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Satzung und Konstituierung der RKS

Nach einer längeren Diskussion über die künftige Satzung der RKS, an der sich auch Robert Koch beteiligte, 82 beschloss das Komitee die endgültige Fassung am 3. April 1908.83 Am 23. Mai 1908 erteilte Wilhelm II der Stiftung seine landesherrliche Genehmigung, 84 und durch Erlass vom 27. Februar 1909 wurde sie als »milde Stiftung« anerkannt. Zur aufsichtführenden Behörde bestimmte das Preußische Kultusministerium den Polizeipräsidenten von Berlin.85

Die Satzung86 informierte eingangs in §§ 1–3 zunächst über den Anlass der Gründung (Ehrung Kochs anlässlich des 25-jährigen Jubiläums seiner Bekanntgabe der Entdeckung des Tuberkuloseerregers), den Stiftungszweck (Unterstützung wissenschaftlicher Forschungen zur Bekämpfung der Tuberkulose) sowie den Sitz (Berlin) und das Geschäftsjahr (1. April bis 31. März). § 4 regelte die Zusammensetzung des elfköpfigen Vorstands. Als einzige namentlich aufgeführte Person zählte Robert Koch selbst dazu, der zudem berechtigt war, einen Nachfolger zu bestellen, dem dieselben Befugnisse zustanden. Darüber hinaus gehörten dem Vorstand qua Amt oder als entsandte Vertreter an ein vom Kaiser und Preußischen König zu bestimmendes Mitglied, der Präsident des KGA (ab 1918 Reichsgesundheitsamt [RGA]), der Direktor des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten (RKI), ein Vertreter des DZK, 87 ein Vertreter des Reichsausschusses für das ärztliche Fortbildungswesen, 88 ein Vertreter des Deutschen Ärztevereinsbundes.89

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Die Mitglieder acht bis elf sollten von den vorgenannten Vorstandsmitgliedern kooptiert werden. Ferner legte § 5 der Satzung fest, dass durch einstimmigen

82 Schwalbe an Althoff, 8.2.1908, in: BArch R 1501/111800, Bl. 41–43.

83 Althoff an Holle, 17.4.1908, GStA PK, I. HA Rep. 76, Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil V C Nr 39, Bd. 1, Bl. 52.

84 GStA PK, I. HA Rep. 76, Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil V C Nr 39, Bd. 1, Bl. 51–52.

85 Polizeipräsident an Vorstand der RKS, 20.11.1909, in: LAB A Pr Br Rep 030 Nr. 17546.

86 Enthalten u. a. in: LAB A Pr Br Rep 030 Nr. 17546; GStA PK, I. HA Rep. 76, Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil V C Nr 39, Bd. 1, Bl. 57–59.

87 Dies gründete sich auf den mit der beschlossenen Spende von 50 000 M verbundenen Wunsch des Präsidiums des DZK, einen Sitz im Vorstand/Kuratorium der RKS zu erhalten, vgl. Aufzeichnung über die Sitzung des Komitees am 28.3.1908, in: GStA PK, I. HA Rep. 76, Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil V C Nr. 39, Bd. 1, Bl. 49.

88 Die Konstituierung des Reichsausschusses für das ärztliche Fortbildungswesen im März 1908 geht auf ein langjähriges Engagement Althoffs für die Professionalisierung und Organisation des ärztlichen Fortbildungswesens zurück, vgl. Eckart, Friedrich Althoff, S. 376–379; Althoff und Koch wurden hierbei in den Ehrenvorstand gewählt. Renvers wurde Vorsitzender, Waldeyer Beisitzer und Kutner Generalsekretär, vgl. Allg. Zeitung v. 17.3.1908; Konstituierende Sitzung des Reichsausschusses für das ärztliche Fortbildungswesen, in Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 5 (1908), S. 217–222.

89 Unter dem Eindruck der Reichsgründung 1871 schlossen sich die bisher weitgehend lokal agierenden Ärztevereine 1873 zum Deutschen Ärztevereinsbund zusammen, um auf diesem Weg eine schlagkräftige Interessensvertretung zu bilden. Vgl. Tauchnitz, Die »Organisierte Gesundheit«, S. 172–182.

Beschluss des Vorstandes »Persönlichkeiten […], welche sich um die Zwecke der Stiftung besonders verdient gemacht haben«, zu Ehrenmitgliedern ernannt werden konnten, die berechtigt waren, »an den Sitzungen des Vorstandes mit vollem Stimmrecht teilzunehmen.«

Die Zusammensetzung spiegelte zum einen die wichtigsten institutionellen Unterstützer der Stiftungsgründung wider; zum anderen stellte sie mit der vorrangigen Berufung von in der Regel medizinisch vorgebildeten Personen die ordnungsgemäße Erledigung der zentralen Aufgabe des Stiftungsvorstandes sicher, nämlich die Beschlussfassung über die Verteilung der Fördermittel. § 6 regelte die Wahl der Ämter innerhalb des Vorstandes (Vorsitzender, Schriftführer, Schatzmeister) und ihrer Stellvertreter durch die Vorstandsmitglieder, die Abstimmungen und die Protokollführung. § 7 sicherte Robert Koch ein Vorgriffsrecht auf die zu vergebenden Fördergelder zu, indem bestimmt wurde, dass ihm »alljährlich vorweg diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen« waren, »welche nach seinem freien Ermessen für die von ihm angeregten oder geleiteten Arbeiten in Anspruch genommen werden sollen«. Die weiteren Paragraphen regelten insbesondere die Anlegung des Stiftungsvermögens, die Nutzung der alljährlich anfallenden Zinsen als zu vergebende Fördermittel, die Möglichkeit, eine Zuwendung unter dem Namen des Spenders als besonderen Fonds im Stiftungsetat zu führen sowie den Eintrag von besonders großzügigen Spendern (ab 25 000 M) ins Goldene Buch der Stiftung. Mit dieser letztgenannten Bestimmung entfernte man sich weit von dem im Gründungsaufruf abgegebenen Versprechen, wonach Spender von mindestens 10 000 M eine besondere Vertretung im Kuratorium erhalten sollten. Die Bildung eines derartigen Stiftungsorgans sah die Satzung nicht vor. Mutmaßlich wollte man den Einfluss von finanzkräftigen Laien auf die Aktivitäten der Stiftung von vornherein minimieren.

Der elfköpfige Gründungsvorstand der Stiftung konstituierte sich am 17. Dezember 1908.90 Neben Robert Koch gehörten ihm an: als Vertreter des Kaisers dessen erster Leibarzt Generalarzt Friedrich von Ilberg, für dessen Berufung sich Althoff im Hintergrund eingesetzt hatte,91 der Präsident des KGA, Franz Bumm, der Direktor des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten, Georg Gaffky, als Vertreter des DZK, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bernhard Fraenkel (1836–1911), als Vertreter des Reichsausschusses für das ärztliche Fortbildungswesen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rudolf von Renvers (1854 –1909), und schließlich als Vertreter des Deutschen Ärztevereinsbundes der Reichstagsabgeordnete der Freisinnigen Volkspartei und Sanitätsrat Dr. Otto Mugdan (1862–1925).92 Zu den kooptierten Vorstandsmitgliedern zählten der frühere preußische Kultusminister 93 von Studt, Althoffs ehemals engster Mitarbeiter und nach dessen Ausscheiden zum Leiter der neugegründeten Abteilung für Kunst und Wissenschaft im Preußischen Kultusministerium ernannte Wirkl. Geh. Ober-Reg.-Rat Dr. Friedrich Schmidt-Ott, der Initiator der Stiftung und Herausgeber der DMW, Julius Schwalbe, sowie Anna vom Rath (1839–1918) dem Vorstand an. Letztere war die Witwe des im Vorjahr verstorbenen Bankiers und Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Adolph vom Rath (1832–1907), und sowohl für ihr karitatives Engagement als auch als Mitglied der »Berliner Salongesellschaft« bekannt.94 Die Wahl der einzigen Frau, die im 20. Jahrhundert dem Vorstand der RKS angehörte, stand im unmittelbaren Zusammenhang mit der gleichfalls beschlossenen Annahme ihrer Spende in Höhe von 125 000 M. Dieser Betrag sollte als selbständiger »Anna vom Rath Fonds« der RKS angeschlossen werden und der wissenschaftlichen Erforschung der Beziehungen zwischen Ernährung und Tuberkulose dienen.95 Mit diesem Fokus stellte der Fonds eine Ergänzung der Adolph vom Rath-Stiftung dar, die Anna vom Rath im selben Jahr zum Andenken an ihren verstorbenen Ehemann als rechtsfähige Stiftung errichtet und mit einem Kapital von 500 000 M ausgestattet hatte. Zweck der Stiftung war es, »solchen Personen, die an einer tuberkulösen Erkrankung der Lungen gelitten haben oder noch leiden und aus

90 Verwaltungsbericht über das Jahr 1909/10, in: LAB A Pr Br Rep 030 Nr. 17546.

91 Mitte August hatte Althoff Schwalbe wissen lassen, dass er »wegen Ernennung Hrn. v. Ilberg’s in den Vorstand […] die erforderlichen Schritte unter der Hand gethan« habe, vgl. Althoff an Schwalbe, 15.8.1908, in: RKI-Archiv, NL Robert Koch, as/b1/144. Schwalbe an Althoff, 1.9.1908, in: GStA PK, VI. HA, NL Althoff, Nr. 432, Bl. 144.

92 Otto Mugdan (1862–1925): Medizinstudium in Erlangen; 1885 Approbation in Berlin; ab 1892 Mitglied der Ärztekammer für die Provinz Brandenburg und den Stadtkreis Berlin; Übertritt vom Judentum zum Protestantismus; 1903–1912 Reichstagsabgeordneter der Deutschen Freisinnigen Volkspartei; 1905 Sanitätsrat; 1912–1918 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses; 1905–1925 Mitglied des Geschäftsausschusses des Deutschen Ärztevereinsbundes, Mitglied des Aufsichtsrates des Hartmannbundes; Verfasser verschiedener Schriften zu ärztlichen Standesfragen (Quellen: Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, Bd. 2, S. 89 Fn 11; Hansen/Tennstedt, Biographisches Lexikon, Bd. 1, S. 114f).

93 Am 24.6.1907 Entlassung aus dem Staatsdienst auf Gesuch.

94 Wilhelmy, Der Berliner Salon, S. 291f, 799f; Weiglin, Berlin im Glanz, S. 76–78.

95 Tagesgeschichte, in: DMW 34 (1908), S. 2279–2280. Die Bildung des Anna vom Rath Fonds war das Verdienst von Prof. Dr. med. et phil. Arthur Kayserling, der in der Berliner Tuberkulosefürsorge sehr aktiv war. Er war Schriftführer der Adolph vom Rath-Stiftung und des Vereins für Krankenküchen, vgl. DZK an Delbrück, 2.2.1912, in: BArch R 1501/111776. SATZUNG UND

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