Musikfest Berlin 2019 – Abendprogramm Alexander Melnikov 1.9.

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Berliner Festspiele

# musikfestberlin

MUSIK FEST BERLIN

In Zusammen­ arbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker

1.9. 2019 Matinee

Alexander Melnikov


Berliner Festspiele

Les Siècles

15.9.

So 20:00 Philharmonie

Jean-Philippe Rameau Orchestersuite aus Les Indes Galantes Helmut Lachenmann Mouvement (– vor der Erstarrung)

für Ensemble

Hector Berlioz Harold en Italie op. 16

Symphonie in vier Teilen mit konzertanter Viola

Tabea Zimmermann Viola Orchestre Les Siècles François-Xavier Roth Leitung

„Ein wirklicher Champion für Berlioz!“ Sir John Eliot Gardiner über François-Xavier Roth


MUSIK FEST BERLIN

30.8.– 19.9. 2019

In Zusammen­­arbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker


Bildnachweise S. 8

E ugène Atget (1857 – 1927), Fontaine in Sceaux, 1921, Metropolitan Museum of Arts, Foto: Wikimedia Commons S. 10 F élix Nadar (1820 – 1910), Gioacchino Rossini, Foto: Wikimedia Commons S. 11 P ierre Petit (1832 – 1909), Hector Berlioz, 1863, Foto: Wikimedia Commons S. 12 A lexander Melnikov © Julien Mignot


MUSIKFEST BERLIN 2019

Sonntag 1. September 11:00 Uhr

Konzertprogramm

S. 5

Michael Stegemann Weisheiten der Jugend, Sünden des Alters

S. 6

Komponisten

S. 10

Interpret

S. 12

Musikfest Berlin 2019 im Radio und online

S. 17

Musikfest Berlin 2019 Programmübersicht

S. 18

Impressum

S. 20

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Bitte schalten Sie Ihr Mobiltelefon vor Beginn des Konzerts aus. Bitte beachten Sie, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen GrĂźnden nicht gestattet sind. 4


PROGRAMM

Matinee

Gioacchino Rossini  (1792 – 1868 ) aus den  Péchés de vieillesse  (1857 – 1868 )

Petit Caprice (Style Offenbach) Kleines Capriccio im Stile Offenbachs

L’innocence Italienne – La candeur Française Italienische Unschuld – Französische Offenherzigkeit

Prélude inoffensif Ungefährliches Präludium

Une caresse à ma femme Eine Liebkosung für meine Frau

Un petit train de plaisir – comico-imitatif Ein kleiner Vergnügungszug – Comico-imitatif So, 1.9.

Pause

11:00

Hector Berlioz  (1803 – 1869 ) / Franz Liszt  (1811 – 1886 )

Kammermusiksaal

Symphonie fantastique op. 14  Épisode de la vie d’un artiste

bearbeitet für Klavier von Franz Liszt  (1833, revidiert ca. 1876) I II III IV V

Rêveries – Passions  (Träumereien – Leidenschaften) Un Bal  (Ein Bal) Scène aux Champs  (Szene auf dem Lande) Marche au Supplice  (Der Gang zum Richtplatz) Songe d‘une Nuit de Sabbat (Hexensabbat)

Alexander Melnikov Klavier

Alexander Melnikov spielt heute Abend auf einem Flügel von Sébastien Érard (1752  –  1831). Es handelt sich um ein originales Érard Piano à queue de concert „Grand Modèle“ (ca. 1885) aus der Sammlung Alexander Melnikovs, restauriert 2013 von Markus Fischinger.

Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele   /   Musikfest Berlin

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ESSAY

Weisheiten der Jugend, Sünden des Alters

D

ie Uraufführung der  Symphonie fantastique  von Hector Berlioz am Sonntag, dem 5. Dezember 1830 war nicht nur ein Wendepunkt der Musikgeschichte, sondern auch der Auftakt einer lebenslangen Freundschaft, die den französischen Komponisten mit dem acht Jahre jüngeren Franz Liszt verband. Noch am Abend des Konzerts „hat mich Liszt, der berühmte Pianist, quasi gewaltsam zu sich nach Hause zum Essen mitgenommen und mich mit grenzenloser Begeisterung überschüttet“, berichtet Berlioz tags darauf seinem Vater. Und schon bei diesem ersten Treffen scheint der 19-jährige Liszt den Entschluss gefasst zu haben, die Symphonie für Klavier zu transkribieren, wie ein Brief Berlioz’ vom 21. Dezember beweist: „Monsieur, ich konnte Ihnen die Partitur meiner Symphonie nicht früher schicken und muss zudem die  scène du Bal  (den zweiten Satz) zurückhalten, die ich selbst für Klavier bearbeite. Ich fürchte fast, Ihre Zeit und Ihren guten Willen zu missbrauchen, wenn ich Sie bitte, die Noten genau durchzu­ schauen; seien Sie meiner Dankbarkeit für all die Ermutigung gewiss, Monsieur, die Sie mir schon ausgesprochen, und für alle guten Ratschläge, die Sie mir versprochen haben; sie sind für mich von unschätzbarem Wert.“ 6

Die Freundschaft wuchs schnell und intensiv. „Litz“ (wie Berlioz den Namen in seinen Briefen zumeist schreibt) war sogar einer der Trauzeugen, als Berlioz am 3. Oktober 1833 die englische Schauspielerin Harriet Smithson heiratete. Vielleicht entstand für diesen Anlass das kleine  Andante amoroso  für Klavier – eine freie Paraphrase über die  Idée fixe, die 1833 bei Brandus in Paris erschien und die Keimzelle der Transkription der kom­ pletten  Symphonie fantastique  darstellt, die Liszt auf eigene Kosten im November 1834 bei Maurice Schlesinger stechen ließ. „Der arme Liszt hat eine solche Unmenge an Geld für diesen Druck ausgegeben, dass wir mit Schlesinger übereingekommen sind, kein einziges Freiexemplar herauszugeben“, schreibt Berlioz am 30. November 1834 an seinen Jugendfreund Humbert Ferrand. Am 28. Dezember spielte Liszt in einem Berlioz-Konzert in Paris den zweiten und vierten Satz seiner Transkription, Un Bal  und die Marche au supplice, die 1866 in einer neuen Transkription bei Rieter-Biedermann erschien. Bis in die 1860er Jahre hat Liszt noch sechs weitere Werke seines Freundes Berlioz übertragen: die Ouvertüre zu der unvollendeten Oper  Les Francs-Juges  (1833), die  G rande Fantaisie symphonique  über Themen aus  Lélio  für Klavier


ESSAY und Orchester (1834), die Symphonie  Harold en Italie  für Viola und Klavier (1836), und daraus als Einzelsatz für Klavier solo die  Marche des pèlerins, die Konzert-Ouvertüre  Le Roi Lear  (1836),  B énédiction  und  S erment  – zwei Motive aus der Oper   Benvenuto Cellini  für Klavier zu zwei und zu vier Händen (1852 / 53), und schließlich die  D anse des Sylphes  aus  La Damnation de Faust  (1866). Die Bedeutung dieser Transkriptionen – und insbesondere die der  Symphonie fantastique  – für die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der Musik Berlioz’ ist kaum zu ermessen. Bis zur Edition der Orchesterpartitur (1845 bei ­Schlesinger) war Liszts „Klavier-Partitur“ die einzige Ausgabe des Werkes, und selbst Robert Schumanns legendäre Rezension in der Neuen Zeitschrift für Musik (1835) stützte sich darauf. Umgekehrt war auch für Liszt die möglichst getreue Übertragung eines Orchesterwerkes – und schon gar eines solchen! – auf das Klavier eine neue Erfahrung, wie er im vierten seiner  Reise­ briefe eines Baccalaureus der Tonkunst  (1837) an Adolphe Pictet über seine Fassung der  Symphonie fantastique  schreibt: „Im Umfang seiner sieben Oktaven umschließt es (das Klavier) den ganzen Umfang eines Orchesters und die zehn Finger eines Menschen genügen, um die Harmonien wiederzugeben, welche durch den Verein von hunderten von Musicirenden hervorgebracht werden. Durch seine Vermittelung wird es möglich Werke zu verbreiten, die sonst von den Meisten wegen der Schwierigkeit ein Orchester zu ver­ sammeln ungekannt bleiben würden. Es ist sonach der Orchesterkomposition das, was der Stahlstich der Malerei ist, welche er vervielfältigt und vermittelt; und entbehrt er auch der Farbe, so ist er doch im Stande Licht und Schatten wieder­zugeben … Ich habe mich gewissenhaft bestrebt, als ob es sich um die Wiedergabe eines heiligen Textes handelte, nicht nur das musikalische Gerüst, sondern auch alle Einzelwirkungen, sowie die vielfachen harmonischen und rhythmischen Zusammen­setzungen dem Klavier zu übertragen ... Ich habe meiner Arbeit den Titel K l a v i e r P a r t i t u r gegeben, um meine Absicht: dem Orchester Schritt für Schritt zu folgen und dem­ selben nur den Vorzug der Massenwirkung und Mannigfaltigkeit der Töne zu überlassen, recht deutlich zu erkennen zu geben.“

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Tatsächlich war die Übertragung der  Sym­ phonie fantastique  (nach zahlreichen freien Para­phrasen und Bravour-Fantasien über Themen anderer Komponisten) die erste notengetreue Adaptation, die Liszt von einem fremden Werk unternahm – und damit auch das Modell seiner „Klavier-Partituren“ der neun Beethoven-Symphonien (1837 – 1864) oder der  D anse macabre  von Camille Saint-Saëns (1876), bei der er allerdings den Komponisten ausdrücklich darum bat, „die Ungeschicklichkeit zu entschuldigen, mit der ich die wunderbaren Farben der Partitur auf das Klavier übertragen habe. Das Unmögliche geht eben nicht. Und niemand hat es noch geschafft, auf dem Klavier ein Orchester zu spielen. Trotzdem muss man immer nach dem  Ideal  streben, über alle Widerspenstigkeit und Unzulänglichkeiten hinweg. Mir scheint, das ist der einzige Zweck des Lebens und der Kunst.“ Knapp anderthalb Jahre, bevor der 27-jährige Hector Berlioz mit seiner  Symphonie fantastique  das Pariser Publikum herausforderte, hatte sich am 3. August 1829 ein anderer Komponist von demselben Publikum – zumindest offiziell – verabschiedet: Mit der Uraufführung seiner vieraktigen Grand Opéra  G uillaume Tell  an der Académie Royale de Musique beendete der erst 37-jährige Gioacchino Rossini seine spektakuläre Bühnenkarriere mit einem 39. und letzten Meisterwerk. Dirigent der Premiere war übrigens FrançoisAntoine Habeneck, der auch die Uraufführung der  Symphonie fantastique  dirigierte. Nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau Isabella Colbran lebte er mit der Französin Olympe Pélissier zusammen – dem Modell des Malers Horace Vernet –, die er 1845 heiratete. 1836 ließ er sich in Bologna nieder und übernahm zwei Jahre später die Leitung des Liceo musicale, bis er vor den Unruhen der Revolution von 1848 nach Florenz floh und schließlich 1855 nach Paris zurückkehrte, wo er auf bessere medizinische Betreuung seiner stark angeschlagenen Gesundheit hoffte. Seine Villa in Passy (am westlichen Stadtrand) wurde bald zu einem der gefragtesten Treffpunkte des Musiklebens der Hauptstadt, und eine (in der Regel gedruckte und mit genauem Programm versehene) Einladung zu den  Samedis Soirs  – den SamstagsSoireen, die Rossini und seine Frau regelmäßig veranstalten – galt als besondere Ehre. Wie schon bei den Salons, die er 1837 in Italien gegeben hatte,


ESSAY

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ESSAY „erregen meine musikalischen Abendveranstal­ tungen einiges Aufsehen … und ich bin gezwungen, mich den ganzen Tag mit der Ablehnung neuer Trabanten herumzuschlagen … Ich gebe gutes Essen, lasse gute Weine durch die Kehle laufen und stoße auf meine Freunde an.“ Und natürlich wurde auch Musik gemacht: Kleine Klavierstücke oder Vokalwerke, die Rossini selbst launig als   Alterssünden  bezeichnete –  P échés de Vieillesse –, und die er zwischen 1857 und seinem Todesjahr 1868 in zwölf  Album  genannten Sammlungen zusammenstellte. Ihre skurrilen Titel lassen an Erik Satie denken, oft mit Bezug auf Rossinis legendäre Kochkünste. Da gibt es zum Beispiel   Vier Knabbereien und vier Hors d’œuvres  (mit den Teilen  G etrocknete Feigen,  Mandeln,  Rosinen  und  Haselnüsse, bzw.  Radieschen,  Anchovis,   Cornichons  und  B utter ), andere Stücke heißen   Ouf! Les petits pois  ( Uff, die Erbsen! ) oder  Hachis romantique  ( Romantisches Gehacktes ). Die klassischen Salon-Tänze werden mit Zusätzen persifliert:  F ausse couche de polka mazurka  ( F ehlgeburt einer Polka-Mazurka ) oder  P etite Polka chinoise, Valse torturée  ( G efolterter Walzer ),   Petite Valse l’huile de Ricin  ( K leiner RizinusölWalzer ),  Valse boiteuse  ( Humpel-Walzer ) oder   Valse anti-dansante  ( Anti-Tanz-Walzer ). Man hütet sich freilich davor, diese Stücke als bloße Gelegenheits-Petitessen zu unterschätzen. Abgesehen von ihrer oft durchaus vertrackten und anspruchsvollen Virtuosität sind sie geistreiche und bissige Kommentare zum aktuellen Musikleben und seinen Protagonisten – nicht nur da, wo sie ausdrücklich genannt werden wie in dem  P etit Caprice, dessen  S tyle Offenbach  den Höllengalopp aus  O rphée aux enfers  parodiert, nachdem sich Jacques Offenbach in  La Belle Hélène  (1864) eine Rossini-Parodie erlaubt hatte. Viele der Stücke sind „Indikatoren einer ästhetischen Reflexion“ (Arnold Jacobshagen), bei der es immer wieder um die Unterschiede zwischen italienischer und franzö­sischer Musik geht – zwischen der „italienischen Unschuld“ einer  Andantino - Barcarole in a-Moll (mit der Spielanweisung morbidamente) und der „französischen Naivität“ eines elegant perlenden  Allegretto-Walzers in A-Dur. Auch das  P rélude inoffensif  ist alles andere als „harmlos“: Mit einer Dauer von rund zehn Minuten ist es eines der längsten der späten Klavierstücke – eine veritable Opernszene, die zwischen innigem Lyrismus und höchster Dramatik alle Register 9

zieht. Ein kleiner Ehestreit findet  Allegretto moderatissimo  mit  Une caresse à ma femme  ( E ine Liebkosung für meine Frau ) sein versöhnliches Ende. Und schließlich gibt es noch eine tragikomische Eisenbahnfahrt an Bord eines Vergnügungszuges zu erleben, zu der Rossini – auch hier wie Erik Satie  avant la lettre – den detaillierten Ablauf in den Noten angegeben hat; er selbst soll den Text beim Spielen laut rezitiert haben: „Läuten zur Ab­fahrt – Einstieg in den Wagon – Der Zug rollt an – Satanisches Pfeifen – Süße Melodie der Bremsen – Ankunft am Bahnhof – Die Pariser Salon­löwen reichen ihren Schätzchen beim Aus­stieg aus den Wagons die Hand – Fortsetzung der Reise – Schreckliches Entgleisen des Zuges – Erster Verwundeter – Zweiter Verwundeter – Erster Toter ins Paradies – Zweiter Toter in die Hölle – Trauergesang – Amen – Mich kriegt man hier nicht hin, G[ioacchino] R[ossini] – Heftiger Kummer der Erben – Das Ganze ist mehr als albern, aber wahr.“ In diesem Sinne:  B on voyage ! Michael Stegemann

Michael Stegemann, Dortmund, Musikwissenschaftler. Schwerpunkte seiner Arbeit sind der kanadische Pianist Glenn Gould, Mozart und Schubert, die russische und die französische Musik. Er ist Verfasser von Hörspielen, Sendereihen und Moderationen und rund einem Dutzend Bücher, zuletzt Franz Liszt – Genie im Abseits. Seit 2002 hat er den Lehrstuhl für histo­ rische Musikwissenschaft an der TU Dortmund inne. Seit 2016 fungiert er als Herausgeber der Œuvres instrumentales complètes von Camille Saint-Saëns. 2017 wurde er vom französischen Kultusministerium zum „Chevalier des Arts et des Lettres“ ernannt.


BIOGRAFIEN – KOMPONISTEN

D

Gioacchino Rossini

en Namen Gioacchino Rossinis (1792 – 1868) verbinden wir zu allererst mit der komischen Oper  D er Barbier von Sevilla,  die in den Opernhäusern in aller Welt zum unverzichtbaren Kernrepertoire gehört. So berechtigt der Ruhm dieses Werkes auch ist, verdeckt er aber auch all zu leicht den Blick auf ein ungemein reichhaltiges Schaffen, das auf die Oper konzentriert, aber doch keineswegs auf sie beschränkt war. Rossini wurde im Jahr der Französischen Revolution in Pesaro an der italienischen Adriaküste geboren. Die politisch unruhigen Zeiten, die in Italien im Gefolge der Revolution anbrachen und vielfache Feldzüge, Eroberungen und Herrschaftswechsel mit sich brachten, beeinflussten das italienische Musikleben ebenso wie Rossinis Laufbahn als Opernkomponist immer wieder stark. Als Sohn eines Hornisten und einer Sängerin stammte er aus einer Musikerfamilie. Professionelle musikalische Unterweisung war eine Selbstverständlichkeit und konnte dem Heranwachsenden um so besser vermittelt werden, als die Familie ab 1804 in Bologna lebte, einem der musikalischen Zentren Italiens. Zunächst wurde eine Laufbahn als Sänger an­visiert, aber immer deutlicher schälte sich das Talent zum Komponieren als eigentliche Begabung Rossinis heraus. Seine erste Oper brachte er so bereits im Herbst 1810 in einem kleineren Theater in Venedig auf die Bühne. Von da an erfolgte ein – ungeachtet mancherlei Hindernisse – kometen­ hafter Aufstieg, der den jungen Komponisten in wenigen Jahren an die wichtigsten Opernhäuser Italiens brachte. Vom Musiktheater konkurrierender Zeitgenossen unterschieden sich Rossinis Opern zum einen durch die Plastizität der jewei­ ligen Handlung, die in den komischen Werken

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auch das Groteske nicht scheute. Zum anderen schuf Rossini eine Musik, die sich von der Unterordnung unter die Bühnenhandlung emanzipierte und in ihrer Reichhaltigkeit und Lebendigkeit, gerade auch im Orchestersatz, sowie durch die Originalität der formalen Gestaltung ungeahntes Eigengewicht erlangte und die Zuhörer fesselte. Im Jahr 1816 hatte Rossini mit Stücken wie dem  B arbier von Sevilla  oder der  Italienerin in Algier  nicht nur Klassiker der komischen Oper geschrieben. Mit dem im selben Jahr uraufgeführten  O tello,  einer damals ungewöhnlichen Stoffwahl im Zeichen der frühromantischen Wieder­ entdeckung Shakespeares, war ihm zudem auch ein tragisches Meisterwerk gelungen. In den folgenden Jahren richtete sich sein künstlerisches Interesse dann immer mehr auf ernste, drama­ tische Stoffe. Gleichzeitig griff seine Laufbahn über Italien hinaus und spielte sich in den europäischen Metropolen ab. Mit dem für die Pariser Opéra geschriebenen, 1829 uraufgeführten  G uillaume Tell  gelang Rossini einer der größten Erfolge des 19. Jahrhunderts. Dennoch sollte das Stück Rossinis letzte Oper bleiben. Zermürbt von den aufreibenden Intrigen des Opernbetriebs und dem ständig auf ihm lastenden Druck, zudem auch gesundheitlich angegriffen, zog sich der Komponist ins Privatleben zurück. Von nun an komponierte er zu seinem Vergnügen, vor allem hoch originelle Klavierstücke und zwei große geistliche Werke. Rossini starb 1868.


BIOGRAFIEN – KOMPONISTEN

D

Hector Berlioz

ie Entdeckung der Klangfarbe als eigenständiges, zentrales Gestaltungsmittel ist wohl die wichtigste Neuerung im Schaffen von Hector Berlioz (1803 – 1869). Seine besondere klangliche Imaginationskraft führte ihn fast schon automatisch zur Orchestermusik, die er nicht nur durch seine Werke, sondern auch durch seine Abhandlung zur Instrumentation tiefgreifend beeinflusst hat. In der Überarbeitung durch Richard Strauss stellt sie ein viel genutztes Standardwerk auf diesem Gebiet dar, ohne das die Entwicklung des modernen Orchesters nicht denkbar wäre. Berlioz hat sein Leben rückschauend als einen „unwahrscheinlichen Roman“ empfunden. In der Tat verlief es in einem abenteuerlichen Auf und Ab zwischen heftigen Liebesaffären, großen Erfolgen und beruflichen Desastern, fast durchweg begleitet von finanziellen Sorgen. Der Komponist stammt aus einem kleinen Ort am Fuße der französischen Alpen und sollte eigentlich Arzt werden – wie sein Vater. Das halbherzig betriebene Medizinstudium gab Berlioz jedoch 1826 auf, um sich ganz der Musik zu widmen. 1830 schuf er dann sein Meisterwerk, die  Symphonie fantastique, die im Dezember desselben Jahres uraufgeführt wurde. In dieser Symphonie wischt Berlioz zahlreiche, zuvor für unantastbar gehaltene Gattungskonventionen beiseite und führt eine gleichsam dichterische, erzählende Gestaltungsweise von enormer Anschaulichkeit und dramatischer Schlagkraft in die Musik ein. 11

Nach der  Symphonie fantastique  erhielt Berlioz eine Reihe ehrenvoller Kompositionsaufträge. Seine künstlerischen Konzeptionen blieben dabei im Grenzbereich zwischen absoluter Musik und musikalischem Erzählen angesiedelt. Mit neuartig konzipierten symphonischen Werken wie  Harold en Italie  und  Roméo et Juliette  oder auch dem Requiem hatte er durchaus Erfolge. Seine literarisch ambitionierte Künstleroper  B envenuto Cellini, die quer zur konventionellen Operndramaturgie steht, fiel dagegen geradezu spektakulär durch und brachte es nur auf drei Vorstellungen. Letztlich gelang es Berlioz insbesondere in Paris nicht, sich als Musiker wirklich durchzusetzen, und so blieb er zeitlebens auf die Einkünfte aus Brotberufen als Journalist – der glänzend zu schreiben vermochte – und als Bibliothekar angewiesen. Hinzu kam ab 1835 eine Tätigkeit als Dirigent, wobei Berlioz vor allem als Anwalt eigener Kompositionen auftrat. Im Laufe der 1840er Jahre wandelte sich Berlioz‘ Position im Musikleben. Im Vergleich mit jüngeren Komponisten wie Liszt und Wagner, die ihm künstlerisch in Vielem verpflichtet waren, wirkte der ehemalige Revolutionär Berlioz nach­ gerade konservativ. Die Oper  Les Troyens, das zentrale Projekt seines späteren Schaffens, konnte Berlioz zu Lebzeiten nicht seinen Vorstellungen entsprechend auf die Bühne bringen. Eine stark gekürzte Fassung wurde aber 1863 zu einem großen Erfolg. In den 1860er Jahren fühlte sich Berlioz zunehmend isoliert und verlor sich in depressiver Resignation. Er starb kurz nach der Rückkehr von einer Konzertreise in Russland am 8. März 1869 in Paris.


BIOGRAFIE – INTERPRET

A

Alexander Melnikov

lexander Melnikov absolvierte sein Studium am Moskauer Konservatorium bei Lev Naumov. Zu seinen musikalisch prägendsten Erlebnissen zählen die Begegnungen mit Sviatoslav Richter, der ihn regelmäßig zu seinen Festivals in Russland und Frankreich einlud. Er ist Preisträger bedeutender Wettbewerbe wie dem Internationalen Robert-SchumannWettbewerb (1989) und dem Concours Musical Reine Elisabeth in Brüssel (1991). Seine musika­ lischen und programmatischen Entscheidungen sind oft ungewöhnlich. Sehr früh begann Alexander Melnikov sich mit der historischen Aufführungspraxis auseinanderzusetzen. Wesentliche Impulse erhielt er hier von Andreas Staier und von Alexei Lubimov, mit dem er in zahlreichen Projekten zusammengearbeitet hat. Regelmäßig steht er mit namhaften Ensembles für Alte Musik wie dem Freiburger Barockorchester, Musica Aeterna, der Akademie für Alte Musik Berlin oder dem Orchestre des Champs-Élysées auf der Bühne. Darüber hinaus ist Alexander Melnikov ein gefragter Solist bei den großen internationalen Orchestern und ihren Dirigent*innen wie zum Beispiel dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, dem BBC Philharmonic oder den Münchner Philharmonikern, um nur einige zu nennen. Mit Andreas Staier erarbeitete Alexander Melnikov ein Programm, das Auszüge aus Bachs  Wohltemperiertem Klavier  (Andreas Staier am Cembalo) mit den 24 Präludien und Fugen von Dmitri Schostakowitsch (Alexander Melnikov am Klavier) in einem musikalischen Gespräch korrespondieren lässt. Gemeinsam haben sie auch ein reines Schubert-Programm zu vier Händen aufgenommen und im Konzert gespielt. Eine 12

intensive Kammermusikpflege mit dem Cellisten Jean-Guihen Queyras gehört für Alexander Melnikov zu den unverzichtbaren Bestandteilen seiner Arbeit. Überaus wichtig sind ihm auch Kammer­ musikkonzerte mit seiner langjährigen festen Duopartnerin Isabelle Faust. Ihre gemeinsame Gesamteinspielung sämtlicher BeethovenViolinsonaten bei harmonia mundi, die unter anderem mit dem Gramophone Award ausgezeichnet sowie für den Grammy nominiert worden ist, ist zu einer Referenzaufnahme geworden. Im September 2015 erschien ihre Einspielung der Sonaten für Violine und Klavier von Johannes Brahms. Die von ihm ebenfalls bei harmonia mundi veröffentlichten Präludien und Fugen op. 87 von Schostakowitsch wurden vielfach ausgezeichnet und 2011 vom BBC Music Magazine als eine der 50 wichtigsten Aufnahmen aller Zeiten genannt. Des Weiteren spielte er Werke von Brahms, Rachmaninow und Skrjabin ein. Zusammen mit Isabelle Faust, Jean-Guihen Queyras, Pablo HerasCasado und dem Freiburger Barockorchester nahm Alexander Melnikov eine Schumann-Trilogie mit den Konzerten und Klaviertrios auf. Im August 2015 erschien das zweite Album mit dem Klavierkonzert und dem zweiten Klaviertrio. Im November 2016 erschien eine Aufnahme mit Werken von Prokofjew, im Juni 2017 ein Album mit Werken von Chausson und Franck und im Februar 2018 seine von Kritikern hochgelobte Aufnahme  F our Pieces, Four Pianos. In der Saison 2018/19 präsentierte Alexander Melnikov das Projekt  D er Mann mit den vielen Klavieren. Dieses Programm wird auf mehreren Instrumenten gespielt, die jeweils den Stil ihrer Zeit widerspiegeln. Neben Konzerten mit dem Mahler Chamber Orchestra und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen setzt er seine Zusammenarbeit mit der Camerata Salzburg sowie als Künstlerischer Partner mit der Tapiola Sinfonietta fort.


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Das Musikfest Berlin 2019 im Radio und online Deutschlandfunk Kultur – Die Sendetermine

3.9. 5.9. 7.9. 8.9. 13.9. 15.9. 15.9. 17.9. 21.9. 24.9. 26.9.

Di 20:03

Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam

Aufzeichnung vom 2.9.

Do 20:03

BBC Symphony Orchestra

Live-Übertragung

Sa 19:05

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Aufzeichnung vom 1.9.

So 20:03

Berliner Philharmoniker

Live-Übertragung

Fr 20:03

Münchner Philharmoniker

Aufzeichnung vom 10.9.

So 15:05

„Quartett der Kritiker“

Aufzeichnung vom 31.8.

So 20:03

Junge Deutsche Philharmonie

Aufzeichnung vom 15.9.

Di 20:03

Israel Philharmonic Orchestra

Aufzeichnung vom 16.9.

Sa 22:00

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin  La Roue

wird als Studioproduktion in Ausschnitten gesendet

Di 20:03

IPPNW–Benefizkonzert

Aufzeichnung vom 22.9.

Do 20:03

Ensemble Musikfabrik

Aufzeichnung vom 8.9.

Deutschlandfunk Kultur ist in Berlin über 89,6 MHz, Kabel 97,50, bundesweit über Satellit, DAB+ und über Livestream auf deutschlandfunkkultur.de zu empfangen.

rbbKultur – Die Sendetermine

6.9. 21.9. 6.10.

Fr 20:04

Konzerthausorchester Berlin

Live-Übertragung

Sa 20:04

Berliner Philharmoniker

Aufzeichnung vom  12. /  13. /  14.9.

So 20:04

Les Siècles

Aufzeichnung vom  15.9.

rbbKultur ist in Berlin über 92,4 MHz, Kabel 95,35, digital und über Livestream auf rbbkultur.de zu empfangen.

Digital Concert Hall – Die Sendetermine

8.9. 14.9.

So 20:00

Berliner Philharmoniker

Live-Übertragung

Sa 19:00

Berliner Philharmoniker

Live-Übertragung

digitalconcerthall.com

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Programmübersicht

Fr

Sa

So

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

So

30.8. 31.8. 1.9. 2.9. 3.9. 4.9. 5.9. 6.9. 7.9. 8.9.

Philharmonie 21:00

Pierre-Laurent Aimard I

Ausstellungsfoyer Kammermusiksaal 17:00

„Quartett der Kritiker“

Philharmonie 19:00

Eröffnungskonzert Orchestre Révolutionnaire et Romantique Monteverdi Choir Sir John Eliot Gardiner

Kammermusiksaal 11:00

Alexander Melnikov

Philharmonie 18:00

Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden Rundfunkchor Berlin Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Vladimir Jurowski

Philharmonie 20:00

Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam Tugan Sokhiev

Philharmonie 19:00

Japanisches Nō-Theater Ensemble der Umewaka Kennōkai Foundation

Philharmonie 20:00

Ensemble Modern Brad Lubman

Philharmonie 20:00

BBC Symphony Orchestra Sakari Oramo

Kammermusiksaal 20:00

Pierre-Laurent Aimard II

Konzerthaus Berlin 20:00

Konzerthausorchester Berlin Juraj Valčuha

Philharmonie 19:00

Berliner Philharmoniker Peter Eötvös

Kammermusiksaal 17:00

Ensemble Musikfabrik Peter Eötvös

(wie 7.9.) Philharmonie 20:00

Berliner Philharmoniker Peter Eötvös

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Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

So

Mo

Di

Mi

Do

So

9.9. 10.9. 11.9. 12.9.

Kammermusiksaal 20:00

Georg Nigl & Olga Pashchenko

Philharmonie 20:00

Münchner Philharmoniker Valery Gergiev

Philharmonie 20:00

London Symphony Orchestra Sir Simon Rattle

Kammermusiksaal 20:00

Pierre-Laurent Aimard III & Yuko Kakuta

Philharmonie 20:00

Rundfunkchor Berlin Berliner Philharmoniker Daniel Harding

13.9.

(wie 12./   14.9.) Philharmonie 20:00

Rundfunkchor Berlin Berliner Philharmoniker Daniel Harding

14.9.

Konzerthaus Berlin 14:00 – 23:00

Film & Live Musik:  La Roue  Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Frank Strobel

(wie 12./   13.9.) Philharmonie 19:00

Rundfunkchor Berlin Berliner Philharmoniker Daniel Harding

Philharmonie 11:00

Jack Quartet Junge Deutsche Philharmonie Jonathan Nott

Philharmonie 20:00

Orchestre Les Siècles François-Xavier Roth

Philharmonie 20:00

Israel Philharmonic Orchestra Zubin Mehta

Philharmonie 20:00

Orchester der Deutschen Oper Berlin Donald Runnicles

Kammermusiksaal 20:00

Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker Susanna Mälkki

Philharmonie 20:00

Rundfunkchor Berlin Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Robin Ticciati

Kammermusiksaal 16:00

IPPNW-Benefizkonzert WuWei Trio

15.9. 16.9. 17.9. 18.9. 19.9. 22.9.

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IMPRESSUM

Musikfest Berlin

Berliner Festspiele

Künstlerische Leitung

Ein Geschäftsbereich der

Dr. Winrich Hopp

Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH

Studentische Mitarbeit K ­ ommunikation

Josip Jolić, Leonard Pelz

Organisation

Anke Buckentin (Leitung), Anna Crespo Palomar, Ina Steffan

Intendant

Dr. Thomas Oberender Kaufmännische Geschäftsführung

Abendprogramm

Charlotte Sieben

Ticket Office

Ingo Franke (Leitung), Maike D ­ ietrich, Simone Erlein, Frano Ivić, Torsten S ­ ommer, Sibylle Steffen, Alexa Stümpke, Marc Völz Vertrieb

Redaktion

Dr. Barbara Barthelmes

Leitung Kommunikation

Uwe Krey

Claudia Nola Gebäudemanagement

Lektorat

Anke Buckentin Anna Crespo Palomar Thalia Hertel Gestaltung Cover

Christine Berkenhoff und Anna Busdiecker Gestaltung Innenseiten

Christine Berkenhoff nach einem Entwurf von Eps51 Herstellung

medialis Offsetdruck GmbH, Berlin Stand: 31. Juli 2019 Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten

Christine Berkenhoff, Anna Busdiecker, Felix Ewers

Ulrike Johnson (Leitung), Frank Choschzick, Olaf Jüngling, Georg Mikulla, Sven Reinisch

Internetredaktion

Hotelbüro

Grafik

Frank Giesker, Jan Köhler Marketing

Anna-Maria Eigel, Gerlind Fichte, Jan Heberlein, Michaela Mainberger

Logistik

Presse

Technische Leitung

Anna Lina Hinz, Patricia Hofmann, Svenja Kauer, Jasmin Takim, Jennifer Wilkens

Matthias Schäfer Adresse

Protokoll

Schaperstraße 24, 10719 Berlin

Gerhild Heyder Redaktion

Dr. Barbara Barthelmes, Andrea Berger, Anne Phillips-Krug, Paul Rabe

Gefördert durch / Funded by

Caroline Döring, Selina Kahle, Frauke Nissen I-Chin Liu (Leitung), Sven Altmann

Berliner Festspiele

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