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Prof. Dr. Sabine Kunst
Grußwort
Die moderne Universität hat sich immer wieder dadurch ausgezeichnet, dass sie den Begriff der Forschung nicht allein auf die akademische Welt bezog, sondern zumindest in exemplarischer Form auch die Sphäre der Kunst hinzunahm. Dies hat sich historisch u. a. durch Ehrenpromotionen ausgedrückt, wie sie etwa Auguste Rodin durch die Universität Jena verliehen wurde. Ein ähnlich starker Impuls lag darin, dass das Künstlerpaar Christo und JeanneClaude noch vor der Verhüllung des Reichstages eine Ehrenpromotion von der Humboldt-Universität erhielt.
Für die Bemühungen, die nur scheinbar antagonistischen Felder der Natur- und Geisteswissenschaften in eine neue Strukturbindung zu bringen, boten sich die bildenden Künstler in herausragender Weise an, weil sie über Tiefenkenntnisse der Materie verfügen, wie sie auf andere Weise auch seitens der Naturwissenschaftler eingesetzt werden. Dies hat in den 1990er Jahren eine breite Diskussion an der Humboldt-Universität angestoßen, die schließlich zur Einrichtung des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik (HZK) führte. Der heute breit genutzte Begriff „Kulturtechnik“ wurde in diesem Rahmen erfunden und wird seitdem verwendet.
In einen angeregten Dialog treten somit heute die Natur- und Geisteswissenschaften auch im „Labor“ der Humboldt-Universität im Humboldt Forum. Sie befassen sich gemeinsam und aus der jeweils eigenen Perspektive gemäß dem Hauptthema der Auftaktausstellung Nach der Natur mit den globalen Umweltveränderungen und ihren auch gewaltförmigen Umwandlungsprozessen im Anthropozän. Dabei wird Wissenschaft nicht einfach in das Humboldt Forum hineintransferiert, sondern entsteht vor Ort im Humboldt Labor durch produktive Austauschbeziehungen zwischen den Disziplinen wie auch zwischen „excellent science“, „student science“ und „citizen science“. Der Anspruch einer Dekolonisierung von Wissen ist hierbei ein Hauptmotiv in der Arbeit mit den Partnerinstitutionen im Humboldt Forum.
Die Ausstellung Nach der Natur im Humboldt Labor steht in der Nachfolge der Ausstellungen Theatrum Naturae et Artis, welche erstmals die schier unergründlichen wissenschaftsgeschichtlichen Bestände der Humboldt-Universität einer großen Öffentlichkeit bekannt machte, Weltwissen, der großen Jubiläumssaustellung zur
200-Jahr-Feier, sowie +ultra als der dritten großen Wissenschaftsausstellung, die die Humboldt-Universität im Gropius Bau präsentiert hat.
Stephan von Huene, einer der herausragenden Künstler des ausgehenden 20. Jahrhunderts, der mit dem Einsatz von Automatenkunst, Kybernetik, Zeichnung, Skulptur und Klang die Rolle der Kunst als Avantgarde neu zu definieren verstand, war früh mit den Anstrengungen der Humboldt-Universitat in Berührung gekommen. In der Ausstellung Theatrum Nature et Artis wurde eines seiner bedeutendsten Werke, Tisch Tänzer, im Zentrum des Gropius Baus inszeniert.
Diese Rauminstallation stellt heute ein Hauptwerk der Sammlung des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe dar, jener Institution, der von Huene als Gründungsprofessor angehörte. Das Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik besitzt eine Gruppe von Stephan von Huenes Mindmaps sowie die Installation Lexichaos, die die Verwirrung und Entwirrung, zu denen Sprache in der Lage ist, in einer großen Inszenierung reflektiert. Tiefgreifende Veränderungen baulicher Art innerhalb der Humboldt-Universität haben eine angemessene Aufstellung bislang nicht ermöglicht. Aus diesem Grund ist es umso erfreulicher, dass die Barenboim-Said Akademie die Gelegenheit nutzt, dieses Werk in einer Ausstellung zu zeigen.
Als eine Institution, die gemeinsam mit der Humboldt-Universität und dem Humboldt Forum eine Art Triangel in der Mitte Berlins definiert, ist die Akademie eine starke Verbündete bei dem Versuch, die Verwerfungen zwischen Gruppen, Kulturen und Nationen über die Kunst und die Forschung zu reflektieren und aufzuheben. Wir wünschen der Ausstellung den ihr gebührenden Erfolg, verbunden mit einem großen Dank an die Barenboim-Said Akademie und das Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik.
Prof. Dr. Sabine Kunst
Präsidentin, Humboldt-Universität zu Berlin