Das Apfelbuch Berlin-Brandenburg (Leseprobe)

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Caty Schernus

Apfelbuch

Das

Berlin-Brandenburg

Alte Sorten wiederentdeckt – mit Rezepten und Geschichten

Unter Mitarbeit von Alexander Fromm Mit Zeichnungen von Walter Karberg, Fotografien von Steffi Brügge und Rezepten von Hendrik Madeja

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Mehr Informationen im Internet.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung auf DVDs, CD-ROMs, CDs, Videos, in weiteren elektronischen Systemen sowie für Internet-Plattformen. © edition q im be.bra verlag GmbH Berlin-Brandenburg, 2013 KulturBrauerei Haus 2 Schönhauser Allee 37, 10435 Berlin post@bebraverlag.de Lektorat: Marijke Topp, Berlin Gesamtgestaltung: typegerecht, Berlin Schrift: Stempel Garamond 9,5/13 pt Druck und Bindung: FINIDR, Český Těšín ISBN 978 -3 -86124 -676 -3 www.bebraverlag.de

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Inhalt

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Vorwort

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Johannes Böttner – ein Apfel für den Meister-Gärtner

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Die »UFOs« der Pomologen

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Echte und falsche Preußen

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Der Gubener Warraschke

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Wer zu Späth kommt …

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Kleine Apfel-Kulturgeschichte

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Hasenkopf, Berliner, Klapperapfel

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Äpfel mit vielen Namen

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Königlicher Kurzstiel = Pomme de Berlin

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Der Elstar des Mittelalters: der Borsdorfer

37

Bären-Auslese: die Abstammung des Apfels

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Äpfel mit Herkunft

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Der Herzvater: ein Apfel der Prignitz

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Der wiedergefundene Schatz aus Werder

47

Neuzeller Klosteräpfel

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Matthias Steier und die Dingmagie des Apfels

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Die Müncheberger Äpfel

55

»Erwin Baur ist uns zu sauer!«

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Ausgestorbene und verschwundene Apfelsorten

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Die Lugauer Allee

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Typische Gartenäpfel in Brandenburg

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Der Apfelmann aus Zehdenick

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Engagement f체r alte Sorten

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Vom Gravensteiner Heinz Griesbach

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Die Apfelgr채fin aus der Uckermark

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Apfel-Rezepte

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Apfel-Glossar

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Literatur- und Quellenverzeichnis

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Abbildungsnachweis

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Danksagung

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Die Beteiligten

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Vorwort

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ls Inhaberin der Apfelgalerie kenne ich mich mit Äpfeln mittlerweile ganz gut aus. Eine Pomologin bin ich deshalb noch lange nicht. Die Wortschöpfung »Obst-Kuratorin« trifft es schon eher. So wurde ich einmal in einer Zeitung betitelt. In meinem Geschäft in Berlin-Schöneberg sind im Herbst bis zu 30 Apfelsorten gleichzeitig im Angebot, übers Jahr verteilt sind es 200. Die Kunden der Apfelgalerie wollen oft Genaueres über die Herkunft der Namen, die Reifezeiten und natürlich den Geschmack bestimmter Sorten wissen. Ich freue mich, wenn meine Kundschaft die Sortenvielfalt bestaunt und über lustige Apfelnamen lacht. Rotgestreifte Schafsnasen, Horneburger Pfannkuchenäpfel oder Champagnerrenetten hat manch einer noch nie gesehen oder gekostet. Die Äpfel der Apfelgalerie kommen vom elterlichen Obsthof in Frankfurt (Oder), die Apfelbilder an den Wänden des Ladens von Künstlern aus Berlin und Brandenburg. Einer dieser Künstler ist der Maler und Illustrator Walter Karberg. Gemeinsam entwickelten wir die Idee, ein Apfelbuch zu gestalten, in dem die alten Sorten der Region Berlin-Brandenburg vorgestellt werden. Jeder Landstrich in Deutschland kann mit regionaltypischen Apfelsorten aufwarten. Im Süden sind Berlepsch und Brettacher verbreitet, im Norden Holsteiner Cox und Finkenwerder Herbstprinz. Aus Mitteldeutschland kommt die älteste Apfelsorte Deutschlands – der Borsdorfer. Und aus der Region Berlin-Brandenburg? Dieser Frage sind wir nachgegangen. Zur redaktionellen Verstärkung holte ich meinen alten Studienkumpel Alexander Fromm mit ins Boot. In Ko-Produktion recherchierten und verfassten wir die Texte im vorliegenden Buch. Im »Apfelbuch Berlin-Brandenburg« werden Apfelsorten vorgestellt, die ursprünglich in der Region entstanden sind, wie etwa der Apfel aus Lunow oder der Gubener Warraschke. Andere Sorten haben einen Bezug zur Region, weil sie preußische Prinzen und Könige im Namen führen wie Kaiser Wilhelm oder Prinz Albrecht von Preußen. Manche wurden auch nach bedeutenden brandenburgischen Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Forschung benannt, zum Beispiel Erwin Baur. 7

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Caty Schernus in ihrer Apfelgalerie

Trotz eines holprigen Starts im 17. Jahrhundert verfügt die Region Berlin-Brandenburg über eine reiche Apfel-Kultur. Die märkischen Bauern hatten ihren eigenen Kopf und folgten nur unwillig den Anordnungen der Preußenkönige, die ihnen befahlen, Apfelbäume anzupflanzen. Seither hat die Apfel-Geschichte in der Mark Brandenburg wechselhafte Zeiten erlebt. Gab es im 19. Jahrhundert eine unüberschaubare Vielfalt an Apfelsorten, so kam es rund 50 Jahre später zur radikalen Reduzierung auf wenige ertragreiche Sorten. Mittlerweile besinnen sich Kleingärtner, Verbraucher und Obstbauern wieder auf die Vorzüge von Hasenkopf, Landsberger Renette und Co. So mancher Obstliebhaber sehnt sich nach dem Apfelgeschmack seiner Kindheit. Viele Allergiker greifen auf alte Apfelsorten zurück, weil sie diese besser vertragen. Oft sind die alten Sorten auch besonders gut an die lokalen Standortbedingungen angepasst. So haben viele der Sorten, die wir im »Apfelbuch BerlinBrandenburg« beschreiben, frostharte Blüten und eine robuste Konstitution. Das »Apfelbuch Berlin-Brandenburg« erzählt Geschichten, die sich um die heimischen Apfelsorten ranken. Woher kamen sie? Wer gab ihnen ihre Namen? Was ist das Besondere an ihnen? Das Buch enthält außerdem einen inspirierenden Rezeptteil mit Variationen klassischer Apfelrezepte. Die von dem Koch Hen­drik Madeja kreierten Gerichte und Snacks spiegeln sowohl die ländliche Küche Brandenburgs als auch das multikulturelle Flair Berlins wider. Ob Apfel-Falafel, Leberterrine mit Apfel oder Apfel-Sushi – es gibt Köstliches zu entdecken. Caty Schernus

Berlin, im Juni 2013

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Johannes Böttner – ein Apfel für den Meister-Gärtner

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ohannes Böttner ist mittelgroß, rundlich und rot gestreift. In brandenburgischen Gärten und Alleen trifft man ihn häufiger an. Mit seinem weinsäuerlichen Geschmack erfreut er all jene Gaumen, die einen würzigen Apfel schätzen. Die Apfelsorte Johannes Böttner wurde im Jahr 1910 von Franz Josef Krings gezüchtet. Krings betrieb eine Baumschule in Millich bei Aachen und kreuzte den nordamerikanischen Ontario mit dem südrussischen Charlamowski. Heraus kam ein sehr saftiger Tafelapfel für Liebhaber. Doch wer war eigentlich dieser Böttner, nach dem Krings seine Züchtung benannte? Johannes Böttner (1861–1919) war Publizist, Gartenbauunternehmer und Ökonomierat. Den Beruf des Gärtners hatte er unter anderem bei dem bekannten Pomologen und Gärtner Nicolas Gaucher gelernt. Im Jahr 1885 rief ihn die Königliche Hofbuchdruckerei Trowitzsch & Sohn nach Frankfurt (Oder). Er sollte dort als verantwortlicher Redakteur die wöchentlich erscheinende Zeitschrift »Praktischer Ratgeber im Obst- und Gartenbau« betreuen. Dies tat er viele Jahre lang mit großem Erfolg. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schrieb Johannes Böttner ein Buch, das ihn berühmt machte: das »Gartenbuch für Anfänger«. Es bot Kleingärtnern Anleitung und Rat in allen Belangen des Obst- und Gemüseanbaus – von der Auswahl der Pflanzen bis hin zur fachgerechten Ernte und Lagerung der Erträge. Als 1911 die neunte Auflage dieser reich illustrierten »Garten-Bibel« erschien, war man bereits bei einer Gesamtauflage von 50.000 Exemplaren angelangt. Im Jahr 1967 erschien mit der 32. die bisher letzte Auflage. Daneben verfasste Böttner weitere Bücher, wie zum Beispiel »Gemüsebau in Kriegszeiten« oder »Gartenkulturen, die Geld einbringen«. Die schreibende Tätigkeit allein stellte Johannes Böttner jedoch nicht zufrieden. Darum gründete er auf dem Hedwigsberg in Frankfurt (Oder) eine eigene Gärtnerei. Als passionierter Gärtner forschte und züchtete er unermüdlich. Böttner stand Neuerungen sehr aufgeschlossen gegenüber und machte die skeptischen Brandenburger durch seine praktische und publizistische Arbeit mit allerlei seltsamem Gemüse bekannt, zum Beispiel mit Tomaten, Spargel und Rhabarber. 9

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Johannes Böttner beim Bestäuben einer Rose

Zum Thema Äpfel hatte Johannes Böttner fortschrittliche, zukunftsweisende Ansichten. Er gilt als einer der ersten Fürsprecher des »Buschobstbaus«. Bei dieser Anbaumethode dürfen die Bäume etwas natürlicher wachsen und werden nicht so radikal beschnitten wie bei der Formobst-Methode. In der Ära des strengen Fruchtholzschnittes hatte man Obstbäume in pyramidale und andere unnatürliche Formen gezwängt. Dies erwies sich jedoch als zu arbeitsintensiv und unwirtschaftlich. Ebenso unbequem zu handhaben waren die um 1900 im landwirtschaftlichen Obstbau noch vorherrschenden Hochstämme. Johannes Böttner orientierte sich zu seiner Zeit bereits am amerikanischen Vorbild und legte auf seinen Plantagen eine Buschobstanlage mit den Apfelsorten Wintergoldparmäne und Weißer Winterkalvill an. Heutzutage gibt es im Erwerbsanbau nur noch Buschobstanlagen. Böttner gilt als Pionier dieser effizienten Anbaumethode, die darauf zielte, die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. In seinen Schriften zum Obstbau hatte der Ökonomierat stets die Wirtschaftlichkeit und somit auch die Vermarktbarkeit der Früchte im Visier. Seine Lehrbücher im Bereich Obstbau gehörten schon bald zu den Standardwerken. Es finden sich darin auch Tipps zum richtigen Verpacken der Ware, beispielsweise im »Praktischen Lehrbuch des Obstbaues« von 1898. Die wichtigste Verpackungsregel nach Böttner lautet: »Obst muß fest liegen!« Weiter heißt es: »Wenn Jemand z. B. ein 10

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Gefäß nur zu ¾ füllt, so liegen die Früchte nicht fest, denn der lose Füllstoff giebt nach und beim Versenden auf der Bahn hüpfen die armen Äpfel und Birnen in der Kiste herum, jeden Stoß fühlen sie und bei der Ankunft am Bestimmungsorte ist ihr Zustand ein trostloser.« Johannes Böttner hat in der Gartenlandschaft viele Spuren hinterlassen: Neben seinen zahlreichen Eigenzüchtungen, zu denen beispielsweise die Spargelsorte Böttners Riesen, die Edelrose Frankfurt oder die Erdbeersorte Sieger zählen, wurden ein Apfel und eine Rose nach ihm benannt. Der Rosenzüchter Wilhelm Kordes II. widmete dem Garten-Guru im Jahr 1943 eine karminrote großblumige Beetrose. Eine Edeldestillerie auf Rügen stellt heute einen sortenreinen Brand aus Johannes-Böttner-Äpfeln her und rühmt dessen wunderschönen Ton von frischem Apfelmus sowie den lang anhaltenden Geschmack. Allerdings kann diese Spezialität nur alle zwei Jahre gebrannt werden, da die Sorte alterniert. Dies bedeutet, dass die Bäume nur in jedem zweiten Jahr Früchte tragen, dann allerdings reichlich. Durch die frostharte Blüte und ihre allgemeine Widerstandsfähigkeit eignet sich die Sorte Johannes Böttner auch gut für rauere Lagen. Die Bäume benötigen aber einen nährstoffreichen Boden. Pflückreif sind die Äpfel im Oktober, genussreif von Oktober bis März.

Johannes Böttner

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Apfel vom ­Hedwigsberg

Ab 1924 verbreitete sich die Sorte Johannes Böttner in ganz Deutschland. Auf dem Hedwigsberg, dem ehemaligen Gartengelände Böttners, hat sich möglicherweise eine Apfelsorte seiner Versuchsplantagen erhalten. Sie wurde von Apfel­ experten sichergestellt und im Sortengarten von Thomas Bröcker und Claudia Schernus in Frankfurt (Oder) veredelt. Die Äpfel haben eine dunkle Pink-Färbung und schmecken frisch-säuerlich, ähnlich wie Braeburn. Zur Reifezeit Anfang Oktober sind sie sehr knackig. Diese Festigkeit verliert sich jedoch schnell. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Abkömmling einer amerikanischen Sorte. Benannt wurde er nach seinem Fundort: Apfel vom Hedwigsberg.

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Die »UFOs« der Pomologen

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er hat etwas Renettiges«, meint Ingeburg Grittner, als sie den unbekannten Apfel aufschneidet. Die pensionierte Diplomgärtnerin, die im Fach Obstwissenschaft promovierte, sitzt zusammen mit ihrer früheren Kollegin Regina Schmidt an einem kleinen Tisch mitten im Gewusel beim Traditionsfest der Späthschen Baumschulen Berlin. Die beiden Frauen bestimmen Äpfel, die ihnen Besucher aus ihren Gärten mitbringen. Dabei entwickeln sich häufig Gespräche über Standorte, darüber, wer die Bäume gepflanzt habe, wann die Äpfel reif und wie lange sie haltbar seien. Oft geraten die Besucher ins Schwärmen, wie gut doch der Apfel schmecke und dass der Geschmack sie an ihre Kindheit erinnere. Ingeburg Grittner schaut sich die runde Frucht genau an. Sie achtet auf sortentypische Merkmale wie Form und Färbung, Streifen und Flecken auf der Schale, Kelch- und Stielgrube. Doch auf das Äußere allein kann sie sich nicht verlassen. Wie beim Menschen zählen vor allem die inneren Werte und beim Apfel ist das der Geschmack. Außerdem interessiert die Beschaffenheit des Fruchtfleischs, der Kerne und des Gehäuses. Dazu wird der Apfel halbiert. Ingeburg Grittner schneidet ein Stück ab und probiert. Auch ihrer Kollegin und den umstehenden Leuten bietet sie ein Stück an. Die Köpfe nicken; der Apfel schmeckt. Rund 2.000 Apfelsorten gibt es offiziell in Deutschland. Allerdings ist unklar, wie viele davon noch existieren. Viele alte Sorten sind vom Aussterben bedroht, weil sie nicht mehr professionell angebaut werden. Die Marktwirtschaft hat sich auf sechs oder sieben Kultursorten eingestellt, für die anderen ist kein Platz. Manche der alten Apfelsorten sind in Bestimmungsbüchern beschrieben, zumeist vergilbte Ausgaben aus der Zeit der Jahrhundertwende. Die Verbindung zwischen dem Apfel am Baum und dem Apfel auf dem Papier stellen die Pomologen her, die Obstbaukundler. Benannt haben sie sich nach Pomona, der römischen Göttin des Obstanbaus. Pomologen können sich nur zum Teil auf ihr angelesenes Wissen verlassen. Ebenso wichtig für die Bestimmung sind ihre Sinne, besonders der Geruchs- und der Geschmackssinn. Schmeckt der Apfel süß oder sauer, saftig oder mehlig, stark oder schwach aromatisch? Hin und wieder kommt es vor, dass der zu bestimmende Apfel dem Pomologen gänzlich 13

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unbekannt ist und bei 20.000 Sorten weltweit verwundert das kaum. Dann hat er etwas vor sich, das scherzhaft als »UFO« bezeichnet wird: ein Unbestimmbares Frucht-Objekt oder ein Unbekanntes Fund-Obst. Das kann bedeuten, dass es sich a) um eine Sorte handelt, die der betreffende Pomologe nicht kennt, b) um eine unbekannte, vielleicht importierte Sorte oder c) um einen Zufallssämling, also eine gänzlich neue Sorte, die noch nirgendwo beschrieben wurde. Doch in unserem Fall hat sich die anfängliche Vermutung bestätigt. Es handelt sich um eine Landsberger Renette.

Landsberger Renette

Landsberger Renette

Die Landsberger Renette wurde 1840 von Justizrat Burchardt in Landsberg an der Warthe aus einem Samen herangezogen. Wahrscheinlich entstand die Sorte aus einem Kern der Sorten Hammerstein oder Harberts Renette. Ein Dutzend Jahre später, 1852 , trug der Baum erste Früchte. Die Äpfel reifen spät und werden am besten erst im Oktober geerntet, weil sie dann besonders groß und zuckerhaltig sind. Als Wintersorte hält sich die Landsberger Renette bis in den Februar, allerdings wird ihre Schale dann etwas klebrig. Die Äpfel mögen es nicht, wenn man sie zu hart anfasst. Sie neigen sehr zu Druckstellen und werden beim Transport am liebsten in Holzwolle gepackt. Die Schale der Landsberger Renette ist sehr fein, glatt und gelb gefärbt. Sonnenseits zeigen die Äpfel zuweilen einen Hauch von Rot. Das Fleisch ist locker, fast schaumig, und saftig. Ausgereifte Früchte schmecken säuerlich-süß und haben ein feines, zartes Aroma. Früher war die Landsberger Renette eine der am meisten verbreiteten Sorten. Heute wird sie nicht mehr für den Markt angebaut und ist in Gärten zu finden, wo sie lieber frei als geschützt steht. Es darf ruhig etwas windig sein, das stört sie nicht, sondern vertreibt sogar den Apfelschorf, eine Pilzkrankheit, die besonders bei hoher Feuchtigkeit auftritt. Wenn der Boden weder zu trocken noch zu nass, nährstoffreich und durchlässig ist, trägt sie jedes Jahr viele Früchte.

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Echte und falsche Preußen

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aiser Wilhelm, Prinz Albrecht von Preußen und Bismarck sind bekannte alte Apfelsorten. Doch was haben diese Sorten mit den preußischen Persönlichkeiten zu tun? Nachforschungen ergaben Erstaunliches: Bismarck ist eigentlich ein Australier und hinter Kaiser Wilhelm verbirgt sich eine interessante Verwechslungsgeschichte. Friedrich der Große gilt heute als verschollen. Als König hatte er übrigens seine liebe Not mit der mangelnden Apfel-Begeisterung seiner märkischen Untertanen. Zu den altehrwürdigen Herren gesellt sich schließlich noch eine feine Dame: Prinzessin Luise, die in Brandenburg als Geheimtipp gilt.

Friedrich der Große Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts versuchten die preußischen Regenten, den Obstanbau in Brandenburg, der damaligen Kurmark, voranzutreiben. Die märkischen Bauern standen dem Anbau von Äpfeln und Birnen aber alles andere als aufgeschlossen gegenüber. Sie betrieben Ackerbau und Viehzucht, Obst sahen sie als verzichtbare Leckerei an. Schon Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, wollte den Obstbau beleben und hatte 1685 verfügt, dass jeder Bauer jährlich vier Obstbäume zu pflanzen habe. Außerdem musste ein Bräutigam vor der Eheschließung sechs Eichen und sechs Obstbäume anpflanzen. Wurde das Gebot nicht befolgt, war eine Geldstrafe fällig. Doch die Bevölkerung ignorierte diese Anordnungen weitestgehend und von den Bäumen, die gepflanzt wurden, gingen viele mangels richtiger Pflege ein. Baumfrevel durch Hirtenjungen und Soldaten war ein ernstes Problem. So ergingen immer neue Edikte an die Bauern. Unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. waren es schon 50 Apfel- und Pflaumenbäume, die jeder Bauer jährlich pflanzen sollte. Das war den Untertanen schlichtweg nicht möglich. Friedrich der Große mäßigte die Anordnungen seines Vaters und suchte nach praktikablen Lösungen. Im Mai 1752 hatte er die Idee, unter der Leitung kundiger Männer in den Dörfern Baumschulen anlegen zu lassen. Außerdem sollten die Dorfstraßen und öffentlichen Wege nicht nur mit Linden und Maulbeerbäumen, 15

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sondern auch mit Obstbäumen bepflanzt werden. Nach Ende des Siebenjährigen Krieges erließ Friedrich der Große ein umfangreiches Pflanzedikt, das für das gesamte Königreich galt und unter anderem die Adligen dazu anhielt, auf ihren Gütern Obstgärten anzulegen und Gärtner anzustellen, die ihnen bei den Veredelungen helfen sollten. Um das Sortiment kümmerte sich der König allerdings kaum. Doch alle Anordnungen fruchteten wenig. Am Ende bezahlte Friedrich der Große 40 Kreisgärtner, die in den Gemeinden die Pflanzungen überwachen sollten, aus der Staatskasse. So wurden über die Jahrzehnte hinweg in der Kurmark viele tausend Bäume gepflanzt, von denen jedoch ein Großteil wieder einging. Nichtsdestotrotz ehrte ein unbekannter Apfelzüchter Friedrich den Großen mit einer eigenen Apfelsorte. Ein Hinweis und eine Beschreibung dieser verschollenen Sorte findet sich in »Hampels Gartenbuch für Gärtner und Gartenliebhaber« von 1929: »Renette Friedrich der Große: Diese wertvolle Sorte stammt aus dem historisch bekannten Park zu Rheinsberg, dem Jugendaufenthaltsort Friedrich des Großen. Dort inmitten uralter Eichen und Buchen steht der Stammbaum dieser edlen Goldrenette. Die Frucht ist mittelgroß, glatt, hochgoldgelb, auf der Sonnenseite dunkelkarmesinrot, Fleisch gelblich, feinmarkig, saftreich, von köstlich gewürztem Geschmack. Hält sich bis März und April. Der Baum ist sehr fruchtbar.«

Bismarck Wer hätte gedacht, dass der Bismarckapfel aus Tasmanien kommt? Tatsächlich gelangte diese Zufallssorte um 1870 aus einer tasmanischen Stadt namens Bismarck über Neuseeland und England nach Europa. Deutsche Auswanderer hatten ihre Siedlung nach dem Reichskanzler Otto von Bismarck benannt. Das Land war dort günstig und klares Wasser sprudelte im Überfluss. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges verlor die Stadt ihren preußischen Namen und wurde in Collinsvale umgetauft. Geblieben ist nur der nach seiner Herkunft benannte Apfel. Als gute Gartenobstsorte ist der Bismarck oder Bismarckapfel auch in brandenburgischen Gärten zu finden. Er wächst dort am besten in Buschform und braucht regelmäßig kräftige Verjüngungsschnitte. Die Äpfel können sehr groß werden. Als hervorragende Wirtschaftsfrüchte mit säuerlichem Geschmack eignen sie sich zum Kochen, Braten und Backen. Der Bismarckapfel ist ein lagerfähiger Winterapfel und auch unter dem Namen Prince Bismarck zu finden. Allerdings gibt es eine weitere Apfelsorte, die Fürst Bismarck heißt, deren Äpfel kleiner ausfallen und die eher eiförmig statt plattrund sind. 16

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Kaiser Wilhelm Die Apfelsorte Kaiser Wilhelm ist in Brandenburg weit verbreitet. Das verwundert nicht weiter, denn schließlich war hier einst das Zentrum der preußischen Macht, mit Berlin und Potsdam als wichtigen Regierungsstädten. Erst im hohen Alter und nach seinem Tod 1888 wurde Kaiser Wilhelm bei seinem Volk so richtig populär. Für viele Menschen verkörperte er das »alte Preußen«, nach dem sie sich zurücksehnten. Bisher erzählte man die Entstehungsgeschichte der Apfelsorte Kaiser Wilhelm folgendermaßen: Im Jahr 1864 entdeckte der Witzheldener Volksschullehrer und Pomologe Carl Hesselmann an einem Baum im Gutsgarten von Haus Bürgel (bei Monheim am Rhein) eine Sorte, die er nicht kannte. Er glaubte, eine hervorragende neue Apfelsorte gefunden zu haben und wollte ihr einen wahrhaft majestätischen Namen geben. Also schickte Hesselmann 1875 dem Kaiser eine Geschmacksprobe, mit der Bitte, diesen Apfel »Kaiser Wilhelm« nennen zu dürfen. Der Kaiser war erfreut, gab seine Zustimmung und bedankte sich sogar mit einer gerahmten Fotografie samt eigenhändiger Unterschrift. Unter dem Namen Kaiser Wilhelm verkaufte sich die Sorte ausgezeichnet, nicht nur deutschlandweit, sondern auch international. Doch eigentlich – und dies stellte sich erst unlängst heraus – war der Kaiser-Wilhelm-Apfel gar keine Neuheit. Als Hesselmann sie auf einem erwachsenen Baum »entdeckte«, hieß die Sorte bereits Peter Broich. Ihr Züchter war der Vikar Johann Wilhelm Schumacher. Jener Schumacher hatte 1830 in Ramrath eine eigene Obstbaumschule gegründet und dort bis zu seinem Tod 1864 zahlreiche rheinländische Sorten vermehrt sowie zwölf neue Sorten gezüchtet. Zwischen der Wirkungsstätte von Vikar Schumacher und Haus Bürgel lagen nur 15 Kilometer. Den Apfelexperten war bereits früher aufgefallen, dass sich die Sorten Peter Broich und Kaiser Wilhelm zum Verwechseln ähnlich waren. Bei einer pomologischen Überprüfung kam schließlich ans Tageslicht, dass es sich um genetisch identische Sorten handelt. Somit gilt es als sehr wahrscheinlich, dass es eine rheinische Lokalsorte war, die unter ihrem preußischen Namen Furore machte. Kaiser Wilhelm alias Peter Broich ist heute an fast jeder brandenburgischen Apfelallee zu finden, aber auch

Kaiser Wilhelm alias Peter Broich

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auf den Streuobstwiesen. Die Bäume der Sorte Kaiser Wilhelm wachsen sehr hoch und sind oft die größten im Garten. Die Äpfel schmecken schwach aromatisch. Kurz nach der Ernte Ende September ist das Fruchtfleisch noch fest, allerdings wird es während der Lagerung schnell mürbe und saftlos. Frisch wird er als Tafel­apfel verwendet. Als Wirtschaftsfrucht eignet er sich für alle häuslichen Verarbeitungsarten.

Prinz Albrecht von Preußen

Prinz Albrecht von Preußen

Auch dem kleinen Bruder von Kaiser Wilhelm I. wurde eine eigene Apfelsorte gewidmet. Als Besitzer des Schlosses Kamenz in Niederschlesien beschäftigte Prinz Albrecht von Preußen natürlich einen Hofgärtner: C. Braun. Dieser betätigte sich in der Apfelzucht und zog 1865 aus einem Samen der Sorte Kaiser Alexander eine neue Sorte heran. Er benannte sie nach seinem Herrn Prinz Albrecht von Preußen. Mit der Zeit haben sich einige kürzere Varianten dieses doch etwas langen adligen Namens durchgesetzt. So wird die Sorte oft einfach nur Albrechtsapfel oder Prinz Albrecht genannt. Apfel und Baum machen ihrem Namensgeber noch immer alle Ehre. Der Ertrag dieser Sorte setzt früh ein, ist hoch und regelmäßig. Der Baum wird nicht allzu groß, ist sehr frosthart und widerstandsfähig gegen Krankheiten und Schädlinge. Solch ein pflegeleichter, robuster Baum empfiehlt sich für den Gartenobstbau. Die mittelgroßen, breitkugeligen Früchte des Prinz Albrecht von Preußen haben eine weißlichgelbe, glatte und ledrige Schale, die sich im Herbst rot färbt. Pflückreif sind die Äpfel im September, genussreif von November bis Januar. Das saftige Fruchtfleisch schmeckt süßsäuerlich und aromatisch. In Brandenburg ist die Sorte Prinz Albrecht von Preußen durchaus verbreitet, allerdings findet man sie nicht ganz so häufig wie den Kaiser-Wilhelm-Apfel.

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Prinzessin Luise Eine leider nur vermeintliche Preußin haben wir mit der Apfelsorte Prinzessin ­Luise vor uns. Man möchte an die kultisch verehrte Gemahlin von König Wilhelm III. denken, aber der Apfel ehrt nicht die preußische Luise, sondern Princess ­Louise, Duchess of Argyll, eine Tochter von Königin Victoria von England. Die Prinzessin war 1878 von der Königin nach Kanada gesandt worden, ihr Mann sollte dort das Amt des Generalgouverneurs übernehmen. Bis zum Ende seiner Amtszeit 1883 lebte das Paar in Ottawa. Der Apfel Princess Louise ist auch unter dem Namen Marquis of Lorne bekannt und als Zufallssämling der Sorte Fameuse (auch Snow) entstanden. Ihr Züchter war Linus Woolverton aus Grimsby, Ontario. Zunächst hieß die Sorte Woolverton und wurde später zu Ehren der Prinzessin umbenannt. Der grün- bis bräunlichrot gefärbte, kugelige Apfel fällt durch sein feines, sehr weißes Fruchtfleisch auf. Er ist zudem knackig, saftig und schmeckt wunderbar aromatisch süß. Die Apfelsorte ist in brandenburgischen Gärten nicht sehr verbreitet, aber ein echter Geheimtipp. Sie ist widerstandsfähig gegen Krankheiten und Schädlinge und benötigt wenig Schnittpflege. Pflückreif sind die Äpfel im Oktober, die Genussreife erstreckt sich von Oktober bis Januar. Obwohl etwas anfällig für Druckstellen, halten sich die Früchte gut. In windgeschützten Lagen ist der Ertrag hoch und regelmäßig.

Prinzessin Luise neben Bismarck (rechts)

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Der Gubener Warraschke »Und erst zur Obstbaumblüte! Da ist Gubens Umgebung ein Blütenwald von bezaubernder Schönheit. Dann herrscht an den Feiertagen eine förmliche Völkerwanderung zu den Bergen.« Karl Gander, ­Gubener Heimatforscher, 1900

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m südöstlichen Rand der Mark Brandenburg, am deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße, liegt das kleine Städtchen Guben. Jedes Jahr findet hier das Gubener Appelfest statt. Organisiert wird es vom Tourismusverein, gemeinsam mit der Stadtverwaltung und den Vereinen der deutsch-polnischen Doppelgemeinde Guben-Gubin. Das Volksfest beiderseits der Neiße erinnert an die glorreiche Vergangenheit, als Guben – ebenso wie Werder/Havel – die Berliner mit frischem Obst und Gemüse versorgte. Wie es sich für ein Apfelfest ziemt, kürt man auch eine Apfelkönigin, die den regionalen Obstbau ein Jahr lang repräsentiert. Eine Attraktion des Festes ist der Gubener Warraschke, eine lokale Apfelsorte, die bereits seit 200 Jahren existiert und zunehmend wieder vermarktet wird. Auch der Apfeltag, den die Pomologische Gesellschaft Gubens im Oktober abhält, ehrt diese Lokalsorte. Der Warraschke ist ein typischer Plattapfel. Klein und abgeflacht in der Form, reicht seine Färbung ins Gelbliche und Rötliche. Das Fleisch ist mürbe und saftig, der Geschmack angenehm süß. Als Tafelapfel kann er roh genossen werden, häufiger wird er aber als Mostapfel zu Saft oder Wein verarbeitet. Der Warraschke ist ein anspruchsloser und frostharter Obstbaum, ideal für die trocken-kalten Winter in der Lausitz. Er gehört zu den Spätblühern. Wird er als Hochstamm veredelt, bringt er eine mächtige Baumkrone hervor, die zahlreiche Früchte trägt. Die Äpfel werden Anfang Oktober geerntet und sind lange lagerfähig. Angeblich wurde der Gubener Warraschke von einem einheimischen Bauern entdeckt, der Warraschke hieß – ein in der Region früher geläufiger Familienname sorbischer Herkunft. Es gibt aber noch eine weitere Erklärung für seinen Namen: Das Wort wórašk bedeutet im Niedersorbischen so viel wie »Ackermann« oder »Bauer«. Guben liegt im nördlichen Zipfel des Sorbenlandes und vielleicht bezeichnete man den Warraschke einfach als »Bauernapfel«, weil die Sorte von einem Bauern gefunden und verbreitet wurde. Über die Anfänge des Obstanbaus in Guben ist mehr bekannt. Die Stadt an der Neiße kann auf eine 700 -jährige Tradition zurückblicken. Begonnen hat alles mit dem Weinanbau auf den sonnigen Hängen der Gubener Berge. Über Bouquet und

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Geschmack des Weins ist nichts überliefert, doch die Geschichtsschreibung belegt, dass die Gubener Bauern ihr Obst erfolgreicher verkauften als ihren Wein. Durch Handelsleute, die den Marktflecken auf der Ost-West-Route bereisten, gelangten unbekannte, neue Obstsorten in die Gubener Weinberge. Ende des 16. Jahrhunderts nannte der Chronist Johann Franke bereits 24 Birnen- und 20 Apfelsorten in der Gegend, darunter auch den Stettiner Apfel. Im 18. Jahrhundert bemerkte der Theologe und Schriftsteller Christian Gerber: »Wo Weinbau ist, da wächst auch gemeiniglich gutes Obst, und das findet man auch in Guben. Allerhand Arten von Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Aprikosen und sonderlich Welsche Nüsse (Walnüsse) wachsen in sehr großer Menge.« Als die Winzer der Niederlausitz entdeckten, dass ihr Obst in der Hauptstadt besser ankam als ihr Wein, rodeten sie die Weinberge und bepflanzten das sonnenverwöhnte Gelände stattdessen mit Äpfeln und Birnen. Die frischen Früchte wurden anfänglich auf dem Wasserweg in die Mark und nach Berlin gebracht. Das Aufblühen des Obstanbaus in Guben war bald so bedeutsam für die lokale Wirtschaft, dass der Stadtschreiber Gottlob Metius Buckatzsch gemeinsam mit den Honoratioren der Stadt die Gründung einer Pomologischen Gesellschaft anregte. Die Vereinigung wurde 1805 ins Leben gerufen und ist die drittälteste ihrer Art auf deutschem Boden. Ihr Sortenverzeichnis benennt bereits 93 Birnen-, 88 Apfel-, 33 Pfirsich-, 25 Pflaumen- und 15 Aprikosensorten sowie Mispeln. Nach dem An-

Gubener ­Warraschke

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Gubener Kaschacker

schluss an das Eisenbahnnetz 1845 gelangte das Obst per Bahn nach Berlin – und umgekehrt kamen viele Ausflügler in die Gartenstadt der Niederlausitz. Im 19. Jahrhundert erlebte Guben einen regelrechten Tourismus-Boom. So ganz konnten die Gubener jedoch nicht vom Wein lassen. Aus der bekanntesten Apfelsorte, dem Gubener Warraschke, gewannen die findigen Obstbauern schon bald einen wertvollen Exportschlager: den Gubener Apfelwein. Zu zwei Dritteln bestand das beliebte Getränk aus dem Saft des Warraschke, zu einem Drittel aus dem Saft eines anderen, heute beinahe schon sagenhaft seltenen Apfels: dem Gubener Kaschacker. Dieser kleine rote Weihnachtsapfel bestimmte mit seiner Süße und dem parfümartigen Duft wesentlich den Geschmack und das Aroma des Gubener Apfelweins. In ihren besten Zeiten produzierte die Kelterei Ferdinand Poetke als größter von 20 örtlichen Erzeugern rund 700.000 Liter Gubener Apfelwein im Jahr. Aber auch unvergorener Apfelsaft gehörte zum Sortiment der Kelterei. Der Firmenslogan empfahl recht einprägsam: »Gebt euren Mädchen und euren Buben nur Poetkes Apfelsaft aus Guben!« Heute produziert und vertreibt der Heimatverein Pro Guben e. V. den beliebten Gubener Apfelwein und bewirbt diesen mit folgendem Vers: »Sin de Äppel süß und kleen, müssen de Beeme in Guben stehn.«

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Wer zu Späth kommt …

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eit jeher ist die Arbeit von Baumschulen, Gärtnern und Obstbauern eng miteinander verknüpft. Die Baumschulen stellen eine Vielfalt an Obstbäumen in ausreichenden Mengen für Gärten, Parks und Obstbaubetriebe bereit. Durch ihre Tätigkeit haben sie sich um die Züchtung, Verbreitung und den Erhalt verschiedener Obstsorten verdient gemacht. Die Berliner Baumschule Späth nimmt hier eine Sonderstellung ein. Späth ist eine der ältesten Baumschulen Deutschlands und war im 19. Jahrhundert die bedeutendste weltweit. Späth machte die Sorten Apfel aus Lunow, Teltower Wintergravensteiner und Krügers Dickstiel bekannt und schuf mit Späths Sämling sogar eine Eigenkreation. Hervorgegangen ist die bis heute bestehende Baumschule Späth aus einer kleinen Obst- und Gemüsegärtnerei, die Christoph Späth im Jahr 1720 am südlichen Stadtrand Berlins gründete. Damals befand sich die Gartenanlage am sogenannten Johannistisch vor dem Halleschen Tor. Mit ihren Erzeugnissen versorgte Christoph Späths Gärtnerei schon bald den preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Der König weilte sogar mehrmals zu Besuch und ernannte den fleißigen Kunstgärtner zum »vollberechtigten Berliner Bürger«. Die Stadt Berlin wuchs weiter und umschloss die Gärtnerei mit bebauten Grundstücken. Bereits Christoph Späths Sohn Carl erweiterte die Gärtnerei und zog an einen größeren Standort in der Köpenicker Straße. Christophs Urenkel Ludwig Späth machte aus dem Kleinbetrieb eine »Kunst- und Handelsgärtnerei«, die eigene Preisbücher und Kataloge drucken ließ, die ins In- und Ausland versandt wurden. Ludwig Späths Sohn Franz verlegte 1864 den Familienbetrieb auf ein neu erworbenes Areal in Neubritz und verwandelte es in Deutschlands größte Baumschule. Aufgrund des enormen Bedarfs an Fläche, frischer Luft und Wasser befanden sich die Späthschen Gartenanlagen immer am Rande der Stadt. In Katalogen aus der Jahrhundertwende wurde dem Kunden auf recht einprägsame Weise und mit minutiösen Zeitangaben der Anfahrtsweg beschrieben: Man fahre am besten mit dem Nahverkehrszug via Lehrter Bahnhof zum Baumschulenweg. Kommt man zu Späth, wird man von sprechenden Namen geleitet: Von der S-Bahnstation 23

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Baumschulenweg geht es über die Baumschulenstraße und die Späthstraße entlang am Späth-Arboretum vorbei zu den Späthschen Baumschulen. Zum Sortiment der Baumschule gehörten neben Straßenbäumen, Sämereien, Ratgebern und Gartengeräten natürlich auch Obstbäume. In einem Katalog aus den 1920er Jahren sind noch rund 70 Apfelsorten gelistet. Eine viel und gern angepriesene Sorte war der Britzer Dauerapfel. Unter der Rubrik »Neue und wenig verbreitete Sorten« stand dann als Sortenbeschreibung: »Britzer Dauerapfel: Unter diesem Namen empfehle ich der allgemeinen Beachtung einen Apfel, der sich seit Jahrzehnten im Britzer Gutspark großer Wertschätzung erfreut, dessen Ursprung und etwaige Aufführung in der Literatur bis jetzt jedoch nicht festzustellen war. Die eiförmig-kegelige Frucht ist groß und auf gelbem Grunde weitherum fein, mürbe, saftig, angenehm süßweinig mit leichtem Gewürz. Brauchbar vom November bis in den April hinein. Der kräftig wachsende Baum bildet eine breite Krone und hat sich im Laufe der Jahre stets als ein außerordentlich dankbarer, fast nie aussetzender Träger bewährt. Obgleich dieser Apfel für den Rohgenuss nicht gerade als erste Güte bezeichnet werden kann, ist er jedoch auch für die Tafel keineswegs zu verachten, für die er außerdem eine prächtige Zierde bildet. Hervorragend dürfte sich diese Sorte für den Marktverkauf eignen.« Eine Eigenkreation der Baumschule war die Sorte Späths Sämling (1890). Leider ist von dieser Apfelsorte nicht mehr überliefert als der Name. Eine andere Sorte hingegen blieb erhalten. In einer Broschüre aus den 1940er Jahren wird der Teltower Winter-Gravensteiner offensiv angepriesen: »Von uns eingeführte Spezialsorte! Unsere Empfehlung! Diese ganz hervorragende Apfelsorte, früh- und reichtragend, prächtig gefärbt und von ganz vorzüglichem Geschmack, haltbar bis April-Mai, ist der Apfel der Zukunft und darf in keinem Garten fehlen.« Franz Späth hinterließ seinem Sohn Hellmut ein Firmengelände von insgesamt 2.000 preußischen Morgen Land, was ungefähr einer Fläche von 500 Hektar entspricht. Trotz des Ersten Weltkrieges und der anschließenden Inflation expandierte der Familienbetrieb und konnte schon bald den 200. Jahrestag seines Bestehens feiern. Die Baumschule Späth überstand auch die Weltwirtschaftskrise 1929. Erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam es zum Bruch in der Familien- und Firmengeschichte. Obwohl schon früh Mitglied der NSDAP, war Hellmut Späth nicht das, was man unter einem überzeugten Nationalso­ zialisten verstand. Aus erster Ehe hatte er eine halbjüdische Tochter, für die er sich während der Diktatur einsetzte. Auch sonst hielt er Kontakt zu Juden, weswegen er zu einem Jahr Haft verurteilt wurde. Nachdem er die Haftstrafe im Bautzener Gefängnis abgesessen hatte, überführte man ihn ins Konzentra­ tionslager Sachsenhausen, wo er in den letzten Kriegstagen ermordet wurde. Ein 24

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Stolperstein auf der Treppe vor dem Verwaltungsgebäude der Baumschule erinnert heute an ihn. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie Späth enteignet und der Betrieb in Volkseigentum überführt. Das Späthsche Herrenhaus und das benachbarte Arboretum mit seinen zahlreichen exotischen Gewächsen wurden 1960 der Humboldt-Universität übereignet, die das Gelände bis heute nutzt. In den Wirren der Wende ging ein großer Teil des Späthschen Baumschulen-Archivs unwiederbringlich verloren. Die Treuhand, die zuerst eine Liquidierung vorsah, übereignete die Baumschule 1997 schließlich an die Späth-Erben. Heute führt die Späthsche Baumschule zwar noch Bäume, Sträucher und Stauden, aber keine Obstbäume mehr. Dem Apfel ist man trotzdem treu geblieben. Auf dem alljährlichen Traditionsfest im September wird immer auch eine große Obstsortenausstellung präsentiert. Dann kann man sie alle auf einmal sehen: Apfel vom Hedwigsberg, Schöner aus Herrnhut, Oberlausitzer Muskatrenette, Königlicher Kurzstiel, Gubener Warraschke, Apfel aus Lunow, Erwin Baur, Geheimrat Dr. Oldenburg, Geheimrat Breuhahn, Helios, Werdersche Wachsrenette und und und. Nur Späths Sämling, den sucht man bisher vergeblich.

Britzer Dauerapfel (Schöner von Kent)

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Kleine Apfel-Kulturgeschichte Paradiesapfel: Glaubt man der Bibel, dann hat Gott die ersten Menschen in einen idyllischen Garten gesetzt. Neben allerlei anderen Pflanzen spendeten dort zwei ganz besondere Bäume Schatten: der Baum der Erkenntnis und der Baum des ewigen Lebens. Auf Anraten der Schlange naschten Adam und Eva vom verbotenen Obst der Erkenntnis. Vermutlich wurde aber erst durch die Ähnlichkeit von malum (das Übel) und malus (der Apfel) im Lateinischen aus dieser schrecklichen Frucht ein Apfel. Zankapfel: Die Anekdote aus der griechischen Mythologie ist ein Lehrstück um Eitelkeit und Missgunst. Weil Eris, die Göttin der Zwietracht, nicht zu einer Hochzeit eingeladen wird, rächt sie sich an den Gästen, indem sie Zwietracht sät. Eris rollt einen goldenen Apfel unter die Anwesenden, auf dem eine Widmung steht: »Der Schönsten«. Sofort bricht zwischen Hera, Athene und Aphrodite ein Streit aus, wem denn der Apfel gebühre. Göttervater Zeus soll es richten. Doch der möchte es sich nicht mit seiner Gattin Hera verderben und beauftragt Paris. Der Königssohn wird heiß umworben. Aphrodite verspricht ihm schließlich die Liebe der schönsten Frau der Welt: Helena. Paris kann nicht widerstehen, doch Helena ist bereits vergeben. Ohne es zu wollen, löst Paris durch Helenas Entführung den Trojanischen Krieg aus. Lebensapfel I: In vielen Mythen spielt der Apfel eine auffallend zentrale Rolle. Unsere Vorfahren müssen genau beobachtet haben, dass länger oder zumindest gesünder lebt, wer Obst und Vitamine zu sich nimmt. Die alten Griechen erzählten sich folgende Geschichte: Irgendwo am Rand der bekannten Welt liegt der Garten der Hesperiden, in dem ein Baum steht, der goldene Äpfel trägt. Die Goldäpfel verleihen den Göttern ewige Jugend, sie sind also der Quell ihrer Unsterblichkeit. Damit keine Unbefugten von den Früchten kosten, wird der Wunderbaum von einem hundertköpfigen Drachen bewacht. Nur dem Halbgott Herkules gelingt es einmal durch eine List, einige der goldenen Äpfel zu stehlen.

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Lebensapfel II: In der nordischen Mythologie ist es Iduna, die Göttin der Erneuerung und Verjüngung, die die goldenen Äpfel bewacht. Auch hier verleihen die Äpfel den Asen, also den nordischen Göttern, ewige Jugend und Unsterblichkeit. Als Iduna samt ihrer Äpfel in die Hände der bösen Riesen gerät, fangen die Asen sogleich an zu altern. Nur mit Hilfe von Loki, dem listigen Halunken, können die Götter Iduna befreien. Lebensapfel III: Bei den Kelten gibt es eine Insel, die inmitten eines nebelverhangenen Sees liegt. Die Insel steht voller Apfelbäume, die von Druiden beschützt werden. Es handelt sich um Avalon, die Apfelinsel, eine Art Paradieswelt der Kelten. Der Sage nach reiste König Artus nach Avalon, um sich dort von seinen Verletzungen zu erholen. Reichsapfel: Die goldene Kugel mit dem Kreuz war im abendländischen Europa ein Zeichen der Macht. Während der Krönungszeremonie wurde der Reichsapfel dem Kaiser zusammen mit Krone und Zepter übergeben. Der Reichsapfel stellt den Erdball dar und symbolisiert somit den Anspruch des Kaisers auf die Weltherrschaft. Apfelschuss: Im 14. Jahrhundert soll ein Landvogt in der Schweiz seinen Hut auf eine Stange gesteckt und jedem Schweizer befohlen haben, sich davor zu verbeugen. Weil der Armbrustschütze Wilhelm Tell sich aber weigerte, einen Hut zu grüßen, musste er zur Strafe einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen. Glücklicherweise traf Tell den Apfel. Newtons Apfel der Erkenntnis: Angeblich lag der große englische Naturforscher Isaac Newton dösend unter einem Apfelbaum, als ihm eine reife Frucht direkt auf den Kopf fiel. Durch den Fall des Apfels soll Newton auf die Idee mit der Schwerkraft gekommen sein. Seine Erkenntnis: Alle Himmelskörper werden durch die­ selbe Kraft in Bewegung gehalten, die auch den Apfel nach unten zieht. Märchenapfel: In den Märchen der Brüder Grimm kommt der Apfel häufig vor. Eine Hauptrolle spielt er bei »Schneewittchen«. Darin vergiftet die böse Königin ihre Stieftochter Schneewittchen mit einem Apfel. Doch das Apfelstück bleibt dem Mädchen im Hals stecken. Als die Diener des Prinzen mit ihrem Sarg über einen Stein stolpern, rutscht Schneewittchen der vergiftete Bissen aus der Kehle und sie erwacht. Auch bei »Frau Holle« kommt der Apfel vor. Darin begegnen die Gold- und die Pechmarie einem Apfelbaum, der ihnen zuruft: »Schüttle mich, ach 27

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schüttle mich, meine Äpfel sind allesamt reif!« Nur Goldmarie erfüllt den Wunsch des Baums und wird belohnt. Pechmarie dagegen wird für ihre Faulheit bestraft. Apple I: Als die Beatles 1968 eine eigene Plattenfirma gründeten, tauften sie diese »Apple Records«. Von nun an zierte ein ganzer Apfel das Etikett jeder A-Seite und eine aufgeschnittene Apfelhälfte die B-Seite. Die erste Beatles-Single, die auf dem Apple-Label erschien, war »Hey Jude« (August 1968). Apple II: In den 1970 er Jahren schraubte Steve Jobs mit seinem Kollegen Steve Wozniak in einer Garage die ersten Personal Computer zusammen. Ihre Firma nannten sie Apple Computer, das zugehörige Apfel-Logo bewarben sie mit dem doppelsinnigen Slogan: »Byte into an Apple!« Apfelmännchen: Beim Apfelmännchen handelt es sich um eine am Computer sichtbar gemachte mathematische Menge. Ihre Fachbezeichnung »MandelbrotMenge« erinnert an ihren Entdecker Benoît Mandelbrot. Die visualisierte Menge ähnelt einem Apfel mit Kopf und Antenne – eine Figur, die in sich unendlich ist, da sie sich an ihren Rändern ständig selbst wiederholt. Mandelbrot nannte solche Figuren Fraktale.

Hasenkopf

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Hasenkopf, Berliner, Klapperapfel

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asenköppe, die hatten wir früher och im Garten.« Es gibt in Berlin und Brandenburg kaum eine alte Apfelsorte, die den Menschen noch so bekannt ist. Seine merkwürdige Walzenform und der süß-würzige Geschmack machen diesen Apfel so besonders. Und noch etwas: Beim Schütteln der vollreifen Früchte klappern die Kerne im großen offenen Kernhaus wie die Überraschung im Schokoladen-Ei. Der Hasenkopf gehört zur Familie der walzen- oder fassförmigen Prinzenäpfel. Prinzenäpfel gibt es viele verschiedene, sie werden auch oft mit den Schafsnasen verwechselt. Einst galt der Echte Prinz (Sommerprinz) als eine der besten Apfelsorten. Heute ist er eine Rarität. Seine gelbgrünen Früchte haben leuchtend rote Streifen und duften angenehm. Kenner sagen, Prinzenäpfel hätten »das gewisse Etwas«, das Prinzenapfel-Aroma. Der Echte Hasenkopf, also der Echte Prinz, ist in den Baumschulen heute nur noch sehr selten zu bekommen. Er reift schon im September. Zu dieser Zeit entfalten die Früchte ihren feinen Wohlgeschmack. Nach wenigen Wochen der Lagerung werden sie jedoch mehlig und fad. Dadurch unterscheidet sich der Hasenkopf als früher Herbstapfel von anderen Prinzen wie etwa dem Finkenwerder Herbstprinz, der sich bis Februar hält. Der Baum der Sorte Hasenkopf ist robust und braucht wenig Pflegeaufwand. Ein regelmäßiger Erhaltungsschnitt sorgt dafür, dass die Früchte eine angenehme Größe erreichen und nicht zu klein bleiben. Vermutlich hat der Hasenkopf seinen Ursprung im Berliner Raum. Ältere pomologische Werke sprechen vom Hasenkopf von Lübben (Spreewald). Man geht davon aus, dass die Sorte schon vor 1800 bekannt war und sich wegen ihrer außerordentlichen Beliebtheit in ganz Deutschland stark verbreitete. Je nach Region heißt der Hasenkopf/Prinzenapfel auch Berliner oder Haferapfel (Brandenburg), Klapperapfel (Sachsen), Glockenapfel (Bayern), Langapfel (Westfalen), Nonnen- oder Melonenapfel (Schleswig-Holstein), Nonnentitte, Flaschenapfel, Hasenschnäuzchen, Immerträger, Katzenkopf oder Rotgestreifter Schlotterapfel. 29

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Äpfel mit vielen Namen »Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften.« William ­Shakespeare: Romeo und Julia

Baldwin und zwei Weiße ­Winterkalville

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n Deutschland existieren etwa 2.000 Apfelsorten, weltweit sogar bis zu 20.000. Genaue Zahlen gibt es nicht, dafür bedürfte es einer global zugänglichen, auch genetische Daten erfassenden Übersicht. Erschwerend kommt hinzu, dass beinahe jede Sorte unter mindestens einem weiteren Namen verbreitet ist. So heißt der Pommersche Krummstiel auch Gestreifter Römerapfel und der Golden Delicious auch Gelber Köstlicher. Manche Sorten sollen es auf bis zu 70 verschiedene Bezeichnungen bringen. Die Namensvielfalt bei Äpfeln hat viele Gründe. Oft waren es Abkürzungen oder Spitznamen, die sich über die Zeit zu vollwertigen Namen entwickelten. Albrechtsapfel ist kürzer und klingt volksnaher als Prinz Albrecht von Preußen. Der Weiße Winterkalvill hat nun einmal eine komische bucklige Form und sieht daher aus wie ein Quittenapfel. Apfelsorten, die in den USA, Frankreich oder England gezüchtet wurden, erhielten im normalen Sprachgebrauch eingedeutschte Namen, denn The Mother kommt schon wegen des für deutsche Zungen schwierigen doppelten »th« nicht jedem flott über die Lippen. Da spricht sich Mutterapfel doch viel leichter.

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