Vorwort 20 Studierende haben sich im Herbst 2013 in einem kunstpädagogischen Seminar an der Universität Paderborn mit 20 exemplarisch ausgewählten Skulpturen und Installationen in Sammlungen, Museen, Skulpturenparks und dem öffentlichen Raum in NRW auseinandergesetzt, um die für den Kunstunterricht zentralen Verknüpfungsmöglichkeiten von Kunstwissenschaft und Kunstpraxis im eigenen Tun zu erproben. Die Exkursionen erfolgten unter vier verschiedenen thematischen Schwerpunkten zur Skulptur. Neben einzelnen Skulpturen und Installationen aus der Sammlung des K21 und einer Retrospektive des Bildhauers Alexander Calder im K20 widmeten sich die Studierenden Kunstwerken im öffentlichen Raum bei der Emscher Kunst sowie der Skulptur im Außenraum im Skulpturenpark Köln. Mit dem vorliegenden Magazin „Skulptur Heute - Theorie, Praxis und Vermittlung vor Ort“ werden die verschiedenen kunstpraktischen und kunsttheoretischen Zugänge und Vermittlungskonzepte vorgestellt, die sich im Besonderen für den Einsatz im Kunstunterricht der Sekundarstufe I und II eignen. Die Dokumentationen bieten einen Einblick in zentrale Fragestellungen der Skulptur heute. Dabei dienen die von den 20 teilnehmenden Studierenden verfassten Artikel als Anregung für Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen, bieten Hintergrundinformationen zu den einzelnen Kunstwerken und zeigen eine Vielfalt an Lehrmethoden und ästhetischen Zugängen auf. Das Layout arbeitet mit Informationsblöcken und Vorschlägen zu den unterschiedlichen Annäherungsmöglichkeiten an wichtige Positionen der Skulptur heute. Um diese erfassen und für den Einsatz im Kunstunterricht nutzen zu können, findet der Leser neben einer ausführlicheren Beschreibung des Kunstwerkes didaktische Überlegungen und vielfältige Anregungen auch für die weiterführende gestalterische Praxis und Impulse zum Weiterdenken. Sowohl die Aufgaben als auch die Zitate und Literatur- und Rechercheinformationen lassen sich im Unterricht einsetzen. Hierbei bildet jeder Artikel eigene Schwerpunkte. Für das Layout des Heftes ist Florian Salim Shirazy verantwortlich, Laura Konstantelos hat ihn dabei tatkräftig unterstützt, Julia Dowe verfasste die Zwischentexte, alle drei Studierenden des Seminars haben an der Konzeption mitgewirkt. Beim Lektorat hat Susanne Henning geholfen, Alfons Knogl hat das Team gestalterisch beraten. Daneben sei vor allem den Studierenden gedankt, die ihre engagierten Referate vor Ort im Nachhinein in dieser Form gestaltet haben. Der Universität Paderborn danken wir für die finanzielle Unterstützung. Sara Hornäk, Universität Paderborn, Februar 2014
Abbildung Umschlag: Die Studierenden bei der Begehung des Werkes „Grand Tour Nouveau“ von Elin Wikström, Emscher Kunst 2013, Foto: Florian Salim Shirazy
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Inhalt EMSCHERKUNST......................................................................................................... 4 Vor Ort, zum Ort Rainer Maria Matysik.......................................................................................... 6 Kreisläufe Michael Sailstorfer.............................................................................................. 8 Breaking New Anna Witt und Uglycute.................................................................................... 10 Schwindelerregend Haubitz+Zoche.................................................................................................... 12
Skulpturenpark Köln................................................................................................ 14 Material und Oberfläche Tony Cragg......................................................................................................... 16 Das Spiel mit der Wahrnehmung Anish Kapoor....................................................................................................... 18 Mit Skulpturen handeln Karin Sander ....................................................................................................... 20 Weder drinnen noch draußen Sou Fujimoto........................................................................................................ 22 Wildwuchs Susan Hiller........................................................................................................... 24 Zwischen Architektur und Performance Dan Graham ...................................................................................................... 26 Wo sich Wort und Kunst vereint Jenny Holzer........................................................................................................ 28
K21 - Kunstsammlung NRW................................................................................. 30 Neue Medien als Chance? Nam June Paik ................................................................................................... 32 More is More! Thomas Hirschhorn............................................................................................. 34 Spuren der Zeit Reinhard Mucha................................................................................................. 36 Das Verwunderliche im Gewöhnlichen Hans-Peter Feldmann........................................................................................ 38 Stummes Gelächter Juan Muñoz......................................................................................................... 40 Das Gefühl zu Schweben Tomás Saraceno................................................................................................. 42
K20 - Alexander Calder........................................................................................ 44 Drahtgesichter Von der Linie zur Form........................................................................................ 46 Mobiles Objekte zwischen Bewegung und Balance.................................................... 48 Stabiles Skulpturen zwischen Masse und Abstraktion................................................... 50
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EMSCHERKUNST 2013 Entlang der Emscher, welche sich von Dortmund bis Dinslaken erstreckt, stellten im vergangenen Sommer erneut eine Vielzahl internationaler Künstlerinnen und Künstler ihre Werke aus. So bot die EMSCHERKUNST 2013 vom 22.06.2013 bis zum 06.10.2013 kunstinteressierten Menschen die Möglichkeit, Kunst im öffentlichen Raum zu begreifen, erleben und wahrzunehmen. Auch wir, eine Gruppe von Studierenden der Universität Paderborn, machten uns mit geliehenen Fahrrädern auf den Weg, einige dieser Werke zu erkunden. Im Folgenden wird exemplarisch auf vier Kunstwerke der EMSCHERKUNST hingewiesen, welche wir besucht und an denen wir Vermittlungskonzepte erprobt haben.
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Vor Ort, zum Ort
Rainer Maria Matysik
* 1967 in Duisburg. Kennt Emscher Region aus Kindheit.
»Diese Emscher, die keinen festen Lauf hat – die Emscher ist von Duisburg verlegt worden hierher, zweimal, und wird wieder verlegt bis Richtung Wesel und der Fluss hat kein festes Bett. Wenn dieser Fluss sowieso keinen Ort hat, an dem er sein muss, und er verschwindet hier einfach in den Rhein. Dann könnte er auch als Wolke zum Himmel aufsteigen.«. [R. M. Matysik, 2013].
Didaktische Überlegungen
Fluss wird Wolke (2013) Das Werk „Fluss wird Wolke“ besteht aus drei Elementen: Der Energiegewinnung, der Wolkenmaschine und dem Wolkenpavillon. Sichtbar ist hierbei nur die Wolkenmaschine und der Wolkenpavillon. Bei der Energiegewinnung wird die Energie des Flusses in elektrische Energie umgewandelt. Das Wasser der Emscher wird angesaugt und läuft oben in eine Wasserschnecke (eine große Schraube in einem Trichter) hinein und dreht durch das Gewicht des Wassers die Schraube an. Ein Generator verwandelt diese Bewegung in elektrischen Strom. Die Wolkenmaschine nutzt diese erzeugte Energie. Matysik beschreibt seine Wolkenmaschine als einen Kasten mit viel Technik und einem Rohr auf dem Dach, aus dem alle zwei Minuten eine Wolke entlassen wird. Hierfür wird Wasser aus der Emscher angesaugt, aufbereitet, in verschiedenen Stufen erhitzt und (alle zwei Minuten) als Wolke entlassen. Der Wolkenpavillon besteht aus drei großen Kugeln (je 4 m Durchmesser) und zwei kleineren Kugeln (je 2,5 m Durchmesser), die aneinandergefügt sind. Diese ergeben ein Gesamtbild, das von innen hohl und durch eine Tür begehbar ist. Der Wolkenpavillon ist weiß und mit runden Fenstern ausgestattet. Im Inneren befindet sich eine Skulptur, die wiederum an Wolken erinnert. Den Wolkenpavillon sieht Matysik als einen Hybrid zwischen Skulptur und Architektur. Die skulpturale Erscheinungsform dient außerdem als Übernachtungsmöglichkeit und 6
ist mit einer Bibliothek zum Thema Wolken ausgestattet. Der Wolkenpavillon erinnert an kindliche Zeichnungen von Wolken oder auch an Faulschlamm (Bezug zur Emscher, die teilweise auch heute noch sehr verunreinigt ist). Thema von R. M. Matysiks Werk „Fluss wird Wolke“ ist der stetige Emscherumbau mit dem Renaturierungsprojekt. Die Emscher wurde zwei Mal umgelegt und ein drittes Mal steht an. Der Fluss hat daher keinen festen Lauf/Ort. Das gesamte Ruhrgebiet wird umgestaltet und Matysik will mit seinem Werk zeigen, dass es dabei auch „umgekrempelt“ werden kann. Man sollte, seiner Meinung nach, nicht an alten Landschafts-idealen festhalten. So braucht ein Fluss z. B. keine Ausgleichsflächen, er könnte auch zu Wolken werden. Wolken verändern sich ständig und haben ebenfalls keinen festen Ort, sowie keinen Anfang und kein Ende. Für Matysik sind der größte Gegensatz zum dreckigen Gewässer, wie die Emscher es war und ist, reine, weiße Wolken, die zum Himmel aufsteigen. Auf die Umgebung wird auch eingegangen, da die entstehenden Wolken an die Wolken der nahen Kühltürme erinnern. Der Unterschied jedoch ist, dass Wolken bei dem Werk „Fluss wird Wolke“ nur Selbstzweck sind. Im Inneren des Wolkenpavillons möchte Matysik das, was Wolken ausmacht festhalten, indem ihre Erscheinung dargestellt wird.
Einstieg: (Kann vor Ort oder zuvor, ohne das Werk „Fluss wird Wolke“ gesehen zu haben, bearbeitet werden) Wie stellt ihr euch eine Wolkenmaschine vor? Haltet dies zeichnerisch fest und besprecht anschließend eure Ergebnisse. Erarbeitungsphase: Beschreibt, was ihr seht. Aus welchen Elementen besteht das Werk, was gehört alles dazu und wie sehen die einzelnen Elemente jeweils aus? (Wolkenpavillon und Wolkenmaschine) Welche Assoziationen fallen euch zu dem Werk und welche zu dem Titel ein? Die Lehrperson kann nach der Beschreibung Informationen zum Werk, dessen Funktion sowie zu den technischen Hintergründen der Wolkenmaschiene geben. Ich nutze die Energie des Flusses, damit der Fluss sich selbst verwandeln kann in Wolken. [R. M. Matysik, 2013] Durch das Sammeln von Assoziationen zum Wolkenpavillon (z. B. Form erinnert an Wolken, Blasen, Faulschlamm) kann der Zugang zum Werk vertieft werden. Daran anknüpfend können Bezüge zum Titel „Fluss wird Wolke“ und zur Geschichte der Emscher hergestellt werden. Beispielsweise können Assoziationen zum Faulschlamm auf der verunreinigten Emscher bezogen werden. Diese Stelle
eignet sich, um als Lehrperson knapp in die Geschichte der Emscher einzuführen. Alternativ kann dies als Referat von Schüler/innen vorbereitet und/oder auch schon vorher im Unterricht besprochen werden. Um eine Diskussion anzuregen, können die hier zu findenden Informationen und Fragen genutzt werden. An dieser Stelle bietet es sich an, die Begriffe „Architektur“ und „Skulptur“ gegenüberzustellen und zu definieren. Was liegt hier vor (R. M. Matysik sieht sein Werk als Hybrid zwischen beiden Formen)? Abschluss: Einen Rückbezug auf die Arbeiten der Schüler/innen herstellen (z. B. Gemeinsamkeiten, Unterschiede). Außerdem bietet sich ein Bezug zur EMSCHERKUNST allgemein an, z.B. das Zitat, welches hier unter der Überschrift zu finden ist. Die Emscher verändert sich ständig, genau wie Wolken. Die Schüler/innen lernen an diesem Kunstwerk zum einen die Emscherregion und deren Geschichte kennen und zum anderen erleben sie eine künstlerische Auseinandersetzung mit einer gegenwärtigen Situation. Sie können nachvollziehen, welche Intentionen der Künstler verfolgt und erhalten einen neuen Blickwinkel auf die Emscherregion. Über den praktischen Einstieg kann schnell ein Zugang zu dem Werk geschaffen werden, denn der Titel ruft zahlreiche Assoziationen hervor. Der Einstieg hat zudem den Vorteil einer breiten Aktivierung aller Schüler/innen.
Informationen und Fragen zur Diskussion • R. M. Matysik aus Duisburg, weiß aus seiner Kindheit: man konnte die Emscher oft riechen, bevor man sie gesehen hat. Auch heute noch ist sie teilweise unrein, trotz Durchlaufen von Kläranlagen. • R. M. Matysik: größter Gegensatz ist, dass aus dreckigem Wasser weiße, reine Wolken werden, die zum Himmel aufsteigen. • Bezug zu Kühltürmen herstellen: Welche Verbindungen gibt es zwischen Werk und Umgebung? Hier ist es Selbstzweck. Hier sind die Wolken gemacht, um zu sein und nicht, ja Nebeneffekt oder negativer Effekt zu sein. [R. M. Matysik, 2013]
Zum Weiterlesen • https://www.wdr.de/tv/westart/dienstag/sendungsbeitraege/2013/0709/matysik.jsp • http://www.youtube.com/watch?v=K7mncxpJspA • http://www.emscherkunst.de/kunst/kunstwerke/reiner-maria-matysikfluss-wird-wolke.html • http://reinermatysik.de/ereignis/fluss-wird-wolke/ Erarbeitet von: Jorina Hofma 7
Kreisläufe
Michael Sailstorfer
*1979 in Velden (Niederbayern) Sohn eines Bildhauers, lebt und arbeitet in Berlin
• freut sich am Entstehen und Vergehen seiner Werke • Objekte werden dekonstruiert, deformiert, adaptiert, neu zusammengesetzt, deplatziert, umgedeutet und umgewidmet • beschäftigt sich u.a. mit Behausungen, Außenräumen, Heimat, dem Kosmos und der Natur.
Antiherbst (2012) Den Ort für seine Arbeit für die EMSCHERKUNST 2013 habe er vor einem Jahr bei der gemeinsamen Künstlerbegehung entdeckt und sich daraufhin gefragt, was man wohl mit so einem Baum anstellen könne. Michael Sailstorfers Skulpturen entstehen immer kontextgebunden; vor dem Hintergrund einer Frage, einer Assoziation oder einer Geschichte - so auch Antiherbst. Das „Projekt“ begann bereits im Oktober 2012, indem angefangen wurde den besagten Baum in noch grünem Blätterkleid zu filmen. Als die Blätter sich allmählich zu verfärben und abzufallen begannen, rückte Sailstorfer mit seinem Team an, um das Laub zusammenzukehren, zu präparieren, lackieren und wieder mit Kabelbindern anzuheften. Diese Sisyphos-Arbeit dauerte bis in den November an, bis schließlich alle Blätter wieder ergrünt an Ort und Stelle waren. Zu sehen ist auf der EMSCHERKUNST2013 nichts mehr von den grün lackierten Blättern. Lediglich der Wohnwagen, das ehemalige Zuhause des Teams, ist zurückgeblieben, in dem nun für 8
die Besucher der bearbeitete Videomitschnitt des Arbeitsprozesses in Dauerschleife abgespielt wird. Schon immer da gewesen ist die Emscher, früher ein stark mäandrierender Fluss, wovon heute leider nichts mehr zu sehen ist. Zu Beginn der Industrialisierung gab es in der Region noch reichlich ergiebige Kohlelagerstätten. Mit dem Bergbau kamen auch die Menschen - und die Abfälle. Das Grubenwasser sowie Hausabwässer wurden einfach in die Emscher geleitet. Der Fluss verkam zu einer Kloake. Um Überschwemmungen und Seuchen einzudämmen, wurde die Emscher zusätzlich begradigt und deren Mündungsverlauf zweimal verlegt. Am Ende war sie nur noch ein offenliegender Abwasserkanal. Heute ist die Emscher inmitten eines Wandels begriffen. Seitdem die Industrie nordwärts gezogen ist, wurden bereits 250 Kilometer unterirdischer Kanäle verlegt und große Teile des Flusses wieder in ein naturnahes Gebiet zurückgebaut. Sailstorfers Esche steht vereinzelt auf dem Deich der Rheinaue Wal-
sum. Am Hang des Deiches grast in diesem Sommer eine Schafherde, die auch schon Sailstorfer getroffen haben muss. Im Hintergrund entlässt das Steinkohlekraftwerk Duisburg-Walsum, eines der letzten, unaufhörlich seine Endprodukte in die Atmosphäre. Sailstorfers Arbeit für die EMSCHERKUNST setzt sich insbesondere mit der Natur und deren Wiederaufbau (Renaturierung) auseinander. Hiermit versucht er der Natur durch seine Performance „unter die Arme zu greifen. Damit man wieder auf einen grünen Zweig kommt.“ Diese Art der Unterstützung als symbolischer Akt steht für eine viel tiefgreifendere Botschaft: So sehr sich der Mensch auch müht, die Jahreszeiten lassen sich nicht aufhalten oder umkehren, auch wenn sich manch einer insgeheim wünscht, er könne dem Herbst trotzen, indem er kurze Hosen trägt. Auch das Projekt der Renaturierung der Emscherregion wird wohl noch einige Generationen und Jahrzehnte andauern.
Didaktische Überlegungen Der exemplarische Charakter des Kunstwerks besteht in der Aufforderung, verantwortungsbewusst mit Natur und Umwelt umzugehen, aber auch der Natur wieder mehr Raum in unserer Umwelt zuzugestehen und sie demnach zu erhalten. Eine Unterrichtssequenz zu diesem Thema lässt sich am besten in einer Diskussionsrunde verwirklichen, in der im Kollektiv über Eindrücke, Vorstellungen und Deutungsversuche in Hinsicht auf das Werk diskutiert wird. Wichtig ist auch, dass zeitgenössische Kunst meist kontextgebunden entsteht. Um Hintergründe zu erfahren, kann Textarbeit, Internetrecherche oder ein Schüler-/Lehrervortrag genutzt werden.
Zum Weiterdenken Analogien zwischen der Umkehrung der Jahreszeiten und dem Rückbau des Ruhrgebiets. (Vgl. hierzu die Geschichte der Flusslandschaft Emscher)
Weiterführende Überlegungen
Wald-putz (2000)
Raketenbaum (2008)
Aufgabe: Entwickelt euer eigenes Statement zum Thema „Renaturierung Der Natur unter die Arme greifen“. Oder aber bezieht euch allgemein auf den Akt der Hilfeleistung. Übersetzt euer Statement in eine künstlerische Arbeit. Technik und Material sind euch freigestellt.
Das Kunstwerk Antiherbst steht beispielhaft für eine aufwändige Performance im öffentlichen Raum, bei der nicht nur die Geschichte der Emscher aufgegriffen wird, sondern auch allgemeinere Themen wie der Umgang des Menschen mit seiner Umwelt. Inwieweit ist dieser Themenbereich in der Kunst verarbeitet worden? Des Weiteren kann das Kunstwerk im Rahmen einer Reihe über zeitgenössische Skulpturen besprochen werden. Ein größeres Projekt könnte im Rahmen einer „Renaturierung des Schulhofes“ entstehen. Die SuS gestalten aktiv den vielleicht etwas grauen und tristen Schulalltag um. Je nach Alter und Schulform können Schulgärten gepflanzt und gepflegt (Grundschule), Biotope angelegt und/ oder Bäume gepflanzt (Sekundarstufe) werden.
„Ich finde Arbeiten gut, in denen es nicht nur einen Bezug gibt. Arbeiten, die erstmal ganz leicht daher kommen. Und wenn man länger hinsieht, kann man immer wieder eine neue Klappe öffnen.“ [Michael Sailstorfer 2012, Berlin] Die Frage nach der natürlichen Natur und der künstlichen Natur: Sind vom Menschen geschaffene Naturräume noch natürlich? Vgl. Andy Goldsworthy - NaturKunst / Herman de Vries - reine Naturarbeiten / LandArt (Unterrichtsreihe) Was bedeutet Slapstick-Komik? Inwieweit lässt sich dieser Begriff auf Antiherbst und weitere Arbeiten von Sailstorfer anwenden, die im Folgenden abgebildet sind:
Zum Weiterlesen • Michael Sailstorfer. Forst, Guido Fassbender, Distanz Verlag 2012, Berlin • Michael Sailstorfer. S, Veit Görner, Martin Germann, Philippe van Cauteren, Ellen Sei-fermann, Distanz Verlag 2011, Berlin • http://www.youtube.com/watch?v=fVNpO0NaPnY • www.emscherkunst.de • www.sailstorfer.de Erarbeitet von: Elisabeth Brune 9
Breaking new New -Anna Anna Witt Witt und und Uglycute Uglycute *1981 in Wasserburg, Deutschland, lebt in Wien
„Wichtig ist es mir, ein Projekt zu entwickeln, das im Dialog mit den Bewohnern steht und verfügbar ist. Ich wünsche mir, dass es sich ins alltägliche Leben integriert. Es ist mir wichtig, das Projekt mit den Menschen vor Ort und direkt in den Straßen entstehen zu lassen“ [Anna Witt 2013].
Breaking new (2013) In Zusammenarbeit mit der schwe- mobilen Kit an Werkzeugen durch dischen Designergruppe Uglycu- die Straßen von Duisburg-Marxloh te entwickelte Anna Witt für die und Umgebung, um aus weggeEMSCHERKUNST 2013 das Projekt worfenen Materialien wieder neue „Breaking new“. Die deutsche funktionstüchtige Objekte herzuKünstlerin, die an der Akademie stellen, wie zum Beispiel Tische und der Bildenden Künste in München Stühle, aber auch Sessel und Sound bei Monica Bonvicini in Wien fas. Das neue Möbelstück wird an studierte, arbeitet dem Ort, an dem mit performaties gebaut wurven Interventio- Das Thema Sperrmüll sorgt in der de, zurückgelasnen und Videoin- Region für Kontroversen, was sen, um von den stallationen, die mich auf die Idee brachte, ihn Bewohnern des sich mit der Kons- als Ressource zu betrachten. Stadtteils benutzt truktion kultureller ‚Breaking new‘ will nicht auf ein oder mitgenomStereotype und Problem verweisen, sondern pro- men zu werden. der Positionierung Die Künstlerin will duktiv damit umgehen. von Individuen mit dieser Perfor[Anna Witt, 2013] innerhalb soziamance auf das ler Systeme beThema Sperrmüll schäftigen. Bei der Performance aufmerksam machen, der in die„Breaking new“ liegt der Schwer- ser Region ein großes Problem punkt jedoch vor allem auf dem darstellt. Dabei steht vor allem der Prozess des Produzierens. Für den Dialog zwischen den PerformerInAusstellungszeitraum der EMSCHER nen und den Menschen vor Ort im KUNST engagierte Anna Witt eine Vordergrund. Bei „Breaking new“ Gruppe von Duisburgerinnen und soll produktiv mit dem Sperrmüll Duisburgern, die als mobiles Kon- umgegangen werden und er soll struktionsteam agiert. Die Perfor- nicht als Problem, sondern als ResmerInnen ziehen dafür mit einem source betrachtet werden.
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Didaktische Überlegungen „Breaking new“ vereint mehrere Themengebiete, die auch im (Kunst-) Unterricht eine wichtige Rolle spielen. Der Recyclinggedanke steht bei dieser Performance im Vordergrund und kann den Schülerinnen und Schülern sehr anschaulich direkt vor Ort vermittelt werden. Durch einen Besuch der PerformerInnen in Duisburg-Marxloh können die Schülerinnen und Schüler dazu angeregt werden, selbst aktiv zu werden und sich mit dem Thema Sperrmüll zu beschäftigen, zum Beispiel indem sie selbst aus alten Möbelstücken und Sperrmüll neue Objekte herstellen. Auch ein ethischer Aspekt fließt hier stark mit ein, wodurch die Schülerinnen und Schüler sich mit dem Thema Recycling näher auseinander setzen und beginnen, über die Folgen von Umweltverschmutzung nachzudenken.
Zum Weiterdenken Als mögliche Annäherung an das Werk können den Schüler/innen mehrere Gegenstände gegeben werden, die aus dem Sperrmüll stammen, oder, wenn nicht vorhanden, Fotos davon gezeigt werden. Als kreative Aufgabe designen mehrere Kleingruppen von 2-3 Personen daraus selbst Möbelstücke und halten ihre Ideen zeichnerisch fest. Die Ergebnisse der Gruppen werden gegenseitig vorgestellt und die Einsatzmöglichkeiten der Möbelstücke miteinander verglichen. Hierbei fließt auch ein weiterer wichtiger Aspekt von „Breaking new“ ein: Das Thema Design ist im Lerhrplan verortet und ermöglicht somit eine gute Verbindung zum Kunstunterricht.
Mögliche Weiterführung der Unterrichtssequenz nach der Exkursion Theoretischer Anteil: Geschichte des Designs, Recyclingdesign, Bedeutung von Recycling Praktischer Anteil: Die Schülerinnen und Schüler stellen in einer Unterrichtsreihe über mehrere Doppelstunden aus Sperrmüll selbst neue Möbelstücke her und halten ihren Arbeitsvorgang, Skizzen, Gedanken usw. in einem Arbeitsbuch fest.
Zum Weiterlesen Künstlerhomepage: • www.annawitt.net/index.php?nav=cv • www.uglycute.com/ Homepage EMSCHERKUNST 2013: • www.emscherkunst.de/kunst/kunstwerke/annawittunduglycutebr break.html Erarbeitet von: Corinna Seifert, Natalie Ebel 11
Schwindelerregend Sabine Haubitz: * 1959 in Nördlingen Stefanie Zoche: * 1965 in München
Haubitz+Zoche
„Wo ist der Horizont, an welchen Sicherheiten können wir uns orientieren?“ [Stefanie Zoche, 2013]
VERTIGO (2013) Haubitz und Zoche beschreiben ihr Werk als Videoskulptur. Von außen sieht man ein Modell eines weißen Hauses. Dieses liegt auf sein Dach gekippt und an seiner Seite befindet sich eine Tür, welche dem/der Betrachter/in den Zugang ins Innere ermöglicht. Im Inneren befindet sich eine Zweikanal-Videoprojektion, welche in einem Wechselspiel Szenen einer überschwemmten Modellstadt und eine verfremdete Performance zweier Synchronschwimmer zeigt. Die Skulptur befindet sich unter einer Autobahnbrücke, umgeben von Strommasten und einem Pumpwerk, Zeichen der Industrialisierung. Es besteht ein äußerst starkes Wechselspiel zwischen der künstlerischen Arbeit und dem Ort, mit direkter Einbindung des Betrachters. Der angespülte Charakter der Skulptur steht vor dem regionalen Hintergrund des Bergbaus. Viele Teile der Region sind untertunnelt, die Flussläufe sind nicht natürlich und fließen teilweise bergauf. Bei Hochwasser muss das Wasser abgepumpt werden. Der Boden vor Ort läuft nach unten und wird erst um die Skulptur herum wieder flach. Eine komplexe Situation in Bezug auf die Region, Assoziationen von Szenarien der Überschwemmung entstehen. Das Abhandenkommen der Perspektiven und der Sicherheit wird im Inneren der Skulptur durch die Videoarbeiten erneut aufgegriffen.
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Didaktische Überlegungen Als didaktischer Zugang bietet sich das Gruppenpuzzle an, da die Arbeit vorrangig drei Ebenen der Herangehensweisen bietet und diese auch von den Künstlerinnen bewusst so initiiert wurden. Diese sollen in ihrem Zusammenspiel eine Kritik formulieren. Um die einzelnen Punkte zu würdigen, können diese in Anbetracht der Zeit auf verschiedene Gruppen verteilt werden. Der Gesamtzusammenhang wird klarer, wenn die Teilnehmer/innen ihn selber herstellen und erschließen können. Auch bietet dieser Ansatz eine intensivere Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit der Arbeit und der Problematik. Dies wird dadurch unterstrichen, dass nicht nur Informationen vermittelt werden, also nicht nur die Sachebene beansprucht wird, sondern auch die Beziehungsebene durch die Verknüpfung mit Emotionen. Einsetzbar ist diese Methode in verschiedenen Altersklassen. Ausgehend von dem Vorwissen der Teilnehmer/innen ist die Aufgabenstellung zu variieren.
Gruppenpuzzle Jede/r Teilnehmer/in erhält die Erklärung der Aufgabe und eine Aufgabenstellung in gedruckter Form. Das Blatt mit der Aufgabenstellung bietet genug Platz für Notizen und Skizzen. Aufgabenstellungen: Beschreibe die Videoarbeit im Inneren der Skulptur und halte deine Emotionen fest. Beschreibe die äußere Erscheinung der Skulptur und finde Assoziationen. Betrachte die Umgebung und skizziere Besonderheiten in Anlehnung an das Kunstwerk „Vertigo“. Aufgabe: Erste Phase (ca. 15min): Findet euch bitte in drei Stammgruppen zusammen. Bearbeitet die euch zugeteilten Aufgaben alleine in Form einer Mindmap. Besprecht anschließend eure Ergebnisse mit eurer Stammgruppe, um eventuell weitere Anreize und Ergänzungen zu bekommen.
Zweite Phase (ca. 10min): Findet euch nun mit den anderen Gruppen zusammen, sodass in jeder Gruppe mindestens eine Person aus den jeweiligen Stammgruppen vorhanden ist. Ihr bildet eine Expertengruppe, stellt euer Thema und eure Ergebnisse vor und versucht einen Zusammenhang herzustellen. Eine Person aus jeder Expertengruppe stellt dann im Plenum die abschließende Diskussion vor. Dritte Phase - Abschluss/ Diskussion Folgende Fragen können nun als Denkanstöße gestellt werden, falls noch Bedarf besteht. Anschließende Diskussionen oder Denkanstöße können auch im Laufe der Fahrradtour noch fortgeführt werden. Hat eine solche Arbeit emotionale Auswirkungen auf spätere Entscheidungen? Entsteht durch die Verschiebung der Realität ein tieferer Eindruck als durch rein informative Quellen? Ist es eine Aufgabe der Kunst, zu kritisieren, weil sie die Öffentlichkeit erreicht? Kunst im öffentlichen Raum als direkte Chance, vor Ort aufzuklären?
Zum Weiterdenken • Welche Darstellungsformen nutzen die Künstlerinnen? • Kann die Videoskulptur dem gerecht werden, was es ausdrücken soll? • Welche Kritik wird durch das Kunstwerk angesprochen? (Klimawandel) • Könnt ihr in der Umgebung weitere Merkmale für die Industrialisierung und den daraus folgenden Klimawandel finden?
Zum Weiterlesen • http://www.youtube.com/watch?v=-4KnPBiMSzI SCHERKUNST 2013: Vertigo – Haubitz+Zoche
Interview
EM-
• www.emscherkunst.de/kunst/kunstwerke/haubitz-zochevertigo.html • www.haubitz-zoche.de/ Erarbeitet von: Lisa Kuntze-Fechner 13
Skulpturenpark Köln Auf 25.000 Quadratmetern lassen sich im Skulpturenpark Köln Außenskulpturen deutscher und internationaler Künstlerinnen und Künster besichtigen. Angelegt als ein Ort der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Skulpturen handelt es sich bei dem Skulpturenpark Köln nicht um eine Dauerausstellung, sondern um eine alle zwei Jahren neu konzipierte Ausstellung, bei welcher ein Teil der ausgestellten Skulpturen durch neue ersetzt wird. Tony Cragg, Sou Fujimoto und Susan Hiller sind einige der Künstlerinnen und Künstler, welche derzeit bei der KölnSkulptur#7 zu sehen sind. Mit diesen und weiteren haben sich eine Handvoll Studente befasst und spannende Konzepte entwickelt, welche auf den folgenden Seiten vorgestellt werden.
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Material und Oberfläche
Tony Cragg
*1949 in Liverpool geboren - 1988-2001 Professur an der Kunstakademie Düsseldorf - 2001-2006 Professur an der UdK Berlin - 2006 – 2013: Professur an der Kunstakademie in Düsseldorf - seit 2006: Rektor der Kunstakademie in Düsseldorf
„Einfache Arbeitsvorgänge - Mit Materialien, die keiner haben will - Ideen, die mich interessieren - Bilder, die ich mag - Gemacht, wo mich die Leute machen lassen - Die Räume, die Wände, die Böden - Der physische Rahmen - Emotionelle Empfindungen, intellektuelle Empfindungen - Elegante Arbeiten, hässliche Arbeiten, humorvolle Arbeiten, schöne Arbeiten, dekorative Arbeiten - Arbeiten, bei denen ich etwas von den Materialien lerne, Arbeiten wie Bilder - Bedeutungen, die ich beabsichtige - Bedeutungen, die mich überraschen - Persönliche Bezüge, politische Bezüge, kulturelle Bezüge, ohne Bezüge - so geradeaus, wie ich es machen kann.“ [Tony Cragg 1981]
Wirbelsäule - Articulated Column (1996) Bei diesem Werk des Künstlers Tony Cragg handelt es sich um einen 430 hohen Bronzeguss mit schwarzer Patina. Sie fasziniert durch diese monumentale Größe und das ganz besondere Zusammenspiel von Material und Oberfläche. Bei genauem Hinsehen lassen sich neben abstrakten Formen auch Zahlen und Buchstaben erkennen, die sich wiederholen und an einigen Stellen stärker in ihren Untergrund übergehen als an anderen.
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Didaktische Überlegungen Im Fokus meiner Vermittlung steht die strukturierte Herangehensweise an ein plastisches Kunstwerk. Am Beispiel der zeitgenössischen Plastik „Wirbelsäule“ von Tony Cragg sollen verschiedene bildhauerische Fragestellungen gemeinsam mit den Schüler/innen erarbeitet werden. Der erste Zugang soll über eine zeichnerische Auseinandersetzung gefunden werden. Ganz im Sinne Tony Craggs, der sagt, dass Zeichnungen „Skulpuren auf dem Blatt“ sind (vgl. Tony Cragg Second Nature – Artikel von Jon Wood „Drawing in and out Material“ S. 136). Hierbei soll die Dynamik in der gestapelten Form
entdeckt werden. Auch kann so nicht nur der Bezug zur Wirbelsäule als gestapelte Form, sondern auch zum Wirbel (Strudel) und zur Säule hergestellt werden, da die Skulptur sich mit ihren abwechslungsreichen runden Formen empor zu schrauben scheint, aber auch gleich einer Säule stabil ist. In Kleingruppen und gemeinsam im Plenum sollen dann die Aspekte der Plastik artikuliert und kommuniziert werden. Die Oberbegriffe können, wenn sie im Gespräch fallen, auf eine Karte geschrieben und ausgelegt werden. Diese können das Gerüst für eine ausführliche Mindmap bilden, aber auch allgemein als Strukturierungshilfe für weitere Auseinandersetzungen mit plastischer Kunst dienen.
Zum Weiterdenken Arbeitsauftrag in Einzelarbeit: Entdecke zeichnerisch und ohne den Stift abzusetzen Verbindungsund Kraftlinien in der Skulptur „Wirbelsäule“ von Tony Cragg. Arbeitsauftrag in Partner- oder Kleingruppenarbeit (max. 4): Was hast Du beim Zeichnen und Beobachten entdeckt? Vergleiche mit Deinem Nachbarn und haltet gemeinsam Eure Ergebnisse in Stichpunkten fest (gerne auch direkt in der Zeichnung). Könnt Ihr einen Bezug zum Titel herstellen?
Fasst Eure Ergebnisse so zusammen, dass diese in 3-4 Sätzen der gesamten Gruppe vorgestellt werden können. Die Mindmap ist eine gute Methode, um erste Ideen zu ordnen. Die Oberbegriffe zu Tony Craggs Plastik sind auch allgemein für bildhauerische Werke von Bedeutung. Kannst Du die Mindmap ergänzen und / oder noch mehr Querverbindungen entdecken? Arbeite direkt (z.B. mit Farbe) auf dieser Mindmap weiter oder erstelle deine eigene. Vergleiche anschließend mit deinem Nachbarn.
Weiterführende Überlegungen Es wäre möglich, einen der bildhauerischen Aspekte als freies künstlerisch-praktisches Forschungsfeld von den SuS untersuchen zu lassen. Dabei könnten dann jeweils die bildhauerischen Techniken (Wegnehmen, Hinzufügen, Abformen) eine Rolle spielen und in kleinen Werkstatteinheiten oder in Form von Stationenarbeit zusätzliche Anregung geben.
Rückgrat
Zum Weiterlesen • Tony Cragg Second Nature – Artikel von Jon Wood „Drawing in and out Material“, 2009, DuMont, Köln. • Hrg: Friedel, H. „Anthony Cragg Material_Object_Form“ 1998, Cantz Verlag, Ostfildern. Künstlerhomepage: • www.tony-cragg.com Erarbeitet von: Jennifer Leißmann, Andrea Düring 17
Das Spiel mit der Wahrnehmung Anish Kapoor
*1954 in Mumbai, Indien - Britischer Bildhauer - Formensprache meist einfach, reduziert und gerundet - Frühe Werke: auf dem Boden gehäufte Pigmenttürme - Materialien: Holz, Wachs, Harz, Vaseline und Erde, spiegelnde Oberflächen u.a.
„Mir gefällt das Spiel mit der Illusion, die Vorstellung, dass die Stofflichkeit einer Skulptur auch nicht-stoffliche Eigenschaften hat.“– Anish Kapoor (2013)
Untitled (1997) Bei dem unbetitelten Werk von Anish Kapoor aus dem Jahre 1997 handelt es sich um eine polierte Stahlfläche mit einer konvexen bzw. konkaven Wölbung. Durch die reflektierende Oberfläche wird die Umgebung ein wesentlicher Bestandteil der Skulptur und mit ihrem Wandel wechselt ebenfalls die Skulpturoberfläche. Angesichts der Wölbung entsteht eine Verschiebung der Größenverhältnisse und Proportionen der wiedergespiegelten Elemente. Unten ist oben und oben ist unten. Durch diesen physikalischen „Trick“ wird der Betrachter geradezu in die Skulptur hineingezogen und involviert. Kapoor spielt hier insbesondere mit der Wahrnehmung, der Täuschung und der Verwirrung.
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Didaktische Überlegungen Die Schüler/innen sollen mittels einer einführenden Arbeitsaufgabe (Einzel- oder Partnerarbeit) einen ersten Zugang zu der Herangehensweise Kapoors und dem Werk erhalten. Ziel ist es, dass sie sich dabei mit den Reflexionen bzw. Spiegelungen auseinandersetzen sollen, die sich zusammen mit der Umgebung und ihrer eigenen Bewegung verändern. Hierbei soll die (philosophische) Dimension und Tiefe der Skulptur offenbart werden. Die Ergebnisse sollen im Plenum zusammengetragen werden und somit ein Überblick über die ver-
schiedenen Herangehensweisen der Schüler/innen gezeigt werden. Die Skulptur ist kein normaler Spiegel, der nur genau das zurückwirft, was vor ihm auftaucht, sondern durch seine konvexe und konkave Form das vor ihm Auftauchende verändert. Im Grunde sieht man die eigentliche Skulptur nicht wirklich, sondern nur das auf ihr Abgebildete. Somit wird die Umgebung ebenso wie das veränderte Spiegelbild des Betrachters ein wesentlicher Teil der Skulptur. Am Ende erhalten die Schüler/ innen ein Handout mit den wichtigsten Informationen zum Künstler, seiner Arbeitsweise und möglichen Intentionen.
Zum Weiterdenken Arbeitsauftrag in Einzel- oder Partnerarbeit: Bewegt euch an verschiedene Plätze um das Werk von Anish Kapoor und haltet dabei eure Spiegelungen mit Hilfe einer Kamera fest. (Mindestens vier bis fünf Fotos!) Die Schüler/innen sollen zunächst schildern, wie es ihnen ergangen ist und was sie entdeckt haben. Eine ausgewählte Schülerarbeit kann auf einem Laptop präsentiert werden.
Mögliche Impulse: Gibt es Ähnlichkeiten? Unterschiede? Wenn ja, welche? Was ist den Schülerinnen und Schülern bei der Bewegung um die Skulptur aufgefallen? Was haben sie dabei beobachtet? Was macht einen Spiegel aus? Woher kennen die Schülerinnen und Schüler Spiegel aus ihrem Alltag? Wofür steht der Spiegel symbolisch? Welche Form hat dieser Spiegel? Wie sehen die Spiegelungen aus? In wieweit ist der Raum um das Werk herum wichtig? Ist es eine Skulptur oder eine Installation?
Zum Weiterlesen • Verna, Sacha: Anish Kapoor: Von Grösse und anderen Illusionen, www.literaturundkunst.net/anish-kapoor-von-grosse-und-anderenillusionen/. Künstlerhomepage: • www.anishkapoor.com Erarbeitet von: Jennifer Leißmann, Andrea Düring 19
Mit Skulpturen handeln * 1957 in Bensberg, Nordrhein-Westfalen
Karin Sander
„Statt Säle freizuräumen für ihre eigenen Arbeiten, ordnete sie, scheinbar bescheiden, ihre Arbeiten jenen zu, die schon da waren. Sie sortierte sich auf diese Weise also gewissermaßen selbst in die Kunstgeschichte ein.“ [H. Welzer, 2013]
Paradise 231 (2013) Beim Werk Paradise 231 von Karin Sander (*1957) handelt es sich um sieben Kunstrasenstücke, die sie für die KölnSkulptur #7 angefertigt hat. Auffallend unauffällig befinden sich die kreisrunden Kunstrasenstücke im Skulpturenpark verteilt. Dabei stellt sich die provokante Frage, ob es sich hierbei tatsächlich um Kunst handeln kann oder es hier vielmehr um eine Ausbesserung der Rasenfläche geht. Doch die Platzierung der einzelnen Elemente geschah nicht willkürlich – sie markieren die sieben liebsten (Aussichts-)Plätze des Kurators der KölnSkulptur #7, Friedrich Meschede. Karin Sander arbeitet immer mit dem, was schon vorhanden ist, sei es nun biografisch gesehen, im musealen Kontext oder wie bei Paradise 231 im Skulpturenpark. So sortiert sie ihre Fotos bspw. im Museum zwischen bereits bestehende Werke anderer Künstler, arbeitet mit den jeweiligen Räumlichkeiten vor Ort. Sie nimmt die Dinge, wie sie
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bereits vorhanden sind. Darauf verweist auch der Titel, der zum einen – metaphorisch betrachtet – die Paradiesplätze des Kurators darstellen kann, zum anderen – wortwörtlich gesehen – jedoch lediglich der Name der Herstellerfirma des von ihr verwendeten Kunstrasenstücks Paradise 231 ist. Neben diesen Kunstrasenstücken zählen u.a. polierte, überproportionierte Eier, Mittelpunkte von Städten wie Münster, maßstabsgetreue Miniaturen von Ausstellungsbesuchern und riesiges, 300 kg schweres, rohes Lapislazuli, aufgehängt in einer HNO-Klinik im Wert ihres zur Verfügung stehenden Budgets zu ihren Werken. Diese sind v.a. eines: Antwortversuche auf die Frage: „Wie klein kann eine Zustandsänderung sein, um etwas ganz Anderes, ganz Neues zu schaffen?“ (Welzer: Alles ist immer schon da, S. 379.)
Didaktische Überlegungen Insbesondere bei Paradise 231 darf die Kunstrasenfläche nicht bloß zur Anschauung dienen, sondern tatsächlich begangen werden. Unter der Überschrift „Mit Skulpturen handeln“ können so neue Wahrnehmungsbereiche von Skulpturen eröffnet und wesentliche Grundfragen nach Plastizität, Materialität, Vertikale vs. Horizontale, Verortung im (öffentlichen) Raum u.a. für Rezipienten erfahr- und erlebbar gemacht werden. Für eine adäquate Vermittlung dieses und ähnlicher Kunstwerke ist die Arbeit an und mit dem Original entscheidend. Je nach (Wetter-)Bedingungen ist ein Einstieg in das Werk Paradise 231 über ein direkt auf den Rasenstücken abgehaltenes Picknick möglich – in Anlehnung an Edouard Manets Gemälde Frühstück im Grünen. Anschließend kann ein Plenumsgespräch entstehen hinsichtlich der Frage, ob es sich hierbei um Kunst oder Ausbesserungsmaßnahmen handelt und wie sich entsprechendes begründen lässt. Dabei sollte genauer auf Verortung im Raum/Park, Materialität, vorhandene skulpturale Eigenschaften und Künstlerin eingegangen sowie erste Assoziationen zum Titel hergestellt werden. Hintergrundinformationen über Arbeitsweise und Künstlerin können an dieser Stelle portionsweise durch die Lehrperson (ggf. auch vorbereitete Experten) eingestreut werden. Im weiteren Verlauf könnte es v.a. um das Erleben und Erfahren von (skulpturaler) Räumlichkeit gehen. Dazu ist folgende Aufgabenstellung für die Lernenden vorstellbar:
„Raum einnehmen“ (Partner-/Kleingruppenarbeit) Bruce Nauman hat sich in seiner Video-Performance „Dance-Exercise on the Perimeter of a Square, 1967-68“ in einem kleinen aufgezeichneten Quadrat tänzerisch bewegt und diese künstlerische Einnahme des mit Kreide eingegrenzten Raumes mit der Videokamera festgehalten. Nun sollst du selbst ein Stück Fläche und damit einen Raum einnehmen. Gehe dazu gemeinsam mit deinen Partner_innen zu einem der Rasenstücke von Karin Sander und betrete es. Bewege dich auf der Kunstrasenfläche. Tanze, springe, rolle über sie und erfahre den Raum körperlich. Bilde mit deinen Partner_innen eine Skulptur, indem ihr in bestimmten Anordnungen auf dem Kunstrasenstück ‚erstarrt‘. Du kannst dich auch außerhalb des Kunstrasenstückes bewegen. Vergiss dabei aber nicht, mit dem Kunstwerk zu agieren. Halte alles mit der Foto-/Video-Kamera deines Handys fest. Wenn du keine Fotos machen kannst, skizziere deine Vorstellungen und die einzelnen Personen auf der Kunstrasenfläche. Später werden die Ergebnisse im Plenum präsentiert. Die Lernenden bekommen nun die Möglichkeit, sich mit Sanders Werk intensiver und spielerisch auseinanderzusetzen. Dabei können die Fragen nach Materialität, Vertikale vs. Horizontale, Fläche vs. Räumlichkeit, Sockel, Vollständigkeit von Kunstwerken vertiefend betrachtet und anschließend im Plenum diskutiert werden. Insbesondere die Frage nach der Notwendigkeit des Rezipienten (und dessen Interaktion mit dem Kunstwerk) für die Vollständigkeit der Skulptur könnte näher beleuchtet werden.
Zum Weiterdenken Weitere Bezüge können je nach Schwerpunktsetzung u.a. zu folgenden Künstlern hergestellt werden: Franz West (Passstücke): Seine Plastiken erfordern eine Interaktion des Rezipienten. Franz Erhard Walther (Schreitsockel und Standstellen): Betrachter und Skulptur. Wann und wodurch wird der Betrachter zur Skulptur? Die Problematik: Skulptur vs. Sockel. Erwin Wurm (One-minute-sculpture): Durch Anleitungen wird eine Handlung des Rezipienten eingefordert, die dadurch zu ‚Skulpturen‘ werden. Bruce Nauman (Dance-Exercise on the Perimeter of a Square): Erfahren von Fläche und Raum stehen hier im Vordergrund.
Zum Weiterlesen • Babias, Marius (Hrsg.): Karin Sander. Ausstellungskatalog. n.b.k., 2013. • Meschede, Friedrich: KölnSkulptur #7. Url: http://www.skulpturenparkkoeln.de/ausstellungkoelnskulptur/koelnskulptur-7.html [letzter Aufruf: 07.10.2013]. Sander, Karin: Künstlerhomepage: • www.karinsander.de. Erarbeitet von: Cynthia Arnold 21
Weder drinnen noch draußen Sou Fujimoto
* 1971 in Hokkaido, Japan - 1990-1994 Architekturstudium an der Universität Tokyo; 2000 gründet er das Büro „Sou Fujimoto Architects“ in Tokyo
„Die verschiedenen [ ... ] Projekte sind Versuche, eine neue, bislang unbekannte natürliche/ künstliche Umwelt zu schaffen.“ [Futurospektive Architektur Bielefeld; Kunsthalle Bielefeld. 2012.)
Garden Gallery „Der Garten ist die ursprünglichste Form der Architektur. Der erste Versuch des Menschen, die Natur zu verändern, oder das Spiel von Mutter Natur mit dem, was der Mensch geschaffen hat.“ (Futurospektive Architektur Bielefeld; Kunsthalle Bielefeld. 2012) Bei dem Werk „Garden Gallery“ von Sou Fujimoto handelt es sich um eine der größten Skulpturen im Park. Es besteht aus fünf Wänden, drei Fenstern und einer Tür. Betrachtet man die Parklandschaft aus dem Inneren heraus (durch die Fenster), ergeben sich neue Blickachsen und Perspektiven und die Ausschnitte der Landschaft erscheinen wie gerahmte Bilder. Es handelt sich gewissermaßen um eine Galerie in der freien Natur, die wiederum die Natur als gerahmte Kunstwerke wirken lässt. Die Bodenfläche ist naturbelassen und hält damit das Spannungsverhältnis zwischen Innen- und Außenraum offen. Man hat das Gefühl, sich in einem Raum zu befinden. Die Grenzen zwischen Innen und Außen verschwimmen miteinander. „Natur ins Innere der Architektur, so dass das Äußere einer solchen Natur die Architektur ist.“ (Futurospektive Architektur Bielefeld; Kunsthalle Bielefeld, 2012 )
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Didaktische Überlegungen Einbettung in eine Unterrichtsreihe: Diese Skulptur könnte gut in eine Unterrichtsreihe zum Zeichnen mit der Fluchtpunktperspektive eingebettet werden. Es handelt sich um ein sehr symmetrisches und geradliniges „Haus“, das zeichnerisch gut dargestellt werden kann und sich auch für Anfänger oder allgemein als Übung gut eignet. Die „Garden Gallery“ kann auf diese Weise sowohl als motivierender Impuls zum Einstieg oder aber mittendrin genutzt werden. Weiterhin kann sie zu kleinen Ex-
kursen im Unterricht genutzt werden, beispielsweise wenn es um Architektur oder Modellbau geht. Auch fächerübergreifend kann die „Garden Gallery“ als Unterrichtsgegenstand dienen, beispielsweise im Erdkundeunterricht. Die Komplexität und Planung heutiger Städte im Gegensatz zu gewachsenen Siedlungsstrukturen wäre in diesem Zusammenhang denkbar. Bis hin zu Utopien sozialen Zusammenlebens von Menschen kann dieser Ansatz weiterentwickelt werden. Auf der Basis der Zitate und verschiedener Kunstwerke Fujimotos können Schüleri/nnen nahezu jeder Altersstufe selbst Pläne von zukünftigen Städten entwickeln.
Mögliche Impulse
Zum Weiterlesen
Fertige eine Skizze eines Ausschnitts an, den du als besonders wichtig empfindest (zum Beispiel aus einem Fenster heraus oder hinein). Warum hast du gerade diese Ausschnitt gewählt? Findet durch die gezielte Betrachtung eines Ausschnitts eine Veränderung der Umgebung statt? Welche Rolle hat der Betrachter? Was steht hier im Vordergrund, die natürliche oder die künstlich geschaffene Umwelt?
• www.skulpturenparkkoeln.de/de/ausstellungkoelnskulptur/koelnskulptutr-7/45/301.html?ausstellungsview=1 • http://afasiaarq.blogspot.com/2011/10/sou-fujimoto.html • Futurospektive Architektur Bielefeld; Kunsthalle Bielefeld. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2012. Künstlerhomepage: • www.sou-fujimoto.net/ Erarbeitet von: Julia Bierbaum und Laura Konstantelos 23
Wildwuchs
Susan Hiller
* 1940 in Tallahassee (US), lebt und arbeitet in Berlin und London
„… Susan Hiller hat die jüngere Generation britischer Künstler enorm beeinflusst. Sie wendet sich dem Ephemeren zu, benutzt Alltagsgegenstände, erzählt deren Geschichte und entlockt ihnen neue Bedeutungen. Ihre künstlerische Arbeit ist beides, visuell stimulierend und emotional bezwingend“. [Tate Gallery, London 1996]
What Every Gardener Knows (2003) Bei der ab Mai 2013 im Skulpturen- zen ohne dieses Wissen nur schwer park Köln zu findenden Audioin- möglich ist. stallation „What Every Gardener Im Gegensatz zur Absicht des Knows“ der US-amerikanischen Gärtners, welcher üblicherweise Künstlerin Susan Hiller(1940) han- versucht eine perfekt kontrollierbadelt es sich um die dritte Aus- re Pflanzenpopulation zu erschafführung dieser Arbeit. Sie wurde fen, will S. Hiller mit ihrer Arbeit die erstmalig 2003 im Stadtpark Lahr Vielfalt des Lebens feiern. Hieraus (Schwarzwald) und 2008 im Rah- ergibt sich die bewusste Entscheimen der Berliner dung, die InstalBiennale instal- „What Every Gardener Knows lation an einem liert. Bei ihr han- zelebriert die Muster der Selb- von Wildwuchs delt es sich um stähnlichkeit und der Differenz, bestimmten Ort eine für Garten- des Dominanten und des Rezes- zu positionieren. anlagen im Freien siven auf eine tiefgründigere und konzipierte, ver- kompliziertere Weise, als es zuerst Gleichzeitig will scheinen mag.“ steckte Audioinssie durch die for[Susan Hiller, 2006] tallation, welche male Beschaffendie von Gregor heit ihrer Arbeit Mendel entdeckten und nach ihm das Rationalisieren des Subjektiven benannten Mendelschen Regeln hinterfragen, da aus der Rationaliin Glockenklänge übersetzt. Hier- sierung dieser Regeln nicht nur die bei wird die technisch sehr einfa- positiv nutzbare Genetik folgte, che binäre Struktur dieser Theorie sondern auch die Eugenik, in deübernommen und auf Basis eines ren Namen unzählige Menschen Grundakkordes umgesetzt. in der Zeit des Nationalsozialismus ihre Leben verloren. Die Mendelschen Regeln bilden Aus diesem Grund entschied sie die Grundlage der Vererbungsleh- sich für eine auditive Herangere, welche beim Menschen eben- hensweise, da das Auditive für sie so wie bei Pflanzen und Tieren ein direktes und vom Körper unmitgreift. Hieraus resultiert der Titel der telbarer wahrgenommenes Mittel Arbeit, da das Züchten von Pflan- darstellt.
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Didaktische Überlegungen Zentral in dieser von Susan Hiller geschaffenen Audioarbeit ist die Spannung zwischen der sie bestimmenden rationalen Theorie der Mendelschen Regeln und der (aus der Sicht der Künstlerin) subjektiven Rezeptionsform des Auditiven. Diese Vermittlung setzt genau an dieser Problematik an und soll eine Brücke zwischen theoretischem Inhalt, Wirkung und Umsetzung schaffen. Hierzu sollen die Teilnehmer im Rahmen der Einheit eine eigene Herangehensweise erpoben. In der ersten Phase der Vermittlung soll die Arbeit nach einem kurzen Input, welcher die Künstlerin und ihre Arbeitsweise sowie das Thema der Installation anreißt, ohne ihr genaues Vorgehen zu verraten, erkundet werden. Hierbei sollen die Eindrücke und Gedanken festgehalten werden. Dabei gilt es zu überlegen, welche Idee der Umsetzung zu Grunde liegen könnte und wie der Ort der Installation mit hineinwirkt. Die notierten Eindrücke sollen im Anschluss in der Gruppe diskutiert werden, um eine Vorstellung der Beschaffenheit und der Aussage dieser Installation zu erlangen.
In der zweiten Phase soll in einer Gruppenarbeit eine eigene Audioinstallation geschaffen werden. Hierbei soll das Arbeiten S. Hillers nachvollzogen und zu einer eigenen Lösung in der auditiven Umsetzung eines theoretischen, abstrakten Begriffs gelangt werden. Thematisch passende Begriffe wie Population, Artenvielfallt und Monokultur bieten sich dabei an. Die Teilnehmer sollten darin bestärkt werden, eine eigene Herangehensweise auszuprobieren. Nachdem die Entwürfe vorgestellt wurden, dient die dritte Phase der Zusammenführung der beim Entwerfen der eigenen auditiven Umsetzung gemachten Erfahrungen und des zuvor erarbeiteten Vorgehens Susan Hillers. In einem Gruppengespräch soll hierbei über die aufgetretenen Schwierigkeiten und die Idee hinter der eigenen Umsetzung geredet werden. Zentral soll zudem darauf eingegangen werden, wie sich die Art der verschiedenen Umsetzungen auf den Inhalt und die Wirkung der Arbeit auswirkt.
Zum Weiterdenken Das Grundprinzip dieser Einheit lässt sich in verschiedene Kontexte einbetten. Zum einen lässt sie sich in der Schule für Mittel- und Oberstufe gleichermaßen im Rahmen einer Reihe zur zeitgenössischen Kunst oder zur Medienkunst nutzen. Im optimalen Fall sollte diese Einheit im Rahmen eines Ausfluges zum Skulpturenpark Köln stattfinden, da das Erleben am Original gerade bei einer solchen Arbeit eine große Rolle spielt. Doch lässt sich das Prinzip der Erarbeitung dieses Themas durch das Entwickeln einer eigenen Audioinstallation gerade im Oberstufenunterricht auch ausgedehnter, als Projektarbeit unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel, denken. In diesem Fall wäre jedoch eine Aufteilung und Präzisierung der Inhalte in mehrere Einheiten ebenso notwendig wie eine ausführliche Einführung in die vielfältigen Formen des auditiven Arbeitens innerhalb der Installations- und Performance-Kunst.
Mögliche Aufgabenstellung Entwickelt eine kurze eigene Audioinstallation, die ihr mit euren Stimmen arrangiert. Tut hierfür so, als wäre jedes Mitglied aus eurer Gruppe ein Lautsprecher, der einen Teil der Installation wiedergibt. Sucht euch hierfür eines der inhaltlichen Themen (Population, Artenvielfalt, Monokultur) aus und versucht mit Hilfe der gesammelten Eindrücke und unter Berücksichtigung des Ortes eine eigene auditive Herangehensweise zu finden.
Zum Weiterlesen • • • •
www.skulpturenparkkoeln.de http://www.kunstforum.de http://bb6.berlinbiennial.de http://de.wikipedia.org/wiki/Mendelsche_Regeln
Künstlerhomepage: • www.susanhiller.org Erarbeitet von: Florian Salim Shirazy 25
Zwischen Architektur und Performance Dan Graham
*1942 in Urbana, Illinois - US-amerikanischer Bildhauer, Konzept- und Videokünstler
„I‘m interested in inter-subjectivity, exploring how a person, in a precise and given moment, perceives him/herself while at the same time watching other people who in turn are watching him/her.“ [Dan Graham, 2002]
Greek Cross Labyrinth (2000) Die Arbeit von Dan Graham ist ein großes begehbares Labyrinth, dessen Grundfläche einem Mäanderelement gleicht. Im Weg des Labyrinthes kann man sich nicht verlaufen, doch sorgen die teilweise gläsernen, teils verspiegelten, teils aus Lochblech bestehenden Flächen dafür, dass man sich des Weges (und evtl. seiner selbst) keinesfalls sicher ist. Je öfter ich mich durch oder um das Labyrinth herum bewegt habe, um so mehr habe ich entdecken können.
Didaktische Überlegungen Die Gruppe wird nach ihren Vorlieben aufgeteilt. „Möchtest du eher aktiv etwas tun und dich bewegen oder lieber beobachten & Notizen machen?“. Durch die Wahlmöglichkeit sollen die Schüler/innen motiviert werden. Auch können so die Schüler/innen, die Spaß an Bewegung haben, ausgewählt werden, sodass Hemmungen vermieden werden können. Spielerisch nähern sie sich dem Werk Grahams und den verschiedenen Ebenen der Arbeit an. Gruppe 1 Performance / Aktion: Die Teilnehmer dieser Gruppe erhalten den Auftrag, durch Aktion und Bewegung den Raum einzunehmen. Zudem erhält jeder einen 26
Begriff, der sich auf Grahams Arbeit bezieht und verkörpert“ werden soll. Mögliche Begriffe sind: Innen - Außen. Transparent - Undurchsichtig Betrachter - Teil des Kunstwerkes Betrachten - Begehen Passiv - Aktiv Fläche - Raum Gruppe 2 Beobachtung: In dieser Gruppe geht es darum, das Werk und die Aktionen genau zu beobachten und auf verschiedenste Weise (als Notiz, Skizze, Foto) festzuhalten. Abschließend sollte im Gespräch mit der Gruppe festgehalten werden, dass Dan Graham mit seinen Kunstwerken den Betrachter im Fokus hat. Es geht vor allem darum, sich zum einen selbst als Teil des Kunstwerkes wahrzunehmen, sich zum anderen aber auch seiner Betrachterrolle bewusst zu werden. Grahams Kunstwerke schaffen also Raum für individuelle Performances der Betrachter.
Zum Weiterdenken Was ist Wahrnehmung? Was sehe ich im Spiegel?/Was sieht ein Baby im Spiegel? Übersetzte Grahams Zitat frei ins Deutsche. Was versteht er unter Intersubjektivität? Warum könnte er daran interessiert sein?
Mögliche Impulse
Zum Weiterlesen
Notiere in Stichpunkten: • Welche Perspektiven lassen sich in der Arbeit „Greek Cross Labyrinth“ einnehmen? • Welche Materialien setzt Dan Graham ein? Welche Wirkung erzeugen diese? Welchen Stellenwert besitzt das Material in diesem Werk?
• H.D. Huber „Dan Graham Interviews“ 1997, Cantz Verlag, Ostfildern. • http://architettura.it/artland/20020515/index_en.htm • http://architettura.it/artland/20020515/index_en.htm am 13.10.2013
Erarbeitet von: Jennifer Leißmann, Andrea Düring 27
Wo sich Wort und Kunst vereinen Jenny Holzer
*1950 in Gallipolis, Ohio, USA - lebt und arbeitet in Hoosick Falls, New York, USA
„Der Inhalt ist mir wichtig und Worte tragen Inhalt, ohne zu klagen. Farbe, Form, Komposition, Tempo, Platzierung und Stimmung zählen zu meinen Themen, aber ich baue auf die Sprache, um klar und relativ konkret sein zu können.“ [Interview von Claudia Bodin mit Jenny Holzer, 2008]
Ambition is just... (1997) Die Arbeiten der Konzeptkünstlerin Jenny Holzer sind stark von Texten geprägt, die Holzer auf allen möglichen Trägern (z. B. LED-Leuchttafeln, gigantische Projektionen an öffentlichen Gebäuden, Bänken) an die Öffentlichkeit heran bringt. Verbreitung und Zugänglichkeit sind für sie oberste Arbeitsprinzipien. Demnach nutzt sie oft Massenmedien oder stark frequentierte Orte (z. B. Times Square) und arbeitet sehr oft in der Sprache des Ausstellungsorts. Viele ihrer Texte, vor allem diejenigen, die zur Serie „Truisms“ (engl. „Binsenweisheiten“) gehören, wirken im ersten Moment selbstverständlich oder zumindest
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Didaktische Überlegungen bekannt. Sie regen jedoch durch ihre dominante, unübersehbare Präsentation, ihre Widersprüchlichkeit und ihre formalen, nicht inhaltlichen Kriterien folgende Anordnung zur Selbstreflexion an. Im Skulpturenpark Köln findet man das Werk „Ambition is just...“ von Jenny Holzer, eine Aneinanderreihung von vier Bänken aus Stein, in die Holzers Truisms gemeißelt sind. Der Titel ist der Anfang der Binsenweisheit auf einer der äußeren Bänke: „Ambition is just as dangerous as complacency“ („Ehrgeiz ist genauso gefährlich wie Selbstgefälligkeit“).
Aufgrund der sehr textuellen Natur ihrer Werke findet man einen möglichen Zugang zu Holzers Arbeiten in der Sprachwissenschaft, genauer gesagt in der Semiotik (= Zeichenlehre). Der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure (1857-1913) wies mit seiner bedeutenden Zeichentheorie auf die Willkür der Verbindung zwischen einem Zeichen (z. B. das geschriebene Wort „Glas“), der beim Lesen oder Hören des Wortes aufgerufenen Vorstellung von Glas und einem tatsächlichen Glas hin. Diese willkürlichen Verbindungen ermöglichen aber aufgrund ihrer Konventionalisierung Kommunikation. Nach ihm übertrug der französische Philosoph Roland Barthes
(1915-1980) dieses Prinzip auf eine nächste Ebene: Auch ein kultureller Text, welcher aus vielen Zeichen bestehen kann (z. B. ein Bild einer Rose), hat keine natürliche Verbindung zu der in unserer Kultur der Rose zugeschriebenen Bedeutung der romantischen Liebe. Diese unbewussten, kollektiven Bedeutungen nennt er „Mythen“. In diesem Rahmen könnte Holzers Werk als Weiterentwicklung der Semiotik verstanden werden. Beim Durchlesen der Binsenweisheiten tendiert der Betrachter dazu, jeder Aussage, einer nach der anderen, zuzustimmen oder sie abzulehnen. Es wird deutlich, dass unser Glauben und Denken nicht auf universellen Wahrheiten, sondern auf bloßen Postulaten (sprich: grundlegenden und notwendigen Annahmen, aus denen weitere Schlüsse gezogen werden können) basiert. So werden das eigene Weltbild und der eigene Glauben als Gedankenkonstrukte entpuppt. Da dieser Zugang ein Eindenken in die Grundlagen der Semiotik verlangt und besser funktioniert, wenn bereits eigene Werte und Weltanschauungen entwickelt wurden, ist er vor allem für Schüler/innen der Sekundarstufe II sinnvoll.
Weiterführende Überlegungen Diese Arbeit könnte in eine Unterrichtsreihe zu Konzeptkunst eingebettet und als Beispiel genommen werden für eine Künstlerin, die mit Text arbeitet. Jenny Holzers Werk könnte aber auch ein größeres Projekt entweder zu Kunst im öffentlichen Raum oder zur Schnittstelle von Kunst und Wort einleiten.
Zum Weiterdenken Ist z.B. Artikel 1 des Grundgesetzes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, auch nur als Postulat zu sehen? Inwieweit sind Menschenrechte universell oder nur ein Gedankenkonstrukt? Basieren die „Truisms“ auf verschiedenen Weltanschauungen oder liegt ihnen eine einheitliche Sichtweise zugrunde? Man findet Mythen im Barthesschen Sinne überall, aber man spielt damit besonders oft in der Werbung. Findet in einer Zeitschrift eine Werbung, die in unserer Kultur kollektiv verständliche Mythen nutzt. Was ist das eigentliche Kunstwerk: der Text oder die Bänke? Wenn du die Möglichkeit hättest, wie Jenny Holzer Tausende von Menschen zu erreichen, was für einen Text würdest du verbreiten wollen? Welche Methode der Verbreitung würdest du wählen? (z. B. Aufkleber oder Plakete, gesprayt, als Werbung im Fernsehen, in der Zeitung gedruckt, auf T-Shirts geschrieben, auf Kaffeebecher gedruckt...). Man sagt: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Ruft auch ein Wort mehr als tausend Bilder hervor?
Zum Weiterlesen • Holzer, Jenny. 2006. Die Macht des Wortes / I Can’t Tell You. Xenon for Duisburg, Herausgegeben von Söke Dinkla. Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz. • Posner, Roland (Hg.). 1997. Semiotik : ein Handbuch zu den zeichentheoretischen Grundlagen von Natur und Kultur. Berlin: de Gruyter. • Leises Licht für beunruhigende Zeiten. Ein Interview von Claudia Bodin mit Jenny Holzer.“ Art: Das Kunstmagazin. Veröffentlicht online am 16.10.2008 Künstlerhomepage: • http://projects.jennyholzer.com/ Erarbeitet von: Laura Simon 29
K21 Kunstsammlung NRW Das Ständehaus Düsseldorf diente im 19. Jahrhundert als Parlaments- und Verwaltungsgebäude. Heute beherbergt es unter dem Namen K21 ausgewählte Werke zeitgenössischer Kunst und dient somit als Ausstellungsraum der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalens. Tomás Saraceno, Nam June Paik und Thomas Hirschhorn sind einige der Künstler, auf deren Installationen und Skulpturen Besucher momentan im K21 treffen können. Eben dieser und weiterer Künstler haben sich die Studierenden angenommen und Vermittlungspositionen erarbeitet, welche sich für die Annäherung an die Werke, insbesondere für Schulklassen, eignen.
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Neue Medien als Chance?
Nam June Paik
*20. Juli 1932 in Seoul, Südkorea; † 29. Januar 2006 in Miami Beach, Florida, Pionier der Videokunst
„Hier bekommen Sie einen Eindruck in eine neue Welt, in der Sie jeden Fernseher der Welt einschalten können und die Fernsehzeitschrift so dick wie das Telefonbuch von Manhattan sein wird.“ [Nam June Paik 1983].
TV Garden (1974) Das Werk „TV Garden“ (1974) von Nam June Paik besteht aus ca. 30 Fernsehern, welche zwischen zahlreichen Palmen und Sträuchern arrangiert sind, sodass der Eindruck entsteht, die Pflanzen überwucherten die Fernsehgeräte. Die Fernseher sehen fast aus, als seien sie Blüten, welche aus den großen grünen Blättern hervorragen. Nam June Paik hat das Fernsehgerät aus den heimischen Wohnzimmern in neue Zusammenhänge gestellt. Auf allen Fernsehern wird dasselbe Videoband „Global Grove“ (1973) abgespielt, welches einerseits lange erzählerische Phasen, andererseits Tanzszenen verschiedener Kulturkreise enthält. Hier entsteht ein geteilter visueller Effekt für den Betrachter: Zum einen das Einzelbild und zum anderen das Bildermosaik. Die einzelnen Fernseher verschmelzen zu einer Gesamtkomposition, die einen starken Eindruck der Technologie des Fernsehers vermittelt. Es verbinden sich im Werk die wichtigsten Elemente in Paiks Schaffen: die „Zusammen-
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bindung von scheinbar Unvereinbarem: Natur und Technologie […].“ Paik konstruiert ein Pendant zu Marshall McLuhans Theorie des „global village“. McLuhan beschreibt, dass die weltweite Kommunikation durch die neue Technik stark vereinfacht wird, sodass der Eindruck von einem globalen oder weltweiten Dorf entsteht. Jeder kann sich ohne Probleme Informationen beschaffen. Die Fernsehgeräte nehmen in den 1970er Jahren an Zahl und Bedeutung zu. So suggeriert Paik mit dem Video, dass es ein weltumfassendes TV-Programm gebe. Es zeichnet sich durch eine wirre Vielfalt der Welt und ihrer Kulturen aus und birgt die Hoffnung, dass mit der Technologie eine universale Verständigung begünstigt wird. Andererseits werden durch Paiks Arrangement - die schnellen Bilder bei gedämpften Licht und das Schattenspiel - auch die Befürchtungen im Zusammenhang mit der damals neuen Technologie ersichtlich.
Didaktische Überlegungen Phase 1: Die Lehrperson nennt den Titel der Installation und die Schüler/innen zeichnen ihre Vorstellung dazu. Anschließend werden die Zeichnungen zusammengelegt und es wird über die Ergebnisse gesprochen. Die Gruppe wird so zu Beginn aktiviert: Die Schüler/innen sollen ihrer Kreativität freien Lauf lassen und ihre individuelle Vorstellung zum Titel des Kunstwerks darstellen. Phase 2: Selbstständige Begehung der Installation. Die Schüler/innen erfahren individuell die Wirkung der Installation und können so erste Verknüpfungen zwischen vorherigen Vorstellungen und dem realen Kunstwerk herstellen. Keine Vorstellung ist falsch, das soll ihnen Mut geben, in der folgenden Diskussion über die Installation ihre Eindrücke zu schildern. Phase 3: Die Schüler/innen sollen die Unterschiede zwischen ihren Zeichnungen und der Installation nennen. Dadurch beschreiben die Schüler/innen gleichzeitig die Installation. Des Weiteren haben Sie die Möglichkeit, eigene Fragen zum Kunstwerk zu entwickeln - Wozu ist der Garten eigentlich da? Ruhe und Erholung von der Technik?! - Garten oder Dschungel?
Außerdem empfiehlt sich die Anbindung des Zitats von Paik: „Hier bekommen Sie einen Eindruck in eine neue Welt, in der Sie jeden Fernseher der Welt einschalten können und die Fernsehzeitschrift so dick wie das Telefonbuch von Manhattan sein wird.“ Das Zitat lenkt das Denken der Schüler/innen in Richtung des heutigen Lebens mit Technologie im Vergleich zu den Erwartungen an das Leben mit Technologie in den 70er Jahren. Zusammenfassend lernen die SuS die Hoffnungen, aber auch Befürchtungen in Bezug auf das Fernsehen als neue Technologie der 1970er Jahre kennen. In der heutigen Zeit gilt dies als selbstverständlich. Wir sind mit verschiedensten Formen der Medien konfrontiert, können uns aber nicht sicher sein, ob die gezeigten Bilder real sind oder nicht. Aus diesem Grund ist das Kunstwerk von Nam June Paik auch von Bedeutung für die Schüler/innen. Sie werden gezielt mit der Manipulation von Bildern konfrontiert, welche schon in den Siebzigern begonnen hat. Sie werden zum Nachdenken angeregt und ihre Medienkompetenz wird ausgebaut.
Weiterführende Überlegungen Mithilfe des Werkes von Nam June Paik kann man mit den Schülerinnen und Schülern über moderne Bearbeitungstechniken sprechen z.B. Bildbearbeitung, moderne Techniken zur Videomanipulation. Es soll die Künstlichkeit der heutigen Medienwelt behandelt werden. Hierzu kann man Bildbearbeitungsprojekte anleiten.
Zum Weiterdenken • Was bedeutet für dich „Garten“? Warum legen sich Menschen Gärten an, was ist der Nutzen? • Handelt es sich bei „TV Garden“ um eine Symbiose von Natur und Technik oder um eine bewusste Abgrenzung? • Welche Bedeutung hat der Fernseher heute? Haben sich Paiks Hoffnungen einer globalen Verständigung erfüllt? • Woran erkenne ich, ob die gezeigten Bilder im Fernseher real oder eine Fälschung sind?
Zum Weiterlesen • Herzogenrath, Wulf: Nam June Paik. Fluxus. Video, München 1983. • Künstlerhomepage: http://www.paikstudios.com/ Erarbeitet von: Luisa Schürmann 33
More is More!
Thomas Hirschhorn
* 16. Mai 1957 in Bern
„ENERGY = YES ! QUALITY = NO ! „ [T. Hirschhorn, 2013]
Intensif Station (2010) Thomas Hirschhorns Rauminstallation „Intensif Station“ finden wir seit 2010 im K21, also einem Museum. Das muss bei den Werken des 1957 geborenen Schweizers, der seit 1984 in Paris lebt, aber nicht so sein: Ein besonderes Anliegen sind dem gesellschaftskritischen Künstler Arbeiten im öffentlichen Raum. Diese widmet er gerne von ihm geschätzten Menschen, häufig Philosophen und anderen Intellektuellen, so z.B. 2006 den Ingeborg-Bachmann-Altar im U-Bahnhof Alexanderplatz in Berlin oder das Gramsci-Monument in der New Yorker Bronx von 2013. Markenzeichen seiner Arbeiten sind die Materialien. Es handelt sich dabei um preiswerte Allerweltsmaterialien wie Kartonagen, Alufolie, Fotokopien, Wattestäbchen etc. und immer braunes Klebeband. Mit der Wahl dieser, einem weltweiten Publikum durch eigenen Gebrauch ver34
trauter Materialen versucht Hirschhorn eine niederschwellige Kunst zu produzieren. Viele Bestandteile seiner raumgreifenden Installationen entstehen vor Ort. Ihren improvisierten Charakter erhalten sie auch durch ihre Herstellungsart – das meiste wird durch das obligatorische Klebeband zusammengehalten –, die offensichtlich und nachvollziehbar sein soll. Für ihn gilt: less is less and more is more [T. Hirschhorn, 2013] Getreu dieser Devise überlädt Thomas Hirschhorn seine Arbeiten mit Details, um seine Themen in möglichst vielen Facetten einzufangen. So ist es auch bei der „Intensif Station“. Hier hat Thomas Hirschhorn eine Flucht von fünf Zimmern in eine improvisierte Krankenstation
verwandelt: Die Räume sind mit OP-grünem Stoff abgespannt und warten mit allerhand an den Wänden aufgereihten Krankenhausrequisiten wie Rollstühlen, Rollatoren, Stühlen für Wartende, Krücken etc. auf. Verschiedene Diagramme anzeigende Monitore, in jedem Raum ein Bild an der Wand – das Collagen aus fotokopierten Pornographie- und Gewalt-Darstellungen zeigt – und Neonlicht fehlen in diesem weltweit vertrauten Ambiente nicht. Beinahe alles wird von braunem Klebeband am Ort gehalten. Zentral in jedem Zimmer befinden sich fast raumfüllende Skulpturen, wiederum aus vielen Einzelteilen zusammengefügt. Sie behandeln Themen wie Krieg, Rassismus, Konsum, Religion und setzen diese implizit oder explizit mit Gewalt an den diversen Kriegsschauplätzen dieser Erde in Verbindung.
Zum Weiterdenken Thomas Hirschhorns Themen beleuchten gesellschaftliche Phänomene einer globalisierten Welt, mit denen er kritisch umgeht. Nach Hirschhorns Ansicht ist die Aufgabe, Position zu beziehen und dann dieser Position eine Form zu geben. Gleichzeitig behauptet er aber: I don´t make political art – I make art politically! [T . Hirschhorn , 2013] In diesem Kontext drängen sich Fragen angesichts der Intensif Station geradezu auf. Beispielhaft: Welche Themen greift er bei der Intensif Station auf?
Didaktische Überlegungen Wegen der für Thomas Hirschhorn typischen Detailfülle lässt sich Intensif Station durch Gruppen gut erarbeiten, indem die Untersuchung des Werks unter verschiedenen Gesichtspunkten aufgeteilt wird. Für eine inhaltliche Annäherung kann man sich dabei z.B. an den im K21 vorgefundenen Räumlichkeiten orientieren, indem jede (Teil-)Gruppe einen Raum oder auch nur dessen zentrale Skulptur untersucht. Es können aber auch die raumübergreifenden Gemeinsamkeiten erkundet werden, wie z.B. die Collagen, die Monitore, die Krankenaccessoires, die Requisiten der „Krankenhausbesucher“ etc. Einen formalistischeren Zugang erreicht man, wenn nach Merkmalen wie dem verwendeten Material, den Farben, der Machart usw. aufteilt wird. Als „Merkhilfen“ können Notizen, Skizzen oder auch Fotos dienen. Werden im Plenum anschließend die verschiedenen Aspekte zusammengetragen, so übt dies Fertigkeiten wie Beschreiben, Vergleichen und Kontextualisierung eines Kunstwerkes ein. Dabei entsteht ein Gesamteindruck des Werks, im Idealfall bereichert durch die unterschiedlichen Perspektiven.
eignet sich das Werk besonders gut als Inspiration für klassische Collagearbeiten oder auch dreidimensionale Assemblagen. Oder umgekehrt: Nach Wahl eines aktuellen gesellschaftlichen Themas wird versucht, dieses aussagekräftig umzusetzen. Interessant kann dabei die Auseinandersetzung mit Materialien sein, die für eine künstlerische Verarbeitung nicht prädestiniert sind. Ein weiterer Ansatz könnte es sein, die bei der Besichtigung angefertigten „Merkhilfen“ als Ausgangspunkt und/oder Material für eigene Arbeiten zu verwenden. Als großes Projekt könnte ein ganzer (Klassen-)Raum in ein Kunstwerk umgewandelt werden.
Gelingt es ihm, hier Position zu beziehen? Wie verträgt sich dies mit der Behauptung, keine politische Kunst zu machen? Bei einer praktischen Annährung
Weiterführende Überlegunge Kontexte, in denen Thomas Hirschhorn bzw. sein Werk Intensif Station thematisiert werden können: • Beschäftigung mit der Sammlung des K21 • Zeitgenössische Kunst, insbesondere zeitgenössische Installationskunst • Konzeptkunst • Materialen der Avantgarde: Collage, Ready Made, Arte Povera
Zum Weiterlesen • Hirschhorn, Thomas, Critical Laboratory. The Writings of Thomas Hirschhorn, The MIT Press, Cambridge, Massachusetts, London, England, 2013. Thomas Hirschhorn Interwiews • Public lecture at Princeton University Art Museum, 6. Dezember 2011: “My world in your world” (YouTube.de) • Mit Peter Eleey am 26. Februar 2010: Walker Art Center, (YouTube.de) Erarbeitet von: Simone Lietzkow 35
Spuren der Zeit
Reinhard Mucha
*19. Februar 1950 in Düsseldorf Lebt und arbeitet in Düsseldorf. (Konzeptkunst, Bildhauerei, Objekte, Installationen, Fotografie, Mail-Art)
„Jedes Stück zeigt Lebens- und Arbeitsspuren“ [R. Mucha, 1990]
Das Deutschlandgerät (1990) „Das Deutschlandgerät“ von Reinhard Mucha ist eine Installation aus dem Jahr 1990, welche erstmalig auf der Biennale in Venedig ausgestellt wurde. Das Werk beschäftigt sich mit den Themen der Eisenbahn- und Schwerindustrie der Stadt Düsseldorf in den sechziger Jahren sowie den Themen der Zeit und der Vergänglichkeit, die ebenfalls auf Muchas persönliche Künstlerprozesse Bezug nehmen. Die Installation besteht aus mehreren Utensilien aus Muchas Atelier in Düsseldorf und Videosequenzen der Eisenbahn-AG, dessen Firmensitz in eben jenem Gebäude war, welches später Muchas Atelier werden sollte. Ein Produkt dieser Eisenbahn-AG war das „Deutschlandgerät“, welches u.a. dazu verwendet wurde, entgleiste Züge wieder aufzurichten. Hieraus resultiert auch der Name der Arbeit. Neben den ausgestellten Arbeitsmaterialien Muchas und den Filmszenen, die das „Deutschlandgerät“
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in Aktion zeigen, wird die Installation mit Geräuschen rollender Eisenbahnen untermalt. Mucha selbst beschäftigt sich in seinen Arbeiten häufig mit Themen wie der Zeit und schweren Eisengeräten. Diese Themen lassen sich auch bei diesem Werk klar wiedererkennen. Elementar bei dieser Installation ist der herausgeschlagene Fußboden des Gebäudes, welcher einerseits Spuren der Eisenbahnindustrie aufzeigt und anderseits Arbeitsspuren von Mucha selbst. Der Quader in der Mitte der Arbeit ist in den Abmessungen ein Nachbau von Muchas Atelier. Das Werk agiert insgesamt auf mehreren Bedeutungsebenen. So verweist es auf die vergangene Schwerindustrieepoche und zugleich auf die eigene Geschichte des Künstlers. Zudem nimmt der Titel Bezug auf die Situation in Deutschland im Jahr 1990, als die Installation erstmalig ausgestellt wurde.
Didaktische Überlegungen Muchas „Deutschlandgerät“ erscheint auf den ersten Blick sehr komplex, da es auf mehreren Deutungsebenen betrachtet werden kann. Hinzukommt der Aufbau der Installation, der zunächst den Besucher in Unkenntnis darüber lässt, welche Intention der Künstler beabsichtigt, da es bei der Arbeit eine Vielzahl an Dingen zu entdecken und zu sehen gibt. Es scheint deshalb schwierig zu sein, sofort einen direkten Zugang zum Werk zu finden. Demnach erscheint es ratsam, zunächst alle Eindrücke auf sich wirken zu lassen und von gezielten und zu direkten Aufgabenstellungen abzulassen. Sinnvoll erscheint beispielsweise ein Einstieg über eine mögliche Titelsuche oder eine Inhaltsliste, in der alle Eindrücke gesammelt werden, um so der Vielschichtigkeit des Werkes Stück für Stück näherzukommen. Darüber hinaus könnte sich eine Lerngruppe dem Werk auf eine einfache praktische Weise nähern. Dies ginge beispielsweise dadurch, dass die Gruppe ihre Fußspuren auf zuvor verteilten Blättern hinterlässt. Somit entsteht ein unmittelbarer Zugang zur Hauptthematik Muchas im Deutschlandgerät.
Zum Weiterdenken 1) In den letzten Jahren gab es eine große Diskussion um das Werk Muchas und dessen Platz im K21. Das Deutschlandgerät sollte nämlich nicht mehr weiter ausgestellt werden. Dagegen protestierte jedoch nicht nur Mucha selbst, sondern auch eine Vielzahl weiterer Künstler. Mucha selbst äußerte sich dazu und sagte, dass die Installation untrennbar mit dem K21 verbunden sei. Doch kann Kunst ablösbar/ nicht ablösbar von einem Museum sein?
Zerstörungsfrei ist diese Arbeit jedenfalls nicht abzubauen. [R. Mucha , 2009] 2) Die Installation wirkt nicht nur auf mehreren Interpretationsebenen auf uns, sondern auch auf mehreren Wahrnehmungsebenen. So wird neben dem Sehsinn auch der Gehörsinn beansprucht. Ist dies bei dem Werk hilfreich? Was entsteht durch die Verwendung von audio-visuellen Reizen? Gibt es weitere Kunstwerke, bei denen eine ähnliche Konstellation vorliegt?
Darf ein Künstler ewigen Anspruch auf ein Museum erheben?
Mögliche Aufgabenstellungen 1. Betrachtet die Installation 10 Min. lang und hinterlasst eure persönlichen Spuren auf den umherliegenden Blättern auf dem Boden. 2. Überlegt euch beim Betrachten einen möglichen Titel der Installation (wenn ihr ihn bereits kennt, denkt euch einen neuen aus). 3. Behaltet folgendes Zitat im Kopf: Der echte Boden ist im K 21 - Jedes Stück zeigt Lebens- und Arbeitsspuren. Kann man so etwas einfach herausschlagen, abnehmen? Als Einbindung in den praktischen Kunstunterricht: 4. Den Fußboden aus dem eigenen Arbeitszimmer zu Hause nachstellen/zeichnen/visualisieren
Einbindung in eine Reihe: Das Museums- und Ausstellungswesen: • Was ist ein Museum? Was wird wie vermittelt? • Was ist der Vermittlungsanspruch? Wo liegen Probleme vor?
Zum Weiterlesen • Friedrichs, Yvonne; Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Kunstsammlung: Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, München 1986. • www.eiskellerberg.tv - „kampf-ums-deutschlandgeraet“ • www.wz-newsline.de - „k21 mucha erklaert das deutschlandgeraet“ Erarbeitet von: Jan Nigriny 37
Das Verwunderliche im Gewöhnlichen Hans-Peter Feldmann
* 1941 in Düsseldorf , 1968 Hinwendung zur konzeptuellen Fotografie Kritische Auseinandersetzung mit Walter Benjamin (Thematik des Originals und der allgegenwärtigen Möglichkeit seiner Reproduktion) Themenschwerpunkt der Arbeit: Kollektives Bildgedächtnis, Wahrnehmung der gegenständlichen Umgebung mittels Fotografie
„Feldmann, der Enthüller, der Ethnologe des Alltäglichen will das Innerste nach außen kehren, will das letzte Menschheitsgeheimnis lüften.“ [Zeit Online, 2011]
Schattenspiel (2002) Zu sehen sind alte Spielzeuge und Haushaltsgegenstände (aus Feldmanns Sammlung des häuslichen und alltäglichen Lebens), auf sich drehenden Plattformen montiert, deren tanzende Schatten auf die dahinterliegende Wand fallen. Die über die Wand laufenden Schatten überschneiden sich gemäß der Rotation der Karusselscheiben. Daraus bildet sich ein ständig wechselnder, einzigartiger Schatten. Ein sich nie wiederholendes Ganzes. Eine Darstellung unserer
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Ich habe es gern einfach. Ich bin ja kein Beamtentyp, keiner, der von 9 bis 17 Uhr über seinen Ideen brütet. [H.P. Feldmann, 2002]
Welt, welche sich im Kreis zu drehen scheint. Dabei vollzieht sich eine Brechung der Gegenständ-
lichkeit der realen Welt in einem bühnenhaften Spielzeugformat. Hans-Peter Feldmann lehnt sich zudem an Platons Höhlengleichnis an: „Die Menschen in ihrer begrenzten Wahrnehmungsfähigkeit können nur einen Schatten der gegenständlichen Welt erkennen, das wahre Seiende bleibt ihren Blicken verschlossen.“ Die Ergründung des dahinter Verborgenen ist unabdingbar!
Didaktische Überlegungen • Ausrichtung auf spielerische und offene kreative Prozesse und Anregung der aktiven Tätigkeit der Sinne zur Persönlichkeitsentwicklung • Förderung der sinnlichen Wahrnehmung durch die Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk • gemeinsame Verknüpfung von alltäglichen Erfahrungen • Anregung verschiedener bildnerischer Ausdrucksformen und sprachlicher Reflexion → Anregung der Thematik von Licht und Schatten
Gestalterische Aufgabenstellung 1. Aufgabe (Einzelarbeit): Entdecke die „Schattenspiele“ von Hans Peter Feldmann, indem du Skizzen anfertigst und Blitzlichtgedanken dazu notierst. Was ist an der Schattenwand zu erkennen? Nimm verschiedene Perspektiven ein. (Versuche z.B. die Gegenstände auf dem Tisch zunächst außer acht zu lassen und nur darauf zu achten, wie sie auf der Schattenwand auf dich wirken.) 2. Aufgabe (Diskussion in 2-3er Gruppen) • Wie funktioniert Hans-Peter Feldmanns Schattenspiel? • Welche mögliche Verbindung haben die von ihm gewählten Gegenstände? • Welche Wirkung entfaltet das „Schattenspiel“ von Hans Peter Feldmann auf euch? • Womit würdet ihr seine Kunst in Verbindung bringen?
Zum Weiterdenken Unterrichtsreihe: Licht und Schatten • Erlernen von zu deren Darstellung erforderlichen Techniken (An- und Abwesenheit von Licht, Schattierung/ Zeichnung, Radierung, Linoldruck) • Konstruktion von Schattenwürfen (Bereich der Perspektive) • Auseinandersetzung mit Platons Höhlengleichnis (fächerübergreifend) Herstellung einer eigenen praktischen Arbeit zum Thema Licht und Schatten, z.B. Herstellung eines eigenen Schattenspiels oder einer anderen Arbeit in persönlicher Auseinandersetzung mit der Thematik. (Mitbringen von persönlichen Alltagsgegenständen in Anlehnung an die Arbeitsweise des Künstlers)
Zum Weiterlesen • www.erhard-metz.de • www.Kunstsammlung.de • www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/galerien/aktuelle-kunsthans-peter-feldmann-im-bastlerglueck-1872756.html • www.zeit.de/2011/21/Ausstellung-Feldmann-Guggenheim Erarbeitet von: Natalie Ebel, Corinna Seifert 39
Stummes Gelächter Juan Muñoz
* 16. Juni 1953 in Madrid; † 28. August 2001 auf Ibiza Spanischer Künstler (Objekte, Zeichnungen, Performance, Rauminstallationen, Klanginstallationen, Texte)
„Mein Werk hat mit Geschichte zu tun, mit dem Bewusstsein meiner heutigen Situation und mit Erinnerungsfragmenten“ [J. Munoz, 1990]
„Plaza“ (1996) Das Werk: „Plaza“ von Juan Muñoz, aus dem Jahre 1996, stellt eine Gruppe von mehreren Personen dar. Das Werk besteht aus Gipsfiguren, welche in einem sehr hellen Grau gehalten sind. Die Füße der Figuren sind nicht vorhanden, nur die Hosenbeine haben Bezug zum Fußboden. Der Verlust der Füße lässt die Personen wie angewurzelt wirken. Des Weiteren entsteht der Eindruck, als ständen sie dadurch auf einer anderen Realitätsebene. Der Gesichtsausdruck der Gruppe ist gesondert zu erwähnen: Einige der Figuren haben ein leichtes Lächeln aufgesetzt, andere hingegen scheine in ein tosendes Gelächter ausgebrochen zu sein. Die Steigerung macht die Situation dabei noch rätselhafter. Das „stumme Gelächter“ wird zum existenziellen, philosophischen Bild. Auf der einen Seite hat man den schweigenden Blick der Personen, die sich nicht gegenseitig anschauen, auf der anderen Seite hingegen vernimmt man das laut-stumme Lachen. Die Stille um die Figuren ist hierbei nur ein
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Moment, der sich dehnt. Es scheint so, also versuche uns Muñoz hier „das gespaltene Pathos der Moderne“ näher zu bringen. Der Figurentyp des „Asiaten“, den Muñoz in diesem Werk repliziert, veranschaulicht das Fremde und Andersartige in unserer westlichen Gesellschaft. Der Künstler spielt dabei mit unseren Vorurteilen: „Sie sehen alle gleich aus.“. Durch die gleichen Gesichtszüge erhalten die Figuren eine Art „Chinesische Maske“, somit wird die Personengruppe zu einer einheitlichen Menge. Die Figuren verlieren hierbei ihre eigene Persönlichkeit, zwar sind sie anwesend und haben eine klare Kontur, aber da sie sich so sehr gleichen, erhalten sie keine eigene Identität. Obwohl Muñoz uns hier das Klischee des „Fremden“ zeigt, wird der Betrachter in diesem Werk selbst zum „Fremden“ und „ Andersartigen“. Juan Muñoz versucht in seinen Werken Bruchstücke von Erzählungen zu zeigen, dabei ist die Botschaft meist paradox, da sich keine Kommunikation im Werk einstellt.
Didaktische Überlegungen Ansatz 1: Inhalt/ Phase: Gruppenbildung von jeweils 8-10 Schüler/innen. Aufgabenstellung: “Wie stellt ihr euch eine Darstellung einer Gruppe vor? Achtet dabei besonders auf eure Körperhaltung und Mimik“ Verwendete Medien : • Arbeitsblatt mit Aufgabenstel lung. • Fotokamera, um das Gruppenbild aufzunehmen. Ansatz 2: Inhalt/ Phase: Fragestellungen zum Thema: „Was macht uns fremd?“ Den Schüler/innen werden mehrere Fotos von verschiedenen Menschen in anderen Kulturen gezeigt. Es werden Fragen gestellt: • Was macht einen Menschen fremd?
• Warum erscheinen uns Dinge fremd und anders? • Kann man ohne Klischees leben? • Wie formt sich ein Vorurteil? Verwendete Medien : Verschiedene Fotos aus mehreren Kulturen.
Didaktischer Kommentar/ Zielsetzung Zu Ansatz 1: Die Schüler und Schülerinnen sollen ihre Definition einer Gruppe darstellen. Ziel dabei ist, ein gegensätzliches Bild der „Gruppe“ gegenüber Juan Muñoz‘ Werk zu erhalten. Zu Ansatz 2: Die Schüler und Schülerinnen sollen sich Gedanken machen, warum ein Klischee entsteht oder warum wir ein bestimmtes Bild im Kopf haben. Ziel ist es, die bekannten Bilder zu lockern und über die Fragestellung nachzudenken: „Ist nicht jeder fremd?“
Zum Weiterdenken Juan Muñoz vermittelt durch sein Werk „ Plaza“ die zwei Seiten einer Gruppenangehörigkeit. Zum einen fühlt man sich als Ganzes, zum anderen verliert man dabei ein Stück seiner eigenen Identität, da man sich anpasst und versucht nicht aus der Reihe zu fallen. Der Künstler bringt uns durch dieses Werk zum Nachdenken und unweigerlich stellt sich uns die Frage: Ist das „Fremde“ und „Andersartige“ für uns ohne Klischees und Vorurteile zu erfassen oder bildet man sich schon zuvor, in unserer angeblich aufgeschlossenen westlichen Welt, eine eigene Meinung und ein klares Bild von jemanden?
Zum Weiterlesen • Heynen, Julian: Juan Muñoz- Rooms of my Mind, Düsseldorf, 2006. • Nievers, Lena: Juan Muñoz, Berlin 2009. • West ART Meisterwerke - „Plaza“ von Juan Muñoz, Kunstsammlung NRW K21 Düsseldorf: Sendung vom 05.11.2013: am 15.11.2013 um 17:50 Uhr. Erarbeitet von: Sabrina Strunz 41
Das Gefühl zu Schweben *1973 in San Miguel de Tucumán, Argentinien • Studierte Architektur und Kunst in Argentinien, Frankfurt und Venedig • lebt und arbeitet derzeit in Berlin
Tomás Saraceno
„Wenn sich keine Personen in der Arbeit aufhalten, kann man die Arbeit gar nicht sehen. Erst dann ist sie sichtbar. Die Menschen, die sich in der Arbeit aufhalten, sind die Arbeit.“ [T. Saraceno, 2013]
In Orbit (2013) Bei „In Orbit“ handelt es sich um eine begehbare In-situ-Installation des Künstlers Tomás Saraceno im K21 Ständehaus in Düsseldorf. „In Orbit“ wurde von Saraceno zusammen mit Ingenieuren, Architekten und Biologen geplant und entwickelt. Die riesige Rauminstallation, welche insgesamt zweieinhalbtausend Quadratmeter Fläche umfasst, befindet sich in mehr als 25 Metern Höhe und scheint zu schweben. Es ist eine Konstruktion aus Stahlnetzen, die in drei Ebenen unter der Glaskuppel des K21 aufgespannt ist. Die Netzkonstruktion allein wiegt drei Tonnen. Innerhalb dieser Netzstruktur sind mehrere Sphären angebracht. Als Sphären werden luftgefüllte PVC-Kugeln mit bis zu 8,5 Metern Durchmesser bezeichnet. Die größte der Sphä42
ren wiegt 300 Kilo. Sie sind teilweise durchsichtig und teilweise verspiegelt. Die Besucher können die Installation auf allen drei Ebenen betreten und sich frei zwischen den Kugeln bewegen, wobei darauf zu achten ist, nicht direkt auf die Kugeln zu gelangen, da diese dazu neigen, Luft zu verlieren, wenn sie unter großem Druck stehen. Aus diesem Grund wird das Kunstwerk im K21 auch in regelmäßigen Abständen gewartet. Die Arbeit „in Orbit“ fügt sich in eine Reihe filigraner, utopischer Installationen ein, mit denen Saraceno dem Betrachter den Traum vom Fliegen ein Stück näher bringen möchte. Da seine Werke oft an organische Formen erinnern, nennt er sie auch Biosphären. Besucher können seine
Werke erleben und neue Räumlichkeiten erfahren. Spannend ist auch, dass Saraceno seine Ideen für diese surrealen neuen Landschaften aus dem Vorhandenen zieht. So studierte er über viele Jahre die Netzbautechniken verschiedener Spinnenarten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse über Stabilität und Funktionalität lässt er in seine künstlerische Praxis einfließen. Das war bei der Arbeit für das Projekt im K21 vor allem deshalb nötig, weil es dem Künstler nicht möglich war, einen Ingenieur mit dem notwendigen Wissen zu finden, der in der Lage gewesen wäre, das Verhalten des Netzes vorherzusagen. Die genaue Beobachtung der Natur und deren Weiterentwicklung bilden die Basis für Saracenos Arbeit.
Didaktische Überlegungen Das Kunstwerk zeigt, wie man sich von Gegebenheiten in der Natur zu einer eigenen künstlerischen Arbeit inspirieren lassen kann. Die Schüler/innen können den Künstlerraum im K21 besuchen und dort, genau wie Tomás Saraceno, betrachten, wie Spinnen ihre Netze weben. Anschließend soll die Installation selbst von den Schüler/innen begangen werden. Beim Erkunden des Werkes könnte man die Klasse in Gruppen einteilen. Alle Schüler/ innen sollen ihre Eindrücke festhalten. Zu diesem Zweck kann es drei Gruppen geben, die nach einiger Zeit wechseln:
• Die erste Gruppe besteht aus den Teilnehmer_innen, die sich auf den drei Ebenen bewegen und das Erlebnis auf sich wirken lassen. • Die zweite Gruppe besteht aus den Teilnehmer_innen, die am Boden bleiben und ihre Eindrücke zeichnerisch festhalten. • Die dritte Gruppe besteht aus Teilnehmer_innen, die am Boden bleiben und ihre Eindrücke fotografisch festhalten. Z.B. könnte in einer Zeichnung das Raumgreifende, Verspannende herausgearbeitet, in den Fotos dagegen eher die sich in der Installation bewegenden Menschen akzentuiert werden.
Zum Weiterdenken Insgesamt stehen Saracenos Arbeiten für seine Suche nach einer Antworten auf die zunehmende Unbewohnbarkeit der Erde. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf der ganzen Welt seine Ideen utopischer Architektur zu realisieren. Interessant ist die Auseinandersetzung mit dem produktiven Widerspruch in diesem Werk Saracenos. Wie realisiert er Utopie, die sich auf einen Nicht-Ort bezieht in einer In-situ-Installation, welche sich konkret auf die Bedingungen des Ortes einlässt?
Weiterführende Überlegungen Nachdem die Schüler/innen sich dem Kunstwerk „In Orbit“ durch eigenständiges Erforschen und Erkunden genähert haben, könnten sie selbst Modelle gestalten. Hilfreich ist es, sich zu diesem Zweck vorher auch das Modell anzusehen, welches von Tomás Saracenos Arbeit in Orbit im K21 ausgestellt ist. Bei ihren Modellen sollen die Schüler/innen ebenfalls utopische Architektur thematisieren. Dabei sollten sie bei der Wahl ihrer Materialien frei sein. Welche Gegebenheit in der Natur kann den Schüler/innen als Inspirationsquelle dienen?
Zum Weiterlesen • Ackermann, Marion; Saraceno, Tomás (2011): Tomás Saraceno. Cloud cities ; [anläßlich der Ausstellung „Tomás Saraceno. Cloud Cities“ vom 15. September 2011 bis 15. Januar 2012 in der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart Berlin und der Installation „In den Umlaufbahnen“ vom 10. Februar 2012 bis Herbst 2012 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, K21 Ständehaus, Düsseldorf]. Berlin: Distanz-Verlag. • Birnbaum, Daniel (2009) Making worlds: 53rd International Art Exhibition, 53. Exposizione Internazionle d‘Arte, la Biennale di Venezia. • http://www.tomassaraceno.com/ Erarbeitet von: Laura Konstantelos, Julia-Maria Bierbaum 43
K20 Alexander Calder Das folgende Kapitel des Magazins beschäftigt sich, in Abgrenzung zu den vorangegangenen Kapiteln, mit der Erfassung einer in sich geschlossenen Ausstellung. So erarbeiteten Studierende ein Konzept für die Vermittlung der Ausstellung „Alexander Calder – Avantgarde in Bewegung“, welche vom September 2013 bis zum Januar 2014 im K20 in Düsseldorf zu sehen war. Der im Juli 1898 geborene Künstler Alexander Calder zählt bis heute zu den bedeutensten skulptural arbeitenden Künstlern. Nachdem Calder sein Maschinenbaustudium abgeschlossen hatte, widmete er sich ab den frühen 20er Jahren seiner Kunst. Freundschaften zu Duchamp, Miró, Kandinsky und Mondrian prägten ihn und seine Werke in einem besonderen Maße. Mit der Ausstellung im K20 hat sich nun seit über zwanzig Jahren wieder einmal eine Ausstellung in Deutschlad diesem bedeutenden Künstler gewidmet. Anhand dreier zentraler Werkphasen Calders – die Drahtgesichter, die Mobiles und die Stabiles – wurden die zentralen Aspekte dieser Ausstellung von Studierenden herausgearbeitet. Vermittlungsansätze und Anregung für die Durchführung dieser Thematik im Kunstunterricht werden auf den kommenden Seiten vorgestellt und vertieft.
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Drahtgesichter Von der Linie zur Form
„Marion Greenwood“(1928) Die Drahtskulptur „Marion Greenwood“, die um 1928 von Alexander Calder hergestellt wurde, zeigt ein Portrait der Grafikerin Marion Greenwood. Der Blickfang des Portraits ist der geöffnete Mund Greenwoods, der ihre Zähne zeigt und sie lächeln lässt. Den Mittelpunkt des Gesichtes bildet ein Draht, welcher den Kopfumriss en face darstellt. An der Spitze dieser Basis befindet sich ein Knotenpunkt, an dem zwei Drähte, als Andeutung der Haare, befestigt sind. Ebenso zwei weitere, ein kurzes, nach vorne für den Pony und ein langes für das Hinterhaar nach hinten. Von der Seite betrachtet bilden die Augen, die Nase und der Mund das Profil und es ergibt sich im Zusammenspiel mit der Frontseite das Bild eines plastischen Gesichtes und somit eines Volumens. Fixierpunkt des Drahtes ist hierbei das Kinn, welches ein leichtes Grübchen erken46
nen lässt, An diesem ist der Draht für den Mund ebenso befestigt wie oberhalb der Schläfe, wo auch die Drähte für Augen und Nase befestigt sind. Dadurch, dass die Plastik als Mobile an der Decke befestigt ist und das Portrait freihängend betrachtet werden kann, ergeben sich unterschiedliche Blickwinkel und Perspektiven, die auch im Zusammenspiel mit dem Licht und dem Schattenwurf zu spannenden Bewegungen und Effekten führen. Vergleicht man dieses Drahtportrait mit einem Foto Greenwoods im ungefähr gleichen Alter (Paris um 1930), so wird deutlich, dass Calder wesentliche Merkmale (Gesichtsform, Kinn, Augen und Nasenform, ebenso die Frisur) als markante Merkmale ansieht und in seinem Portrait als Drahtplastik übersetzt.
Didaktische Überlegungen Die Drahtgesichter Alexander Calders lassen unterschiedlichste Zugänge zu, vor allem lässt sich sein Werk über die Zeichnung erfassen. Beginnend mit der mimetischen Abbildung eines Gesichtes soll über das Zeichnen ein Abstraktionsprozess nachvollzogen werden. Dieser kann schließlich zu einer Linienzeichnung führen und die Annäherung zwischen Drahtgesicht und dem selbst erstellten Werk wird deutlich. Die Drahtgesichter wirken dann wie Zeichnungen im Raum und geben ein Volumen und damit eine Masse vor, dies bewirken auch die verschiedenen Perspektiven, aus denen das Gesicht betrachtet werden kann. So bekommen die abstrakten Figuren eine gewisse Vitalität. Themen wie Portrait und Selbstportrait können hierbei vertieft und geübt werden, darüber hinaus gibt das Material Draht zusätzliche Möglichkeiten, um von der Zwei- in die Dreidimensionalität zu gelangen.
Aufgabestellung 1. Bildet Gruppen aus jeweils zwei Personen und zeichnet ein Portrait eures Gegenübers. Hierbei sollen zwei Portraitansichten entstehen, zum einen mit der Ansicht von vorn und zum anderen von der Profilseite. 2. Nun erfasst euer Gegenüber, indem ihr den Stift nicht vom Blatt abhebt, sondern in einer durchgängigen Linie ein Portrait schafft. Dies soll ebenfalls von der Front- und von der Profilseite erstellt werden. Es ist auch möglich, beide Ansichten in einer Zeichnung zu lösen. 3. Vergleicht anschließend eure Ergebnisse. Gibt es Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten? 4. Baut auf Grundlage eurer Zeichnungen aus Draht Plastiken, achtet dabei auf Volumen und Konstruktion.
Zum Weiterdenken Die Auseinandersetzung mit dem Künstler Alexander Calder und seinem Werk lässt unterschiedlichste Ansätze zu. Themen wie Raum, Fläche, Form, Farbe, aber auch Kinetik, Statik und Portrait lassen sich innerhalb von Unterrichtsreihen besprechen. So bilden die Drahtgesichter nur einen kleinen Teil seines Oeuvres. Ebenso lassen sich Bewegungen wie Futurismus und Dadaismus oder Stilrichtungen wie der Kubismus in den Kontext der Moderne einordnen und mit dem Werk Calders in Verbindung setzen.
Zum Weiterlesen • Meyer-Büser, Susanne: Alexander Calder - Avantgarde in Bewegung. München, 2013. • Jacov Baal-Teshuva: Alexander Calder: 1898 – 1976. Taschen, 1998. Erarbeitet von: Anke Dobberstein 47
Mobiles
Objekte zwischen Bewegung und Balance „Ein Mobile – das ist ein kleines, örtlich begrenztes Fest, ein nur durch seine Bewegung bestimmter Gegenstand, der ohne diese Bewegung nicht existiert, eine Blume, die verwelkt, sobald sie stillsteht, ein reines Spiel der Bewegung, so wie es ein reines Spiel des Lichts gibt.“ [Jean Paul Sarte, 1946]
Im Laufe der 1930er Jahre kam der amerikanische Künstler Alexander Calder auf die Form des luftbewegten, von der Decke herabhängenden Mobiles. Interessant hierbei ist, dass der Begriff des Mobiles im Französichen eine doppelte Bedeutung trägt. So steht es zum einen für die Bewegung, „mouvement“, zum anderen aber auch für die Motivation, die Absicht (des Künstlers), das sogenannte „motif“. Diese Bezeichnung für Calders Frühwerke wurde im Jahr 1931 von Marcel Duchamp, welcher ein guter Freund Calders war, geprägt. Bei Calders Mobiles spielt im Besonderen der Aspekt der Bewegung eine zentrale Rolle. In seinen früheren Werkphasen betrieb Calder seine Mobiles zum Teil noch mit einem Motor, später dann wurden diese nur noch durch Luftzüge in Bewegung gesetzt. Die reduzierte Verwendung von Drähten und Blechformen ermöglichte dieses. Des Weiteren variieren die Flächenformen in Größe und Gewicht, sodass der Luftzug unterschiedliche Widerstände auffindet und so vielfältige Konstellationen entstehen können. Im Gegensatz zu den beständig komplexer werdenen Mobiles, schuf Calder, besonders in der Spätphase seines Schaffens, unbewegliche Konstruktionen aus Stahlblech, die sogenannten → Stabiles.
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Didaktische Überlegungen Betrachtet man Calders Objekte, so kommen einem verschiedenste Worte in den Sinn. So deuten sich während des Betrachtens seiner Werke Parallelen zwischen diesen an, welche mit Hilfe der folgenden Begriffe gegebenfalls greifbarer erscheinen. Die folgenden Schlagworte sollen somit als Denkanstöße dienen. Sie eröffnen Wege des eigenen kreativen Handelns, tragen zu einem leichten Einstieg in einen Gedankenfluss zu Calders Werken bei und können als Diskussionsimpulse dienen:
Bewegung, Balance, Abstraktion, Assoziation, Leben, Farbe, Material, Mobile, Stabile, Raum, Bild, Klang, Skulptur, Zufall, Maßstab, Arbeitsweise, Zeit, Volumen, Masse. So ist es möglich, dass die Lerngruppe einzelnen Mobiles (oder auch Stabiles) Worte begründet zuordnet. Auch eine durch die Lehrkraft zuvor vorgenommene Auswahl bestimmter Begriffe zu einem Werk kann im Plenum diskutiert werden. Des Weiteren können die oben genannten Begriffe als Ausgangspunkte für einem Vergleich zwischen verschiedenen Werken Calders dienen.
Zum Weiterdenken Bewegung Ist ein Mobile ohne Bewegung überhaupt noch ein Mobile? Wieso bewegen sich Calders Mobiles? Was würde passieren, wenn man das Mobile in eine wilde Bewegung versetzt? Balance Was ist Balance? Wie schafft man es, etwas in ein
Gleichgewicht zu bringen? Ist es möglich, zehn Nägel auf einem einzigen Nagelkopf in ein Gleichgewicht zu bringen? Abstraktion; Assoziation An was erinnern Calders Mobiles? Gibt es Assoziationen, welche einzelne Werke in einem auslösen? Oftmals unterstreichen Calders Titel die eignen Vorstellungen und Gedanken, welche man sich zu den Werken macht. Wie passen die Titel mit den Werken zusammen?
Z.B. erinnert das Werk Performing Seal, 1950, auch ohne das Kennen des Titels an einen Seehund, welcher Bälle auf seiner Schnauze balanciert. Klang Welche Rolle spielt der Klang bei Calders Objekten? Kennst du Werke anderer Künstler, bei denen der Klang eine bedeutende Rolle spielt?
Weiterführende Überlegungen In einer Unterrichtseinheit zu Alexander Calder wäre es möglich, dass der Aspekt des Gleichgewichts im Vordergund steht. Fragen wie „Wann ist eine Skulptur im Gleichgewicht und wann gibt es ein Spannungsverhältnis, welches zu kippen droht?“ können hierbei einen Ausgangspunkt für die eigene ästhetische Auseinandersetzung mit dem Thema der Balance bilden. Sicherlich bietet es sich auch an, mit den Schülerinnen und Schülern eigene Mobiles anzufertigen. Hierbei ist aber im Besonderen darauf zu achten, nicht alleine die Formen, Farben und Materialien von Calders Mobiles zu imitieren, sondern Calders Mobiles im Kern zu begreifen und das Essentielle herauszuarbeiten. Dieses kann mit Hilfe der oben genannten Schlagwörter geschehen, welche dann beispielsweise in einer Skulptur eigenständig umgesetzt werden.
Zum Weiterlesen • Calder Foundation: http://www.calder.org • Film zu Calder, im Ausstellungskatalog: Alexander Calder - Avantgarde in Bewegung, Hirmer Verlag, 2013. Erarbeitet von: Julia Dowe 49
Stabiles
Skulpturen zwischen Masse und Abstraktion „It was about this time that Jean Arp said to me, ‚Well, what were those things you did last year (for Percier‘s) – stabiles?‘ Whereupon, I seized the term and applied it first of all to the things previously shown at Percier‘s and later to the large steel objects (…).“ [A. Calder, 1966]
Le Tamanoir (1964) Alexander Calder formte ab 1930 statische Plastiken aus Metall, die der deutsch-französische Bildhauer Hans Arp als „Stabiles“ bezeichnete und die im Gegensatz zu den beweglichen Mobiles mit der Erde verbunden sind. „Le Tamanoir“ gehört zu den klassischen Stabiles von Calder und zeigt, wie er diese in seiner späten Arbeitsphase zu monumentaler Größe weiterentwickelte. Dieses Objekt wird momentan in der Grabbehalle des K20 ausgestellt, der eigentliche Standort ist aber seit 1964 eine Rasenfläche in einem Vorort von Rotterdam. Die Skulptur besteht aus unterschiedlichen abstrakten Formen von Stahlplatten, welche mit Nieten zusammengefügt wurden, was an den Schiffsbau erinnert. Und wie viele seiner Stabiles weist auch dieses elegante Kurven und ein aufregendes Spiel mit Flächen und Volumen auf. Die Stahlplatten weisen dabei in unterschiedliche Richtungen und je nach Betrachterstandort nimmt man abstrakte Flächen- oder stilisierte Körperformen eines Tieres wahr, wobei Calder bestätigt, dass das o.g. Stabile an einen Ameisenbären erinnern soll. Denn Calder arbeitet mit kubistischen Darstellungen, d.h. er reduziert eine naturgetreue Abbildung auf typische Formmerkmale. Ausgangspunkt dieser Arbeitsweise sind die abstrakten Drahtplastiken Calders, in denen er Gegenstände bzw. Portraits auf elementare Linien vereinfacht.
Didaktische Überlegungen Praktische Übung: Steckfiguren Zu Beginn erhalten die Schüler/ innen die Aufgabe, das unbewegliche Stabile in Bezug auf die Form, Größe und Materialität zu erkunden. In einer anschließenden Diskussion wird anhand der Beobachtungen die Wirkung des o.g. Stabiles analysiert, dabei soll auch der Perspektivwechsel erkannt werden. Denn aufgrund der Größe (320 x 290 x 650 cm) erhält man je nach Standort des Betrachters eine neue Ansicht bzw. Wirkung der Formen. Anschließend wird die Materialität des o.g. Stabiles, das unbeweglich ist und aus zusammengenieteten Stahlplatten besteht, mit Calders Mobiles verglichen. Eine nächste Fragestellung kann sein, an wel-
ches Tier das Objekt erinnert, wobei eine Bezugnahme auf den Titel „Le Tamanoir“ (frz. für Ameisenbär) sinnvoll ist. Im nächsten Schritt erhalten die SuS vorgefertigte bzw. geschnittene Formen aus Karton, die zu einem Stabile zusammengesteckt werden sollen. Durch diese praktische Übung lernen die Schüler/ innen die Arbeitsweise Calders besser kennen, da sie aus flachem Karton eine plastische Figur bilden und dabei auch auf die Stabilität achten müssen. In einem anschließenden Gespräch wird die Wirkung der entstandenen Formgebilde gemeinsam besprochen. Dabei soll die Vielfalt der möglichen Assoziationen erkannt und diskutiert werden. Eine mögliche Frage ist hier z.B., ob aus den neu entstandenen Figuren ein abstraktes Kunsttier erkennt werden kann.
Zum Weiterlesen • Alexander Calder, Calder, an Autobiography with Pictures, ed.: Jean Davidson, New York 1966. (Zitat aus S. 130). • Siehe: „Calder - Drahtgesichter“ (S.47) Erarbeitet von: Nadja Schmidt
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