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Josef Pamer

Untermagfeld in Hinterpasseier um 1950/60

Nur wenige kennen den Brief von Lord Chandos an Francis Bacon: Der österreichische Dichter Hugo von Hofmannsthal hat sich damit in die Literaturgeschichte geschrieben. Geläufiger ist Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“. Briefe sind Seelenbilder, sie stellen einen Menschen unverblümt dar. Josef Pamer (1907 - 1984) aus Platt in Hinterpasseier hat ein Leben lang Briefe geschrieben. Eine Auswahl dieser liegt uns nun vor.

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von Josef Prantl

„Die Briefe meines Vaters“ nennt der ehemalige Philosophieprofessor, Autor zahlreicher Hof- und Familiengeschichten sowie Chorleiter im Burggrafenamt, Veit Pamer sein neuestes Werk: ein sehr persönliches

Buch, berührend und zugleich Zeugnis einer vergangenen Zeit. Ein Leben lang hat Josef Pamer Briefe und Ansichtskarten geschrieben: an seine Geschwister, an seine Frau, an seine Kinder, an Verwandte und Freunde. Sie zeugen von einem welterfahrenen, toleranten und klugen Bergbauern, wie er schon gar nicht dem Klischee entspricht. Ganz im Gegenteil! Nicht alle, aber viele Briefe sind erhalten

Die Brüder Hans und Veit Pamer bei der Buchvorstellung „Briefe meines Vaters“ in Algund

geblieben und stellen heute wertvolle Zeitzeugnisse dar.

Auf Untermagfeld

Josef Pamer wurde am 15. Dezember 1907 auf Untermagfeld in Platt in Passeier als erstes von neun Kindern geboren. Die Ursprünge von Untermagfeld gehen auf Meinhard II. zurück, der im Hochgebirge sogenannte „Schwaighöfe“ für die landwirtschaft liche Nutzung errichten ließ. Landwirtschaft liche Pionierarbeit leistete auch Josef Pamer. Während seiner Ausbildung an der Landwirtschaft sschule Moos bei Sterzing in den Jahren 1924 und 1925 eignete er sich dazu das Rüstzeug an. „Er erweiterte die Obstanlagen in der Wiese (…) und pfl egte sie fachgerecht mit Spritzen und Schneiden. Nirgends in Platt gab es so viel Obst mit diversen Sorten von Äpfeln und Birnen wie auf Magfeld“, erinnert sich Veit Pamer. Bis in sein Alter war Josef Pamer auch ein leidenschaft licher Imker. Der Honig wurde nicht verkauft , sondern war als Lebensmittel bzw. Medizin für die Familie bestimmt. Untermagfeld auf 1100 Metern ist ein beachtlicher Hof; in einem Brief an seinen Sohn Veit vom 1. Dezember 1969 heißt es: „(…) Wir haben bereits 29 Stück Vieh im Stall und ein Schübel Schafe. (…) Die Buben fangen heute mit dem Heuziehen an. Bis Ulfas herunter ist genug Schnee(…)“

Die landwirtschaftlichen Schulen in Tirol

Die Anfänge der landwirtschaft lichen Ausbildung reichen zurück in die Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie: Zunächst begegneten in Tirol Wanderlehrer dem Bildungsnotstand im bäuerlichen Bereich. Breitenwirkung zeigte allerdings erst die Gründung landwirtschaft lich ausgerichteter Schulen. Die erste Tiroler Landeslehranstalt und Versuchsstation (mit Schwerpunkt Obst- und Weinbau) entstand in San Michele all‘ Adige; 1874 eröff net, wurde sie bis in die Zwischenkriegszeit zweisprachig geführt. Es folgte 1879 jene von Rotholz in Nordtirol, mit dem Schwerpunkt alpine Landwirtschaft . 1922 kam die Landwirtschaft sschule Schloss Moos in Wiesen bei Sterzing dazu, die schließlich 1925 nach Dietenheim verlegt wurde, wo die faschistische Regierung auf dem Ansitz Mair am Hof ein „Istituto Agrario“ eröff nete.

Briefe an Bruder Hans vor dem Optionshintergrund

1934 übernahm Josef nach dem Tod des Vaters als Ältester den elterlichen Hof, wobei drei Geschwister noch minderjährig waren. 1935 heiratete er Anna Pixner; aus der Ehe gingen 11 Kinder hervor, ein Bub und ein Mädchen wurden noch adoptiert. Ein Brief aus dieser Zeit an seinen jüngeren Bruder Hans, der St.-Josef-Missionar wurde, spiegelt sehr gut den Zwiespalt wider, den die Option damals in vielen Familien säte. In den „Briefen meines Vaters“ von Veit Pamer heißt es dazu: „Da in Platt unter der Ägide des Pfarrers Wolfgang Pöll, des Wirts Josef Hofer und des Bäckers Hermann Pirhofer sich das ganz Dorf (mit einer Ausnahme) für das Auswandern ins Deutsche Reich entschlossen hat, sah mein Vater keine realistische Alternative als auch für die Abwanderung zu stimmen. Die Leitung des Missionshauses in Brixen (Bruder Hans war dort eingetreten) unter dem Rektor Josef Leimegger stimmte aber fürs Dableiben, dem sich natürlich auch Hans anschloss. Er saß gewissermaßen zwischen zwei Stühlen.“ Am 28.11. 1939 schreibt Josef Pamer seinem Bruder aus Platt folgende Zeilen: „(…) Ich war heute in Meran und hab mir wollen deinen Teil vom Hof schreiben lassen. Weißt, das gibt so einen Spektakel, ab wann wir hinaus gehen (abwandern) und du dableibst und auch als Besitzer eingeschrieben bist, so zahlen sie mir nicht den ganzen Hof aus, wenn ich gehe, sondern behalten deinen Teil zurück, und das wäre mir nicht recht. (…).“ Die ganze Erb-Angelegenheit zwischen den Brüdern konnte schließlich in gutem Einvernehmen gelöst werden. Es folgen die Kriegsjahre: Bruder Sebastian muss 1941 einrücken und kommt an die Ostfront. In den Briefen an seinen Bruder schreibt Josef Pamer über die Schwierigkeiten mit der Post (viele Briefe kommen nicht an), er berichtet von Krankheitsfällen in der Familie, von den Problemen bei der Arbeit am Hof und den fehlenden Arbeitskräft en, dann über die vielen Einberufungen sowie die Mitteilung über Gefallene. So heißt es im Brief vom 14. Mai 1942: „Heuer haben fast alle Bauern Heunot. Vielen ist das Heu zum Füttern schon ausgegangen. Wir haben es auch nur mehr für ca. 10 Tage, aber bis dahin werden wir schon mähen können und das Vieh auslassen.“

Beim Polizeiregiment Brixen

1943 landen die Alliierten in Sizilien, Mussolini wird gestürzt, in einer Hauruck-Aktion besetzen die Nazis weite Teile Italiens. Südtirol wird mit dem Trentino und Belluno zur Operationszone Alpenvorland. Zur Partisanenbekämpfung werden 1944 vier Polizeiregimenter aufgestellt, Josef Pamer kommt zum Regiment Brixen und ist in Gossensaß statio niert. An seine Frau Anna schreibt er am 10. Dezember 1944: „(…) Wir machen erst am nächsten Sonntag den Schwur, so werden wir halt erst am 18. oder am 19. heimkommen (…). Diese Woche hättest du uns sehen sollen, wie wir in diesem Schnee herumgekrochen sind. Man geht immer ganz gern zu Marendzeit wieder heim in die Kaserne, wo es ganz fein warm ist.“

Die Entscheidung von Veit

Tirols Landeshauptmann Eduard Wallnöfer überreicht an Josef Pamer 1983 die Verdienstmedaille Tirols

Anton Klotz aus Walten ging 1920 zu den Carabinieri

Pamers Bruder Stefan wurde Abt auf Marienberg, Bruder Hans ging in die Mission und Sohn Hans Pamer wurde 1974 zum Priester geweiht und ist heute der Dekan von Meran. Auch Sohn Veit wollte seinem Onkel Hans nacheifern und begann nach der Matura ein Th eologiestudium in Mill Hill bei London. Nach drei Jahren entscheidet sich Veit aber zu einem Wechsel an die Universität Salzburg und beginnt dort ein Philosophie- und Geschichtsstudium. Hier zeigt sich die Größe des Vaters einmal mehr, der seinem Sohn keine Vorwürfe dafür macht, ihm vielmehr ein Trostgedicht von Rainer Maria Rilke zukommen lässt. Am 6. April 1968 schreibt Josef Pamer an seinen Sohn Veit folgende Zeilen: „Wir haben deinen Brief erhalten und haben gelesen, wie du dir das alles überlegt hast. Wenn du es auch zu Weihnachten schon angedeutet hast, so haben wir doch noch gehofft , du könntest es dir anders überlegen und in Mill Hill bleiben. Und diese Gedanken und Zweifel könnten wieder vergehen wie sie gekommen sind.“

Die Tragik des Anton Klotz

Anton und Georg Klotz, der Vater von Eva Klotz, sind Kusinen der Familie Pamer. Anton Klotz (geb. 1905 in Walten) und Josef Pamer standen in regem Briefk ontakt; erhalten sind allerdings nur die Briefe an Josef. Das ist außergewöhnlich, denn Anton Klotz galt in Walten als schwarzes Schaf. Er hatte sich in den 1920er Jahren den Carabinieri angeschlossen und war in seiner Familie und in ganz Walten deshalb in Ungnade gefallen. Einzig mit Josef Pamer hielt der freundschaft - liche Kontakt aufrecht. Seinen ersten Dienst als Carabiniere absolvierte Anton Klotz 1927 im Pustertal, bis er nach Monghidoro in der Emilia Romagna versetzt wird. Von hier aus schreibt er einen ergreifenden Brief an Josef Pamer: „Ja wie du es hast, Josef, glaube ich schon, dass du mit mir nicht tauschen tätst, denn du hast dein Ziel schon vor dir und hast eine gute Aussicht, und eine gute Zukunft als großer Bauernsohn. Aber wie viele sind, die nichts zu verhoffen haben wie auch ich, und so ist man gezwungen, einen sicheren Boden unter die Füße zu erhalten. (…) Lieber Josef, alles Freiheit ist es in Tirol auch nicht, denn wenn man den ganzen Tag hart arbeiten muss und dort fast nichts verdient, so ist einem um die Freiheit nicht mehr drum. Ich muss sagen, ich bin wirklich unter Militär mehr mein Herr als ich in Tirol war. (…) So halte ich jetzt in meinen jungen Jahren durch, um dann nicht mein Leben lang ein armer Kerl zu bleiben.“ Jahre später, am 11. Mai 1932 schreibt Anton Klotz in seinem Brief von seinen bitteren Lebenserfahrungen, aber auch über die schöne Jugendzeit auf Magfeld. „(…) Du Josef, warst mir immer und zu jeder Zeit ein Bruder. Deine Eltern behandelten mich wie ein eigenes Kind. Arm, verlassen und von allen vergessen, musste ich in die Fremde, wo eine andere Sprache war, die ich nicht kannte. Musste mich durchringen in alle Kämpfe, in die ich gelangte, ohne Hilfe, ohne Stütze; die Knaben Jahre vergingen und ich wurde zu einem Mann, der das Bitterste von der Welt alles zu fühlen bekommen hat und fühlen musste. Bin ich nicht wie ich sein sollte, so verzeiht mir, denn die Welt sieht mich so; ich bin aber nicht so schlecht wie manche glauben. (...)“

Vielseitig, engagiert, authentisch

Briefe lassen in die Seele eines Menschen blicken. Josef Pamers Briefe zeugen von einem Menschen, der viele Talente und Gaben erhalten hat und sie auch der Familie, der Dorfgemeinschaft und den Menschen, denen er begegnete, zukommen ließ. Für seinen Einsatz in über einem Dutzend Vereinen, für Familie, Dorf und Heimat erhielt Josef Pamer 1983 zu Recht die Verdienstmedaille des Landes Tirol. An Festtagen und bei besonderen Ereignissen trug er immer gern die Tracht. In seinen letzten Lebensjahren aber entschloss er sich, keine Tracht mehr zu tragen, weil er das dauernde Abfotografi ertwerden von Gästen nicht mehr hinnehmen wollte. Die eigene Kultur zur Schau zu stellen, waren ihm zutiefst zuwider. Besonders liebte er das Musizieren und den Gesang. Eine Aufnahme aus dem Jahr 1941 der „Magfelder Musikanten“ wird heute im Referat für Volksmusik aufb ewahrt. In weiser Voraussicht nahm er 1953 die Führung der neu gegründeten Platter Schützenkompanie, die ihm Georg Klotz vorschlug, nicht an. Josef Platter übernahm diese Stelle und wurde nach der Feuernacht 1961 von den Carabinieri in der Kaserne in Moos schweren körperlichen Schlägen und Peinigungen ausgesetzt, „die mein Vater in seinem Alter wahrscheinlich nicht überlebt hätte“, schreibt Veit Pamer. Großen Wert legte er auf die Ausbildung seiner Kinder. Alle Mädchen besuchten Haushaltsschulen und die Buben, die nicht in ein Seminar eintraten, konnten die Landwirtschaft sschule in der Fürstenburg besuchen. Männer vom Format eines Josef Pamer hätten wir heute mehr denn je nötig, in den Schaltstellen von Wirtschaft , Politik, Kirche und Gesellschaft .

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„Kannst du nicht wie der Adler fl iegen, klettre nur Schritt für Schritt bergan; wer mit Mühe den Gipfel gewann, hat auch die Welt zu Füßen liegen.“

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