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Heinze Summit in Luxemburg
Rolf Mauer
Wie entwerfen wir heute für das Büro von morgen?
Heinze Summit in Luxemburg
Im November 2019 lud Heinze ausgewählte Architekten in das Großherzogtum Luxemburg zum Summit mit dem Thema „Office“ ein. Das kleine Land mit nur 613.000 Einwohnern ist europapolitisch ein Riese und somit permanent in aller Munde. Dies kommt nicht von ungefähr. Wie die Teilnehmer des Summits bei einer Stadtführung erfuhren, war die Bereitschaft der örtlichen Honoratioren, bei der Gründung der EU-Vorgängerorganisation, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), jederzeit ausreichend Sitzungsräume zur Verfügung zu stellen, die Initialzündung für die Etablierung bedeutender europäischer Institutionen im Kleinstaat. Heute sitzen in Luxemburg der europäische Rechnungshof und der von den Summit-Teilnehmern besuchte Gerichtshof der Europäischen Union.
Meisterwerk in Weiß: Die im Jahr 2005 eröffnete Philharmonie in Luxemburg, entworfen vom französischen Architekten Christian de Portzamparc.
Gruppenfoto im Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (MUDAM) von Ieoh Ming Pei.
Architekten
Christan Simons, schneider+schumacher Hendrik Faber, RKW Architektur Hendrik Rieger, SEHW Architektur Andreas Wannenmacher, Architekten Wannenmacher + Möller Christoph Merkert, sander.hofrichter architekten Heiko Renninger, de Winder Architekten Marcel Paffrath, Kramm & Strigl Architekten und Stadtplaner Alexander Schumacher, CIP Architekten Ingenieure Klaus Gutschalk, Schmucker und Partner Dieter Pfannenstiel, Ellis Williams Architects Ben Kauffmann, Kauffmann Theilig & Partner Meredith Atkinson, Bez + Kock Vincent de Graaf, matrix architektur
Gastgeber
Oliver Kowalski, dormakaba Carsten Lenhardt, dormakaba Dr. Sven Bär, SG Leuchten Kai Byok, BYOK GmbH Kai Lohfeldt, BYOK GmbH Klaus G. Füner, Heinze GmbH Andrea Sammartano, Heinze GmbH Rolf Mauer, architekturjournalist.com
Angeregte Fachgespräche im Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean mit kleinen lukullischen Unterbrechungen.
Kai Byok und Kai Lohfeld vom Lichtspezialisten BYOK erklären den Summit-Teilnehmern wie man gute Architektur eindrucksvoll beleuchtet.
Oliver Kowalski und Carsten Lehnhardt von dormakaba zeigen smarte Zutrittslösungen für Gebäude.
Das Großherzogtum war genau der richtige Platz für das Th ema „Offi ce“, denn an kaum einem anderen Ort auf der Welt gibt es, gemessen an der Einwohnerzahl, eine derart hohe Dichte an Arbeitsplätzen wie in Luxemburg. Das Land hat zurzeit über vier Mal mehr Arbeitsplätze als erwerbsfähige Einwohner. Dieses Phänomen begründet sich unter anderem in dem nach wie vor stetig wachsenden Finanzsektor und in den vielen Verwaltungseinrichtungen der EU. Diese Arbeitsstellen teilen sich die Luxemburger gemeinsam mit den ansässigen Ausländern sowie den Pendlern aus dem benachbarten Ausland, die zuverlässig für ein tägliches Verkehrschaos in der Region sorgen. Knapp die Hälfte der 613.000 Einwohner in Luxemburg sind Ausländer. Im europäischen Vergleich schlägt diese Quote alle Rekorde. Bleibt die spannende Frage, welche Arbeitswelten sich an einem solchen Ort eröff nen. Weil die Stadt Luxemburg unmöglich den Bedarf der EU an Verwaltungsbauten integrieren konnte, bebaute man das angrenzende und vormals landwirtschaftlich genutzte KirchbergPlateau als neues Stadtviertel. Hier fi ndet man heute zahlreiche Banken, europäische Institutionen und Behörden, darunter beispielsweise den Europäischen Gerichtshof (EuGH), den Europäischen Rechnungshof, die Europäische Investitionsbank und viele weitere Institutionen. Auf dem KirchbergPlateau, im Hotel Meliá, fanden auch die Summit-Teilnehmer ihre Unterkunft, direkt neben der Philharmonie von Christian de Portzamparc. Auch in Luxemburg beginnt der digitale Wandel die Arbeitswelt zu verändern. Digitale Werkzeuge vereinfachen Arbeitsvorgänge, Datenerfassung und Kommunikation. Besonders die Veränderungen in der Kommunikation haben großen Einfl uss auf etablierte Entscheidungswege. Jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen kann ungeachtet aller Hierarchien weltweit kommunizieren. Diese Veränderung von Verantwortungen, Arbeitsabläufen und Entscheidungsprozessen haben auf die Anforderungen an neue Bürogebäude entscheidenden Einfl uss. In den vergangenen Jahren hat sich unsere Wahrnehmung von Arbeits- und Bürowelten dynamisch entwickelt. Aufgrund der aktuellen Vollbeschäftigung ist der Arbeitnehmer zu einer wertvollen Ressource geworden, in die nachhaltig investiert wird. Im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter müssen auch renommierte Unternehmen mehr bieten als eine gute Vergütung und einen Dienstwagen. Als Planer und Architekten stehen wir in der Verantwortung, über veränderte Arbeitsbedingungen nachzudenken, um auf heutige und zukünftige Anforderungen eine überzeugende planerische Antwort zu fi nden. Die Teilnehmer des Heinze Summits „Offi ce“ waren aufgefordert, über mehrere Tage Antworten auf wesentliche Fragen zu den Arbeitswelten der Zukunft zu fi nden. Ihre fi nalen Th esen des Summits wurden im Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean von Ieoh Ming Pei vorgestellt.
Wer so viele verschiedene Eindrücke sammeln darf, wie die Teilnehmer des Office Summit in Luxembourg, der muss auch mal Pause machen.
Thema: Der Einfluss der Architekten
Welchen Einfluss haben wir Architekten auf die Gestaltung moderner Bürowelten? Hinter dieser Formulierung steht die einschneidende Frage, ob wir als Architekten in Zukunft für die Gestaltung moderner Bürowelten überhaupt noch gebraucht werden. Wir stellen fest, dass es andere Spieler gibt, die hier „auf den Markt drängen“ und zu Konkurrenten auf diesem Feld heranwachsen: z.B. die Möbelindustrie oder auch die Generalunternehmer, die ja schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich mehr und mehr Bereiche an sich gezogen haben, die früher wie selbstverständlich die ureigenste Aufgabe des Architekten waren. Was aber unterscheidet den Architekten von diesen Mitspielern? Was kann er, was andere nicht leisten? Anders als die genannten Protagonisten entwirft er Räume, die eigens für die Menschen, die sich in ihnen aufhalten und diese nutzen, geschaffen wurden. Diese Räume müssen den funktionalen Anforderungen der intendierten Nutzungen in optimaler Weise genügen; sie müssen im Hinblick auf Raumklima und Akustik so konditioniert sein, dass sie eine hohe Aufenthaltsqualität besitzen und – last but not least – müssen sie atmosphärisch so aufgeladen sein, dass sie den Menschen emotional so berühren,
Der Heinze Workshop Office bot viel Raum für angeregte Fachgespräche.
dass er sich in diesen Räumen wohlfühlt und sich optimal entfalten kann. Anders als die Industrie ist unsere Arbeit nicht darauf ausgerichtet, etwas zu verkaufen, sondern den Bauherrn zu beraten und Lösungen vorzuschlagen, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten sind und es ihm ermöglichen, mittels der Leistungsbereitschaft seiner Mitarbeiter bzw. der Organisation der Arbeitsprozesse zukunftsfähig zu werden oder zu bleiben. Dazu bedarf es aufseiten des Architekten eines umfassenden Wissens. Wir müssen nicht nur die technischen Zusammenhänge kennen, um raumklimatisch optimale und ökologisch nachhaltige Gebäude zu generieren. Wir müssen auch über ein hohes Maß an Empathie verfügen, um Räume zu schaffen, in denen sich die Nutzer gern aufhalten und so konditioniert werden, dass sie eine hohe Leistungsbereitschaft entwickeln. Und darüber hinaus müssen unsere Gebäude natürlich auch noch auf den Ort, an dem sie stehen, eingehen und diesen bereichern. Wir müssen den Spagat schaffen zwischen der Erfüllung der unmittelbaren Bedürfnisse der Nutzer und der gesellschaftlichen Verantwortung, die uns mit der Errichtung eines viele Jahre existierenden Gebäudes im öffentlichen Raum in die Hände gegeben wurde. Nimmt uns die branchenübergreifende Digitalisierung Entscheidungsbefugnisse ab? Die Digitalisierung hat die Arbeit des Architekten in den letzten Jahren stark verändert. Sie ist jedoch kein Selbstzweck, sondern ein Hilfsmittel, um die Arbeitsprozesse zu erleichtern, Fehler einzudämmen und die Qualität unserer Entwürfe realitätsnah zu überprüfen. Es mag auch sein, dass Bauherren eines Tages in der Lage sein werden, ihre Räume – wie heute schon beim Autokauf möglich – selber zu konfigurieren und den Architekten überflüssig erscheinen zu lassen. Um dem entgegenzuwirken, müssen wir den Bauherren immer wieder deutlich machen, wie komplex die Aufgabe des Architekten ist. Wir müssen ihnen die Fragen stellen, die ihnen zeigen, dass sie eines Generalisten bedürfen, der um die Vielschichtigkeit solch einer Aufgabe weiß und daher in der Lage ist, die optimale Lösung zu liefern. Der Architekt ist dabei wie die Spinne im Netz, die weiß, welche Spezialisten hinzugezogen werden müssen, um in enger Abstimmung mit ihnen optimale Lösungen zu erarbeiteten. Ohne genaue Kenntnis des Entwicklungsstands bei der Forschung zur künstlichen Intelligenz glauben wir nicht, dass uns der Computer ersetzen kann. Denn anders als der Computer, der quantifizierbare Daten verarbeitet, sind wir in der Lage, uns in die Psyche des Menschen hineinzuversetzen und für diesen Räume zu entwerfen, die ihn berühren, in denen er sich wohlfühlt.
Autoren: Heiko Renninger, de Winder Architekten Hendrik Rieger, SEHW Architektur Alexander Schumacher, CIP Architekten Ingenieure Andreas Wannenmacher, Architekten Wannenmacher + Möller Oliver Kowalski, dormakaba Dr. Sven Bär, SG Leuchten
Nein, der Workshop in Luxemburg war nicht so kräftezehrend, dass die Teilnehmer en gros umfi elen. Weil Architekten immer wieder bereit sind, einen neuen ungewohnten Blickwinkel einzunehmen, entschieden sich die Planer, die von der Decke hängende Kunst vom Boden aus zu betrachten.
Th ema: Kommunikation
Wie fi ndet Kommunikation innerhalb eines Büros statt und welchen Einfl uss hat die Digitalisierung auf unsere gebaute Architektur? Wie wichtig sind Blickbeziehungen in einem Gebäude, wie wichtig ist ein nonverbaler kommunikativer Austausch für den Einzelnen? Haben Wegebeziehungen innerhalb eines Bürogebäudes Einfl uss auf die betriebsinterne Kommunikation? Wo sollten sich öff entliche, halb öff entliche oder interne Orte der Begegnung befi nden? Wir haben viel über unsere Tätigkeiten nachgedacht und erkundet, wie wir selbst im Büro arbeiten. Die Essenz dieser Erkenntnis war, dass Kommunikation das wichtigste Arbeitsmittel ist. Wir müssen daher Räume schaff en, die ein direktes Miteinander ermöglichen und vereinfachen. Das Miteinander in der Arbeitswelt ist ständigen Veränderungen unterworfen, jüngere Generationen zeigen Tendenzen, am gleichen Tisch sitzend nicht mehr miteinander zu sprechen, sondern Whatsapp zu nutzen. Die Anforderungen an Räume sind relativ einfach zu umfassen, Büros können tatsächlich auch zu groß sein um
ein vernünftiges Arbeitsumfeld zu bieten. Die Digitalisierung ändert unsere Arbeitswelten. Ich muss nicht mehr ortsgebunden agieren, sondern kann von jedem Ort der Welt aus meine Arbeitsaufgabe erledigen. Homeoffice, Desk-Sharing und feste Arbeitsplätze sind in Zukunft variable Größen. Die neue Art zu arbeiten hat auch Einfluss auf unsere Architekturentwürfe. Wegebeziehungen und Aufenthaltszonen im Office lassen sich durchaus mit städtebaulichen Situationen vergleichen. Private Anliegerstraßen oder zentrale Quartiersplätze haben tatsächlich auch eine Entsprechung in der Büroorganisation. Wir haben herausgefunden, dass das Arbeiten auf einer Ebene der Idealfall ist, weil sich Büroarbeit viel leichter organisieren lässt, wenn man „horizontal“ arbeitet. Es ist zehnmal einfacher sich auf der Fläche zu organisieren, als dieselbe Arbeitsaufgabe geschossübergreifend erledigen zu wollen. Wenn man aber etagenübergreifend arbeiten muss, werden Blickbeziehungen noch wichtiger. Wir sollten unseren Blick auch auf das Miteinander außerhalb der Arbeitszeiten richten. In der Regel findet auch während des Essens in der Mittagspause ein wichtiger und gepflegter Austausch statt. Die räumliche und kulinarische Qualität einer Kantine kann somit erheblichen Einfluss auf die Arbeitswelt haben. Wir müssen auch für die Pausenzeiten eine gute Architektur vorhalten. Das Relaxen oder Erholen in der Pause ist sehr wichtig. Architektur kann hier viel leisten, muss aber auch vom Arbeitgeber genutzt werden.
Autoren: Meredith Atkinson, Bez + Kock Klaus Gutschalk, Schmucker und Partner Christoph Merkert, sander.hofrichter architekten Marcel Paffrath, Kramm & Strigl Architekten und Stadtplaner Christan Simons, schneider+schumacher Kai Lohfeldt, BYOK GmbH
Arbeit im MUDAM von Su-Mei Tse: Im Brunnen „Many Spoken Words“ fließt schwarze Tinte. Su-Mei Tse stellt die nicht einfache Frage nach dem Erscheinen und dem sich Auflösen von Sinn.
Th ema: Umfeld und Nachbarschaft in der Architektur
Hat der regionale Standort Einfl uss auf die Materialien und Oberfl ächen oder egalisiert sich unsere Arbeitswelt auf einen internationalen, weltweit gültigen Stil? Wenn ja, wie schaut der aus? Wir meinen, dass der Standort leider keinen Einfl uss auf die Materialwahl hat; jedoch sollten regionale Materialien durchaus in der Architektur Verwendung fi nden. Es ist nicht nachhaltig, wenn ein Baumaterial um die ganze Welt verschiff t wird um dann verbaut zu werden. Wir sollten uns aus dem Vorrat regionaler Ressourcen bedienen! Im Sauerland herrscht zum Beispiel der Schiefer vor und im Münsterland sowie in Hamburg ist der Klinker allgegenwärtig. Das darf uns als positives Beispiel dienen. Wir sollten uns die Frage stellen, ob es einen internationalen Stil in der Architektur gibt. Inwieweit hat die Architektur und Innenarchitektur eines Bürogebäudes regionale Kulturen zu berücksichtigen? Die Architektur unterliegt wie die Mode verschiedenen, austauschbaren Trends. In der Architektur ist der Standort eines Baus nicht ablesbar. Dominique Perraults Türme für den Europäischen Gerichtshof, den wir aktuell auf dem Summit besuchten, könnten nicht nur auf dem Luxemburger Kirchberg stehen, sondern auch in New York oder in Vancouver. Aber möchten wir nicht erleben, wenn wir beispielweise in einem Café in Paris sitzen, dass wir von ortstypischer und ortsprägender Architektur umgeben sind? Autoren: Hendrik Faber, RKW Architektur Vincent de Graaf, matrix architektur Ben Kaufmann, Kauff mann Th eilig & Partner Dieter Pfannenstiel, Ellis Williams Architects Kai Byok, BYOK GmbH Carsten Lenhardt, dormakaba
Die Heinze Summits versammeln führende Architekten und Innenarchitekten sowie richtungsweisende und visionäre Industriepartner zu mehrtägigen Intensiv-Workshops. Mehr Informationen unter www.heinze.de/events/
Der Heinze Summit Luxemburg wurde ermöglicht durch:
Teil des Workshops: Kompetente Führung durch das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (MUDAM). Fotos] Rolf Mauer
Oliver Sommer: BIM_ag, stereoraum Architekten GbR
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