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fricktal.info_2023_30
by Mobus AG
Schildkröte sucht Zuhause
Immer mehr der Reptilien werden offenbar ausgesetzt und landen im Tierheim
Entlaufen oder ausgesetzt? Diese Frage ist bei Findel-Schildkröten nicht ganz einfach zu beantworten. Denn, obwohl die Reptilien als eher behäbig gelten, begeben sie sich doch gerne mal auf Wanderschaft. Die Vielzahl an gefundenen Tieren,
die in den vergangenen Wochen in allen Schweizer Auffangstationen abgegeben wurde, lässt jedoch vermuten, dass viele Schildkröten derzeit ausgesetzt werden. Besonders bei Wasserschildkröten liegt diese Vermutung nahe, da sie im Laufe
der Jahre viel grösser werden können, als es die meisten Halter zu Beginn erwarten, und plötzlich der Platz für eine artgerechte Haltung fehlt.
Wenn das Aquarium zu klein wird
Zunehmend mehr Schildkröten landen in Tierheimen, die ihrerseits an die Grenzen ihrer Kapazität stossen
Dass die Haltung von Schildkröten nicht unproblematisch sein kann, zeigt eine Mitteilung der Stiftung TBB Schweiz (Tierschutz beider Basel) vom Juli. Darin wird auf einen starken Anstieg von Findel-Schildkröten in den letzten Wochen hingewiesen – mit dem Ergebnis, dass die Stiftung mit ihrem Tierheim an der Birs an die Kapazitätsgrenze für die Reptilien stösst. Betroffen sind sowohl Land- als auch Wasserschildkröten, heisst es. Derzeit würden sich über 40 Landschildkröten in der Obhut der Stiftung TBB Schweiz befinden – so viele wie noch nie zuvor.
PETER SCHÜTZ
Weiter teilt Daniel Bader, TBB-Bereich Fundraising und Kommunikation, mit: «Auch für Wasserschildkröten ist die Situation prekär, nicht nur im Tierheim an der Birs, sondern auch in allen Schweizer Auffangstationen ist die Kapazitätsgrenze ausgeschöpft. Um dem Tierwohl und den rechtlichen Vorschriften zur Schildkrötenhaltung gerecht zu werden, dürfen die bestehenden Gehege nicht überbelegt werden. Daher ist es der Stiftung TBB Schweiz bis auf Weiteres nicht möglich, weitere Land- sowie Wasserschildkröten im Tierheim an der Birs aufzunehmen.»
Das Aussetzen ist ein Verstoss gegen das Tierschutzgesetz
Die Stiftung macht darauf aufmerksam, dass das Aussetzen von Tieren einen Verstoss gegen das Tierschutzgesetz (TSchG) darstellt. Konkret: Im Kapitel 5 «Strafbestimmungen» des TSchG heisst es im Ar tikel 26: «Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich ein im Haus oder im Betrieb gehaltenes Tier aussetzt oder zurücklässt in der Absicht, sich seiner zu entledigen.» Darauf weist auch Kantonstierärztin Dr. Barbara Thür, Veterinärdienst, Amt für Verbraucherschutz Kanton Aargau, auf Anfrage von fricktal.info hin. «Aussetzen gilt per gesetzlicher Definition als Tierquälerei», stellt sie klar. Die Frage, wie viele Schildkröten im Schnitt im Jahr im Kanton Aargau ausgesetzt oder gefunden werden, beantwortet sie so: «In den meisten Fällen kann nicht abschliessend geklärt werden, ob eine Schildkröte ausge -
setzt wurde oder entlaufen ist. Letzteres kommt bei Schildkröten recht häufig vor. Deshalb werden Schildkröten in der Regel als Findeltiere behandelt und liegen damit in der Zuständigkeit der Gemeinden. Dem Veterinärdienst liegen in der Regel keine Angaben, beziehungsweise keine Meldungen vor. Findeltiere müssen aber bei der Schweizerischen Tiermeldezentrale (STMZ) gemeldet und ausgeschrieben werden.» Soweit sie es beurteilen könne, fügt sie hinzu, würden die Tiere direkt von den Findern in Tierheime oder in Auffangstationen gebracht.
Wasserschildkröten werden grösser als erwartet Doch welche Arten von Schildkröten sind betroffen? Dazu sagt Barbara Thür: «Tendenziell gehen wir davon aus, dass Wasserschildkröten eher vom Aussetzen betroffen sind als Landschildköten. Ein Grund wäre vermutlich, dass sie grösser werden als ursprünglich erwartet und das Aquarium zu klein wird.» Dabei ist die Beschaffung von Schildkröten gar nicht so einfach.
«Sind Schildkröten nach CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) geschützt, muss die Halterin oder der Halter über einen Herkunftsnachweis verfügen, um die legale Herkunft nachzuweisen», erklärt Barbara Thür. Und: «Gewisse
Arten, die sehr anspruchsvoll zu halten sind – zum Beispiel Riesenoder Schnappschildkröten, unterliegen zudem einer Bewilligungspflicht nach Tierschutzgesetz, beziehungsweise sehr strengen Regelungen gemäss der Freisetzungsverordnung.» Dazu zählt sie die Rotwangenschmuckschildkröte, welche als invasive Art geführt wird. «Der Import und Export ist aus Artenschutzgründen an weitere Anforderungen geknüpft», so Barbara Thür.
Mangel an Wissen führt zu Problemen
Ein grundsätzliches Problem, das mit der Schildkröten-Haltung verknüpft ist, ist ein Mangel an Wissen, vor allem bei Neueinsteigern. Dabei ist es relativ einfach, von Anfang an Fehler zu vermeiden, da es etliche fachkundige Anlaufstellen gibt –zum Beispiel die Schildkröten-Interessengemeinschaft Schweiz (SIGS). Diese empfiehlt auf ihrer Homepage, sich mit ihr vor dem Erwerb von Schildkröten in Verbindung zu setzen. Denn die SIGS vermittelt Kontakte zu den Auffangstationen in der Schweiz. Auf der Homepage www.sigs.ch gibt es Informationsbroschüren in digitaler Form mit Tipps zur artgerechten Haltung von Schildkröten. In der Region Fricktal-Basel ist die «Schildkrotte Grubbe Regio Basel» (SGRB)
daheim. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, «das Wissen, die Gedanken und Erfahrungen über Land- und Wasserschildkröten auszutauschen». Dazu führt er regelmässig Vorträge im Stammlokal «Zur Saline» in Pratteln durch. Mehr Infos: ht tps://schildkrottegrb.webnode. page
Schildkröten können entlaufen oder werden ausgesetzt. Werden sie gefunden, kommen sie in eine Auffangstation. Diese Schildkröte wird in Möhlin privat und artgerecht gehalten.
Auch diese zwei Schildkröten haben ein artgerechtes Zuhause. Fotos: Peter Schütz