Club de lectura en alemany a la Biblioteca Vila de Gràcia am 20. März 2014 Guna Wendt, Franziska zu Reventlow, die anmutige Rebellin Zur Autorin Gunna Wendt wurde 1953 in Pattensen-Jeinsen bei Hannover geboren und schrieb schon als Jugendliche. Nach dem Studium der Soziologie und Psychologie mit dem Schwerpunkt auf Kunstsoziologie begann sie sich für Biografien v.a. von künsterlisch tätigen Frauen zu interessieren . Mittlerweile hat sie zahlreiche Biografien und Porträts publiziert, in denen sie das Leben und vor allem das Werk der ProtagonistInnen vor dem Hintergrund des historischen Kontexts ins Zentrum stellt. Ruth Klüger schreibt über Gunna Wendts Buch Clara und Paula: „Das eigentlich Neue und Fesselnde ist der weibliche Blick auf weibliches Leben und weiblichen Ehrgeiz.“ Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit hat sie als Regieassistentin und Dramaturgin gearbeitet, zehn Jahre lang das literarische Telefon in München ( 1992-2002) betreut, war Redakteurin des “Literaturblatts München” ( 1994-1995) und moderierte die wöchentlichen Sendungen Literaturclub und Kultur vor acht – Theater beim freien Münchener Radiosender Jazz Welle Plus. ( 1988-1996) Zum aktuellen Münchner Theatergeschehen führte sie Interviews mit Schauspielern und Regisseuren. 1989 wurde sie mit dem Hörfunkpreis der BLM (Bayerische Landeszentrale für neue Medien) ausgezeichnet. Ihre Arbeit als Ausstellungsmacherin begann sie 1995 im Münchner Literaturarchiv Monacensia: Zerlegen und Zusammensetzen. Gert Hofmanns literarische Welten. Es folgten weitere Ausstellungen u.a. über Thomas Strittmatter, Helmut Qualtinger, Maria Callas sowie die Dynastien der Romanows und der Bernadottes. Wendt ist Mitglied der GEDOK, im Februar 2011 wurde sie in den Kreis der Münchner Turmschreiber berufen. Gunna Wendt lebt seit 1981 in München.
Auswahl einiger Werke
Vom Zarenpalast zu Coco Chanel. Die Großfürstin Maria Pawlowna Romanowa. Insel-Verlag, Berlin 2013, Lena Christ. Die Glückssucherin. Langen Müller, München 2012. Lou Andreas-Salomé und Rilke – eine amour fou. Insel-Verlag, Berlin 2010, Die Bernadottes und die Romanoffs. Europäische Dynastien auf der Mainau. Huber-Frauenfeld, Stuttgart / Wien 2009,
Meine Stimme verstörte die Leute. Diva assoluta Maria Callas. btb Verlag, München 2008 Franziska zu Reventlow. Die anmutige Rebellin. Biographie. Aufbau, Berlin 2008,. AufbauTaschenbuch 7084, Berlin 2011, Liesl Karlstadt. Münchner Kindl und Travestie-Star. Ed. Ebersbach, Berlin 2007. Maria Callas oder Die Kunst der Selbstinszenierung. Henschel Verlag, Berlin 2006, Sonja Gräfin Bernadotte. Ein Porträt. Droste, Düsseldorf 2004, Clara und Paula. Das Leben von Clara Rilke-Westhoff und Paula Modersohn-Becker. Europa Verlag, Hamburg 2002, Helmut Qualtinger. Ein Leben. Deuticke, Wien 1999. Liesl Karlstadt. Ein Leben. Piper, München / Zürich 1998. Pressestimmen zum Buch von Gunna Wendt »Gunna Wendts mit viel Emphase geschriebenes Buch regt dazu an, das Leben einer radikalen Nonkonformistin neu oder wiederzuentdecken, das vor allem eines war: eine kompromisslose Suche nach Freiheit und Glück, die bis heute nichts an ihrer Brisanz und Aktualität verloren hat .« die politische Meinung »Gunna Wendt erzählt die Lebensgeschichte der Franziska zu Reventlow mit viel Empathie und großer Liebe zum Detail. Sie zeigt Franziska zu Reventlow als eine Frau, die unerschütterlich war, in ihrer Suche nach Glück und Freiheit. Eine Persönlichkeit, über die schon Rainer Maria Rilke sagte, dass ihr Zauber bewahrt werden müsse.« NDR Kultur »Hier tritt uns eine ungebärdige, lebenshungrige, zugleich empfindsame und verletzliche Frau entgegen, die alle Bindungen hinter sich liess und sich bedenkenlos ins Fest des Lebens stürzte, eine, die unbeirrbar ihren Weg ging, die Menschen benutzte und von ihnen benutzt wurde, die liebte und litt und mit Ausnahme ihres vergötterten Kindes auf niemanden Rücksicht nahm – am allerwenigsten auf sich selbst.« NZZ am Sonntag »Auffällig bei Wendts Büchern ist die Nähe, die sie zu den beschriebenen Frauen entwickelt. Sie versucht, die Frauen, aber auch ihre Familien im Kontext des Zeitgeistes zu verstehen.« Schleswig-Holstein Journal Zusammenfassung
Franziska (Fanny) zu Reventlow wird 1871 als Tochter des Landrats Ludwig Graf zu Reventlow und seiner Frau Emilie Gräfin zu Reventlow, geb. Gräfin zu Rantzau, im Schloss vor Husum geboren. 1886 wird sie Schülerin des „Freiadeligen Magdalenenstifts“ zu Altenburg und nach nur einem Jahr von der Schule verwiesen. Die Familie zieht 1889 nach Lübeck. Franziska zu Reventlow wird heimlich Mitglied im Lübecker Ibsenclub und tritt in das Lübecker Privat-Lehrerinnen-Seminar ein. Als die Eltern ihren verbotenen Briefwechsel mit Emanuel Fehling entdecken, wird sie 1892 im Pfarrhaus von Adelby unter Kuratel gestellt. 1893 flieht sie aus Adelby und geht nach München, wo sie die private Malschule von Anton Ažbe besucht. Im selben Jahr wird ihre Prosaskizze Die Uniform in den Husumer Nachrichten veröffentlicht. 1896 erscheinen erste Publikation im Simplicissimus: Vater, Wahnsinn und die Satire Das jüngste Gericht. 1900 beginnt sie mit der Arbeit an ihrem autobiographischen Roman Ellen Olestjerne und schließt durch Vermittlung von Ludwig Klages Bekanntschaft mit dem Kreis der Kosmiker um Alfred Schuler, Karl Wolfskehl und Ludwig Derleth sowie dem Kreis um Stefan George. 1903 gründet sie mit Bohdan von Suchocki und Franz Hessel eine Wohngemeinschaft im Eckhaus Kaulbachstraße 63, die bis 1906 besteht.
1903 erscheint Ellen Olestjerne im Verlag Julian Marchlewski. Rainer Maria Rilke schreibt in seiner Rezension, dass ihr Leben „eins von denen ist, die erzählt werden müssen, und ich glaube, dass man es vor allem jungen Menschen erzählen muss, die das Leben anfangen wollen und nicht wissen, wie“. In der Münchner Bohème führt Franziska zu Reventlow ein Leben in Freiheit: ungebundene Liebe, erotische Abenteuer, eine freie Schriftstellerexistenz, Wohngemeinschaft, ein Kind ohne Vater. „Ich will überhaupt lauter Unmögliches aber lieber will ich das wollen, als mich im Möglichen schön zurechtlegen“ – diese Maxime ist Bestandteil ihrer unkonventionellen Selbstinszenierung, die ihr in den Schwabinger Künstlerkreisen große Bewunderung sichert… 1910, nach Jahren zunehmender materieller Not, folgt Franziska zu Reventlow dem Rat Erich Mühsams und geht nach Ascona, der südlichen Dependance der Schwabinger Bohème. Der Monte Verità – der Berg der Wahrheit – am Lago Maggiore ist eine Art Versuchslabor für alternative Lebensformen, das Künstler, Schriftsteller, Bohemiens, Frauenrechtlerinnen, Lebensreformer, Wissenschaftler, Naturheiler, Esoteriker aus ganz Europa anzieht, darunter: Max Weber, Hermann Hesse, W. J. Lenin, Leo Trotzki, C.G. Jung, Otto Groß, Erich Mühsam, Isadora Duncan, Mary Wigman. Für Franziska zu Reventlow wird Ascona zum Schreibort. Dort entstehen ihre Romane, die alle im Münchner Albert Langen Verlag erscheinen: Von Paul zu Pedro. Amouresken (1912), der Schlüsselroman über die Schwabinger Bohème, Herrn Dames Aufzeichungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil (1913) und Der Geldkomplex (1916). 1917 publiziert sie ihre Sammlung skurriler Novellen unter dem Titel Das Logierhaus ‚Zur schwankenden Weltkugel‘. Alltägliche Begebenheiten werden darin so überzeichnet, dass beinahe unmerklich die Dimension des Phantastischen mit der Normalität kollidiert. Diese Novellen erinnern an E.T.A. Hoffmann, Gustav Meyrink, die Romantiker, die Surrealisten und nehmen gleichzeitig den magischen Realismus Gabriel Garcia Marquez', Julio Cortázars oder Haruki Murakamis vorweg. Am 26. Juli 1918 stirbt Franziska zu Reventlow an den Folgen eines Fahrradunfalls in Locarno. Sie wird auf dem Friedhof Santa Maria in Selva in Locarno beigesetzt. Ihr letzter Roman, Der Selbstmordkomplex, wird 1925 aus dem Nachlass veröffentlicht. Verfasser: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt http://www.literaturportal-bayern.de/autorenlexikon?task=lpbauthor.de
Darüber könnten wir sprechen Wie erscheint die Persönlichkeit der Gräfin in dieser Biografie? Wie stellt sich das Verhältnis zu ihrer Mutter dar? Wie wird die Münchener Boheme beschrieben? Was erfahren wir über die Zeitgeschichte und die unterschiedlichen künstlerischen oder geistigen Strömugen?
Was lesen wir über die Situation der Frauen in dieser Zeit? Wie erklärt sich die Fazsination, die die Reventlow auf Generationen ausgeübt hat? (in den letzten 30 Jahren wurden 17 Bücher über Reventlow geschrieben) In Biographien wurde sie zur “heidnischen Heiligen”( Ludwig Klages), “ wilden” oder “Skandalgräfin” oder “erotischen Rebellin” . Gunna Wendt nennt sie die “anmutige” Rebellin. Wie ist dieses Adjektiv zu verstehen? Die Autorin will das Leben der Gräfin jenseits der Klischees erzählen. Ist ihr das gelungen? In dem Vorwort zur Biografie nennt Wendt das Leben der Gräfin ein “ kompromisslose Suche nach Freiheit und Glück”. Ist so ein Leben von vorne herein zum Scheitern verurteilt? Würde eine Frau wie die Reventlow heute einen Platz in der Gesellschaft finden? War sie eine Feministin? War sie eine Gegnerin des Bürgertums? “Frauen, die schreiben, leben gefährlich” heißt ein Bildband über berühmte Autorinnen. In dem Vorwort zitiert Elke Heidenreich aus Christa Wolff Roman die Günderode, die zu Kleist sagt: “Sie sagt, nach ihrer Beobachtung gehöre zum Leben der Frau mehr Mut als zu dem der Männer. …..”. Wie zeigt sich das am Leben der Reventlow? Ab wann hat sich hier etwas verändert? Haben wir es mit einer Biografie über eine außergewöhnliche Frau oder einer Biografie über eine außergewöhnliche Künstlerin zu tun? Auswahl einiger Bücher der Reventlow
Was Frauen ziemt. Essay. Unter dem Titel Viragines oder Het ren? in: Z rcher Diskuszionen. Z rich 2.1899. Ellen Olestjerne. J. Marchlewski, München 1903. Von Paul zu Pedro. Amouresken. Langen, München 1912. Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. Langen, München 1913. Der Geldkomplex. Roman. Langen, München 1916. Das Logierhaus zur Schwankenden Weltkugel und andere Novellen. Langen, München 1917. Auswahl von porthumen Veröffentlichungen: Gesammelte Werke in einem Bande. Hrsg. und eingel. von Else Reventlow. Langen, München 1925 (Enthält die Tagebücher 1897–1910 und das Romanfragment Der Selbstmordverein in erster Ausgabe). Briefe. Hrsg. v. Else Reventlow. A. Langen, München 1928 (Datiert auf 1929). Tagebücher 1895–1910. Hrsg. v. Else Reventlow. Langen-Müller, München 1971. Die Tagebücher wurden später wiederholt in anderen Ausgaben in kritischen Wrkasugeben veröffenlticht Unveröffentlichte Briefe von Franziska Gräfin zu Reventlow an Anna Petersen und an Ferdinand Tönnies. Hrsg. v. Heide Hollmer und Kornelia Küchmeister. In: Nordelbingen. Bd 77. Boyens, Heide 2008
Zitate der Gräfin zu Reventlow:
Das Gefühl von Glück und Fülle ist ganz unabhängig von wirklichem Erleben? Aber in welcher Sphäre liegt es dann, und warum ist es manchmal in uns und manchmal wieder unerreichbar? Ich bin so reich nach allen Seiten, und mir fehlt so viel. Wir wollen mit dem, was nun einmal sein muß, rechnen, nicht mit dem, was gewesen ist und womit wir denn nun abschließen müssen. Ist nicht die Hauptsumme dieses Jahres Glück und Liebe gewesen, und das bleibt uns ja und außerdem Arbeit füreinander und an uns. Mich hat der liebe Gott aus allen Widersprüchen geschaffen, die er hatte. Es hat noch niemand in meiner Haut gesteckt.
Viel Spaß beim Lesen Monika Klose