|transkript 3.2023 Spezial

Page 1

Herbst 2023 SPEZIAL © Ruchaneekstock.adobe.com Clinical Trials Sonderthema Bio-europe 2023

Biotech rettet Pharma

In einer Studie der Hochschule St. Gallen und der Hochschule Ingolstadt wurde die Forschungskosteneffizenz der Top-16 Pharmafirmen geprüft: Pro neuzugelassenem Wirkstoff müssten diese demnach über 6 Mrd. US-Dollar veranschlagen.

Herbstsaison ist Partneringsaison und die BIO-Europe in München (November) wirft bereits ihre Schatten voraus.

Seit Jahrzehnten geht es dort um attraktive Erfindungen von Start-ups, die durch das Know-how der Großen zur Innovation und damit auf den Markt gebracht werden. Das kann Big Pharma durchaus, doch zu welchem Preis, und rechnet sich ein teures externes Investment oder eher die eigene Forschung? Wie teuer die Wirkstoffentwicklung wirklich ist, errechnete Joseph DiMasi von der Tufts University 2016 in einer Studie, aus der hervorgeht, dass die Kosten pro Marktzulassung im Untersuchungsjahr 2013 bei rund 2,8 Mrd. US-Dollar lagen.

Nun wurde in einer aktuellen Studie noch einmal nachgerechnet: Pro neu zugelassenem Wirkstoff der großen Pharmaunternehmen sind demnach sogar 6 Mrd. US-Dollar zu veranschlagen.

Externe Innovation hilft Unter der Leitung von Prof. Oliver Gassman von der Universität St. Gallen und Prof. Alexander Schuhmacher von der Technischen Hochschule Ingolstadt wurde die Forschungseffizienz erstmals über einen größeren Zeitraum betrachtet. Und obwohl die großen Pharmakonzerne im Untersuchungszeitraum 2001 bis 2020 ihre F&E-Ausgaben jährlich um 6% gesteigert und

mit 251 Medikamenten fast die Hälfte aller von der FDA zugelassenen Medikamente auf den Markt gebracht haben, ist ein großer Teil dieser zugelassenen Medikamente gar nicht in ihren Forschungslabors entstanden, sondern durch Einlizenzierung oder Zukauf in die Pharmapipeline integriert worden.

Der Grund für dieses weithin bekannte Verhalten: Die Ergebnisse der eigenen Forschung spielen die hohen Investitionen kaum zurück. Mit rund 1.500 Mrd. US-Dollar Forschungsinvestitionen der untersuchten Unternehmen im genannten Zeitraum erzielten diese einen Umsatz von rund 1.800 Mrd. US-Dollar. Dieses „Plus“ (über 20 Jahre gerechnet nur 1% jährlich) konnte aber nur durch den Zukauf externer Innovationen erzielt werden, denn von den 251 Zulassungserfolgen stammte nur etwa die Hälfte aus der eigenen Pharmapipeline.

Rangliste der Effizenz

Gassmann und Schuhmacher berechneten dann den durchschnittlichen Effizienzwert für einen zugelassenen Wirkstoff für jedes einzelne Unternehmen. Setzt man die einzelnen Effizienzwerte ins Verhältnis zum Umsatz, erhält man ein Bild der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens im Feld der Wettbewerber.

F&E-Produktivität von Pharmaunternehmen als Verhältnis der F&E-Effizienz zu den Umsätzen von NMEs/NTBs, die 2001-2020 eingeführt wurden; rosa Bereich: unterhalb der Gewinnschwelle (NME: New Molecular Entities, NTB: New Therapeutic Biologics; Näheres s. Quelle).

Diese Momentaufnahme zeigt, dass viele Pharmariesen dringend auf Hilfe von außen angewiesen sind. Eine Chance für die kleineren Biotech-Unternehmen, die bei der nächsten Partnering-Veranstaltung diese Studie aus der Tasche ziehen können. GK

Bildnachweis: modifiziert nach Schuhamcher, Gassmann et al. „Analysis of pharma R&D productivity –a new perspective needed“, Drug Discovery Today d Volume 28, Number 10 d October 2023
20 I Wirtschaft. BIO Europe |transkript 3.2023
0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Takeda Roche Pfizer Merck (US) Sanofi GSK BMS Bayer Novartis Eli Lilly Amgen Johnson & Johnson NovoNordisk Gilead Boehringer Ingelheim AstraZeneca F&E-Effizienz NME-Umsätze (in Mrd. US-Dollar)

Flexibilität bei Biologika

Sie sind komplexer als kleine Moleküle, bieten jedoch großes Potential für präzise Medizin – Biologika. CDMOs sind für diese Komplexität und Flexibilität essentiell.

von Prof. Dr. Vladas Algirdas Bumelis, CEO, Northway Biotech

Das Gebiet der Biologika umfasst eine vielfältige Auswahl an Materialien und sich entwickelnden Plattformen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf mikrobiellen Projekten liegt. Contract Development Manufacturing Organizasions – CDMOs, bekannt für ihre spezialisierten Fähigkeiten, passen sich an, um solch nuancierten Anforderungen gerecht zu werden.

Unbezahlbare Expertise

Ob es darum geht, einzigartige Stämme anzupassen oder spezialisierte Prozesse zu entwickeln, die tiefgreifende CDMOExpertise erweist sich als unbezahlbar.

Für neu entstehende BiotechnologieUnternehmen, die ihren Weg in der Produktion noch suchen, ist die Anleitung einer erfahrenen CDMO von größter Bedeutung.

Kapazität und Flexibilität

Eine schnelle und agile Arzneimittelentwicklung ist oft der Schlüssel zur Einhaltung enger Zeitpläne und zur Sicherung des Vertrauens von Investoren. Hochdurchsatzsysteme gewinnen an Bedeutung, da sie sowohl Geschwindigkeit als auch Qualität liefern können. In diesem Szenario geht es bei der Kapazität einer CDMO nicht nur um das Vo -

lumen, sondern auch um ihre Fähigkeit, sich zügig an schnelle Veränderungen und unvorhergesehene Anforderungen anzupassen.

Jüngste Ereignisse wie die CoronaPandemie haben die Bedeutung der strategischen geografischen Standortwahl für CDMOs hervorgehoben. Aber die betriebliche Widerstandsfähigkeit beruht nicht nur auf der physischen Präsenz in verschiedenen Regionen, sondern auch auf der Denkweise einer Organisation. Eine widerstandsfähige CDMO erkennt man an ihrem Können, über vertragliche Verpflichtungen hinauszugehen, Anpassungsfähigkeit zu zeigen und robuste Partnerschaften zu pflegen.

reibungsloser Weg

Transparente Kommunikation führt Kunden durch Entwicklungsprobleme. Eine Kombination aus technischem Können, technischen Einrichtungen und kooperativem Geist positioniert CDMOs, um anpassungsfähige Dienstleistungen anzubieten, die langfristigen Erfolg priorisieren. Die Fähigkeit, gestraffte und dennoch zukunftsorientierte Prozesse zu entwerfen, ist entscheidend.

In einer Zeit, in der Biologika den Weg für medizinische Fortschritte ebnen, ist eine Partnerschaft mit einer CDMO, die Flexibilität verinnerlicht hat, unerlässlich. Diese Synergie aus Fachwissen, Ressourcen und Denkweise garantiert einen reibungslosen Weg von der Konzeption bis zur Kommerzialisierung. •

22 I Wirtschaft. |transkript 3.2023
Northway Biotech in Vilnius (Litauen)
Bildnachweis:
Northway Biotech
Rentschler Biopharma SE Erwin-Rentschler-Str. 21 � 88471 Laupheim � www.rentschler-biopharma.com YOUR WORLD-CLASS BIOPHARMACEUTICAL CDMO Experts in cell culture bioprocess development and manufacturing · Family-owned company, globally thinking and focussing exclusively on our clients‘ projects Biopharma pioneer with commitment to advanced technology and innovation leadership Extensive track record, 50 years of experience and quality made in Germany YOUR TRUSTED PARTNER FROM CONCEPT TO MARKET WWW.RENTSCHLER-BIOPHARMA.COM

Studien als Zukunftsort

Die Deutschen lieben Baustellen. Grundsteinlegungen und Gebäudeeinweihungen belegen den Fortschritt. Nur für den Standortfaktor „klinische Studien“ hält sich das Interesse in Grenzen.

Klinische Studien tragen wesentlich zum medizinischen Fortschritt bei und bieten für die teilnehmenden Patienten die Chance auf frühen Zugang zu medizinischen Innovationen. Alleine bei Bristol Myers Squibb Deutschland werden derzeit etwa 250 Studien an mehr als 650 deutschen Zentren mit rund 39.000 Patienten durchgeführt. Andere große Pharmafirmen wie Novartis oder Roche weisen ähnliche Zahlen aus – noch.

Deutschland fällt zurück

Denn der Studienstandort Deutschland droht international an Boden zu verlieren. War dieser im Jahr 2016 mit 641 von pharmazeutischen Unternehmen veranlassten klinischen Studien nach den USA weltweit noch Nummer 2, steht er 2021 mit 589 solchen Stu -

dien nur noch auf Platz 6. Das zeigte eine Auswertung von clinicaltrials.gov, einem öffentlich zugänglichen OnlineRegister für weltweit durchgeführte medizinische Studien, durch den Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa).

Einbezogen in diese klinischen Studien sind Universitätskliniken sowie eine Vielzahl außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, aber auch niedergelassene Ärzte und Versorgungszentren, die gerade bei der Patientenrekrutierung eine wichtige Rolle spielen.

bürokratische Hürden

Der vfa stört sich vor allem an den hohen administrativen Anforderungen, zum Beispiel bei Daten- und Strahlenschutz, der fehlenden Schnelligkeit ver-

schiedener Prozesse und komplizierten Vertragsverhandlungen im Vergleich mit anderen EU-Ländern: Während in Deutschland noch Genehmigungen eingeholt und Verträge verhandelt werden, nehmen andere Länder bereits aktiv Patienten in die multizentrisch aufgesetzten Studien auf.

Oftmals wissen Patienten und auch Ärzte gar nichts von entsprechenden Studien, eine zentrale Informationsquelle mit auch laienverständlicher Darstellung fehlt — entsprechend ist in Deutschland gemessen an der Einwohnerzahl die Zahl der Studienteilnehmer im Ländervergleich geringer.

Ob die EU-Verordnung „Clinical Trials Regulation“ (EU-CTR), mit der die Genehmigung und Durchführung klinischer Studien mit Humanarzneimitteln auf europäischer Ebene verkürzt und damit beschleunigt werden sollen, Abhilfe schafft, ist derzeit noch fraglich, denn auch hier hapert es an der IT – nicht nur in Deutschland (siehe Interview mit dem BVMA, S. 57).

Diagnostische Studien

Durch eine andere EU-Regelung –IVDR – werden nun auch Diagnostika intensiver auf ihre Leistungsfähigkeit getestet. Diese zusätzliche Anforderung an eine valide klinische Datenerhebung könnte auch als Chance begriffen werden, am Gesundheitsstandort Deutschland mit effizientem Gebrauch elektronischer Patientendaten den Weg für eine effektive Versorgung zu ebnen. Der „Zukunftsort Gesundheit“ hat mehr Aufmerksamkeit verdient. GK

Bildnachweis: © IOZ München
Vorbereitungen zur Probennahme in einer klinischen Studie
56 I Spezial . Klinische Studien |transkript 3.2023

Turbo oder Bremsklotz?

Die klinische Forschung hat in der Coronazeit Gas gegeben. Alle Akteure haben gemeinsam in Lichtgeschwindigkeit die rasante Impfstoffentwicklung ermöglicht. Doch was bleibt?

|transkript fragt nach beim Vorstand des Bundesverbandes der Medizinischen Auftragsinstitute (BVMA) e.V.

transkript. Was tut sich am Studienstandort Deutschland? Geschieht überhaupt etwas und gehen Veränderungen in die richtige Richtung?

Krauss . Es tut sich zu wenig. Viele Initiativen sind unterwegs oder werden auf den Weg gebracht, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Aber andere Länder sind schneller und wir kämpfen mit zusätzlichen Hürden wie fehlendem Veränderungswillen, Föderalismus, heterogener Datenschutzauslegung oder unzureichender Digitalisierung. Immerhin wird dem Thema mittlerweile mehr Gehör verschafft und wir haben die Hoffnung, dass Bewegung auch von politischer Seite in die Sache kommt.

transkript. Wenn man Klinikdirektoren hört, gibt es in Deutschland eine sehr hohe Zahl an klinischen Studien. Wenn man in europäische Statistiken schaut, fällt Deutschland eigentlich stetig zurück. Wie passt das zusammen?

Freese . Möglicherweise haben Klinikdirektoren den Eindruck, dass in ihrem Zentrum eine hohe Anzahl von Studien stattfindet. Dieser Eindruck könnte gelegentlich auch auf einen gewissen Personalmangel vor Ort zurückzuführen sein, der den Aufwand für Studien größer erscheinen lässt, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Die Zahlen sprechen aber

eine andere Sprache. In der kürzlich veröffentlichen Studie von vfa/Kearney (siehe www.vfa.de) wird der Rückstand von Deutschland auf andere Studienländer deutlich vor Augen geführt.

transkript. Das zentrale europäische Registrierungssystem CTR/CTIS war als „Turbo“ für die Durchführung von klinischen Studien gedacht. Ist diese Wirkung schon spürbar?

Rollinger. Zunächst einmal ist der Ansatz einer harmonisierten Einreichung in Europa absolut sinnvoll. Die Umsetzung ist leider misslungen. Derzeit weist CTIS nach wie vor erhebliche Programmiermängel und Funktionsstörungen auf, die sich für viele Beteiligte negativ auswirken. Zudem ist nur der sogenannte Part I wirklich harmonisiert, Part II

muss für jedes beteiligte Land eingereicht werden. Und wir haben nach wie vor die Situation, dass in verschiedenen EU-Ländern aufwendige Zusatzanträge separat gestellt werden müssen. In Summe muss man leider konstatieren, dass von einem funktionierenden Turbo momentan nicht die Rede sein kann, vielmehr befinden wir uns gerade noch in einem deutlich zu lang andauernden Turboloch.

transkript. Immer wieder wird die mangelnde Digitalisierung des deutschen Krankenhaussystems als Hemmschuh für eine gute Wettbewerbsposition bei der Vergabe von klinischen Studien angeführt. Doch wenn CTIS selbst auch eher IT-Probleme schafft als behebt, ist das vielleicht nicht nur ein deutsches Problem?

Bildnachweis: BVMA e.V. |transkript 3.2023 Klinische Studien Spezial . I 57
Der Vorstand des BVMA e.V.: Martin Krauss (FGK Clinical Research GmbH), Ralf Freese (MONIPOL Deutschland GmbH), Dr. Yvonne Rollinger (Consultant Clinical Research) v.l.

Krauss CTIS ist auf jeden Fall ein europäisches Thema und beeinträchtigt alle Länder in der EU gleichermaßen. Die mangelnde Digitalisierung kommt aber als eines von mehreren deutschen Problemen hinzu. Ein interessantes Beispiel liefert Dänemark, das sich das Ziel gesetzt hat, bei der Durchführung von dezentralen klinischen Studien (Decentralized Clinical Trials, DCT) eine wichtige Rolle einzunehmen. Diese Studien werden mithilfe von Telemedizin oder lokalen Gesundheitsdienstleistern durchgeführt und bringen die Studie zum Patienten statt den Patienten zur Studie. Die enge Zusammenarbeit zwischen Behörden, Klinikern, Unternehmen und Patienten in Dänemark ist der Schlüssel zum Erfolg, ebenso wie die proaktive Rolle der dänischen Arzneimittelbehörde. Dezentrale Elemente in Studien werden in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen und ein Erfolgsfaktor sein. Auch hier ist Deutschland nicht zuletzt wegen des fehlenden digitalisierten Gesundheitssystems schon ins Hintertreffen geraten. Die zögerliche Haltung der Behörden und die mangelnde Unterstützung entsprechender Ansätze behindern zusätzlich diese Entwicklung.

transkript. Auf der anderen Seite sieht man Klinikverbünde – zumindest in einzelnen Indikationen – oder auch die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, die versuchen, als zentrale Koordinatoren von Studien zu fungieren. Ist das hilfreich?

Rollinger. Deutschland hat ein extrem gutes Forschungsumfeld mit führenden Prüfzentren, Spitzenmedizinern, innovativen Forschungsclustern sowie einer etablierten und international angesehenen Auftragsforschungsbranche. Wir haben viele exzellente Voraussetzungen für beste klinische Forschung. Aber wir müssen diese Möglichkeiten besser nutzen. In der schon erwähnten Studie von vfa/Kearney sind viele Maßnahmen konkret genannt, die Deutschland wieder wettbewerbs fähiger machen würden. Auch das „Positionspapier“ der Arbeitsgruppe Klinische Forschung des Bayeri-

schen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, das in Zusammenarbeit Pharma, Biotech und CROs entstanden ist, zeigt geeignete Maßnahmen zur Verbesserung des Studienstandorts auf. Daran müssen wir nun arbeiten und zusammen mit Behörden, Politik und anderen betroffenen Interessenvertretern Lösungen auf den Weg bringen. Die Beharrungskräfte scheinen in Deutschland aber besonders stark zu sein, da gilt es dicke Bretter zu bohren.

transkript. Dennoch bleibt bei solchen Ansätzen immer der Eindruck einer neuen Insellösung. Dann wird noch der Föderalismus ins Feld geführt, gut 50 Ethikkommissionen, der Datenschutz – und dabei geht so viel Zeit ins Land, dass wohl immer mehr Studien einen Bogen um Deutschland machen, oder?

Freese . Es ist nicht zu bestreiten, dass wir das Ruder nicht so schnell herumreißen können, wie es notwendig wäre, um den negativen Trend zügig umzukehren. Aber wir halten es auch für die zukünftige Gesundheitsversorgung in Deutschland für absolut essenziell und ethisch, hier alles in die Waagschale zu werfen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Wenn klinische Studien weiterhin ins Ausland abwandern, würde dies zu erheblichen Verzögerungen bei der Verfügbarkeit neuer Therapien in Deutschland führen, falls sie überhaupt zugänglich wären. Dies stellt nicht nur für schwerstkranke Patienten, für die eine Teilnahme an klinischen Studien oft die letzte und einzige Hoffnung auf eine Therapiemöglichkeit darstellt, eine äußerst unethische Situation dar. Es hat Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem innovativer Therapien, zum Beispiel von der Produktion und Logistik von Zelltherapie bis hin zum Umgang und der Erfahrung medizinischen Personals mit innovativen Therapieansätzen.

transkript. Wie kann man die Situation verbessern? Welche konkreten Lösungen kann ein BVMA in dieser Gemengelage anbieten?

Krauss Für eine Verbesserung bedarf es von allen Stellen die Bereitschaft, mit pragmatischer Einstellung die notwendigen Maßnahmen anzugehen und Lösungen zu finden. Da darf sich keiner rausnehmen, weder die Politik und die Behörden, weder die Ethikkommissionen und Kliniken noch die Sponsoren und CROs. Alle sind gefordert. Der BVMA beteiligt sich in allen verfügbaren Gesprächsformaten als konstruktiver Diskutant und ist zusammen mit den Pharmaverbänden aktiv in Initiativen, die Lösungen entwickeln.

transkript. Aber dann gibt es auch noch andere äußere Einflüsse: Das Klinik personal ist offensichtlich dauerüberlastet. Wo sollen die Ressourcen für die Durchführung einer klinischen Studie eigentlich herkommen? Der Fachkräftemangel wird sich zudem auch bei den CROs selbst bemerkbar machen.

Krauss . Personal- und Fachkräftemangel macht sich praktisch in allen Bereichen bemerkbar. Die Frage ist aber, wo wir in Deutschland wichtige gesellschaftliche Zukunftsfelder sehen, die es wert sind, dass wir sie wettbewerbsfähig aufstellen und entsprechend unterstützen. Medizin und klinische Forschung sollten da weit oben stehen. Dass wir bessere Rahmenbedingungen für das Klinikpersonal brauchen, bisher brachliegende Ressourcen im Land nutzen, mehr qualifizierte Einwanderung anstreben, ist klar und wichtig. Dass wir unsere Möglichkeiten und Ressourcen in Zukunft verstärkt für die klinische Forschung und den medizinischen Fortschritt einsetzen, dafür setzen wir uns beim BVMA ein. GK

Der Bundesverband Medizinischer Auftragsinstitute wurde im Juli 1991 als Vertretungsorgan der deutschsprachigen CROs (Contract Research Organisations) gegründet. Sitz des Verbandes ist München.

Derzeit sind 46 im Bereich klinische Forschung sowohl national als auch international tätige Firmen Mitglied des Verbandes (Stand Juli 2023) sowie ein Ehrenmitglied. Damit repräsentieren die Mitgliedsfirmen mit ihren etwa 6.000 Mitarbeitern mehr als 70% der Beschäftigten im deutschen CRO-Sektor. www.bvma.de

58 I Spezial . Klinische Studien |transkript 3.2023

intervention beschleunigen

Die Medikamentenentwicklung läuft zu schleppend, um in Pandemien relevant intervenieren zu können. Mit Hilfe vereinfachter Regularien könnte man Wirkstoffe in wenigen Monaten in die Klinik bringen und eine bedingte Marktzulassung innerhalb eines Jahres schaffen. Die „Abkürzungen“ sind bereits vorgesehen.

Im Mai 2020 gründete die YUMAB GmbH die CORAT Therapeutics GmbH aus, ein Gemeinschaftsprojekt von Universitäten, Kliniken und Industrie zur Entwicklung neutralisierender Antikörperwirkstoffe für die Behandlung von COVID-19-Erkrankungen. In Rekordzeit sollte der Antikörper in die Klinik gebracht und parallel die Marktzulassung vorbereitet werden. Die Herausforderung bestand darin, die Zeit der Wirkstoffentwicklung von rund zehn Jahren auf unter ein Jahr zu reduzieren. Die frühe Einbindung des Paul-Ehrlich-Instituts war besonders wichtig, um das geplante Vorhaben im Hinblick auf die bevorstehenden Regularien für die klinische Studie voranzutreiben. Interessanterweise waren viele „Abkürzungen“, wie beschleunigte Präklinik, Einsatz etablierter Produktionsprozesse und Wirtszelllinien mit historischen Daten, parallele Entwicklung von regulatorisch-konformen monoklonalen Zelllinien und Marktprozessen bis hin zum adaptiven Design der klinischen Entwicklung bereits vorgesehen, aber erst die Pandemie hat die tatsächliche Umsetzung ermöglicht.

Vor der nächsten Pandemie

Unter dem Stichwort „preparedness“ stellt sich die Frage, wie die neu gewonnenen Erkenntnisse der COVID19-Pandemie zur Abwehr der nächsten globalen Infektionswelle genutzt werden können. Ausreichend verfügbare Medi-

kamente und medizinisches Material wie Masken und Schutzhandschuhe sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Schwieriger sind Vorhersagen über die Auslöser einer künftigen Pandemie. Welches Pathogen? Welcher Stamm? Welche Mutationen? Eine Möglichkeit wäre es, Therapeutika prophylaktisch gegen bisher bekannte Erreger mit Pandemiepotential zu entwickeln und den Herstellungsprozess marktreif vorzubereiten. Der Nachteil dabei ist, dass die tatsächliche Wirksamkeitsstudie (Phase II/ III) auf Grund von fehlenden Patienten erst in der Pandemie erfolgen könnte. Dieser Ansatz ist zwar kostenintensiv, könnte aber im Erfolgsfall viele Leben retten. Bei neuartigen Pathogenen, die bis dato völlig unerforscht sind, müssen

die Forschung und der Entwicklungsprozess hingegen bei Null anfangen.

CORAT hat mit dem COR-101-Programm gezeigt, dass sich die Entwicklung beschleunigen lässt. Zusammen mit optimierten Herstellprozessen, verbesserten Infrastrukturen, adaptivem klinischen Studiendesign und vorbereiteten Logistikketten in Abstimmung mit nationalen und internationalen regulatorischen Behörden könnten Antikörperwirkstoffe in wenigen Monaten bis zur Klinik und in weniger als einem Jahr bis zur Marktreife entwickelt werden. Bisher ist das in Deutschland noch nicht realisierbar, sodass auf dieser Ebene noch viel Handlungsbedarf besteht.

Nach der Pandemie ist eben vor der Nächsten. •

|transkript 3.2023 Klinische Studien Spezial . I 59 Bildnachweis: © YUMAB GmbH
Aus der Pandemie lernen: Beschleunigte Medikamentenentwicklung für Pathogene

Klinische Leistungsstudien

Die Erfüllung der neuen IVDR-Anforderungen zum klinischen Nachweis, insbesondere die Bewertung der klinischen Leistung, ist eine große Herausforderung für Hersteller von In-vitro-Diagnostikprodukten (IVDs). Ein strategischer Ansatz ist entscheidend.

In-vitro-Diagnostikprodukte (IVDs) leisten einen wesentlichen Beitrag zur Diagnostik und Behandlungskontrolle. Dabei ist es natürlich erforderlich, die Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Seit dem 26. Mai 2022 gilt die neue europäische Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR). Seitdem müssen IVDs den Anforderungen der IVDR entsprechen. Dazu zählt für eine Vielzahl (etwa 80%) von IVDs der Einbezug einer Benannten Stelle in das sogenannte Konformitätsverfahren.

Bewertung nach Plan

Die Leistungsbewertung führt anhand eines umfassenden Leistungsbewertungsplans zu einem Leistungsbewertungs bericht , der die wissenschaftliche Validität sowie die analytische und klinische Leistung nachweist. Die Leistungsbewertung von IVDs hat ein vergleichbares Ziel wie die klinische Prüfung von Medizinprodukten oder Arzneimitteln. Auf der Grundlage von Leistungsdaten muss auch die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nachgewiesen werden, bevor die Produkte auf den Markt gebracht werden dürfen.

Im Rahmen von Leistungsbewertungen wurden analytische Leistungs(bewertungs-)studien bereits unter der alten IVDD gefordert. Sie sind zwar sehr umfangreich, stellen aber keine neue Herausforderung für Hersteller dar. Die nun häufiger erforderlichen klinischen

Leistungsstudien sind komplexer, weil wesentlich mehr Vorschriften eingehalten werden müssen und viel mehr Akteure beteiligt sind, aber auch weitergehende methodische Verfahren zu berücksichtigen sind (wie Datenmanagement, Biostatistik, Datenbanken) und auf andere Regularien größeres Augenmerk gelegt werden muss wie die Datenschutzgrundverordnung.

Komplexität hat zugenommen

So sehr die IVDR damit die Akzeptanz und Übertragbarkeit der Anwendung eines zugelassenen diagnostischen Produktes verbessert, so sehr ist die Komplexität des Zulassungsverfahrens gewachsen.

Wenn man die Produktentwicklung und Kommerzialisierung vom Ende her aufrollt, müssen sich Hersteller frühzeitig strategische Fragen stellen,

beispielsweise: Wem bringt das Produkt einen Mehrwert? Wer wird für das neue Produkt zahlen? Wie und wo soll man es auf den Markt bringen?

nach dem Markteintritt

Eine weitere neue Anforderung mit der IVDR ist die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, genannt Post-Market Surveillance. Ein zentrales Instrument dafür sind Post-Market Performance Follow-up (PMPF) und PMPF-Studien. Dabei geht es um die Bestätigung der kontinuierlichen Sicherheit und Leistung des Produktes, die Identifizierung bisher unbekannter Risiken oder Leistungsgrenzen sowie die Gewährleistung des klinischen Nutzens während der gesamten erwarteten Lebensdauer des Produktes. Diese Studien dienen auch dem Ziel, weitere klinische Daten zu generieren und diese in den Leistungsbewertungsbericht einfließen zu lassen.

Expertise und Strategie

Angesichts der Entwicklungskosten und -dauer ist es für Unternehmen unerlässlich, eine klare und effiziente Entwicklungs- und Kommerzialisierungsstrategie zu verfolgen. Hierbei können spezialisierte Dienstleister in den Bereichen Entwicklung, Produktion, regulatorische Strategie, Leistungsstudien sowie Zulassung und Marktzugang helfen, indem sie mit Kompetenzen und Kapazitäten unterstützen. •

Bildnachweis: © TRIGA-S GmbH
von Dr. Andreas Franke, Geschäftsführer der TRIGA-S GmbH
60 I Spezial . Klinische Studien |transkript 3.2023
DR. ANDREAS FRANKE Geschäftsführer der TRIGA-S GmbH

Schneller und günstiger mit KI

CROs, Pharma- und Biotechnologieunternehmen kämpfen darum, die Prozesse in klinischen Studien zu optimieren. Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz unterstützt und eröffnet neue Möglichkeiten für die, die sie nutzen.

Prozesse der Arzneimittelentwicklung, die noch vor wenigen Jahrzehnten in Pharmakonzernen gebündelt waren, werden inzwischen immer häufiger ausgelagert. Dadurch haben sich parallel zum Boom der Biotech- und PharmaBranche auch Auftragsforschungsinstitute (CROs) rasch ausbreiten können. Gegenwärtig erwirtschaften sie mit der Durchführung, Planung und Ausführung von vorklinischen Untersuchungen und klinischen Versuchen Umsätze in Milliardenhöhe.

Um die rasante Entwicklung des Marktes zu unterstützen, suchen viele CROs nach Lösungen zur Prozessoptimierung. Dabei hat sich das Rampenlicht unbestreitbar auf einen transformativen Akteur verlagert: Künstliche Intelligenz (KI). KI ist nicht nur in Form von ChatGPT und verschiedenen Bildbearbeitungsprogrammen in unser tägliches Leben eingedrungen, sondern verursacht auch radikale Veränderungen im Bereich der klinischen Studien. So konnte in den vergangenen neun Jahren eine erhebliche Erhöhung der Investitionsquote in KI-nutzenden Unternehmen festgestellt werden. Dem aktuellen Q3 2023-Bericht zu Künstlicher Intelligenz in der Arzneimittelforschung zufolge, der im August von Deep Pharma Intelligence veröffentlicht wurde, erhöhte sich seit 2015 der jährliche Betrag von Investitionen in 800 Pharmaunternehmen, die KI für die Medikamentenentwicklung nutzen, um das 27fache, auf insgesamt 60,3 Mrd. US-Dollar.

Diese Auslagerung bestimmter Prozesse sowie die rasante Entwicklung der KI-Anwendungsmöglichkeiten sollten es theoretisch ermöglichen, innovative neue Therapien schneller und günstiger auf den Markt zu bringen. Allerdings scheinen die Möglichkeiten, die die Technologie bereitstellt, hierbei von den Strukturen der Unternehmen maßgeblich ausgebremst zu werden. Manuell erstellte Tabellenkalkulationen, die Probleme in Studien identifizieren – in einer immer komplexer werdenden klinischen Landschaft, in die zunehmend externe Partner und andere Stakeholder involviert sind –stellen eine unnötige, jedoch wachsende Fehlerquelle dar. „Nehmen wir zum Beispiel die Datenverwalter in klinischen Studien: diese stehen ständig unter Druck, in immer kürzerer Zeit hochwertige Ergebnisse zu erzielen“, so Werner Engelbrecht, Strategiedirektor

von Veeva Systems, ein Unternehmen spezialisiert auf die Entwicklung von Cloud-basierten Geschäftslösungen. Vielfältige Kontroll- und Sicherheitssysteme führen zu zusätzlichen separaten Systemen, darunter Anwendungen zur elektronischen Datenerfassung, zum elektronischen Studienstamm und zum Managementsystem. Nur wenige der Systeme arbeiten zusammen.

Es besteht der klare Bedarf, den klinischen Betrieb und das Datenmanagement zu rationalisieren – und letztendlich manuelle Prozesse zu eliminieren. Das Ziel von Veeva ist es, das Ökosystem von Standorten, Sponsoren, CROs und Wissenschaftlern miteinander zu verbinden; mit der Absicht, klinische Studien zu verbessern und Patientengruppen zu erreichen, die sonst vielleicht nicht erreicht würden. Die Vorteile der Vereinheitlichung klinischer Betriebssysteme auf einer modernen

|transkript 3.2023 Klinische Studien Spezial . I 61 Bildnachweis: © www.istockphoto.com/Yuuji
KI-Anwendungen könnten potentiell Studienergebnisse vorhersagen und den Verlauf von klinischen Studien revolutionieren.

Plattform liegen auf der Hand – aber Unternehmen sind verständlicherweise nervös, wenn es darum geht, ihre Altsysteme vom Netz zu trennen und die Geschäftskontinuität bei einem Technologie-Upgrade zu sichern.

Unternehmen Krempeln um Unzählige Unternehmen bemühen sich, bei dem KI-Rennen dranzubleiben. Auch Veeva-Partner Cognizant – ein Unternehmen, das hauptsächlich Pharmaunternehmen bei der Modernisierung der kommerziellen und regulatorischen Inhaltsplattformen unterstützt, um Prozesse zu vereinheitlichen und die Einhaltung von Vorschriften zu verbessern – ging Anfang August eine Partnerschaft mit der Google Cloud ein, um künftig Large-Language-ModelLösungen (LLM) anzuwenden und somit verschiedene Herausforderungen im Gesundheitswesen adressieren zu

können (s. S. 70). „Unser Ziel ist es, Lösungen für Unternehmen im Gesundheitswesen zu entwickeln, die zu erheblichen Kosteneinsparungen führen, die geschäftliche Effizienz steigern und die Patientenerfahrung verbessern“, so Ravi Kumar, CEO von Cognizant.

Durch die Analyse komplexer Patientenfaktoren, genetischer Marker und Behandlungsmodalitäten könnte die KI potentiell Studienergebnisse vorhersagen und die Entscheidungsfindung unterstützen. Die Digitalisierung und Automation der Prozesse präklinischer Studien wird fortlaufend optimiert und automatisiert, wodurch die Zeit für die Durchführung von Aufgaben verkürzt und die Konsistenz und Genauigkeit der erzielten Ergebnisse verbessert wird. „Zu den Aktivitäten, die sich für eine Automatisierung eignen, gehören Datenaggregation, Metadatenmanagement, Datensatzkonvertierung, Daten-

bereinigung und Standortabrechnung“, zählt Engelbrecht auf. Die Datenverarbeitung und -analyse durch KI bändigt und transformiert die Datenflut aus unterschiedlichsten Quellen. Der logistische Alptraum jedes Unternehmens wird nun von künstlicher Intelligenz und Automation übernommen und in Echtzeit organisiert und analysiert. Potentielle Ergebnisse oder Engpässe können nun unter Ausschluss des menschlichen Fehlers identifiziert werden.

Vom Protokolldesign bis zur Patientenrekrutierung, vom Datenmanagement bis zu den Vorhersagefähigkeiten – der Geist der KI ist so gut wie aus der Flasche, und er schreibt die Spielregeln neu. Beim Blick auf den Horizont der Möglichkeiten sollte jedoch nicht vergessen werden, dass selbst die mächtigsten Revolutionen mit unserem ethischen Kompass und unserem menschlichen Empfinden einhergehen müssen. MM

BEI UNS SIND

IHRE IVDR-STUDIEN IN GUTEN HÄNDEN.

TRIGA-S ist ein Auftragsforschungsinstitut mit Expertise bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung von analytischen und klinischen Leistungsstudien für In-vitro-Diagnostika (IVD) und Begleitdiagnostika (CDx) sowie sonstige Diagnostikstudien.

Als zuverlässiger Partner der Diagnostikindustrie stehen wir seit 25 Jahren für hohe Qualität und Innovation.

Mühltal 5 • 82392 Habach • Deutschland (BY) info@triga-s.de • www.triga-s.de AUFTRAGSLABOR FÜR IVD & PROBENMANAGEMENT STUDY MANAGEMENT & MONITORING DATA MANAGEMENT & BIOSTATISTIK GLOBALE STUDIENLOGISTIK & CLINICAL TRIAL SUPPLY UNTERSTÜTZUNG BEI REGULATORY AFFAIRS
62 I Spezial . Klinische Studien |transkript 3.2023
TRIGA-S GMBH

Klinische Studien

+++ Die Tübinger CureVac SE und ihr britischer Entwicklungspartner GlaxoSmithKline haben Anfang August mit der Dosierung zweier COVID-19-mRNA-Impfstoffkandidaten in einer Phase -II-Studie begonnen. Erste Ergebnisse der Studie, die einen mono- und einen bivalenten Wirkstoff mit modifizierter RNA einschließt, erwarten die Partner Anfang des ersten Halbjahres 2024. Der monovalente Kandidat, CV0601, kodiert nur für das Spike-Protein der Omicron BA.4-5 Variante, während der bivalente Kandidat, CV0701, zusätzlich den ursprünglichen SARS-CoV-2-Stamm enthält. +++

+++  Der Berliner RNA-Spezialist TME Pharma NV hat im Juli berichtet, dass einer von sechs Glioblastom-Patienten, die in den Erweiterungsarm der GLORIAPhase I/II-Studie eingeschlossen wurden, vollständiges Therapieansprechen gezeigt hat, nachdem sie den CXCL12-Inhibitor NOX-A12 in Kombination mit der StandardStrahlentherapie und dem Anti-VEGF-Mittel Bevacizumab erhalten hatten. Neben dem Patienten, dessen Tumor im MRT nicht mehr nachweisbar war und der zuvor mit einer Schrumpfung des Tumors um 89,9% das beste Ansprechen gezeigt hatte, wurde von zwei Patienten berichtet, die eine nahezu vollständige Verkleinerung (>99%) des Tumors aufwiesen. NOX-A12 (olaptesed pegol) ist ein intravenös verabreichtes, PEGyliertes L-stereoisomeres RNA-Aptamer, das auf CXCL12 abzielt. +++

+++ Die Baseler Roche AG ist mit der subkutanen Formulierung ihres 2017 in den USA und ein Jahr später in der EU zugelassenen humanisierten, immunsupprimierenden anti-CD20-Antikörpers Ocrelizumab bei der Behandlung der prodregienten und schubförmigen Multiplen Sklerose auf Erfolgskurs. In der zulassungsrelevanten Phase III-Studie

OCARINA II erreichte der B-Zell-Hemmer den primären und sekundären Endpunkt, meldete das Pharmaunternehmen im Juli. Der Antikörper, der nur zweimal pro Jahr mittels zehnminütiger Infusion verabreicht wird

zeigte bei 236 Patienten fast diesselbe Serumkonzentration sowie ein vergleichbares Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil wie die zugelassene intravenöse Formulierung nach 12 und 24 Wochen Behandlung. Die vom US-Unternehmen Halozyme lizenzierte subkutane Enhanze-Verabreichungstechnologie basiert auf einer geschützten rekombinanten humanen Hyaluronidase PH20 (rHuPH20), einem Enzym, das Hyaluronan im subkutanen Raum lokal und vorübergehend abbaut. Dadurch wird die Durchlässigkeit des Gewebes unter der Haut erhöht, so dass auch große Moleküle wie Ocrelizumab eindringen und die subkutane Formulierung rasch verteilt und in den Blutkreislauf aufgenommen werden kann. +++

+++ Der Heidelberger Zelltherapie-Entwickler Tolerogenixx GmbH hat im Juli grünes Licht von seinem unabhängigen Sicherheitsexpertenrat für einen weiteren Arm seiner Phase-IIb-Studie TOL2 bei nierentransplantierten Patienten erhalten. Er besteht aus Patienten, die nur ein Mindestmaß an Immunsuppressiva erhalten: eine reduzierte Dosis an Tacrolimus und gar kein Mycophenolat-Natrium. An der Studie nehmen 63 Transplantationspaare aus je einem Spender und einem Transplantatempfänger teil. Zusätzlich veröffentlichte das Unternehmen Nachverfolgungsdaten seiner Phase I-Studie zur MIC-Lx-Zelltherapie in Frontiers in immunology. Fünf Jahre nach deren Verabreichung zeigte sich demnach in zehn Patienten eine langanhaltende, spenderspezifische Immunsuppression und intakte Funktion des Spenderorgans. Auch der durch die Zelltherapie bedingte deutliche Anstieg der regulatorischen B-Lymphozyten blieb erhalten und es wurden keine spenderspezifischen humanen Leukozyten-Antigen (DSA)-Antikörper oder akuten Abstoßungen sowie keine schweren opportunistischen Infektionen beobachtet. Potential sieht das Unternehmen nicht nur bei der Induktion einer spenderspezifischen Immuntoleranz bei Transplantatempfängern, sondern auch bei Patienten mit Autoimmunkrankheiten. Nach

The better way to DNA!

High Quality Grade

Plasmid & Minicircle DNA

Kundenspezifische High Quality Grade DNA für GMP Produktion von viralen Vectoren, RNA und CAR-T Zellen

QC einschließlich CGE Service

pDG/pDP Plasmide für AAV Produktion

2 Plasmid System

Serotypen inklusive AAV8 & AAV9

GFP-Transferplasmide

ITRRESCUE®

In Stock Service

|transkript 3.2023
grafeting gmbh | stock.adobe.com
GMP PlasmidFactory.com PlasmidFactory GmbH Meisenstraße 96 | 33607 Bielefeld Germany | +49 521 2997 350
Demnächst auch
Sie uns! ESGCT | BRÜSSEL 24.-27.OKT | STAND 98/99
Besuchen

Klinische Studien

Veröffentlichung der Ergebnisse stockte der neue Investor DB Speciality GmbH & Co. KG , Neu Ulm, das Finanzierungsvehikel des Gesundheitsspezialisten Dr. Dietrich Bruchmann, die Serie-A-Finanzierung von TolerogenixX um 7 Mio. Euro auf. +++

+++ Nach Abflauen der Coronapandemie konzentriert sich die Mainzer Biontech SE auf ihr ursprüngliches Kerngebiet. Zusammen mit seinem Partner OncoC4 Inc. startete der RNA-Spezialist seine erste zulassungsrelevante Phase III-Studie in der Onkologie – allerdings mit dem lizenzierten Anti-CTLA-4-Antikörperkandidaten BNT316/ ONC-392 (Gotistobart) in der Indikation nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom. In der zweistufigen, nicht-verblindeten Studie (NCT05671510) mit 600 Patienten untersuchen die Unternehmen die Wirksamkeit und Sicherheit der BNT316/ONC-392-Monotherapie im Vergleich zum Behandlungsstandard, dem Chemotherapeutikum Docetaxel, bei Patienten mit Metastasen, die trotz PD(L)1-Inhibitor-Therapie eine Voranschreiten der Krebserkrankung zeigten. Der primäre Endpunkt ist das Gesamtüberleben (overall survival). Zu den sekundären Endpunkten gehören die Gesamtansprechrate (overall response rate), das progressionsfreie Überleben (progression-free survival) und das Nebenwirkungsprofil (adverse event profile).

Das Programm erhielt 2022 den Fast-TrackStatus von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA. +++

+++ Die in Sachen Gen- und Zelltherapie expandierende Bayer AG hat einen Achtungserfolg mit der potentiell kurativen Parkinsontherapie Bemdaneprocel ihrer Tochtergesellschaft Bluerock Therapeutics LP erzielt. In einer im Juni gestarteten Phase I-Studie zu Bemdaneprocel zeigte sich die Behandlung bei allen zwölf an der Studie beteiligten Patienten als gut verträglich. Ein Jahr nach Transplantation der aus pluripotenten Stammzellen differenzierten dopaminerzeugenden Nervenzellen wuchsen diese wie erwartet weiter im Gehirn der Patienten. Eine Phase II-Studie soll im ersten Halbjahr 2024 starten. Bemdaneprocel behebt den Mangel an dopaminergen Neuronen bei Parkinsonpatienten. +++

+++ Aus der Traum von einer intratumoral injizierten Zytokintherapie, die gefährliche neurologische, immunologische und ischämische Nebenwirkungen von systemisch verabreichten Zytokinen vermeidet. Ende Juli gaben die Sanofi SA und Biontech SE den Abbruch des Phase I-Programms SAR441000 (BNT131) bekannt, das Bestandteil einer millionenschwerenForschungskooperation in Sachen RNA-Krebswirkstoffe

ist. SAR441000 ist eine Mischung aus mRNAs, die die vier Proteine IL-12sc, IL-15sushi, IFN-alpha2b und GM-CSF kodieren. Zwar hatten die präklinischen Daten Sanofi und Biontech ermutigt, SAR441000 als Monotherapie und in Kombination mit dem von Regeneron lizenzierten PD-1-Blocker Libtayo klinisch zu untersuchen. Vor drei Jahren präsentierte positive Zwischenergebnisse mit 17 Patienten hatten die Unternehmen motiviert, die Studie auf 77 Patienten auszuweiten. Doch eine nicht veröffentlichte Zwischenanalyse der Ergebnisse brachte nun das Aus des Programms. +++

+++ Das Schweizer Unternehmen AC Immune SA (Lausanne, NASDAQ: ACIU) hat den Fast-Track-Status von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für seinen Anti-Amyloid-Beta-Impfstoff ACI-24.060 zugesprochen bekommen. Erst im Januar hatten die Schweizer eine Genehmigung für die Erweiterung ihrer laufenden Phase Ib/II-Studie ABATE auf Patienten mit Down-Syndrom erhalten, die das AmyloidPrecursor-Protein (APP) exprimieren. +++

+++ Die in Tübingen forschende Immatics NV hat Mitte Oktober ihre neben IMA401 zweite klinische Phase I/II-Studie zur Untersuchung gegen ein PRAMEPeptid gerichtetes bispezifisches T-ZellRezeptor-Molekül gestartet. An nicht mehr heilbaren Krebspatienten mit Melanomen, Eierstockkrebs, Lungenkrebs, Gebärmutterkrebs und Synovialsarkom wird dabei die Sicherheit und verträgliche Dosis von IMA402 untersucht, der aus einem affinitätsgereiften TCR, einem humanisierten T-Zell-rekrutierenden Antikörper und einem Fc-Teil besteht, der eine verlängerte Halbwertszeit und vorteilhafte Stabilitätseigenschaften aufweist. Zudem stehen in der Basket-Studie die Pharmakokinetik und die mögliche Antitumorwirkung des auf ein von PRAME abgeleitetes, HLA-A*02-präsentiertes Peptid abzielenden IMA402 unter Beobachtung. Mit ersten Ergebnissen wird Anfang 2024 gerechnet. +++

Bildnachweis: © BlueRock Therapeutics LP
Die BlueRock Therapeutics LP hat im Zuge der Restrukturierung ihrer Pipeline durch die Bayer AG von neun auf fünf Zelltherapieprogramme 12% ihrer Mitarbeiter entlassen.
64 I Spezial . Klinische Studien |transkript 3.2023

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.