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Entwurf des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung
Verschiedene Ziele stärker ins Gleichgewicht bringen
Stand: 14. August 2023
Der BDI begrüßt den Ansatz der Bundesregierung, die geplanten Klimaschutzmaßnahmen in einem gemeinsamen Programm zu bündeln und dieses ausführlich mit den betroffenen Kreisen einschließlich der Wirtschaft zu konsultieren.
Die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens und das Ziel der Klimaneutralität 2045 in Deutschland sind eine enorme Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft Der Klimaschutz genießt daher innerhalb der Bundesregierung zu Recht höchste Priorität. Das vorgelegte Klimaschutzprogramm und das geplante Verfahren einer regelmäßigen Überarbeitung und Weiterentwicklung bieten gute Ansätze für die künftige Gestaltung der Klimapolitik
Aus Sicht des BDI müssen Klimaschutzmaßnahmen stets so beschaffen sein, dass Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit gleichfalls auf hohem Niveau mitgestaltet werden. Hier ist ein Gleichgewicht anzustreben, so wie es auch das energiepolitische Zieldreieck vorsieht Neben der Einhaltung der Klimaziele müssen genauso die Wahrung der Versorgungssicherheit sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Energieversorgung prioritäre Ziele für energie- und klimapolitische Entscheidungen sein.
Aufgrund aktueller Entwicklungen hat der BDI Anlass zur Sorge, dass diese weiteren Aspekte zunehmend ins Hintertreffen geraten. Das aktuell zu erwartende mittelfristige Strompreisniveau ist insbesondere für industrielle Verbraucher angesichts einer im Zuge der Transformation zur Klimaneutralität notwendigen Elektrifizierung vieler Prozesse und Anwendungen zu hoch und behindert den erforderlichen Wechsel zu Strom. Hohe Strompreise erschweren zudem die notwendige Elektrifizierung von Mobilität und Wärme sowie den Hochlauf neuer strombasierter Technologien Das Preisniveau führt darüber hinaus schon heute dazu, dass mehr und mehr Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen zu Ungunsten Deutschlands treffen und stärker im Ausland investieren Auch die zuverlässige und wettbewerbsfähige Versorgung mit Erdgas ist mit dem russischen Angriff auf die Ukraine zweifelhaft geworden, auch wenn der sehr rasche Aufbau der LNG-Terminals ein wichtiges und richtiges Signal war. Bei der künftigen Gestaltung der Energie- und Klimapolitik ist aus BDI-Sicht daher sehr viel mehr darauf zu achten, dass neben dem Klimaschutz auch die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft mit bedacht werden Denn nur wenn Deutschland wirtschaftlich stark ist, wird es auch künftig eine einflussreiche Stimme haben bei der Gestaltung des globalen Klimaschutzes.
Mit diesem Papier nimmt der BDI zum Entwurf des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung Stellung und steht auch für den künftigen Austausch gern zur Verfügung.
1. Energiewirtschaft
Der BDI begrüßt die im Klimaschutzprogramm beschriebenen und von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Beschleunigungsmaßnahmen für Erneuerbare Energien. Es muss das Ziel sein, dass sich dies rasch in höheren Ausbauzahlen und damit einem ausgeweiteten Angebot auf dem Strommarkt widerspiegelt. Dazu werden weitere Beschleunigungs- und Entbürokratisierungsmaßnahmen insbesondere bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und dem Ausbau der Netze erforderlich sein. Beschleunigungen von Planungs- und Genehmigungsverfahren sollten nicht auf Erneuerbare Energien und Stromnetze begrenzt sein, sondern auch für neue Industrieanlagen und Technologien angestrebt werden. Diese tragen durch den Wechsel auf klimafreundliche Energieträger und / oder Effizienzgewinne zur Dekarbonisierung und dem Klimaschutz bei. Der BDI hat daher Ende 2022 umfassende Beschleunigungsvorschläge vorgelegt, die in dieser Legislatur umgesetzt werden sollten.
Das Klimaschutzgesetz 2021 sieht für den Energiesektor gesetzlich einen Ausstoß von 108 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente für das Jahr 2030 vor. 2022 lag der Ausstoß laut Umweltbundesamt bei 256 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das bedeutet, dass die Emissionen zur Zielerreichung um 58 Prozent sinken müssen. Gleichzeitig geht das BMWK davon aus, dass die Stromnachfrage aufgrund der Elektrifizierung anderer Sektoren stark ansteigt – auf 750 Terrawattstunden (TWh) im Jahr 2030
Alle großen Klimaneutralitätsstudien und auch der „Bericht zu Stand und Entwicklung der Versorgungssicherheit im Bereich der Versorgung mit Elektrizität“ der Bundesnetzagentur gehen von einem notwendigen Ausbau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken im Umfang von 20 bis 40 Gigawatt bis 2030 aus. Dieser Ausbau ist für einen erfolgreichen Kohleausstieg und das Erreichen der Klimaschutzziele unabdingbar. Aktuell beträgt die installierte Kapazität des Gaskraftwerksparks in Deutschland 32 Gigawatt. Das Durchschnittsalter dieser Kraftwerke beträgt 33 Jahre, womit der Kraftwerkspark bereits in die Jahre gekommen ist.1
Es ist davon auszugehen, dass der beschriebene notwendige Ausbau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken bis 2030 in dem vorgesehenen Umfang nicht rein marktgetrieben stattfinden kann. Dafür ist der notwendige Zubau mit 20 bis 40 GW zu substanziell, die potenziellen Volllaststunden der Kraftwerke zu gering und die Unsicherheiten über die Zukunft des Energy-only Marktes, das Zulassen von Preisspitzen und etwaiger weiterer politischer Eingriffe, wie die Abschöpfung von Zufallsgewinnen, zu groß.
Ein neues Marktdesignelement muss daher zügig Investitionen in flexible, gesicherte Leistung auslösen. Dabei können auch dezentrale Erzeugungsanlagen und weitere Flexibilitätsoptionen wie Speichertechnologien einen Beitrag leisten. Auf welche Art und Weise dieses Ziel mit dem energiepolitischen Zieldreieck als Leitfaden erreicht werden kann, gilt es gemeinsam mit den beteiligten Stakeholdern zu evaluieren. Denkbar wären neben unterschiedlichen Ausgestaltungen von Kapazitätsmechanismen auch andere Formen von Erlösströmen, die die Bereitstellung von Verfügbarkeiten vergüten.
Die Bundesregierung hat hierzu eine Kraftwerksstrategie für das erste Halbjahr 2023 angekündigt. Dieser Zeitplan konnte nicht eingehalten werden. Weitere Verzögerungen drohen einen vorgezogenen Kohleausstieg und das Erreichen der Klimaschutzziele zu gefährden.
Aus Sicht des BDI ist es bei der Kraftwerksstrategie wichtig, dass diese mit möglichst geringen Verzerrungen am Strommarkt und nach marktwirtschaftlichen Prinzipien umgesetzt wird, damit erforderliche Kraftwerksinvestitionen nicht durch diskretionäre staatliche Entscheidungen erfolgen. Es gilt dabei zu prüfen, welche Art von Mechanismus den Zubau von flexibler Leistung am volkswirtschaftlich effizientesten anreizen kann.
Aus Industriesicht ist dabei von zentraler Bedeutung, dass die Versorgungssicherheit nicht bis an die Grenzen der Belastbarkeit ausgereizt wird und stets gewährleistet ist. Dabei gilt es mögliche Verzögerungen beispielsweise beim Ausbau der Netze, Erneuerbaren Energien oder steuerbaren Kapazitäten mit einzuplanen, denn für die Wahrung der Versorgungssicherheit darf man sich nicht allein darauf verlassen, dass alle in dem letzten Jahr auf den Weg gebrachten Beschleunigungen vollumfänglich eintreten Die Rahmenbedingungen für die Finanzierung von steuerbaren Kapazitäten sollten zügig zusammen mit den beteiligten Stakeholdern ausgearbeitet werden, denn die aktuellen Unsicherheiten sind ein Hemmnis für die notwendigen langfristigen Investitionen und das Erreichen der Klimaziele.
Schon heute importiert Deutschland diverse Energieträger. Damit auch in Zukunft die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann, bedarf es einer ambitionierten Importstrategie für klimafreundliche Energieträger wie Wasserstoff und Wasserstoff-Derivate. Das bestehende Instrument der Energiepartnerschaften der Bundesregierung sollte in diesem Zusammenhang genutzt werden, um die Anstrengungen der Unternehmen maßgeblich zu unterstützen, klimafreundliche Energieträger nach Deutschland zu importieren
2. Gebäude
Das Sofortprogramm setzt richtigerweise auf die Fortsetzung des von der Bundesregierung gewählten, anreizbasierten Weges zum Erreichen der Klimaschutzziele im Gebäudesektor. Die Ende 2021 vorgelegte BDI-Klimastudie „Klimapfade 2.0“ bestätigt: Der eingeschlagene Weg muss fortgesetzt und durch ergänzende Impulse beschleunigt werden, um das Klimaschutzziel 2030 bestmöglich zu erreichen und den „klimaneutralen Gebäudebestand“ bis 2045 zu realisieren. Mit erheblicher Sorge sehen wir allerdings, dass das Programm zwar zu Recht eine „zügige und deutliche Steigerung der Sanierungsdynamik“ und „sowohl eine Steigerung der Sanierungsrate als auch -tiefe“ als notwendig benennt, es dann jedoch an neuen oder wirkungsvolleren Maßnahmen, die dieses Ziel erreichen könnten, deutlich vermissen lässt. Insbesondere vor dem Hintergrund des drastischen Rückgangs der Neubau- und Sanierungstätigkeit in den vergangenen Jahren sind jetzt dringend politische Maßnahmen erforderlich, die eine Trendumkehr ermöglichen und einen Kapazitätsabbau in der Bauwirtschaft verhindern.
Gebäudeenergiegesetz a) 65 Prozent Erneuerbare Energien-Verpflichtung beim Heizungstausch ab 2024
Die Anforderung für einen Einsatz von 65 Prozent Erneuerbare Energien (EE) beim Betrieb von Heizungen, die ab dem Jahr 2024 getauscht werden, weist in die richtige Richtung
Allerdings sind viele Millionen Bestandsgebäude bislang gänzlich unsaniert und haben hohe Energieverbräuche. In diesen Gebäuden werden Heizungen mit hohen EE-Anteilen erst nach umfassender, energetischer Modernisierung (Ertüchtigung der Gebäudehülle durch Wärmedämmung und Fenstertausch, Erneuerung der Technik und Optimierung des Betriebs) zum Erreichen einer deutlichen Verbrauchssenkung energie- und kosteneffizient betrieben werden können.
Die BDI-Klimastudie 2021 sieht vor, Gebäude durch individuell abgestimmte Sanierungsmaßnahmen auf ein für den Einsatz CO2-freier Wärmelösungen ausreichendes Energieverbrauchsniveau (70 kWh/m2/a) zu bringen, beispielsweise durch Dämmung der Gebäudehülle, Fenstertausch, Austausch der Umwälzpumpe sowie der Heizkörper.
Anforderung:
▪ Eine Begleitkommunikation zum geforderten Miteinander von Einsatz Erneuerbarer Energien und Energieeffizienz beziehungsweise Verbrauchsminderung; b) Anhebung des Neubaustandards zum Jahr 2025 auf EH 40
Die geplante Anhebung des Neubaustandards auf Effizienzhaus (EH) 40-Niveau muss kritisch bewertet werden: Mit der kürzlich beschlossenen Novelle des Gebäudeenergiegesetztes (GEG) wurde die bisherige Anforderungssystematik geändert (Absenkung des Primärenergieverbrauchs auf 55 %, Beibehaltung der Anforderung an die Energieeffizienz). Damit ist völlig unklar, wie die zukünftige Ausgestaltung eines EH 40-Standards im GEG vorgenommen wird. Die BDI-Klimastudie 2021 hatte auf Basis der bestehenden Anforderungssystematik festgestellt, dass das bestehende hohe Effizienzniveau im Neubau nur um ein Gebot der CO2-neutralen Wärmeerzeugung und um jeweilige Ankerwerte für die technische Gebäudeausstattung (TGA) ergänzt werden bräuchte, um kompatibel mit dem Ziel „klimaneutraler Gebäudebestand bis 2045“ zu sein.
Anforderungen:
▪ Kritische Prüfung der angedachten Verschärfung des Neubaustandards auf EH 40;
▪ Falls es zur Verschärfung des Neubaustandards kommt, sollte sich die Verschärfung auf den Primärenergiefaktor und die Anpassung der Standards für Gebäudetechnik und -betrieb beschränken. Die Effizienzanforderungen an der Hülle jedoch sollten nicht weiter angehoben werden;
▪ Die Bundesregierung sollte geeignete Maßnahmen treffen, um die Bezahlbarkeit des Bauens sowohl im Mietwohnungsbau als auch beim privaten Wohnungsbau und bei Nichtwohngebäuden trotz Anhebung der Neubaustandards zu gewährleisten
c) Mindestenergieeffizienzstandards
▪ Die Einführung von moderaten ordnungsrechtlichen Mindestenergiestandards für alle Bestandsgebäude kann für die Erreichung der Klimaziele hilfreich sein. Gleichwohl stellen Sanierungspflichten für Bestandsgebäude einen Eingriff in Eigentum dar und sollten daher so zielgenau wie möglich eingesetzt werden.
Anforderungen:
▪ Mindestenergieeffizienzstandards sollten auf die sogenannten „Worst Performing Buildings“ fokussiert werden;
▪ Mindestenergieeffizienzstandards sollten als wirtschaftlich umsetzbare Mindestanforderung mit ausreichend Vorlaufzeit und mit Beibehaltung von Förderangeboten konzipiert werden.
Bundesförderung effiziente Gebäude / Förderinstrumentarium a) Sanierung
Um die in den nächsten Jahrzehnten geforderte Modernisierungswelle erfolgreich umsetzen zu können, muss zukünftig Stabilität und Berechenbarkeit im Förderregime gewährleistet werden. Gebäudeeigentümer und Investoren benötigen Planungssicherheit zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen und -fahrplänen sowie zur langfristigen Refinanzierung der Investitionen. Die Wirtschaft braucht ebenso Planungssicherheit, um zusätzliche Kapazitäten aufzubauen und längerfristig vorzuhalten.
Anforderungen zum Förderinstrumentarium allgemein:
▪ Förderprogramme unter Berücksichtigung technischer Fortschritte grundsätzlich für mindestens zehn Jahre anbieten und dies deutlich kommunizieren;
▪ Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) kontinuierlich ausfinanzieren;
▪ Steuerliche Förderung von Einzelmaßnahmen als unkomplizierteste Art der Förderung in der bestehenden Form erhalten.
Anforderungen zur Weiterentwicklung der BEG:
▪ Schnellstmögliche Einführung eines One-Stop-Shops zur Information über Fördermöglichkeiten und zur Antragsstellung;
▪ Einführung von „Sprinterprämien“ für Umsetzung eines Sanierungsfahrplans unter der Voraussetzung des Erreichens eines „2045-reifen Niveaus“ bis 2030;
▪ Bedingung einführen, dass Einzelmaßnahmen, abgesehen von geringinvestiven Maßnahmen, perspektivisch ab 2030 nur dann gefördert werden, wenn sie in einem Sanierungsfahrplan enthalten sind, der den Weg zur „2045-Reife“ weist (mit Ausnahme für Schadensfälle / Reparaturbedarfe);
▪ Anhebung der Fördersätze für besonders aufwendige Maßnahmen an der Gebäudehülle (Beispiele: vollständige Fassadendämmung, Kompletttausch der Fenster) sowie umfassende Modernisierung der Gebäudetechnik und -digitalisierung (vollständige Modernisierung der Anlagen / Steuerungstechnik, vollständige Ertüchtigung der Elektroinfrastruktur);
▪ Einführung einer besonderen Förderung für Kombinationen von Einzelmaßnahmen innerhalb eines Sanierungsfahrplans, um ergänzende Anreize für umfassendere energetische Gebäudemodernisierungen zu geben, auch wenn mit einem solchen Schritt kein höheres EffizienzhausNiveau erreicht wird.
Serielle Sanierung
Anforderungen:
▪ Die Fördersystematik muss für die Anreizung großmaßstäblicher Projektportfolios weiterentwickelt werden. Die Weiterentwicklung des Instruments auf größere Projekte und Portfolios sollte durch eine konsequente Weiterentwicklung auch des Förderprogramms „Serielle Sanierung“ für die Anreizung der Anbieterseite begleitet werden;
▪ Das Konzept der seriellen Sanierung muss bei der Sanierung des bundeseigenen Gebäudebestands gezielt zur Anwendung gebracht werden.
Initiative öffentliche Gebäude
Es ist richtig und konsequent, dass die „Energieeffizienzfestlegungen für klimaneutrale Neu- / Erweiterungsbauten und Gebäudesanierungen des Bundes“ auch auf Länder und Kommunen ausgeweitet werden sollen.
Anforderungen:
▪ Angesichts auf regionaler Ebene bestehender Finanzierungsrestriktionen muss eine Ausweitung der Selbstverpflichtungen durch finanzielle Unterstützung flankiert werden;
▪ Bereits jetzt sollte der Bund im Dialog mit den Ländern und den Kommunen darauf hinwirken, dass Sanierungsfahrpläne für die Gebäudebestände entwickelt werden;
▪ Instrumente wie das Contracting sollten stärker genutzt, rechtliche Hemmnisse im Mietrecht beseitigt und die Rahmenbedingungen dafür verbessert werden, um bestehende Finanzierungsengpässe zu überwinden.
Optimierung bestehender Heizungssysteme
Die Optimierung bestehender Heizungssysteme kann einen wichtigen Beitrag zur CO2-Minderung im Gebäudesektor leisten.
Anforderungen:
▪ Der Nutzen der Heizungsoptimierung mit Blick auf CO2- und insbesondere auch auf Energieeinsparung – für Eigentümer wie auch für Mieter – muss in der angekündigten Energiespar-Kampagne herausgestellt und es muss auf Fördermöglichkeiten hingewiesen werden;
▪ Das Antragsverfahren zur Förderung der Heizungsoptimierung muss deutlich vereinfacht werden.
Ergänzende Handlungsanforderungen:
Energieeinsparziele und Sanierungsfahrpläne
a) Energieeinsparziele
Gebäudeeigentümer und Nutzer sollten darüber informiert werden, welche Energieeinsparziele bei einzelnen Bestandsgebäuden konkret gefordert sind und dass jedes Gebäude im Jahr 2045 CO2neutral beheizt werden muss.
Anforderungen:
▪ Die Energieeinsparziele sollten durch geeignete Kennzahlen nachvollziehbar aufgezeigt werden (gebäudespezifische Primärenergiebedarfsziele sowie Raumwärme- und Warmwasserbedarf in kWh/m²a). Bei Wohngebäuden sollte durchschnittlich ein Energieverbrauch von 70 kWh/m²a erreicht werden;
▪ Es muss die allgemeine Anforderung deutlich gemacht werden, dass die Reduktion des Energiebedarfs und die Umstellung auf CO2-freie Energieträger gleichermaßen notwendig sind und zusammen geplant werden müssen; b) Sanierungsfahrpläne
▪ Die Bundesregierung sollte dies in einer Öffentlichkeitskampagne in der gebotenen Klarheit kommunizieren.
Anforderungen:
▪ Für jedes Gebäude sollte ein individueller Sanierungsfahrplan erstellt werden müssen, in dem ein „2045-reifer Zielzustand“ aufgezeigt wird, um den Gebäudeeigentümern mögliche Pfade zu einem klimaneutralen Gebäude zu weisen. Als erstes sollte deshalb die Verpflichtung für die sanierungsbedürftigsten Gebäude (WPB – worst performing buildings) wirksam werden, für die dieser bis 2029 vorliegen sollte;
▪ Die bestehende Förderung von Sanierungsfahrplänen muss erhalten bleiben;
▪ Die verpflichtende Erstellung von Sanierungsfahrplänen sollte mit größtmöglichem Vorlauf angekündigt und stufenweise umgesetzt werden. Ohne ausreichend Vorlauf würde ein Druck im Markt entstehen, dem kurzfristig nicht entsprochen werden kann. Als erstes sollte die Verpflichtung für die sanierungsbedürftigsten Gebäude wirksam werden.
Niedriginvestive Maßnahmen, Betriebsoptimierungen sowie Nutzerbewusstsein
Das Monitoring und die Optimierung des Gebäudebetriebs sowie eine effiziente Nutzung von Energie, basierend auf vorhandenen Daten, sind wichtige Bausteine, um Energie und CO2 nachhaltig einzusparen. Die Rahmenbedingungen zum Einsatz möglicher Lösungskonzepte – wie Automatisierung, Energiemanagement- und Monitoringsysteme, zeitnahe, digitale Verbrauchsinformation und Energiespar-Contracting für gezielte Qualitätssicherung – sollten verbessert werden, um deren Anwendung in größerer Breite zu ermöglichen. Eine geregelte Datennutzung ermöglicht neue Geschäftsmodelle für ein intelligentes Energiemanagement und die serielle Sanierung im Zusammenspiel mit einer optimierten Betriebsführung von Gebäuden.
Anforderung:
▪ Die Entwicklung neuer digitaler Innovationen und Angebote sollte gefördert werden. Beispiele: Optimierung der Anlagensteuerung auf Basis von Smart-Data-Lösungen auf Gebäude- und Quartiersebene, die Vernetzung von Sensoren und Aktoren im Gebäude, die Konnektivierung von Heizungen, ein integriertes Gebäudemonitoring für Energie, CO2 und weitere Ressourcen sowie intelligente, datenbasierte Energiespartipps für Verbraucher.
Digitalisierung
Die Digitalisierung eröffnet große Chancen für weitere Effizienzverbesserungen im Gebäudebereich. Das Potenzial intelligenter Technologien für den Klimaschutz kommt heute häufig viel zu wenig zum Tragen, da datenschutzrechtliche Hürden anforderungsgerechte Verbrauchsinformationen sowie Steuerungsoptimierungen der Gebäudetechnologie verhindern.
Anforderungen:
▪ Der deutsche Gesetzgeber sollte Abhilfe schaffen, um der Digitalisierung der Energiewende einen Schub zu verleihen. Er sollte hierzu u. a. klar definieren, wie das Gemeinwohlziel Klimaschutz gegenüber der individuellen Freiheit Datenschutz zu gewichten ist und entsprechend gesetzlich verankern, so wie der EU-Gesetzgeber dies in der Energieeffizienzrichtlinie getan hat.
3. Industrie Klimaschutzverträge
Der BDI begrüßt ausdrücklich die vom BMWK auf den Weg gebrachte Förderrichtlinie zu den Klimaschutzverträgen. Damit ist der Grundstein für eine moderne, auf wissenschaftlichen Grundlagen basierende Förderung von Unternehmen gelegt, die in die klimaneutrale Transformation investieren wollen. Allerdings steht die Vergabe von Klimaschutzverträgen nach wie vor unter zwei gravierenden Vorbehalten: Zum einen muss die Europäische Kommission die Förderrichtlinie noch genehmigen und zum anderen müssen die Haushaltsmittel verfügbar gemacht werden. Diese Hürden zeitnah zu überspringen wäre sehr wichtig, damit zumindest einige Unternehmen noch in diesem Jahr Gewissheit erhalten, um sich auf ihren Transformationspfad begeben zu können. Gleichzeitig gibt es an einigen Stellen in der Industrie nach wie vor Bedenken. Dazu zählen folgende Punkte:
▪ Es wird befürchtet, dass die Vorgabe, dass zwingend eine 90%ige Minderung gegenüber der Referenzanlage erreicht werden muss, zu restriktiv sein könnte. Wenn das 90%-Kriterium nach 15 Jahren KSV-Laufzeit nicht erreicht würde, müssten wohl alle Fördermittel zurückgezahlt werden;
▪ Die bisher im Entwurf der Förderrichtlinie vorliegende Ausgestaltung der Überschusszahlungspflicht ist problematisch. Sind mögliche Rückzahlungen gar nicht gedeckelt, kann sich das aufgrund des bilanziellen Risikos als problematisch für die Akzeptanz / tatsächliche Nutzung der KSV erweisen;
▪ Ein operativer Beginn auch nach 48 Monaten (36 ohnehin) ist für großindustrielle CCU/S-Projekte ambitioniert, zumal Gebote bindend sind. Die Machbarkeit gilt es im Einzelfall zu bewerten;
▪ Es ist unmöglich, einen etwaigen grünen Mehrerlös ex ante robust für 15 Jahre einzuschätzen;
▪ Für viele Transformationsprojekte wäre es wichtig zu wissen, was aus dem Capex-Programm „Dekarbonisierung in der Industrie“ wird und wie das Zusammenspiel mit den KSV geplant ist. Insgesamt ist die ausstehende Klärung zur Kombination / Kumulation von Förderungen wichtig.
Grundsätzlich gilt, dass Klimaschutzverträge ein vollkommen neues Instrument sind. Dementsprechend sorgfältig müssen die Ausschreibungen vorbereitet und die Förderrichtlinie in einem Lernprozess gegebenenfalls angepasst werden. Nach der Einführungsphase und ersten Erfahrungen sollte insbesondere geprüft werden, ob das Instrument ausgeweitet werden kann, um u. a. den industriellen Mittelstand einzubeziehen
Carbon Management-Strategie (CMS)
Eine Strategie zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 ist ein unverzichtbares Element einer umfassenden Klimastrategie, und wir begrüßen daher das Vorhaben der Bundesregierung, eine Carbon Management Strategie zu erarbeiten. Wir unterstützen dabei den Grundsatz CO2-Vermeidung vor Abscheidung. Darunter ist eine Prioritätensetzung und keine zeitliche Abfolge zu verstehen. Wenn CCS/U nicht jetzt ermöglicht und angereizt wird, werden diese Technologien nicht rechtzeitig in ausreichendem Maße zur Anwendung kommen, um unsere Klimaziele zu erreichen.
Aufgrund des hohen Anteils an prozessbedingten Emissionen, sollte der initiale Einsatz in der Baustoffbranche und in der thermischen Abfallverwertung erfolgen. Gleichzeitig dürfen andere Industriezweige durch die Carbon Management Strategie nicht voreilig als Anwendungsgebiete von CarbonCapture-Technologien (rechtlich) ausgeschlossen werden. Denn um unsere Klimaziele zu erreichen, werden neben CCS/U ebenso größere Mengen an Carbon Dioxide Removals (CDR – BECCS & DACCS) notwendig sein, die u. a. auf CCS-Technologien basieren.
Es sollten möglichst konkrete Mindest-Mengenziele für die CO2-Speicherung im Jahr 2030 und darüber hinaus festgelegt werden, um Investitionssicherheit zu schaffen. In diesem Kontext begrüßen wir das Vorhaben der Bundesregierung, im Rahmen der Novelle des Klimaschutzgesetzes Ziele für solche „technische Senken“ festzulegen. Ein quantitatives Ziel ist notwendig, um ein gewisses Maß an Planungssicherheit zu schaffen. Es sollte sich dabei aber um Mindestziele handeln, wie es auch bei den „natürlichen Senken“ der Fall ist. Wir bitten darum, diese Mindest-Mengenziele bis zum 30. Juni 2024 festzulegen.
Es ist wichtig, dass die Carbon Management Strategie im Sinne der zirkulären Wirtschaft die Nachfrage nach Kohlenstoff und somit CCU in Relation zu CCS als gleichberechtigte Technologie betrachtet. CO2 wird oftmals ausschließlich als zu vermeidender Abfall verstanden, dabei ist der darin enthaltene Kohlenstoff ein wichtiger Rohstoff für die Industrie. Die vorläufigen Modellierungsergebnisse der Carbon Management Strategie konzentrieren sich derzeit ausschließlich auf die Bedarfe der chemischen Industrie. Es sollten auch CO2-Ströme für Power-to-X-Kraftstoffe (z. B. Methanol, Ammoniak) beziehungsweise Brennstoffe berücksichtigt werden.
Die Carbon Management Strategie muss Planungssicherheit für die Anwendung von CCS/U-Technologien und gleichzeitig die notwendigen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Hochlauf schaffen. Bereits identifizierte regulatorische Hürden auf nationaler und europäischer Ebene – wie beispielsweise im Evaluierungsbericht des KSpG festgehalten – sollten schon jetzt und nicht erst nachgelagert behoben werden, um den Aufbau einer CCS/U-Wirtschaft rasch voranzubringen. Dies betrifft insbesondere die Ratifizierung des Londoner Protokolls und die Überarbeitung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes.
Grundsätzlich sollten die diversen Strategien der Bundesregierung (insbesondere Kreislaufwirtschaftsstrategie, Wasserstoffstrategie und Biomassestrategie) mit der CMS verzahnt werden. Das gilt ebenso für Regulierungen und Entwicklungen auf europäischer Ebene.
Absicherungsinstrumente
Der BDI begrüßt die Aufnahme von Absicherungsinstrumenten in das Klimaschutzprogramm. Diese können einen wichtigen Beitrag für einen beschleunigten Ausbau von Erneuerbaren Energien und Stromnetzen leisten. Wünschenswert wäre jedoch eine Ausweitung des Anwendungsbereiches So können Absicherungsinstrumente ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Umstellung auf klimafreundliche Technologien spielen, beispielsweise durch die Absicherung von langfristigen Bezugsverträgen für Wasserstoff.
4. Verkehr
Für die Transformation der Mobilität setzt der Entwurf der Bundesregierung für ein Klimaschutzprogramm 2023 auf eine Vielzahl richtiger Maßnahmen. Der BDI begrüßt ausdrücklich den zugrunde liegenden Ansatz der Technologieoffenheit. Es ist richtig, neben einem starken Fokus auf die Modernisierung und Kapazitätserweiterung des Schienennetzes und der Stärkung des Schienengüterverkehrs auf einen maximalen Hochlauf von alternativen Antrieben und eine ergänzende Kraftstoffstrategie zu setzen. Die Wasserstraße sollte jedoch insgesamt stärker berücksichtigt werden. Auch wenn mit Blick auf das Erreichen der nationalen Klimaschutzziele der Straßenverkehr zurecht Hauptadressat der Maßnahmen für einen raschen Antriebs- und Kraftstoffwechsel ist: Die Bundesregierung sollte ihre Strategien und insbesondere Förderprogramme zum Umstieg auf alternative Antriebe und Kraftstoffe einschließlich der erforderlichen Lade- und Tankinfrastrukturen für alle Verkehrsträger vereinfacht fortführen und weiterentwickeln. Der BDI konzentriert sich in der Kommentierung auf Maßnahmen, die für die Industrie eine besonders hohe Relevanz aufweisen:
▪ Stärkung der Schiene mit besonderem Fokus auf den Güterverkehr;
▪ Antriebs- und Kraftstoffwechsel für Pkw und schwere Nutzfahrzeuge;
▪ Alternative Antriebe und CO2-neutrale Kraftstoffe im Luft- und Seeverkehr sowie der Binnenschifffahrt und im nicht elektrifizierten Schienenverkehr
Auch zusätzliche Potenziale zur THG-Minderung durch Digitalisierung in der Mobilität gilt es verstärkt zu nutzen. Mit den im KSP-Entwurf enthaltenen Maßnahmen greift die Bundesregierung wenige richtige, aber bereits bekannte Maßnahmen auf. Insgesamt zeigt der Entwurf aber kein Konzept auf, wie künftig das Potenzial einer umfassenden Digitalisierung zu nutzen ist.
Schienenverkehr
Ein umfassendes Modernisierungs- und Ausbauprogramm für die Schiene ist erforderlich. Dabei geht es um die Schaffung eines Hochleistungsnetzes mit Generalsanierung hochbelasteter Korridore, die Verbesserung des gesamten Flächennetzes, schnelle Kapazitätserweiterung durch kleine und mittlere Maßnahmen, die konsequente Digitalisierung, den attraktiven Systemzugang über Bahnhöfe und
Serviceeinrichtungen sowie den gezielten Neu- und Ausbau inkl. weitergehender Elektrifizierung. Dies erfordert einen entsprechenden Mittelhochlauf. Der Entwurf des Klimaschutzprogramms stellt einen Zusatzbedarf von 45 Milliarden Euro fest. Die Stärkung des Investitionshochlaufs zur Modernisierung, Digitalisierung und Automatisierung der Schiene ist daher zu begrüßen Gleiches gilt für den angestrebten Ausbau der Kapazitäten und Terminals für den kombinierten Verkehr und die Förderung alternativer Antriebe bei Schienenfahrzeugen. Eine verstärkte Nutzung des kombinierten Verkehrs kann zudem durch eine öffentliche Förderung der Umschlagkosten angeregt und über eine Verlagerungsprämie weitere Anreize zur verstärkten Nutzung gesetzt werden Im Rahmen der Weiterentwicklung der Maut für Lkw kann der kombinierte Verkehr durch eine Befreiung von der Maut im Vor- und Nachlauf zu KV-Terminals weiter gestärkt werden. Zur Beschleunigung der Digitalisierung ist wichtig, dass hierbei auch die Förderung der ETCS-Fahrzeugausrüstung in den Fokus genommen wird. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist, dass die Festlegungen im Klimaschutzprogramm zwingend durch eine entsprechende Mittelausstattung im Haushalt unterlegt werden müssen. Um die Schienenkapazität insgesamt zügig zu erweitern, gilt es, die Empfehlungen der Beschleunigungskommission Schiene schnellstmöglich umzusetzen und insbesondere eine Offensive für kleine und mittlere Maßnahmen zu starten. Ferner sind ausreichende Kapazitäten für den Güterverkehr im Rahmen der Fortschreibung des Zielfahrplans vorzusehen. Darüber hinaus muss die Bildung der gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft konsequent vorangetrieben werden. In Bezug auf die im Klimaschutzprogramm adressierte Stärkung des Schienengüterverkehrs ist positiv die Fortführung der Trassenpreisförderung hervorzuheben. Hierbei gilt, dass dies in der bestehenden Höhe für den Mittelfristzeitraum fortgeschrieben werden muss. Die im Rahmen der Anlagenpreisförderung angestrebte stärkere Entlastung des Einzelwagenverkehrs bei den Kosten für die Nutzung von Zugbildungsanlagen ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die im Entwurf des Bundeshaushalts 2024 vorgesehene Einzelwagenförderung ist ein weiterer wichtiger Baustein dafür, damit die verladende Wirtschaft auf ein flächenhaft verfügbares Angebot im Schienengüterverkehr zurückgreifen kann. Um den Einzelwagenverkehr fit für die Zukunft zu machen, muss darüber hinaus jedoch auch die Migration hin zur Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) forciert und im Bundeshaushalt 2024 sowie der Finanzplanung abgedeckt werden Die nachhaltige Stärkung des ÖPNV muss über eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel und GVFG-Mittel sichergestellt sowie gleichzeitig eine auskömmliche Finanzierungsstruktur für die als Hub der Multimodalität fungierenden Bahnhöfe geschaffen werden.
Verstärkte Nutzung des Potenzials synthetischer Kraftstoffe
Hinsichtlich der Maßnahmen für die verstärkte Nutzung des Potenzials synthetischer Kraftstoffe beschränkt sich der Entwurf des KSP auf den Straßenverkehr. Richtig ist, dass das Erreichen der Klimaschutzziele im Straßenverkehr neben dem maximalen Hochlauf der Elektromobilität den verstärkten Einsatz von grünen Kraftstoffen erfordert, insbesondere für die Defossilisierung der Pkw- und Lkw-Bestandsflotten. Doch der Ansatz im KSP greift hinsichtlich des Fokus auf Straßenverkehr sowie auf synthetische Kraftstoffe (besser strombasierte Kraftstoffe) grundsätzlich zu kurz. Um die Klimaschutzziele im Verkehr erreichen zu können, braucht es erhebliche Mengen an grünen Kraftstoffen bei allen Verkehrsträgern: Straßen-, Luft- und Seeverkehr, nicht elektrifizierter Schienenverkehr sowie Binnenschifffahrt. Grüne Kraftstoffe umfassen dabei Biokraftstoffe der 1. Generation sowie CO2-neutrale Kraftstoffe (strombasierte Kraftstoffe, grünen Wasserstoff und fortschrittliche Biokraftstoffe). Der Anteil der CO2-neutralen Kraftstoffe am Gesamtverbrauch ist kontinuierlich zu erhöhen. Insbesondere im Luft- und Seeverkehr sind CO2-neutrale Kraftstoffe auch auf lange Sicht die einzig verfügbare Option, um eine weitgehende Defossilisierung dieser Verkehrsträger zu erreichen – auch wenn batterieelektrische oder wasserstoffbetriebene Antriebe verfügbar sind.
Deshalb bleibt es unverständlich, dass der angekündigte E-Fuels-Dialog und die Roadmap klimaneutrale Kraftstoffe der Bundesregierung die Bedarfe der anderen Verkehrsträger nicht explizit adressiert. Auch mit Blick auf die weitere Ausgestaltung der Forschungsförderung und Entwicklungszusammenarbeit E-Fuels sollte die Bundesregierung alle Verkehrsträger einbinden. Grundsätzlich gilt zu beachten, dass eine gezielte E-Fuels-Strategie immer auch Teil einer übergeordneten Strategie für grüne Kraftstoffe sein muss. Eine solche umfassende Strategie erfordert weitere Maßnahmen:
▪ Die Bundesregierung ist aufgefordert, rasch die EU-Vorgaben gemäß der Revision der RED II (RED III) für eine ambitionierte, aber realistische THG-Minderungsquote für Verkehr sowie ambitionierte Unterquoten für fortschrittliche Biokraftstoffe und RFNBO einzuführen;
▪ Für die gezielte Förderung von strombasierten Kraftstoffen sollten PtX-Doppelauktionen nach dem Vorbild von H2Global realisiert und mit einem Fördermechanismus verbunden werden;
▪ Außerdem gilt es, die Rahmenbedingungen für den Hochlauf CO2-neutraler Kraftstoffe durch eine Reform der Energiesteuern mit Anreizen für den Einsatz grüner Kraftstoffe sowie die ergänzende CO2-Bepreisung durch die nationale Umsetzung des ETS 2 im Straßenverkehr zu schaffen. Das schließt insbesondere auch die Berücksichtigung grüner Kraftstoffe in der Lkw-Maut sowie bei KfzSteuer und Dienstwagenbesteuerung ein. (Weitere Details siehe Kommentierung bei Verkehrsträgern und sektorübergreifende Maßnahme zu Reform der Abgaben usw. im Energiesystem).
Für die begrüßenswerte Zulassung paraffinischer Kraftstoffe als Reinkraftstoff liegt bereits ein Referentenentwurf vor, der aus Sicht des BDI rasch umgesetzt werden sollte. Zugleich sollte im Zuge der Novelle der 10. BImSchV die Verpflichtung für Tankstellen flexibler gestaltet werden, die Kraftstoffschutzsorte Super E5 anzubieten. Freiwerdende Zapfsäulen stünden dadurch für den Verkauf von grünen Kraftstoffen zur Verfügung. Auch bei Dieselkraftstoffen ist im Hinblick auf die Einführung von paraffinischen Kraftstoffen (XtL) eine Flexibilisierung der Bestandsschutzsortenregelung erforderlich.
Antriebswechsel Lkw und schwere Nutzfahrzeuge
Der KSP-Entwurf enthält viele wichtige Maßnahmen zum Hochlauf alternativer Antriebe bei schweren Nutzfahrzeugen durch gezielte Fördermaßnahmen für Fahrzeuge (einschließlich Fuhrparks, Busse, Sonderfahrzeuge, Trailer). Grundsätzlich positiv sind die enthaltenen Maßnahmen für eine Lade- und H2-Tankinfrastruktur bei Nutzfahrzeugen hinsichtlich eines Initialnetzes und dem betrieblichen Laden, die so auch richtigerweise im Masterplan Ladeinfrastruktur II (MP LIS II) der Bundesregierung adressiert sind. Allerdings kollidiert der Zeitplan für ein Initial-Ladenetz für BEV-Lkw, dessen Ausschreibung erst im 3. Quartal 2023 starten soll, mit der Einführung der CO2-basierten Lkw-Maut bereits ab Dezember 2023. Hier braucht es zusätzlich pragmatische Lösungen für die Berücksichtigung grüner Kraftstoffe (siehe Lkw-Maut). Um den Hochlauf von betrieblichem Laden zu unterstützen, sollten z. B. Förderprogramme auch gezielt Ladeinfrastruktur anreizen ohne eine direkte Kopplung an den Kauf von BEV-Nutzfahrzeugen. Der BDI befürwortet hierbei ausdrücklich, dass die Förderung von Lkw-Ladeinfrastruktur auch losgelöst vom Erwerb leichter und schwerer Nutzfahrzeuge mit alternativen, klimaschonenden Antrieben erfolgt. Dies sollte entweder durch die Anpassung der aktuellen Förderrichtlinie oder durch die Einführung eines neuen, zielgerichteten Förderprogramms für den alleinigen Aufbau von Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge umgesetzt werden. Aktuelle Förderrichtlinien erlauben den Beginn geförderter Projekte außerdem erst nach Bewilligung der Förderung durch den Erhalt eines Zuwendungsbescheids. Dies führt zu Verzögerungen und Planungsunsicherheit bei den Antragsstellern Daher sollte ein vorzeitiger Vorhabenbeginn ermöglicht sowie die Bearbeitungszeiten für
Förderanträge reduziert werden. Positiv ist, dass auch für H2-Tankinfrastruktur ein Initialnetz entlang der TEN-V-Korridore in Deutschland vorgesehen ist. Der Aufbau sollte durch die Vorlage eines Gesamtkonzepts und Fortschreibung der Förderprogramme vorauslaufend und bedarfsgerecht für Nutzfahrzeuge sowie für Pkw erfolgen.
Mit Blick auf den 2024 beginnenden breiten Serien-Hochlauf an Null-Emissionsfahrzeugen und der bisher noch so gut wie nicht vorhandenen Ladeinfrastruktur sollte sich bei der geplanten Novelle der Lkw-Maut die Einführung des Mautteilsatzes für Kosten der verkehrsbedingten CO2-Emissionen in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2 zum 01.12.2023 hinsichtlich des zugrunde liegenden CO2-Tonnenpreises an den in Anhang IIIc der EU-Wegekostenrichtlinie aufgeschlüsselten Mindestbezugswerten für die Gebühr für CO2-emissionsbedingte externe Kosten orientieren. Diese weisen für einen 40Tonner acht Cent pro Kilometer und umgerechnet in etwa 100 Euro pro Tonne CO2 aus. Durch einen CO2-Preis von 200 Euro pro Tonne wird sich die Lkw-Maut hingegen nahezu verdoppeln, aber angesichts der aktuell noch mangelnden Marktverfügbarkeit von Fahrzeugen mit alternativen Antriebstechnologien keine größere Lenkungswirkung entfalten.
Die im Zuge der CO2-Differenzierung der Lkw-Maut generierten Mehreinnahmen sollten für den Klimaschutz im Güterverkehr – insbesondere zum Auf- und Ausbau einer bedarfsgerechten Tank- und Ladeinfrastruktur – verwendet werden. Damit Verträge und Preislisten sinnvoll angepasst werden können und die Einführung der CO2-Komponente nicht mitten im Wirtschaftsjahr stattfindet, sollte das Startdatum außerdem auf den 01.01.2024 gelegt werden, um bürokratischen Mehraufwand im Verhältnis von Transportgewerbe und Verladern zu vermeiden. Des Weiteren ist zu bedauern, dass mit der fehlenden Berücksichtigung grüner Kraftstoffe wichtige Brückentechnologien für die 2020er Jahre keine Förderung im Rahmen der Maut erfahren. Damit verengt sich der Lösungsraum zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs und zumindest temporär wird Technologieoffenheit nur sehr eingeschränkt verfolgt. Deshalb wäre es sehr zu begrüßen, wenn die Förderung der Nutzung grüner Kraftstoffe auch außerhalb der Maut, beispielsweise über Steuererleichterungen für alle Verkehrsträger, anvisiert und intensiv geprüft werden würde.
Die Aussagen zu einer „ambitionierten AFIR“ haben sich mit dem Abschluss der Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Rat und EU-KOM überholt. Die formalen Annahmen der Trilog-Ergebnisse und die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt stehen zwar noch aus, dennoch ist eine grundsätzliche Änderung der vereinbarten Inhalte nicht absehbar. Aus Sicht der Industrie verfehlen Bundesregierung und EU-Partner ihre selbstgesteckten Ziele zu einem ambitionierten und vorauslaufenden Aufbau von erforderlichen Lade- und Tankinfrastruktur in der EU. Das gefährdet den EU-weiten Hochlauf von alternativen Antrieben bei Pkw und Nutzfahrzeugen gleichermaßen und erschwert das Erreichen von zusätzlich verschärften CO2-Flottengrenzwerten für schwere Nutzfahrzeuge, die aktuell noch in der politischen Diskussion stehen.
Deshalb ist es unabdingbar, dass die Bundesregierung ihre Ankündigung umsetzt, sich für ambitionierte Reduktionsziele 2030 und 2035 im Rahmen der Überarbeitung der CO2-Flottenzielwerte für schwere Nutzfahrzeuge einzusetzen, die sich auch an der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit ausrichten. Der von der EU-Kommission vorgeschlagene generelle Zielpfad für alle Fahrzeugklassen schwerer Nutzfahrzeuge für die Jahre 2030, 2035 und 2040 erfüllt diese Industrieforderung nicht und ist ohne eine Flankierung nicht erreichbar. Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich für leistungsfähige und bedarfsgerechte Lade- und H2-Tankinfrastrukturen für alle Nutzfahrzeuge in Europa einzusetzen: entlang der Hauptverkehrsachsen und mindestens entsprechend den Vorgaben der AFIR. Um eine Verknüpfung mit den bereits beschlossenen Mindestvorgaben in der AFIR sicherzustellen, gilt es, einen verbindlichen Indikator für den Aufbau von Lade- und H2-Tankinfrastrukturen zu implementieren. Zudem weist der Vorschlag der EU-Kommission kurzfristig und einseitig den Pfad zum elektrischen Antrieb. Ein technologieoffener Ansatz wird infolge der kurzfristigen und stringenten CO2-Reduktionsziele gefährdet. Mindestens muss die Ausgestaltung der Grenzwerte die Zulassungsfähigkeit der drei wesentlichen Antriebstechnologien für Nullemissionsfahrzeuge sicherstellen, d. h. BEV-, FCEV-, H2-Engine-Lkw. Außerdem ist die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine Angleichung der Ambitionsniveaus von EURO VII und CO2-Flottengrenzwerten einzusetzen.
Beschleunigung Klimaneutralität Pkw
Die im KSP-Entwurf enthaltenen Maßnahmen zum Hochlauf alternativer Antriebe bei Pkw hinsichtlich der Förderung kommunaler und gewerblicher Flotten, des Carsharings sowie des weiteren Aufund Ausbaus erforderlicher Lade- und Tankinfrastruktur im Rahmen MP LIS II begrüßt der BDI. Grundsätzlich braucht es die zügige Umsetzung des Masterplans mit investitionsfreundlichen, stabilen Rahmenbedingungen. Richtig ist, dass insbesondere der Ausbau der Verteilnetze in den Blick genommen wird. Weitere Schwerpunkte bei der Umsetzung des Masterplans sollten sein:
▪ Flächen für Lade- und Tankinfrastruktur zur Verfügung stellen;
▪ Ausbau von Ladeinfrastruktur durch Anpassung der Förderleitlinien unbürokratisch fördern;
▪ H2-Tankinfrastruktur vorauslaufend und bedarfsgerecht für Pkw und Nutzfahrzeuge durch Vorlage eines Gesamtkonzepts und Fortschreibung der Förderprogramme aufbauen;
▪ Fahrplan zur Realisierung der Potenziale der Sektorkopplung durch intelligentes und bidirektionales Laden elektrischer Fahrzeuge entwickeln.
Ein falsches Signal für einen wettbewerblichen Aufbau von Pkw-Schnellladeinfrastruktur bleibt das Festhalten der Bundesregierung an einer Versorgungsauflage für Betreiber von Tankstellen, welche eine Schnellladesäule pro Tankstelle in den nächsten fünf Jahren vorsieht.
Auch bezüglich Pkw und leichten Nutzfahrzeugen treffen die Aussagen zu einer „ambitionierten AFIR“ aufgrund der nahezu abgeschlossenen EU-Gesetzgebung nicht mehr zu (siehe Antriebswechsel Lkw). Die wenig ambitionierten, vereinbarten europäischen Mindestziele gefährden den EU-weiten Hochlauf von alternativen Antrieben bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen. Die Überprüfungsklausel (review clause) lt. CO2-Flottenregulierung Pkw, leichte Nutzfahrzeuge für 2027 sollte die Bundesregierung nutzen, um die Mindestvorgaben der AFIR ambitionierter auszugestalten, v. a. für die festgesetzten Lade- und Tankkapazitäten.
Für einen beschleunigten Antriebswechsel bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen braucht es aus Sicht der Industrie zusätzlich eine Revision der Förderrichtlinie für den Umweltbonus. Insbesondere gilt es, Unternehmen weiterhin einzubeziehen und Kaufprämien für E-Pkw auf angemessenem Niveau bis Ende 2025 zu verlängern.
Die angekündigte Besteuerung von Kraftstoffen nach Klimawirkung begrüßt der BDI. Allerdings greift eine Beschränkung auf den Straßenverkehr zu kurz. Ein Konzept der Bundesregierung sollte auch Anreize für den Einsatz grüner Kraftstoffe, einschließlich des Stroms für den Fahrbetrieb sowie der Elektrifizierung, im Bahn- und Binnenschiffsverkehr umfassen. (Weitere Details siehe Kommentierung bei Verkehrsträgern und sektorübergreifende Maßnahme zu Reform der Abgaben usw. im Energiesystem)
Luft- und Schifffahrt
Die Fortentwicklung des Luftfahrtforschungsprogramms (LuFo) und des Maritimen Forschungsprogramms sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Alternative Antriebe für die Luft- und Schifffahrt sollten weiter anwendungsorientiert erforscht und erprobt werden, im Luftverkehr insbesondere in der Plattform Wasserstoff Luftfahrt. Eine entsprechende Simulationsplattform für die Schifffahrt sieht der Bund mit dem neuen Förderschwerpunkt „Klimaneutrales Schiff – Maritime Reallabore“ bereits richtigerweise vor. Die Internationalität der Luft- und Schifffahrt erfordert zudem ergänzende, europäische Initiativen. Die Bundesregierung sollte daher die Etablierung und Finanzierung eines europäischen Ökosystems zur Erprobung und Demonstration der Potentiale klimaneutralen Fliegens anstreben, etwa im Rahmen einer Ausweitung der Mittel für die Luftfahrt in den europäischen Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation (zurzeit Horizon Europe) mit seinen Instrumenten Clean Aviation, SESAR und Collaborative Research Die ETS-Einnahmen sollten über den InvestEU Fonds gezielt für die Luftfahrt und auch für Demonstrations- und Umsetzungsprojekte eingesetzt werden können. Dabei muss eine Beschleunigung der Markteinführung neuer innovativer Flugzeuge (elektrisch, hybrid-elektrisch, wasserstoffbasiert) ebenso im Fokus stehen, wie der Markthochlauf nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF).
Die angekündigten Bundesfinanzhilfen für die Bereitstellung regenerativer Bodenstromversorgung an Flughäfen sowie den Bau von Landstromanlagen in See- und Binnenhäfen sind zu begrüßen. Gleichzeitig gilt es aber auch, den Hochlauf von Wasserstoffanwendungen in der Luft- und Schifffahrt über den Aufbau leistungsfähiger Tankinfrastrukturen zu ermöglichen.
Im Luft- und Seeverkehr sind CO2-neutrale Kraftstoffe, d. h. strombasierte Kraftstoffe und fortschrittliche Biokraftstoffe, auf lange Sicht die einzig verfügbare Option, um eine weitgehende Defossilisierung dieser Verkehrsträger zu erreichen – auch wenn batterieelektrische oder wasserstoffbetriebene Antriebe verfügbar sind. Wir unterstützen daher, dass die Bundesregierung die Potenziale synthetischer Kraftstoffe stärker nutzen und deren Markthochlauf vorantreiben möchte. Die angekündigte Stärkung der Forschung zur technischen Weiterentwicklung und Massenproduktion von PtL sind wichtige Schritte, ebenso wie die Entwicklung einer Importstrategie und einer länderübergreifenden Infrastruktur für PtL. Die Bedarfe des Luft- und Seeverkehrs werden im Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023 jedoch nur unzureichend abgebildet. Die Bundesregierung sollte diese Verkehrsträger insbesondere vor dem Hintergrund der Quotenverpflichtungen der EU-Verordnungen ReFuelEU Aviation und FuelEU Maritime explizit mitdenken sowie regulatorische Initiativen und Förderprogramme möglichst verkehrsträgerübergreifend ausgestalten. So können Synergiepotentiale in der Herstellung realisiert und positive Effekte für Markthochlauf und Klimaschutz erreicht werden. Der Markthochlauf CO2-neutraler Kraftstoffe in internationalen Verkehren muss darüber hinaus durch Maßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und zur Vermeidung von Carbon Leakage abgesichert werden. Zentrale Hebel für einen wettbewerbsneutralen Markhochlauf klimaneutraler Kraftstoffe sind:
▪ Realisierung von PtX-Doppelauktionen nach dem Vorbild von H2Global in Verbindung mit einem Fördermechanismus;
▪ Einführung eines Book & Claim-Systems im Rahmen des SAF-Flexibilitätsmechanismus unter ReFuelEU Aviation;
▪ Umsetzung der PtL-Roadmap für den Luftverkehr inklusive Einführung eines Carbon LeakageSchutzmechanismus;
▪ Umwandlung nationaler Luftverkehrssteuern in eine europäische Klimaabgabe zur wettbewerbsneutralen Finanzierung des SAF-Hochlaufs
Bis zur Einführung einer europäischen Klimaabgabe müssen die Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer für die Defossilisierung des Luftverkehrs genutzt werden. Darunter fallen die Förderung der Produktion und des Einsatzes von SAF sowie Forschung, Entwicklung und Flottenmodernisierung.
Alle nationalen und internationalen Maßnahmen müssen fortlaufend durch Initiativen zur internationalen Harmonisierung der Klimaschutzambitionen flankiert werden. Auf europäischer Ebene muss sich die Bundesregierung im Rahmen der Überprüfungsklauseln für eine wettbewerbsneutrale CO2Bepreisung einsetzen
Mobilitätsmanagement
Ergänzend zur geplanten Fortsetzung der Förderung von betrieblichem Mobilitätsmanagement (BMM) kann die Bundesregierung mit einer sachgerechten Besteuerung von betrieblichen Mobilitätsbudgets emissionsarme Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fördern und gleichzeitig einen Betrag für mehr Klimaschutz im Verkehr leisten. Mobilitätsbudgets und Firmenwagen schließen sich dabei nicht aus. Sie ergänzen das Portfolio an Zusatzleistungen des Arbeitgebers, die Mitarbeitenden als Motivation und positiver Anreiz dienen können. Die komplizierte lohnsteuerrechtliche Behandlung von Mobilitätsbudgets steht aktuell einer breiten Anwendung im Wege. Arbeitgeber müssen den geldwerten Vorteil eines Mobilitätsbudgets, der aufgrund der privaten Nutzung einschließlich der Nutzung für die Wege zwischen Wohnung und Arbeit entsteht, aufwendig erfassen. Dies macht die Anwendung in der Praxis schwierig und für Arbeitgeber wie Beschäftigte unattraktiv. Ziel muss es daher sein, die lohnsteuerrechtliche Behandlung von Mobilitätsbudgets deutlich zu vereinfachen. Dazu sind eine praxisgerechte Definition und eine digitalisierbare Bewertungsvorschrift zur Ermittlung des geldwerten Vorteils erforderlich. Zudem sollte eine Lohnsteuer-Pauschalierung ermöglicht werden, um eine bürokratiearme Besteuerung des geldwerten Vorteils sicherzustellen.
5. Übergreifende Maßnahmen
Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung
Das Deutschlandtempo, das den Ausbau erneuerbarer Energien pusht, muss auch für Industrieanlagen gelten. Der industrielle Kern unseres Landes muss im Rahmen der anstehenden Transformation umfassende Umbaumaßnahmen vollziehen. Energieintensive Branchen wie Stahl, Chemie, Glas und Zement müssen auf Wasserstoff umstellen und ihre Prozesse elektrifizieren. Der BDI fordert zusätzliche Gesetzesänderungen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen. Im gesamten Industriesektor müssen laut Klimastudie des BDI die CO₂-Emissionen von 2020 bis 2030 von 186 Millionen auf 118 Millionen Tonnen CO₂ sinken, damit die Klimaziele eingehalten werden können. Das bedeutet Einsparung von 68 Millionen Tonnen in zehn Jahren (Investitionen von rund 860 Milliarden Euro allein bis zum Jahr 2030), drei Jahre sind bereits vorbei. In der Industrie muss zur Zielerreichung innerhalb von nur einer Anlagengeneration die Wärmeerzeugung vollständig erneuerbar werden. Aufgrund der nun festgelegten Klimaziele kommen zusätzlich ca. 5.000 Produktionsumstellungen in den nächsten sieben Jahren zusätzlich zu den regulären 1.500 Genehmigungen hinzu (700 pro Jahr). Die Industrielle Wärmeproduktion muss zukünftig in allen Branchen auf Strom, Biomasse und „grüne“ Gase umgestellt werden. Deutschen Planungs- und Genehmigungsverfahren befinden sich in einem erheblichen Zeitverzug. Die Situation hat sich weiter verschlechtert, die Verfahren dauern länger denn je. In den in der derzeitigen BImSchG-Novelle gefundenen Regelungen für
Anlagen der Windenergie und zur Herstellung von grünem Wasserstoff (Elektrolyseure) sehen wir erhebliches Beschleunigungspotenzial für Genehmigungsverfahren. Dazu gehören beispielsweise die Zustimmungsfiktion beteiligter Behörden und die Stichtagsregelung. Allerdings sollten die wesentlichen Beschleunigungselemente des Gesetzes auf alle Genehmigungsverfahren unter dem Immissionsschutzrecht ausgeweitet werden. Eines der größten Beschleunigungspotenziale liegt in der praxistauglichen Ausgestaltung des vorzeitigen Baubeginns. Mit Erleichterungen für den vorzeitigen Baubeginn lassen sich unmittelbar viele Monate des Wartens auf Genehmigungen sparen. Die deutsche Industrie hat hierzu konkrete Gesetzgebungsvorschläge unterbreitet
Das Bekenntnis zur Beschleunigung der Infrastrukturmaßnahmen zum EE-Ausbau, zum Netzausbau sowie zum Ausbau elektrifizierter Bahntrassen ist grundsätzlich positiv zu sehen. Dieser Fokus greift jedoch auch für den Verkehrssektor zu kurz. Das im parlamentarischen Verfahren befindliche Genehmigungsbeschleunigungsgesetz setzt mit der geplanten Festschreibung des überragenden öffentlichen Interesses für Bundesschienenwege, die fest disponiert sind oder für die der Bedarfsplan einen vordringlichen Bedarf feststellt sowie für Engpässe im Bundesfernstraßennetz adressierende Projekte bereits gute Impulse. Die Beschleunigungswirkung beider Regelungen sollte jedoch noch weiter gestärkt werden. Bei den Bundesschienenwegen sollte der Bund gerade im Kontext des Deutschlandtickets deutlich stärker Länder- beziehungsweise Nahverkehrsaspekte hinsichtlich einer Planungsbeschleunigung berücksichtigen, während die Regelung für die Bundesfernstraßen der aktiven Unterstützung der Länder bedarf. Um die Nahverkehrsvorhaben, wie auch die Digitalisierung und Generalsanierung der Schiene zu beschleunigen, sollte das überragende öffentliche Interesse generell für die Bundesschienenwege durch eine entsprechende Ergänzung des Allgemeinen Eisenbahngesetz (§ 1 AEG) geregelt werden. Eine solche das gesamte Baugeschehen umfassende Regelung besteht bereits im Bereich der Erneuerbaren Energien. Um speziell kleine und mittlere Maßnahmen und die Generalsanierungen zu beschleunigen, sollte entsprechend der Stellungnahme des Bundesrats der in § 18 Abs. 1a AEG bestehende Katalog planrechtsfreier Maßnahmen erweitert und dabei auch die Maßnahmenbündelung erleichtert werden.
In diesem Kontext ist des Weiteren stark zu kritisieren, dass eine ähnliche Regelung für die Bundeswasserstraßen über eine Änderung des Bundeswasserstraßenausbaugesetzes (WaStrAbG) aktuell nicht vorgesehen ist. Wichtige, ebenfalls akute Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur beseitigende Projekte wie beispielsweise die Abladeoptimierung der Fahrrinnen am Mittelrhein, die in der Beschleunigungskommission Mittelrhein thematisiert werden, sollten angesichts ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland ebenfalls im überragenden öffentlichen Interesse stehen und von einer entsprechenden Beschleunigung profitieren können. Die erneut fehlende Berücksichtigung der Wasserstraßen ist in diesem Kontext äußerst unverständlich, zumal der sehr schlechte Zustand neuralgischer Punkte auf den Binnen- und Küstenwasserstraßen (z. B. Schleusen und Wehre) den vielerorts maroden Straßenbrücken in nichts nachsteht.
Da sich Projekte aller Verkehrsträger in vielen Fällen aufgrund von Gesetzesänderungen verzögern, sollte außerdem das Verwaltungsverfahrensgesetz in Teil 5 Abschnitt 3 um eine umfassende Stichtagsregelung ergänzt werden, sodass zeitintensive Umplanungen vermieden werden. Weiteren konkreten Handlungsbedarf gibt es auch mit Blick auf die Elektromobilität: So macht der flächendeckende Ausbau der Ladeinfrastruktur einen beschleunigten Netzausbau erforderlich, der die Bedarfe aller Fahrzeugsegmente einschließlich elektrifizierter Lkw-Flotten berücksichtigt. Für die Bereitstellung von Netzanschlüssen sind hierbei verbindliche Fristen vorzusehen, da die Genehmigungsprozesse für Netzanschlüsse den aktuell größten Hemmschuh für den Aufbau von Ladeinfrastruktur darstellen. Neben der allgemeinen Beschleunigung muss dabei ebenso die möglichst bundesweite Vereinheitlichung von Planungs- und Genehmigungsprozessen im Fokus stehen.
Abbau klimaschädlicher Subventionen
Den im KSP-Entwurf angekündigten einheitlichen Definitionsrahmen für klimaschädliche Subventionen sollte die Bundesregierung nutzen, um die andauernde öffentliche Diskussion über vermeintliche klimaschädliche Subventionen auf eine solide Faktenbasis zu stellen. Es ist daher zu begrüßen, dass die Bundesregierung selbst einen einheitlichen Definitionsrahmen für klimaschädliche Subventionen definieren wird und hier ein politischer Abwägungsprozess stattfindet. Im Verkehr fokussiert sich diese Diskussion v. a. auf die unterschiedliche Besteuerung von Diesel und Benzin, die pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen, die Entfernungspauschale für Pendler, eine fehlende Besteuerung von Kerosin und das Nichterheben einer Mehrwertsteuer auf internationalen Luftverkehr. Die Diskussion über das sogenannte Dieselprivileg wird sich mit der ebenfalls angekündigten Reform der Energiebesteuerung von Kraftstoffen nach Umwelt- und Klimawirkung auflösen. Die Entfernungspauschale für Pendlerinnen und Pendler gilt gleichermaßen für alle Verkehrsträger, z. B. Fahrrad, ÖPNV oder Pkw in gleicher Höhe und kompensiert daher nicht die Aufwendungen für einen Pkw oder schafft gar zusätzliche Anreize zu dessen Nutzung. Zudem zählt die Entfernungspauschale zu den Werbungskosten und ist damit per Definition weder eine Finanzhilfe noch eine Steuervergünstigung. Bei der Dienstwagenbesteuerung steht die Versteuerung des geldwerten Vorteils des privaten Nutzungsanteils eines hauptsächlich zu beruflichen Zwecken übertragenen Firmenwagens im Vordergrund. Sie ist im Sinne von §12 StabG keine Subvention. Eine begrüßenswerte Ergänzung der bisherigen Anreize für eine klimaschonende betriebliche Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann die Bundesregierung durch den Abbau steuerlicher Hürden für Mobilitätsbudgets als freiwilliges Angebot der Arbeitgeber erreichen.
Der Vorwurf klimaschädlicher Subventionen greift auch im Hinblick auf den Luftverkehr nicht. Die im Rahmen bilateraler Luftverkehrsabkommen vereinbarte Steuerbefreiung für die gewerbliche Luft- und Schifffahrt garantiert einen fairen internationalen Wettbewerb. Einseitige regulatorische Eingriffe wie eine unilaterale Kerosin- und Mehrwertsteuer würden nicht allein deutsche Verkehrsdienstleister benachteiligen und die Konnektivität des Standorts schwächen, sondern ebenso zu einer Verlagerung von Flugverkehren außerhalb Deutschlands und damit zu Carbon Leakage führen. Der Luftverkehr leistet zudem bereits Gebührenentgelte für die Infrastrukturnutzung am Boden und in der Luft. Mit der nationalen Luftverkehrsteuer hat Deutschland außerdem bereits ein Instrument eingeführt, das alle Flüge aus Deutschland erfasst. Um den Klimaschutz im Luftverkehr voranzubringen, sollte die Bundesregierung notwendige Investitionen in effizientere Flugzeuge nicht durch weitere finanzielle Belastungen verschleppen, sondern sich für die Umwandlung der bereits in einigen EU-Staaten bestehenden, nationalen Luftverkehrssteuern in eine europäische, endzielbezogene und zweckgebundene Klimaabgabe für Hochlauf von Klimaschutztechnologien im Luftverkehr einsetzen.
Reform der Abgaben, Umlagen, Steuern und Entgelte im Energiesystem
Der BDI befürwortet die im Klimaschutzprogramm angekündigte Reform der Abgaben, Umlagen, Steuern und Entgelte im Energiesystem. Alle Klimaneutralitätsstudien kommen übergreifend zu dem Ergebnis, dass eine weitgehende Elektrifizierung zentral zur Erreichung der Klimaschutzziele und der Klimaneutralität ist. Zusätzlich zeigt sich, dass Wasserstoff und strombasierte Kraftstoffe unabdingbar sind, u. a. für die Defossilisierung des Mobilitäts- und Industriesektors. Um den Wechsel zu Strom anzureizen, muss Strom in der Anwendung für alle Verbraucherinnen und Verbrauchern günstiger werden. Aus Sicht des BDI sollte die – auch nach der Abschaffung der EEG-Umlage – weiterhin hohe Abgabenlast auf Strom dabei deutlich reduziert werden und Ziel der angekündigten Reform sein.
Konkret schlägt der BDI die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum, eine Ausweitung der bereits gesetzlich verankerten staatlichen Kofinanzierung der Netzentgelte und eine Abschaffung weiterer Abgaben und Umlagen wie der Offshore Netzumlage, der Konzessionsabgabe und der KWKG-Umlage vor. Insbesondere nach dem angedachten Auslaufen des Spitzenausgleich nach §10 Stromsteuergesetz werden knapp 9.000 Unternehmen in Deutschland zusätzlich erheblich belastet. Dies läuft den Transformationsbemühungen vieler Unternehmen zuwider. Grundsätzlich muss im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung auch dargestellt werden, wie die Energieversorgung der im globalen Wettbewerb befindlichen Industrie zu international wettbewerbsfähigen Kosten sichergestellt werden kann. Dazu gehören nach Ansicht des BDI auch kurzfristige, zeitlich befristete direkte staatliche Unterstützungsleistungen an besonders betroffene Unternehmen.
Eine Reform der EU-Energiesteuer-Richtlinie muss im Hinblick auf den Verkehrssektor sicherstellen, dass Anreize für den Einsatz grüner Kraftstoffe im Straßen-, Bahn- und Binnenschiffsverkehr, z. B. mit einer Komponentenbesteuerung gesetzt werden. Bis zur Revision der EU-EnergiesteuerRichtlinie braucht es auf nationaler Ebene Mindeststeuersätze für grüne Kraftstoffe im Straßen-, Bahnund Binnenschiffsverkehr. Zusätzlich gilt es, CO2-neutrale Kraftstoffe in der Lkw-Maut zu berücksichtigen. Auch die EU-Kommission hat hinsichtlich der Bedeutung fortschrittlicher Biokraftstoffe im Verkehr eine kurzfristige Regelungslücke erkannt. So hat sie die Reduktion von Energiesteuern auf fortschrittliche Biokraftstoffe durch eine Anpassung des Art. 44 Nr. 5 in der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung im März dieses Jahres geregelt, von der Deutschland bis zu einer Reform der Energiesteuerlinie Gebrauch machen kann. Eine analoge Regelung für strombasierte Kraftstoffe ließe sich im Rahmen eines Beihilfeverfahrens einführen. Zudem sollten Elektrofahrzeuge und Fahrzeuge, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, bei der Kfz-Steuer und Dienstwagenbesteuerung gleichgestellt werden. Die Einführung einer innereuropäischen Kerosinsteuer lehnen wir ab, da diese in Wettbewerbsnachteilen für europäische Unternehmen und in Mehrfachbesteuerungen resultieren würde. Stattdessen schlagen wir die Umwandlung der bereits in einigen EU-Staaten bestehenden nationalen Luftverkehrssteuern beziehungsweise Ticketsteuern in eine europäische, endzielbezogene und zweckgebundene Klimaabgabe für den Luftverkehr vor.