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Charles Lloyd und Gerald Clayton
Die Kunst des Duos
Die Kunst des Duos Die Duo-Formation ist ein grundlegender Bestandteil der Jazzgeschichte. Der Saxophonist Charles Lloyd und der Pianist Gerald Clayton setzen diese Tradition auf überzeugende Weise fort – mit dem zusätzlichen Reiz, dass hier zwei geistesverwandte Musiker aus unterschiedlichen Generationen zusammentreffen. Der 81-jährige Lloyd zählt zu den hoch geschätzten Altmeistern der Improvisation. Von seinem berühmten Quartett, in dem die Karrieren von Keith Jarrett und Jack DeJohnette ihren Anfang nahmen, bis hin zu seiner aktuellen Band The Marvels mit Lucinda Williams und Bill Frisell ist er seit Mitte der 1960er Jahre eine der überragenden Figuren im Studio und auf den Bühnen der Welt. Überaus erfolgreiche Alben wie etwa Forest Flower haben Lloyd seinen Platz in der Geschichte gesichert.
Der mittlerweile 35-jährige Clayton hat sich als einer der innovativsten Pianisten des letzten Jahrzehnts einen Namen gemacht, nicht nur, indem er auf erfolgreichen Aufnahmen wie Tributary Tales und Life Forum seine eigenen Bands leitete, sondern auch als Gastmusiker bei Roy Hargrove, Dianne Reeves und Terri Lynne Carrington. Clayton und Lloyd arbeiteten im Jahr 2013 erstmals zusammen, und seitdem hat sich das Duo durch brillante Auftritte hervorgetan, bei denen zwei starke Persönlichkeiten magische Synergien freisetzen.
„Herz und Verstand von zwei Menschen, die gemeinsam oder getrennt dahinfliegen, während der Strom der Inspiration sie auf der Suche nach einer Einheit weiterträgt“, beschreibt Lloyd diese Duoerfahrung. „Jeder Atemzug und jeder Ton zeigt sich in unverfälschter Reinheit. Unsere Suche nach Tönen hat Ähnlichkeit mit dem Extremtauchen: Wir müssen einander vertrauen, um immer tiefer und tiefer vorzudringen, bevor wir zum Luftholen wieder an die Oberfläche kommen.“
Clayton stimmt Lloyds Einschätzung zu, was die Bedeutung spontaner Interaktion angeht, er hält aber auch Empathie und ein gewisses Maßhalten, wenn nicht gar Zurückhaltung für notwendig. „Mir geht es darum, dass meine Sinne in jedem musikalischen Umfeld völlig offen sind, unabhängig von der Anzahl der Musiker, mit denen ich spiele“, erklärt er. „Eine Duosituation erfordert eine gewisse Gelassenheit, Vertrauen und ein Gefühl der Selbstsicherheit – damit man nicht aus Angst einem Impuls nachgibt, der einen womöglich dazu drängt, Raum und Stille impulsiv füllen zu wollen.“
Stilistisch haben die beiden Musiker in ihren Karrieren bereits viele unterschiedliche Wege beschritten. In ihrer Arbeit ist von Musik aus Afrika und dem Nahen Osten bis hin zu Balkan-Folk alles vertreten, ebenso die unterschiedlichsten Arten afroamerikanischer und amerikanischer Musik. Außerdem stellen für beide Künstler Lieder aus dem sakralen und weltlichen Bereich nach wie vor wichtige Prüfsteine dar. „Wenn man etwa an Blues denkt – für mich steht er für das sehr menschliche Bedürfnis, die Schmerzen, Sorgen und auch Freuden des Lebens zum Ausdruck zu bringen“, sagte Clayton über sein jüngstes Projekt Piedmont Blues. Lloyd sieht diese Genres als Teil eines mit der übrigen Welt zusammenhängenden Ganzen, das er in der Musik zu reflektieren sucht: „Wind, Wellen, Meer, Einsamkeit, Raum und Schönheit – das sind Bestandteile unserer gemeinsamen Sprache. Und zwischen den Schichten dieser Elemente finden sich die Spuren von Blues und Gospel.“
Kevin Le Gendre
Übersetzung: Sylvia Zirden