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Winter 2023

SPEZIAL

Biotech solutions

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Alle Augen auf RNA


22 I Wirtschaft. Fokus RNA

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Alle Augen auf RNA Über mRNA muss man kaum noch sprechen, viele haben den Pieks im Arm gespürt. Während derartige Impfstoffe ein Welterfolg waren, folgen die RNA-Therapeutika etwas verhaltener.

Zellaufnahme

Proteinfunktionsänderung

ON mit unmethylierten CpG-Inseln Angeborene Immunität

RNase H- vermittelte Spaltung im Zytosol

sterische Blockade

Translation hemmend

Translation anregend SSO-induzierte Modulation des Spleißens

RNase H-vermittelte Spaltung im Zellkern

mRNA Spaltung und Abbau

Blockade von RNABindungsfaktoren

Diversität und Komplexität der RNA-Anwendungen, Abkürzungen: ON=Oligonukleotid, ASO=antisense-Oligo, SSO=Einzelstrang-Oligo, TLR=Toll-like-Rezeptor

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Es ist ein junges Forschungsfeld: Viele Nukleinsäure-basierte Therapeutika befinden sich noch in der klinischen Erprobung oder sind erst seit kurzem auf dem Markt. Häufig wird als das bekannteste RNA-Molekül nun der mRNAImpfstoff verschiedener Hersteller wie Pfizer-BioNTech und Moderna oder auch von Curevac aus Tübingen herangezogen – immerhin gab es für die wesentliche Entdeckung zur Anwendbarkeit einer synthetischen mRNA auch in diesem Jahr den Nobelpreis für Physiologie und Medizin an Katalin Karikó und Drew Weissmann. Doch diese Impfstoffe nutzen mRNA, um die Immunantwort gegen das Virus zu stimulieren – das ist nicht in jedem Falle der therapeutischen Anwendung ebenfalls gewünscht, oft ist sogar die Stimulation des angeborenen Immunsystems eine unerwünschte


Nebenwirkung und Heerscharen von Forschern versuchen Kniffe zu finden, wie dies umgangen werden kann. Deutsche Erfolgsgeschichte? RNA-Interferenz-Therapeutika nutzen die RNA-Interferenz-Technologie, bei der kleine RNA-Moleküle die Genaktivität regulieren, indem sie die Produktion von Proteinen blockieren. Dazu gehören die Ansätze der small interfering RNA (siRNA), bis zu 25 Basenpaar-lange, doppelsträngige RNA-Moleküle, die zuerst bei der Petunienzucht aufgefallen waren und später Mello und Fire den Nobelpreis einbrachten (2006). Im Jahr 2001 konnte Tom Tuschl (heute Rockefeller University) die RNA-Interferenz bereits erstmals in menschlichen Zellen anwenden, ging später beim Stockholmer Nobelpreiskommittee aber leer aus. Tom Tuschls Arbeiten bildeten die Grundlage für die Gründung von Alnylam Pharmaceuticals, einem heute weltweit führenden Unternehmen in der siRNA-Therapie. Diese Arbeiten waren am Max-Planck-Institut in Göttingen begonnen worden, die Max-Planck-Gesellschaft lizenzierte die Technologie in die Gründungsphase von Alnylam 2002 an die US-Amerikaner aus aber auch ein Forscherteam um Roland Kreutzer hatte früh Patente eingereicht, und gründete die dann aus Bayreuth nach Kulmbach verlagerte Ribopharma AG. Die Amerikaner hatten den besseren Zugang zum Kapital und sammelten in den Folgejahren bis das erste Produkt 2018 die Zulassung erhielt, rund 5 Mrd. US-Dollar ein. Ribopharma hatte eine bewegtere Geschichte zu absolvieren, mit wechselnden Eigentümern, bis diese bayerische RNA-Kompetenz unter dem Namen Axolabs einen Neustart angehen konnte (siehe Interview). Während Alnylam in den vergangenen fünf Jahren mehrere RNA-basierte Therapien in die klinische Anwendung gebracht hat, unter anderem für schwer zu behandelnde Krankheiten wie Porphyrie oder primäre Hyperoxalurie, konzentrierte sich Axolabs auf das Servicegeschäft, die Produktion und Entwicklungshilfe für die wechselnde

Impression of Expression Wirtschaft. I 23

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aber wachsende Interessenslage der großen Pharmafirmen aber auch kleiner Biotechs. Dass man damit zwar kleinere Brötchen backen muss, aber mit nun auch schon über 200 Beschäftigten zu den größeren deutschen Biotechunternehmen zählt, gehört auch zu dieser RNA-Historie auf deutschem Boden. Pharma: fähnchen im wind Die großen Pharmafirmen wie Novartis, Merck oder Roche haben ein gemischtes Verhältnis zur RNA-Welt. Teilweise waren sie früh mit Milliardenbeträgen in Partnerschaften mit kleinen Biotechs eingestiegen, oft später aber wegen ausbleibenden schnellen Erfolges wieder ausgestiegen. Sie kauften sich mit noch größeren Milliardenbeträgen dann wieder in den Bereich ein, als die ersten Zulassungserfolge zu vermelden waren, teilweise auch noch einmal bei den einstigen Partnern. Mit diesen ersten Zulassungen ist das Interesse massiv gestiegen. Und selbst wenn die RNA-Impfung gegen Krebs noch auf das entscheidende Erfolgserlebnis wartet, traut man mittlerweile diesem Sektor fast jeden Erfolg auch in den schwierigsten Indikationen zu. Erfolge und Visionen Die konkreten Beispiele liegen jedoch bisher noch in anderen Indikationsfeldern: RNA-Interferenz-Therapien werden auch bei genetisch bedingten Blutgerinnungsstörungen eingesetzt, um die Produktion von Gerinnungsfaktoren zu regulieren. Ein weiteres Beispiel ist die familiäre Hypercholesterinämie, eine genetische Störung, die das Risiko für hohe Cholesterinwerte und Herzerkrankungen erhöht. Hier zielt die RNA-Interferenz-Therapie darauf ab, die Produktion von LDL-Cholesterin zu verringern und das Risiko von Herzerkrankungen zu senken. Mit rund 10 Mrd. US-Dollar hatte sich Novartis diesen Wirkstoff und die ganze Firma The Medicine Company 2019 eingekauft und als inclisiran ein Jahr später durch die Zulassung bekommen. Zwei jährliche Verabreichungen dieser siRNA genügen nun, um den Cholesterolspiegel dauer-

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haft abzusenken. Auch bei der CRISPR/ Cas9-Gentherapie ist RNA ein wichtiger Teil der Technologie und sorgt für die spezifische Paarung zusammenpassender Basenabschnitte in immer mehr auch klinischen Entwicklungsansätzen. Das Start-up Pramomolecular GmbH vom Biotech-Campus Berlin-Buch mit CEO Dr. Merle Fuchs setzt ebenfalls auf die siRNA gegen das Onkogen KRAS. Inzwischen sind zwei Wirkstoffe gegen die Mutation KRAS G12C auf dem Markt. Das ist die einzige Mutation, die durch niedermolekulare Substanzen adressierbar ist, da sie eine Bindungstasche auf der Proteinoberfläche aufweist. Alle übrigen Mutationen, insbesondere KRAS G12D und G12V fehlt diese Bindungstasche – sie gelten noch immer als undruggable. Genau diese will Merle Fuchs mit ihrem Team angehen. Im Gespräch mit |transkript betont sie die Herausforderungen der siRNATechnologie: „So smart die Idee ist, so diffizil wird es, wenn man mit hoher Spezifität einen bestimmten Zelltypus adressieren will. Die Herausforderung ist das Delivery und wir haben beispielsweise mit unserem kovalenten Lipid-Deliverymoleküle höhere Wirkung bei systemischem In-vivoSilencing in der Lunge erzielt, als der Marktführer Alnylam“, sagt Fuchs. In die Zelle bugsiert, zeigen siRNA-Therapeutika erstaunlich langanhaltende Wirkung auf die Proteinregulation, da sie intrazellulär von einem RISC genannten Komplex stabilisiert werden, so als „gehörten sie dazu“. Herausforderung Produktion Neben der Forschung an der zielgerichteten Adressierung von bestimmten Zelltypen gibt es auch noch viel zu tun auf der Produktionsseite. So haben nicht nur die großen Pharmafirmen im RNA-Bereich ihre Produktionskapazitäten mit den ersten Zulassungserfolgen ausgebaut, wie Novartis in der Schweiz. Auch mittelständische CDMOs wie die Wiener Biomay AG setzen auf mRNA. Anfang des Jahres hat das Unternehmen zusätzliche Reinraum- und Laborflächen erworben und adaptiert und verfügt dort

nun über eine Gesamtfläche von 2000m². Die vollintegrierte BiomanufacturingAnlage dieses Center of Excellence umfasst fünf GMP-geprüfte Reinräume für Upstream- und Downstream-Processing sowie aseptische Abfüllung von mRNA und der zugehörigen Template-DNA. Deutschland bewegt sich Als ein BMBF-Zukunf tscluster hat das Konzept zu Nukleinsäure-basierten Therapeutika unter dem Kürzel CNATM (München) gewonnen. Dort befindet sich ein Ökosystem traditioneller RNA- Firmen wie der von Karsten Henco unterstützten Ethris, die aus Regensburg stammende siTools, die eigene Silencing-Werkzeuge vermarktet, oder Secarna mit eigens modifizierten Antisense-Molekülen. Doch auch neue Player wie RNAtics, RNhale oder die einst als Stammzell-Zentrum aus NRW abgeworbene Isar Bioscience mischen in Südbayern bei RNA mit, wo sich auch Forschungskompetenz um Veit Hornung oder Stefan Engelhardt (siehe |transkript 3/2023) stärker bemerkbar macht. Andere Forscher suchen nach Small molecules, die die RNA-Regulation innerhalb der Zelle beeinflussen können, oder sie setzen sogar schon früher in der Kette an und zielen auf die tRNA wie die Arbeitsgruppe um Lars Steinmetz vom EMBL in Heidelberg (der schon die Firma Sophia Genetics mitgegründet hat). Zusammen mit Bastian Linder hat er einen Wirkstoff in Arbeit, der auf so genannte „modifizierte tRNA“ zielt, die ihrerseits zum dauerhaften Anschalten der Translation von Signalproteinen beitragen – wodurch häufig Krebs entsteht. Den Produktionsstandort baut Axolabs nun in Berlin, an dem das größte europäische siRNA-Unternehmen Silence Therapeutics sein Entwicklungszentrum unterhält. Auch Alnylam hat Deutschland wiederentdeckt und eröffnete gerade seine Zentrale in München. Fehlt nur noch die Aufmerksamkeit der Geldgeber, wie sie diese schon andernorts mit hohen Millionenbeträgen bei ADARx, DTx Pharma oder AIRNA zum GK Ausdruck gebracht haben.


Fokus RNA Wirtschaft. I 25

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Von Kulmbach in die Welt Die RNA-Pioniere Roland Kreutzer und Stefan Limmer starteten aus der Universität Bayreuth. Die Arbeit der späteren Nobelpreisträger Craig Mello und Andrew Fire inspirierte sie zu einem einfacheren RNA-Molekül, das auch therapeutisch wirkt. Die bewegte Geschichte der heutigen Axolabs schildert Philipp Hadwiger. deutschen Patentlizenzen der MaxPlanck-Gesellschaft die US-Firma Alnylam gegründet. Später hat Alnylam festgestellt, dass unsere Firma Ribopharma AG auch wicchtige Patente besitzt und uns aufgekauft. Wir wurden dann zu Alnylam Europe.

t ranskript . Herr Hadwiger, warum beginnt Ihre RNA-Geschichte in Kulmbach?

Philipp Hadwiger. Die Kulmbacher

Bildnachweis: © Axolabs GmbH

waren schneller als Bayreuth, uns geeignete Räumlichkeiten anzubieten, was sich auf viele Jahre als sehr günstig erwies, da wir hier auch wachsen konnten.

transkript. Doch das hielt nicht lange ...

transkript. Viele Grundlagen zur thera-

DR. PHILIPP HADWIGER

peutischen Anwendung der RNA wurden in Deutschland gelegt. Warum haben uns die USA dann so deutlich überholt?

Geschäftsführer Forschung

H a d w i g e r. Währe n d sich Rola n d Kreutzer und Kollegen gleich um die Patentierung kümmerten, haben an-

dere Forscher hochrangig in Natur e publiziert und die Amerikaner richtig aufgeweckt. Dort hat man dann mit

Axolabs GmbH

Hadwiger. Ja, denn Alnylam schloss

bald eine Kooperation mit Roche, was die Kulmbacher Firma zu einem RocheStandort machte, und wir hatten nun Roche Kulmbach am Klingelschild stehen.

transkript.  Aber auch das war nur von kurzer Dauer, warum?

mRNA Therapeutic Development Elevate in vitro transcription with cGMP manufactured products t

Animal Origin-Free Production

t

Contamination Testing

t

Quality Documentation

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26 I Wirtschaft. Fokus RNA

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lekül noch besser oder überhaupt wirksam auf diese Zielmoleküle einwirken und deren Regulation beeinflussen können. transkript.  Axolabs ist also über die Produktion hinaus auch in die frühe Entwicklung der Projekte eingebunden?

In Kulmbach sind fast alle Stockwerke von Axolabs belegt. Nun folgt die Expansion nach Berlin.

Hadwiger. Wir sehen dieses Verhalten

immer wieder: ein wissenschaftliches Ergebnis entpuppt sich als eine anwendbare neue Therapiemethode und alle großen Pharmafirmen springen darauf, es entsteht ein Hype. Wenn es dann doch noch ein bisschen länger dauert, bis die klinische Phase erreicht wird oder die Resultate stimmen, dann verliert Big Pharma auch schnell wieder das Interesse, andere Dinge erhalten höhere Priorität. Roche hat den Standort Kulmbach aufgegeben und uns vor die Türe gesetzt. Mit einem eigenen Businessplan für ein RNA-Servicegeschäft konnten wir das vermeintliche Ende in einem Management Buy-out abwenden.

transkript.  Nun haben Sie die eigenen therapeutischen Entwicklungen aufgegeben, aber sind mit den Kunden noch immer in diesem Bereich unterwegs?

Hadwiger. In der Tat, wir haben keinerlei eigene therapeutische Projekte mehr, aber wir spielen nun dennoch bei sehr vielen laufenden internationalen Projekten mit. Das heißt, wir sehen eigentlich viel mehr in einem aufregenden Markt, in großer Dynamik, als wir es jemals sonst sehen würden, wenn wir einen viel engeren Fokus auf eigene Projekte legen würden.

Hadwiger. Wir sind jedenfalls mehr als „nur“ Produktion. Wir stellen den berühmten One-Stop-Shop für jegliches RNAMolekül dar, das man sich gerade vorstellen möchte. Wenn es um die Entwicklung geht, machen wir die von Anfang an mit, verstehen uns vor allem auf die richtigen Analysemethoden, um zu überprüfen, ob eine neue Idee sich auch umsetzen lässt. Da spielt Erfahrung eine wesentliche Rolle und bedeutet zugleich, dass wir auch offen für ganz neue Ansätze sind. Unsere eigene Forschung fokussiert sich auf die Entwicklung neuer Analysemethoden, um beispielsweise die einzelnen Entwicklungsschritte besser überwachen zu können. transkript.  Ein großes Thema ist das

transkript.  Wie versteht sich Axolabs

zellspezifische Delivery, was tut sich da?

in diesem RNA-Feld? lich nochmals von ganz vorne anfangen, nun als Axolabs. Hat dieses Auf und Ab Spuren hinterlassen?

Hadwiger. So schmerzlich das auch

klingen mag und uns selbst auch immer noch etwas nachhängt: wir hatten keine Patente mehr und nur unsere Erfahrung. Aber gerade durch die Vergangenheit mit Alnylam in den USA aber auch mit Roche hatten wir ein internationales Netzwerk mit all den wichtigen Standorten und Akteuren in diesem Feld. Das war für diese Stunde Null als Axolabs extrem hilfreich, aber auch lebensnotwendig. Und ansonsten muss man sagen, dass diese alten Geschichten eben Vergangenheit sind.

transkript.  Wie verteilt sich heute der Kundenkreis bei Axolabs? Hadwiger. Die Kunden sind zu etwa

70% in den USA, 25% in Europa und der Rest von überall anders her.

Hadwiger. Wir sind ein Auftragsfor-

schungsinstitut mit der Kernkompetenz RNA. Wenn der Kunde das wünscht, fangen wir mit einem Projekt auch bei Null an und machen die Bioinformatik zur Sequenzoptimierung, zur Identifizierung des am besten auf ein Target passenden Moleküls. transkript.  Haben sich die Anforderungen Ihrer Kunden geändert?

Hadwiger. Früher kamen die Anfragen hauptsächlich aus dem RNA-Feld selbst, von Leuten und Unternehmen mit Expertise, die bei einer spezifischen Problemstellung Hilfe benötigten. Das gibt es weiterhin und die Fragestellungen werden auch immer komplexer. Zusätzlich kommen aber auch Firmen, die eher hochkompetent in der Medizin, der Wissenschaft um eine bestimmte Krankheit sind, die die Zielstrukturen und ihr Wechselspiel kennen und verstehen. Die möchten nun auch ausprobieren, ob sie mit einem RNA-Mo-

Hadwiger. Die eine Methode verwendet Lipidvesikel, die man von den Impfstoffen kennt, Lipidnanopartikel, LNP. Andere Methoden sind die kovalente Koppelung von Anhängen, die auf Zelloberflächen an ein Shuttle-System andocken können. Das funktioniert derzeit am Besten in der Leber, aber die Bandbreite vergrößert sich gerade auf das ZNS, auf die Lunge und weitere Organe. Hier tut sich sehr viel, und das Faszinierende ist, dass der vergleichsweise kleine Anhang eines Lipides die ganze Biophysik des RNAMoleküls komplett ändert und eine Membrandurchgängigkeit ermöglicht. transkript.  Die Viefalt der Nukleinsäure-basierten Moleküle scheint unendlich, wie behalten Sie da den Überblick? Hadwiger. Es tut sich sehr viel im therapeutischen Feld der Nukleinsäuren. Das hat nichts mehr mit den Basen aus dem Schulbuch zu tun, da hängt eine ganze Menge zusätzlicher Chemie daran. Bei Antisense und siRNA sind das sogar nur

Bildnachweis: © Axolabs GmbH

transkript.  Dann mussten Sie eigent-


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noch modifizierte Nukleotide. Bei Aptameren sind noch eher Schulbuch-Basen in Verwendung, weil man die Tertiärstruktur auch als Motiv erhalten möchte. Mittels SAR, Structur Activity Relation, erforschen wir den Zusammenhang von Sequenz, Struktur und Wirkung eines solchen Moleküls. Diesen Raum der Interpretation beherrschen wir. Dazu kommt dann noch CRISPR/Cas, und die Genomeditierung wird zu einer mRNA-Editierung erweitert. Gleichzeitig muss man die zellulären Prozesse verstehen, da diese ja für die Wirkung der modifizierten Moleküle genutzt werden. transkript.  Nun expandieren Sie nach

die Fachkräfte, aber auch Nähe zu einigen potentiellen Kunden zu sein. Mit Hilfe der Stadtverwaltung haben wir ein Gebäude in Berlin-Marzahn gefunden, das wir umbauen. In der ersten Ausbaustufe werden drei Pilotanlagen und eine Prozessanlage mit einer Kapazität von 6 kg Batchgröße errichtet. Dazu eine entsprechende Anzahl an Prozessentwicklungsanlagen und ein Qualitätskontrolllabor zur Eingangskontrolle, Prozesskontrolle und Freigabe des Produkts unter GMP. Eine zweite Ausbaustufe ist möglich und bereits technisch vorbereitet und kann eine weitere Prozessanlage mit identischer Dimension aufnehmen.

Berlin. Was bringt Ihnen der zweite Standort?

transkript.  Was investieren Sie da?

Hadwiger. Wir wollen ein Modul zu

unserem Angebot hinzufügen und unseren Kunden auch die GMP-Produktion im Paket anbieten. Dafür scheint uns Berlin ein guter Standort in Bezug auf

Hadwiger. Das Investment liegt im oberen zweistelligen Millionenbereich. In der ersten Ausbaustufe sind 100 Mitarbeiter in Berlin geplant, in der zweiten Ausbaustufe etwa 130 Mitarbeiter.

transkript.  Das ist für eine 200-MannFirma eine deutliche Vergrößerung.

Hadwiger. Das weitere Wachstum und ein zweiter Standort bringen auch neuen Wind in unsere Unternehmenskultur, der uns sehr gut tun kann. Wir vollziehen gerade einen Generationenwechsel im Vorstand und haben viele Kollegen, die nun schon Jahrzehnte beim Unternehmen sind. Die längste Zeit waren wir eher zwischen 50-80 Mitarbeiter und es ist schon eine Umstellung gewesen, als wir auf 200 in Kulmbach angewachsen sind. Der Wettbewerb nimmt aber nun auch in dem Maße zu, wie gerade das Interesse an diesem Feld deutlich wächst. Da ist es gut, wenn man etwas aus der Komfortzone heraustritt und sich auch präsenter zeigt. Wir decken als einer der wenigen die ganze Strecke bis zum produzierbaren Nukleinsäuremolekül ab und haben da ein Alleinstellungsmerkmal. Aber darauf GK darf man sich nicht ausruhen.

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28 I Wirtschaft. Fokus RNA

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Prüfung von RNA-Carriern Zu einem RNA-Therapeutikum gehört in der Regel immer auch ein Carrier-System. Das Verständnis der Immunkompatibilität von ­Nanoformulierungen ist ein wichtiger Faktor in der präklinischen Entwicklung und erfordert zuverlässige In-vitro- und In-vivo-Assays. von Jonas Füner, CEO der preclinics Ges. für präklinische Forschung mbH

Die Wechselwirkungen von RNA-Carrier-Systemen sollten auch mit Primärzellen untersucht werden.

Bei RNA-Therapeutika besitzt man in der Regel drei Komponenten, welche pharmakologisch geprüft werden müssen: den Carrier, die RNA und den eigentlichen Wirkstoff, das modifizierte Protein. Für diese umfangreichen Untersuchungen der Wirkung und Verträglichkeit empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen. Die Carrier transportieren die RNA durch den Organismus, deshalb sollte man bei Neuentwicklung gerade diese besonders prüfen. Es handelt sich meistens um nanopartikuläre Strukturen (am verbreitetsten sind Lipid Nanoparticles (LNP)) und die möglichen Wechselwirkungen im Körper sind vielfältig. Bei der Entwicklung von neuen Carriern sollte man recht früh

die akute immunologische Verträglichkeit prüfen. Neben der Untersuchung von Nebenwirkungen geht es auch darum, die immunologische Clearance der Prüfprodukte zu vermeiden. Testen in der Zielspezies Leider ist die Prädiktion von Nebenwirkungen durch In-vitro-Tests begrenzt, insbesondere bei Zelllinien. Primäre Zellen verbessern die Korrelation zwischen In-vitro- und In-vivo-Studien. Es empfiehlt sich, Zellen von der Zielspezies, für welche das Medikament entwickelt wird, also in der Regel der Mensch, und von den Spezies, in welchen die präklinischen Studien durchgeführt werden sollen, zum Beispiel die Maus, zu verwenden.

Vielfältige Blut-Assays Der Aufwand der Blutgewinnung von mehreren Spendern lohnt sich, da man viele Messungen mit den Proben durchführen kann. Dazu zählen die für Partikelformulierungen wichtigen Parameter wie Hämolyse, Neutrophilenaktivierung und Zytokinfreisetzung, aber auch Leukozytenproliferation und Thrombo­genität. Einige dieser Assays kann man im Vollblut durchführen, für andere müssen erst die PBMCs isoliert werden. Für das Screening sind Zell­ linien sicherlich die einfachere Variante. Sie bieten auch den Vorteil einer besseren Assays-to-Assay-Vergleichbarkeit. Bevor aber eine Studie in Tieren durchgeführt wird, sollte man die Kandidaten auch in Primärzell-Assays eingehend testen. •

Bildnachweis: © preclinics Ges. f. präklinische Forschung mbH

Blut ist eine sehr geeignete Ressource für die Gewinnung von frischen Primärzellen für die In-vitro-Untersuchung. Es ist von allen Spezies, inklusive des Menschen, mit relativ wenig Aufwand und ethisch vertretbar zu gewinnen. Außerdem ist es ein bedeutendes Immunorgan und die Matrix, in welcher die Carrier im Körper transportiert werden. Vollblut als komplexe Matrix spiegelt die Situation in vivo sehr gut wider, führt aber auch zu deutlich höheren Varianzen. Daher sollten nicht nur technische Triplikate verwendet werden, sondern zusätzlich auch biologische Replikate von mehreren Blutspendern.


DNA Aptamer

RNA shRNA

ASO

siRNA

Gapmer

tRNA

mRNA AntagomiR

guide RNA TLRmer

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