BERGAUF BERGAB Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung

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Hrsg. Th. Stรถllner & K. Oeggl

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Hrsg. Th. Stรถllner K. Oeggl

Deutsches B e r g b a u M u s e u m B o c h u m

Deutsches B e r g b a u M u s e u m B o c h u m


BERGAUF BERGAB 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen Wissenschaftlicher Beiband zur Ausstellung Im Deutschen Bergbau-Museum Bochum vom 31.10.2015 – 24.04.2016 Im vorarlberg museum Bregenz vom 11.06.2016 – 26.10.2016

Herausgeber: Thomas Stöllner Klaus Oeggl

VML Verlag Marie Leidorf

Bochum 2015


Veröffentlichung aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum Nr. 207

Die Ausstellung und der wissenschaftliche Beiband wurden ermöglicht mit freundlicher Unterstützung folgender Institutionen: DMT – Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH, Bochum Forschungszentrum HiMAT, Innsbruck Keltenmuseum Hallein (Beiband) Südtiroler Landesmuseen (Beiband) Verein Tiroler Bergbau- und Hüttenmuseum Brixlegg, insbesondere das Bergbau Aktiv Team vorarlberg museum Bregenz Wolfram Bergbau- und Hütten AG, St. Martin universität innsbruck

Forschungszentrum

HiMAT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum © Deutsches Bergbau-Museum Bochum Erarbeitung des Beibandes und Konzept Thomas Stöllner Klaus Oeggl Wissenschaftliches Review Vergleiche Liste Review im Anhang Redaktion Veronika Schaffer Lektorat Gabriele Körlin Manfred Linden Gero Steffens Thomas Stöllner Gestaltung Petra Eisenach Karina Schwunk Layout und Satz Petra Eisenach

Jennifer Garner Hans-Jörg Lauffer Karina Schwunk Angelika Wiebe-Friedrich Übersetzungen Thomas Timlin Karte Jennifer Garner Annette Hornschuch Herstellung Griebsch & Rochol Druck GmbH, Oberhausen In Kommission bei VML Verlag Marie Leidorf GmbH, Rahden/Westf. Geschäftsführer: Dr. Bert Wiegel Stellerloh 65 - D-32369 Rahden/Westf. Tel: +49 (0)5771/9510-74 Fax: +49 (0)5771/9510-75 E-Mail: info@vml.de Homepage: www.vml.de ISBN: 978-3-86757-006-0


Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber ..........................................................................................7 Thomas Stöllner & Klaus Oeggl Grußwort ........................................................................................................................9 Andreas Rudigier

I. Prolog

11

Die Entstehung der Gesteine und Erzlagerstätten der Ostalpen ...............13 Matthias Krismer & Peter Tropper Die Erzmineralien des historischen Bergbaues in Tirol ................................19 Peter Tropper, Matthias Krismer & Benno Baumgarten Bedeutende Verkehrslinien in prähistorischer und römischer Zeit in den Ostalpen .........................................................................................................29 Andreas Lippert Die Geschichte der Almwirtschaft auf dem Dachsteingebirge.................... 37 Franz Mandl Vegetationsgeschichte und Landnutzung .........................................................43 Klaus Oeggl

II. Nicht nur Bunte Steine - Bergbau des 8. bis 3. Jt.

51

Jägerische Archäologie im Hochgebirge ............................................................53 Walter Leitner

Das Beil des Mannes aus dem Eis........................................................................89 Günther Kaufmann

III. Kupfer - Wirtschaftsmetall der Bronzezeit

97

Die alpinen Kupfererzreviere: Aspekte ihrer zeitlichen, technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung im zweiten Jahrtausend vor Christus ........................................................................................99 Thomas Stöllner Fahlerz- und Kupferkiesnutzung in der Bronze- und Eisenzeit .................107 Ernst Pernicka & Joachim Lutz Eisenzeitliche Nutzung alpiner Kupferlagerstätten .....................................113 Joachim Lutz & Roland Schwab Die Besiedlungsgeschichte der Ostalpen in der Früh- bis Mittelbronzezeit: Kolonisation und wirtschaftlicher Neuanfang. Teil 1.............117 Thomas Stöllner Die frühe Siedlungskammer im Salzachpongau............................................125 Andreas Lippert Die Besiedlungsgeschichte der Ostalpen in der Früh- bis Mittelbronzezeit: Kolonisation und wirtschaftlicher Neuanfang. Teil 2.............129 Ulrike Töchterle Zur Besiedlungsgeschichte der Ostalpen in der Mittel- bis Spätbronzezeit: Bestand, Kolonisation und wirtschaftlicher Neuanfang in der mittleren und späten Bronzezeit in Nordtirol .............135 Markus Staudt & Gerhard Tomedi

Die Ostalpen als Abbaugebiet und Versorgungsregion für Silex und Bergkristall in der Prähistorie.......................................................................59 Walter Leitner, Michael Brandl & Thomas Bachnetzer

Bronzezeitliche Siedlungsgeschichte in Südtirol ..........................................145 Hubert Steiner & Umberto Tecchiati

Rohstoffe und Fertigprodukte im Inntal als Gegenstand transalpiner Austauschbeziehungen im Jung- und Endneolithikum ......................71 Ulrike Töchterle

Prähistorische Kupfergewinnung aus Fahlerzen der Lagerstätte Schwaz-Brixlegg im Unterinntal, Nordtirol .....................................................151 Gert Goldenberg

Das Kupfer der Mondseegruppe ........................................................................... 77 Ernst Pernicka & Carolin Frank

Das prähistorische Bergbaugebiet in der Region Kitzbühel ......................165 Thomas Koch Waldner & Michael Klaunzer

Frühe Siedlung und Kupfermetallurgie in Südtirol: Milland bei Brixen ...........................................................................................................................83 Umberto Tecchiati

Der Mitterberg als Großproduzent für Kupfer in der Bronzezeit ..............175 Thomas Stöllner

3


Inhaltsverzeichnis

Der prähistorische und mittelalterlich –frühneuzeitliche Bergbau in St. Veit im Pongau ..............................................................................................187 Robert Krauß

Die prähistorischen Salzbergwerke von Hallstatt.........................................289 Hans Reschreiter & Kerstin Kowarik

Bronzezeitliche Kupfergewinnung in den Eisenerzer Alpen, Steiermark.................................................................................................................195 Susanne Klemm

Holz - ein wichtiges Betriebsmittel im bronzezeitlichen Salzbergbau in Hallstatt .......................................................................................297 Michael Grabner, Hans Reschreiter, Kerstin Kowarik, Georg Winner & Andrea Klein

Bronzezeitliche Kupferverhüttung in Trentino...............................................201 Elena Silvestri, Andreas Hauptmann, Paolo Bellintani, Elisabetta Mottes & Franco Nicolis

Hallstatt und die Fleischversorgung bronzezeitlicher Bergbausiedlungen ................................................................................................................305 Erich Pucher

Urnenfelderzeitlicher Kupferbergbau in Niederösterreich.........................209 Peter Trebsche

Umfeld und Versorgung des Hallstätter Salzbergbaus von der Mittelbronzezeit in die Ältere Eisenzeit...........................................................309 Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter, Julia Klammer, Michael Grabner & Georg Winner

Prähistorische Kupferproduktion im Oberhalbstein (Graubünden, Schweiz).....................................................................................................................215 Leandra Naef Experimentelle Archäologie zu ostalpinen Aufbereitungs- und Hüttenprozessen .....................................................................................................221 Daniel Modl Alpines Kupferschmelzen – technologische Aspekte ..................................225 Erica Hanning, Hannes Herdits & Elena Silvestri Guss- und Schmiedetechnik der Bronzezeit – ein Überblick .....................233 Mathias Mehofer Dendro-Daten zum prähistorischen Kupferbergbau in Westösterreich ............................................................................................................................239 Kurt Nicolussi, Thomas Pichler & Andrea Thurner Holz im bronzezeitlichen Bergbau der Ostalpen...........................................247 Peter Thomas Aspekte der Versorgung bronzezeitlicher Bergbaugebiete ........................255 Klaus Oeggl & Anton Stefan Schwarz Fleischkonsum der bronzezeitlichen Bergleute ............................................263 Jörg Schibler, Elisabeth Marti-Grädel, Barbara Stopp & Heidemarie Hüster Plogmann Eliten der Früh- und Mittelbronzezeit und ihre Beziehungen zum Kupferbergbau der Ostalpen ...............................................................................265 Gerhard Tomedi Das Brandgräberfeld Vomp – Fiecht-Au im Unterinntal und die Nordtiroler Urnenfelderzeit .................................................................................273 Wolfgang Sölder

IV. Das Salz der Bronze- und Eisenzeit

281

Salz als Lebens- und Wirtschaftsmittel ............................................................283 Thomas Stöllner

4

Textilien und Textilnutzung in Hallstatt und Hallein ...................................319 Karina Grömer Der Dürrnberg bei Hallein als Kultur- und Wirtschaftsraum .....................325 Thomas Stöllner Der Salzbergbau am Dürrnberg im Umfeld der ostalpinen Salzgewinnung ........................................................................................................335 Thomas Stöllner Holznutzung und Ernährung der Dürrnberger Bergleute ...........................345 Nicole Boenke Eisenzeitliche Holznutzung in der Gewerbesiedlung Ramsautal am Dürrnberg bei Hallein.....................................................................................351 Wolfgang F.A. Lobisser Die Fleischversorgung der Dürrnberger Bergleute ......................................357 Erich Pucher Eisenzeitliche Solenutzung bei St. Magdalena im Halltal, Nordtirol ......361 Alexander Zanesco

V. Rohstoffe für das Imperium - Die Römer in den Alpen

367

Blei, der Glanz von Frög ........................................................................................369 Paul Gleirscher Keltisch-römischer Edelmetallbergbau in den Hohen Tauern? ................373 Paul Gleirscher Norischer Stahl - Römische Eisenproduktion in Kärnten ............................377 Brigitte Cech Die Goldbarrengießerei in der Stadt auf dem Magdalensberg Einblicke in einen kaiserlich römischen Hightec-Betrieb ...........................383 Heimo Dolenz


Inhaltsverzeichnis

Die Versorgung des Alpenraums mit Blei in römischer Zeit ......................389 Michael Bode, Norbert Hanel & Peter Rothenhöfer Die prähistorische und mittelalterliche Eisenindustrie des Burgenlandes - Eine Forschungsgeschichte ...................................................395 Hannes Herdits ,,Schätze der Alpen’ʼ: ein Überblick über die südlichen Alpen ..................401 Marco Tizzoni

Aufschwung der Salzgewinnung im Früh- und Hochmittelalter im ostalpinen Raum ...............................................................................................491 Fritz Koller Mittelalterliche Salzgewinnung im Spiegel montanarchäologischer Befunde ..........................................................................................................495 Thomas Stöllner

VII. Aufbruch in die Jetztzeit VI. Macht und Münze - Der Streit um die Regalien

411

Die Etablierung der Berggemeinde und des kodifizierten Bergrechts: Das Trienter Bergrecht ............................................................................413 Christoph Bartels Spätmittelalterlicher Bergbau im Ostalpenraum ..........................................419 Klaus Brandstätter † Toponyme als Quellen der mittelalterlichen Bergbaugeschichte der Ostalpen .............................................................................................................425 Elisabeth Gruber & Peter Anreiter Lavezabbau am Pfitscherjoch in den Zillertaler Alpen, Nordtirol ............431 Thomas Bachnetzer, Michael Unterwurzacher, Walter Leitner & Peter Anreiter Das Churrätische Reichsurbar als schriftliches Zeugnis für die frühmittelalterliche Eisenverhüttung ...............................................................441 Georg Neuhauser ,,Argentifodinam seu montem dictum Mùntafùne’ʼ - 1000 Jahre Bergbau im südlichen Vorarlberg.......................................................................447 Georg Neuhauser Das Berggericht Montafon in der frühen Neuzeit .........................................455 Georg Neuhauser Ein mittelalterliches Montanrevier im Montafon in den Zentralalpen, Vorarlberg .....................................................................................................463 Rüdiger Krause, Franziska Würfel, Astrid Röpke, Rudolf Klopfer, Josephine Friederich & Tanja Zerl

509

Der alpine Bergbau und die globale Rohstoffversorgung im 16. bis 18. Jahrhundert - Aufbruch zu neuen Welten ....................................511 Christoph Bartels Das Schwazer Bergbuch in seinem historischen und technologischen Kontext ..........................................................................................................519 Christoph Bartels & Andreas Bingener Bergbau in Schwaz im 15. bis 18. Jahrhundert ..............................................527 Andreas Bingener & Christoph Bartels Bevölkerungsdynamische und wirtschaftliche Prozesse im Großraum Schwaz vom Spätmittelalter bis zur Frühen Neuzeit ..............533 Klaus Brandstätter † Bergbau am Rerobichl ...........................................................................................537 Anita Feichter-Haid ,,Bey guetem fleisch kann kainer bsten, mit Perckmüesern sich müessen begen’ʼ– Die Lebensmittelversorgung der ,,Tiroler Montanreviere’ʼ im Mittelalter und der Frühen Neuzeit .............................541 Georg Neuhauser Waldnutzung und Waldentwicklung in der Grafschaft Tirol im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit..........................................................547 Klaus Brandstätter †, Georg Neuhauser & Bettina Anzinger Der Südtiroler Erzbergbau im Mittelalter und das Bergrevier Klausen in der frühen Neuzeit ............................................................................553 Bettina Anzinger & Georg Neuhauser Edelmetallbergbau in den Hohen Tauern........................................................565 Fritz Gruber

Mittelalterlicher Eisenerzbergbau auf der Alpe Netza/Montafon/ Vorarlberg .................................................................................................................475 Claus-Stephan Holdermann

Tauerngold - Historische und montanarchäologische Zeugnisse zum Edelmetallbergbau in den Ostalpen ........................................................571 Brigitte Cech

Der Monte Calisio ...................................................................................................481 Marco Tizzoni

Holzkohlenproduktion in den Ostalpen in Mittelalter und Neuzeit, am Beispiel der archäologischen Befunde in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark................................................................................................577 Susanne Klemm

Erste Ergebnisse montanarchäologischer Forschungen zum mittelalterlichen Bergbau auf dem Plateau des Monte Calisio (Trentino, Italien).....................................................................................................485 Lara Casagrande & Martin Straßburger

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Inhaltsverzeichnis

VIII Epilog - Was bleibt

585

Vom Gold zum Radon-Heilstollen: Niedergang und Neuanfang des Edelmetallbergbaus in den Hohen Tauern zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert......................................................................................587 Fritz Gruber Granat aus den Ost-Alpen: Geschichte - Verarbeitung und Nutzung.......593 Walter Ungerank S端dtiroler Marmore - Vorkommen und Verwendung ....................................599 Michael Unterwurzacher & Ulrich Obojes

Autorenverzeichnis.................................................................................................609 Wissenschaftliches Review ..................................................................................617

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M端hlbach, Mitterberg, Aufbereitungsexperimente (Foto: DBM, K. Stange, AVttention)


Der Mitterberg als Großproduzent für Kupfer in der Bronzezeit

Thomas Stöllner

Der Mitterberg Hotspot der Forschung seit über 180 Jahren Wenn die Forschung heute über Bergbau in der Bronzezeit nachdenkt, sind es nicht selten die Befunde des berühmten Reviers am Mitterberg, die als anschauliche Beispiele herangezogen werden. Und tatsächlich gibt es kaum ein Abbaugebiet in den Ostalpen und weit darüber hinaus, das eine solche Dichte und Überlieferungsqualität aufweisen kann, wie eben das Gebiet zwischen Mühlbach am Hochkönig, Bischofshofen und St. Johann im Pongau. Das hängt nicht nur an einer sehr langen und erfolgreichen Forschungsgeschichte, die eigentlich bis zur modernen Entdeckung der Lagerstätte nach 1827 zurückreicht1 (Abb. 2). Es ist auch die Tatsache, dass es sich beim sog. Mitterberg um die wahrscheinlich mächtigste Kupfererzlagerstätte der Ostalpen handelt. Das Toponym „Mitterberg“ bezeichnet eigentlich nur das Gebiet jener Alm, die zwischen dem Hochkeil im Osten und dem Hochkönig bzw. dem Dientner Sattel im Westen liegt (Abb. 3). Längst hat sich der Begriff auf das gesamte Areal ausgedehnt, wohl auch weil die anfänglich hier arbeitende Mitterberg-Kupfergenossenschaft ihre Aktivitäten weit bis nach Osten und auf andere Lagerstätten ausgedehnt hat, z.B. die Lagerstättenpartien des sog. Hauptganges, des Südreviers (Brander-, Burgschweig- und Birkstein-Gang) sowie jene des Ostreviers (Winkel- und Buchberggang) (Abb. 4). Die Lagerstättengenese des Gebietes ist einigermaßen komplex und so unterscheiden wir prinzipiell zwischen den schichtparallel in die Schiefer der sog. Grauen Serie eingelagerten Vererzungen z.B. des Südreviers und jenen, die wie der Hauptgang diskordant in eine tektonische Verwerfung der sog. Violetten Serie abgelagert wurden2. Die in der Regel aus mehreren parallelen Vererzungen von wenigen Zentimetern bis Dezimetern Mächtigkeit bestehenden Kupferkiesgänge konnten vereinzelt bis 4 m mächtige Gangpartien erreichen (Abb. 1); auf Basis der von der Mitterberger Kupfergesellschaft angefertigten Seigerrisse konnten K. Zschocke und E. Preuschen Vorstellungen zur Gesamtfördermenge der Urzeit entwickeln, die jüngst mit neuen Überlegungen ergänzt wurden (Zschocke & Preuschen, 1932:128ff.; Stöllner et al., 2011): Mindestens 20.000 t Rohkupfer sollten demnach in den Handel gelangt sein. Kupfer vom Typ Mitterberg findet sich im Analysenbestand prähistorischer Bronzen praktisch in gesamt Mitteleuropa, selbst wenn nicht immer sicher ist, ob es sich um Kupferkieskupfer aus den Ostalpen oder speziell um Mitterberger Kupfer gehandelt hat. Eine Neubewertung alter Analysenergebnisse zuzüglich neuer Messergebnisse wird hier sicher weitere Klarheit bringen3. Dennoch ist daran zu erkennen, dass Kupfersorten der Zusammensetzung „Mitterberg“ vor allem in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends AC sehr beliebt und weit verbreitet gewesen sind. Trotz der intensiven und lang andauernden Forschungsgeschichte blieb der Forschungsstand zum Mitterberg-Gebiet mit vielen Fragen behaftet: Der Schwerpunkt der älteren Forschungen galt der Bergbau-, Aufbereitungs-

Abb. 1. Der durch den Pyrit goldglänzende Kupferkies war das in der Bronzezeit hauptsächlich abgebaute Mineral (Foto: DBM, AVttention, K. Stange).

und Hüttentechnologie, doch konnten viele Fragen zur Subsistenz und wirtschaftlichen Einbindung des Mitterberger Bergbaubetriebes in sein alpines Umfeld nicht beantwortet werden. Allein die schiere Größe des Reviers, die komplexe landschaftliche Gliederung wie auch die Vielfältigkeit der kupfer- bis bronzezeitlichen Montanzeugnisse verhinderten lange eine umfassende Forschungsstrategie. Der Schwerpunkt der jüngeren Forschungen (u.a. im Rahmen des SFB HiMAT) definierte sich daher aus den Desideraten der bisherigen Forschungen und setzte einerseits bei Fragen der Bergbautechnik, der Aufbereitungs- und Hüttentechnik an. Prospektionen und davon ausgehend Sondagegrabungen haben andererseits detaillierte Einblicke in die übertägigen Betriebspunkte gebracht. Gerade die ersten Schritte der feineren Erzaufbereitung, insbesondere die Lage zentraler Nassaufbereitungsplätze, haben uns bisher interessiert. An diesen Plätzen dürfte auch

Abb. 2. Die Kupferscheibe des ersten 1849 in der Mitterberger Hütte gewonnenen Schwarzkupfers markiert den Abschluss der schwierigen Wiedererschließungsgeschichte der Mitterberger Lagerstätte im 19. Jahrhundert (Foto: DBM, M. Schicht).

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Stöllner Der Mitterberg als Großproduzent für Kupfer in der Bronzezeit

Abb. 3. Gebirgslandschaft um Troiboden und Hochkeil mit Hochkönig und Tennengebirge (Foto: DBM, AVttention, K. Stange).

Abb. 4. Übersichtskarte zu den Fundstellen des Mitterberg-Gebietes zwischen dem Salzachknie im Süden und dem Pass Lueg im Norden; deutlich ist die Konzentration der Siedelplätze und Gräberfelder entlang des Flusses Salzach, wie auch der Schmelzplätze und Kupferbergwerke östlich und westlich davon entlang der hauptsächlichen Gangvererzungen; die Kartierung der Schmelzplätze ist auf dem Stand von Zschocke & Preuschen (1932) (nach Stöllner, Eibner & Cierny 2004, Abb. 1).

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Stöllner Der Mitterberg als Großproduzent für Kupfer in der Bronzezeit

Abb. 5. Experimentalarchäologische Arbeiten von E. Hanning (DBM, heute RGZM) haben wesentliche Einblicke in die Fundktionsweise der Schachtöfen erbracht (Foto: DBM, AVttention, K. Stange).

die Herstellung von Erzmischungen für den Schmelzprozess vorgenommen worden sein. Daraus lassen sich letztlich ähnlich wichtige wirtschaftliche Kennzahlen ableiten, wie aus den Hüttenplätzen selbst. Diese erlauben vor allem durch die teilweise noch erhaltenen Schlackenhalden einen Zugriff auf die Frage, wie oft und in welcher Intensität verhüttet wurde, ja letztlich wie viele Ofenreisen gefahren und welche Kupfermengen produziert wurden (Hanning et al., 2013) (Abb. 5). Nicht unwesentlich zum Verständnis des gesamten Areals ist die Datierung von Hüttenplätzen und anderer obertägiger Betriebspunkte. Erstmals sollte eine flächige Gesamtbeurteilung über die diachronen Veränderungen der Produktionsintensität im gesamten Betriebszeitraum versucht werden. Sie geben einen chronologischen Rahmen für die Betriebsgeschichte innerhalb einzelner Zonen des Areals, und ermöglichten zudem jahrgenaue Datierungen archäologischer Befunde. Die Ergebnisse vermitteln aber auch die Geschichte der Waldnutzung, da der Wald mannigfacher Energieträger und Produzent des für den Bergbau unerlässlichen Grubenholzes gewesen ist. Und letztlich verhelfen auch die geochemischen und mineralogischen Charakterisierungen von Erzen aus einzelnen Gängen nicht nur zu detaillierteren Einblicken in Bezug auf den Gütertausch mit ferneren Regionen, sondern auch auf regionale Komponenten des Wirtschaftsverkehrs (Kluwe, 2013).

Der Arthurstollen der tiefste Betriebspunkt der Kupfererzgewinnung in den Ostalpen Die Leistungsfähigkeit des Montanwesens wird in eindrucksvoller Weise durch den wohl bedeutendsten Aufschluss des ostalpinen Kupferbergbaues des 2. Jahrtausends belegt: Im Arthurstollen haben die seit 1991 neu eingesetzten Forschungen ein äußerst komplexes Grubengebäude ans Licht gebracht, dass nicht nur über den Abbau der Kupferkiesgänge informiert (Abb. 6). Die bisher freigelegten Grubenbauteile sind vor allem für das Verständnis bronzezeitlicher Ingenieurskunst ein bislang einzigartiges Dokument (z.B. Eibner, 1992; 1998; Stöllner et al., 2009; 2012a; Stöllner, 2011; Thomas, 2012). Nach Auflassung des Kupferbergbaues am Mitterberg zählt der Arthurstollen heute zu dem letzten untertägigen Bereich, in dem ein Kupferbergbau vom Typ Mitterberg – zumal in beträchtlicher Teufe – studiert werden kann. Vor allem die Grabungen seit 2002 haben mittlerweile höchst bedeutsame Erkenntnisse zu einem mittelbronzezeitlichen Bergwerk in 170 bis 210

m Teufe erbracht: Die Erhaltungsbedingungen sind einzigartig, die sich hier in zum Teil unter Wasser stehenden Grubenbauen ergeben (Abb. 7). In vielen Fällen stehen die bronzezeitlichen Verzimmerungen noch in situ und erlauben so das Studium ihrer Funktionsweise (Boenke & Thomas in Stöllner et al., 2009:116–122; Thomas, 2009; 2012) (Abb. 8). Die Untersuchungen lassen erkennen, dass der Tiefbergbau im Südrevier teilweise anderen technischen Prinzipien folgte, als jener des Hauptganges: So wurde – wohl aus Bewetterungsgründen – kein Feuersetzen angewandt, sondern nur durch Schrämarbeit abgebaut. Nach Lage der obertägigen Prospektionen (zuletzt im Jahr 2006) und den älteren Grabungen nahe des Höchbauerngutes muss damit gerechnet werden, dass die Grubenbaue von tonnlägigen Zubauen von Osten her oder durch „Verwerfer“ querschlägig her aufgefahren wurden (Stöllner et al., 2009; Aspekte schon bei Kyrle, 1918; zuletzt Thomas, 2012). Dabei ist der Abbau durch einen stark absätzigen Erzkörper innerhalb des sog. Branderganges geprägt: Die immer wieder auslaufende Kupferkiesführung der Gänge zwang die Bergleute zu höchst aufwendigen Streckenanlagen. Auf nahezu 100 m Länge sind zwei ausgeerzte Gangbereiche nachgewiesen (sog. Ost- und Westtrumm). Durch eine technische Meisterleistung der Bronzezeit wurden diese Abbaubereiche im sog. Gegenortbetrieb punktgenau verbunden4. Dies muss auf eine Art Vermessung zurückgeführt werden, die in der Lage war, einfache Winkel und Höhenberechnungen durchzuführen. Ein Hinweis auf solch eine frühe Vermessungstechnik erhielten wir 2004 durch den Fund eines zirkelartigen Gerätes in der sog. Nordstrecke, einer unregelmäßigen Suchstrecke im Ostteil des Bergwerkes (zum Gerät siehe Abb. 9; Thomas, 2009:122; weitere Aspekte der Grubenvermessung bei Thomas, 2012). Wie die Abbaue im Einzelnen angelegt wurden und wie diese aufwendigen Suchstrecken zu verstehen sind, hat sich erst im Laufe der fortschreitenden Grabung 2002–2013 unter Tage gezeigt. Die Vertaubung des Erzganges im sog. östlichen Gangtrumm hat zunächst zur Anlage von Sondierungsund Suchstrecken im Norden bzw. nach Nordwesten der Erzpartien geführt (Abb. 6). Offensichtlich wurden die nach Norden gerichteten Suchstrecken zunächst intuitiv vorgetrieben. Diese haben – wie vor allem die bis 2005 erforschte Nordstrecke zeigt – jede Kleinvererzung verfolgt (z.B. sog. Nordstrecke; der Ciernybau). Auch zeigt sich heute, dass der Ingenieurbau erst in einer zweiten Phase vorgetrieben worden ist und von einer bis zu einem Gesenk vorgetriebenen Suchstrecke plangerichtet angelegt wurde. Dies aber bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt der im Westen liegende Abbau samt seiner Auffahrung nach Norden (die den Zubau zu unserem Ingenieurbau darstellt) schon aufgefahren gewesen war. Genau dieser Frage gingen vor allem die Forschungsarbeiten seit 2003 im Bereich des sog. Tiefbaues nach, der ein Teil des sog. westlichen Gangtrumms darstellt (Abb. 10). Dieser Grubenbauteil war durch Räumen der Verwerfungszone entstanden, die letztlich auch als Ursache für die Vertaubung des Erzkörpers im Osten in Anschlag zu bringen ist. 2007 wurde dort am westlichen Rand der ausgeräumten Zone eine befahrbare Strecke entdeckt, die von Osten her aufgefahren worden war. Durch sie wurde offensichtlich auch der abgescherte Erzgang des westlichen Gangtrumms wieder in Abbau genommen. Es dürfte sich also um die ursprüngliche Aufschließungsstrecke aus dem östlichen, vertaubten Gangtrumm handeln, was 2010 durch das Auffinden einer Verbindung zum östlichen Gangtrumms eindrucksvoll bestätigt wurde. Die Strecke wurde wahrscheinlich ursprünglich von der Sohle des östlichen Abbaues in Richtung der verfüllten tektonischen Verwerfung nach WSW vorgerichtet. Später wurde diese Verbindung planmäßig verfüllt, möglicherweise deshalb, weil ein Versturz

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Stöllner Der Mitterberg als Großproduzent für Kupfer in der Bronzezeit

Abb. 6. Grundriss des mittelbronzezeitlichen Grubengebäudes im Arthurstollen, Stand der Ausgrabungen 2013 (Vorlage: DBM).

des östlichen Gangtrumms (oder auch eine planmäßige Versetzung) die Strecke außer Betrieb setzte. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der höher liegende Ingenieurbau als jüngster Verbindungsbau angelegt wurde, als man die ursprüngliche Aufschließungsstrecke nicht mehr benützen konnte. Interessant und auch für die Deutung des Ingenieurbaues von Belang ist die Tatsache, dass auch nach der Versetzung von Oststrecke und Teilen des Tiefbaues im Zentralteil ein „Fahrtrumm“ offengehalten und ausgezimmert wurde: Dieser Streckenteil ermöglichte die Verbindung in höhere aber auch tiefere Abbauteile des Ganges und sicherte die Wetterführung. Auch der Ingenieurbau, der über die schon erwähnte Verwerfung in diesen Wetterzug eingebunden war, sicherte diese Bewetterung vielleicht zu bestimmten Zeiten. So erklärt sich u.a. auch das sehr enge „Fuchsloch“, dass durch den Gegenortbetrieb an der Stelle des Zusammenschlusses entstanden war, aber eben nur so klein blieb, dass ein beständiger Wetterstrom möglich war. Die jüngsten Untersuchungen haben sich 2007–2013 auch den weiteren Räumen des Abbaues im westlichen Gangtrum gewidmet: Geklärt werden sollte, in welcher Technik und bis zu welcher Teufe unterhalb der Stelle, an der der Erzgang wieder aufgefunden wurde (der Bereich der sog. Mittleren Bühne), der Gang abgebaut wurde. Nach Art der Querzimmerungen und des regelmäßigen Nachweises von Laufschichten ist mittlerweile klar, dass an den horizontalen Abhüben mit schwebenden Sohlen sowohl an den Firsten als auch den Sohlen im Erzgang gearbeitet wurde. Seit 2010 schließlich wurde vor allem an einem bronzezeitlichen Feldort etwa weitere acht Meter unter der sog. Mittleren Bühne (dem Bereich des ursprünglichen Zusammenschlusses der Oststrecke mit dem westlichen Liegendtrumm des Erzkörpers) gearbeitet (Abb. 6). Dort war ein etwa 2,2 m hoher Hohlraum auf 6 m Länge

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offen und konnte erstmals befahren und dokumentiert werden (Abb. 11). Neben in situ befindlichen Querstempeln lagen dort auch eine Reihe zusammengeschwemmter Stempel und Verzimmerungshölzer. Mittlerweile ist klar geworden, dass dieser Feldort als ein ursprünglich offener Förderort in noch tiefere Bereiche des Grubenbaues genutzt wurde; er wurde an einer neuralgischen Gebirgsverengung angelegt, mit einem standfähigen Felsabsatz ausgestattet und an beiden Enden massiv ausgezimmert. Insgesamt kann der bronzezeitliche Abbau im Arthurstollen in einer Höhe von mehr als 30 m dokumentiert werden, was für die Bronzezeit weltweit einzigartig ist.

Abb. 7. Freilegungsarbeiten von feucht konservierten Holzartefakten im mittelbronzezeitlichen Grubengebäude im Arthurstollen (Foto: DBM, AVttention, K. Stange).


Stöllner Der Mitterberg als Großproduzent für Kupfer in der Bronzezeit

Abb. 8. Westliches Gangtrumm, Tiefbau 2012, in situ befindliche Zimmerung mit Kopfholz (Foto: DBM, P. Thomas).

Abb. 9. Zirkelartiges Gerät mit nietartiger Achse (vor der Restaurierung) (Vorlage DBM, P. Thomas).

Abb. 10. Grabungen im Tiefbau des mittelbronzezeitlichen Grubengebäudes im Arthurstollen zählen aufgrund der Enge zu den schwierigsten archäologischen Unternehmungen im Mitterberggebiet (Foto: DBM, AVttention, K. Stange).

Abb. 11. Westliches Gangtrumm, Tiefbau 2013, offener Streckenteil von Ost nach West mit Querzimmerung und Engstelle in einen tieferen, versetzten Grubenteil (Foto: DBM/RUB, Th. Stöllner,).

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