Theatertreffen 2016 – Stückemarkt-Broschüre

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Inhaltsverzeichnis / Contents 2

Das Unfassbare fassbar machen / Comprehending the incomprehensible

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Grußworte / Words of Welcome

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Fake & Furor

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Stückemarkt I: two-women-machine-show & Jonathan Bonnici „TRANS –“

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Stückemarkt II: Simone Kucher „Eine Version der Geschichte“

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Stückemarkt III: Pat To Yan „A Concise History of Future China“

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Stückemarkt IV: Dino Pešut „Der (vor)letzte Panda oder Die Statik“

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Stückemarkt V: Bara Kolenc, Atej Tutta „Metamorphoses 3° : RETORIKA“

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Eröffnung und Gespräche / Opening and Talks

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Workshops / Workshops

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TT Stückemarkt Werkauftrag-Pitch / TT Stückemarkt concept pitch

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TT Stückemarkt Werkauftrag-Pitch: Neue Stücke und Projekte /

TT Stückemarkt concept pitch: New plays and projects

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Stückemarkt Revisited: TALKING STRAIGHT „Entertainment“

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Künstler*innengipfel / Artist summit

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Leseproben / Reading samples

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Kalendarium / Calendar

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Impressum / Imprint


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Das Unfassbare fassbar machen Wer ist das Wir in unserer Gesellschaft? Über wen sprechen wir, wenn wir über uns sprechen? Welche Geschichte(n) erzählen wir uns über uns und wer erzählt sie? Die Frage danach, wie wir uns mittels Sprache definieren und ob es uns gelingt, lineare, normative Narrative eines überlegenen Mehrheits-Wir zu durchbrechen, wird eine zentrale Rolle spielen in der Herausbildung eines neuen Selbstverständnisses von Gesellschaft in der aktuellen Umbruchssituation Europas. In diesem Sinn treffen politische Realität und das Erproben neuer Formen von Autor*innenschaft aufeinander. 2016 hat der Stückemarkt deshalb nach Stücken gesucht, die sich mit der politischen Dimension von Narrativen auseinandersetzen. 324 Autor*innen aus ganz Europa haben sich auf unsere Ausschreibung beworben. Unter ihnen waren so viele internationale Beiträge wie noch nie, und zum ersten Mal kommen vier der fünf eingeladenen Autor*innen(gruppen) aus dem nicht-deutschsprachigen Raum. Ausnahmslos alle Stücke beschäftigen sich mit Macht, Gewalt, Krise und Krieg. Aber die Themen allein machen nicht das eigentlich Verbindende der Auswahl aus. Ihnen ist auf einer weiteren Ebene etwas weniger Offensichtliches, aber Ungewöhnlicheres gemein: das spielerische, unhierarchische Verhältnis zu Zeit und Realität. Dieses fordert eine besondere Art des Sprechens und der Haltung zu dem, was gesagt wird: ein Sprechen aus einer polyphonen, zeitlichkeitsdistanten Perspektive. Im ureigenen theatralen Sinn existiert in den Stücken vieles gleichzeitig: Realität und Fiktion, Statik und Bewegung, Osten und Westen, Zukunft und Vergangenheit. Und zwar ohne dass diese Gegensätze als solche miteinander um Deutungshoheit ringen. Sie stehen vielmehr in einem Verhältnis des Übergangs zuei­nander, im Sinne von Transformationen und Metamorphosen. Die Stücke haben gewissermaßen das Ephemere des Theaters in sich aufgesogen, in ihre Struktur, in das Sprechen, die Handlung, das Verhältnis zum Publikum. Unterschiedliche Perspektiven lösen sich nicht in einem gemeinsamen Wir auf, sondern bleiben nebeneinander bestehen, ergänzen und verschärfen sich gegenseitig. Sie machen so Diversität sichtbar und fordern zur individuellen Sinnstiftung auf. Die kritische Reflexion von ästhetischer Narration durch die Vielstimmigkeit und Gebrochenheit linearen Erzählens in allen Stücken leistet einen produktiven Umgang mit der politischen Dimension von Narrativen. Die ausgewählten Stücke behaupten keine Allgemeingültigkeit einer Perspektive, sondern beschreiben den Unterschied zwischen psychologischem Erleben, technologischen Fakten und normativer Geschichtsschreibung. Und auf diese Weise laden sie zum Erleben dieser Transformationen und Metamorphosen ein, in denen das Unfassbare vielleicht für einen Moment fassbar wird. Christina Zintl Dramaturgin Theatertreffen / Stückemarkt Der Stückemarkt wird gefördert durch die Karl Schlecht Stiftung. Er findet in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung / bpb statt. Wir danken unseren Partner*innen für die Unterstützung.


Comprehending the incomprehensible

Christina Zintl Dramaturg Theatertreffen / Stückemarkt Stückemarkt is supported by the Karl Schlecht Foundation. It is organised in cooperation with the German Federal Agency for Civic Education (Bundeszentrale für politische Bildung) / bpb. We thank our partners for the support.

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Who is the we in our society? Who do we talk about, when we are talking about us? What are the stories we tell ourselves about us and who is telling them? How we define ourselves by means of language and whether we manage to break through the linear, normative narrative of a superior majority we will be a central issue in the emergence of a new conception of society in Europe’s current situation of upheaval. In this sense, political reality and the experimenting with new forms of authorship are coming together. That is why in 2016 the Stückemarkt looked for plays that address the political dimension of narratives. 324 authors from across Europe responded to our call for applications. Among them were more international submissions than ever before and for the first time, four out of five selected authors or groups of authors come from outside the German-language regions. Without exception, all plays address the issues of power, violence, crisis and war. But what connects the selected plays lies less in their topics. What they have in common on another level is something less obvious, but more unusual: a playful, un-hierarchical relationship with time and reality. This demands a specific way of speaking and a specific approach towards what is said. Speaking from a polyphonous perspective, distant from temporality. In the most originary theatrical sense, in these plays, many things exist simultaneously. Reality and fiction, stasis and motion, East and West, future and past. These contrasts are not competing for the prerogative of interpretation. Rather, they stand in a relation of transition, in the sense of transformation and metamorphosis. These plays have absorbed the ephemerality of the theatre, as it were, into their structures, their acts of speaking, their plots, and their relationships with the audience. Diverging perspectives are not resolved into a common we, but remain juxta­ posed, complementing and accentuating each other. Thus, they render diversity visible and call for individual endowment with meaning. The critical reflection of aesthetic narration by means of a diversity of voices and a discontinuity of linear plotlines in all plays makes for productive exploration of the political dimension of narratives. The selected plays make no claims to universal validity; they much rather describe the difference between psychological experience, technological facts and normative historiography. And in this way, they invite us to experience transformations and metamorphoses in which the intangible might be rendered tangible for just one moment.


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Grußwort Liebe Theaterfreunde, die Karl Schlecht Stiftung unterstützt den Stückemarkt bereits seit 2013. Warum? Hinter jedem guten Theaterstück steht ein mutiger Autor – und den dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren. Denn von seinem „Stück“ hängt auch ein Stück von uns selbst ab, von unserem Blick auf die Welt. Der Stückemarkt fördert diesen wertvollen künstle­ rischen Nachwuchs auf intensive Weise, durch seinen Anspruch, sein Netzwerk und seine Workshops. Auch im vierten Jahr unserer Partnerschaft fällt uns wieder die große Vielfalt und Brisanz der ausge­ wählten Arbeiten auf, die unser Weltbild verfeinern. Macht und Gewalt – Kernthemen der diesjährigen Arbeiten – begleiten leider weiterhin unsere Gemeinschaft. Hier kann auf allen Ebenen etwas entgegengesetzt werden, auch durch Kunst und Kultur. Kunst konfrontiert und spielt mit Realitäten, zu denen dem Außenstehenden häufig anders kein Zugang gelingt. Dies ist die zweite Ebene, auf der uns der Stückemarkt überzeugt: der Außenstehende. Nicht nur die Autoren werden intensiv gefördert, auch die Zuschauer können sich in begleitenden Workshops den Stücken besser annähern. So hat der Stückemarkt einen wertvollen Platz für uns eingenommen – durch seinen zweidimensio­ nalen Vermittlungsansatz, der auch die Rezeptions­ ebene mit berücksichtigt und Theaterstücke verständlicher macht. Wir freuen uns, dass wir Sie und uns alle bei der Weiterentwicklung in diese Richtung unterstützen können. Allen Autoren viel Erfolg! Ihre Dr. Katrin Schlecht Karl Schlecht Stiftung Förderin des Stückemarktes


Words of Welcome Dear friends of the theatre, the Karl Schlecht Foundation has been supporting the Stückemarkt since 2013. Why? Because behind every good play, there is a courageous author – and we must not lose track of these artists. Because a piece of us, a piece of our view of the world, also depends on their “theatre pieces”. The Stückemarkt gives these emerging artists comprehensive support through its high demands, its network and its workshops. In the fourth year of our partnership, we are once again struck by the great variety and topicality of the selected works, which help to refine our world view. Regrettably, power and violence – core topic of this year’s works – are still features of our society. We can oppose this on all levels, also through art and culture. Art confronts us and plays with realities that outsiders often don’t find access to. This is the second level on which the Stückemarkt’s concept convinces us: the outsiders. It is not only the authors who are supported, but the accompanying workshops also enable the audience to get a closer understanding of the plays. Thus, the Stückemarkt holds a valuable position for us – by its two-dimensional approach of communication which does not forget the level of reception and helps to render the plays more comprehensible. We are very happy to support you and all those involved in a further development in this direction and we wish all authors the best of success! Karl Schlecht Foundation Sponsor of Stückemarkt

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Yours Dr. Katrin Schlecht


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Grußwort Theater versteht sich seit jeher als ein Ort, an dem über gesellschaftlich brisante Fragestellungen verhandelt wird. Seine Relevanz kann das Theater aber nur dann behaupten, wenn es experimentierfreudig ist und wenn es ihm gelingt, sich immer wieder neu zu erfinden. Dazu bedarf es in hohem Maße Autor*innen, die mit ihren Stücken den Nerv des Publikums präzise treffen und denen es gelingt, mit ihren Arbeiten zu provozieren und kontroverse Diskussionen anstoßen. Der Stückemarkt des Theatertreffens hat in der Vergangenheit die dafür stets notwendige Risikobereitschaft bewiesen und erfolgreich innovative Formen der Autor*innenschaft entwickeln und eta­ blieren können. Den damit verbundenen Anspruch, innovativen Theatermacher*innen ein produktives Umfeld zu bieten, gilt es auch zukünftig weiter zu verfolgen. Die Bundeszentrale für politische Bildung engagiert sich seit vielen Jahren als Partnerin des Stückemarkts. Neben der allgemeinen Förderung stiftet sie für die aktuelle Ausgabe einen mit 7.000 Euro dotierten Werk­ auftrag, der die eingeladenen Künstler*innen nachhaltig darin unterstützen möchte, sich in ihren Arbeiten mit den großen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen. In diesem Jahr präsentieren die eingeladenen Autor*innen erstmalig ihre Ideen für ein neues Stück in einem öffentlichen Pitch. Über den / die Preisträger*in entscheiden die Zuschauer*innen, die ihr Votum live vor Ort und im Netz abgegeben können. Das prä­mierte Stück wird in der kommenden Spielzeit am Schauspiel Dortmund produziert und uraufgeführt. Ich wünsche den eingeladenen Autor*innen viel Erfolg und bin gespannt auf die Impulse, die vom diesjäh­ rigen Stückemarkt ausgehen. Thomas Krüger Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung


Words of Welcome

Thomas Krüger President of the Federal Agency for Civil Education

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The theatre has always seen itself as a venue for debate about socially charged issues. In order to assert a continued relevance, however, the theatre has to keep its interest in experimentation and constantly manage to reinvent itself. There is an eminent need for authors who are able to precisely gage the audiences’ interests and whose work provokes and initiates controversial discussions. In the past, the Theatertreffen’s Stückemarkt has proved that it is willing to take essential risks and managed to successfully develop and establish innovative forms of authorship. The related ambition to provide innovative theatre makers with a productive environment needs to be pursued in the future. The Bundeszentrale für politische Bildung (Federal Agency for Civil Education) has been a supporting partner of the Stückemarkt for many years. Apart from our general sponsorship, the Agency has donated a commission of work worth 7,000 Euro this year. This is intended to sustainably support the invited artists in their investigation of the great political and social challenges of our times. For the first time, this year the invited authors will present their ideas for a new work at a public pitching event. The audience will decide who will be awarded the commission by voting live on location or via the Internet. The selected play will be produced and premiered during the coming season at Schauspiel Dortmund. I wish all invited authors the best of success and I am looking forward to the impulses generated by this year’s Stückemarkt.


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Fake & Furor Nein, nein, nein, die Literatur ist nicht am Ende, und schon gar nicht die Sprache. – Hat wer gesagt? – Ja, das sagen sie doch immer alle.– Wer alle? Wir nicht. – Wer wir? Solche Unterhaltungen hätten wir in unserer Jury-Sitzung als Fake-Unterhaltung bezeichnet, und eine solche Fake-Unterhaltung habe ich jetzt bitter nötig. Ein wenig simples Pingpong wäre jetzt nun wirklich fein nach den langgliedrigen Diskussionen (immer rund um den Tisch und quer drüber), die sich eben nicht an weitere Fake-Gespräche anschließen lassen über eine tröstende Vielfalt, die Wiederkehr des Realen, die Generation Krise, das postmigrantische Dispositiv, die neuen theatralen Metaformen, über den neuen Sprachfuror, wie man es sich möglicherweise als öffentliche Unterhaltung imaginieren könnte. Das Jurygespräch kreist bekanntlich einfach um die einzelnen Texte. Ganz konkret. Die Kriterien waren im Fluss und immer an den Stücken entlang. Z.B. die Frage, was dieses Stück zu einem Stück macht. Ob da jemand Dialoge bauen konnte, die wirklich welche sind, ob da Stoff für Schauspieler drin steckt, ob eine sprachliche Kraft erkennbar wird oder ob es arg thesenhaft ist, ob jemand wirklich etwas damit will oder ob es nur Posing ist. Sowas in der Art – aber auch ob jemand sich einem Gegenüber stellt oder in der Fabel steckenbleibt, ob man die Auseinandersetzung sucht oder es

nur richtig machen will. Das hatte uns am wenigsten interessiert – Ein Kriterium, das vermutlich am schwierigsten zu erläutern wäre?, werden Sie fragen, ja, Sie, die Sie irgendwie in meine Fake-Unterhaltung geraten sind – Ich werde mich hüten!, werde ich antworten. – Wieso nicht? Wäre doch interessant … – Im Grunde, werde ich Sie unterbrechen, sind das, was in Jurysitzungen stattfindet, erst einmal Beschreibungsversuche, angetrieben von Faszination oder Widerspruch. Beschreibungsversuche, die immer etwas fehllaufen müssen, immer lückenhaft bleiben, perspektivisch verzerrt. Durch diese Lücken zu springen, sie gegeneinander sich abzunehmen, blicktechnische Korrekturen zu versuchen, ist der Luxus des Vorgangs. Nicht dazu gehört jedenfalls, die Texte in der letzten Sitzung über eine Stange zu brechen und eine Art Jahrgangsstate­ ment herauszudestillieren, denn es gibt naturgemäß keine Jahrgänge der Dramatik – wo kämen wir da hin! Und doch hat es mich regelrecht überrascht, dass ich am Ende immer wieder über den Begriff der Ungleichzeitigkeit nachdenken musste, der Überlappung und Ineinanderführung von Zeitebenen. Das fing bei den Multilayer-plays an und ging bis ins Thema der Erinnerungsfälschung hinein, wie es sowohl in Pat To Yans „A Concise History of Future China“ zu finden ist, als auch in Simone Kuchers „Eine Version der Geschichte“, oder in „Der (vor)letzte Panda oder Die Statik“ von Dino Pešut, ein Stück, über dessen Titel wir seltsamerweise gar nicht gerätselt haben. Die zeitliche Tektonik der Stücke betraf auch das Verhältnis zur


Fernwirkungen. – Jetzt machen Sie mal einen Punkt!, rufen Sie – Richtig! Nur einen Moment noch: Die Gewissheit, nicht mehr auf einer Ebene die eine Geschichte erzählen zu können bestimmte viele Stücke und Projekte, und das hatte nicht notwendigerweise alleine was mit Zitaten der Gaming-Society in den Projekten zu tun, sondern mit den massiven Transformationen und gesellschaftlichen Umbrüchen, die einen in so manche Metamorphose zwingen kann, und somit an den Rand der Sprache, ins Flüstern und Rufen, in merkwürdige Bühneneinsamkeiten wie in der Produktion „Metamorphoses 3° : RETORIKA“von Bara Kolenc und Atej Tutta. Vielleicht sind es die Metamorphosen, die diesen sprachlichen Furor hervorrufen. Vielleicht ist die Metamorphose eine Grundfigur der vielen Stücke, die uns vorlagen, und es gibt eine Linie von der Ungleichzeitigkeit über die Verstrickung von Fiktion und Realismus Richtung Metamorphose, die zu ziehen ich im Moment noch nicht in der Lage bin. Klar ist, dass sie uns gerade gesellschaftspolitisch so manchen Strich durch die Rechnung macht – es handelt sich also um absolute Grundlagenforschung, werden Sie mich zum Schluss unterbrechen – richtig, kann ich noch gerade antworten, dann lasse ich Sie endlich den Faden aufnehmen: Schauen wir uns das mal an! Kathrin Röggla Jurorin Stückemarkt 2016

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Zukunft. Dass das Dystopische unsere Nachmittage durchziehen würde, hatte ich zwar schon vor der Lektüre vermutet, aber dass es nicht mehr im Reich der Fiktion anzusiedeln ist, d.h., dass sein Hauptquartier sozusagen nicht mehr dort sitzt, von wo sich unsere realen Alltagserfahrungen fein säuberlich abtrennen ließen, sondern Fiktionen und Realismen aufs heftigste ineinander verknotet sind! – Logisch, werden Sie, bereits ungeduldig, dazwischenrufen, das ist doch normal und immer so – und ich sage, das ist ganz und gar nicht normal! Es war eines der merkwürdigsten Leseerlebnisse der letzten Zeit, die Fiktion grätschte in vielen der eingereichten Stücke auch nicht mehr nur in vermeintlich realistische Settings, sie übernahm die leading role. Ihre Realitätswirksamkeit herauszuarbeiten und zu begreifen, war der basso continuo ihrer Rezeption. Das fängt schon bei ganz einfachen Beschreibungsvorgängen an, etwas, von dem man nun wirklich annimmt, es sei eine sehr einfache Angelegenheit, doch im Gegenteil. Zu beschreiben, was um einen in einem Theaterraum passiert, ist ein hochkomplexer und sehr normativer Vorgang, dem eine poetische Kraft innewohnen kann und der unweigerlich in die Fiktion hineinwächst. Dies hat „TRANS-“ der two-women-machine-show & Jonathan Bonnici in bestechender Einfachheit und mit minimalistischen Mitteln gezeigt. Das Hier und Jetzt kann ganz schön auseinandergehen. Und: Wenn es etwas gibt, was zwei Punkte miteinander auf kürzestem Weg verbindet, ist es heute mit Sicherheit nichts mehr Gerades. Die Linie hat ausgedient, es sind bestenfalls kommunizierende Röhren, ein Angestoßenwerden, Ineinanderfließen von Geschichten, von vielschichtigen Prozessen, spukhafte


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Fake & Furor No, no, no, the end of literature has not come and neither has the end of language. – Who said that? – Well, everyone keeps saying it. – Who is everyone? We don’t say that. – Who is we? In our jury sessions, we would have called such a conversation a fake conversation, and I could really use such a fake conversation right now. I would love a little simple ping-pong after our rangy discussions (round and round the table and right across it) which could simply not be likened to fake conversations, possible public conversations about the comforting variety, the return of the real, about Generation Crisis, the post-migrant dispositive, the new dramatic meta-forms, about the new furor of language. Jury discussions are known to simply circle around the individual texts. Quite specifically. The criteria were in a state of flux, following the outlines of the plays. For instance, there was the question of what makes this play a play. Did someone manage to construct dialogues that really are dialogues, is there material for actors, a force of language, or is it merely a collection of statements? Is someone really trying to achieve something or is it all empty posing? These kinds of questions. But also whether someone is confronting another, or is stuck in the storytelling; whether they are looking for a real debate or just want to make no mistakes. Which was what we cared about least. – A criterion that is probably the most difficult to explain? you ask. Yes, you who have somehow stumbled into my fake conversation. I will do no such thing!, I answer. – Why not? It would be interesting to know… – Basically, I interrupt, what goes on in jury sessions is initially a series of attempts to describe, driven by either

fascination or objection. Attempts to describe that will always go a little awry, remain incomplete, distorted. Jumping through the gaps, trying to take them away from each other, attempting corrections of perspective, this is the luxury of this process. What has no place here is using the final session to bend all texts over the same rod and to distil a kind of statement from this particular vintage, because naturally there are no vintages in drama – what would that make us?! And still, I was downright surprised to find myself finally considering and reconsidering the concept of asynchrony, the overlapping and interlinking of time levels. This phenomenon began with the multilayered plays and continued into the topic of forged memories, which can be found in Pat To Yan’s “A Concise History of Future China” or in Simone Kucher’s “One Version of the Story” or in “The (pen) ultimate Panda or The Stasis” by Dino Pešut – a title, incidentally, which did not puzzle us at all. The plays’ temporal tectonics also affected their relation­ ships with the future. Before beginning to read, I may have expected the dystopic to permeate our afternoons, but the fact that it no longer resides in the realm of fiction, that its headquarters are no longer located, as it were, in a place that can be neatly separated from our day-to-day experiences, that fiction and realisms are much rather intensely entangled in each other! – Of course, you will interject, already impatient, that’s obvious and always has been – and I say that it is not obvious, not at all! It was one of the strangest reading experiences of recent times: in many of the submitted plays, fiction did more than just slide into realistic settings, it grabbed the leading


v.l.n.r.: Hans-Werner Kroesinger, Árpád Schilling, Kathrin Röggla, Christina Zintl, Simon Stone © Piero Chiussi / Agentur StandArt

level defined many plays and projects. And that was not necessarily all to do with references to our gaming society, but with the massive trans­formations and social upheavals that can force us to undergo many a metamorphosis and bring us to the limits of language, to make us whisper and call out, and finally take us to peculiar theatrical solitudes as in “Metamorphoses 3° : RETORIKA”, the production by Bara Kolenc and Atej Tutta. Maybe it is precisely the metamorphoses that elicit this furor of language. Maybe metamorphosis is a fundamental figure of the many plays we saw and maybe there is a line leading from asynchrony via the entanglement of fiction and realism towards metamorphosis – a line that I am as yet unable to draw. What is certain is that this line is currently putting a sociopolitical spoke in many a wheel – Ah, so we are talking about absolutely fundamental research, you will finally interrupt me – Right, is all Imanage to answer and then I finally let you take up the thread: Let’s have a look! Kathrin Röggla

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role. Working out and understanding their effectiveness with regards to reality became the basso continuo of their reception. This begins with simple processes of description, something that one might suppose to be a simple thing, but – au contraire. Describing what goes on in a theatre space is a highly complex and very normative process which can embrace a poetical power and which unavoidably expands into fiction. “TRANS-“, the production by two-women-machine-show & Jonathan Bonnici, demonstrated this with captivating simplicity and minimalist means. The Here and Now can drift quite a ways apart. And: If there is a shortest connection between two points, nowadays you can bet that it won’t be anything like a straight line. The days of the line are over, now it is communicating pipes at best, a mutual nudging, merging of stories, of many-layered processes, ghostly long-distance impacts. Is there a point here?!, you exclaim – Right! Give me one more moment: The certainty that it is impossible to tell one single story on ne single


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© Lars Kjær Dideriksen

© Frida Gregersen

© Søren Meisner

two-women-machine-show ist ein Projekt zu dem sich die Choreografinnen-Performerinnen Ida-Elisabeth Larsen (*1983) und Marie-Louise Stentebjerg (*1981) zusammengeschlossen haben. Seit 2011 entwickeln sie Arbeiten, ausgehend von einer choreografischen Praxis, in der Sprache ein integrales Element ist. two-women-machine-show is a project under which the choreographers and performers Ida-Elisabeth Larsen (*1983) and Marie-Louise Stentebjerg (*1981) have joined forces. Their work is based on a choreographic practice they have been developing since 2011, in which language is an integral element.

© Søren Meisner

Jonathan Bonnici ist britischer Schauspieler und lebt in Kopenhagen. Aus dem universitären Bereich kommend (Philosophie und Politik) wechselte er an die Royal Academy of Dramatic Art in London. Jonathan Bonnici (*1983) is a Copenhagen based British actor who went from a University background in philosophy and politics to The Royal Academy of Dramatic Arts, London.


Stückemarkt I

two-women-machine-show & Jonathan Bonnici TRANS – (Dänemark) – Performance (in English)

Idea & Staging Jonathan Bonnici, Marie-Louise Stentebjerg Staging & process documentation Ida-Elisabeth Larsen Performers Jonathan Bonnici, Emma-Cecilia Ajanki, Piet Gitz-Johansen Light, scenography & costume Hanna Reidmar Lighting technician Kerstin Weimers Sound artist Santi Rieser Graphic & process documentation Samuel Gregory Moore Photo Lars Kjoer Dideriksen, Bora Bora Administration Projektcentret

Thanks to Regina Biermann, Scott Williams, Alexander Holm, Asger Hartvig

Freitag, 13. Mai 2016 19:30 und 22:00 Haus der Berliner Festspiele, Seitenbühne / 10 €

Freitag, 13. Mai 2016 21:00 Uhr, in English Autor*innen-Gespräch I mit two-women-machine-show, Jonathan Bonnici, Simone Kucher und Hans-Werner Kroesinger Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei

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Co-produced by Bora Bora Supported by Danish Arts Foundation, Copenhagen City Council, Odense City Council, Augustinus Fonden, Arts Council UK, Teater Momentum, Dansehallerne (Laboratoriescenen), Dansarena Nord, Play Practice Residency, Mumuksha Centre for Transformation


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Es scheint, als sei der Panoptikum-Entwurf des Gefängnisarchitekten Jeremy Bentham – über den Foucault später seinen gleichnamigen Essay schreibt – der theoretische Ausgangpunkt für das dreiköpfige Kollektiv two-women-machine-show & Jonathan Bonnici aus Dänemark. In ihrer Performance „TRANS-“ erforschen sie gemeinsam mit dem Publikum Mechanismen und Zusammenhänge zwischen Beobachtung und Observation der modernen Disziplinargesellschaft. Ein weißer Raum, ein akkurat angeordneter Stuhlkreis auf dem das Publikum sitzt und drei Performer*innen in der Mitte des Kreises, keine Requisiten, nichts. Sprache, Sound und Licht ordnen das Geschehen, rhythmisieren die Bewegung im Raum und beherrschen die Gegebenheiten. Die Performer*innen beschreiben was sie sehen und wie sie es sehen. So simpel, so intensiv. Sprache und Wissen, Sprache und Normierung scheinen untrennbar. Durch das Instrument der Sprache wird die Obsession zu kontrollieren, zu klassifizieren und zu normalisieren herausgearbeitet. Wie und wo treffen sich Wahrnehmung und Sprache? Die Zuschauer*innen werden zunehmend selbst Gegenstand der Performance, erfahren am eigenen Leib die Gewalt, die vom Beschreibungszwang der Sprache ausgeht. „TRANS-“ ist zugleich körperliche Erfahrung und intensives Experiment, um eine veränderte Wahrnehmung von Raum, Körper und Sprache zu erlangen. Yvonne Büdenhölzer Leiterin des Theatertreffens


Yvonne Büdenhölzer Director Theatertreffen

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It seems as if the panopticon design by prison architect Jeremy Bentham – about which Foucault wrote an essay – was the theoretical starting point for the three-piece collective two-womenmachine-show & Jonathan Bonnici from Denmark. In their performance “TRANS-”, together with their audience, they explore mechanisms and connections between surveillance and observation in our modern disciplinary society. A white space, a meticulously arranged circle of chairs for the audience and three performers at the circle’s centre. No props, nothing. Language, sound and lighting give order to the events, rhythm to the movements within the space and control what happens. The performers describe what they see and how they see it. So simple, so intense. Language and knowledge, language and standardization appear inseparable. The mania for observation, control, classification and standardization by means of the instrument of language is elaborated through the question of how and where perception and language meet. By increasingly becoming the performance’s subject, the spectators physically experience the violence that emanates from language’s compulsion to describe. “TRANS-” is both a physical experience and an intense experiment leading to an altered perception of space, body and language.


© Lutz Knospe

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Simone Kucher, 1973 in Ellwangen geboren, studierte Theaterwissenschaft, Gender Studies und Neuere deutsche Literatur in München und Berlin, lebte in Jerusalem und den USA. Ihr erstes Stück „Falls City“ kam 2005 in der Roten Fabrik, Zürich zur Uraufführung. Sie wurde zur Dramatikerwerkstatt der Internationalen Schillertage, der Nacht der Dramatiker an den Münchner Kammerspielen und zur Theaterbiennale Wiesbaden eingeladen und 2009 mit ihrem Stück „Silent Song“ für die St. Gallener Autorentage nominiert. Ihre Stücke wurden in München, Basel, Bochum, Wien und Berlin uraufgeführt. Simone Kucher schreibt Hörspiele und Features fürs Radio und arbeitet an zeitgenössischer Musik mit dem Komponisten Petros Ovsepyan.

© Lutz Knospe

Simone Kucher, born 1973 in Ellwangen, studied theatre-science, gender studies and new German literature in Munich and Berlin and has lived in Jerusalem and the USA. Her first play “Falls City” debuted in 2005 (Rote Fabrik, Zürich). She was invited to the dramatic-workshop of International Schillertage, to the night of dramatic at Münchner Kammerspiele, to Theaterbiennale Wiesbaden “Neue Stücke aus Europa” and was nominated with her play “Silent Song” for St. Gallener Autorentage 2009. Her plays premiered in Munich, Basel, Bochum, Vienna and Berlin. Simone Kucher writes radio plays and features and works together on contemporary music with the composer Petros Osepyan.


Stückemarkt II

Simone Kucher Eine Version der Geschichte

(Deutschland) – Szenische Lesung / staged reading (in German)

Einrichtung Bettina Bruinier Dramaturgie Maximilian Löwenstein Musik Oliver Urbanski Ausstattung Mareile Krettek   Lusine Eva Bay, Felize Ovsepyan Mutter Marie-Lou Sellem Wissenschaftlerin Anne Ratte-Polle Alter Mann László Imre Kish Charles Oliver Urbanski Sammy Taner Şahintürk

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Freitag, 13. Mai 2016 19:30 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / 10 €

Freitag, 13. Mai 2016 21:00 Uhr, in English Autor*innen-Gespräch I mit two-women-machine-show, Jonathan Bonnici, Simone Kucher und Hans-Werner Kroesinger Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei


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„Er ist tot. So muß es sein.“ So beginnt das Stück „Eine Version der Geschichte“ von Simone Kucher. Es erzählt von dem, was bleibt und dem was verschwindet. Eine Spurensuche, die ausgelöst wird durch eine Begegnung. Nach einem Violinkonzert des armenischen Komponisten Khatchaturian spricht ein alter Mann die Musikerin Lusine an. Er zitiert ein Gedicht des armenischen Dichters Hamo Sahjan. Sie kennt es. „Eine Version der Geschichte“ ist ein Stück für 3 Damen und 3 Herren verschiedener Generationen und ein Tonband. Es handelt vom Gedächtnis, von Produkten künstlerischer Tätigkeit als Anknüpfungspunkte für die eigene Geschichte und von der Verantwortung für die eigene Biografie. Es wird von Armeniern im Exil erzählt, einer geplanten Reise in die Türkei, einer Beziehung zwischen einer Musikerin armenischer Herkunft und einem türkisch-französischen Dirigenten, von einem Völkermord, den das Land der Täter nicht anerkennt und von Dokumenten, in denen die Verstrickung des Deutschen Reichs belegt wird. Zusätzlich kommen Stimmen Kriegsgefangener aus dem ersten Weltkrieg zum Vorschein, aus einer Zeit, als sich Sprachwissenschaftler aufmachten, mit dem Phonographen fremde Sprachen zu sammeln. Der Phonograph wurde damals beworben, so heißt es im Stück, mit dem Slogan: „Geister können nun sprechen. Oder besser: Tote können sprechen.“ Tote können sprechen, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Ein präziser Text, der in poetischer Form die Geschichten Vertriebener, die Konstruktion von Identitäten und die öffentliche Auseinandersetzung mit der offiziellen Geschichte eines Völkermordes behandelt. Im Stück heißt es: „wir suchen nach Menschen, die sich auf die Spur begeben“. Simone Kuchers Text macht Lust, das zu tun. Hans-Werner Kroesinger


Hans-Werner Kroesinger

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“He is dead. That is how it has to be.” These are the first lines of Simone Kucher’s play “Eine Version der Geschichte (One version of the story)”. It recounts what remains and what disappears. A search for traces, triggered by an encounter. After a violin concert by Armenian composer Khatchaturian, an old man approaches Lusine, a musician. He quotes a poem by the Armenian poet Hamo Sahjan. She knows the poem. “Eine Version der Geschichte” is a play for 3 women and 3 men of different generations, and a tape recorder. It deals with memory, with products of creative work as starting points for one’s own history and with taking responsibility for one’s own biography. There are stories of Armenians in exile, of a planned journey to Turkey, a relationship between a female musician of Armenian origins and a Turkish-French conductor, of a genocide not acknowledged by the country of the perpetrators and of documents that prove the involvement of the German Reich in this genocide. And for good measure, there are the voices of prisoners of the First World War, from a time when linguists set out to collect foreign languages with the aid of a phonograph. In those days, the play says, phonographs were advertised with this slogan: “Now spirits can speak. Or better: The dead can speak.” The dead can speak when we get involved with them. A precise text that chooses a poetical form to address stories of displacement, the construction of identities and the public debate about official histories of a genocide. A line in the play says “We are looking for people who will follow the traces”. Simone Kucher’s text encourages us to do just that.


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© Pat To Yan

Pat To Yan, geboren 1975 in Hongkong, studierte Englische Literatur und Soziologie. Als Autor und Regisseur in Hongkong tätig, entdeckte und produzierte er europäische Dramatik. Er war Mitglied des „New Writing Laboratory“ und organisierte ein Programm zur Auseinandersetzung mit Stückentwicklungen und eine internationale Konferenz zu Szenischem Schreiben. Seit 2014 lebt er in London, wo er Szenisches Schreiben an der Royal Holloway Universität studiert und zahlreiche Arbeiten als Autor und Co-Regisseur realisiert.

© Trista Ma

Pat To Yan was born 1975 in Hong Kong, where he studied English Literature and Sociology. He encountered and produced new European plays while working as an author and director in Hong Kong. He was a member of the “New Writing Laboratory” which ran a program of developing new writing and organized a large and international conference on new playwriting. Since 2014 he has been based in London, where he is enrolled on the MA Playwriting at Royal Holloway University of London and has realized several works as writer and co-director.


Stückemarkt III

Pat To Yan A Concise History of Future China

(Großbritannien) – Szenische Lesung / staged reading (in English)

Einrichtung Philipp Preuss Dramaturgie Christina Zintl Ausstattung Ramallah Aubrecht Besetzung Lea Draeger Sébastien Jacobi Aleksandar Radenković Felix Römer Marie-Lou Sellem

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Dienstag, 17. Mai 2016 18:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / 10 €

Dienstag, 17. Mai 2016 19:30 Uhr, in English Autor*innen-Gespräch II mit Pat To Yan, Dino Pešut und Kathrin Röggla Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei


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Sich an die Zukunft zu erinnern ist heute harte Arbeit. Das kann nicht ohne den Außenseiter geschehen, aber auch nicht ohne The white bone lady, die sich in alles zu verwandeln in der Lage ist, den Mann, der Zeuge von Schmerzen wird und fake memories für andere Figuren schreibt, die Katze mit Loch, ein Parteimitglied und ein unheimliches Mädchen mit noch unheimlicheren Träumen. Sie bewegen sich durch eine Region, die eher ein Durchzugsgebiet ist, eine Parade von Versehrten, die aus dem Bildfundus eines William Kentridge entstammen könnte, der wiederum in eine Art Kontaktfeuer mit Heiner Müller geraten ist und doch wie ein Psychopilz Sporen eines Anime-Films aus Kikiland oder eines Avatar-Blockbusters von sich gibt. Es ist eine Reise in Richtung Norden, zur Hauptstadt, aus der alles in die Gegenrichtung flieht. Eine Reise voller Begegnungen, die uns durch ein ästhetisches Wechselbad führt, durch ein ambivalentes Tableau voller Gerichtsszenen, Parteireden und Kriegsszenerien schickt, in denen die Mutation nur eine der wahrscheinlichsten Grundvoraussetzungen ist, um zu überleben, wie das eben in einem Setting von Gewaltherrschaft – irgendwo zwischen Postkommunismus, Postfordismus und Neokapitalismus – so sein muss. Da kann die Grenze zwischen belebt und unbelebt nur ein Vehikel des politischen Interpretationsgeschäfts sein. Genauso wie die ständige Umschrift der Erinnerungen anderer, gegen die sich die stets morphende Fabel als Counter-Story in Stellung bringt. – und: Hoppla, was war das eben? Eine Antigone spazierte durchs Bild, als wäre ihre Tragödie nicht längst vorbei. Ihr Widerstand ist eine der vielen Verlustgeschichten, die doch die Herrschaft der fake memories in diesem exemplarischen China durchkreuzt, das heute ja niemals nur China alleine sein kann. „A Concise History of Future China“ widersetzt sich einer linearen narrativen Dramaturgie und arbeitet in sehr verdichtet poetischen Verflechtungen die grausamen Phantasmen einer gegenwärtigen Gesellschaft der Ungleichzeitigkeiten heraus, die zu jedem Rückfall in die Barbarei bereit ist – ob es nun um staatlich organisierten Organraub geht oder um gedungene Mörder. Ein Stück, in dem diese Phantasmen so real klingen, die Möglichkeit des Verwechselns von Realität und Traum so naheliegend scheinen, dass uns ihre Mächtigkeit schaudern macht. Was, wenn sich diese Alpträume längst vernetzt haben und gegen unsere Zukünfte antreten? Kathrin Röggla


Kathrin Röggla

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Remembering the future is hard work nowadays. It can’t be done without the Outsider, nor without the white bone lady who can transform herself into anything, the man who witnessed pain and writes fake memories for other characters, the cat with a hole, a party member and a sinister girl with even more sinister dreams. They move through a region that appears more like a migration area, like a parade of the maimed straight out of William Kentridge’s stock of images, which in turn has landed in a kind of contact fire with Heiner Müller and still, like a kind of magic mushroom, gives off spores of an anime film from Kikiland, or an Avatar blockbuster. It is a journey towards the North, towards the capital, with everyone else fleeing in the opposite direction. A journey of many encounters, putting us through an aesthetic roller-coaster, through an ambivalent tableau of courtroom scenes, political speeches and war scenarios, where mutation is nothing but one of the most probable basic requirements for survival – no more than is to be expected in a setting of tyranny, somewhere between post-communism, post-Fordism and neo-capitalism. In such circumstances, the dividing line between the animate and inanimate can be nothing else than a vehicle for the business of political interpretation. Just like the constant transcription of the memories of others, against which the ever morphing fable brings itself into position, as a counter-story. And: Wait – what was that? An Antigone just walked through the scene, as if her tragedy had not ended long ago. Her resistance is one of the many stories of loss which manages to thwart the rule of fake memories in this exemplary China, which nowadays could never be only China alone. “A Concise History of Future China” resists any linear narrative dramaturgy, using highly concentrated poetical interweaving to elaborate the cruel phantasms of a contemporary society of asynchronies which is ready to regress into all kinds of barbarism – be it state-organised organ theft or hired assassins. A play where these phantasms sound so realistic, and the possibility of confusing reality and dream appears so plausible, that their mightiness makes us shudder. What if these nightmares have long since built a network and are ready to compete against our futures?


© Uros Pajovic

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Dino Pešut, geboren 1990 in Sisak, studiert Drehbuch / Dramaturgie und Szenisches Schreiben in Zagreb und Ljubljana und arbeitet als Autor und Theatermacher. Seit 2011 realisiert er kontinuierlich Arbeiten am Jugendtheater Zagreb und war ebenfalls an Ko-Produktionen mit internationalen Künstler*innen und Theatern aus Pittsburgh, Braunschweig und New York beteiligt. Sein erstes Stück „The pressure of my generation“ wurde 2012 zum FORUM JUNGER AUTOREN EUROPAS der Theaterbiennale Wiesbaden eingeladen. Sein aktuelles Stück „(Pret)posljednja panda ili statika“ (Der (vor)letzte Panda oder Die Statik) gewann den ersten Platz des Marin Držić Preises, vergeben vom Kulturministerium Kroatien und kam 2015 im ZKM Zagreb zur Uraufführung.

© Goran Jovanović

Dino Pešut, born 1990 in Sisak, studies Dramaturgy in Screenwriting and Playwriting in Zagreb and Ljubljana and is working as dramaturge, theatre maker and playwright. Since 2011 he has realized works at the Zagreb Youth Theatre and has also been involved in co-productions with international artists and theatres from Pittsburgh, Braunschweig and New York. His playwright debut 2012 “The pressures of my generation” was selected for the FORUM OF YOUNG EUROPEAN PLAYWRIGHTS within Theaterbiennale Wiesbaden “New plays from Europe”. His latest play “(Pret) posljednja panda ili statika“ ((Pen)ultimate Panda or Static) won the 1st prize Marin Držić, by the Ministry of Culture and was premiered in ZKM Zagreb, 2015.


Stückemarkt IV

Dino Pešut Der (vor)letzte Panda oder Die Statik / (Pret)posljednja panda ili statika (Kroatien) – Szenische Lesung / staged reading (in German)

Aus dem Kroatischen von Alida Bremer

Einrichtung Friederike Heller Dramaturgie Sonja Anders Ausstattung Maria Ebbinghaus Besetzung Marija Lisa Hrdina Ana Luise Aschenbrenner Marin Tilman Strauß Luka Christoph Gawenda

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Dienstag, 17. Mai 2016 21:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / 10 €

Dienstag, 17. Mai 2016 19:30 Uhr, in English Autor*innen-Gespräch II mit Pat To Yan, Dino Pešut und Kathrin Röggla / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei


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1990 in Kroatien geboren zu sein verbindet. Aber was ist es genau, das daran vereint und was bleibt davon? Die Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg, an Hilfspakete mit Spielsachen von anderen Kindern, an das Aufwachsen in einer (Post-)Sozialistischen Gesellschaft, an arbeitslose Eltern, an den Wunsch, einmal in Kopenhagen zu leben? Dino Pešuts Stück folgt dem Erwachsenwerden von vier Figuren im Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus über knapp dreißig Jahre. Ana, Luka, Marin und Marija befinden sich im Laufe der Jahre in zunehmend unterschiedlichen ökonomischen, emotionalen und politischen Kontexten. Während Marin erfolgreich in der Mittelschicht ankommt und sich ein respektables Leben in der kroatischen Heimat aufbaut, regrediert Marija dort als dreifache Mutter in immer konservativeren Ansichten. Ana und Luka verbindet der radikale Bruch mit dem alten Leben. Beide versuchen, im Ausland ihre Identitäten neu zu definieren und Karrieren abseits des bürgerlichen Lebens aufzubauen. Die gemeinsamen Erinnerungen der Figuren gehen fast unbemerkt über in Visionen zukünftiger Dilemmata – auch wenn diese sich mit sehr unterschiedlichen Fragestellungen verbinden. In Berlin leben oder in Paris? Wie klarkommen mit einer Vergangenheit voller Gewalt? Wie die eigene Sexualität ausleben? Wie die jahrelange Depression überwinden? Wie und wohin zurückkehren, wenn es das Zurück nicht mehr gibt? Beim Erzählen, Erinnern und Entwerfen verschieben sich die Zeitebenen ineinander, so als wären sie nie getrennt gewesen. Die Perspektiven der vier Figuren sind zeitlich unhierarchisch und erzählen aus einer Art zeitlichkeits-distanter Position. Dadurch fließen ihre Stimmen zu einer polyphonen Erzählung zusammen. Dieses besondere Verhältnis zur Zeit fordert automatisch eine besonderen Art des Sprechens und des Zuhörens. Die Zuschauer*innen müssen eigene Sinnzusammenhänge herstellen und sich ihre Perspektive selbst suchen. Wir folgen nicht dem kollektiven hoffnungslosen Bericht einer traumatisierten Kriegsgeneration. Sondern wir erleben ein vielstimmiges vitales Ringen darum, sich aus einer statischen Situation zu befreien. Ein Ringen um die eigene Geschichte als Sinnstiftung, das – wie im echten Leben – gleichermaßen zum Scheitern und Gelingen führt. Und so entsteht aus dem Bericht vieler Stimmen ganz beiläufig die Typologie einer jungen Generation. Eine Generation zwischen zwei Welten, die ihren ursprünglichen Raum verloren hat und um einen neuen stetig kämpfen muss – mit ungewissem Ausgang. Aber die Hoffnung auf eine bessere Welt bleibt. Christina Zintl


Christina Zintl

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Having been born in Croatia in 1990 creates a connection. But what exactly is this connection and what remains of it? Memories of a childhood in wartimes, of aid parcels containing other children’s toys, of growing up in a (post-)socialist society, of unemployed parents, of the dream of living in Copenhagen one day? Dino Pešut’s play follows four characters for thirty years, coming of age in the transition from socialism to capitalism. Over the years, Ana, Luka, Marin, and Marija find themselves in increasingly different economic, emotional and political contexts. While Marin succeeds in the middle classes and builds a respectable life for himself in his native Croatia, Marija regresses into more and more conservative views there. Ana and Luka are united in a radical break with their old lives. They have both gone abroad, trying to redefine their identities and build careers beyond a bourgeois life-style. Almost imperceptibly, the characters’ shared memories become visions of future dilemmas – even if these are linked to very different questions. Whether to live in Berlin or in Paris? How to deal with a past life full of violence? How to live one’s own sexuality? How to get over many years of depression? How to go back and where to go – when back no longer exists. In telling, remembering and planning, time levels merge as if they had never been separated. The four characters’ points of view are un-hierarchical with regards to time, and their narration comes from a position that is distant from temporality. This causes their voices to flow together, forming a polyphonous narrative. This specific relationship to time automatically demands a specific mode of speaking and listening. The audience has to produce their own context of meaning and find their own perspective. We are not following the hopeless, collective account of a traumatized war generation. Rather, we are witnessing their many-voiced, energetic struggle to extricate themselves from a static situation. A struggle for their personal stories to provide meaning, which – just as in real life – leads to both failure and success. And so, almost casually, the account of many voices becomes the typology of a young generation. A generation caught between two worlds, who have lost their original space and are continually fighting for a new one – with an uncertain outcome. And yet, the hope for a better world remains.


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© Atej Tutta

© Valeria Cozzarini

© Radovan Jausovec

Bara Kolenc ist Philosophin, Performerin und Choreografin und lebt in Ljubljana, Slowenien. In den letzten Jahren arbeitete sie als freischaffende Künstlerin, hauptsächlich als Autorin eigener Projekte. Sie promovierte in Philosophie und veröffentlichte kürzlich das Buch: „Repetition and Enactment: Kierkegaard, Psychoanalysis, Theatre“. Bara Kolenc is a philosopher, performance artist and choreographer living in Ljubljana, Slovenia. She has been working as a freelance artist since 2004, mainly as the author of her own projects. She holds a Ph.D. in Philosophy. Her book “Repetition and Enactment: Kierkegaard, Psychoanalysis, Theatre” was recently published.

Atej Tutta, in Venedig lebend, ist visueller Künstler und Filmemacher. Er hat einen Master in Mixed Media und Fine Arts der Akademie der Künste Venedig, wo er in den letzten fünf Jahren als außerordentlicher Professor tätig war. „Metamorphoses 3° : RETORIKA” hatte im September 2015 in Ljubljana Premiere. Die Arbeit ist Teil der mehrjährigen Projekt-Serie „Metamorphoses 1° – 5°“, die künstlerische und theoretische Formate beinhaltet. Atej Tutta is a visual artist and film director based in Venice, Italy. He holds MFA in Mixed Media and Fine Arts from the Academy of Fine Arts, Venice, where he also worked as Associate Professor for the past five years. “Metamorphoses 3° : RETORIKA” primed in September 2015 in Ljubljana. The work is the third performance in the “Metamorphoses 1° – 5°” series, a multi-year modular project including several artistic and theoretical formats.


Stückemarkt V

Bara Kolenc, Atej Tutta Metamorphoses 3° : RETORIKA

(Slowenien) – Gastspiel (in English)

Concept and realization Bara Kolenc and Atej Tutta Text Bara Kolenc Dramaturgy Pia Brezavšček Performers Bara Kolenc, Sanja Nešković Peršin, Rebeka Radovan Performers – technicians Matej Markovič, Jošt Pengov-Taraniš, Andraž Zlobec Light design Peter Pivar and Gregor Smrdelj Sound design Jernej Černalogar and Jure Vlahovič The Rumour song original score Matevž Kolenc Make-up Anja Cojhter Technical support Radovan Jaušovec Executive producers Bara Kolenc and Julia Danila Produced by Kud Samosvoj Scenes 7 and 8 are written in collaboration with Matevž Kolenc, Mina Špiler and Pia Brezavšček

Supported by Ministry of Culture of the Republic of Slovenia, The City of Ljubljana

Mittwoch, 18. Mai 2016 14:00 und 18:30 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Bühne / 10 €

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Co-produced by Kino Šiška Centre for Urban Culture, Kud Pozitiv In cooperation with Plesna Izba Maribor, M.I.K.K. Murska Sobota, Zavod DrMr, KC Mostovna


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Theater ist eine rein praktische Kunst. Die Herausforderung besteht genau darin, wie wir es in eine theoretische Form packen können, wie wir es übersetzt und verdaulich machen können. Im Theater steht das „jetzt“ auf dem Spiel, alles kommt auf den Augenblick der Gegenwart an: Entweder es funktioniert oder nicht. Eine Erklärung im Nachhinein ist nutzlos, denn nach der Vorstellung ist das Theater tot. Die Autor*innen des Stückes „Metamorphoses 3° : RetoriKA“ nähern sich so dem Theater von der Philosophie ausgehend, und finden dementsprechend eine genügend enigmatische Form: den Übergang zwischen einer traditionellen Repräsentation im Theater und einem performativen Trend in der bildenden Kunst. Die von ihnen kreierten visuellen und akustischen Elemente machen den Inhalt greifbar, sie übersetzen ihn für uns, wenn man will – ganz ohne Didaktik, dafür aber sehr poetisch und gleichzeitig praktisch. Die tote Stille, die den Sinn verdeckenden Geräusche, die kaum sichtbaren Körper gehören zu einem einheitlichen, geschlossenen Konzept und weisen dieselbe Richtung: zu den Spuren der verlorenen Kommunikation. Sie versuchen der menschlichen Sprache einen Sinn zu geben, diese scheint aber zu allem unfähig. Wie kann man einer politischen Rede noch Glauben schenken, wenn man schon so oft reingelegt wurde? Wie kann ich meinem Geliebten glauben, wenn liebevolle Worte schon so oft gelogen haben? Einsame Figuren irren in einem unerkennbaren Raum herum, der mal von Tönen, mal von Lichtern zerschnitten wird. Es gibt keine Stützpunkte und umsonst liegen die Matratzen herum: Statt Gemütlichkeit, Heimkehr und Ruhe auszustrahlen, fühlt es sich an wie mitten in einer Entrümpelung: als wäre unsere Kultur vom Leib gefallen und wir damit plötzlich kultur-los geworden. Alles ist verbraucht, verstaubt und vernebelt. Worte erfüllen nicht ihre ehemalige Rolle, als irrten Roboter auf der Erde herum: Milliarden von künstlicher Menschen ohne Bewusstsein, ohne Absicht, ohne Ziel. Ich habe dieses Projekt unterstützt, weil mich die Schlüssigkeit überzeugte, mit der Text, Raum, Ton und Figuren nebeneinandergestellt wurden. Ich war dankbar für die selbstbegrenzende Demut, mit der sie es geschafft haben die verschiedenen Schichten ökonomisch zusammenzupressen, wie eben die Matratzen in jenem unvergesslichen Bild. Árpád Schilling


Árpád Schilling

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The theatre is a purely practical art. The challenge lies in wrapping it up in a theoretical form, translating it and making it digestible. The theatre deals with the “now”; it’s all about one moment in the present: Either it works or it doesn’t. Explanations after the fact are useless, because after the performance, the theatre is dead. The authors of “Metamorphoses 3° : RetoriKA” approach the theatre from the perspective of philosophy and in consequence find a sufficiently enigmatic form: the passage between traditional representation in the theatre and a performative trend in visual arts. The visual and acoustic elements they create render their content palpable; they translate it for us, as it were – entirely without didactics, but in a both highly poetical and practical manner. The dead silence, the noises that mask meaning, the barely visible bodies, all belong to a coherent, closed concept and point in the same direction: towards the traces of lost communication. They try to lend meaning to human language, but language is apparently incapable of anything. How can we believe a political speech when we have been tricked so many times? How can I believe my lover when loving words have lied so many times? Solitary figures wander around an unrecognisable space, which is dissected, at times by sounds, at others by lights. There are no points of support and the mattresses lying around serve no purpose. Instead of evoking cosiness, home and peace, it feels like a clearing-out: It’s as if our culture had dropped away from our bodies and we were suddenly rendered culture-less. Everything is exhausted, dusty, foggy. Words no longer fulfil their purpose, as if robots were wandering the earth. Billions of artificial humans with no awareness, no purpose, no goal. I support this project because I believe in the consistency with which text, space, sound and characters are juxtaposed. I appreciate the self-limiting humility with which the artists managed to sparingly compress various layers, just like the mattresses in that unforgettable image.


Eröffnung und Gespräche / Opening and Talks Stückemarkt Eröffnung: Politische Dimension von Narrativen Impuls von Milo Rau (Video) Eröffnungsgespräch mit Hans-Werner Kroesinger, Philipp Löhle, Simon Stone, Christina Zintl / Moderation Christine Wahl Freitag, 13. Mai 2016 18:00 bis 19:00 Uhr with English translation / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Autor*innen-Gespräch I mit two-women-machine-show, Jonathan Bonnici, Simone Kucher und Hans-Werner Kroesinger

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Freitag, 13. Mai 2016 21:00 Uhr in English / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Autor*innen-Gespräch II mit Pat To Yan, Dino Pešut und Kathrin Röggla Dienstag, 17. Mai 2016 19:30 Uhr in English / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei


Workshops Was wa(h)r, was ist Workshop mit Simone Kucher

Samstag, 14. Mai 2016 14:30 bis 16:30 Uhr, in English / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei

Samstag, 14. Mai 2016 14:30 bis 16:30 Uhr / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei

In dem Workshop möchte ich den künstlerischen Prozess von „Eine VerIn diesem Workshop werden wir die sion der Geschichte“ transparent maverbale Performance-Praxis untersu- chen. Von der Tonaufnahme einer chen, mit der wir in „TRANS-“ arbeiten. Stimme zum Hörspiel zum TheaterDer Workshop wird sich zunächst da- stück zur Oper: die Recherche, die rauf konzentrieren, die Energiesäule Entstehung und die Entwicklung von im Zentrum des Körpers wachzurufen, einer Form zur anderen. Wir werden auf die die verschiedenen Drüsen und das Hörspiel hören und Teile aus der Chakren hinweisen. Im zweiten Teil des zu entstehenden Oper und uns daran Workshops werden wir uns der Praxis anschließend mit Fragen zu Form und des „Beschreibens“ durch Anwendung Inhalt beschäftigen. der Meisner-Technik annähern. In this workshop, I would like to reveal The verbal performance practice of the artistic process of “Eine Version der “TRANS-” will be explored. The workGeschichte (One version of the story)”. shop will focus on awakening the From a recording of one voice to a column of energy at the centre of the theatre play to an opera: the research, body signposted by the different the creation and the development glands or chakras. In the second part from one form to another. We will of the workshop we will approach listen to the radio play and to parts of the ‚describing‘ practise through the the opera, which is a work in progress. Meisner technique. Following this, we will discuss questions about form and content. two-women-machine-show & Jonathan Bonnici Simone Kucher

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The Channeling Body – an introduction to the practice Workshop mit two-womenmachine-show & Jonathan Bonnici


About Metamorphoses 1° – 5° Workshop 1 mit Atej Tutta und Bara Kolenc

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Im Workshop zeigt Atej Tutta seinen größtenteils dokumentarischen Autorenfilm, der als eine Art Epilog zur „RETORIKA“ Performance funktioniert. Als Auseinandersetzung im Spannungsfeld von Sprache, Kommunikation und den Mechanismen von Rhetorik präsentieren wir unser Langzeitprojekt „Metamorphoses 1° – 5°“. In this workshop, Atej Tutta will screen his mainly documentary film d’auteur which serves as an epilog to the performance of “RETORIKA”. We will present our long-term project “Metamorphoses 1° – 5°” as an investigation of the tensions between language, communication and the mechanisms of “rhetoric”. Atej Tutta und Bara Kolenc Samstag, 14. Mai 2016 14:30 bis 16:30 Uhr, in English / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei

CONSTRUCTING A PERFORMANCE: Between the Signifier and the Signified Workshop 2 mit Atej Tutta und Bara Kolenc Im theoretischen Teil des Workshops werden wir die künstlerischen Verfahren zeigen, die bei der Entwicklung unserer Performances verwendet werden und die darauf beruhen, dass das Material gleichzeitig aus akus­ tischen, visuellen und Bewegungselementen besteht. Das Grundprinzip ist die Trennung von Form und Inhalt der Performance – die später durch Kollage, Nachahmung, Kondensierung, Verlagerung, Kopie und Übersetzung wieder zusammengefügt werden. Im praktischen Teil des Workshops werden wir kurze Szenen erarbeiten. We will present the artistic procedures that are used in creating a perfor­ mance and that are based on con­structing performance material simultaneously – through audio, visual and movement-based elements. The basic principle of this construction is the separation of the content from the form of the performance – that is later assembled by collaging, repli­ cating, condensing, shifting, copying and translating. In the practical part, the intention is to build a short scene within groups where this method is going to be revealed. Atej Tutta und Bara Kolenc Sonntag, 15. Mai 2016 13:30 bis 16:30 Uhr, in English / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei


Writing at a turbulent time Workshop mit Pat To Yan

In diesem Workshop geht es um Zeit. Zeit zum Schreiben. Zeit im Geschriebenen. Zeit innerhalb des Schreibens. Der Workshop dauert zwei Stunden und es gibt zwei Aufgaben. Zunächst denken wir in der Gruppe darüber nach, wie wir Zeit im Rahmen der Performance darstellen. Dabei beschäftigen wir uns mit Texten von Geert Mak und Gertrude Stein und mit dem Schweigen bei Tschechow. Danach gibt es eine Einzelaufgabe, in der es darum geht, wie wir Zeit schreiben und wie die Zeit zum Schreiben nutzen. Und dann treffen wir uns, trinken einen Kaffee und reden einfach. Wir brauchen einen Laptop oder Stift und Papier, ganz wie wir wollen und zwei Stunden an einem Montag im Mai.

In diesem Workshop werde ich über Inspirationsquellen von „A Concise History of Future China“ sowie über den gesellschaftlichen Kontext des Stücks berichten. Ich habe mein Stück als Reaktion auf die derzeitige Situation in China und auf die komplizierte Beziehung des Landes mit Hongkong geschrieben. Das Stück entstand in London und Brüssel. Beim Schreiben im Ausland stellte sich mir die Frage: Kann man ein Stück über lokale Fragen von einer globalen Perspektive aus schreiben?

It is a workshop about time. Time for writing. Time in writing. Time within writing. The workshop lasts for two hours and there will be two assignments. One for a group in which we think about how we present time in a performance framework. We use texts from Geert Mak, Gertrude Stein and the silence from Chekhov. Then we have the individual task, an assignment to see how we write the time and how we use the time for writing. And then we meet, have a coffee and just talk. We need a laptop or a pen and a paper, however we like it more, and two hours on one Monday in May. Dino Pešut Montag, 16. Mai 2016 13:00 bis 15:00 Uhr, in English / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei

In this workshop, I am going to talk about the inspirations of “A Concise History of Future China” as well as the social context behind the play. The starting point of writing my play is in a response to the contemporary situation of China and its complicated relationship with Hong Kong. The play was written in London and Brussels. Writing abroad incites inspired me to ask: Is it possible to write a play concerning about local issues with from a global perspective? Pat To Yan Montag, 16. Mai 2016 16:00 bis 18:00 Uhr / in English / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei

Für alle Stückemarkt-Workshops ist eine Anmeldung unter anmeldung@berlinerfestspiele.de erforderlich

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(In)Scripting Time Workshop mit Dino Pešut


TT Stückemarkt Werkauftrag-Pitch / TT Stückemarkt concept pitch

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in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung / bpb In cooperation with the German Federal Agency for Civic Education / bpb Erstmalig vergibt der Theatertreffen Stückemarkt in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung einen Werkauftrag für ein neues Stück in einem partizipativen Verfahren. Das neue Format soll eine transparente Diskussion über Qualitäts-Kriterien eröffnen und den Stückemarkt-Autor*innen die Möglichkeit geben, sich mit Skizzen zukünftiger Projekte einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen und sich nachhaltig zu vernetzen. Im Rahmen des Werkauftrag-Pitches präsentieren die zum Stückemarkt eingeladenen Autor*innen Ideen für eine neue Arbeit. Sie pitchen diese Ideen mit Worten, Videoclips, kurzen Performances und Lesungen. Die Publikums-Berater*innen Markus Beckedahl, Kathrin Röggla, Kay Voges und Janis El-Bira kommentieren die Beiträge und stellen Nachfragen an die Pitchenden. In Berlin kann das Publikum während der Abstimmung mit den anwesenden Künstler*innen direkt ins Gespräch kommen. Die Veranstaltung wird live ins Netz und ins Schauspiel Dortmund gestreamt. Die Zuschauer*innen in Berlin, in Dortmund und im Netz können noch am Abend über die Vergabe des mit 7.000 € dotierten Werkauftrages abstimmen. 2017 wird die ausgewählte Arbeit am Partnertheater, dem Schauspiel Dortmund, produziert.

For the first time, the Theatertreffen’s Stückemarkt in cooperation with the Bundeszentrale für politische Bildung (Federal Agency for Civic Education) will award a commission for a new play in a participatory procedure. This new format is intended to open a transparent discussion on quality criteria and to provide the Stückemarkt’s authors with an opportunity to present their sketches for future projects to an even broader public and to create sustainable networks. Within the framework of the TT Stückemarkt Concept Pitch for a New Play Commission, the authors invited to the Stückemarkt will present ideas for new works. They will pitch these ideas in words, video-clips, short performances and readings. Audience advisors Markus Beckedahl (net-political activist), Kathrin Röggla (author / Stückemarkt-juror 2016), Kay Voges (Director / Artistic Director Schauspiel Dortmund) and Janis El-Bira (Theatertreffen blog) will comment on the pitched concepts and ask the Stückemarkt authors further questions. The event will be streamed live into the web and to Schauspiel Dortmund. On the same evening, audiences present in Berlin and Dortmund or following via the Internet can vote on the awarding of the commission worth 7,000.- Euro. The selected work will be produced by our partner theatre, Schauspiel Dortmund, in 2017.


© Marcel Schaar

Mittwoch, 18. Mai 2016 20:30 bis 23:30 Uhr, in deutscher und englischer Sprache mit Übersetzung / Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei

Berater*innen Markus Beckedahl (netzpolitischer Aktivist), Janis El-Bira (TT­Blog), Kathrin Röggla (Autorin / Stückemarkt Jurorin 2016), Kay Voges (Regisseur / Intendant Schauspiel Dortmund)

20:30 bis 22:15 Uhr TT Stückemarkt Werkauftrag-Pitch Livestream und Voting unter www.theatertreffen-blog.de/ tt16/stueckemarkt-pitch/

Schauspieler*innen Luise Aschenbrenner Sean Curren Trista Ma Marie-Lou Sellem Jutta Wachowiak Moderation Maximilian Brauer Video Katharina Woll

22:15 bis 23:00 Uhr Offene Gespräche mit den Stückemarkt-Autor*innen 22:15 bis 22:45 Uhr Abstimmung 23:15 Uhr Preisverleihung Mit Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung), Kay Voges, Christina Zintl Im Anschluss Stückemarkt Closure Mit DJ Johann Franke Haus der Berliner Festspiele, Camp

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Mit den Stückemarkt-Autor*innen Jonathan Bonnici, Bara Kolenc, Simone Kucher, Dino Pešut, Atej Tutta, Pat To Yan


TT Stückemarkt Werkauftrag-Pitch: Neue Stücke und Projekte / New plays and projects Bara Kolenc und Atej Tutta Metamorphoses 4º : BLACKHOLES Projekt

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Es macht doch Spaß, wenn der Feuerwerker mit seinen eigenen Raketen in die Luft fliegt, und wenn nicht alles schiefläuft, grabe ich noch einen Meter tiefer als ihre Bomben und jage sie zum Mond. Shakespeare, Hamlet

Dies ist die vierte Aufführung in der Serie „Metamorphoses 1° – 5°“, einem mehrjährigen Modulprojekt, das außer den eigentlichen Aufführungen weitere künstlerische und theoretische Formate umfasst. Jeder der fünf Einzelteile beschäftigt sich im weiteren Sinne mit den „Metamorphosen“ des Ovid, basierend auf bestimmten politischen oder gesellschaftlichen Ereignissen, und verbindet diese mit den universellen Themen der Menschlichkeit und den tiefen Widersprüchen der Menschen von heute. Bara Kolenc und Atej Tutta werden ein neues Stück entwickeln, das sich mit Angst und Paranoia als neuzeitlichen Phänomenen beschäftigen, die an den Strukturen des westlichen neoliberal-humanitären Humanismus nagen. Das Konzept des schwarzen Lochs wird ihnen hierbei als Ankersignifikant dienen, anhand dessen sie sich auf der Grundlage eines bestimmten Sachverhalts oder einer Geschichte auf eine Reihe neuer und zunehmend radikaler sozialer und politischer Bewegungen beziehen, die sich zwischen der Verbreitung von Angstsymptomen einerseits und dem unbewussten Wunsch nach einer Katastrophe andererseits bewegen, die als eine Art Klistier das althergebrachte soziale Gefüge erschüttern bzw. reinigt.

It’s fun to watch the engineer get blown up by his own explosives, and with any luck I’ll dig a few feet below their bombs and blow them to the moon. Shakespeare, Hamlet

This is the fourth performance in the “Metamorphoses 1º – 5º” series, a multi-year modular project including not only performances but also other artistic and theoretical formats. Each of the five parts enters a broader context of Ovid’s “Metamorphoses” on the basis of particular current political or social events, connecting them to the universal topics of humanity and deep contradictions of contemporary human beings. Bara Kolenc and Atej Tutta will create a new piece dealing with the emergence of fear and paranoia as the most current phenomena gnawing at the structures of Western neoliberal humanitarian humanism. Through a particular context or a story, they will use the idea of a black hole as an anchor signifier for a number of recent increasingly more radical social and political movements steering between the spreading symptoms of fear, on the one hand, and the subconscious wish for a catastrophe as an enema that would shake / purify the aged social tissue, on the other. Pat To Yan Posthuman condition Theaterstück „Posthuman condition“ ist der zweite Teil der Reihe „Posthuman journey“. Diese Präsentation zeigt einen Auszug aus der ersten Szene. Sie beschäftigt sich mit dem Menschsein in der näheren Zukunft. Frank ist ein Mann mit geringen beruflichen Qualifikationen,


“Posthuman condition” is part two of the series “Posthuman journey”. The presentation shows an excerpt of scene 1. It investigates the human condition in the near future. Frank, a low-skilled man with great expertise in playing video games, lives in a developed country. He lands a home-based job as a soldier and has to bomb other countries. With this job, he finally dares to start a family. But his son is born without buttocks (this refers to a curse in Cantonese slang). Frank is in pain and doesn‘t

know why. One day, when he bombs a place that he doesn‘t know, he suddenly feels heartily sorry. He decides to set off on a journey to the place that he bombed, in a developing country. One province in this country wants to gain independence, but there are too many different ethnicities. The situation is very complicated. His wife, Jane, is sad to see him leave. She takes his son, Chris, to the hospital where he is given man-made buttocks. After the surgery, Chris starts to grow very quickly, both in body as well as in intelligence. In the space of one year, he grows ten years older. Is Chris the Cyborg an indication of humanity‘s future? Dino Pešut Grand Hotel Abyss Theaterstück Ein beachtlicher Teil der führenden deutschen Intelligentsia hat sich in einem „Grand Hotel Abgrund“ einquartiert, das ich im Zusammenhang meiner Kritik an Schopenhauer als „ein wunderschönes Hotel mit jedem erdenklichen Komfort“ beschrieben habe, „am Rande eines Abgrunds, des Nichts, der Absurdität. Und das tägliche Nachdenken über den Abgrund in der Wartezeit zwischen ausgezeichneten Mahlzeiten oder künstlerischen Darbietungen kann den Genuss der raffinierten Annehmlichkeiten nur noch steigern“. Georg Lukács

„Grand Hotel Abyss“ ist eine Trilogie über die Möglichkeit von Alternativen. Sie besteht aus drei Einaktern: „Rosebud (Sarajevo)“ ist ein lyrisches Stück für einen Sohn, einen Vater und zwei falsche Großväter. Ein Stück über verlorene Männer, Grenzen und Migration, Überlieferung und Geschichte, über das Transgenerationelle und

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dafür ist er aber Experte beim Zocken von Videospielen. Er lebt in einem entwickelten Land und ergattert einen Heimarbeitsjob. Von nun an wird er als Soldat andere Länder bombardieren. Daher traut er sich endlich, eine Familie zu gründen. Sein Sohn aber wird ohne Gesäßbacken geboren (dies beruht auf einem alten kantonesischen Slang- oder Schimpfwort). Frank ist traurig und weiß nicht, warum. Als er eines Tages ein Land bombardiert, das er nicht kennt, tut es ihm plötzlich von Herzen leid und er beschließt, in das Land zu reisen, das er gerade bombardiert hat. Es ist ein Entwicklungsland und eine seiner Provinzen strebt nach Unabhängigkeit. Aber es gibt zu viele verschiedene Volksgruppen. Die Situation ist ausgesprochen kompliziert. Franks Frau Jane ist traurig, weil er fort fährt. Sie bringt Chris, den Sohn, in ein Krankenhaus und er bekommt er ein künstliches Gesäß. Nach der Operation wächst Chris sehr schnell, und mit ihm wächst sein IQ. Er altert in einem Jahr so, wie andere in zehn Jahren. Ist Chris der Cyborg ein Indiz für die Zukunft der Menschen?


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das Transhistorische, angerichtet mit einer Prise früher jugoslawischer Discomusik. „Triangle (Paris)“ ist ein Gedicht aus einem Satz. Ein Gedankenstrom, der in verschiedenen Großstädten eingefangen wird, eine Idee, die zwischen irgendeinem Norman A. und Peter Walsh verloren ging, einem Nachdenken über das Leben angesichts eines Gewehrs in der Hand eines Mannes. Eine Geschichte über vier Paar Hände. „Freezing (Dubrovnik)“ folgt einer gescheiterten Hochzeitsgesellschaft und dem stillen Meer gleich daneben. Eine Gruppe total erwachsener Hipster trifft sich, um festzustellen, ob sie in ihrem Leben irgendwelche Entscheidungen getroffen haben. Das Meer aber hat eine eigene Geschichte. Die Wellen tragen ein Baby ans Ufer, ein Opfer, das so unnütz ist, dass es die Zeit bis zum Beginn des Weltalls zurückspult. Mehr unter grandhotelabyss.net A considerable part of the leading German intelligentsia, including Adorno, have taken up residence in the ‘Grand Hotel Abyss’ which I described in connection with my critique of Schopenhauer as ‘a beautiful hotel, equipped with every comfort, on the edge of an abyss, of nothingness, of absurdity. And the daily contemplation of the abyss between excellent meals or artistic entertainments, can only heighten the enjoyment of the subtle comforts offered.’ György Lukács

Grand Hotel Abyss is a trilogy about the possibility of choice. It consists of three one-act plays: “Rosebud (Sarajevo)” is a lyrical play for a son, a father and two false grandfathers. It is a play about lost men, borders and migration, heritage and history, the transgenerational and the transhistorical, with a pinch of early Yugos-

lavian disco. “Triangle (Paris)” is a poem written in one sentence. It is one stream of thought caught in numerous big cities, an idea lost between some men called Norman A. and Peter Walsh, life examined in front of a shotgun held by a man. It is a story about four pairs of hands. “Freezing (Dubrovnik)” follows a failed wedding party and a silent sea just next to it. A group of all grown-up hipsters reunite to see whether they made any choices in their lives. But the sea has a story of its own. Waves offer a little baby, a sacrifice that is so unnecessary that it rewinds time to the very beginning of the universe. More at grandhotelabyss.net Simone Kucher Die Wahrheit der Fanny Löwitt Theaterstück Das geplante Theaterstück thematisiert die Tschechisch-Deutschen Verwicklungen kurz vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Tschechien und die Ankunft der Ausgewiesenen in West-Deutschland. Ein Strang des Stückes ist ein „Road-play“, das die Reise der 85-jährigen Großmutter mit ihrer Tochter und Enkeltochter in den Ort in der Nähe von Brno zeigt. Aus den unterschiedlichen Perspektiven der Generationen werden die Themen Ausweisung, Heimatverlust, Ankunft, Integration, Erinnerung, Vergessen verhandelt. Der andere Strang zeigt die Großmutter als 13-jähriges Mädchen in deren dramatischem Handlungsverlauf mit ihren zwei besten Freunden, einer Tschechin und eines jüdischen Jungen, sich die individuelle in der kollektiv­en Tragödie der politischen Verwick­ lungen dieses Landstriches spiegelt.


The planned play addresses the Czech-German complexities right before, during and after the Second World War and the arrival of the deported in West Germany. One thread of the play is a “road play”, depicting the journey of the 85 year-old grandmother, her daughter and granddaughter to a place near Brno. The issues of deportation, loss of home, arrival, integration, remembering and for­ getting are explored from the varying perspectives of different generations. The other theme shows the grand­ mother as a 13 year-old girl. In the dramatic line that includes her and her two best friends, a Czech girl and a Jewish boy, the individual tragedy is reflected in the collective tragedy of political complications of this region.

Wenn schon das Denken ein virtueller Akt ist, was bedeutet es dann, real zu sein? „ALITY“ ist eine Arbeit mehrerer Autor*innen und beschäftigt sich mit dem Rätsel des ‚realen‘ und des ‚virtuellen‘. Im ständigen Wechsel zwischen den beiden Phänomenen bewegen wir uns in einer gemischten Realität. Hier wird das virtuelle durch Vervielfachungen und unerwarteten Mutationen verkörpert, die man im Bereich zwischen psychischer Aktivität und physischer Form findet. Die Performer*innen fungieren als „Leitungskörper“. Information wird verarbeitet und Sprache dient als verbindendes Material zwischen dem Raum und den Anwesenden. Wir führen hiermit die Arbeit aus „TRANS-“ fort und entwi-

If even thinking is a virtual act, what is it then to be real? “ALITY“ is a multi-authored piece inspired by the riddle of the ‘real’ and the ‘virtual’. In the constant fluctuation between the two, we find ourselves moving in a mixed reality. Here the virtual is materialised through the multiplications and unexpected mutations found in the realm between psychic activity and physical form. The performer is a “channeling body”. Information is processed and language is used as the connecting tissue between space and those present. We continue what we embarked on with “TRANS-“ developing a practice based approach through the lens of choreography, ritual and text-based theatre.

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two-women-machine show & Jonathan Bonnici Ality Projekt

ckeln unseren praxisbasierten Ansatz weiter, mit dem Blick der Choreographie, des Rituals und des textbasierten Theaters.


Stückemarkt Revisited TALKING STRAIGHT Entertainment Der Stückemarkt zeigt Arbeiten ehemaligen Teilnehmer*innen. In diesem Jahr kehrt TALKING STRAIGHT (Stückemarkt 2015) zurück.

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© Ute Langkafel MAIFOTO

Eine Simulation von und mit Talking Straight Alicia Agustín, Daniel Cremer, houaïda, Lina Krüger, René Michaelsen, Antje Prust Künstlerische Mitarbeit Michael Ebbing Bühne Romy Kießling Dramaturgie Ludwig Haugk, Necati Öziri Eine Produktion von Maxim Gorki Theater und Talking Straight mit dem Theater Neumarkt Zürich. Donnerstag, 19. Mai 2016 20:30 Uhr und Freitag, 20. Mai 2016 20:30 Uhr im Anschluss jeweils Publikums­ gespräch / Maxim Gorki Theater, Studio / 10 € Freitag, 13. Mai 23:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele / Bar TALKING STRAIGHT Party Stückemarkt und Internationales Forum

Volsed nuhe Show grav´d sievhen Eskalazin der´n mega Self-Improvement – Das neue Stück von Talking Straight dreht sich um die Frage nach Regeln und Anforderungen permanenter Selbstoptimierung im Alltagsleben. Die Performer*innen untersuchen Mechanismen und Situationen neoliberaler Gesellschaften – komplett in „Fremdsprache“. Stückemarkt presents productions and projects by its former participants. This year, TALKING STRAIGHT (Stückemarkt 2015) returns. Volsed nuhe Show grav´d sievhen Eskalazin der´n mega Self-Improvement – Talking Straight’s new production deals with the rules and requirements of permanent self-optimisation in everyday life. The performers examine mechanisms and situations of neo-liberal societies – all in “foreign language”.


Künstler*innengipfel / Artist summit Artistic Citizenship Die Städte sind in Bewegung: Globale Migration, Digitalisierung des öffentlichen Raumes und eine Krise der demokratischen Repräsentationsformen haben in den Großstädten zu vielfältigen Transforma­ tionen im urbanen Raum geführt. Neue Formen von Bürger*innenschaft sind entstanden, die sich selbstbestimmt den He­rausforderungen einer offenen Gesellschaft im 21. Jahrhundert stellen. Zum Künstler*innengipfel werden Alumni von Stückemarkt, Internationalem Forum und TT-Blog eingeladen, sich gemeinsam auf die Suche nach einer Gesellschaft der Zukunft zu machen. Wie kann Kunst nützlich sein, neue Sozialformen von Citizenship einzuüben? Inwiefern können ästhetische Praktiken dabei hilfreich sein, die Rolle als Bürger*in in einem performativen Akt zu verändern? Welche Funktion übernimmt das Theater in einer diversen Gesellschaft als kreativer Schmelztiegel an der Schnittstelle zwischen Kunst und urbaner Öffentlichkeit?

Lectures mit Ole Frahm (LIGNA), Oliver Frljić Workshops mit den Stückemarkt-Autor*innen Bara Kolenc, Simone Kucher, Atej Tutta, two-women-machine-show & Jonathan Bonnici und mit Nele Stuhler & Falk Rößler (Performance­kollektiv FUX), Eleonora Herder, Sarah Israel / Taigue Ahmed, Janette Mickan, Tobias Rausch, Julia Roesler (werkgruppe2), Iury Trojaborg, Kai Tuchmann Samstag, 14. Mai 2016 14:00 bis 18:30 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / geschlossene Veranstaltung

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Our cities are in motion: Global migration, digitalisation of the public sphere and a crisis of democratic forms of representation have led to a multitude of transformations in the big cities’ urban spaces. New forms of citizenship have emerged, addressing the challenges of an open society in the 21st century with confidence. For the Artists Summit, alumni of Stückemarkt, International Forum and TT-Blog will be invited to go on a quest for the society of the future together. How can art contribute to the practise of new social forms of citizenship? In which ways can aesthetic practises help to transform the role of the citizen in a performative act? What is the function of the theatre at the interface between art and the urban public?


Leseproben / Reading samples two-women-machine show & Jonathan Bonnici TRANS-

Vollst채ndige Texte sind unter www.berlinerfestspiele.de zu bestellen.



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Simone Kucher Eine Version der Geschichte Lusine Alter Mann Lusine Alter Mann Lusine Alter Mann Lusine Mutter Lusine Mutter Lusine Mutter Lusine Mutter Lusine Mutter Lusine

Dabei stimmt das nicht. Die Geschichte mit dem Paradies. Warum gehst du nach Berlin zurück? Das einzige, an das ich mich erinnern kann, was mich mein Großvater kurz vor seinem Tod gefragt hat. Berlin. Warum nicht Berlin? Schließlich haben wir alle mal in Berlin gelebt, die ganze Familie, für eine Zeit. Wie auch woanders für eine Zeit. Orte, die uns etwas bedeuteten, deren Sprache wir sprachen, oder nicht. Für meinen Großvater war Berlin nur eine Durchreise. Vergleichbar kurz. Ich habe die Stelle im Orchester. Das war Zufall. Er sagt: Berlin ist zu weit weg. Bleib bei der Familie. Das ist unsere Heimat. Kein Ort. Aber du hattest doch einen Ort, der für dich Heimat war. In Tabris. Er sagt: Nein, so war es nicht. Aber dort bist du aufgewachsen und geboren. Das war an einem anderen Ort. Als ich in Tabris ankam, war ich schon nicht mehr Kind. Richtig, so? Ja, so war es. Von Tabris über Berlin nach New York und von dort weiter nach Kalifornien. Glendale, Los Angeles. Wie fast eine Million Armenier, die heute dort leben. In „Little Armenia“. Amerika war sein Traum. Wie für alle. The American Dream. Sagst du das: Amerikanerin? Was soll ich denn sonst sagen? Armenierin. Du bist Armenierin. Warum denn? Ich habe den amerikanischen Pass. Ich kenne Armenien nur aus dem Urlaub. Dort habe ich nie gelebt. Trotzdem bist du das. Das versteht doch niemand. Mama! Man muss wissen, woher man kommt. Dann sag du mir, woher Großvater kommt. Was hat das damit zu tun. Sag es mir einfach. Sag es. Sprich. Das kann doch nicht so schwer sein. Mek, erku, jerek, tschors. Eins, zwei, drei, vier.

(PK 1413_1/0:00-… …) Hore, adjev, lusin, atschka, anirnar, ritschole, andsrev,… … (die Stimmaufnahme läuft weiter). Alter Mann Lusine Alter Mann Lusine Alter Mann Lusine

Diese Stimme, die so hoch ist. Wie die meines Großvaters ungewöhnlich hoch war, oder nicht? Warum diese hohe Stimme? Hat er die Kreide gefressen, wie der Wolf in der Geschichte mit den sieben Geißlein? Das ist eine deutsche Geschichte. Aber wir sind ja in Deutschland. Sie bringen alles durcheinander. Wie soll ich nicht alles durcheinander bringen. Ich bin dort, wo ich bin, mit den Geschichten, die dort sind. Vielleicht war er das letzte Geißlein, das in der Uhr sitzt und der Mutter von dem Wolf erzählt. Mit der Stimme des Wolfes, die die Stimme der Mutter ist.


But it’s not true. That story about paradise. Why are you going back to Berlin? This is the only thing I remember my grandfather asking, just before he died. Berlin. Why not Berlin? After all, we all lived in Berlin for a while, our whole family. Like we lived elsewhere for a while. Places that meant something to us, whose language we spoke, or didn’t speak. For my grandfather, Berlin was only a transit stay. Comparably short. I got the job with the orchestra. It was a coincidence. He says: Berlin is too far away. Stay with the family. That is our home. Not a place. But you had a place that was your home. In Tabriz. He says: No, it wasn‘t like that. But you were raised there and born. That was in another place. When I arrived in Tabriz, I was no longer a child. Is that right? Yes, that’s the way it was. From Tabriz via Berlin to New York and from there to California. Glendale, Los Angeles. Like almost a million Armenians who live there today. In “Little Armenia”. America was his dream. The same as for all the others. The American dream. Is that what you say: American? What else should I say? Armenian. You are an Armenian. Why? I have an American passport. I only ever spent vacations in Armenia. I never lived there. Even so, that’s what you are. No one understands. Mama! It’s important to know where you come from. Then you tell me where Grandfather comes from. What’s that got to do with it? Just tell me. Tell me. Speak. It can’t be that difficult. Mek, yerku, yerek, chors. One, two, three, four.

(PK 1413_1/0:00- … …) Hore, adjev, lusin, atchka, anirnar, ritchole, andsrev, … … (the voice recording continues). Old Man Lusine Old Man Lusine Old Man Lusine

This voice, so high. Like my grandfather’s voice was unusually high, wasn’t it? Why this high voice? Did he eat the chalk, like the wolf in the story of the seven little goats? That’s a German story. Well, we are in Germany. You’re confusing everything. How could I not confuse everything? I am where I am, with the stories that are there. Maybe he was the final little goat that sits inside the clock and tells its mother about the wolf. With the voice of the wolf which is the voice of its mother.

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Lusine Old Man Lusine Old Man Lusine Old Man Lusine Mother Lusine Mother Lusine Mother Lusine Mother Lusine Mother Lusine


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Pat To Yan A Concise History of Future China

I watched as usual A girl not exceptionally beautiful Caught my attention She‘s not the protagonist Nor the supporting character But I couldn‘t take my eyes off her For the entire show For three hours Forever She danced and sang with charm I couldn‘t take my eyes from her for a single moment Next night The same show The same seat in the same row I watched her Again and again And then the third fourth fifth night and numerous nights till the last show I knew I might not see her again I waited for her after the show I spoke to her ‘I could not afford not to see you again‘ She smiled waved her hand ‘Come with me‘ The night was windy The moon was bloody The river flew sweetly We walked

but seldom talked ‘I could not take my eyes off you‘ I repeated She smiled ‘We could be together but you have to make sacrifices. Sorry, this deal is not set by me but my family history.‘ I nodded She told me the deal quietly You remember what I‘ve told you at the beginning I will not watch musicals anymore forever After the last line of this scene I cannot see anything at all anymore forever I am happy with that though I cannot watch any musicals anymore A fair deal Listening replaces seeing.


Sprachen nur wenig ‚Ich konnte meinen Blick nicht von dir abwenden‘ Wiederholte ich Sie lächelte ‚Wir können zusammen sein Aber du musst Opfer bringen. Sorry, die Abmachung habe nicht ich so festgelegt Sondern meine Familiengeschichte.‘ Ich nickte Sie erklärte mir leise die Abmachung. Sie erinnern sich, was ich Ihnen am Anfang sagte Ich werde keine Musicals mehr ansehen Niemals Für immer Nach der letzten Zeile dieser Szene Darf ich überhaupt nichts mehr sehen Niemals Für immer Ich bin damit zufrieden Auch wenn ich keine Musicals mehr sehen darf Niemals Für immer Eine faire Abmachung Zuhören ersetzt ansehen.

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Ich sah wie immer zu Ein Mädchen, nicht außergewöhnlich schön, Erregte meine Aufmerksamkeit Sie spielt nicht die Hauptrolle Und auch keine Nebenrolle Aber ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden Die ganze Show lang Drei Stunden lang Für immer Sie tanzte und sang mit viel Charme Ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden Keine Sekunde Am nächsten Abend Die gleiche Show Derselbe Platz in derselben Reihe Ich sah ihr zu Wieder Und wieder Und dann der dritte Vierte Fünfte Abend Und zahlreiche Abende Bis zur letzten Show Ich wusste, dass ich sie vielleicht nie wiedersehen würde Ich wartete nach der Show auf sie Ich sprach sie an ‚Ich würde es nicht aushalten, dich nicht wiederzusehen‘ Sie lächelte Machte ein Zeichen ‚Komm mit‘ Eine stürmische Nacht Ein blutiger Mond Ein selig fließender Fluss Wir gingen


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Dino Pešut Der (vor)letzte Panda oder Die Statik / (Pret)posljednja panda ili statika ANA The seborrheic dermatitis is gone. I wash my face with cold water and rub in some cream, neutral, for babies’ bottoms. I’m at peace. People change, but society almost never does. The only translation I have is French, My only publisher is in Paris, I fucked him a year ago, Not to get the book published, But because he was just too hot. It all came together. I have a designer coat and Expensive hair And a tidy little flat with A couch in the kitchen And a MacBook. And suddenly Out of thin air, I wash my hands The way the nurses teach us in kindergarten, Long and soapy, splashy. In the lather I see small lives And small people, I see hard mornings and Such easy nights, I see childhood and old age – Both at once. I see the past and the future In a diagonal. I am ready. Ready for a new home.


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ANA Das seborrhoische Ekzem ist weg. Ich wasche mein Gesicht mit kaltem Wasser und trage eine Creme auf, neutral, für Babypopos. Ich habe meinen Frieden gefunden. Menschen ändern sich, aber die Gesellschaft verändert sich fast nie. Es gibt von mir nur eine französische Übersetzung, Ich habe nur in Paris einen Verleger, Vor einem Jahr habe ich mit ihm geschlafen, Nicht, damit das Buch veröffentlicht wird, Sondern weil er einfach total scharf war. Es kam alles zusammen. Ich habe einen Designermantel und Einen teuren Haarschnitt Und eine aufgeräumte kleine Wohnung mit Einem Sofa in der Küche Und ein MacBook. Und plötzlich, Wie aus dem Nichts, Wasche ich mir die Hände So, wie es uns die Erzieherinnen im Kindergarten zeigen, Lange und mit viel Seife, Planschend. Im Schaum sehe ich kleine Leben Und kleine Menschen, Ich sehe schwierige Morgen und Ganz einfache Nächte, Ich sehe Kindheit und Alter – Gleichzeitig. Ich sehe die Vergangenheit und die Zukunft In einer Diagonale. Ich bin bereit. Bereit für ein neues Zuhause.


Bara Kolenc Metamorphoses 3º : RETORIKA Dramatis personae: Person A. / performer – man, woman or transgender / Person B. / performer – man, woman or transgender / Person C. / stage technician – man, woman or transgender / Person D. / stage technician – man, woman or transgender /

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SCENE 2: THE WHISPER INTRUDER Two persons whisper intimate poetic thoughts in each other’s ears. A physical obstacle that steadily expands (e.g. a wall of mattresses) gnaws at the intimacy of their speech and turns it into a pure formality – it turns poetry into an analysis of rhetorical devices. The impossibility of an intimate dialogue gradually establishes a public monologue. At the same time, the whispered dialogue which the audience cannot hear silently questions the rhetorical nature of theatrical dialogue as such. The growing impossibility of whispered dialogue is emphasized by the language channel being increasingly more often verified by both persons involved. PERSON A AND PERSON B / improvised exchange of sentences /: I hear your words before you utter them. I have you at the tip of my tongue. I have you at the tip of my thought. I know what you are thinking. I am waiting for your lips to move. I am waiting for your answer. We are talking about everything else not to say whereof we must keep silent. You never say what I want to hear. You never say what you want me to hear. I know what you are thinking. I have you at the tip of my thought. PERSON A AND PERSON B / verification of the language channel (like on Skype), which happens during the dialogue, improvised /: What? I can’t hear. Speak louder. Repeat that. Can you hear me? I can’t hear you. What? I don’t understand. Say it again. PERSON A / fixed monologue /: Your words roll like stones. I bear your voice like a heavy rock. Simile. We are talking about everything else not to say whereof we must keep silent about. Antithesis. Silence is gold. Gold is manure. Metaphor. God is a microphone. A word is a microphone. Epiphora. A word is a wall. Oxymoron. We don‘t even agree to disagree. Epanalepsis. Varoufakis. Let us sing as we go. May our struggles and our concern for this planet never take away the joy of our hope. Pontifex. Paradox. Personalisation. Paraprosdokian. Paronomasia. Polysyndeton.


SZENE 2: DAS EINDRINGEN INS FLÜSTERN Zwei Personen flüstern sich gegenseitig intime, poetische Gedanken ins Ohr. Ein physisches Hindernis, das stetig anwächst (z.B. eine Wand aus Matratzen), frisst an der Intimität ihres Sprechens und macht sie zu einer reinen Formalität – Poesie wird zur Analyse rhetorischer Mittel. Die Unmöglichkeit eines intimen Dialogs leitet allmählich einen öffentlichen Monolog ein. Gleichzeitig stellt der geflüsterte Dialog, den das Publikum nicht versteht, still die rhetorische Beschaffenheit des Theaterdialogs per se in Frage. Die zunehmende Unmöglichkeit eines geflüsterten Dialogs wird dadurch betont, dass der Sprachkanal von beiden beteiligten Personen immer wieder bestätigt wird.

PERSON A UND PERSON B / Bestätigung des Sprachkanals (wie z.B. bei Skype) während des Dialogs, improvisiert /: Was? Ich höre dich nicht. Sprich lauter. Sag das nochmal. Kannst du mich hören? PERSON A / feststehender Monolog /: Deine Worte rollen wie Steine. Ich trage an deiner Stimme wie an einem schweren Stein. Gleichnis. Wir reden über alles andere, um nicht zu das auszusprechen, über das wir schweigen müssen. Antithese. Schweigen ist Gold. Gold ist Dung. Metapher. Gott ist ein Mikrophon. Ein Wort ist ein Mikrophon. Epipher. Ein Wort ist eine Wand. Oymoron. Wir können uns noch nicht einmal darauf einigen, dass wir uneins sind. Epanalepsis. Varoufakis. Lass uns beim Gehen singen. Mögen unser Kampf und unsere Sorge um unseren Planeten uns nie die Freude der Hoffnung rauben. Pontifex. Paradox. Personalisierung. Paraprosdokian. Paronomasie. Polysyndeton.

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PERSON A UND PERSON B / improvisierter Austausch /: Ich höre die Worte schon, bevor Du sie aussprichst. Du liegst mir auf der Zunge. Du liegst mir in den Gedanken. Ich weiß, was du denkst. Ich warte darauf, dass sich deine Lippen bewegen. Ich warte auf deine Antwort. Wir reden über alles andere um nicht zu das auszusprechen, über das wir schweigen müssen. Du sagst nie das, was ich hören will. Du sagst nie das, von dem du willst, dass ich es höre. Ich weiß, was du denkst. Du liegst mir in den Gedanken.


Haus der Berliner Festspiele 13. 5. Fr

18:00 bis 19:00, Camp Stückemarkt Eröffnung: Politische Dimension von Narrativen Impuls von Milo Rau (Video) Eröffnungsgespräch mit Hans-Werner Kroesinger, Philipp Löhle, Simon Stone, Christina Zintl / Moderation Christine Wahl 19:30 bis 20:30, Seitenbühne Stückemarkt I two-women-machine-show & Jonathan Bonnici TRANS19:30 bis 20:30, Camp Stückemarkt II Simone Kucher Eine Version der Geschichte 21:00 bis 22:00, Camp Autor*innen-Gespräch I mit two-women-machine-show & Jonathan Bonnici, Simone Kucher und Hans-Werner Kroesinger 22:00 bis 23:00, Seitenbühne Stückemarkt I two-women-machine-show & Jonathan Bonnici TRANS-

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23:00, Bar TALKING STRAIGHT Party Stückemarkt und Internationales Forum 14. 5. Sa

14:00 bis 18:30, Camp Künstler*innengipfel ARTISTIC CITIZENSHIP 14:30 bis 16:30, Camp Was wa(h)r, was ist Workshop mit Simone Kucher 14:30 bis 16:30, Camp The Channelling Body – an introduction to the practise Workshop mit two-women-machine-show & Jonathan Bonnici 14:30 bis 16:30, Camp About Metamorphoses 1° – 5° Workshop 1 mit Atej Tutta, Bara Kolenc

15. 5. So

13:30 bis 16:30, Camp CONSTRUCTING A PERFORMANCE: Between the Signifier and the Signified Workshop 2 mit Bara Kolenc, Atej Tutta


16. 5. Mo

13:00 bis 15:00, Camp Writing at a turbulent time Workshop mit Pat To Yan 16:00 bis 18:00 Uhr, Camp, (In)Scripting Time Workshop mit Dino Pešut

17. 5. Di

18:00 bis 19:00, Camp Stückemarkt III Pat To Yan A Concise History of Future China 19:30 bis 20:30, Camp Autor*innen-Gespräch II mit Pat To Yan, Dino Pešut, und Kathrin Röggla 21:00 bis 22:00, Camp Stückemarkt IV Dino Pešut Der (vor)letzte Panda oder Die Statik

18. 5 Mi

14:00 bis 15:00, Bühne Stückemarkt V Bara Kolenc, Atej Tutta Metamorphoses 3° : RETORIKA 18:30 bis 19:30, Bühne Stückemarkt V Bara Kolenc, Atej Tutta Metamorphoses 3° : RETORIKA

22:15, Camp Stückemarkt Closure DJ Johann Franke 19. 5. Do

20:30 bis 22:00, Maxim Gorki Theater, Studio Stückemarkt Revisited Entertainment von TALKING STRAIGHT im Anschluss Publikumsgespräch

20. 5. Fr

20:30 bis 22:00, Maxim Gorki Theater, Studio Stückemarkt Revisited Entertainment von TALKING STRAIGHT im Anschluss Publikumsgespräch

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20:30 bis 23:00, Camp (Kassenhalle) TT Stückemarkt Werkauftrag-Pitch mit allen eingeladenen Autor*innen des Stückemarktes und Markus Beckedahl, Kathrin Röggla, Kay Voges / Moderation Maximilian Brauer


Impressum / Imprint Leitung Theatertreffen: Yvonne Büdenhölzer Dramaturgie Theatertreffen / Stückemarkt: Christina Zintl Assistentin: Eva Döhne Praktikant: Klemens Hegen Ausstattungsassistentin: Maria Ebbinghaus Regieassistentin: Raffaela Phannavong Stückemarkt-Jury 2016 Hans-Werner Kroesinger, Regisseur und Autor Kathrin Röggla, Autorin Árpád Schilling, Regisseur und Autor Simon Stone, Regisseur Christina Zintl, Dramaturgin des Theatertreffens und Leiterin des Stückemarkts

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Festivalbüro: +49 30 25489 233 stueckemarkt@berlinerfestspiele.de Stückemarkt-Broschüre Herausgeber: Berliner Festspiele Redaktion: Stawrula Panagiotaki Übersetzung: Elena Krüskemper Graphik: Ta-Trung, Berlin Papier: Maschinengraukarton, PlanoPlus Herstellung: enka-druck GmbH, Berlin Fotos: Die Fotos von Seite 12 bis 28 sind assoziative Bilder der Autor*innen zu ihren Stücken. Copyright: 2016. Berliner Festspiele, die Autoren und Fotografen. Alle Rechte vorbehalten. Abdruck (auch auszugsweise) nur mit Genehmigung der Herausgeber und Autoren Stand: April 2016 Veranstalter Berliner Festspiele Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes GmbH Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Intendant: Dr. Thomas Oberender Kaufmännische Geschäftsführerin: Charlotte Sieben Leitung Redaktion: Christina Tilmann Leitung Marketing: Stefan Wollmann Leitung Presse: Claudia Nola Ticket Office: Ingo Franke Hotelbüro: Heinz Bernd Kleinpaß Protokoll: Gerhild Heyder Berliner Festspiele Schaperstrase 24, 10719 Berlin T +49 30 254 89 0 berlinerfestspiele.de info@berlinerfestspiele.de

Die Berliner Festspiele werden gefördert durch

Das Theatertreffen wird gefördert durch die

Medienpartner

Der Stückemarkt wird gefördert durch

In Kooperation mit

Partnertheater Werkauftrag 2016




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