wir sie direkt beim Verein platzieren. Das ist ein grosser Mehrwert, der Sicherheit gibt und am Ende Lasse zugutekommt.
Sie haben beide für Ihr Engagement die Berufstätigkeit reduziert.
T. Spori: Für uns war klar, dass wir unser Arbeitspensum reduzieren. Das hätten wir auch bei einem eigenen Kind gemacht. A. Cooper: Da wir beide selbstständig sind – ich als Kulturmanagerin und Tobias als Tänzer und Choreograf –, können wir uns die Arbeit flexibel einteilen. Zudem erhalten wir eine kleine finanzielle Entschädigung von Tipiti. Pflegeeltern muss man sein wollen – das ist kein Job, um Geld zu verdienen.
Wie haben Sie Ihre erste Begegnung mit Lasse erlebt?
A. Cooper: Bevor Lasse zu uns kam, war er in einer Notfallpflegefamilie einer anderen Organisation untergebracht, die ihn kurzfristig aufgenommen hatte. Als wir die Familie zum ersten Mal besuchten, machte Lasse gerade einen Mittagsschlaf. Wir sassen mit der Familie zusammen und redeten. Ich war damals sehr nervös und hatte ein kribbeliges Gefühl im Bauch. T. Spori: Wir wussten ja, dass Lasse oben schläft und wir ihn bald zum ersten Mal sehen würden – das war schon sehr speziell. Als wir ihn dann auf den Arm nehmen durften, war das unbeschreiblich schön. A. Cooper: Er war noch ganz klein, erst vier Monate alt. Zu erleben, dass du jemanden, den du vorher noch nie gesehen hast, augenblicklich ins Herz schliessen kannst, ist ein unvergessliches Erlebnis.
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Gemeinsame Familienzeit: Der zweijährige Lasse hat im Appenzell ein neues Zuhause gefunden.
Wie ging es nach dem ersten Kennenlernen weiter?
A. Cooper: Wir haben die Notfallpflegefamilie in immer kürzeren Abständen getroffen. Zuerst besuchten wir sie, dann sie uns. Wir schliefen nächtelang mit einem Kuscheltier und nahmen mit dem Handy ein Einschlaflied auf, damit sich Lasse mit unserem Geruch und unseren Stimmen vertraut macht. T. Spori: Etwa vier Wochen nach dem ersten Besuch durften wir Lasse mit zu uns nehmen. Der ganze Prozess von der Bewerbung bis zu diesem Moment dauerte etwa zwei Jahre.
Was war zu Beginn besonders schwierig?
A. Cooper: Wir wussten nicht, was Lasse erlebt hatte und aus welchen Gründen er zu uns gekommen ist. Wir haben intuitiv gehandelt. Das war manchmal herausfordernd, denn wir wollten ihn ja optimal unterstützen, ihm möglichst viel abnehmen und ihm alles geben, was er brauchte. Rückblickend betrachtet, haben wir diese Anfangsphase zu dritt sehr gut gemeistert.
Welche Entwicklung bereitet Ihnen besondere Freude?
T. Spori: Es ist wahnsinnig schön zu sehen, wie fröhlich Lasse ist. A. Cooper: Er hat sich unglaublich geöffnet und sich zu einem lustigen und coolen Kind entwickelt. In der Kita sagen alle, er sei der Coolste von allen. Auch wir sind der Meinung, dass Kinder wie Lasse wahre Helden sind. Trotz allem, was sie erlebt haben, gehen sie mutig und zuversichtlich ihren Weg.
Welche Unterschiede gibt es zwischen einer herkömmlichen und einer Pflegefamilie?
T. Spori: Wir sind eine ganz normale Familie, an der viele Instanzen beteiligt sind: Beistände, die Mutter von Lasse, der Verein Tipiti, die KESB und die Aufsichtsbehörde. Es ist eine Zusammenarbeit, bei der alle das Ziel verfolgen, das Bestmögliche für Lasse zu unternehmen. A. Cooper: Als Pflegefamilie sind wir nicht so selbstbestimmt wie eine «normale» Familie. Wir müssen bestimmte Termine einhalten, die über Mo-
Adoptivfamilie vs. Pflegefamilie:
Wächst ein Kind in einer Pflegefamilie auf, sind meist verschiedene Personen und Stellen in seine Erziehung involviert: die Pflegefamilie, die Herkunftsfamilie sowie oftmals Beistandspersonen. Verantwortlichkeiten und Kompetenzen sind genau geregelt. Pflegeeltern müssen für gewisse Entscheide die Beistände oder die leiblichen Eltern konsultieren. Die Herkunftsfamilie hat zum Teil eingeschränkte Rechte, doch rechtlich bleibt das Kind ihr Kind. Geben Eltern ein Kind zur Adoption frei, verlieren sie alle Rechte am Kind, und das Kind verliert alle Rechte an den Eltern (z.B. Erbrechte). Ein adoptiertes Kind ist rechtlich einem leiblichen Kind gleichgestellt, und Adoptiveltern können die Erziehung selbst gestalten.
Weitere Infos unter pa-ch.ch
nate im Voraus festgelegt sind, oder uns abmelden, bevor wir in die Ferien fahren.
Wie lange werden Sie Lasse als Pflegeeltern begleiten?
T. Spori: Bei Tipiti sind wir als Pflegefamilie für die Langzeitbetreuung angestellt. Das bedeutet, dass wir im Idealfall Lasse begleiten würden, bis er erwachsen ist. A. Cooper: Als Pflegefamilie wissen wir aber nicht mit Bestimmtheit, wie lange wir zusammenbleiben. Die Beistände prüfen regelmässig, was Lasse braucht – seine Bedürfnisse sind sehr zentral. Aus meiner Sicht ist dies die grösste Herausforderung für Pflegeeltern, denn sie lassen sich mit Haut und Haar auf diese Aufgabe ein.
Was raten Sie Personen, die sich überlegen, Pflegemama oder Pflegepapa zu werden?
T. Spori: Ich empfehle, sich mit anderen Pflegeeltern auszutauschen. A. Cooper: Der Kontakt mit anderen Pflegeeltern ist sehr kostbar, weil man mit ähnlichen Fragen und Herausforderungen konfrontiert ist und sich auf Augenhöhe begegnen kann. T. Spori: Wenn es Leserinnen und Leser gibt, die sich überlegen, Pflegeeltern zu werden, dürfen sie sehr gerne mit uns über den Verein Tipiti Kontakt aufnehmen.
Möchten Sie weitere Pflegekinder aufnehmen?
A. Cooper: Das haben wir uns immer so vorgestellt. Aber wir machen uns keinen Druck. Es müssen viele Faktoren zusammenpassen, vor allem müssten wir die richtige Familie für das Kind sein, und es müsste auch Lasse gut dabei gehen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
T. Spori: Wir haben es als Familie sehr gut. Auch der Austausch mit Behörden und anderen Instanzen funktioniert sehr gut – dafür bin ich sehr dankbar und ich wünsche mir, dass es so bleibt. A. Cooper: Dass sich Lasse wohlfühlt, ist für uns das Wichtigste.
Text: Esther Lötscher Fotos: Petra Wolfensberger
Der Verein Tipiti
Der Verein Tipiti wurde 1976 gegründet und hat sich auf die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Lebensläufen spezialisiert. Die Angebote von Tipiti beinhalten unter anderem die Begleitung von Pflegefamilien für Kinder und Jugendliche, Übergangspflege für Babys und Kinder bis 3 Jahre, Wohnen und Begleitung von Jugendlichen, diverse Lern- und Bildungsmöglichkeiten sowie einen Beratungs- und Unterstützungsdienst. Interessierte können sich bei Fragen rund um die Pflegeelternschaft direkt an den Verein wenden: tipiti.ch und info@tipiti.ch.