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Bilanz und Ausblick über aktuelle und künftige Reformen im Bundesdienstrecht ........................................................................ Seite

Behörden Spiegel: Herr Hollah, wie fällt ihre Bilanz für die zu Ende gehenden Legislatur aus?

An wenigen Stellen nachbessern

Hollah: Gut! Wir haben mit vier größeren Reformen viel erreicht. Zuerst den Tarifabschluss 2018, bei dem wir insbesondere für Fachkräfte höhere Entgelte verhandeln konnten. Durch die Streichung der Eingangsstufe sind die Entgelte dort im Schnitt um zehn Prozent gestiegen. Das ist nicht nur für die Beschäftigten ein Gewinn, sondern auch für den Bund als Arbeitgeber. Durch die Tabellenreform sind wir moderner und attraktiver geworden. Diese Ziele haben uns – zweitens – auch beim Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz (BesStMG) geleitet. Auch hier lag der Schwerpunkt auf Regelungen, um besser Fachkräfte finden und halten zu können, etwa durch die Personalgewinnungsprämie oder die Personalbindeprämie. Drittens nenne ich unsere Instrumentengespräche, bei denen wir unser tarif- und beamtenrechtliches Handwerkszeug mit Praktikern gemeinsam auf den Prüfstand stellen. Und die vierte größere Reform war die Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetztes (BPersVG), das komplett neu gefasst und in die Zeit gestellt wurde und seit Mitte Juni in Kraft ist. Diese vier Vorhaben ragen in dieser Wahlperiode heraus und werden über die nächsten Jahre wirken.

Behörden Spiegel: Bleiben wir beim BesStMG. In welchem Maße ist von den genannten Prämien bisher Gebrauch gemacht worden?

Hollah: Die Personalgewinnungs- und -bindungsprämie sind seit Anfang 2020 in Kraft. Wir wissen von ersten Anwendungen, haben aber noch keinen Gesamtüberblick, wie oft und in welchen Schwerpunkten die Prämien genutzt wurden. Das erfolgt jetzt. Über unsere Instrumentengespräche bekommen wir bereits die Rückmeldung, dass beides funktioniert. Darüber hinaus haben wir mit dem BesStMG auch die Zulagen systematisiert und erhöht. Dafür bekommen wir kaum Lob, aber es kritisiert auch niemand.

Bilanz und Ausblick über aktuelle und künftige Reformen im Bundesdienstrecht

(BS) Man habe als Abteilung D vor allem eine Vermittlerrolle eingenommen, um den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag zu erfüllen, das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) erstmals seit Jahrzehnten zu novellieren, erläutert Ansgar Hollah, Leiter der Abteilung Dienstrecht im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), im Gespräch mit dem Behörden Spiegel. Das Verfahren sei erfolgreich beendet worden und ist eines von vier größeren Reformen dieser Legislaturperiode. Ebenso wie das Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz und die neu eingeführten Instrumentengespräche. Zudem sieht er seine Abteilung im BMI als “Interessenwahrer für die gesamte Bundesverwaltung – sowohl für die Dienstherrn als auch für Beamte und Tarifbeschäftigte” und gibt einen Ausblick, was in der nächsten Legislatur auf der Agenda steht. Die Fragen stellten Malin Jacobson und Jörn Fieseler.

Behörden Spiegel: Wie viele Instrumentengespräche haben sie durchgeführt und wie laufen diese ab?

Hollah: Wir haben bereits drei Staffeln absolviert. Jede Staffel besteht wiederum aus drei Folgen. Pro Staffel werden vier oder fünf Behörden aus dem Geschäftsbereich des BMI eingeladen und mindestens eine Behörde aus einem anderen Ressort. In der ersten Runde kommen die Präsidenten und die Personalabteilungsleiter mit meinen Referatsleitern und mir zusammen, um bestehende Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung zu schildern. In der zweiten Folge setzt sich die Fachebene zusammen, um konkrete Lösungen aufzuzeigen. In der dritten Folge gibt es dann ein Abschlussgespräch mit den Akteuren der ersten Runde und wir ziehen Bilanz.

Behörden Spiegel: Welche Er-

Marco Weißer/Christoph Fournier:

Erfolgreich ausbilden in der öffentlichen Verwaltung

Wie Ausbildung praktisch gelingt

ACHTUNG FACHKRÄFTEMANGEL! Der Öffentliche Dienst tut etwas dagegen und bildet verstärkt aus. Dabei gibt es einiges zu beachten! Sicher haben Sie sich als Ausbilder/-in in der öffentlichen Verwaltung auch schon folgende Fragen gestellt:

• Wie “tickt” die heutige Generation und wie erreicht man sie am besten? • Worauf kommt es bei der Einführungszeit (dem Onboarding) an? • Welche Ziele gibt es und welche Rahmenbedingungen sind für das Lernen elementar? • Wie “funktioniert” Kommunikation und wie können Konflikte vermieden/gelöst werden? • Worauf ist bei der Bewertung von Leistungen und bei Beurteilungen zu achten? • Welche Inhalte aus der Ausbildungseignungsverordnung (AEVO) sind von Bedeutung?

“Wir haben mit vier größeren Reformen viel erreicht” ,

sagt Ansgar Hollah, Leiter der Abteilung Dienstrecht im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI).

Foto: BS/BMI

kenntnisse ziehen sie aus diesen drei Staffeln?

Hollah: Bislang haben wir nur eine noch ungelöste Problemstellung gefunden: Können Beschäftigte, die erfolgreich neue Mitarbeiter werben, dafür eine Prämie bekommen? Im Tarifvertrag oder Besoldungsrecht ist das nicht vorgesehen, daher war unsere Antwort auf diese Frage früher negativ. Aber wir sehen die Analogie zu Verbesserungsvorschlägen, für die es Prämienregelungen gibt. Also haben wir die Idee jetzt in den Ausschuss für Organisationsfragen eingebracht, damit dort eine möglichst einheitliche Regelung gefunden werden kann. Bei den bereits vorhandenen Instrumenten zeigt sich ein differenziertes Bild: Vielen Praktikern sind die Instrumente unbekannt, andere kennen sie zwar, wenden sie aber “vorsichtshalber” nicht an. Zum Beispiel die Zulage für IT-Fachkräfte von bis zu 1.000 Euro pro Monat: Das sei eine Bevorzugung neuer Mitarbeiter und würde den Betriebsfrieden stören. Aber wir bekommen auch das Feedback, dass diejenigen, die an den Instrumentengesprächen teilgenommen haben, sich vernetzen und so bei der konkreten Umsetzung durchweg positive Erfahrungen machen. Wir bekommen viel Lob für dieses Format und profitieren auch selbst sehr davon. Wir haben mehr Anmeldungen für weitere Staffeln, als wir derzeit bewältigen können.

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Er soll Ihnen bei Ihrer verantwortungsvollen Aufgabe Fragen beantworten sowie Hinweise und Ratschläge geben. Darüber hinaus enthält das Werk viele Ideen für eine erfolgreiche Gestaltung des Ausbildungsverlaufs. Die gelungene Mischung aus dem Heranziehen von Studien und dem Aufführen von praktischen Beispielen macht es für den täglichen Gebrauch besonders hilfreich.

Beide Autoren sind Absolventen der Hochschule für öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz und verfügen über breite Verwaltungserfahrung sowie über Kompetenz und Wissen im Bereich der Ausbildung und Ausbildungsvermittlung.

Mehr zum Thema:

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Behörden Spiegel: Aber bleibt es jetzt beim Kompromiss oder wird nächste Legislatur nachgebessert?

Hollah: Wenn es neue Erkenntnisse gibt, kann man sich über neue Wünsche unterhalten. Zum Beispiel über die Frage der Versetzung ohne Zustimmung der Personalvertretung. Bislang geht dies nur für einen Zeitraum von drei Monaten. Die Dienststellen würden dies aus praktischen Erwägungen gerne auf sechs Monate verlängern. Doch bevor wir solche Dinge diskutieren, sollten zunächst einmal alle die Chance nutzen, mit dem neuen Gesetz zu arbeiten. Es wird mindestens zwei Jahre brauchen, bis alle die neue Nomenklatur verinnerlicht haben. Erst danach können eventuelle Problemstellungen sauber identifiziert werden, sodass ich für die nächste Legislatur noch keine erneute Grundsatz-Novelle erwarte. Hollah: Wir bewegen uns im Beamtenrecht immer im Rahmen von Artikel 33 Grundgesetz. Das darf bei allem Reformeifer etwa bezüglich der Alterssicherungssysteme nicht vergessen werden. Hier sind wir als Bund vorbildlich, was wir bewahren sollten. Im Übrigen ist die Dienstrechtsabteilung im BMI der Interessenwahrer für die gesamte Bundesverwaltung – sowohl für die Dienstherrn als auch für Beamte und Tarifbeschäftigte. So wollen wir mehr mit Mustern und Piloten arbeiten, die von allen Bundesbehörden unentgeltlich genutzt werden können – statt dass jeder das Rad jedes Mal neu erfinden muss. Das ist eine Fortschreibung unserer Instrumentengespräche.

Behörden Spiegel: Was ist mit der Reform des Familienzuschlags und der Umsetzung der beiden Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation in Berlin und NRW (siehe Behörden Spiegel Mai 2021, Seite 3)?

Hollah: Auch das werden wir angehen. Wir wollen einerseits den Kinder- und Verheiratetenzuschlag reformieren. Letzteren soll nur noch bekommen, wer tatsächlich verheiratet ist. Im Gegenzug wollen wir den Zuschlag für Kinder erhöhen. Damit würden auch zahlreiche Prüfungen im Rahmen der Gewährung der Zuschlagszahlungen entfallen.

Behörden Spiegel: Was muss aus Ihrer Sicht in der nächsten Legislatur angegangen werden? Behörden Spiegel: Und der Abstand der Alimentation zur Grundsicherung?

Behörden Spiegel: Sie haben die Novellierung des BPersVG angesprochen. Die Gewerkschaften wollen in der nächsten Legislatur Nachbesserungen am neuen Gesetz vornehmen. Teilen Sie diese Ansicht?

Hollah: Zum Teil. Wir haben uns drei Jahre lang mit den Ressorts, den Personalvertretungen und den Gewerkschaften ausgetauscht und gemeinsam herausgearbeitet, was im Konsens zu erreichen ist und was nicht. Beide Seiten sind Kompromisse eingegangen und wussten jederzeit, dass übertriebene Forderungen oder beinharte Verweigerungen am Ende den Entwurf und all seine Vorarbeiten durch die Diskontinuität im Bundestag zu Fall gebracht hätten. Auch deswegen haben wir als Abteilung D vor allem eine Vermittlerrolle eingenommen, um den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag zu erfüllen, das BPersVG erstmals seit Jahrzehnten zu novellieren. Verfahren und Inhalte waren am Ende erfolgreich. Hollah: Unser Instrumentarium und die rechtlichen Regelungen sind klar und gut gestaltet. An einzelnen Stellen gibt es noch Nachbesserungsbedarf. Zwei Stichworte werden maßgeblich sein: Das System aufräumen und sichern. Zum Aufräumen gehören im Wesentlichen Ausbesserungen und Vereinfachungen. So muss der Abbau von Überstunden, etwa bei der Polizei, besser plan- und durchsetzbar sein. Das ist ein Aspekt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, der bei uns unter dem Stichwort “Überstundenbremse” läuft. Nichts halte ich dagegen davon, Überstunden in Lebensarbeitszeitkonten zu überführen. Die Menschen arbeiten dann “auf Kredit”, statt die Belastungen aktuell abzubauen. Solange es bei der Bundespolizei etwa Personalzuwächse gibt, sollten Überstunden reduziert und deren Ausgleich nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag weggebucht werden.

Behörden Spiegel: Und was meinen Sie mit “System sichern”? Hollah: Karlsruhe hat den Gesetzgebern aufgegeben, die Wohnkosten bei der Berechnung genauer zu berücksichtigen und sich an den Wohngeldstufen zu orientieren. Dazu haben wir das Modell eines regionalen Ergänzungszuschlags erarbeitet. Damit hätten alle Bundesbeamten, -richter und Soldaten mit Kindern mehr Geld bekommen; für einen Beamten der Besoldungsgruppe A8 mit vier Kindern in München wäre das ein vierstelliger Betrag pro Monat zusätzlich. Beide Vorschläge sind im Ressortkreis gescheitert und nicht in den Bundestag eingebracht worden. Angesichts der Diskussionen gab es keine Chance, vor der parlamentarischen Sommerpause eine Einigung zu erzielen. Deshalb müssen wir das in der nächsten Legislatur nachholen. Wir im BMI sehen das als Bringschuld und haben daher sichergestellt, dass kein Betroffener sich selber kümmern muss. Die neuen Regelungen sollen rückwirkend zum Januar 2021 in Kraft treten.

KOLUMNE

Querköpfe richtig einbinden

Sie brauchen viel Energie und Geduld – bringen die Organisation mit ihren Denkansätzen jedoch oft den entscheidenden Schritt weiter.

“Aber das ist doch wirklich Murks! Wenn wir das Thema richtig anpacken wollen, müssen wir ganz anders ansetzen!” Mit hochrotem Kopf sitzt er mir gegenüber und blickt mich ärgerlich an. Es kostet mich eine Menge Überwindung und Kraft, diesen verbalen Angriff wegzustecken und den Querkopf dazu zu bringen, seinen Ansatz zu erläutern. Doch ich habe meine Belegschaft immer und immer wieder dazu ermuntert, Tacheles zu reden und unbequeme Wahrheiten wie eigene Meinungen und Ansichten auf den Tisch zu legen. Nur dann können wir gemeinsam damit arbeiten. Gut, ich hole ihn also raus aus der “Mecker-Ecke” und rein in den von mir immer wieder adressierten “Lösungsraum”. Ich lausche, hake nach, denke mich in die Idee hinein, frage erneut nach, zeige einen Einflussfaktor auf, bitte um ein Beispiel – und kann am Ende nur noch staunen. Darauf wäre ich nicht gekommen. Ja, es braucht noch Feinschliff und wir müssen noch etwas klären; aber auf diesen Ansatz wäre ich nie gekommen. Am Ende schaut er zufrieden. Aber auch das nur kurz, so, als hätte er einen “Ruf” zu verlieren. Ich muss innerlich schmunzeln. Im Nachhinein war ich froh, den Energieaufwand betrieben zu haben; in diesem Fall fanden wir einen sehr kreativen Lösungsweg, der mit Leben gefüllt werden konnte. Aber natürlich muss ich immer wieder im Blick behalten, ob Aufwand und Nutzen in einem guten Verhältnis stehen. So viel Zeit und Energie ist im Rahmen der vielfältigen Führungsaufgaben schlicht nicht immer verfügbar. Am Ende bin ich jedoch davon überzeugt, dass sich die Qualität bzw. Kultur einer Organisation daran ablesen lässt, wie mit Querköpfen umgegangen wird. Deren Input zu ignorieren, geht genauso wenig, wie ihnen jeglichen Raum zu bieten. Ein gesundes Maß zu finden, ist für alle Beteiligten – Querköpfe wie Führungskräfte – häufig eine unerwartete Bereicherung.

Beate van Kempen leitet die Abteilung “Produktmanagement Verbundlösungen” beim LVR Infokom. Foto BS/privat

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