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Winterdienst trotz globaler Erwärmung

Von TIM KNOTT

Klimawandel und Winterdienst schließen sich nicht aus. Selbst vor dem Hintergrund rückläufiger Schnee- und Eistage. Stattdessen ist das Gegenteil der Fall: Die Veränderungen des Klimas begünstigen vielmehr frostige Extremwetter-Ereignisse.

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Der Winter ist auf dem Rückzug. Zumindest entsteht dieser Eindruck mit Blick auf die Wettersituation der vergangenen Jahre. In vielen Teilen Nordeuropas fällt immer weniger Schnee, und in Gebirgsregionen vom Harz bis zum Allgäu bangen die Skilift-Betreiber um ihre Existenz. Es wird wärmer. Trotz dieser Entwicklungen kommt es auch zukünftig auf den kommunalen Winterdienst an. Denn obwohl die Anzahl an klassischen Wintertagen immer weiter zurückgeht, nehmen abrupte Kälteeinbrüche zu.

Globales Klima und regionales Wetter

Um den Grund für diese scheinbar paradoxe Situation zu verstehen, ist der Unterschied zwischen globalem Klima und dem regionalen Wetter wichtig. Ersteres umfasst die Gesamtheit aller Wetterereignisse über einen längeren Zeitraum, zweiteres ist eine kurzfristige Beschreibung der Witterung, die von der wechselhaften Großwetterlage beeinflusst wird. Die globale Erwärmung hat beides verändert. So ist die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Messungen im Jahr 1850 langsam, aber beständig angestiegen. Dies führt zu einem kürzeren Winter und verändert die Einflüsse auf das regionale Wetter.

Dabei spielen die Polarwirbel – Kaltluftwirbel, die sich in der dunklen Jahreszeit über den Polen entwickeln – eine wichtige Rolle. Aufgrund der Corioliskraft werden diese von starken Winden, den sogenannten Jetstreams, umschlossen und vor Ort gehalten. Wird der Wirbel über der Arktis instabiler und der Jetstream schwächer, strömt die kalte Luft vom Pol nach Nordamerika oder -europa und es kommt zu einer Kältewelle, auch „Arctic Outbreak“ genannt. Zwar handelt es sich dabei um einen natürlichen Prozess, allerdings beobachten Forscher, dass der Wirbel gegenwärtig häufiger aus dem Lot gerät, als noch vor einigen Jahrzehnten. Experten vermuten, dies werde durch die starke Erwärmung der Arktis und das Abschmelzen des dortigen MeeresEises begünstigt. Daher treten „Arctic Outbreaks“ in Zukunft vermutlich häufiger auf als bisher.

Tristan: Schneechaos im Februar

Welche Formen diese Ereignisse annehmen können, zeigte sich im Februar 2021. Damals sorgte das Tiefdruckgebiet Tristan in weiten Teilen Deutschlands für einen Wintersturm mit heftigem Schneefall, Eisregen und zweistelligen Minustemperaturen. Autobahnen wurden gesperrt, Fußballspiele abgesagt und streckenweise kam es zu einem Ausfall des Bahnverkehrs. Das ungewöhnliche dabei: Während große Teile Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens komplett eingeschneit waren, herrschten im Süden aufgrund günstig gelegener Tiefdruckgebiete deutlich mildere Temperaturen. „Es schneit jetzt überall, wo Schneefall sonst eher selten ist. Das gemeine daran ist jedoch, dass jetzt auch alle Schnee bekommen, die nicht so gut damit umgehen können“, kommentierte der Meteorologe Jörg Kachelmann im Deutschlandfunk. Tatsächlich brachte der plötzliche Wintereinbruch nicht wenige Räumdienste an ihre Grenzen. Aufgrund des schlagartigen Schneefalls konnten Straßen und Autobahnen nicht rechtzeitig geräumt werden, und es kam zu Hunderten von Unfällen.

Zwar lässt sich bei solchen Extremwetter-Ereignissen nicht immer eindeutig sagen, welchen Einfluss der Klimawandel hat, da diverse Faktoren eine Rolle spielen. Für die Anwender in den Räumfahrzeugen und Bauhöfen dieser Welt ist das aber auch irrelevant. Fest steht: Selbst bei fortschreitender globaler Erwärmung müssen die Experten bereit sein und entsprechende Maschinen vorhalten, denn Schneefall und Eisregen werden auch auf einem wärmeren Planeten Thema sein – und das nicht nur beim nächsten „Arctic Outbreak“.

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