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Fazit

durch drittstaatliche Unternehmen verzerrt werden darf. Während Subventionen der Mitgliedstaaten und ihre Wirkung auf den Wettbewerb in der EU der strengen EU-Beihilfenkontrolle unterliegen, besteht für im Binnenmarkt wirkende Drittstaatsubventionen keine vergleichbare Kontrolle. Zum Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt vor Verzerrungen durch Drittstaatssubventionen bedarf es daher effektiver Kontrollmechanismen.

Um die bestehende Regelungslücke zu schließen hat der Europäische Rat die Europäische Kommission im März 2019 damit beauftragt, neue Instrumente zu erarbeiten, mit denen den wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen drittstaatlicher Subventionen im Binnenmarkt begegnet werden kann. Die Europäische Kommission hat im Mai 2021 einen Vorschlag über eine Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (Foreign Subsidies Instrument) vorgelegt. Diese Verordnung soll fairere Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU schaffen und gleichzeitig die Offenheit des Binnenmarkts nach außen erhalten, die für die europäische Wirtschaftskraft so wichtig ist. Auf diese Weise soll die Resilienz Europas zunehmen. Die Europäischen Institutionen einigten sich Ende Juni 2022 im Trilog auf den finalen Verordnungstext. Die neuen Regeln werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023 in Kraft treten.

Auf der Grundlage der neuen Verordnung soll die Kommission befugt sein, finanzielle Zuwendungen zu prüfen, die in der EU wirtschaftlich tätige Unternehmen von Behörden eines Drittstaats direkt oder indirekt erhalten, und gegebenenfalls die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen solcher Zuwendungen, insbesondere im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen (Fusionen) und Angeboten in öffentlichen Vergabeverfahren, abzuwenden.

Ein weiterer Meilenstein ist das nun abschließend verhandelte neue International Procurement Instrument (IPI) als wichtiger Beitrag zur Schaffung eines ausgeglichenen Zugangs zu öffentlichen Aufträgen in der EU und in Drittländern sowie zur Verhinderung künftig drohender Abhängigkeiten europäischer Beschaffungsmärkte von Unternehmen aus Drittländern. Das dürfte vor allem chinesische SOE treffen, die sich seit Jahren zunehmend an öffentlichen Ausschreibungen im EU-Binnenmarkt beteiligen. Nun kommt es darauf an, dass das Instrument auch im Praxistest besteht und danach konsequent angewendet wird. Wie und ob das funktioniert, bleibt allerdings abzuwarten.

Fazit

In Chinas, wie es sich selbst deklariert, „Sozialismus mit chinesischer Prägung“, besteht nach wie vor keine Rechtsstaatlichkeit oder Gewaltenteilung im Sinne der westlichen Marktakteure. Recht und Justiz müssen sich stets dem Willen der Kommunistischen Partei unterordnen, deren Akteure quasi außerhalb der chinesischen Gerichtsbarkeit stehen.

Dreh- und Angelpunkt des Staatssektors bleibt in China vor allem die Staatliche Kommission für Vermögensaufsicht und -Verwaltung (SASAC). Unter ihr ist der Besitz an den SOE zusammengefasst und hier wird letztendlich die Entscheidungskontrolle umgesetzt. Wettbewerbsrechtlich können die chinesischen zentralstaatlichen SOE deswegen als wirtschaftliche Einheit (single economic entity) betrachtet werden.

Das Kartellrecht steht seit Gründung der chinesischen Super-Regulierungsbehörde SAMR im Jahr 2018 weit oben auf der Agenda der chinesischen Regierung und wird in den kommenden Jahren zunehmend zu einem Thema für ausländische Unternehmen. Dennoch hat es noch lange nicht den ihm gebührenden Stellenwert erlangt. Es besteht auch die latente Gefahr, dass das Kartellrecht als Instrument zur Schwächung privater (inländischer und ausländischer) Unternehmen eingesetzt wird.

Eine weite Auslegung und schärfere Anwendung des Anti-Monopol-Gesetzes geben der chinesischen Regierung darüber hinaus ein mächtiges Instrument an die Hand, den Wettbewerb gezielt zu Gunsten oder zu Lasten bestimmter Akteure zu beeinflussen. Ausländische Unternehmen, die aufgrund ihrer Popularität, Technologie oder Patenten eine marktbeherrschende Stellung haben, laufen Gefahr, in Zukunft noch stärker in den Fokus der Wettbewerbsbehörden zu geraten.

Bisher wurde das AML kaum auf zentralstaatliche SOE angewendet. Paradoxerweise fördert die Regierung hier sogar noch die Konzentration zu monopolistischen Super-SOE, um sie im globalen Wettbewerb besser zu positionieren. Jedoch sorgen seit 2021 vor allem Fälle aus dem privaten Tech-Sektor für Schlagzeilen. Auch lokale SOE werden, anders als die zentralen SOE, nicht vom Gesetz verschont und mit Strafen und Bußgeldern belegt. Ob die neuen Antitrust-Reformen in China an dem großen Ermessen und einer möglichen willkürlichen Handhabung des Gesetzes sowie der fehlenden gerichtlichen Durchsetzung grundsätzlich etwas ändern werden, bleibt abzuwarten.

China wird auf unbestimmte Zeit an seinem hybriden System festhalten. Das bedeutet, dass dem Staatssektor in Zukunft weiterhin eine Kernrolle in Chinas Wirtschaftssystem zukommt und starke staatliche Markt- und Lenkungseingriffe zu erwarten sind. Hoffnungen, dass sich China im Sinne von „Reform und Öffnung“ dem westlich geprägten System weiter angleicht und Marktkräften eine entscheidende Rolle zukommen lässt, gibt es mittlerweile kaum noch. Da wir keinen Einfluss darauf haben, wie China sein System organisiert, muss die Konsequenz sein, dass zumindest wir unseren Binnenmarkt in Zukunft so resilient machen, dass es zu keiner Benachteiligung für deutsche und europäische Unternehmen kommt.

Die EU-Kommission hat bereits vor Jahren erkannt, dass der EU-Binnenmarkt und das chinesische Hybridmodell kollidieren. Gegenreaktionen der Europäischen Union, wie die Anwendung des „single economic entity test“ und handels- und wettbewerbspolitische Defensivinstrumente mögen deswegen einen Weg in die Zukunft weisen, sind aber zugleich Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit.

Im Kern hat man zu lange den Umstand vernachlässigt, dass beide Wirtschaftssysteme nicht kompatibel sind, und es bei Überschneidungen oder Vermischung zwangsläufig zu Wettbewerbsverzerrungen kommen muss. Die EU sollte deswegen ihre Defensivinstrumente so gestalten, dass sie einerseits in der Praxis noch anwendbar sind, aber gleichzeitig das „Level Playing Field“ für europäische Unternehmen garantiert bleibt. Die Zeit drängt.

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