2016 tk 01 02 spezial digital health

Page 1

J a n u a r/ F e b r u a r 2 0 16

Digital Health

33_tk1-2_16_spezial_titel_ml.indd 31

21.01.2016 13:25:56 Uhr


INNOVATIVE IDEEN SCHÜTZEN

Zweibrückenstr. 5-7 | 80331 München | Tel. +49 (0)89-2102320 | eMail post@wallinger.de | www.wallinger.com

wrst_anzeige 210x275 2016_01_15 RZ.indd 1 34_tk1-2_16_Wallinger.indd 1

15.01.16 09:38 20.01.2016 13:21:22 Uhr


Digital Health

Diabetes als Türöffner Intro Mit Novartis, Roche, Sanofi und Novo Nordisk haben 2015 viele Pharmafirmen Allianzen mit IT-Konzernen geschmiedet. Zumeist ging es dabei um die Behandlung von Diabetes. Wenn Big Pharma das angestammte Terrain verlässt und mit Apps oder Wearables experimentiert, dann geht es zumeist um Diabetes. Denn egal ob in Europa, den USA oder China – der medizinische Bedarf an besseren Therapien ist hier besonders hoch. Somit forschen die Pharmafirmen mittlerweile nicht mehr nur an neuen Wirkstoffen, sondern versuchen zunehmend, über digitale Gesundheitsservices Patienten zu binden. Als nützlich haben sich hierbei App-gestützte therapiebegleitende Coachings erwiesen (siehe Seite 38). Um die gerade im Diabetesbereich einfach zu sammelnden Daten sinnvoll zu verarbeiten, kooperieren die Pillendreher vermehrt mit ITFirmen. Ein Beispiel ist die vor zwei Monaten bekanntgewordene Zusammenarbeit von Novo Nordisk (Dänemark) mit den Bit-und-Byte-Jongleuren von IBM: Deren Sparte Watson Health soll in von Novo bereitgestellten Daten von Diabetes-Patienten bestimmte Verhaltensmuster identifizieren. Daraus könnten sich dann neue Therapieansätze ergeben, so die Hoffnung. Dass diese nicht unbegründet ist, wurde auf der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas klar: Die US-Medizintechnikfirma Medtronic stellte einen App-Prototypen vor, der dank der Rechenpower von Watson Health den Verlauf des Blutglukosespiegels verlässlich vorhersagen kann.

Abb.: PiotrMarcinski.com/fotolia.com

Individualisiertes Coaching als Ziel Bereits im Sommer 2015 hatte sich Novo Nordisks französischer Konkurrent Sanofi mit Verily (USA) zu einer ähnlich gelagerten Kooperation zusammengetan. Damals hieß Verily noch Google Life Sciences. Für Sanofis François Nicolas, Leiter der Sparte Integrated Care, Diabetes and Cardiovascular, war der Schulterschluss mit einem IT-Konzern nur logisch: „Mit den Werkzeugen von Google Life Sciences Analytics wollen wir bestimmten Mustern in den Patientendaten auf die Spur kommen. Am Ende soll jedem Diabetiker ein individuelles Coaching zur Verfügung stehen, das auf die jeweiligen Bedürfnisse eingeht.“ Ähnlich wie Medtronic gibt Sanofi als Ziel aus, durch die Etablierung einer Echtzeitüberwachung drohende Über- und Unterzuckerungen so früh wie noch nie zu erkennen. Itranskript I Nr. 1-2 I 22. Jahrgang 2016

35_tk1-2_16_spezial_intro_ml.indd 35

Eine Unannehmlichkeit, mit der Diabetiker hadern, ist der tägliche Fingerpieks. Auf der 9th Berlin Conference „Digital Health Solutions“ am 12. Februar wird Nicolas den Eröffnungsvortrag „E-Health – a new era for Big Pharma?“ halten. Seine These: Derzeit kann sich Big Pharma von sich aus noch nicht an die aktuellen Entwicklungen anpassen. Deswegen geht sie Partnerschaften mit der IT-Industrie ein. Nicolas gegenüber |transkript: „Sind diese Entwicklungen eine Bedrohung, weil es mit einem App-basierten Service auch eine billige statt der teuren Arznei tut? Oder sind sie eine Chance, weil integrierte Angebote ein Differenzierungsmerkmal sein können?“ Da Verily auch Ahnung von miniaturisierter Elektronik und noch dazu 2015 den USSensorexperten Dexcom ins Boot geholt hat, wird sich die Sanofi-Kooperation nicht auf die Datenanalyse beschränken. „Ein Schlüsselfaktor für besseres Diabetesmanagement ist die Qualität der Daten“, erläutert Nicolas. „Hier ist insbesondere die Entwicklung eines preiswerten und praktischen, kurz zukunftsweisenden Geräts zur kontinuierlichen Glukosemessung entscheidend.“ Wer dieses Gerät letzten Endes herstellt, ist für Sanofi zweitrangig. Beispielsweise könnten die Daten genau so gut von der oft zitierten „smarten“ Kontaktlinse kommen. Im Sommer 2014 hatte Verily die Technologie dahinter, mit der Tränen- und damit Blutzuckerwerte kontinuierlich registriert werden können, an die Augensparte des Schweizer Pharmakonzerns Novartis auslizenziert.

Nach dem Ablauf der Patente für das Blockbuster-Insulin Lantus steht Sanofi derzeit unter Druck. Ein anderes Feld, das der Pharmakonzern daher gerade aktiv beackert, sind neue Verabreichungsmethoden für Insulinpräparate. Darunter sind auch mit Bluetooth ausgerüstete Pens, die es dem Arzt ermöglichen, Zeitpunkt und Menge des verbrauchten Insulins zu beobachten. Über genau solche Pens verfügt im Übrigen auch das Potsdamer Start-up Emperra, wo sie Teil eines umfassenden Telemonitoringsystems sind (siehe Seite 27).

Ein Markt – viele Interessenten Sanofi mit Verily, Novo Nordisk mit IBM, Medtronic mit IBM, Medtronic mit Samsung, Qualcomm mit Roche und Qualcomm mit Novartis – die vergangenen Monate haben gezeigt, dass nach Start-ups und KMU nun die großen Player den digitalen Gesundheitsmarkt als Chance erkannt haben. Welche Allianzen aus Pharma-, Medizintechnik- und IT-Industrie die Nase vorn haben werden, ist noch nicht absehbar. Zwar gilt es als gesichert, dass zunächst DiabetesPatienten von den Ergebnissen profitieren dürften. Aber auch darüber hinaus – wie die Berlin Conference belegen wird – werden aktuell digitale Gesundheitslösungen entwickelt, von denen zum Beispiel Krebs- oder Rheumapatienten profitieren sollten. m.laqua@biocom.de 35 I

21.01.2016 13:26:20 Uhr


Digital Health

„Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel“ Interview Am Rande einer Präsentation der Gewinner des diesjährigen Grants4AppsWettbewerbes der Bayer AG vor Investoren sprach |transkript mit Johannes Schubmehl und Dr. Christian Ullrich über die Bedeutung von Crowdsourcing und die IT-Strategie von Bayer.

Ullrich Die Grants4Apps-Initiative passt hervorragend in die Innovationsstrategie von Bayer. Wir sehen das kreative Potential außerhalb von Bayer und sind davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit externen Partnern aus Wissenschaft und Industrie ein wichtiges Element für Innovation ist. Wir wollen uns nach außen öffnen und die Innovationskultur innerhalb von Bayer fördern. Grants4Apps schafft ein inspirierendes Klima, um von einander zu lernen und gemeinsam mit Start-ups aus dem digitalen Gesundheitswesen Lösungen für Patienten zu entwickeln. Schubmehl Allein bei der Beschäftigung mit den in diesem Jahr eingereichten 215 Konzepten haben wir einiges gelernt. Die eigentliche Win-win-Situation entsteht aber, wenn die Gründer mit ihren Mentoren aus dem Bayer-Management die digitalen Lösungen weiterentwickeln. Dabei kommt es zu einem regen Austausch und vielen interessanten Kontakten. Davon profitiert die Innovationskultur in unserem gesamten Unternehmen. Die digitale Transformation der Industrie betrifft ja nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern alle Bereiche der Wertschöpfung. |transkript Welche Felder im Bereich digitale Gesundheit sind denn strategisch besonders interessant für Bayer? Schubmehl Die Bayer AG ist das einzige Life-Sciences-Unternehmen, I 36

36-37_tk1-2_16_spezial_Interview_tg.indd 36

Johannes Schubmehl, der CIO der Divisionen Pharmaceuticals und Consumer Healthcare der Bayer AG, war nach seiner Ausbildung zum Betriebswirt zunächst als Unternehmensberater tätig, bevor er 1999 als Manager in Life-Sciences-Projekten bei Bayer begann, 2001 zur Bayer Crop Science AG und 2010 zur Bayer Business Services GmbH wechselte.

das gleichzeitig über Expertise in der Pflanzenforschung und in der Medikamentenentwicklung für Tier und Mensch verfügt – bei Humantherapeutika in den Bereichen Pharma und Consumer Health. Wir sind also breit aufgestellt und können schauen, was es an Neuem gibt und dies in unsere digitale Strategie integrieren, die wir kontinuierlich weiterentwickeln. |transkript Digitale Strategie – was heißt das konkret? Schubmehl Wir haben im Bereich Healthcare bestimmte Schwerpunkte definiert: zum einen Genomics. Hier spielt die Digitalisierung eine zunehmend wichtige Rolle. Ein weiteres Interessengebiet von Bayer ist, was als Real-world evidence bekannt ist. Dabei geht es darum, Infor-

mationen zu nutzen, die über die Daten hinausreichen, die sich klassischerweise in klinischen Studien gewinnen lassen, also Informationen aus der klinischen Praxis oder aber auch soziale Informationen. Des weiteren haben wir das Thema „Digital Supply Chain“, das auf eine Optimierung unserer gesamten Geschäftsprozesse abzielt. Im Marketing kann die Digitalisierung helfen, die Bedürfnisse des einzelnen Konsumenten besser zu verstehen. Besonders wichtig für Bayer ist das Thema „Advanced Analytics“. Es schafft quasi die Grundlage für alles, was wir im Feld digitale Gesundheit tun und ist der Schlüssel, um in den genannten Bereichen zu wachsen. Ullrich Advanced Analytics können beispielsweise helfen, die Bedürfnisse unserer Kunden, Patienten und Konsumenten besser zu verstehen. Diese Erkenntnisse können wir dann entsprechend bei der Entwicklung unserer Produkte berücksichtigen. |transkript Wie viel Geld steckt die Branche – und natürlich auch Ihr Unternehmen – derzeit in das Zukunftsfeld Digital Health? Schubmehl Die Summen sind bisher übersichtlich, denn alle Life-SciencesUnternehmen befinden sich derzeit noch in einer Lern- und Experimentierphase. Auch wir haben bis 2014 vieles ausprobiert. Momentan fokussieren wir unsere Aktivitäten aber bereits stärker. Uns geht es darum, effizienter zu werden, also mehr Ideen zu generieren, die dann auch in die Entwicklung eines Produktes oder einer Dienstleistung münden. |transkript Zurück zu Forschung und Entwicklung: Wie passt denn das Thema digitale Mustererkennung zur Omics-Forschung, die hypothe-

Abb.: Bayer AG

|transkript Im Jahr 2013 hat Bayer die Crowdsourcing Initiative Grants4Apps ins Leben gerufen. Seit 2014 erhalten ausgewählte, neugegründete Digital Health-Start-ups im Rahmen eines 100 Tage langen Präsenzprogrammes Beratung von Bayer-Profis bei der Realisierung ihrer Geschäftsideen. Welchen Nutzen hat der Grants4Apps Accelerator für Ihr Unternehmen?

Itranskript I Nr. 1-2 I 22. Jahrgang 2016

22.01.2016 12:43:54 Uhr


Digital Health

sengetrieben nach einzelnen oder wenigen medikamentös ansprechbaren molekularen Targets sucht? Schubmehl Ich glaube, dass wir diesbezüglich gerade einen Paradigmenwechsel erleben. Auch in der Vergangenheit haben wir bereits mit großen Datenmengen gearbeitet. Wir haben diese aber dazu genutzt, um Hypothesen zu überprüfen. Der nächste große Schritt, nachdem wir nun auch Muster in Daten erkennen können, besteht in punkto Analytics darin, dass die Daten für sich selbst sprechen. Das heißt nichts anderes, als dass die Daten selbst künftig die Basis für Hypothesen und Fragestellungen liefern können. Das klingt faszinierend, man muss aber auch klar sagen, dass wir hier erst am Anfang der Entwicklung stehen. Gleichwohl ist das Potential groß, denn die eingesetzten Methoden sind allgemeingültig und daher in zahlreichen Bereichen anwendbar. Das macht das Thema so interessant für uns. |transkript Wie lange dauert es denn voraussichtlich, bis Bayers digitale Strategie erste Früchte trägt? Ullrich Wir haben in allen Schwerpunkten Pilotprojekte gestartet, die in den nächsten Monaten erste Ergebnisse liefern werden. Diese werden wir entsprechend auswerten und bei Erfolg in größerem Rahmen implementieren.

Grants4Apps Die fünf Start-ups und ihre Konzepte im Kurzportrait Bereits im August hatte Bayer die diesjährigen Siegerteams bekanntgegeben, die im Rahmen ihres Grants4Apps Accelerator 2015-Programmes neben bis zu 50.000 Euro ein 100-tägiges Mentoring im Berliner Digital Health Accelerator erhalten. Die Firmen decken Bayers Interessenspektrum – Verbesserung der Therapietreue, der klinischen Entscheidungsfindung, Diagnose, Frauengesundheit, Rekrutierung und Überwachung klinischer Studien, F&E und Therapie in Bayers Zielindikationen – in ganz verschiedenen Bereichen des Zukunftsmarktes Digital Health ab.

Viomedo: Online Patienten suchen Einen Markt von global 8 Mrd. US-Dollar sieht die deutsche Viomedo für ihre hierzulande bereits lancierte Online-Plattform, die Pharmafirmen helfen soll, die Patientenrekrutierung für klinische Arzneimittelstudien deutlich zu verkürzen. Auf der werbe- und kostenlosen Online-Plattform können Patienten aus rund 2.000 laufenden klinischen Studien ab Phase II die für sie passende auswählen. Derzeit basteln die Gründer um Geschäftsführer Alexander Puschilov noch an der Funktionalität. So wollen die Berliner mit dem für 2016 angepeilten Launch in anderen Ländern Europas die Einschlusskriterien für die klinischen Studien automatisch einlesen und interaktiv abfragen können, bevor ein Patient als Interessent registriert wird. Geld verdienen will das 2015 gegründete Unternehmen über Gebühren, die Arzneimittelentwickler für jeden eingeschlossenen Patienten zahlen. Einziger Konkurrent bis dato: die US-Firma Trialreach.

Abb.: Bayer AG

Sendinaden: den Atem spüren

Dr. Christian Ullrich: Der promovierte Betriebswirt ist seit Januar 2014 Leiter der globalen Marketing & Sales IT Funktion der Divisionen Pharmaceuticals und Consumer Health bei Bayer. Ullrich war zunächst mehrere Jahre als Unternehmensberater bei Deloitte tätig, bevor er 2006 in den Finanzbereich der Bayer AG wechselte und anschließend verschiedene Funktionen in den USA leitete.

Itranskript I Nr. 1-2 I 22. Jahrgang 2016

36-37_tk1-2_16_spezial_Interview_tg.indd 37

Lungenkranke, Sportfreaks und Smog-Geplagte – gleich drei Zielgruppen hat die chinesische Sendinaden für ihre individuell per 3DPrinter gefertigte Atemmaske ausgemacht, die laut CEO David Hartmann „den Nutzern ein Feedback und damit eine bewusste Steuerung des Atems ermöglichen soll“ – insgesamt 35 Millionen Personen. Ein erstes Geschäft für die 150 US-Dollar teure Maske, die die Daten an die entsprechende App sendet, soll im Februar in der Smoghochburg Shanghai eröffnen. Aber sie ist auch online erhältlich. Nach Erschließung des asiatischen Marktes soll mit Hilfe von Markenpartnern der Einstieg in die Sportbranche, später in den Medizinmarkt gelingen. Vorteil für Asthmatiker,

Schlafapnoe- und COPD-Patienten: Sie müssen nicht mehr an schweres, nicht tragbares Gerät angeschlossen werden und können ihren Atem langzeitüberwachen.

Medikeep: Pillenmanagement Milliardeneinsparungen durch eine um 10% verbesserte Therapietreue können App-gestützte Erinnerungssysteme für die Arzneimitteleinnahme nach Erhebungen von IMS Health bringen. Die Medikeep (Estland) hat ein System zur Marktreife entwickelt, das noch mehr kann: Nach Scannen des Strichcodes auf der Verpackung zeigt die kostenlose App mögliche Wechselwirkungen mit anderen Präparaten an und warnt, wenn das Verfallsdatum naht. Zunächst steuert die 2015 gegründete Firma ihre Zielgruppe – Familien mit Kindern – auf dem estnischen Markt an. Bis 2018 soll die App für 65 Millionen potentielle Anwender im europäischen Markt abrufbar sein. Finanzieren will man sich über Werbung, die in die App eingebunden ist.

Serona: Hormone im Griff Ihren ersten Zielmarkt sieht Serona (San Francisco) in den USA. Rund 5 Millionen Frauen in den Wechseljahren und in der Schwangerschaft, die bisher zum Arzt gehen mussten, um ihren Hormonhaushalt per Bluttest überprüfen zu lassen, sollen dies laut CEO Heather Bowerman künftig bequem zu Hause tun können: mit dem weltersten zugelassenen, App-gestützten Hometesting Kit. Bestellen kann man die Teststreifen, die die Hormonkonzentration im Urin messen, über das Internet. Die Auswertung erfolgt über die App. Konkurrenten, die nur Teststreifen offerieren, können dies mangels entsprechender Apps nicht anbieten.

Vitameter: Gesundheit messen Eine potentielle Goldgrube hat die kanadische Vitameter ausgemacht: Zuhausetests des aktuellen Vitaminspiegels. Nur 100 Dollar kostet das bierdosengroße Analysengerät, weitere 5 Dollar werden pro Testkartusche fällig – laut Mitgründer James MacLean besonders interessant für Familien mit Kindern, ein 2 Mrd. Dollar-Markt. Zwar ist das Produkt konkurrenzlos, es muss aber erst noch als Medizinprodukt zugelassen werden, bevor man sich die Auswertungen per App ansehen kann. 37 I

22.01.2016 12:44:01 Uhr


Digital Health

Medizinische Apps: Vertrauen statt Zertifizierung Interview Als xx-well.com im Jahr 2000 gegründet, wurden zunächst webbasierte Diätcoaches verkauft. Seitdem hat sich das in Welldoo umbenannte Unternehmen als ein Entwickler für digitale Gesundheitsanwendungen etabliert. |transkript sprach mit Firmenchefin Inga Bergen über das Interesse von Pharmafirmen an solchen Produkten.

Bergen Ganz allgemein machen wir digitale Gesundheitsassistenten für Firmenkunden. Gerade Pharmafirmen haben digitale Coaches als ein Marketingtool entdeckt, dessen Mehrwert von Ärzten und Patienten geschätzt wird. Dabei wollen sie mit Apps und Co. eine erfolgreiche und nachhaltige Erweiterung ihrer Kernkompetenz unter Beweis stellen. Das Schlagwort lautet hier „Service beyond the pill“. Ein Beispiel ist die Begleitung einer bestimmten Therapie. Gleichzeitig mit dem Erhalt der Medikation bekommen die Patienten den Zugang zur Software. Mit den Apps oder Programmen sollen Patienten dabei unterstützt werden, sich therapieförderlich zu verhalten. Die App übernimmt hier auch ein Stück weit die Arbeit der Ärzte. Je nach Therapie gibt die App Hinweise zu den Themen Ernährung, Bewegung oder Entspannung. |transkript Welche Aufgaben hat eine solche therapiebegleitende App? Bergen In erster Linie informiert sie und gibt Verhaltenstipps. Sie ist damit einer Broschüre oder einem Tagebuch, wie sie die Patienten früher erhalten haben, nicht unähnlich. Eine App hat aber zusätzlich den Vorteil, dass die Parameter, die die Patienten regelmäßig auslesen, leicht auswertbar in digitaler Form vorliegen. Ärzte können so oft schneller und gezielter die Therapie anpassen. |transkript Wann ist es sinnvoll, eine App als Medizinprodukt zertifizieren zu lassen? Bergen Das ist eine Kostenfrage und eine Frage des Geschäftsmodells. Wollen die Firmen ihre Kosten von den Gesetzlichen I 38

38_tk1-2_16_spezial_Interview2_welldoo_ml.indd 38

Krankenkassen erstattet bekommen, dann geht kaum ein Weg an einer Zertifizierung vorbei. Da die Entwicklung jeweils anders aufgebaut ist, lässt eine Zertifizierung die Kosten schnell auf das Drei- bis Fünffache steigen. Aufwandstreiber ist die Dokumentationspflicht. Als Anbieter muss man sich daher sicher sein, dass sich dieser Weg auch wirklich lohnt. |transkript Eine Zertifizierung ist also auch für Entwickler medizinischer Apps nicht zwingend vorgeschrieben? Bergen Genau. Wir haben in Deutschland momentan keine transparente Regelung. Das wird sich aber in naher Zukunft ändern. Dann wird definiert werden, wann eine Zertifizierung zwingend nötig ist. Der große Nachteil von Zertifizierungen in ihrer aktuellen Form ist ihre Starrheit. Schnell mal ein Update zur Verbesserung der Bedienbarkeit anbieten, das geht bei zertifizierten Apps nicht. Aus unserer Erfahrung ist eine Zertifizierung auch nicht unbedingt nötig, wenn der Nutzer das Produkt bereits für vertrauenswürdig hält – wie nach einer Empfehlung von einem Arzt oder einer Krankenkasse. |transkript Von einer bisher nur vereinzelt erreichten Erstattung im primären Gesund-

heitsmarkt einmal abgesehen – woher kommt das Geld für die App-Entwicklung? Bergen Eher selten durch die AppVerkäufe selbst. Das funktioniert nur bei wenigen, international skalierbaren Ideen. Krankenkassen und die Pharmaindustrie nehmen das Geld aus dem Marketingtopf. Start-ups setzen in der Regel erst einmal auf Risikokapital. Wenn die Idee eines Startups bei den Usern ankommt, dann rückt für die Refinanzierung auch das Thema Erstattung – und damit auch eine AppZertifizierung – wieder auf die Tagesordnung. |transkript Welldoo hat vergangenen Herbst eine Umfrage zur Akzeptanz digitaler Gesundheitsassistenten in Deutschland vorgestellt. Wie ist es darum bestellt? Bergen Ziemlich gut. Die Befragten zeigten sich offen für Neuerungen – vorausgesetzt die Potentiale werden deutlich vermittelt. Persönlich hat mich am meisten überrascht, dass die Hälfte prinzipiell bereit ist, eine Wirkstoffpille zu schlucken, die zusätzlich mit diversen Sensoren bestückt ist. Der Hersteller Proteus Digital Health in den USA verspricht, mit diesem kombinierten System Krankheiten künftig noch besser managen zu können.

Inga Bergen ist seit 2013 Geschäftsführerin der Welldoo GmbH (Verlag Gruner+Jahr). Zuvor betreute sie bei der Beratungsagentur Fjord die digitale Transformation von Dax-Konzernen. Zu den weiteren Stationen ihrer Karriere gehören das Auswärtige Amt, die Bertelsmann-Stiftung, studiVZ und Sony Pictures Mobile. Den größten Erfahrungsschatz hat Bergen in den Bereichen digitale Strategie, mobile Services, User Experience und Design Thinking angehäuft.

Abb.: Welldoo

|transkript Sie zählen internationale Pharmaunternehmen zu Ihren Kunden. Welche Produkte fragen diese eigentlich häufig nach?

Itranskript I Nr. 1-2 I 22. Jahrgang 2016

22.01.2016 12:44:39 Uhr


UI #FSMJO $POGFSFODF PO *1 JO -JGF 4DJFODFT

Courtesy: French Embassy in Germany

%JHJUBM )FBMUI 4PMVUJPOT

12 February 2016, French Embassy Berlin, Germany The Berlin Conference on IP in Life Sciences has become a must-attend for Life Science decision makers, IP and legal experts, business developers and investors. The upcoming event will explore the potential of digital technologies for the biotechnology and pharma industry. › › › › ›

Digital Health Market – Industry Overview & Financial Insights Clinical Perspective – Efficient Data Management & the New Role of Patients Legal Environment – Data Protection Rules & the Challenges of Bringing Digital Health to the Market IT Trends – Major Developments in the Field of Bio-IT & Public-Private Partnerships to Tackle Big Data Start-up Pitch – Investor’s Talk & New Business Opportunities

Speakers cover the whole value chain from research to the market. Among others, presentations from Sanofi, Qualcomm Life, myTomorrows, Roland Berger, Kurma Partners, DNAlytics, Bio-Modeling Systems, oncoDNA, INRIA, NorthWest EHealth and INPI will be held during the conference. Please find the constantly updated programme and a registration form at: www.ip-conference.de

Principal Partner:

Sponsor:

Supporting Partner:

Media Partner:

European Biotechnology NET WORK

Organisation: BIOCOM AG | Lützowstraße 33–36 | 10785 Berlin www.biocom.de | events@biocom.de | Tel. +49 (0)30 264921-53 | Fax +49 (0)30 264921-66

39_tk1-2_16_9th-IP.indd 1

21.01.2016 13:27:48 Uhr


19.–21. April 2016 Messegelände Berlin

www.conhit.de

Industrie-Messe Kongress Akademie Networking

Europas führende Veranstaltung für Gesundheits-IT GRATIS Messetickets bis zum 29. Februar 2016 auf www.conhit.de

GOLD-Partner

SILBER-Partner

In Kooperation mit

40_tk1-2_16_conhIT.indd 1 transkript_conhIT2016_210x275.indd 1

Unter Mitwirkung von

Veranstalter

Organisation

20.01.2016 13:31:40 Uhr 06.01.2016 10:02:20


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.