Musikfest Berlin 2019 – Abendprogramm Pierre-Laurent Aimard am 6.9.

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Berliner Festspiele

# musikfestberlin

MUSIK FEST BERLIN

In Zusammen­ arbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker

6.9. 2019 Klavierabend

Pierre-Laurent Aimard


Berliner Festspiele

Klavier & Stimme

9.9.

12.9.

Mo 20:00 Kammermusiksaal

Liederabend Franz Schubert Die Taubenpost – Die Forelle – Der Wanderer an den Mond – Das Zügenglöcklein – Im Freien – Die Sommernacht – Abendstern – Fischerweise Ludwig van Beethoven An die ferne Geliebte op. 98 Liederzyklus nach Gedichten von Alois Jeitteles

Wolfgang Rihm Vermischter Traum

Gryphius-Stück für Bariton und Klavier Kompositionsauftrag der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin Uraufführung

Franz Schubert Der Winterabend – Die Sterne – An die Musik – Abschied Georg Nigl Bariton Olga Pashchenko Klavier

Do 20:00 Kammermusiksaal

Klavier und Stimme Franz Schubert

Klaviersonate G-Dur op. 78 „Fantasie“

Helmut Lachenmann GOT LOST

Musik für hohen Sopran und Klavier

Yuko Kakuta Sopran Pierre-Laurent Aimard Klavier


MUSIK FEST BERLIN

30.8.– 19.9. 2019

In Zusammen­­arbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker


Bildnachweise S. 6

H ammerklavier von Thomas Broadwood, 1817 © Beethoven-Haus Bonn S. 10 L udwig van Beethoven, 1818, Zeichnung von August von Klober, Foto: Wikimedia Commons S. 11 H elmut Lachenmann © Giovanni Dainotti S. 12 Pierre-Laurent Aimard © Marco Borggreve


MUSIKFEST BERLIN 2019

Freitag 6. September 20:00 Uhr

Konzertprogramm

S. 5

Martin Kaltenecker ... alles seyn lassen ...

S. 7

Komponisten

S. 10

Interpret

S. 12

Musikfest Berlin 2019 im Radio und online

S. 17

Musikfest Berlin 2019 Programmübersicht

S. 18

Impressum

S. 20

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Bitte schalten Sie Ihr Mobiltelefon vor Beginn des Konzerts aus. Bitte beachten Sie, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen GrĂźnden nicht gestattet sind. 4


PROGRAMM

Klavierabend Pierre-Laurent Aimard II

Fr, 6.9.

Ludwig van Beethoven  (1770 – 1827 ) Klaviersonate op.  106 B-Dur  (1817 – 1819)

20:00 Kammermusiksaal

Einführung 19:10

mit Martin Kaltenecker Ausstellungsfoyer

des Kammermusiksaals

„Hammerklaviersonate“

I Allegro II Scherzo: Assai vivace III Adagio sostenuto, Appassionato e con molto sentimento IV Largo, Un poco piu vivace, Allegro, Prestissimo – Allegro risoluto Erzherzog Rudolph von Österreich gewidmet

Pause

Helmut Lachenmann  (*1935 ) Serynade

Musik für Klavier (1997/98 ) Yukiko Sugawara gewidmet

Pierre-Laurent Aimard Klavier

Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele   /   Musikfest Berlin

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ESSAY

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ESSAY

… alles seyn lassen nur für deine Weyse schreiben …

Ludwig van Beethoven – „Hammerklaviersonate“  (1817 – 1819)

Carl Philipp Emanuel Bach schrieb 1788 ein Doppelkonzert für Cembalo und Fortepiano (bei dem kleine Hämmer die Federkiele ersetzen, die beim Cembalo die Saiten anrissen), das den Aufstieg des neuen Tasteninstruments inszenierte. Knapp zwanzig Jahre später sollten in einem besonders bitteren Winter zwanzig Cembalos des Pariser Konservatoriums als Brennholz benutzt werden, um die kalten Unterrichtsräume zu heizen – das Instrument harrte von nun an auf seine „historischen“ Wiederentdeckungen. Beethoven, der ein großer Verbraucher von Klavieren war, auf denen er täglich improvisierte, verfolgte die Entwicklung des Fortepianos mit großem Interesse und spendete besonders den englischen Instrumenten sein Lob: Der Instrumentenbauer Broadwood schickte dem berühmten Komponisten 1818, also noch während der Ent­ stehung der  Hammerklaviersonate, auch sein neuestes Modell, das massivere Klänge ermög­ lichte. Hinsichtlich der Benennung schreibt Beethoven Anfang 1817 in einem Brief an seinen 7

Verleger, indem er ein königliches Dekret parodiert: „Publicandum. Wir haben nach einiger Prüfung und Anhörung unseres Conseils beschlossen und beschliessen, dass hinfüro auf allen unseren Werken, wozu der Titel deutsch, statt Pianoforte Hammerklavier gesetzt werde, wonach sich unserer bester Generallieutenant samt Adjudanten wie alle anderen sogleich zu richten und solches in Werk zu setzen haben“. In die Entstehungszeit der Sonate fällt die vollkommene Ertaubung Beethovens und ein penibler Rechtsstreit um die Vormundschaft seines Neffen. „Die Sonate“, so schreibt er an seinen einstigen Schüler und Geschäftsträger in London, Ferdinand Ries, „ist in drangvollen Umständen geschrieben; denn es ist hart, beinahe um des Brotes zu schreiben; so weit habe ich es nun gebracht“. Beethoven muss viel komponieren, Werke, die sich gut verkaufen zwischen schwer verständliche schieben. Seine Briefe sind ein tragikomisches Gemisch von Pragmatik und Idealismus. „Etwas muss geschehen – entweder eine Reise und zu dieser die nöthigen Werke schreiben oder eine Oper“, vermerkt er im Tagebuch, wobei er bei der Reise an eine womöglich lukrative Tournee nach England denkt. Aber dann


ESSAY heißt es wieder: „Opern und alles seyn lassen nur für deine Weyse schreiben – und dann eine Kutte wo du das unglückliche Leben beschließest“. Der Avantgardist, der nur für sich komponiert und im Kloster endet – von solchen Vorstellungen sollte das ganze 19. Jahrhundert zehren. Beethovens „Weyse“ verstehen sicher nur wenige zu jener Zeit – einige Aristokraten, die ihm eine Rente auszahlen, und ein Club von Anhängern, die darauf vertrauen, dass irgendwann einmal Licht in das Chaos fällt und die versteckte Kohärenz der Musik sich zeigt… Die monumentale  Hammerklaviersonate  steht in diesem Spannungsfeld zwischen finanziellen Nöten und dem Drang nach „großen“ Werken, denn „was schwer ist, ist auch schön, gut, groß, etc., jeder Mensch sieht also ein, daß dieses das fetteste Lob ist, was man geben kann, denn das Schwere macht schwitzen“. Kompromisse können gemacht werden, wenn es die Umstände erfordern. An Ries schreibt Beethoven einige Wochen nach Ab­sendung der Kopie: „Sollte die Sonate nicht recht sein für London, so … können Sie auch das Largo auslassen und gleich bei der Fuge im letzten Stück anfangen, oder das erste Stück, Adagio und zum dritten das Scherzo und Allegro risoluto. – Ich überlasse Ihnen dieses, wie sie es am besten finden“. Dieser kuriose Vorschlag ist sicher nie umgesetzt worden, zumal die Vorstellung eines Kits aus Sätzen die organische (respektive deutsche) Vorstellung von Form vor den Kopf stößt. Der erste Satz scheint die These von Charles Rosen zu beweisen, dass man bei der Sonatenhauptsatzform eher von einem „sonata style“ sprechen sollte. Beethoven spielt auf eine Scha­blone an, aber er setzt sie um, oder außer Kraft. Es gibt zum Beispiel kein deutlich erkennbar gemachtes Seitenthema, eher eine Zone in g-Moll, die schnell durchfahren wird; die Musik verweilt nirgendwo, sie sprudelt und stürmt in einem fort, besetzt andauernd das ganze Register des Klaviers. Die Durchführung verdichtet sich zu einem Kanon, das Kopfmotiv wird in federnde Oktaven aufgespalten, die die Reprise einleiten. Unerwartetes ist immer möglich – so die Fassung des Hauptthemas in h-Moll, die mitten in die Reprise hineinbricht (und nicht etwa die Coda einleitet). Das Scherzo hat nach dem üblichen Trio ebenfalls einen seltsamen Einschub (ein Presto im 2/4-Takt) und endet mit 8

einem brutal gehämmerten Wechsel zwischen dem (tonal betrachtet) weit entfernten H (neapolitanisch ein Ces) und B, als Echo auf den Einbruch am Ende des ersten Satzes. Es endet unzufrieden, verbissen, offen, eine radikale Lösung, wie sie erst wieder am Ende des Nocturne op. 32, 2 in H-Dur von Chopin auftaucht. Der dritte Satz führt in die Sphäre von Beet­ hovens Dankgesängen. Er ist bemerkenswert für seine extreme Länge, für die einfache Diatonik der Melodie, die von Synkopen und rhythmischen Rückungen belebt wird, und für Modulationen, die wiederum eine kleine Sekunde aufwärtsführen, eine Art harmonische Klammer der ersten drei Sätze. Der Schlusssatz, der sich auf das barocke Modell Präludium und Fuge bezieht, entdeckt einen neu erfundenen „freien“ Kontrapunkt (con alcune licenze). Obwohl das Thema in allen möglichen Kombinationen und Lesarten erscheint (krebsläufig, gespiegelt) behalten die Hörer*innen vor allem seinen insistierenden Charakter zurück, der die gesamte Energetik der Musik bestimmt – ein Geröll von absteigenden Sechzehnteln, abgefangen von einem langen bohrenden Triller, der alle Episoden anpeitscht.

Helmut Lachenmann – Serynade (1998) Das Konzept der  Musique concrète instrumentale, das Helmut Lachenmann zu Beginn der 1970 ausarbeitete, versteht den „Klang als charakteris­ tisches Resultat und Signal seiner mechanischen Entstehung und der dabei mehr oder weniger ökonomisch aufgewendeten Energie“. Die konkreten, also geräuschhaften, aber von Instrumenten produzierten Klänge werden dabei auf Ähnlich­ keiten und Kontraste hin untersucht und angeordnet, es werden Kategorien und Familien gebildet, als Grundlage für eine Art motivischer Arbeit mit Geräuschen. Das Klavier hat Lachenmann zumeist als eine Art Resonanzmaschine behandelt, wie etwa in   F ilterschaukel  (1980), wo er seine Technik des verdeckten Anschlags vorführt: Ein Cluster wird angeschlagen, einige Tasten dann hochge­ lassen, so dass aus dem dissonanten Klangpaket ein zweiter, weiterklingender Akkord heraus­ gefiltert wird. Mit dem Phänomen des Ausklangs hat Lachenmann auch in dem gleichnamigen Klavierkonzert von 1985 gearbeitet: Es geht um die


ESSAY Idee eines gestaffelten Verklingens, indem zum Beispiel mit dem dritten Pedal stumme Akkorde selektiert werden, die dann von dem real gespielten Akkord zum Erklingen gebracht werden. All dies ist also ohne das dritte Pedal nicht denkbar – Serynade  ist vom modernen Konzert­ flügel ebenso bedingt wie Beethovens   Hammer­ klaviersonate  von seinem geliebten Broadwood. Lachenmann konzentriert sich hier ebenfalls auf das Phänomen des Akkords und seines Ver­klingens. Der Titel erklärt sich aus dem Vornamen der Widmungsträgerin Yukiko Sugawara, dessen Y in die alte Genrebezeichnung – von der eher die Aura des stillen, nächtlichen Nachhorchens übrigbleibt – hineinglitt. (Yukiko Sugawara hat das Klavierwerk auch 2000 in Stuttgart beim EclatFestival urauffgeführt.) Lachenmann arbeitet mit verschiedenen Klangkonglomeraten, mit Clustern, die auf weißen, auf schwarzen oder auf allen Tasten gespielt werden, mit einem zehntönigen Akkord, der abwechselnd aus Sekunden und Terzen gebildet wird und einem achttönigen Akkord, der aus einer Schichtung von Terzen und Quarten besteht. Die aus letzteren herausgefilterten Nachklänge sind somit oft tonal. Serynade  hat einen statischen Zug, der von der immer wiederholten Grundgeste Anschlag – Ausklang herrührt. Wollte man eine weitere Unterscheidung Lachenmanns bewegen, so wäre das Stück mehr „Zustand“ als „Text“. Es ist eine Klanglandschaft, die durchmessen und abgemessen wird, ein Gebirge, zusammengesetzt aus Plateaus (als Formteile) – Lachenmann wehrt sich gegen den „Akademismus, der dauernd nach der Form fragt. Die Form ist wie immer entstanden. Sie ergibt sich aus meinem Suchen, Entdecken, Verzweifeln, aus meinem Entdeckerglück, NichtMehr-Weiter-Wissen …“. Die Partitur bezeichnet immerhin sieben Abschnitte, deren Charakteristika man beim Hören erkennen kann. In  A (Allegretto capriccioso) wird die ganze Palette der Nachklangtechniken vorgestellt, wie in einer Exposition. Das B (Calmo, quasi misterioso, nach etwa 5 Minuten) konzen­ triert sich auf ein einzelnes Objekt, eine kurze, dem Akkord vorgelagerte Note, die aber Teil von diesem ist – also quasi die Spiegelung einer Filterung. C (quasi liberamente, leggieramente) erinnert an A, beißt sich aber am Ende auf rasante Tonrepetitionen fest. Die Repetition bestimmt auch den folgenden Mittelteil, D (a tempo), der eine deutliche 9

Dramatisierung bringt (ab etwa 10 Minuten). Obstinat fallen die Tontrauben mit ihren gestaffelten Nachklängen herunter; aus den vorgelagerten Noten (wie in C) werden nun Akkorde. Und schließlich erwächst im tiefen Register eine aufsteigende, konkurrierende Reihe von Clustern, die sich ausbereitet, gegen die Akkorde ankämpft, so wie in einer klassischen Durchführung Themen aufeinanderprallen konnten. Die Durchführung gerät hier in einen Engpass: Man vernimmt das Pedal, das perkussiv eingesetzt wird indem es nach oben schnappt und eine dumpfe Resonanz – der Nullpunkt des harmonischen Nachhalls – auslöst. Teil E setzt neu mit Flagolett-Resonanzen an, die sich aus den stumm gehaltenen Tasten mit gleichzeitig kurz und hart angeschlagenen Tönen ergeben, hier im tiefen Register. Noch lauscht die Musik sich selber nach. F hat etwas von einer Befreiung der Körper-Energien – Arpeggios und Gesten aus dem ersten Teil werden wiederholt, ein sich festbeißendes martellato im vierfachen ffff erscheint, am Ende kommen Kratzgeräusche auf den Saiten. Der letzte Teil G (Andante calmo, etwa ab 22 Minuten), ist eine Art Wiederbelebung des Chorals, in Form einer weit auseinandergezogenen Melodie, deren Töne manchmal von leiseren, aber über der Note stehenden Akkorden oder von Nebentönen, die sich an ihnen reiben, begleitet wird. Verbunden wird hier ein hohes Pathos mit der Vorstellung einer melodischen Linie, deren Bestandteile – wie die Geräusche des hoch­ schnappenden Pedals – nicht viel mehr sind als Resonanzauslöser. Martin Kaltenecker

Martin Kaltenecker, Paris, lehrt Musikwissenschaft an geber der der Universität Paris Diderot. Er war Mitheraus­ Zeitschrift für neue Musik Entretemps (1986 – 1992), und Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin (2006/07). Er veröffentlichte Avec Helmut Lachenmann (Paris 2001) und L’Oreille divisée (Paris 2011), sowie zahlreiche Texte zur Ästhetik der neuen Musik und zu Hörtheorien.


BIOGRAFIEN – KOMPONISTEN

Z

Ludwig van Beethoven

ur Biographie Ludwig van Beethovens (1770 – 1827) gibt es keinen einfachen Zugang. Dazu gibt es zu viele unser Bild trübende Klischeevorstellungen und Legenden­ bildungen, zu viele zum Teil aberwitzige Hypo­ thesen und Vermutungen über seine Lebens­ umstände und auch zu viele offene, unlösbar scheinende Fragen wie zum Beispiel die nach der Identität der „Unsterblichen Geliebten“. Gleich­zeitig ist die Fülle des biographischen Materials erdrückend – allein die Befassung mit den Briefen Beethovens ist ein Sonderzweig der Forschung von Achtung gebietender Komplexität –, sodass in der Musikwissenschaft die Klage über die Schwierigkeit, eine Beethoven-Biographie zu schreiben, allgemein ist. Dabei sind die äußeren Fakten seines Lebens im Grunde schmal. Beethoven wurde am 16. oder 17. Dezember 1770 in Bonn als Sohn eines ein­ fachen Musikers in Verhältnisse geboren, die wir heute mindestens als prekär beschreiben würden. Nach erstem Musikunterricht beim Vater, der versuchte, aus seinem Sohn ein Wunderkind nach dem Vorbild Mozarts zu machen, übernahm 1780 der Bonner Kapellmeister Christian Gottlob Neefe die musikalische Unterweisung Beethovens. Der Schüler entwickelte sich so schnell, dass er von 1782 an in der Bonner Hofkapelle angestellt war. 1787 wurde der Heranwachsende nach Wien geschickt, um von Mozart unterrichtet zu werden. Der Unterricht musste aber bereits nach zwei Wochen abgebrochen werden, weil Beethovens Mutter schwer erkrankt war. Sie starb wenige Wochen nach seiner Rückkehr. Sein Vater versank nun vollends im Alkoholismus und Beethoven übernahm die Verantwortung für die Familie. 1792 reiste Beethoven, ausgestattet mit einem Stipendium des Kurfürsten, ein zweites Mal nach Wien, wo er unter anderem für ein gutes Jahr 10

Unterricht bei Joseph Haydn erhielt, bis dieser zu seiner zweiten Londonreise aufbrach. Als Bonn 1794 französisch besetzt wurde, fielen die Zahlungen des Kurfürsten aus. Von da an lebte Beethoven als freier Musiker in Wien. In den musikliebenden Adelskreisen der Stadt wurde er herzlich empfangen und er hatte mit vielen Adeligen über alle Standesgrenzen hinweg zeitlebens freundschaftlichen Umgang. Dabei machte sich Beethoven zunächst vor allem einen Namen als Klavierspieler und als Improvisator, aber bald schon veröffentlichte er stetig neue Kompositionen. In einer 1803 einsetzenden, zentralen Schaffensperiode ent­ standen in unbegreiflich dichter Fülle die Meister­ werke, die wir in erster Linie mit seinem Namen verbinden, wie die Symphonien von der Dritten, der  E roica,  bis zur Achten. Beethoven galt nun als unbestritten bedeutendster Komponist seiner Zeit. In den späten 1790er Jahren hatte sich bei Beethoven erstmals ein Gehörleiden bemerkbar gemacht, das unaufhaltsam voranschritt und bis 1820 zur völligen Taubheit führte. Von seiner Umwelt zunehmend isoliert, entwickelte Beethoven Züge eines exzentrischen Sonderlings. Vergällt wurde dem Komponisten das Leben zudem durch das ständige Feilschen mit seinen Verlegern und durch seinen chronisch schlechten Gesundheitszustand. Von 1815 an kam noch die Sorge um seinen Neffen hinzu, für dessen Erziehung sich Beethoven nach dem Tod seines Bruders ver­ antwortlich fühlte. Trotzdem entstand im letzten Lebensjahrzehnt ein vergeistigtes Spätwerk, das zu den absoluten Höhepunkten der Musikgeschichte zählt. Beethoven starb am 26. März 1827.


BIOGRAFIEN – KOMPONISTEN

M

Helmut Lachenmann

it einer sich über mehr als 50 Jahre erstreckenden Schaffensgeschichte ist Helmut Lachenmann inzwischen ein Nestor der neuen Musik. Lachenmann wurde 1935 in Stuttgart geboren, wo er von 1955 – 1958 auch Musik studierte. Entscheidend für seine kompo­sitorische Entwicklung war die Begegnung mit Luigi Nono bei den Internationalen Ferien­ kursen für Neue Musik in Darmstadt 1957, die damals das Zentrum der Avantgardemusik bildeten. Lachenmann folgte Nono von 1958 – 1960 als Privatschüler nach Venedig. Im Kompositionsunterricht drang Nono darauf, die Grundlagen der Musik radikal in Frage zu stellen. Nach dieser Studienzeit lebte Lachenmann bis 1973 als freischaffender Pianist und Komponist in München und übernahm später Professuren in Hannover und von 1981 – 1999 in Stuttgart. Als ungemein reflektierter Künstler hat Lachenmann zahlreiche Texte verfasst, die in umfangreichen Bänden mit Schriften und Korrespondenzen zugänglich sind und zu den Schlüsseltexten der Musik unserer Zeit zählen. Gegen Ende der 1960er Jahre gelangte Lachenmann zu einem unverwechselbaren eigenen Stil. Sein Schaffen gründet auf einem tiefen, von Nono geweckten Misstrauen gegenüber konventionell „schönen“ Klängen. Diese stehen zum einen in Verdacht, zu einem bloß sinnlichen, oberflächlichen Genuss einzuladen und dabei vom wahren Gehalt großer Kunst abzulenken. Zum anderen können sie vom Komponisten keineswegs als neutrales Material genutzt werden, sondern sind geschichtlich vorgeprägt und in gewisser Weise verbraucht. Dieses Misstrauen Lachenmanns erstreckte sich bald gegen jeden konventionell erzeugten Ton überhaupt. An seine 11

Stelle tritt in den Werken der von ihm sogenann­ten Musique concrète instrumentale ein ganzer Kosmos von Geräuschen, der kompositorisch gestaltet und in verblüffendem Reichtum differenziert wird. Es macht Lachenmanns Größe als Komponist aus, dass er bei diesem Ansatz nicht stehen geblieben ist. Von den späten 1970er Jahren an finden sich in seinen Werken zunehmend wieder unverfremdete Klänge, die mit höchster Bedachtsamkeit eingesetzt werden. Gleichzeitig erreichte er in seiner Auseinandersetzung mit der musika­lischen Tradition eine neue Stufe und bezog in neuer, direkterer Weise historisch geprägte Charaktere und Zitate in seine Klang­ landschaften mit ein. Als ein Höhepunkt auf diesem Weg gilt die zwischen 1990 und 1996 entstandene Oper  D as Mädchen mit den Schwefel­ hölzern. Mit dem im letzten Jahr bei der bei der  m usica viva – Konzertreihe des Bayerischen Rundfunks durch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Peter Eötvös uraufgeführten großen Orchesterwerk  My Melodies  hat sich Lachenmann auf seine Weise auch den Klang des romantischen Orchesters erobert.


BIOGRAFIE – INTERPRET

P

PierreLaurent Aimard

ierre-Laurent Aimard gilt als einer der bedeutendsten und international bekann­ testen Musiker unserer Zeit. 2017 wurde er „für ein Leben im Dienste der Musik“ mit dem renommierten Ernst von Siemens Musikpreis ausgezeichnet. 1957 in Lyon (Frankreich) geboren, studierte er am Pariser Conservatoire bei Yvonne Loriod und in London bei Maria Curcio. Nicht nur mit Olivier Messiaen, den er schon während seiner Aus­bildung kennenlernte, auch mit Karlheinz Stockhausen, György Ligeti oder Pierre Boulez, der ihn ins Ensemble intercontemporain holte, war er durch enge Zusammenarbeit verbunden. Nach wie vor pflegt er engen Kontakt und Dialog mit den Komponist*innen, deren Werke er spielt und oft auch uraufführt, wie zum Beispiel mit György Kurtág oder George Benjamin. Er genießt großes Ansehen als einer der führenden Interpreten des Standardrepertoires und tritt weltweit mit inter­ nationalen Spitzenorchestern und Dirigent*innen von Rang auf. Aimard ist für seine außergewöhnlichen Solo-Recitals bekannt, und ebenso als Kammermusiker gefragt. Regelmäßig ist er bei allen bedeutenden Festivals zu Gast. Von 2009 – 2016 war er Künstlerischer Leiter des Aldeburgh Festivals. Zu den Höhepunkten seiner letzten Saison als Festivalleiter zählte die Aufführung von Olivier Messiaens Catalogue d’Oiseaux. Anschließend begann eine dreijährige Verpflichtung als Artist in Residence am Southbank Centre in London. Die pädagogische Arbeit, 12

die Vermittlung von Musik nicht nur vom Konzertpodium aus, sondern auch als Lehrer, nimmt er als Professor an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, am Conservatoire de Paris, durch Vorträge und in Meisterklassen wahr. Pierre-Laurent Aimard verzeichnet eine umfangreiche Diskografie. Dazu gehören unter anderem Aufnahmen von Bachs Kunst der Fuge und dem Wohltemperierten Klavier, ebenso wie Charles Ives Concord Sonata oder Debussys Préludes, die alle mit Preisen ausgezeichnet wurden. Im Frühjahr 2018 erschien seine Gesamteinspielung von Olivier Messiaens Catalogue d’Oiseaux.


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Das Musikfest Berlin 2019 im Radio und online Deutschlandfunk Kultur – Die Sendetermine

3.9. 5.9. 7.9. 8.9. 13.9. 15.9. 15.9. 17.9. 21.9. 24.9. 26.9.

Di 20:03

Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam

Aufzeichnung vom 2.9.

Do 20:03

BBC Symphony Orchestra

Live-Übertragung

Sa 19:05

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Aufzeichnung vom 1.9.

So 20:03

Berliner Philharmoniker

Live-Übertragung

Fr 20:03

Münchner Philharmoniker

Aufzeichnung vom 10.9.

So 15:05

„Quartett der Kritiker“

Aufzeichnung vom 31.8.

So 20:03

Junge Deutsche Philharmonie

Aufzeichnung vom 15.9.

Di 20:03

Israel Philharmonic Orchestra

Aufzeichnung vom 16.9.

Sa 22:00

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin  La Roue

wird als Studioproduktion in Ausschnitten gesendet

Di 20:03

IPPNW–Benefizkonzert

Aufzeichnung vom 22.9.

Do 20:03

Ensemble Musikfabrik

Aufzeichnung vom 8.9.

Deutschlandfunk Kultur ist in Berlin über 89,6 MHz, Kabel 97,50, bundesweit über Satellit, DAB+ und über Livestream auf deutschlandfunkkultur.de zu empfangen.

rbbKultur – Die Sendetermine

6.9. 21.9. 6.10.

Fr 20:04

Konzerthausorchester Berlin

Live-Übertragung

Sa 20:04

Berliner Philharmoniker

Aufzeichnung vom  12. /  13. /  14.9.

So 20:04

Les Siècles

Aufzeichnung vom  15.9.

rbbKultur ist in Berlin über 92,4 MHz, Kabel 95,35, digital und über Livestream auf rbbkultur.de zu empfangen.

Digital Concert Hall – Die Sendetermine

8.9. 14.9.

So 20:00

Berliner Philharmoniker

Live-Übertragung

Sa 19:00

Berliner Philharmoniker

Live-Übertragung

digitalconcerthall.com

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Programmübersicht

Fr

Sa

So

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

So

30.8. 31.8. 1.9. 2.9. 3.9. 4.9. 5.9. 6.9. 7.9. 8.9.

Philharmonie 21:00

Pierre-Laurent Aimard I

Ausstellungsfoyer Kammermusiksaal 17:00

„Quartett der Kritiker“

Philharmonie 19:00

Eröffnungskonzert Orchestre Révolutionnaire et Romantique Monteverdi Choir Sir John Eliot Gardiner

Kammermusiksaal 11:00

Alexander Melnikov

Philharmonie 18:00

Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden Rundfunkchor Berlin Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Vladimir Jurowski

Philharmonie 20:00

Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam Tugan Sokhiev

Philharmonie 19:00

Japanisches Nō-Theater Ensemble der Umewaka Kennōkai Foundation

Philharmonie 20:00

Ensemble Modern Brad Lubman

Philharmonie 20:00

BBC Symphony Orchestra Sakari Oramo

Kammermusiksaal 20:00

Pierre-Laurent Aimard II

Konzerthaus Berlin 20:00

Konzerthausorchester Berlin Juraj Valčuha

Philharmonie 19:00

Berliner Philharmoniker Peter Eötvös

Kammermusiksaal 17:00

Ensemble Musikfabrik Peter Eötvös

(wie 7.9.) Philharmonie 20:00

Berliner Philharmoniker Peter Eötvös

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Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

So

Mo

Di

Mi

Do

So

9.9. 10.9. 11.9. 12.9.

Kammermusiksaal 20:00

Georg Nigl & Olga Pashchenko

Philharmonie 20:00

Münchner Philharmoniker Valery Gergiev

Philharmonie 20:00

London Symphony Orchestra Sir Simon Rattle

Kammermusiksaal 20:00

Pierre-Laurent Aimard III & Yuko Kakuta

Philharmonie 20:00

Rundfunkchor Berlin Berliner Philharmoniker Daniel Harding

13.9.

(wie 12./   14.9.) Philharmonie 20:00

Rundfunkchor Berlin Berliner Philharmoniker Daniel Harding

14.9.

Konzerthaus Berlin 14:00 – 23:00

Film & Live Musik:  La Roue  Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Frank Strobel

(wie 12./   13.9.) Philharmonie 19:00

Rundfunkchor Berlin Berliner Philharmoniker Daniel Harding

Philharmonie 11:00

Jack Quartet Junge Deutsche Philharmonie Jonathan Nott

Philharmonie 20:00

Orchestre Les Siècles François-Xavier Roth

Philharmonie 20:00

Israel Philharmonic Orchestra Zubin Mehta

Philharmonie 20:00

Orchester der Deutschen Oper Berlin Donald Runnicles

Kammermusiksaal 20:00

Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker Susanna Mälkki

Philharmonie 20:00

Rundfunkchor Berlin Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Robin Ticciati

Kammermusiksaal 16:00

IPPNW-Benefizkonzert WuWei Trio

15.9. 16.9. 17.9. 18.9. 19.9. 22.9.

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IMPRESSUM

Musikfest Berlin

Berliner Festspiele

Künstlerische Leitung

Ein Geschäftsbereich der

Dr. Winrich Hopp

Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH

Studentische Mitarbeit K ­ ommunikation

Josip Jolić, Leonard Pelz

Organisation

Anke Buckentin (Leitung), Anna Crespo Palomar, Ina Steffan

Intendant

Dr. Thomas Oberender Kaufmännische Geschäftsführung

Abendprogramm

Charlotte Sieben

Ticket Office

Ingo Franke (Leitung), Maike D ­ ietrich, Simone Erlein, Frano Ivić, Torsten S ­ ommer, Sibylle Steffen, Alexa Stümpke, Marc Völz Vertrieb

Redaktion

Dr. Barbara Barthelmes

Leitung Kommunikation

Uwe Krey

Claudia Nola Gebäudemanagement

Lektorat

Anke Buckentin Anna Crespo Palomar Thalia Hertel Gestaltung Cover

Christine Berkenhoff und Anna Busdiecker Gestaltung Innenseiten

Christine Berkenhoff nach einem Entwurf von Eps51 Herstellung

medialis Offsetdruck GmbH, Berlin Stand: 31. Juli 2019 Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten

Christine Berkenhoff, Anna Busdiecker, Felix Ewers

Ulrike Johnson (Leitung), Frank Choschzick, Olaf Jüngling, Georg Mikulla, Sven Reinisch

Internetredaktion

Hotelbüro

Grafik

Frank Giesker, Jan Köhler Marketing

Anna-Maria Eigel, Gerlind Fichte, Jan Heberlein, Michaela Mainberger

Logistik

Presse

Technische Leitung

Anna Lina Hinz, Patricia Hofmann, Svenja Kauer, Jasmin Takim, Jennifer Wilkens

Matthias Schäfer Adresse

Protokoll

Schaperstraße 24, 10719 Berlin

Gerhild Heyder Redaktion

Dr. Barbara Barthelmes, Andrea Berger, Anne Phillips-Krug, Paul Rabe

Gefördert durch / Funded by

Caroline Döring, Selina Kahle, Frauke Nissen I-Chin Liu (Leitung), Sven Altmann

Berliner Festspiele

+ 49 30 254 89 0 info@berlinerfestspiele.de berlinerfestspiele.de

Berliner Festspiele / Musikfest Berlin in Zusammenarbeit mit / in cooperation with Stiftung Berliner Philharmoniker

Medienpartner / Media Partners

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